Chondrogene Knochentumoren

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Knochentumoren
© Schattauer 2009
Chondrogene Knochentumoren
M. Tonak; A. A. Kurth
Klinik für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, Universitätsmedizin, Johannes Gutenberg Universität, Mainz
Schlüsselwörter
Keywords
Knorpeltumoren, Chondrosarkome
Cartilagenous tumours, chondrosarcomas
Zusammenfassung
Summary
Chondrogene Tumoren sind unter den Tumoren des Skeletts eine der häufigsten Vertreter
– insgesamt aber relativ selten. Die Mehrzahl
ist gutartig oder niedrig maligne. Einige Chondrosarkome weisen jedoch ein hoch aggressives Verhalten auf. Für die Diagnosestellung ist
die Synopse aus Klinik, Radiologie und Histologie unerlässlich. Periphere gutartige Knorpeltumoren ohne klinische Symptomatik bedürfen meist keiner Therapie. Bei der Behandlung von Chondrosarkomen steht die chirurgische Kontrolle des Lokalrezidivs im Vordergrund. Daneben gibt es unter kurativer Intention bisher keine zufrieden stellenden auf
Chemotherapeutika oder Strahlenapplikation
basierenden Therapieoptionen. Momentan
gilt es, die Ergebnisse von Studien mit neuen
Chemotherapeutika und monoklonalen Antikörpern abzuwarten. Neue Therapieansätze
mit Bisphosphonaten weisen in vitro vielversprechende Ergebnisse auf, haben jedoch aus
den Laboratorien in die klinische Anwendung
noch einen langen Weg vor sich. Zur Beschleunigung der Diagnosestellung und Optimierung der Therapie sollten die Diagnostik und
die Behandlung chondrogener Tumoren in einem Zentrum für Knochentumoren mit interdisziplinärem Setting erfolgen.
Cartilagenous tumours of the skeleton are
generally very unusual. Compared to other
bone tumours they are one of the most common. Most of them are benign or of low-grade
malignancy. However some subtypes of chondrosarcomas show a highly aggressive behaviour. It is important that good clinical, radiological and histological correlations are provided to make an accurate diagnosis in a cartilagenous tumour. Benign cartilaginous tumours without clinical appearance usually
need no special treatment. Surgical management of a local recurrence is in the main focus
of treatment. Until now there are no appropriate alternatives for therapy based on X-rays or
conventional chemotherapeutics. Investigators are currently awaiting results of therapies with new chemotherapeutics and
monoclonal antibodies. Novel therapies with
bisphosphonates show in vitro hopeful results. However it will be a long way from the
laboratories to clinical application. Finally, patients should be evaluated and managed in
the context of a multidisciplinary setting to
promote timeliness of care and optimize
treatment.
Korrespondenzadresse
Dr. med. M. Tonak
Klinik für Orthopädie und orthopädische Chirurgie
Universitätsmedizin
Johannes Gutenberg Universität Mainz
Langenbeckstr. 1, 55131 Mainz
E-Mail: [email protected]
Cartilagenous bone tumours
Osteologie 2009; 18: 191–199
eingereicht: 10. August 2009
angenommen: 19. August 2009
Chondrogene Tumoren sind unter den primären Tumoren des Skeletts eine der häufigsten Vertreter – insgesamt aber verhältnismäßig selten. Gutartige Knorpeltumoren
stellen die Mehrzahl der benignen Knochentumoren und weisen vielfältige Erscheinungsformen auf (씰Tab. 1). Die Chondro-
sarkome repräsentieren nach dem Osteosarkom den zweithäufigsten primären malignen
Knochentumor.
Unter differenzialdiagnostischen Gesichtspunkten gestaltet sich besonders die
Abgrenzung von benignen Enchondromen
und Osteochondromen zu GI- bzw. sekundär
entarteten Chondrosarkomen schwierig. Zur
präzisen Diagnose ist daher das Zusammenspiel aller Aspekte der Anamnese, klinischen,
radiologischen und histologischen Beurteilung von entscheidender Bedeutung. Molekularbiologische Identifizierungsmethoden
sind etabliert, haben aber im diagnostischen
Alltag nur ergänzenden Wert.
Benigne Knorpeltumoren
Enchondrom
Das hylalinknorpelige differenzierte Enchondrom ist der häufigste Knorpel- und zweithäufigste Knochentumor gutartiger Dignität
und stellt den häufigsten Tumor der Finger
dar. Es weist eine intramedulläre Lage in den
metaphysären Abschnitten der vorwiegend
kleinen aber auch langen Röhrenknochen auf
(1) (씰Abb. 1). Die meisten Fälle werden in
der 3.-4. Lebensdekade diagnostiziert. Ein
Auftreten ist jedoch in jedem Lebensalter
möglich. Eine geschlechterspezifische Prädominanz gibt es nicht.
Es wird vermutet, dass sich Enchondrome
aus Zonen mit dysplastischen Chondrozyten
der Wachstumsplatten entwickeln. Diese
Areale sind nicht in der Lage, die normale enchondrale Ossifikation zu durchlaufen. Stattdessen verbleiben sie in den Metaphysen und
wandern während des Längenwachstums
Richtung Diaphysen.
