Kinderimpfung

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Kinderimpfung
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Die kompetente
Entscheidungshilfe für Eltern
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Die Inhalte des Buches wurden vom Verfasser nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für eine kompetente medizinische
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© 2009 by Irisiana Verlag, einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH,
81673 München
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Redaktion für diese Ausgabe: Birte Schrader
Herstellung für diese Ausgabe: Sonja Storz
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Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kurze Geschichte des Impfens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Von der ersten Pockenimpfung bis heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
8
Allgemeine Grundlagen zum Impfen . . . . . . . . . . . .
Wie das Immunsystem Infektionen und Impfungen verarbeitet
Aktive Impfungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Passive Impfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Herstellung, Prüfung und Zulassung von Impfstoffen . . . . . . .
Praktische Aspekte des Impfens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Impfabstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Wirkungen und Nebenwirkungen von Impfungen .
Wirksamkeit von Impfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Sicherheit von Impfstoffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Nebenwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Impfempfehlungen und Impfkalender für Deutschland,
Österreich und die Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Impfkalender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Die Standardimpfungen . . . . . . . . . . . . . . . .
Diphtherie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tetanus (Wundstarrkrampf) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Pertussis (Keuchhusten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Poliomyelitis (Kinderlähmung) . . . . . . . . . . . . . . .
Infektionen durch Hämophilus influenzae Typ b (Hib)
Hepatitis B (Leberentzündung) . . . . . . . . . . . . . . .
Pneumokokken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Meningokokken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Masern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Mumps (Ziegenpeter) . . . . . . . . . . . . .
Röteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Varizellen (Windpocken) . . . . . . . . . . .
Humanpathogene Papillomaviren (HPV) .
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Impfungen in Sondersituationen . . . . .
Eltern und Großeltern. . . . . . . . . . . . . . . . . .
Frühgeborene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Angeborene und erworbene Immunschwäche
Allergien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Spezielle Impfungen einschließlich Reiseimpfungen
Rotaviren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Zusätzlich empfohlene Impfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Influenza (Grippe) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) . . . . . . . . . . . . . . .
Hepatitis A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tollwut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tuberkulose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Typhus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Cholera . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gelbfieber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Japanische Enzephalitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Alternativen zum Impfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
Impfkritiker und Suche nach Alternativen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
Anhang .
Adressen .
Der Autor .
Register . .
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Vorwort
Impfungen haben nicht nur die Lebensbedingungen allgemein verbessert. Sie haben auch viel dazu beigetragen, dass die Krankheitshäufigkeit und Sterblichkeit
durch Infektionskrankheiten seit mehreren Jahrzehnten deutlich rückläufig ist. Dies
ist vor allem den so genannten Standardimpfungen zu verdanken, das heißt Impfungen, die allen Menschen empfohlen werden.
Diese großen Impferfolge finden jedoch in der Allgemeinbevölkerung, aber auch
bei Studierenden der Medizin und Ärztinnen und Ärzten nicht immer die verdiente
Anerkennung. Sie werden oftmals sogar grundsätzlich infrage gestellt. Die Gründe
dafür sind vielfältig: Wissens- und Ausbildungsdefizite in Studium, Fort- und Weiterbildung aufseiten der Ärzteschaft; unbegründete Ängste vor schwerwiegenden Nebenwirkungen und die Befürchtung, die »Abwehrkräfte des Kindes würden nicht genügend durch Wildinfektionen trainiert«, aufseiten der Eltern. Die oftmals kritische,
bisweilen sogar ablehnende Einstellung gegenüber Impfungen mancher Eltern wird
dadurch begünstigt, dass gerade wegen des Impferfolges einige Erkrankungen
kaum noch bekannt sind und deshalb die Notwendigkeit eines Impfschutzes beim
Kind nicht eingesehen wird.
Wer sich aber vorstellen kann oder es gar selbst erlebt hat, wie ein Säugling mit
Keuchhusten auf einer Intensivstation an Hustenanfällen zu ersticken droht, oder
was es für Eltern bedeutet, wenn ihr Kind als Folge einer Meningitis taub geworden
ist, der weiß, welchen Segen die Impfungen gebracht haben.
Zahlreiche impfkritische, ja Impfungen oftmals in Bausch und Bogen ablehnende
Schriften haben zu einer erheblichen Verunsicherung in Teilen der Bevölkerung geführt. Nicht immer besitzen die Verfasser dieser Publikationen die notwendige
Sachkenntnis, was zur Verbreitung von Fehlinformationen beiträgt. Es ist mir als Kinderarzt, der sich seit vielen Jahren speziell mit der Verhütung von Infektionskrankheiten beschäftigt, deshalb ein besonderes Anliegen, Eltern mit diesem Ratgeber in
Impffragen ehrlich, sachlich und ausgewogen zu informieren.
Wer sich gründlich informiert, wird eine vernünftige Entscheidung treffen können. Sie wird meiner Überzeugung nach im Allgemeinen für die empfohlenen Impfungen ausfallen. Mein besonderer Dank gilt an dieser Stelle allen Müttern und Vätern, die mich durch ihr Interesse am Impfschutz ihres Kindes motiviert haben,
dieses Buch zu aktualisieren.
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Kurze Geschichte des Impfens
Von der ersten Pockenimpfung bis heute
Seuchen versetzen die Menschheit in Angst und Schrecken und führen jährlich zu
Millionen von Todesfällen. Früher waren dies die Pest und die Pocken, heute sind es
Aids, Malaria und die Tuberkulose. Diese epidemisch auftretenden Infektionskrankheiten nähren den Wunsch der Menschen, sich davor zu schützen. Unser Schutzbedürfnis – und keine »Profitgier« der pharmazeutischen Industrie, wie manchmal unterstellt wird – ist also die Basis für die Entwicklung von Heilmitteln (Medikamente)
und Impfstoffen. Dabei ist häufig die Natur das Vorbild der Forschung. Wie die
noch junge Geschichte des Impfens zeigt, waren es sorgfältig beobachtende Ärztinnen und Ärzte, die natürliche Abläufe und Prinzipien von Infektionskrankheiten
erkannten, nachahmten, veränderten und häufig sogar noch verbesserten – zu
unserem Nutzen. Doch nicht immer war die Impfstoffforschung von Erfolg gekrönt.
