Wissenswert Der Ätna

Werbung
________________________
Hessischer Rundfunk
hr-iNFO
Redaktion: Dr. Karl-Heinz Wellmann
Wissenswert
Der Ätna – kapriziös wie ein Mensch?
Ansichten vom größten Feuerberg Europas.
von
Gaby Beck
Sprecherin: Gaby Beck
Erstsendung: So., 15.02.2015, 07.35 Uhr, hr-iNFO
Wiederholungen: So., 15.35 Uhr und Mo., 16.02.2015, 21.35 Uhr
gekürzte Fassung: Sa., 14.02.2015, 20.15 Uhr, hr-iNFO
Copyright
Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der Empfänger darf es nur zu privaten Zwecken
benutzen. Jede andere Verwendung (z.B. Mitteilung, Vortrag oder Aufführung in der Öffentlichkeit,
Vervielfältigung, Bearbeitung, Verteilung oder Zurverfügungstellung in elektronischen Medien,
Übersetzung) ist nur mit Zustimmung des Autors/der Autoren zulässig. Die Verwendung zu
Rundfunkzwecken bedarf der Genehmigung des Hessischen Rundfunks.
Anmoderation: Der Ätna ist der aktivste Vulkan in Europa, und er ist daher auf
Sizilien auch ein wichtiges Ziel für die Touristen. Und der Ätna ist jenseits des
Tourismus auch ein landwirtschaftlich genutzter Berg. Gaby Beck hat den Ätna und
auch seine wissenschaftlichen Bewacher vor einigen Wochen besucht, und sie hat
sich einen Eindruck davon verschafft, wie man sich fühlt, am Rande eines aktiven
Feuerbergs zu leben.
TEIL 1
Atmo Fußstapfen
Etna Trekking. eine Agentur, die Wandertouren hoch auf den Ätna veranstaltet. eine
von vielen. Etna Nord: wir sind in der sizilianischen Stadt Linguaglossa gestartet, mit
dem Jeep. Durch Pinienwälder führt die kurvige Straße hoch in Richtung Gipfel:
Straßen die über ehemalige Lavaflüsse führen. Hier und da ein Schild am
Straßenrand: Vorsicht: Vulkanasche. Über diese breiten zerklüfteten Landschaften,
die so aussehen, als wäre der Lavastrom erst vor kurzem hier erkaltet.
O-ton…(Nordseite)Das ist so die Seite vom Berg , die im Dornröschenschlaf vor sich
hin schlummert, touristisch noch nicht so überrannt, das hat für uns den Vorteil, dass
wir dann kleinere Gruppen machen, die sich ein bisschen familiär fühlen und nicht so
den Eindruck haben von Massentourismus in dem Sinne.
Lara Mansfield ist geborene Münchnerin und lebt hier mit ihrer Familie und ihrem
sizilianischen Mann seit 30 Jahren.
Die Touristen stapfen in etwa 2000 Metern Höhe über die schwarzen
Bimssteinbrösel unter unseren Füßen. Beim letzten größeren Ausbruch 2012 hier in
die Luft geschleudert und herunter geregnet. Poröse schwarze Steine, die die
Landschaft hier überziehen, so weit das Auge reicht. Eine Mondlandschaft. eine
schwarze Hügellandschaft. Hier und da ist das Schwarz mit Rot vermischt, das ist
erkaltete Lava. Dort wo die Lavaströme schon vor Jahrhunderten über die Landschaft
gekrochen sind, dort haben sich schon wieder Pflanzen angesiedelt.
So wie auf diesem Lavastrom vor uns. Ein Ausbruch aus dem Jahre 1865.
O-ton…(Asche Grundstock für die Samen..Pinienbäume)
Die Asche, die sich dann auf diesen frischen Lavaströmen ablegt, das ist wieder der
Grundstock für die Samen, die angetragen werden mit dem Wind und den Vögeln,
das sieht man dann hier in den Kahlsenken, zwischen den Lavaströmen, wo sich viel
Asche gesammelt hat, da wachsen dann auch hier schon relativ große Pinienbäume.