Liegen diese Zonen dysplastischer Knorpelzellen intramedullär, spricht man von
Enchondromen. Sind sie außerhalb der Kortikalis lokalisiert, werden sie als periostale
oder juxtakortikale Chondrome bezeichnet.
Schließlich können dysplastische Knorpelinseln im Weichteilgewebe als Weichteilchondrome oder in Gelenken, Schleimbeuteln und Sehnenscheiden im Rahmen einer
synovialen Chondromatose gefunden werden (씰Abb. 2).
Enchondrome treten klinisch nur selten in
Erscheinung, meistens im Rahmen pathologischer Frakturen der Finger. Daher handelt
es sich bei Enchondromen häufig um radioOsteologie 3/2009
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Tab. 1 Auflistung der bekannten Knorpeltumoren. Auf die fettgedruckten Tumoren wird im Text
ausführlich eingegangen. Die übrigen Tumoren stellen absolute Raritäten dar.
benigne
maligne
Enchondrome
Chondrosarkome
●
periostale Chondrome
●
Enchondromatosen
– klassische (konventionelle)
●
Weichteilchondrome
– dedifferenzierte Chondrosarkome
(Grad IV)
●
synoviale Chondromatose
– Klarzellchondrosarkome
●
primäre Chondrosarkome
– mesenchymale Chondrosarkome
Osteochondrome (kartilaginäre Exostose)
●
– periostale Chondrosarkome
multiple hereditäre kartilaginäre
Exostosen
– synoviale Chondrosarkome
Chondroblastome (Codman Tumor)
– extraskelettale Chondrosarkome
Chondromyxoidfibrome
●
logische Zufallsbefunde, woraus wiederum
das Fehlen von Daten zur genauen Inzidenz
resultiert. Die schwerwiegendste Komplikation besteht in einer malignen Transformation
zu Chondrosarkomen. Bei solitären Enchondromen ist eine Entartung selten, vorzugsweise in den langen Röhren- oder Plattenknochen und nahezu nie in den kurzen Röhrenknochen zu finden. Der schmerzhafte
knorpelige Tumor der langen Röhrenknochen ohne Fraktur bei zuvor symptomfreien
Patienten ist im Sinne eines Chondrosarkoms
malignitätsverdächtig.
sekundäre Chondrosarkome
Häufig genügen konventionelle Röntgenaufnahmen, um Enchondrome zu identifizieren. Das röntgenologische Erscheinungsbild
entspricht typischerweise Lodwick-IA-Läsionen und ist in kleinen Röhrenknochen meist
transparent, während Enchondrome der langen Röhrenknochen häufig Verkalkungen
zeigen (씰Abb. 3 und 4). Die Verkalkungen
der Tumormatrix stellen sich als Ring-,
Punkt- und Bogenformen dar, so dass man
von einer so genannten „Popkornstruktur“
spricht.
Enchondrome der langen Röhrenknochen sind scharf begrenzt, ohne die Kortikalis
zu tangieren. Dagegen wird regelmäßig ein
expansives Wachstum mit Knochenauftreibungen bei Befall des Handskeletts beobachtet (씰Abb. 5). Die Ausdünnung der Kortika-
lis („scalopping“) kann Papierstärke erreichen, was zu den mit Enchondromen der
kleinen Röhrenknochen assoziierten pathologischen Frakturen führen kann.
CT und MRT erweisen sich zur Beurteilung des Tumorausmaßes und der genauen
Grenzen – besonders in den wenig bis gar
nicht mit Trabekeln durchzogenen Diaphysen – als sinnvoll. Die häufig lobuläre Struktur von Enchondromen ist kernspintomografisch gut erkennbar. Wie fast alle kartilaginären und fibrösen Strukturen weisen Enchondrome eine mittlere Signalintensität in
den T1- und eine hohe Intensität in den
T2-gewichteten Sequenzen auf. Die CT-Diagnostik besitzt vor allem bei der Differenzierung zwischen Enchondrom und G1-Chondrosarkom ihren Stellenwert, um das entscheidende Merkmal, die Kortikalisdestruktion, zu beurteilen. Liegt lediglich eine Ausdünnung der Kortikalis vor, empfiehlt sich
die kurzfristige CT-Verlaufkontrolle.
Szintigrafisch weisen Enchondrome wie
die Chondrosarkome eine erhöhte Traceranreicherung auf, weshalb die Skelettszintigrafie nicht zur Differenzierung der Tumorentität und Dignität geeignet ist.
Mikroskopisch zeigt sich lobulierter hyaliner Knorpel mit der typischen blau-grauen
Färbung und einer soliden relativ kollagenarmen Matrix. Die Chondrozyten liegen in
unterschiedlicher Anzahl immer in Lakunen.
Die Enchondrome der langen Röhrenknochen sind generell zellarm. Die Knorpelhaufen liegen multizentrisch im Knochenmark, jedoch ohne die knöchernen Trabekel
zu tangieren. Häufig werden die Knorpelhaufen von knöchernen Trabekeln eingeschlossen, was im Röntgenbild als kalzifizierter
Ring imponiert.