Misserfolge und Rückschläge wie fehlende Wirksamkeit oder unerwartete Nebenwirkungen mussten in Kauf genommen werden.
Es ist ein Grundprinzip der Forschung, nicht nur Erfolge, sondern auch auftretende Probleme öffentlich mitzuteilen und zu diskutieren. Diese Transparenz ist Voraussetzung für erfolgreiche Lösungen. Liegt hier eine Ursache für die Skepsis gegenüber Impfungen, welche die Geschichte des Impfens von Beginn an begleitete?
Trotz vieler eindrucksvoller Erfolge stehen wir auch heute noch vor ungelösten
Problemen. Gegen die Erreger von Aids, Tuberkulose und Malaria haben wir keine
oder keine zufriedenstellenden Impfstoffe zur Verfügung. Segensreiche Impfstoffe,
wie zum Beispiel die Konjugatvakzinen zur Bekämpfung der eitrigen Hirnhautentzündung, sind aus verschiedenen Gründen in vielen Entwicklungsländern, die sie
wegen der hohen Zahl an Krankheitsfällen am dringendsten bräuchten, noch nicht
verfügbar. In wohlhabenden Ländern dagegen, wo die Impferfolge zu einer erheblichen Verbesserung der Lebensqualität von Kindern beigetragen haben, werden
paradoxerweise gerade Impfungen in ihrer Wertigkeit angezweifelt. Man darf gespannt sein, wie sich die Geschichte des Impfens weiterentwickeln wird. Wir stehen
jedenfalls – wie die Generationen vor uns – vor großen Aufgaben.
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Allgemeine Grundlagen zum Impfen
Wie das Immunsystem Infektionen
und Impfungen verarbeitet
Der Mensch besitzt eine angeborene, natürliche Resistenz gegenüber Mikroorganismen wie Bakterien, Viren und bestimmte Pilze. Diese »unspezifische Immunität«
wird in erster Linie durch unsere Haut und Schleimhäute als mechanische Barrieren
gegenüber Infektionserregern ermöglicht. Ein Neugeborenes kommt zunächst steril, das heißt frei von Bakterien und anderen Mikroorganismen, zur Welt. Von den
ersten Lebensminuten an findet dann Kontakt mit Mikroorganismen aus der Umgebung statt. Sie führen zu einer allmählichen Besiedelung von Haut und Schleimhäuten. Dies geschieht im Allgemeinen unbemerkt und in friedlicher Koexistenz, weshalb man diese Bakterien auch als normale, körpereigene Flora bezeichnet. Sie
trägt zur natürlichen Immunität des Menschen bei, weil diese Bakterien als Platzhalter fungieren und somit die Ausbreitung von krank machenden Mikroorganismen
bis zu einem gewissen Grad verhindern können.
Darüber hinaus verfügen wir von Geburt an über verschiedene, in Körperflüssigkeiten gelöste Eiweißsubstanzen, die Infektionserreger abtöten können bzw. zu deren effektiver Beseitigung beitragen. Schließlich helfen auch Zellen des Immunsystems, sogenannte Leukozyten (weiße Blutkörperchen), bei der ungezielten Abwehr
von eingedrungenen Erregern, indem sie diese abtöten (»natürliche Killerzellen«)
und verdauen (»Phagozyten« = Fresszellen).
Dennoch gelingt es manchen Mikroorganismen von Zeit zu Zeit, unsere natürliche Immunität zu überwinden und eine Infektion (manchmal mit, manchmal ohne
begleitende Krankheitszeichen) hervorzurufen. Jede Infektion bewirkt eine weitere
Stimulierung des Immunsystems, wobei jetzt eine »spezifische Immunantwort« ausgelöst wird. Dies geschieht auf zweierlei Arten:
I Zum einen wird die Bildung von Abwehrstoffen, sogenannte Antikörper, gefördert. Diese im Blut gelösten Eiweißmoleküle erkennen fremde Bestandteile des Infektionserregers, die Antigene. Dabei handelt es sich um Proteine (Eiweiße),
Lipoproteine (Fett-Eiweiß-Gemische) oder Polysaccharide (Zuckerverbindun-
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Allgemeine Grundlagen zum Impfen
gen). Die Bildung der Antikörper erfolgt durch bestimmte weiße Blutkörperchen,
die B-Lymphozyten. Die Stimulation der B-Lymphozyten wird durch Antigen-präsentierende Zellen ausgelöst. Diese Zellen verdauen die eingedrungenen Infektionserreger und präsentieren anschließend auf ihrer Oberfläche die zerlegten
Bestandteile der Erreger, wo sie von den B-Lymphozyten als »fremd« erkannt werden. Sobald ein B-Lymphozyt nach dem »Schlüssel-Schloss-Prinzip« sein passendes Antigen gefunden hat, beginnt er sich in Tochterzellen zu teilen (»Klonierung«)
und nach einer Umwandlung in großen Mengen Antikörper zu produzieren, welche gezielt die eingedrungenen Infektionserreger beseitigen.
Zum anderen erkennt eine weitere Unterklasse von weißen Blutkörperchen, die
T-Helferzellen, ebenfalls die fremden Moleküle auf den Antigen-präsentierenden
Zellen (Abbildung 1). Sobald eine Helferzelle ihr passendes Antigen gefunden
hat, beginnt sie Substanzen auszuschütten (Zytokine), welche die B-Lymphozyten
anlocken und ihnen das Erkennen des gleichen Antigens erleichtern. Aus diesem
Grund spricht man von »Helferzellen«. Erstaunlicherweise besitzt das menschliche Immunsystem Billionen von verschiedenen solcher Lymphozyten, die jeweils
verschiedene Antigene erkennen können. Das erklärt die nahezu unerschöpfliche Vielfalt und Belastungsfähigkeit unseres Immunsystems.
