1 Fragen zur Berliner Abgeordnetenhauswahl 2011

Werbung
Fragen zur Berliner Abgeordnetenhauswahl 2011 von JUMA
Religionspolitik & Gesellschaft
1. Welche religionspolitischen Akzente wollen Sie in der nächsten Legislaturperiode setzen?
Welche Anliegen sind Ihnen besonders wichtig, um die Rolle des Islams in der Gesellschaft
zu stärken?
Bündnis 90/Die Grünen: Zu der politischen Kultur von Bündnis 90/Die Grünen gehört die
Offenheit für die Erfahrung, das Wissen und die Kraft der Menschen in dieser Stadt und auch
für die Erfahrungen von Religionsgemeinschaften. Zudem treten wir Grüne im Sinne eines
solidarischen Berlins für die Entfaltung der Möglichkeiten aller ein, unabhängig von Religion
und Weltanschauung. Berlin als Stadt der Vielfalt muss die gleichberechtigte Teilhabe
sicherstellen.
Außerdem setzen wir uns für den Abbau von Vorurteilen durch konkrete Aufklärungs- und
Partizipationsinitiativen auf Bezirks- wie auf Landesebene ein. Bündnis 90/Die Grünen
vertreten eine konsequente Antidiskriminierungspolitik. Das bestimmt auch unser Verhältnis
zu islamischen Organisationen und zu den Menschen, die sich den verschiedenen
Richtungen des Islams zugehörig fühlen oder aufgrund ihrer Herkunft von anderen als
Musliminnen oder Muslime angesehen werden.
2. Welche Maßnahmen werden ergriffen, um Rechtspopulismus und rechtspopulistischen
Parteien (z. Bsp.: Die Freiheit) entgegenzuwirken?
Bündnis 90/Die Grünen: Demokratiefeindliche Entwicklungen haben in einem vielfältigen,
demokratischen und bunten Berlin keinen Platz. Wie wenden uns grundsätzlich gegen die
Diskriminierung und Ausgrenzung von Musliminnen und Muslimen. Rassismus,
Antisemitismus, Islamhass und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit
stellen nicht allein ein Problem extremistischer Randgruppen dar, sondern kommen in der
Mitte der Gesellschaft vor. Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, ist eine
demokratische und aktive Zivilgesellschaft unerlässlich. Im Kampf gegen Rechtpopulismus
müssen Prävention und Aufklärung stärker im Vordergrund stehen.
3. Wie stehen Sie dazu, über Gesetze und einen Staatsvertrag islamische Einrichtungen
bzw. Religionsgemeinschaften aufzuwerten und deren finanzielle Unterstützung als wichtige
Religionsfaktoren zur Aufgabe zu machen?
Bündnis 90/Die Grünen: Juristisch ist es so, dass wir aufgrund unseres Grundgesetzes mit
Hinweis auf die Weimarer Reichsverfassung eine Privilegierung der Kirchen haben. Diese
Privilegien können muslimische Glaubensgemeinschaften erst dann geltend machen, wenn
sie den rechtlich geforderten Körperschaftsstatus erlangen. Ob bzw. wann dies der Fall
wäre, ist - wie so vieles in der Juristerei - umstritten, wobei die derzeit herrschende Meinung
dem eher kritisch gegenübersteht. Wir sind für gleiche Rechte unabhängig von der
Religionszugehörigkeit.
4. Sind Sie angesichts der Meinungsumfragen, der Ereignisse in Norwegen, der
Ausschreitungen gegen Muslime und ihre Einrichtungen und nicht zuletzt nach dem
1
islamfeindlich begründeten Mord an einer Muslima in Dresden der Ansicht, dass die
Islamfeindlichkeit bzw. Islamphobie in die politische Agenda der neuen Regierung
aufgenommen werden soll?
Bündnis 90/Die Grünen: Wir stellen uns grundsätzlich gegen Islamfeindlichkeit, gegen die
Diskriminierung und Ausgrenzung von MuslimInnen und von Menschen, die aufgrund ihrer
Herkunft, ihres Aussehens oder ihres Namens als MuslimInnen betrachtet werden, ohne
dabei unsere Maßstäbe aufzugeben. Im Gegenteil: Kritik an bestimmten religiösen oder
religiös begründeten Praktiken, egal welcher Religion, bezieht ihre Glaubwürdigkeit aus der
politischen Konsequenz, mit der wir uns gegen antimuslimische Ressentiments stellen. Nur
in dieser Konsequenz bleiben wir als die Partei der Vielfalt, der Menschenrechte und der
Antidiskriminierung in einer sich verändernden Gesellschaft glaubwürdig. Bündnis 90/Die
Grünen werden sich weiter konsequent gegen pauschale Diffamierungen und Verurteilungen
einsetzen, denn diese verstärken Probleme und schwächen den gesellschaftlichen
Zusammenhalt.
Islam & Medien
1. Welche Maßnahmen wollen Sie ergreifen, um geistige Brandstiftung und Hetze gegen
den Islam in Medien und Internet zu bekämpfen?
Bündnis 90/Die Grünen: Medien sind Teil unseres Alltages und unverzichtbar für eine
funktionierende Demokratie. Eine aktive und gute Medien- und Netzpolitik ist deshalb für den
Zukunftsstandort Berlin von großer Bedeutung. Dazu gehören aber auch eine
funktionierende Medienaufsicht, die demokratische Kontrolle des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks und eine zeitgemäße Politik für die Chancen und Herausforderungen, die Internet
und Digitalisierung mit sich bringen. Verbote bewirken aber meist wenig, deshalb setzen
Bündnis 90/Die Grünen auf Stärkung der demokratischen Strukturen und präventive
Maßnahmen gegen Diskriminierung und Rassismus.