Es gibt etwa 10 spezifische Pflanzenarten hier oben, die man nur hier findet. Die
Biologen nennen sie endemische Pflanzen. Dazu gehört eine Birke, die sich schon
direkt über dem Grund in mehrere Stämme verzweigt. Aber auch eine Kakteenart,
die sofort auffällt auf auf dem schwarzen Grund. Denn die blass grünen Blättchen
breiten sich kreisrund aus: auf den ersten Blick sieht sie ein bisschen aus wie eine
gewöhnliche Kräuterpflanze, nur auf den zweiten Blick stellt man fest, dass sie
heftige Stacheln hat:
O-ton: Der Astragalus etnensis: Etna tragant::Die Sizilianer sagen auch die Spini
Santi dazu, also die Dornen der Heiligen. also du brauchst wirklich alle
Schutzheiligen Siziliens um da wieder rauszukommen.
Wer den Ätna hochfährt, der kommt durch drei Vegetationsgürtel. Subtropisch ganz
unten an der Küste, bis zu 1000 Metern Höhe ist die landwirtschaftlich genutzte
Zone. Ganz unten wachsen Zitronen, Orangen, Aprikosen und Pfirsiche. In den
etwas höher gelegenen Orten prägen die Olivenhaine, Weinberge und HaselnussPlantagen die Landschaft. Und ganz oben dann der Waldgürtel. Pinienwälder, aber
auch Laubbäume, Eichen und Birken lassen die Landschaft fast mitteleuropäisch
erscheinen. Ganz oben dann die vulkanische Wüste.
O-ton… (Kraterkegel; schwarz) ja wir stehen jetzt direkt in dem Kraterkegel von dem
Monte Sartorius, da sieht man noch diese Krater Grate um uns herum, da sind wir
jetzt außen rum gelaufen, und sind jetzt innenrein, wo man noch den Ausgang sieht,
diesen Hornito sieht, das ist ein spanisches Wort und heißt Ofen, das lagert sich ab,
und dann sieht man noch die Schlote, die sich bilden, und man steht direkt in dem
Krater drinne, in dem Schweißschlackenkegel.
Der Naturpark Ätna ist eine Hauptattraktion für viele Touristen auf Sizilien, die neben
den kulturellen Schätzen abseits von Palermo und Taormina auch noch das
Naturdenkmal entdecken wollen. Seit einem Jahr ist der Ätna auf der Liste der
Weltnaturerbe der Unesco.
O-ton (Gipfel Bergführer) Da kann man dann auch weiterfahren, entweder mit
Unimocs oder der Seilbahn, und wem das noch nicht reicht gibt es noch die
Möglichkeit mit einem Bergführer bis zu den allerhöchsten Gipfelkratern
hochzusteigen. Das sind noch mal gut ne Stunde Aufstieg, da braucht man halt auch
entsprechend Ausrüstung dazu, um auch wirklich die aktiven Gipfelkegel von
unserem Vulkan zu besichtigen mit einem Bergführer.
Manche dieser erkalteten Krater nutzen die Schäfer im Sommer, wenn sie mit der
Herde hier oben in der kühlen Luft weiden. Die frischgeborenen Lämmer werden hier
abgelegt, um sie zu schützen:
O-ton…dann legen die hier ihre Lämmer ab, die liegen dann hier ganz malerisch in
der schwarzen Landschaft, bis sie abends wieder abgeholt werden, wie eine Art
Kindergarten liegen sie dann hier drin.
Majestätisch ragt der Gipfel über uns. Zur Zeit ständig mit einer Rauchfahne: vom
Norden her die Form eines Sattels, zwischen zwei Kraterkegeln. Vier Aktive
Gipfelkrater ganz oben in 3300 Metern Höhe, aber auch einige darunter.
