20130616 I Masnadierix

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SWR2 OPER
Moderationsmanuskript von Ulla Zierau
Giuseppe Verdi:
I Masnadieri
Sonntag, 16.06.2013, 20.03 Uhr
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede
weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des
Urhebers bzw. des SWR.
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Heute mit einem Werk von Giuseppe Verdi: „I Masnadieri“, „Die Räuber“, Oper in vier Akten
nach dem gleichnamigen Drama von Friedrich Schiller. Das Libretti schrieb Andrea Maffei.
Wir senden eine Aufnahme von den Ludwigsburger Schlossfestspielen aus dem Jahr 1992.
Die konzertanten Aufführungen früher Verdi-Opern waren lange Zeit eine gute Tradition der
Ludwigsburger Festspiele. Spiritus Rex war Wolfgang Gönnenwein, der die Festspiele über
30 Jahre geleitet hat und der im Januar dieses Jahres 80 Jahre alt geworden ist.
Markenzeichen der Aufführungen waren das eigene Ensemble, das Orchester der
Ludwigsburger Festspiele, das feinsinnige Verlebendigen der sinfonischen Sprache Verdis
und in der Anfangszeit die hochkarätige Besetzung. Hauptfigur der ersten Jahre war der
italienische Bariton Renato Bruson, der in diesem Mitschnitt der "Masnadieri" die Rolle des
zerklüfteten Francesco interpretiert. Das ist Grund genug, dieses Dokument aus dem Archiv
zu holen und im Verdi-Jahr 2013 erneut zur Diskussion zu stellen.
Die Handlung der Oper spielt in Deutschland, Anfang des 18. Jahrhunderts. Nach einem
Vorspiel beginnt der erste Akt in einer Herberge, nahe der sächsischen Grenze.
Carlo Moor, der älteste Sohn des Grafen Massimiliano, ist nach einem Intrigenspiel seines
jüngeren Bruders Francesco bei seinem Vater in Ungnade gefallen und hat sich einer
Räuberbande angeschlossen. Wehmütig denkt er an das väterliche Schloss und seine Braut
Amalia zurück und hofft auf einen baldigen Frieden mit dem Vater. Doch ein Brief seines
Bruders macht diese Hoffnung zunichte, würde Carlo zurückkehren, drohe ihm Gefängnis,
schreibt Francesco. In seiner Verzweiflung gelobt Carlo den Räubern ewige Treue und
übernimmt das Amt des Räuberhauptmanns.
Das 2. Bild spielt im Schloss des Grafen Moor in Franken.
Francesco, Carlos jüngerer Bruder, triumphiert über seine gelungene Intrige. Jetzt plant er,
auch noch seinen alten Vater, den Grafen Massimiliano, auszuschalten, um der alleinige
Herrscher zu sein. Sein Diener Arminio soll dem alten Grafen die Nachricht überbringen,
dass Carlo in einer Schlacht bei Prag gefallen sei.
Im letzten Bild des ersten Aktes tritt Amalia auf, die Nichte des Grafen und zukünftige Braut
von Carlo. Sie wacht über den schlafenden Massimiliano und beklagt in einer Szene und
Cavatine die Verbannung ihres Verlobten. Als der Graf vom vermeintlichen Tod seines
Sohnes Carlo hört, bricht er ohnmächtig zusammen. Ein gefälschter Brief von Carlo soll
Amalia zur Heirat mit Francesco überreden. Entsetzt flieht die junge Frau. Francesco bleibt
zurück und triumphiert über seinen Sieg.
In SWR 2 nun „I Masnadieri" – die Räuber, Oper von Giuseppe Verdi: Ouvertüre und 1. Akt:
Massimiliano: Carlo Colombara
Carlo: Mario Malagnini
Francesco: Renato Bruson
Amalia: Martyle Rowland
Arminio: Thierry Migliorini
Süddeutscher Madrigalchor Stuttgart
Orchester der Ludwigsburger Festspiele
Leitung: Wolfgang Gönnenwein
„I Masnadieri“, 1. Akt mit Vorspiel = 43‘09“
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Opernabend in SWR 2 – heute mit einem Mitschnitt von den Ludwigsburger
Schlossfestspielen aus dem Jahr 1992. Sie hören die konzertante Aufführung der Oper „I
Masnadieri“ von Giuseppe Verdi, mit den Interpreten:
Massimiliano: Carlo Colombara
Carlo: Mario Malagnini
Francesco: Renato Bruson
Amalia: Martyle Rowland
Arminio: Thierry Migliorini
Wolfgang Gönnenwein leitet den Süddeutschen Madrigalchor Stuttgart
und das Orchester der Ludwigsburger Festspiele.