Grundsätzlich erfolgt die Immunantwort auf Impfungen nicht anders als gegen natürliche Infektionen. Viele Impfstoffe enthalten die Antigene bereits »vorverdaut«, also aufgeschlüsselt, sodass sie von den Antigen-präsentierenden Zellen mühelos aufgenommen werden können. Andere Impfstoffe enthalten die kompletten Erreger in
abgetöteter oder sehr abgeschwächter Form. Dadurch wird eine natürliche Infekti-
T-Helferzelle
Stimulation
Gedächtniszelle
B-Lymphozyten
IgM
T-Zellrezeptor
IgG
Antigen
Antigen-präsentierende
Zelle
Abb. 1
Antikörperproduzierende
Plasmazellen
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Wie das Immunsystem Infektionen und Impfungen verarbeitet
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on nachgeahmt, ohne dass es zu den unerwünschten Zeichen der Infektion kommt.
Das gelegentliche Auftreten von Nebenwirkungen ist dabei unvermeidbar.
Nach den gleichen Prinzipien wie bei natürlichen Infektionen führt die erstmalige Impfung (bzw. Impfserie) zu einer primären Immunantwort. Sie hinterlässt eine
Immunität, die bei nachfolgendem Kontakt mit den gleichen Antigenen eine sekundäre Immunantwort bewirkt. Der erneute Kontakt mit den gleichen Antigenen kann
beispielsweise die erstmalige Berührung mit dem echten Infektionserreger sein,
auch Wildtyp genannt. Im Gegensatz zu einem ungeimpften Menschen ist das Immunsystem des Geimpften darauf vorbereitet und kann diese Begegnung viel effektiver bewerkstelligen.
Bei manchen Impfungen lässt die Schutzwirkung im Laufe der Zeit nach. Dann ist
es notwendig bzw. empfehlenswert, rechtzeitig die Immunität aufzufrischen. Dies
geschieht durch wiederholte Impfung, die man als Auffrisch- oder Boosterimpfung
bezeichnet und die eine sehr ausgeprägte und anhaltende sekundäre Immunantwort
erzeugt. Meist ist die Schutzwirkung dann wieder für viele Jahre gewährleistet.
Man kann also sagen, dass Impfungen in eleganter Weise natürliche Infektionen
nachahmen, ohne dabei die gefürchteten Krankheitskomplikationen zu provozieren. Die Aufgabe des Immunsystems, fremde Antigene zu erkennen, zu verarbeiten
und sich dauerhaft zu merken, wird durch Impfungen keineswegs überflüssig. Die
wichtige Prägung der Immunfunktionen findet bei Impfungen ebenso statt wie bei Infektionen mit den Wildtypen, in manchen Fällen (z. B. Hib-Impfung, siehe Seite 66)
sogar besser.
Hohe Kapazität des intakten Immunsystems
Viele Eltern sind besorgt, die schon im Säuglingsalter verabreichten Impfungen gegen viele verschiedene Infektionserreger könnten das Immunsystem ihres Kindes
überlasten. Diese Sorge ist unbegründet!
Wie ausgeführt, besitzt unser Immunsystem von Geburt an (!) Billionen von verschiedenen weißen Blutkörperchen, welche eingedrungene fremde Substanzen
(wie z. B. Mikroorganismen) aufspüren und beseitigen. Theoretisch könnten wir somit jeden Tag Tausende von fremden Antigenen mühelos beseitigen. In Wirklichkeit
sind es vermutlich Hunderte von Antigenen, die von unserem Immunsystem natürlicherweise täglich verarbeitet werden. Sei es, dass wir Mikroorganismen einatmen
(als winzige Tröpfchen in der Luft), mit der Nahrung aufnehmen oder dass sie einfach auf den Schleimhäuten versuchen, sich auszubreiten. Auch bringt jeder banale Infekt (z. B. ein Schnupfen) Kontakt mit Dutzenden von neuen Antigenen mit sich.
Wie funktionstüchtig unser intaktes Immunsystem ist, erkennt man indirekt auch
daran, dass Kinder mit angeborenen Immundefekten schon in den ersten Lebenswochen und -monaten wiederholt schwere Infektionen haben, die bei funktionierendem Immunsystem in dieser Häufigkeit eben nicht in Erscheinung treten.
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Allgemeine Grundlagen zum Impfen
10000
Proteine
Impfungen
1000
Anzahl
100
10
1
1960
1980
2000
Abb. 2: Proteine in Impfstoffen und Anzahl der verabreichten Impfungen (modifiziert nach Offit et al,
Pediatrics, 2002)
Was hat das nun mit Impfungen zu tun? Noch zu Beginn der 90er-Jahre erhielt ein
Kind in Europa Impfungen mit insgesamt etwa 3000 Antigenen, wenn das komplette Impfprogramm durchgeführt wurde. Den Hauptanteil hatte dabei der Keuchhustenimpfstoff. Unsere heutigen, modernen Impfstoffe enthalten wesentlich weniger Antigene, nämlich insgesamt nur noch etwa 150. Wenn wir also heute unsere
Kinder gegen mehr Krankheiten impfen als noch vor zehn Jahren, so brauchen wir
dafür weniger, nämlich nur noch einen Bruchteil der früher üblichen Antigenmengen.
Antigen
Antigen an
Antikörper
gebunden
IgM-Antikörper
Abb. 3
IgG-Antikörper
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Wie das Immunsystem Infektionen und Impfungen verarbeitet
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Von einer übermäßigen Belastung des Immunsystems durch Impfungen kann deshalb keine Rede sein. Und übrigens: Auch mehrere tausend Impfantigene haben
die Säuglinge aus oben genannten Gründen früher problemlos verarbeitet.
In Abbildung 2 ist dargestellt, wie sich das Verhältnis von der Anzahl der Impfungen zu den darin insgesamt enthaltenen Antigenen entwickelt hat. Es wurde eine logarithmische Achseneinteilung gewählt, da die Säule mit mehr als 3000 Antigenen
bei normaler Wiedergabe 20-mal höher wäre als die mit etwa 150 Antigenen.
Primäre und sekundäre Immunantwort
Es gibt verschiedene Klassen von Antikörpern (Immunglobuline): Für die Infektionsabwehr sind die Immunglobuline der Klasse M (=IgM) und die der Klasse G (=IgG)
von Bedeutung. IgM-Antikörper bestehen aus fünf gleichen, Y-förmigen Eiweißen,
an deren Gabelung sich die Rezeptoren für die Erkennung der Antigene befinden
(Abbildung 3). IgM-Antikörper werden in der Frühphase einer Infektion gebildet. Innerhalb von Wochen bis Monaten verschwinden sie wieder aus dem Blut und werden dabei von den IgG-Antikörpern abgelöst, die auf Dauer nachweisbar bleiben.