Der Ätna ist der aktivste Vulkan Europas. Ein brodelnder Kessel unter der Erde.
Jederzeit kann er ausbrechen.
O-ton…Der Südostkegel, das ist eigentlich der, der war ja auch im ganzen Juli und
August aktiv mit sogenannter strombolianischer Aktivität; d. h. Material wird hoch in
die Luft ausgeschleudert und sammelt sich um den Ausgang an und bildet dort diese
Schweißschlackenkegel, die je nach Länge der Eruption immer höher und höher
werden. Und bei dem Ausbruch im Juli/August hat sich der Südostkegel fast um sein
Doppeltes an Volumen vergrößert. Innerhalb von sehr kurzer Zeit ist das immer
wieder interessant, wie schnell sich die Landschaft hier verändern kann.
Die Sizilianer haben sich irgendwie daran gewöhnt. Irgendwie, sie leben seit
Generationen mit der Bedrohung.
O-ton Wir sind hier an den Hängen des Ätna geboren und wir sind an die Erbeben
gewöhnt, an die Ausbrüche, an das Schauspiel der Lava, alles im Guten wie im
Schlechten, wir sind daran gewöhnt weil wir alles als ein Teil von uns empfinden,
wenn wir weggehen, dann vermissen wir ihn.
So wie dieser Landwirt empfinden das viele Menschen, die hier geboren sind, nicht
von ungefähr heißt der Berg beim Sizilianer „Mongibello“.
O-ton.. Dschebel arabisch der Berg und Montagna eben auf lateinisch, und so spricht
er denn in einem Pluralis Majestatis von seinem Berg
und er hat die Mentalität der Menschen hier geprägt. Ein ewiger Rhythmus der Natur.
Vielleicht ein Grund dafür, dass der Ätna im Italienischen weiblich ist: ein weiblicher
Berg also, eine Frau.
O-ton…es ist ein weiblicher Berg. von weitem lieblich und für die Geologen eine
ständige Ausnahme, sie lässt sich nicht in Regeln stecken, einfach eine Frau, das ist
die beste Erklärung für ihre kapriziöse Art und Weise…
… sagt Lara Mansfield. Der letzte große Ausbruch war 2002. Lara war gerade
zuhause. Ihre Kinder noch sehr klein. Sie erinnert sich noch ganz genau an den Tag.
Es war der 26. Oktober.
O-ton: Schon während dem Abendessen, ich hab in meinem Weinglas schon diese
zentrischen Kreise gesehen. Mein Mann der ja auch Bergführer ist, ist vom
Abendessen direkt aufgebrochen, Messer und Gabel hinter sich geworfen und weg
war er.
Für die nächsten sechs Tage wurde er nicht mehr gesehen. Er musste als Bergführer
helfen, wo es ging. Anweisungen kamen über das Radio, ab und zu mal ein Anruf auf
dem Handy. Lara packt in der Panik ihr Auto. Zuerst sammelt sie warme Klamotten;
Daunendecken. Dann packt sie alles wieder aus und nimmt nur Erinnerungsstücke
mit: Fotoalben, Schmuckstücke. Es ist ein Schockzustand, wie sie heute erzählt.
O-ton…diese Nacht war sehr bewegt. Denn diese Vorbeben, das war wie eine Frau,
die in den Wehen lag. Wir leben in einem Holzhaus – das heißt es bleibt alles dort wo
es hingehört.
Die Familie flüchtet in den Garten; keiner tut ein Auge zu in dieser Nacht, wie
Tausende mit ihnen, die in den Dörfern rund um den Ätna das Naturereignis mit
Bangen beobachten.
O-ton…da haben wir dann mal wieder gesehen, dass der Berg eine wirkliche Diva
ist, wie eine Schauspielerin hat sie gewartet, dass die Spotlights auf sie leuchten. Als
die Sonne aufging stand sie da voll erleuchtet, wie Sophia Loren auf der Bühne.