Abb. 2
Abb. 1 Chondrosarkome – Enchondrome: Prädilektionsstellen
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Synoviale Enchondromatose des Kniegelenks
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Im Gegensatz zu den langen Röhrenknochen sind die Enchondrome der Phalangen
relativ zellreich. Die Zellen sind häufig vergrößert und haben hyperchromatische Kerne, Doppelkerne oder sichtbare Nucleoli.
Diese Merkmale würden in langen Röhrenknochen für ein Chondrosarkom sprechen.
Bei den phalangealen Enchondromen stellen
sie jedoch keine Malignitätskriterien dar. Diese Tatsache betont die außerordentliche Notwendigkeit, den histologischen Befund immer im Kontext mit der Lokalisation, radiologischen Kriterien und der klinischen Symptomatik zu beurteilen.
Generell sind klinisch unauffällige Enchondrome benigne Tumoren, die keiner Behandlung bedürfen. Die Kürettage von Enchondromen ohne klinische und radiologische Malignitätskriterien wird heutzutage als
obsolet angesehen, da eine eindeutige histopathologische Differenzierung zu den
G1-Chondrosarkomen wegen ihrer niedrigen Proliferationsrate und geringen ZellAtypien häufig nicht vorgenommen werden
kann (2).
In unserer klinischen Praxis werden wir
häufig mit dem ausdrücklichen Wunsch einer
chirurgischen Ausräumung der Enchondrome trotz fehlender Malignitätskriterien konfrontiert. Eine von uns empfohlene Verlaufskontrolle nach 6 Monaten wird regelmäßig
als zu belastend empfunden. Die ausführliche
Aufklärung der Patienten über den fraglichen
Nutzen und das Risiko der Operation im Verhältnis zur sehr geringen Wahrscheinlichkeit
einer Entartung, führt jedoch oft nicht zur
Einsicht, von der Operation abzusehen.
Enchondromatosen
Die sehr seltenen nicht hereditären Enchondromatosen sind durch das multifokale
Wachstum von Enchondromen und periostalen Chondromen charakterisiert. Der bei
dieser Erkrankung oft vorhandene Befall nur
einer Körperhälfte wird nach seinem Erstbeschreiber als „Morbus Ollier“ bezeichnet
(씰Abb. 5). Prädilektionsstellen sind Ilium,
Femur und Tibia metadiaphysär, gefolgt von
Phalangen, Metakarpalen und Metatarsalen.
Die Erkrankung beginnt bereits in der
Kindheit und führt zu ausgeprägten Skelettdeformierungen. Histologisch finden sich lobulierte, hyperzelluläre Knorpeltumoren mit
Abb. 4 Großes Enchondrom der Tibia mit popkornartigen Verkalkungen und scharfer Begrenzung ohne Durchbrechung der Kortikalis
Abb. 3 Pathologische Kleinfinger-Endgliedfraktur bei Enchondrom, das Scalopping ist an der
noch intakten dorsalen Kortikalis erkennbar
vergrößerten oder doppelten Kernen, was
isoliert betrachtet Chondrosarkome vermuten lässt. Daher ist die Zusammenschau
des histologischen Bilds mit klinischen und
radiologischen Daten entscheidend für die
Diagnosestellung. Dies muss insbesondere
unter Berücksichtigung des hohen Risikos einer
Chondrosarkomentwicklung
von
10–30 % bei Enchondromatosen gelten (3).
Diagnostisch wegweisend für die maligne
Entartung sind Schmerzen, radiologisch das
Auftreten von Kortikalisdestruktionen mit
Tumorausbreitung in die Weichteilumgebung und histologisch die Präsenz von
myxoider Matrix sowie eine Infiltration der
Markräume mit Destruktion der SpongiosaTrabekel.
Das gleichzeitige Auftreten einer Enchondromatose mit einer Weichteilhämangiose
wird als „Maffucci-Syndrom“ bezeichnet. Die
Weichteilhämangiome können disseminiert
in Haut und Unterhaut auftreten. In den vaskulären Malformationen auftretende Phle-
Abb. 5 Multipler Enchondrombefall des Kleinfingers mit kolbigen Auftreibungen bei einem
Patienten mit M. Ollier
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drängung von angrenzenden Nerven, Sehnen, Gefäßen oder Knochen mit entsprechender Symptomatik indiziert. Insbesondere vor dem Wachstumsabschluss ist ein Rezidiv meist vorprogrammiert (씰Abb. 8).
Chondroblastom
Abb. 6 Verteilungsmuster von solitären und
multiplen Osteochondromen (kartilaginäre Exostosen)
boliten führen für gewöhnlich zur Entdeckung der Hämangiome. Die Chondrome
verhalten sich beim Maffuci-Syndrom hinsichtlich Verteilung, Entartungsrisiko, klinischem, radiologischem und histologischem
Erscheinungsbild analog der isolierten Enchondromatose.