Sie sind die eigentlichen Träger des anhaltenden Schutzes, der Immunität. Sie helfen uns, bei einem späteren, erneuten Kontakt mit dem gleichen Infektionserreger
nicht nochmals zu erkranken. Diese Vorgänge zur Abwehr eines erstmaligen Erregerkontaktes bezeichnet man als »primäre Immunantwort«.
Unser Immunsystem weist noch eine Besonderheit auf: Die bleibenden IgG-Antikörper gewinnen im Laufe der Zeit eine zunehmende Bindungskraft für ihr entsprechendes Antigen. Dies bedeutet, dass oftmals auch mit geringen Mengen von verbleibenden IgG-Antikörpern bei erneutem Eindringen des gleichen Infektionserregers
dieser effektiv bekämpft werden kann. Um diesen Vorgang zu optimieren, werden
Antikörpermenge
Erster Antigenkontakt
Zweiter Antigenkontakt
IgG
IgM
IgG
IgM
Zeit
Abb. 4
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bei der primären Immunantwort noch zusätzlich Gedächtniszellen gebildet. Sie bewirken, dass beim Zweitkontakt die noch vorhandenen IgG-Antikörper durch rasche Bildung großer Mengen weiterer IgG-Antikörper unterstützt werden. Diese Reaktion ist mengenmäßig so stark, dass man dies auch als »Boostereffekt«
bezeichnet. Hierfür werden keine IgM-Antikörper mehr gebraucht und nur noch in
geringen Mengen – wenn überhaupt – gebildet. Man spricht jetzt von der »sekundären Immunantwort«. Sie ist so effektiv, dass wir die zweite (dritte, vierte usw.) Begegnung mit dem gleichen Infektionserreger meistens nicht bemerken – wir sind gefeit!
»Erworbene Immunität« ist also ein durch das Immunsystem bewirkter, bleibender Schutz vor einem bestimmten Infektionserreger (Abbildung 4).
Die Schwächen unseres Immunsystems
Das menschliche Immunsystem ist nicht perfekt. Manche Infektionserreger haben
Strategien entwickelt, es zu überlisten. Beispielsweise ändern Grippeviren fast jedes Jahr ihre antigenen Eigenschaften, sodass sie unseren Immunzellen in immer
wieder neuen Formen als fremd erscheinen und aufs Neue bekämpft werden müssen. Auch ist oftmals die Immunantwort nicht schnell genug bei der Beseitigung der
Infektionserreger – wir werden krank. Doch zum Glück behalten wir in der Auseinandersetzung mit den eingedrungenen Erregern im Allgemeinen die Oberhand
und können letztlich die Eindringlinge doch besiegen. Verliert unser Körper den
»Kampf«, ist die Zerstörung von Funktionen oder Organen die Folge, schlimmstenfalls der Tod. Weil dies im Einzelfall nicht vorhersehbar ist (der eine Mensch übersteht z. B. Masern problemlos und unbeschadet, beim anderen führt die Infektion
zur Zerstörung von Hirnfunktionen), versuchen wir uns durch Impfungen zu schützen.
Eine weitere Schwäche betrifft die Unreife von einigen Immunfunktionen bei Geburt. So funktioniert zwar das Zusammenspiel von Antikörpern und Lymphozyten
für Eiweißantigene von Geburt an sehr gut (»T-Zell-abhängige Immunantwort«), der
Kontakt mit Zuckerantigenen hingegen führt in den ersten 18 bis 24 Lebensmonaten zu einer »T-Zell-unabhängigen Immunantwort«. Einige gefährliche Bakterien (z.
B. Erreger der eitrigen Hirnhautentzündung) besitzen jedoch eine Zuckerkapsel,
welche unserem Immunsystem als Angriffsziel dient. T-Zell-unabhängig heißt nun,
dass unsere T-Helferzellen in den ersten beiden Lebensjahren Zuckerantigene nicht
gut erkennen können und deshalb die B-Lymphozyten im Stich lassen – die Produktion von IgG-Antikörpern und Gedächtniszellen bleibt aus. Dies hat zur Folge, dass
die Infektion keine schützende Immunität hinterlässt. Mit anderen Worten: Infektionen mit solchen durch Zuckermoleküle bekapselten Bakterien sind schwierig zu
bekämpfen und hinterlassen nicht einmal Schutz vor erneuter Infektion. Dies erklärt
die Häufigkeit und die damit verbundenen Gefahren dieser Infektionen für Säuglin-
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ge. Wie wir im Kapitel »Die Standardimpfungen« (Seite 51ff.) sehen werden, kann
diese natürliche Unreife durch gezielte Impfstoffe überlistet werden. Hier kann eine
Impfung nicht nur eine gefährliche Infektion verhindern, sondern auch noch eine
bessere Immunantwort hervorrufen als die natürliche Infektion.
Aktive Impfungen
Impfungen orientieren sich an den natürlichen, biologischen Abläufen und ahmen
diese weitestgehend nach. Die oftmals angeprangerte »Chemie« spielt dabei nur
eine untergeordnete Rolle, da der Großteil der Inhaltsstoffe biologische Substanzen
sind. Das Prinzip der aktiven Impfung (»Immunisierung«) ist die Auseinandersetzung des Immunsystems der geimpften Person mit Impfantigenen. Dabei unterscheidet man zwei Arten von Impfstoffen:
I Lebendimpfstoffe bestehen aus vermehrungsfähigen, aber so weit abgeschwächten Infektionserregern, dass diese den Impfling nicht oder nicht nennenswert erkranken lassen.
I Totimpfstoffe enthalten abgetötete Infektionserreger oder bestimmte antigene Bestandteile, die das Immunsystem als fremd erkennt und auf die es reagiert. Meistens handelt es sich bei diesen Antigenen um Substanzen, die beim lebenden Infektionserreger wichtige »Waffen« (sogenannte Virulenzfaktoren) darstellen, um
den Infizierten zu beeinträchtigen, zu schädigen oder gar zu töten (Letzteres oftmals durch Toxine, wie z. B. das Tetanustoxin des Erregers von Wundstarrkrampf). Auch die Immunisierung mit Totimpfstoffen geschieht in der weit überwiegenden Zahl der Fälle ohne erkennbare Beeinträchtigung des Impflings, also
ohne dabei zu erkranken.