2. Wir als JUMA (junge, aktive Muslime) finden Internetseiten wie PI und Grüne Pest
diskriminierend bis hin zu volksverhetzend. Wie stehen sie dazu. Wann ist für Sie die Grenze
zur Volksverhetzung tatsächlich überschritten?
Bündnis 90/Die Grünen: Für uns gilt der §130 des Strafgesetzbuches mit den dort
festgelegten Grenzen zur Volksverhetzung. Die Internetseiten PI, Grüne Pest und andere
sind diskriminierend und rassistisch. Wir lehnen die Inhalte vehement ab.
Bildungspolitik
1. Setzt sich Ihre Partei für den zügigen Aufbau von islamischen Lehrstühlen an deutschen
Hochschulen insbesondere zur Aus- und Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern,
Theologen und Theologinnen (auch Imamen) ein?
Bündnis 90/Die Grünen: Der Islam gehört längst zu Berlin, deshalb wollen wir seine
verfassungsrechtlich gebotene Gleichbehandlung mit anderen Religionen und
Weltanschauungen auch auf Landes- und Bezirksebene praktisch umsetzen. Dazu gehören
für uns auch die Einrichtung eines Lehrstuhls für islamische Theologie an einer Berliner
Hochschule zur Ausbildung von ReligionslehrerInnen für Berliner Schulen und die
Weiterentwicklung der Curricula für islamischen Religionsunterricht mit VertreterInnen der
muslimischen Glaubensgemeinschaften in Berlin. Im Juli 2010 teilte uns auf eine kleine
Anfrage (16/14596) der Senat mit, dass er eine Umsetzung der Empfehlungen des
Wissenschaftsrates seit sechs Monaten prüfe. In Tübingen, Osnabrück (WS 2007/2008) und
2
Münster wurde zum Wintersemester 2011 mit dem Studium begonnen, finanziert mit 16
Millionen vom Bund. Berlin hat damit einen staatlichen Zuschuss vertan - und prüft weiter.
2. Unterstützt Ihre Partei gleichermaßen die Errichtung von eigenen Bildungseinrichtungen
der Muslime?
Bündnis 90/Die Grünen stehen für gleiche Rechte unabhängig von Herkunft, Religion.
Geschlecht, sexueller Orientierung etc. MuslimInnen sollten die gleichen Möglichkeiten
haben, wie auch ChristInnen und JüdInnen wenn sie eigene Bildungseinrichtungen gründen
und unterhalten wollen. Vielfalt sehen wir als Chance. Gemeinsam die Probleme anzugehen
und die Stadt zu gestalten sind unser Ziel. Dafür sind gemeinsame Bildungseinrichtungen –
unabhängig von der Religion – eine gute Möglichkeit.
3. Inwiefern setzt sich Ihre Partei für die objektive Darstellung des Islams in Schulbüchern
und Lehrmaterialien (z. B. Biblische Geschichte/Religionskunde, Geschichts- und
Politikunterricht) ein?
Bündnis 90/Die Grünen: Bildung braucht qualitativ hochwertige Lehrmaterialien. Die
Auseinandersetzung mit der Unterschiedlichkeit der Menschen gehört fächerübergreifend in
den Unterricht und in die Schulbücher. Dazu gehört auch die möglichst objektive Darstellung
des Islams aber auch der Migration. Bündnis 90/Die Grünen sind für Unterrichtsinhalte und
Lehrmaterialien, die der Konfliktprävention und der friedlichen Konfliktlösung ausgerichtet
sein.
4. Was tut Ihre Partei gegen die Diskriminierung insbesondere der Kopftuch tragenden
Musliminnen in Gesellschaft und Beruf (auch im Öffentlichen Dienst und im Schuldienst)?
Erstreben sie eine Gesetzesinitiative an, um dieses Defizit zur Verwirklichung des AGG zu
beheben?
Bündnis 90/Die Grünen sind gegen eine Politik, die Frauen Vorgaben zum Tragen
bestimmter Kleidung macht. Frauen, die Kopftuch tragen wollen, sollen das tun. Frauen, die
kein Kopftuch tragen wollen, sollen das genauso selbstverständlich können. Religiöse
Symbole und religiös-ideologische Propaganda in der staatlichen Schule haben für uns dort
grundsätzlich nichts zu suchen. Zweifellos hat auch eine verbeamtete Lehrkraft das Recht
auf freie Religionsausübung und kann dies im Privatleben durch Symbole und Zeichen aller
Art bekunden. Im Unterricht hat sie jedoch diesbezüglich dezent aufzutreten. Auch
Richterinnen, Staatsanwältinnen und Polizistinnen als personifizierter Staat sollten den
BürgerInnen weiterhin mit der gebotenen Neutralität gegenübertreten. Entschieden wenden
wir uns gegen Versuche, die Kopftuchdebatte zur Stimmungsmache gegen Musliminnen und
Muslime zu instrumentalisieren.
5. Uns
als JUMA, die selber Schüler und Studenten aus verschiedensten
Moscheegemeinden sind, interessiert es uns außerdem, wie ihre Partei dazu steht, dass in
Schulen, Universitäten und öffentlichen Gebäuden ein Raum zur spirituellen Besinnung
(Rückzugsraum/Gebetsraum) für alle Religionen oder Weltanschauungen zur Verfügung
steht?
Bündnis 90/Die Grünen: Die Einrichtung von Gebetsräumen in Schulen gefährdet für uns
die Neutralität des Staates. Keine Religion darf in einer staatlichen Einrichtung ein Vorrecht
auf ein Gebet bekommen. Ein gemeinsamer Rückzugsraum für SchülerInnen und
Studierende unabhängig von ihrer religiösen oder antireligiösen Haltung ist möglich, sofern
die Einrichtung die Möglichkeiten dazu hat.
3
Herunterladen