Osteochondrom
(kartilaginäre Exostose)
Die relativ häufigen Osteochondrome (OC)
stellen genau genommen keine echten Neoplasien sondern vielmehr das Produkt von
dislozierten Wachstumsfugenanteilen der
Knochenoberfläche dar. Dies erklärt auch die
typische Größenprogredienz während des
Abb. 7 Typisches gestieltes (medial) und breitbasiges (lateral) Osteochondrom des Humerus
Längenwachstums, die mit Wachstumsabschluss sistiert (4). OC können an jedem
Knochen mit enchondraler Ossifikation auftreten. Die prädominanten Lokalisationen
sind in 씰Abb. 6 dargestellt. Typischerweise
präsentieren die palpablen oder sichtbaren
Tumoren im Röntgenbild einen breitbasigen
oder sessilen aus dem Markraum herauskommenden knöchernen Anteil (씰Abb. 7). Die
oft wie ein Pilzkopf aufsitzende bis zu 2 cm
starke Knorpelkappe lässt sich mit der MRT
gut beurteilen. Treten OC multifokal auf, liegt
meist eine hereditäre multiple kartilaginäre
Exostosen-Erkrankung vor, die autosomal
dominant vererbt wird.
Aufgrund der geringen Entartungswahrscheinlichkeit ist eine prophylaktische Resektion der Tumoren nur in Ausfällen bei Ver-
Nahezu pathognomonisch sind die sehr seltenen Chondroblastome epiphysär oder epimetaphysär in den langen Röhren bevorzugt
männlicher Patienten im 2. Lebensjahrzehnt
lokalisiert. Radiologisch kennzeichnend ist
die scharf begrenzte Osteolyse oft mit amorpher Matrixverkalkung und Epiphysenfugen-Beteiligung (씰Abb. 9). Kernspintomografisch zeigen der gesamte Tumor oder häufiger nur Teile im T2-gewichteten SE-Bild eine hohe Signalintensität.
Rundlich, ovale, scharf begrenzte Zellen
mit schwach eosinophilem Zytoplasma eingebettet in eine Matrix mit geringen hyalinen
Anteilen und chondroosteoidem Charakter
treten histologisch beim Chondroblastom
auf. Areale mit sekundären aneurysmatischen Knochenzysten zeigen sich nicht selten,
ebenso wie Riesenzellen – allerdings mit
deutlich geringer Kernzahl verglichen mit
dem ebenfalls epimetaphysär gelegenen Riesenzelltumor. Trotz des immunhistochemisch fehlenden Nachweises von Kollagen II
wird das Chondroblastom zu den knorpelbildenden Tumoren gezählt. Therapeutisch erfolgt üblicherweise die sorgfältige Kürettage
und Auffüllung mit Knochenspänen oder Zement. Rezidive sind in ca. 20 % möglich und
Lungenmetastasen werden in Einzelfällen beschrieben (5, 6).
Chondromyxoidfibrom
Abb. 8
Großes Rezidiv eines
Osteochondroms des
Humerus in situ
Das Chondromyxoidfibrom (CMF) ist ein
seltener, langsam wachsender, leichte
Schmerzen verursachender gutartiger Tumor, der ca. 1–3 % aller benignen Knochentumore ausmacht und in rund 80 % in der 2.
bis 3. Lebensdekade auftritt. Bevorzugte Lokalisation des metadiaphysär gelegenen CMF
ist die proximale Tibia (38 %) gefolgt von distalem und proximalem Femur (14 %). Talus
(11 %), tarsale Phalangen (11 %) und Becken
(9 %) sind weitere Prädilektionsstellen (7).
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Für die radiodiagnostische Aufarbeitung
wird das CMF im konventionellen Röntgenbild ausreichend genau abgebildet. Typisch
ist die exzentrische Lage in den langen Röhrenknochen, während in kleinen Röhrenknochen der gesamte Durchmesser ausgefüllt
wird. Nahezu alle CMF sind osteolytisch, weisen häufig einen nicht immer vollständigen
Sklerosesaum und selten (<10 %) knorpeltumortypische ring- oder bogenförmige Matrixverkalkungen auf. In der MRT stellt sich
das CMF in den T1-gewichteten Sequenzen
muskelisointens und in der T2-Wichtung
meist signalintensiv jedoch inhomogen dar.
Histologisch findet sich ein lobulärer Aufbau
mit fibromyxoider Matrix. Hyaliner Knorpel
tritt nur in ca. 20 % der Fälle auf. Die Therapie besteht in einer sorgfältigen Kürretage
oder wegen der ca. 20 %-igen Rezidivrate in
einer lokalen Exzision.
Differenzialdiagnostisch bietet das CMF
wenige Charakteristika. Aneurysmatische
Knochenzyste, nichtossifizierendes Fibrom
(NOF) aber auch Chondrosarkom und -blastom müssen anhand der Korrelation von radiologischen und histologischen Kriterien
abgegrenzt werden.