Ziel einer aktiven Immunisierung ist es, den Impfling so zu schützen,
als ob er die entsprechende Infektionskrankheit bereits selbst durchgemacht hätte.
Schutz bedeutet in diesem Zusammenhang, dass bei späterem Kontakt mit dem jeweiligen Erreger die geimpfte Person nicht krank wird. Zusätzlich tritt ein positiver
Nebeneffekt ein: Sie kann niemanden anstecken. Dies gilt für alle Infektionskrankheiten, die von Mensch zu Mensch übertragen werden – und das sind fast alle Krankheiten, gegen die wir impfen. Dieser Begleiteffekt führt bei entsprechend hoher Anzahl
geschützter Personen in einer Population zur »Herdenimmunität«. Das bedeutet, dass
auch ungeschützte Personen indirekt vor der entsprechenden Krankheit geschützt
sind, weil die geimpften Mitmenschen als Ansteckungsquelle ausfallen.
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Manche Impfungen (z. B. die gegen Keuchhusten) können zwar nicht sehr zuverlässig die Infektion verhindern, wohl aber die sonst nach einer Infizierung auftretende Krankheit verhüten oder zumindest in ihrem Ausmaß so stark vermindern, dass
sie nicht mehr als belastend empfunden wird und – wohl der wichtigste Effekt – die
bei ungeschützt infizierten Personen üblicherweise auftretenden Komplikationen
können vermieden werden. Auch die Übertragung des Infektionserregers erfolgt
bei einem nur in milder Form Erkrankten im Allgemeinen weitaus weniger effektiv
als sonst. Wie lässt sich dies erklären? Nun, der teilweise (durch vorausgegangene
Impfung) geschützte Mensch hat nach Ansteckung auf seinen Schleimhäuten nur einen Bruchteil der Infektionserreger, die man bei ungeschützten Personen findet. Je
weniger gut sich die Infektionserreger im infizierten Wirt vermehren können, desto
unwahrscheinlicher ist die Übertragung auf Kontaktpersonen.
Schließlich gibt es auch Impfungen, die weder die Infektion noch die Erkrankung
komplett verhindern können, aber die gefürchteten Komplikationen. So ist beispielsweise jemand, der gegen Diphtherie geimpft wurde, nicht vor der Infektion mit diesem Bakterium geschützt, sondern »nur« vor den Auswirkungen des Giftstoffs der
Bakterien, dem Diphtherietoxin. Aber genau darauf kommt es im Fall der Diphtherie an: Die Infektion ohne Toxinwirkung verläuft harmlos (wie eine Erkältungskrankheit), die gefürchteten oftmals tödlichen Komplikationen dagegen (wie z. B. Atemnot bis hin zum Ersticken oder Schädigung des Herzmuskels) bleiben aus.
Die Wirkung von Lebendimpfstoffen
Impfungen mit vermehrungsfähigen, abgeschwächten Erregern imitieren beim Geimpften die Vorgänge, wie sie bei der natürlichen Infektion in Erscheinung treten.
Dies funktioniert, weil es nach der Impfung zu einer ausgeprägten Vermehrung der
Infektionserreger kommt, die einer natürlichen Infektion sehr ähnlich sind. Die Zellen des Immunsystems werden alarmiert und üben ihre Aufgabe aus. Die Reaktion
bleibt für den Impfling fast unbemerkt, sie ist aber trotzdem so ausgeprägt, dass Lebendimpfstoffe prinzipiell schon bei einmaliger Anwendung eine anhaltende, vermutlich lebenslange Immunität bewirken. Das beste Beispiel dafür ist die Kombinationsimpfung gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR). Warum wir dennoch
generell eine zweite MMR-Impfung empfehlen, wird im Kapitel »Die Standardimpfungen« (siehe Seite 83) erläutert.
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Nestschutz in den ersten Lebensmonaten
Im ersten Lebensjahr werden Lebendimpfstoffe gewöhnlich nicht angewendet,
da der Säugling in diesem Alter oftmals noch mütterliche Immunglobuline besitzt, die während der Schwangerschaft über die Plazenta aus dem Blut der
Mutter übertragen wurden. Wir nennen dies Nestschutz oder Leihimmunität.
Diese schützt den Säugling vor vielen der Infektionskrankheiten, die von der eigenen Mutter durchgemacht wurden bzw. gegen die die Mutter selbst geimpft
wurde. Die Immunglobuline haben nur eine begrenzte Lebensdauer, wenige
Wochen bis Monate, der Nestschutz geht deshalb im Laufe des ersten Lebensjahres verloren. Würde man ein Kind mit einem Lebendimpfstoff per Spritze (Injektion) impfen, solange noch Leihimmunität besteht, so wäre eine ausreichende eigene Immunantwort des Säuglings behindert – der Impfschutz wäre
unzuverlässig oder würde völlig fehlen. Darum wird die erste der beiden MMRImpfungen erst am Ende des Säuglingsalters empfohlen.
Besondere Merkmale von Totimpfstoffen
Totimpfstoffe bestehen aus abgetöteten Bakterien oder Viren bzw. bestimmten antigenen Bestandteilen der Erreger, z. B. unschädlich gemachte Toxine (Toxoide). Da
Totimpfstoffe das Immunsystem weniger gut stimulieren können als Lebendimpfstoffe oder die natürlichen Infektionserreger, sind meistens mehrere Impfdosen in gewissen Abständen notwendig, um einen zuverlässigen Schutz aufzubauen. Dies bezeichnet man als Impfserie bzw. Grundimmunisierung. Dabei folgen die ersten
zwei oder drei Impfungen in relativ kurzen Abständen aufeinander. Der Impfschutz
des Einzelnen nimmt dabei von Dosis zu Dosis zu, ebenso wie der Anteil geschützter Personen von Dosis zu Dosis steigt.
Bei manchen Impfungen ist neben diesem »Standardimpfschema« ein verkürztes
Impfschema zur Schnellimmunisierung erlaubt, z. B. gegen die durch Zecken übertragene Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME).