Der Lavastrom bedroht alle. Plötzlich wird den Menschen in Linguaglossa klar, dass
hier eine sehr reale Gefahr auf den Ort zuläuft. Der letzte große Ausbruch war 1923
gewesen. Daran erinnert sich hier niemand mehr. Nur die mächtige zerklüftete
Landschaft aus erkalteter Lava, nur die zeugt von dem Ausbruch damals. Aber dass
es sie treffen könnte, das haben Lara und ihre Familie und die anderen Bewohner
des Ortes eigentlich nicht wirklich geglaubt. Nun ist es aber anders.
O-ton: und wenig später öffnete sich ein zweiter Schlund, bis wir bis 12 Uhr mittags
22 neue Kegel hatten wie Knöpfe auf dem Hemd, und jeder Kegel brachte einen
Lavastrom hervor, und der letzte Lavastrom der in den Touristenressort Piana
Provenzana ging hat das Hotel mitgerissen, den Skilift, und dann nahm sich dieser
Lavastrom den einfachsten Weg, nämlich den auf der Straße, und dann floss dieser
Strom auf der Straße Richtung Linguaglossa, also in meine Ortschaft.
Aber die Rettung in letzter Minute kam von oben. So ist zumindest die Lesart der
Sizilianer in Linguaglossa. Der Schutzheilige des Ortes heißt: Sant Egidio: der heilige
Ullrich.
O-ton… da pilgerten dann die Frauen mit ihrer Aussteuer, Gold Silber alles was sie
hatten, haben sie versucht den Heiligen zu bestechen, und so haben wir dann
unsere Opfergaben hingetragen. Manche werden uns belächeln, aber es ist halt
einfach so, wenn ganz viele Menschen sich das gleiche wünschen, sind das ja auch
Energieströme, und man hofft, dass es funktioniert, egal jetzt welcher Religion man
angehört.
Dann nach sechs Tagen ein Wunder: in 850 Metern Höhe hält der Lavastrom an. 300
Meter oberhalb des Ortes. Und auch in anderen Orten hört sich das ganz ähnlich an.
Es war ein Jahrhundert Ausbruch. Das stellte man erst im Nachhinein fest: Es war
ein bilateraler Ausbruch: Das heißt er stoppte auf der Nordseite und öffnete sich auf
der Südseite. Auf 2900 Metern öffneten sich dort die Kegel und der Lavastrom
zerstörte auch dort alles, was aufgebaut worden war. den Skilift zum vierten Mal in
der Geschichte, Schutzhütten. Auf der Südseite floss der Strom drei Monate lang.
Dann stoppte er auch hier. „Natürlich“ auch nur mit Hilfe des Schutzheiligen: San
Antonio heißt er in Nicolosi.
Aber, die Ätna Dame lässt den Bewohnern Zeit. Sie werden nie überrumpelt, ein
Ausbruch ist absehbar und auch mit neusten seismografischen Geräten werden der
Ätna und die vorgelagerten Vulkaninseln rund um die Uhr beobachtet.
Atmo Salla
Atmo Vulkanausbruch
TEIL II
Straßenatmo
Das nationale Institut für Geophysik und Vulkanologie untersucht ganz genau jede
Regung des Berges. Es hat seinen Sitz in Catania, der Stadt am Fuße des Ätna.
Salvatore Giammanco arbeitet hier als Vulkanologe. Sein Berufstraum seitdem er
Kind ist. Er stammt aus Palermo. 300 Kilometer entfernt von Catania.
Wir müssen dem italienischen Zivilschutz die wissenschaftlichen Informationen
geben. Der kann dann alle Maßnahmen ergreifen, um die Bevölkerung zu schützen,
im Falle eines Notstandes durch den Vulkan.