Chondrosarkome
Das als malignes Pendant des Enchondroms
aufzufassende Chondrosarkom (CS) stellt
nach dem Osteosarkom den zweithäufigsten
primär malignen Knochentumor mit einer
Inzidenz von 10/1 000 000 Einwohnern/Jahr
dar. Etwa 80 % der malignen Korpeltumoren
sind sogenannte klassische CS und kommen
bevorzugt an Becken, Femur und Schultergürtel vor, finden sich aber auch an Rippen
und Wirbelkörpern. An den Phalangen stellen CS eine absolute Rarität dar, obwohl sie
die Prädilektionsstellen für Enchondrome
sind (씰Abb. 1). Es findet sich eine leichte Prädominanz des männlichen Geschlechts und
ein Altersgipfel in der 5. bis 7. Lebensdekade.
Treten CS bei Kindern und Jugendlichen auf,
zeigen sie häufiger einen aggressiven Krankheitsverlauf (씰Abb. 10).
Klinisch und anamnestisch ist der
Schmerz vor der Schwellung das häufigste
Symptom. Pathologische Frakturen treten etwas häufiger als bei den Enchondromen auf,
sind jedoch insgesamt eher selten.
Den bildgebenden Verfahren kommt bei
der Diagnosestellung eine überragende Bedeutung zu, da vor allem niedrigmaligne CS
sehr inhomogen sind und in ihrem histologischen Bild in weiten Anteilen nicht von Enchondromen zu unterscheiden sein können
(4). Das Röntgenbild liefert Informationen
über die radiologische Morphologie inklusive
Kortikalis-Destruktionen, extraossärer Tumorkomponenten, endostale Kompaktaarrodierung (Scalopping), Kalzifizierung und periostaler Reaktion wie z. B. Spiculae
(씰Abb. 11). Letztere sind vermehrt mit höhergradigen schnell wachsenden CS assoziiert. Heterogene Osteolysen, die allen drei
Lodwick-Typen entsprechen, können beobachtet werden. CS sind tendenziell groß und
weisen bei Diagnose röntgenologisch eine
durchschnittliche Ausdehnung von zirka
10 cm auf (8). Sie sind meist unscharf begrenzt. Dagegen weisen Enchondrome eine
scharfe Abgrenzung zum umgebenden Knochengewebe auf und erreichen sehr selten mit
CS vergleichbare Ausdehnungen.
Das Muster der Matrixverkalkungen lässt
sich vor allem in der CT erkennen und stellt
ebenfalls einen wichtigen Parameter zur Beurteilung der Dignität dar. Enchondrome zeigen meist eine homogene Mineralisation
über den gesamten Tumor. Höher maligne,
schnell wachsende CS weisen oft kleine
punktförmige Verkalkungen auf. Bei ihnen
überwiegt die osteolytische Komponente. Bei
CS mit niedrigem Malignitätsgrad finden
sich auf Grund des langsamen Wachstums
eher ring-, bogenförmige und zusammenhängende schollige Verkalkungen (4).
Bezüglich der Beurteilung der intra- und
extraossären Tumorausdehnung ist die MRT
Abb. 9 Seltene Lokalisation eines Chondroblastoms der distalen Tibiaepiphyse; typisch ist
die epiphysäre Lage
der CT überlegen. Kernspintomografisch ergibt sich eine schärfere Demarkierung zwischen tumorösem und normalem Knochen.
Die Einmauerung oder Verdrängung von
Nerven- und Gefäßstrukturen sowie das Einbrechen in Gelenke können besser beurteilt
werden. Aufgrund des hohen Wassergehalts
der chondroiden Matrix zeigen die CS eine
Abb. 10
Chondrosarkom des
Beckens mit Exulzerationen und desaströsen Ausmaßen
bei einem 18-jährigen Patienten mit
Migrationshintergrund
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Abb. 12
Dedifferenziertes
Chondrosarkom des
proximalen Femurs
im Schnitt; charakteristisch ist die große
extraossäre Komponente sowie das
Nebeneinander von
niedrigmalignen
(knorpelig) und
hochmalignen (myxoid) Anteilen
Abb. 11 Grad-II-Chondrosarkom des linken Os
ilium eines 22-jährigen Patienten mit deutlicher
Kortikalisdestruktion und knochenübergreifendem Wachstum a) Beckenübersicht b) CT transversal.
hohe Signalintensität in den T2, fettgesättigten und kontrastmittelverstärkten Sequenzen. Bei zunehmender Entdifferenzierung
findet sich dabei ein inhomogenes Bild aufgrund von nekrotischen Tumorarealen und
der Abnahme der Matrixanteile (9).
Histopathologisch gelten ein Markraum
ausfüllendes Wachstum mit Zerstörung des
trabekulären Knochens, Nekrosen und muzinöses Tumormaterial ohne Zellen als beweisend für einen malignen Charakter des Knorpeltumors (10). Weitere Malignitätskriterien
sind hyperzelluläre Areale und eine hohe Anzahl von Zellen mit Doppelkernen oder erkennbaren Kernkörperchen. Diese Befunde
finden sich jedoch auch oft bei Enchondromen, vor allem der Phalangen.
Dedifferenziertes Chondrosarkom
Die hochmalignen, auch als Grad-IV-Chondrosarkome bezeichneten dedifferenzierten
Chondrosarkome machen rund 10% aller CS
aus. Die betroffenen Patienten sind im
Schnitt 10 Jahre älter als Patienten mit klassischen CS. Vorzugsweise sind dedifferenzierte
CS im Bereich des Beckengürtels und seltener
im Schulterbereich lokalisiert.