Alle empfohlenen Zeitabstände im Rahmen einer Grundimmunisierung sind Mindestabstände, die nicht unterschritten werden sollten, da ansonsten keine optimale
Immunantwort eintritt. Wenn die Abstände zwischen den einzelnen Dosen dagegen länger als empfohlen sind – z. B. weil eine schwere Krankheit zum Zeitpunkt
der geplanten Impfung besteht und diese deshalb verschoben werden muss –, so ist
dies kein großes Problem. Denn für den erfolgreichen Abschluss einer Impfserie gibt
es keine Maximalabstände. Jede Impfung zählt! Selbst nach Monaten, Jahren oder
gar Jahrzehnten erinnert sich unser Immunsystem an die früher einmal begonnene
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Impfserie. Dabei darf man aber nicht außer Acht lassen, dass eine verzögerte Impfserie auch bedeutet, dass der volle Impfschutz entsprechend verspätet eintritt. Deshalb sollte man Impfungen nicht unnötig hinauszögern und notwendige Verschiebungen nicht unnötig in die Länge ziehen.
Das Prinzip der Auffrischimpfung
Nach einer kompletten Grundimmunisierung werden für manche Impfstoffe eine
oder mehrere Auffrischimpfungen in bestimmten Abständen empfohlen, für andere
jedoch nicht. Wie erklären sich diese unterschiedlichen Empfehlungen?
Wie bei einer einstmals durchgemachten Infektion und späterem, erneuten Kontakt mit dem gleichen Erreger bewirken Auffrischimpfungen einen sehr ausgeprägten Antikörperanstieg im Blut und eine erneute Stimulation der T-Lymphozyten. Das
ist die sekundäre Immunantwort oder der »Boostereffekt«. Auffrischimpfungen sind
bei denjenigen Infektionskrankheiten notwendig, bei denen jederzeit ein ausreichend hoher Blutspiegel an Antikörpern vorhanden sein muss, um im Falle einer Ansteckung den Ausbruch der Krankheit bzw. ihrer Komplikationen verhindern zu können, wie z. B. beim Wundstarrkrampf (Tetanus). Die Auswirkungen des Toxins
können nur sicher verhindert werden, wenn zum Zeitpunkt der Infektion im Blut eine
ausreichende Menge an Antikörpern vorhanden ist (siehe Abbildung 5).
Bei anderen Infektionskrankheiten, z. B. der Hepatitis B (Leberentzündung), ist die
Situation anders. Auch hier sinkt nach der Grundimmunisierung im Laufe der Zeit
Antikörpermenge im Blut
Grundimmunisierung
Auffrischungsimpfungen
Schutzschwelle
Zeit
Abb. 5
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Passive Impfungen
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der Antikörperspiegel im Blut ab. Allerdings hat eine Infektion mit Hepatitis B eine
relativ lange Inkubationszeit (das ist die Zeit, die zwischen Infektion und Ausbruch
der Krankheit verstreicht), nämlich zwei bis sechs Monate. Wenn sich nun jemand,
der vor längerer Zeit geimpft wurde, infiziert, so kann sich zwar das Virus anfangs
vermehren, es stößt aber auf ein durch die Impfung vorbereitetes Immunsystem.
Dieses löst eine rasche sekundäre Immunantwort aus, welche die Vermehrungsmöglichkeiten des Virus rasch beendet und somit weiteren Schaden (nämlich eine Gelbsucht und eine eventuell daraus resultierende chronische Leberkrankheit) verhindert. Deshalb sind nach unserem heutigen Wissensstand bei fehlenden besonderen
Risiken keine Auffrischimpfungen gegen Hepatitis B notwendig.
Passive Impfungen
Die passive Immunisierung besteht aus der Übertragung von Antikörpern (Immunglobulinen), die von gesunden Spendern stammen, auf den zu schützenden Empfänger. Dabei handelt es sich meistens um Antikörper vom Immunglobulintyp G
(IgG), die entweder von Menschen oder – ausnahmsweise – von Tieren stammen.
Bei den Spendern handelt es sich um ausgewählte Personen, die besonders hohe
Antikörpertiter gegen bestimmte Infektionserreger aufweisen.
Immunglobuline werden in folgenden Situationen angewendet, sei es bei drohendem oder bereits erfolgtem Kontakt zu der jeweiligen Infektionskrankheit:
I zur Vorbeugung bei Personen, die selbst über keinen Schutz verfügen und für die
diese Erkrankung ein besonders großes Risiko darstellt (z. B. bei Schwangeren)
I zur Vorbeugung von seltenen, aber gefährlichen Infektionskrankheiten, wenn es
für eine aktive Impfung bereits zu spät ist (z. B. Tollwut nach Tierbissen)
I zur Vorbeugung von Gifteinwirkungen (z. B. Diphtherie, Tetanus)
Die Wirkung der übertragenen Antikörper ist nicht von Dauer, sondern zeitlich begrenzt und lässt bereits nach wenigen Wochen wieder nach.
Immunglobuline werden meistens gut vertragen. Nebenwirkungen wie z. B. Übelkeit, Erbrechen, Schwindel und Fieber sind selten. Da Immunglobuline von menschlichen Spendern stammen, werden an deren Sicherheit hohe Qualitätsansprüche
gestellt. Das heißt, die Spender müssen allgemein gesund und frei von bestimmten
übertragbaren Viren wie HIV (Aids), Hepatitis B und Hepatitis C sein.
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Herstellung, Prüfung und Zulassung von Impfstoffen
Totimpfstoffe
Für die Herstellung von Totimpfstoffen werden Bakterien oder Viren bzw. einzelne
Antigene der Infektionserreger inaktiviert. Ein essenziell wichtiger Bestandteil von
Totimpfstoffen sind Hilfsstoffe, sogenannte Adjuvantien, die eine Verstärkung der
Immunantwort beim Impfling bewirken. Ohne Adjuvantien müssten Totimpfstoffe
wesentlich größere Antigenmengen enthalten, was zu Verträglichkeitsproblemen
führen könnte. In den meisten Totimpfstoffen sind Aluminiumverbindungen als Adjuvantien enthalten. An sie werden die Antigene gebunden (adsorbiert, daher »Adsorbatimpfstoffe«). Dies führt zu einer verlangsamten Freisetzung des Antigens an
der Injektionsstelle, was vermutlich der Hauptgrund für die verstärkte Immunantwort
ist. In den Impfstoffen sind nur sehr geringe Mengen dieser Aluminiumverbindungen
enthalten, sie lösen keine allergischen Reaktionen aus und haben auch keine erkennbaren anderen Nachteile.