Auch den großen Ausbruch des Ätna zwischen 2001 und 2003 hat das Institut genau
verfolgt. Im Nachhinein wird er als zweitgrößter Ausbruch in den letzten 2000 Jahren
bewertet.
…wirklich mit riesigen Lava-Volumen und extrem langen Lavaströmen. sie erreichten
eine Länge von mehr als 11 Kilometer.
So hat man eine Mauer gebaut, die erst mal für vier Monate den Lavastrom aufhielt.
Allerdings reichte sie nicht aus, irgendwann war das Bassin voll und man musste
andere Wege finden. Man versuchte nun den Lavastrom umzuleiten. Mit der Hilfe
amerikanische Hubschrauber wurde Beton in den Lavastrom geworfen, und
schließlich wurde mit einer enormen Explosion der Fluss der Lava in eine andere
Richtung gelenkt. das erzählt er haarklein. Sein ganzer Stolz als Vulkanologe: und
sicherlich nicht das Verdienst der Madonna lacht er.
O-ton….mehr als der Madonna sollten wir dem italienischen Zivilschutz, der
italienischen Armee und nicht zuletzt den Vulkanologen danken.
Und er ist davon überzeugt, dass wir sehr wohl die wissenschaftlichen Mittel
besitzen, die Natur zu beeinflussen. Aber das glauben die wenigsten Sizilianer
fürchtet er.
O-ton…wir haben die Möglichkeit die Natur ein bisschen zu verändern – nicht sehr
viel.
Die 200 Wissenschaftler, die hier arbeiten, beobachten den Vulkan in all seinen
Regungen. Draußen auf dem Gelände sind sie ständig unterwegs, um Messsonden
und Instrumente zu installieren und zu warten – die Daten werden via Internet nach
Catania übermittelt, und hier werden die Daten dann ausgewertet.
Ein Schwerpunkt der wissenschaftlichen Arbeit ist die Nutzung der Erdwärme, die
sich rund um den Ätna bildet. Geothermie ist allerdings noch Zukunftsmusik; in Italien
erst in der Probephase.
O-ton…wir wollen in die produktive Phase wechseln. Also einen nächsten Schritt
machen, die Orte, wo Geothermie möglich ist ausbauen. In Sizilien ist es an vielen
Orten möglich. Aber wir müssen noch diesen nächsten Schritt machen, das heißt die
Finanzierung finden, das ist der schwierigste Schritt.
Atmo Salla
Im Herzen des Instituts liegt der Kontrollraum, Salla Operativa heißt er: Dort kommen
alle Daten an. An den Wänden Bildschirme, Kurven und Linien, Grafiken, die den
Verlauf der Messungen an verschiedenen Orten anzeigen. Dort wird nicht nur der
Ätna von verschiedenen Messstationen aus beobachtet, auch die Aktivität der
Vulkane auf Lampedusa und Stromboli.
O-ton: Wir kontrollieren, nicht nur die seismische Aktivität, sondern auch visuell, was
da passiert. Das sieht man hier, das ist der Ätna von vier verschiedenen Punkten aus
wird er da beobachtet, und Stromboli. Wir haben auch thermische Telekameras, was
wir hier sehen, ist eine Aktivität auf Stromboli, hier ist ein kleiner Lavastrom.
Mit den Wärmebildkameras werden die warmen Anteile über und unter der Erde
sichtbar gemacht. Aktuell sieht man gerade eine Explosion unter der Erde in den
Kanälen.
O-ton… Immer wenn eine Verpuffung stattfindet, eine Gas-Explosion, hängt das mit
einer Explosion in der Magma zusammen, in den Kanälen des Vulkans. Und wir
sehen diese.
Direkt neben dem Krater kann man diese Explosionsblasen hören, wie ein Rauschen
ein Grollen in der Tiefe, erzählt Giammanco begeistert.