Die Terminologie ist kritisch betrachtet
nicht korrekt, da die vorliegenden Zellen
nicht dedifferenziert sind. Allerdings ist der
Begriff dedifferenziertes CS historisch bereits
fest in der Literatur verankert und betont die
klinische und histopathologische Sonderstellung dieser Form des CS. Lang anhaltende
Schmerzanamnese, Schwellung und pathologische Frakturen sind die typischen klinischen Symptome.
Klassischerweise zeigt das dedifferenzierte
CS in der Bildgebung ein zweigeteiltes Muster
auf. Neben den niedrigmalignen Tumorkomponenten mit geordneten ringförmigen Kalzifikationen und Scalopping-Phänomen zeigen sich dedifferenzierte Anteile mit ausgeprägten Kortikalisdestruktionen und großen extraossären Weichteilkomponenten
kennzeichnend für das aggressive osteolytische Wachstum. Die unterschiedlichen Komponenten lassen sich meist kernspintomografisch gut darstellen (11).
Der radiologische Befund korreliert histologisch mit der Kombination aus meist großen Anteilen eines Enchondroms oder GradI-CS und kleineren High-grade-Sarkomarealen. Typischerweise bestehen beide Tumorkomponenten nebeneinander und sind
nicht miteinander vermengt (씰Abb. 12). Die
spindelzelligen High-grade-Areale können
dem histologischen Bild eines Fibrosarkoms,
eines konventionellen Osteosarkoms, eines
pleomorphen (MFH-ähnlich)-Sarkoms und
deutlich seltener auch Rhabdomyosarkomen
entsprechen (6).
Da das gewonnene Biopsiematerial oft
nicht repräsentativ ist, kommt der Synopse
aus radiologischem und histologischem Befund entscheidende Bedeutung für die Diagnosestellung zu (4).
Klarzellchondrosarkom
Die Klarzellchondrosarkome stellen mit 2%
die seltenste Entität aller CS dar. Sie werden
bezüglich ihrer Malignität am ehesten den
G-II-CS zugeordnet. Durch ihre bevorzugte
Lokalisation an den Epiphysen des proximalen Femurs und den Altersgipfel um das 40.
Lebensjahr lassen sie sich bereits anamnestisch und klinisch von den klassischen CS differenzieren. Weitere Merkmale sind die
männliche Prädominanz und der unterschwellige, teilweise Jahre bestehende
Schmerz. Radiologisch treten beim Klarzellchondrosarkom Verkalkungen eher selten in
Erscheinung. Expansive Osteolysen mit
scharfer Begrenzung und gelegentlichem
Sklerosesaum finden sich dagegen regelhaft.
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Wie die Terminologie bereits vermuten
lässt, liegen histologisch in einem biphasischen Bild Anteile mit charakteristischen großen scharf begrenzten Zellen mit wasserhellem bis leicht eosinophilem Zytoplasma und
deutlich erkennbaren rundlichen Kernen neben Arealen mit klassischer ChondrosarkomMorphologie vor (12, 13). Neugebildete Knochenbälkchen und osteoklastäre Riesenzellen
zwischen den Tumorzellen lassen differenzialdiagnostisch an Osteosarkome und Chondroblastome denken, wobei Tumorlokalisation, das radiologische Erscheinungsbild und
das jüngere Erkrankungsalter eine Differenzierung zum Klarzellchondrosarkom ermöglichen.
Mesenchymales Chondrosarkom
Mesenchymale Chondrosarkome sind sehr
seltene hochmaligne Tumoren die im 2. und
3. Lebensjahrzehnt auftreten. Sie sind bevorzugt am Stammskelett an Kiefer, Rippen und
Becken lokalisiert, können aber auch alle anderen Knochen befallen. In bis zu einem Drittel finden sich auch extraskelettale Manifestationen. Radiologisch weisen die Tumoren osteolytische Destruktionen auf. Histologisch
stellen mesenchymale CS einen weiteren
Knorpeltumor mit biphasischem Aufbau dar.
Neben kleinen Arealen hyalinen Knorpels mit
allenfalls geringen Atypien finden sich undifferenzierte kleine, rundliche Zellen, die teilweise an ein Ewing-Sarkome erinnern lassen
(14). Neben dem jüngeren Manifestationsalter des Ewing-Sarkoms lassen sich die beiden Tumorentitäten molekularbiogisch
durch eine FISH-Analyse unterscheiden. Die
Prognose der Patienten mit mesenchymalen
Chondrosarkomen ist schwer vorhersagbar.
Einige Patienten präsentieren eine disseminierte Metastasierung und sterben früh. Andere weisen dagegen einen symptomarmen
Verlauf über Jahrzehnte auf.