Weitere Hilfsstoffe sind Stabilisatoren, beispielsweise das Eiweiß Albumin, welches von menschlichen Spendern oder Tieren (meist Kälber aus BSE-freien Beständen) stammt, oder auch Gelatine. Die Stabilisatoren sorgen dafür, dass die Antigene in den Impfstoffen in der Flüssigkeit gelöst bleiben. Gelegentlich führen die
Stabilisatoren zu einer allergischen Sensibilisierung. Dies bedeutet, dass bei erneutem Kontakt mit der gleichen Substanz eine allergische Reaktion, wie z. B. eine Nesselsucht an der Impfstelle, auftreten kann. Dies ist unangenehm, aber nicht gefährlich und kann behandelt werden. Sehr selten kann es zu systemischen allergischen
Reaktionen kommen, eine sogenannte Anaphylaxie, wofür erfahrungsgemäß oftmals Gelatine verantwortlich ist. Die systemischen Reaktionen äußern sich in einer
generalisierten Nesselsucht oder in Atemnot, im schlimmsten Fall sogar mit Schock.
Deshalb verzichten immer mehr Hersteller heute auf Gelatine in den Impfstoffen. Bei
etwa 30 Millionen Impfungen jährlich in Deutschland treten Anaphylaxien aber nur
in wenigen Einzelfällen auf, sodass dieses Risiko als sehr gering eingeschätzt werden darf. Wesentlich häufiger werden anaphylaktische Reaktionen beispielsweise
bei Allergikern auf Nahrungsmittel (z. B. Nüsse, Früchte, Fisch u. a.) oder Insektenstiche (Wespen, Bienen) beobachtet.
Schließlich enthalten manche Totimpfstoffe Konservierungsmittel. Sie dienten früher vor allem dazu, die Keimfreiheit von Impfstoffen aufrechtzuerhalten, zum Teil
auch als Stabilisatoren. Dabei handelt es sich um Thiomersal, eine Quecksilberverbindung, oder Phenol. Auf Thiomersal kann heute dank verbesserter Herstellungsbedingungen verzichtet werden. Neu entwickelte Impfstoffe dürfen europäischen
Gesetzen zufolge keine Quecksilberverbindungen mehr enthalten.
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Herstellung, Prüfung und Zulassung von Impfstoffen
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Lebendimpfstoffe
Lebendimpfstoffe enthalten vermehrungsfähige, abgeschwächte Bakterien oder Viren. Die Abschwächung (»Attenuierung«) erfolgt nach streng festgelegten Verfahren. Die entstehenden Impfstämme sind genau charakterisiert und besitzen zudem
oftmals weitere biologische Besonderheiten, wie z. B. die Fähigkeit, eine besonders
gute Immunantwort auszulösen.
Mit modernen Methoden kann man auch gezielt, das heißt durch gentechnische
Manipulation, bestimmte Virulenzfaktoren aus dem Erbmaterial von Krankheitserregern entfernen oder ausschalten. Dabei muss man sicherstellen, dass nicht gleichzeitig die antigenen Eigenschaften des Erregers verloren gehen.
Lebendimpfstoffe, die Viren enthalten, weisen im Allgemeinen noch Spuren von
Antibiotika auf. Dies liegt daran, dass während der Produktion den Viruszellkulturen Antibiotika zugefügt werden, um eine Verunreinigung mit Bakterien zu verhindern. Leider lassen sich die Antibiotika offenbar anschließend nicht vollständig entfernen. Die verbleibenden Mengen sind jedoch so gering, dass der Gehalt an
Antibiotika in Impfstoffen mehr als tausendfach geringer ist als bei einer gezielten
Antibiotikatherapie. Man darf von ihnen im Impfling also keinerlei Wirkung erwarten; sie können in seltenen Fällen allergische Reaktionen auslösen.
Sonderfall: Allergie gegen Hühnereiweiß
Manche Virusimpfstoffe enthalten Eiweiße. Dabei handelt es sich meistens um
Hühnereiweiß, wenn während der Herstellung des Impfstoffes die entsprechenden Viren in Hühnerembryonen oder unter Verwendung anderer Zellen des
Huhns gezüchtet werden. Für Menschen, die allergisch auf Hühnereiweiß reagieren, sind manche – aber nicht alle! – dieser Impfstoffe nicht oder nur unter
besonderen Sicherheitsvorkehrungen anzuwenden, da ein gewisses Restrisiko
für heftige allergische Reaktionen bestehen kann.
Strenge Zulassungsbedingungen und Qualitätskontrollen
Impfstoffe werden von den Herstellern in größeren Mengen, den sogenannten
Chargen, produziert. Bei der Herstellung werden standardisierte Verfahren angewendet, sie unterliegt regelmäßigen Qualitätskontrollen, die gesetzlich vorgeschrieben sind. Jede einzelne Charge wird außerdem einer Reinheits- und Sicherheitsüberprüfung unterzogen, ehe sie durch das Bundesamt für Sera und Impfstoffe
(Paul-Ehrlich-Institut) zugelassen wird und in den Handel gebracht werden darf.
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Allgemeine Grundlagen zum Impfen
Bevor ein neu entwickelter Impfstoff erstmals zugelassen wird, muss er zahlreiche
Hürden passieren:
I Nachweis der Sicherheit
I Nachweis der Verträglichkeit
I Nachweis der Wirksamkeit
Der Verträglichkeitsnachweis eines neuen Impfstoffs erfolgt in verschiedenen Stufen. Zunächst geschieht dies an einer begrenzten Anzahl (meistens wenige Dutzend) freiwilliger, gesunder, erwachsener Versuchspersonen. Wenn diese Versuche
unbedenklich verlaufen, wird in der nächsten Stufe der Studie die Anzahl der Versuchspersonen deutlich vergrößert. Außerdem wird diese zweite Testphase an Personen durchgeführt, für die der entsprechende Impfstoff gedacht ist (z. B. Säuglinge). Je nachdem, wie zuverlässig die Verträglichkeit geprüft werden soll, desto
mehr Personen werden in die Studie aufgenommen. Studien mit 30 000 und mehr
Teilnehmern sind heutzutage fast schon die Regel. Die zuverlässigsten Resultate
stammen aus sogenannten doppelblind-randomisierten, kontrollierten Studien. Das
bedeutet, dass ein Teil der Impflinge den neuen Impfstoff erhält, ein anderer Teil
(Kontrollgruppe) ein Vergleichsprodukt. Weder der impfende Arzt noch der Empfänger wissen dabei, welcher Impfstoff im Einzelfall verwendet wird (doppelblind).