O-ton…ich war da vor einigen Tagen, es ist fantastisch das zu hören…
Rund um die Uhr ist der Kontrollraum besetzt. Die beiden Ingenieure beobachten die
Daten und müssen sofort Alarm schlagen, wenn sich eine gefährliche Entwicklung
abzeichnet. Der italienische Zivilschutz muss sofort allarmiert werden, wenn es ein
Erdbeben gibt, oder wenn sich ein Vulkanausbruch abzeichnet. Auch der Wind wird
genau beobachtet: Drei bis sechs Stunden im Voraus kann berechnet werden wohin
sich Aschewolken bewegen könnten; das ist wichtig, denn sie können den
Flugverkehr beeinträchtigen. Der Flughafen Catania ist mehrmals im Jahr aus
diesem Grunde gesperrt.
Das Entscheidende ist, dass die Vulkanologen schon im Vorfeld erkennen können,
wann es einen Ausbruch geben wird. Dafür sind an acht Stationen auf dem Ätna
Sensoren mit einer hohen Sensibilität etwa zwei Meter tief in die Erde eingelassen.
Deren Messergebnisse erscheinen hier auf den Monitoren als Wellen. So entsteht
auch eine Karte, die die Quellen der Erderschütterung abbildet, und ganz wichtig
deren Tiefe.
O-ton… Die Intensität der Vibration ist proportional zu der Menge an Gas in dem
Vulkanschlot. Und die Gasmenge bedeutet Magma: also, wenn neues Magma in
Richtung Oberfläche drängt, entlässt es mehr Gas; die Gasblasen lassen das
Magma brodeln, der Schlot wird heftiger erschüttert, und wir können also mit einigen
Stunden Vorlauf sagen wann der Vulkan ausbricht; weil die Erschütterung viele
Stunden vor dem Ausbruch beginnt.
An diesem Tag liest Salvatore Giammanco eine für den Laien verblüffende
Information auf seinen Monitoren ab: Das Niveau des Magmas ist zu diesem
Zeitpunkt etwa 1000 Meter unter dem Gipfel des Ätna: Das heißt: zweitausend Meter
über dem Meeresspiegel. Was ungewöhnlich ist, denn normalerweise liegt die
Magma auf dem Niveau des Meeresspiegels.
Ein Anzeichen für einen Ausbruch; ein weiteres für eine baldige Explosion ist die
Verformung des Bodens. Der Vulkan bläst sich quasi auf. Auch diese
Bodenveränderungen werden mit GPS-Geräten wahrgenommen.
Noch während er das alles erklärt: geht plötzlich ein Alarm los.
O-ton….ALARM…ce un terremotto –
In diesem Moment gibt es ein Erdbeben im Nord-östlichen Bereich von Sizilien. Ein
sehr schwaches Erdbeben. 2,0 auf der Richterskala. Blitzschnell können die
Wissenschaftler auch das feststellen und das Beben lokalisieren. 7 Kilometer unter
der Erde in der Tiefe.
O-ton…im Moment ruht sich der Ätna aus. Es gibt kleine Signale, dass er langsam
seine Batterien auflädt. Aber es wird keine Explosion morgen geben, und auch keine
in der nächsten Woche, es braucht noch ein wenig Zeit. Wir werden es besser
wissen, wenn die Zeichen eindeutiger sind. Im Moment müssen wir keine
Vorkehrungen treffen.
Trotzdem: Der Ätna ist der größte und aktivste Vulkan in Europa. 45 Ausbrüche in
den letzten dreieinhalb Jahren. Und das wird noch Millionen von Jahre so
weitergehen. Der geologische Grund: Kontinentaldrift: hier taucht die
nordafrikanische Kontinentalplatte unter die eurasische Platte, erklärt der
Wissenschaftler:
O-ton: Dieses Zusammentreffen verursacht sehr komplizierte Bewegungen: zum
Beispiel Rotationsbewegungen, mit großen Verletzungen der Erdkruste über
hunderte von Kilometern. Der Ätna befindet sich dort wo sich zwei große Risse der
Erdkruste treffen. Also ist er der schwächste Punkt der Erdkruste und das Magma,
das im oberen Erdmantel entsteht, kann ganz einfach an der Oberfläche austreten.