Sekundäre Chondrosarkome
Die sekundären Chondrosarkome entstehen
aus einem benignen Vorläufer oder in sehr
seltenen Fällen postradiogen im Rahmen der
strahlentherapeutischen Behandlung einer
anderen Tumorerkrankung. Solitäre Enchondrome weisen ein Entartungsrisiko von weni-
Abb. 13
Endoprothetische
Versorgung mit proximalem Femurersatz
nach Resektion eines
Chondrosarkoms
ger als 1 % auf. Bei multifokalem Auftreten
(Enchondromatosen, M. Ollier, Maffuci-Syndrom) liegt die Wahrscheinlichkeit einer malignen Transformation mit 10–30 % jedoch
deutlich höher (3).
Im Bereich der Knorpelkappe von Osteochondromen können ebenfalls bei knapp 1 %
sekundäre CS auftreten. Das Erkrankungsalter liegt überwiegend in der Mitte der dritten Lebensdekade und damit deutlich unter
dem Altersgipfel der konventionellen CS. Bei
multiplen kartilaginären Exostosen-Erkrankungen wird ein Entartungsrisiko von
5–25 % beschrieben (15, 16).
Seitens des Malignitätsgrades lassen sich
die CS auf Boden eines Osteochondroms nahezu ausschließlich Grad-I-CS zuordnen,
während auf Enchondromen basierende maligne Tumoren höher gradige Klassifikationen aufweisen können (17, 18).
Therapiestrategien
bei Chondrosarkomen
Besteht bei Verdacht auf ein Chondrosarkom
die Indikation zur Biopsie, sollte grundsätzlich eine offene Inzisionsbiopsie erfolgen, um
großzügige Gewebeproben aus allen Anteilen
des Tumors gewinnen zu können. Nur so ist
eine aussagekräftige histopathologische Begutachtung zu erhalten. Entleert sich bei der
Inzision des Knorpeltumors muzinöse Flüssigkeit, gilt die Diagnose eines CS als nahezu
gesichert.
Große Knorpeltumoren mit internen Zysten variabler Größe sprechen ebenfalls mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für
das Vorliegen eines CS. Eine zu zaghafte Pro-
benentnahme, CT-gesteuerte Nadelbiopsien
oder reine Stanzbiopsien bergen ein erhebliches Risiko, nicht alle für die histologische
Beurteilung entscheidenden Areale zu treffen, wodurch es häufig zur Fehleinschätzung
des Malignitätsgrads oder zu einer Verzögerung der Diagnosesicherung kommt.
Insbesondere bei den sehr heterogenen
dedifferenzierten CS mit ihrem Nebeneinander von großen niedrig- und eher kleinen
hochmalignen Arealen kann dies zu fatalen
Folgen bezüglich des Ausmaßes der chirurgischen Radikalität führen (씰Abb. 12). Der
operative Zugang und die Drainageaustrittsstelle sind bei der Biopsie so zu wählen, dass
sie bei der endgültigen Tumorresektion nach
onkologischen Gesichtspunkten spindelförmig umschnitten und auf dem Resektat belassen werden. Zellzahl, Atypiegrad und myxoide Anteile nehmen, ebenso wie das Auftreten von spindeligen Tumorzellen und Verschwimmen der lobulären Struktur, mit steigender Malignität zu (6).
Anhand dieser histopathologischen Kriterien erfolgt die Einteilung der klassischen CS
in 3 Malignitätsgrade, die nach derzeitiger
Datenlage entscheidend für die Prognose ist.
Während Grad-1-CS praktisch nur zu Rezidiven neigen, metastasieren G2– und G3-CS
in bis zu 20 % bzw. 50 %, dann häufig pulmonal (19).
Leider ist die Beurteilung des Malignitätsgrads von CS wie bei fast jeder Tumorentität
sehr subjektiv und schwer zu reproduzieren.
Überwiegend ist das CS ein Low-grade-Tumor, dessen Problematik sich aus der hohen
Rezidivrate aber nicht aus der Metastasierung
ergibt (20). Da die Prädilektionsstellen entlang des Achsenskeletts liegen (씰Abb. 1), ist
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die vollständige chirurgische Entfernung oft
schwierig und die Patienten können aufgrund der lokal persistierenden Tumorerkrankung versterben.
Daraus ergibt sich die eigentliche Schwierigkeit bei der Behandlung von Low-gradeChondrosarkomen – die richtige Balance
zwischen ausreichender Radikalität der Tumorresektion und kleinstmöglicher Zerstörung der befallenen Strukturen zum Erhalt
größtmöglicher Funktionalität zu finden.
In ausgewählten Fällen ist daher die intraläsionale Ausräumung oder marginale Resektion mit einem erheblichen Funktionsvorteil
zu rechtfertigen. Der entstehende Knochendefekt wird dann mit Poly-methylmethacrylat (PMMA)-Zement aufgefüllt. Bei den postoperativen Kontrollen kontrastiert sich ein
Rezidiv gegen den röntgendichten Knochenzement gut und kann frühzeitig erkannt werden. Im Rezidivfall ist bei langer Anamnese
und geringer Ausbreitung des Tumors häufig
eine erneute Kürettage oder marginale Resektion zulässig. Destruiert ein Tumorrezidiv
den Knochen in großem Ausmaß kann sekundär auch bei Grad I-CS die weite
Segmentresektion mit endoprothetischer
Versorgung oder in Einzelfällen sogar die
Amputation unausweichlich sein.