Auf diese Weise ist gewährleistet, dass die Ergebnisse unvoreingenommen bewertet werden. Allerdings ist es nicht immer ethisch vertretbar, eine Doppelblindstudie
durchzuführen – nämlich dann, wenn der Impfling auf den Impfschutz angewiesen
ist (z. B. Impfung gegen Wundstarrkrampf).
Alle in den Zulassungsstudien aufgetretenen, bedeutsamen »Nebenwirkungen«
findet man später in der Packungsbeilage des Impfstoffs aufgeführt (wie bei anderen Medikamenten auch). Es muss jedoch davor gewarnt werden, alle als »mögliche Nebenwirkungen« angeführten Erscheinungen als nachgewiesene Impfnebenwirkungen zu bezeichnen. Es ist nämlich häufig so, dass Erscheinungen, die im
zeitlichen Zusammenhang zur Impfung beobachtet wurden, nicht unbedingt von
der Impfung ausgelöst wurden. Es kann sich vielmehr auch um Zufall handeln (Koinzidenz). Aus Sicherheitsgründen werden sie angeführt, damit der impfende Arzt
bzw. der Patient weiß, dass hier theoretisch ein Risiko bestehen könnte, was sich
auf die Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Impfung auswirken kann. Oftmals stellt sich erst nach jahrelanger Anwendung und sorgfältiger Beobachtung heraus, dass hier der Zufall den Beobachtern einen Streich gespielt hat.
Für manche Impfstoffe kann man den Impferfolg im Blut messen. So ist beispielsweise bekannt, dass eine bestimmte Menge an Antikörpern (»Spiegel«) gegen Tetanusgift im Blut mit Schutz vor Wundstarrkrampf einhergeht. Wenn also der Großteil
der Geimpften diesen Wert erreicht oder sogar übertrifft, handelt es sich um einen
wirksamen Impfstoff; wenn nicht, kann man den Impfstoff nicht als effektiv bezeich-
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Praktische Aspekte des Impfens
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nen. Auf diese Weise lassen sich oftmals sogar verschiedene Impfstoffe gut vergleichen.
Ist aber das Korrelat für Schutz für einen bestimmten Impfstoff nicht bekannt (z. B.
für Impfstoffe gegen Keuchhusten), so müssen aufwändige Studien zum Nachweis
der Wirksamkeit erbracht werden. Dazu wird ein Kollektiv geimpfter Personen mit
einem Kollektiv ungeimpfter Personen – sofern dies ethisch vertretbar ist – eine Zeit
lang beobachtet. Wenn ein Impfstoff wirksam ist, so wird die entsprechende Infektionskrankheit verständlicherweise unter den Geimpften seltener (im Idealfall gar
nicht) auftreten als bei den nicht Geimpften.
Die Wirksamkeit des Impfstoffs (in Prozent) lässt sich dann aus der Verringerung
der Erkrankungsrate bei den Geimpften im Vergleich zu den Ungeimpften leicht errechnen.
Praktische Aspekte des Impfens
Kombinationsimpfstoffe
In den letzten Jahren sind zahlreiche neue Impfstoffe entwickelt worden. Durch die
Kombination verschiedener Impfungen ist es heute möglich, Kinder gegen mehrere
Infektionskrankheiten gleichzeitig mit einer einzigen Injektion zu impfen. Wäre dies
nicht möglich, so müssten wir zahlreiche einzelne Impfspritzen verabreichen, was
kaum zumutbar wäre.
Neben der geringeren Zahl an Injektionen sind bei der Verwendung von Kombinationsimpfstoffen zudem geringere Kosten, geringere Abfallmengen und sogar
geringere Nebenwirkungen als weitere Vorteile zu nennen.
Gibt es Nachteile zu befürchten, wenn man Impfungen kombiniert statt einzeln
verabreicht? Bisherige Erfahrungen zeigen, dass dies nicht der Fall ist. So ist beispielsweise die Schutzwirkung der einzelnen Impfstoffe durch die kombinierte Anwendung nicht nennenswert beeinträchtigt. Die Verträglichkeit ist sogar besser, weil
bei Einzelimpfungen jede Injektion zusätzlich mit Nebenwirkungen einhergeht.
Kombinationsimpfstoffe in der Kritik
Zwei Themen haben in der Vergangenheit Laien und Fachleute im Zusammenhang
mit Kombinationsimpfstoffen sehr beschäftigt: die Behauptung, dass die Verwendung von MMR-Impfstoffen bei Kindern in England verantwortlich für die Zunahme
autistischer Störungen war, sowie die Befürchtung, hexavalente (»sechsfach«) Impfstoffe könnten in Einzelfällen verantwortlich für plötzlichen Kindstod sein.
UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE
Ulrich Heininger
Handbuch Kinderimpfung
Die kompetente Entscheidungshilfe für Eltern
Gebundenes Buch, Broschur, 128 Seiten, 16,0 x 22,0 cm
ISBN: 978-3-424-15002-5
Irisiana
Erscheinungstermin: März 2009
Sichere Entscheidungshilfe für Eltern
Was müssen Eltern wissen, wenn es darum geht, ihr Kind gegen bestimmte
Infektionskrankheiten impfen zu lassen? Wann genügt es, auf die natürlichen Abwehrkräfte des
kindlichen Körpers zu setzen?
Dieses Buch vermittelt Eltern fundiert und auf leicht verständliche Art und Weise die
erforderlichen Grundkenntnisse, um vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern die richtige
Entscheidung treffen zu können. Dieses Handbuch mit den aktuellsten Forschungsergebnissen
zum Thema Impfen bietet allen Eltern kompetenten und objektiven Rat.
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