TEIL III
Markt-atmo
Die Sizilianer, die in der Region rund um den Ätna leben, lieben ihren Berg.
Das hat auch seinen Grund: schließlich ist der besonders fruchtbare Boden hier
schon seit jeher Basis für eine reiche Landwirtschaft. Auf dem Wochenmarkt in
Fiumefreddo am Fuße des Ätna wird sichtbar, welche Früchte dieser gute Boden
hervorbringt:
O-ton.. ich wohne in einem kleinen Ort oben am Berg, dort wo die Vulkanasche
ankommt und alles was der Ätna uns so schenkt…
… sagt der Landwirt Oratio Vetalano, der dort seine frisch geernteten Äpfel
verkauft…
O-ton…Er schenkt uns ein einmaliges Schauspiel, er schenkt uns fruchtbare Erde, er
schenkt uns ein Klima, wo einzigartige Äpfel wachsen, Birnen, Kirschen in diesem
Boden an den Hängen des Ätna.
… und er zeigt ganz stolz die Äpfel: Kleine süße Aroma reiche Äpfel aus seinem
Anbau. Antike Apfelsorten aus der Region sagt er. Genauso wie die Blutorangen,
haben sie ihren besonderen Geschmack, wegen des Klimas, wie er erklärt.
O-ton…Diese roten Orangen aus Sizilien entstehen, weil es tagsüber sehr heiß wird
und nachts sehr kalt, und dadurch entsteht die blutrote Farbe und der ganz eigene
Geschmack unserer Orangen, die eben dem Klima hier in unserer Region geschuldet
sind.
Überwiegend Früchte aus der Region werden hier verkauft. Ein paar Kilometer weiter
nördlich bewirtschaftet Nino Farfaglia eine Azienda. Er kauft die Haselnüsse der
Bauern aus der Region und verkauft sie weiter an die Industrie. Gerade hat er die
Ernte eingefahren. Er streift mit den Fingern durch die mannshohen Container bis
zum Rande gefüllt mit Nüssen.
Atmo….Nüsse
O-ton… diese hier wachsen auf dem Ätna in etwa 650 Metern Höhe
Nicht nur Nüsse verkauft er, auch Wein, und er zeigt stolz sein Angebot im
Weinregal. Alles Weinsorten, die am Ätna gewachsen sind.
O-ton..Weinsorten
Daneben hat er noch eine Produktion Olivenöl. Im Oktober werden die Oliven
geerntet und in die Ölmühlen gebracht. Das frische Olivenöl ist aromareich und nicht
zu vergleichen mit dem in Deutschen Supermarktregalen. Allerdings ist die
Vermarktung der unverwechselbaren landwirtschaftlichen Produkte der Region
schwierig meint der Landwirt Oratio. Mit den Kirschen des Ätna hat es geklappt. Da
haben sich die Obstbauern zusammengetan und sie als Marke eintragen lassen: jetzt
möchte er das mit der ätna-spezifischen Apfelsorte auch so machen, aber:
O-ton… aber es ist schwer so viele Landwirte zu finden sich zu vereinigen, weil sie
eine etwas antike Mentalität haben.
Eine Mentalität, die auch geprägt ist von den Rhythmen, die der Berg dem Volk hier
seit Jahrhunderten vorgibt.
O-ton… Der Ätna gibt und der Ätna nimmt, das was wir haben.
Absage: Ein Bericht war das von Gaby Beck. Und wenn wir Sie neugierig gemacht
haben auf weitere Beiträge der Reihe Wissenswert, dann schauen Sie einfach mal in
unser Podcast-Angebot auf hr-inforadio.de, unter der Rubrik Wissenswert. Mein
Name ist khw.
Herunterladen