Nach aktueller Studienlage nimmt die Radikalität der chirurgischen Therapie bei Lowgrade CS keinen statistisch signifikanten Einfluss auf die Metastasierungs- und Überlebensrate (21, 22). Allerdings weisen die
Grenzzonenresektion und intraläsionale
Ausräumung ein höheres Risiko für ein erneutes Tumorwachstum auf. In einer retrospektiven Analyse bildeten sich bei CS des
Beckens nach intraläsionaler Tumorresektion
in 100% der Fälle Lokalrezidive aus, während
nach Tumorentfernung in weiten Grenzen
bei keinem Patient ein erneutes Tumorwachstum beobachtet werden konnte. Unter
diesen Gesichtspunkten gilt es für das GradI-CS des Beckens den Kompromiss zwischen
Auftreten des Rezidivs und Funktionserhalt
besonders kritisch zu prüfen. Hinsichtlich der
hohen Lokalrezidivrate von CS sollten regelmäßige klinische und radiologische Verlaufskontrollen über einen Zeitraum von mindestens 5 Jahren erfolgen.
Die Therapie der High-grade-CS (GII-IV)
besteht in der Entfernung mittels Segmentresektion in weiten Grenzen. Unter extremitätenerhaltenden Gesichtspunkten erfolgt die
Rekonstruktion der Knochendefekte mittels
Tumorendoprothesen (씰Abb. 13). Die Wiederherstellung der Knochenkontinuität
durch einen gefäßgestielten Fibula-Autograft
oder Allograft kann bei diaphysärer Lage des
CS erfolgen. Bei Infiltration der Gefäß-Nerven-Bündel durch die Tumorweichteil-Komponente oder exorbitanten Tumorausmaßen
(씰Abb. 10) ist unter kurativem Ansatz eine
weite Tumor-Resektion nur durch Amputation zu erreichen.
Dabei sind teilweise stark entstellende und
mit maximalen Funktionsverlusten behaftete
Verfahren wie die externe Hemipelvektomie
oder die interthorakoskapuläre OberarmAmputation notwendig. Eine präoperative
Tumormassen-Reduktion ist auf Grund des
Fehlens effektiver Therapieoptionen wie z. B.
der neoadjuvanten Chemotherapie nicht
möglich. Äquivalent konnte bisher in keiner
Studie für die adjuvante Chemotherapie, die
bei den High-grade-CS Anwendung findet,
ein signifikanter Überlebensvorteil nachgewiesen werden. (23). Ausnahmen weisen
die Behandlungen von dedifferenzierten CS
nach dem COSS-Protokoll und mesenchymaler CS nach dem CESS-Protokoll mit niedrigsignifikanten Effekten auf, vermutlich aufgrund ihrer histologischen Parallelen zum
Osteo- bzw. Ewing-Sarkom.
Neue Folsäureantagonisten wie Pemetrexed werden ebenso wie die Kombination von
Gemcitabin und Doctaxel bei Patienten mit
CS evaluiert. So genannte small-molecular
inihibitors wie Dasatinib und monoklonale
Antikörper wie Apomab, ein TRAIL-Rezeptor-Agonist, sind zum Eintritt in klinische
Studien startbereit. Für Perifosin, einen Modulator der Membranpermeabilität, werden
aktuell die Phase-II-Ergebnisse bei chemotherapieresistenten Tumoren inklusive CS erwartet (27).
In kleineren Studien konnte lediglich bei
seltenen Manifestationen im Bereich der Wirbelsäule oder des Schädels durch eine Bestrahlung mit Photonen- und Schwerionen
eine ausreichende Lokalkontrolle des Chondrosarkoms erzielt werden (24). Ansätze mit
konventioneller γ-Strahlung können bei palliativer Intention zur Kontrolle des lokalen
Tumorwachstums versucht werden, versagen
jedoch bei kurativem Therapieziel (25).
Neue Therapieansätze mit dem in der Osteoporose-Therapie erfolgreich angewandten
Bisphosphonat Alendronat erbrachten bei
In-vitro-Experimenten vielversprechende
Ergebnisse (26). Ob mit Alendronat tatsächlich ein signifikanter Behandlungserfolg erzielt werden kann, muss zunächst am Tiermodell und in klinischen Studien evaluiert
werden. Die Verfügbarkeit geeigneter Tiermodelle, die relativ geringe Inzidenz und der
lange Krankheitsverlauf lassen eine zeitnahe
Weiterentwicklung neuer Chemotherapeutika jedoch schwierig erscheinen. Bei Patienten
mit fortgeschrittenem Krankheitstadium
sollte daher die Integration in klinische multizentrische Studien wie Euro-BOSS in jedem
Fall überlegt werden.
Grundsätzlich sollten alle auffälligen
chondrogenen Tumoren zu einer Beurteilung
in einem spezialisierten Knochentumorzentrum vorgestellt werden.
Interessenkonflikt
Der korrespondierende Autor gibt an, dass
kein Interessenkonflikt besteht.
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