Zwischen seinen Opern „Ernani“ und „Rigoletto“ durchlebte Giuseppe Verdi seine
Galeerenjahre, wie er sie selbst nannte. Eine Reihe von Misserfolgen schwächte und
deprimierte den jungen, kränkelnden Komponisten: „Giovanna d’Arco“ nach Schillers
Jungfrau von Orleans, „Alzira“, „Attila“, „Macbeth“, sie alle konnten den erhofften Durchbruch
nicht bringen. Da lockte ein Angebot aus England. Der Impresario Benjamin Lumley bot
Verdi einen Vertrag für eine Oper in London an.
Während eines Kuraufenthalts in Recoaro Terme in einem abgelegenen Tal der venetischen
Alpen tat sich Verdi, auf der Suche nach einem geeigneten Opernstoff, mit seinem Freund
Andrea Maffei zusammen.
Maffei, ein angesehener Dichter und Übersetzer der Werke Schillers und Shakespeares
brachte Verdi auf neue Gedanken und gemeinsam wählten sie Schillers Schauspiel „Die
Räuber“ als Opernstoff für England aus.
Mit Schillers erfolgreichem Sturm und Drang Drama hat die Oper allerdings nicht viel
gemein. Die metaphysische Ebene, der Idealismus, der Freiheitsgedanke, die
Gesellschaftskritik, die politische Sprengkraft, all das mag Verdi erkannt und auch
interessiert haben, aber in das Korsett der italienischen Oper passte das nicht. Maffei
konzentrierte sich bei der Ausarbeitung des Librettos auf die äußere Handlung, die Intrigen,
die Liebesbeziehung, die Rache und Machtgelüste. Ihm ging es allein um die dramatischen
Effekte, die typologisierten Figuren und eine stringente Handlung. Für eine Sprengung dieser
Grenzen, für ein Experiment war Verdi damals noch nicht bereit, allzu groß waren die
äußeren Zwänge wie Zeitmangel, Geldnot, Erwartungsdruck. London erhoffte sich von Verdi
eine Oper im Stile des Belcanto. Verdi musste sich fügen, immerhin wartete ein beachtliches
Honorar, zudem sollte die „schwedische Nachtigall“, die berühmte Jenny Lind die Amalia
singen.
Mit der unfertigen Partitur im Gepäck reiste Verdi nach London, eine aufwendige, lange
Reise. Mit der Postkutsche ging es über den Gotthard, quer durch die Schweiz nach Basel,
dann mit dem Zug über Straßburg nach Köln, wo Verdi den Dom und das Beethoven Haus in
Bonn besuchte, dann weiter über Brüssel nach Paris, wo Verdi ein paar Tage verweilte,
vielleicht auch um seine Freundin und spätere Ehefrau Giuseppina Strepponi zu besuchen.
Von Paris aus reiste er nach London, dort kam er am 7. Juni 1847 an. Nun blieben ihm
sechs Wochen Zeit, um die Uraufführung seiner „Masnadieri“ vorzubereiten.
Was daraus geworden ist, erfahren Sie nach dem 2. Akt der Oper.
Der beginnt auf dem Friedhof neben der Schlosskapelle. Amalia hat hier vor den
Zudringlichkeiten Francescos Zuflucht gefunden. Sie betet vor einem Grabmal, auf dem
Massimilianos Name steht. Der Diener Arminio kommt hinzu. Von Reue geplagt, gesteht er
Amalia, dass sowohl Carlo als auch der alte Graf noch am Leben seien. Überglücklich
schwelgt Amalia in ihren Gefühlen für Carlo. Da taucht Francesco auf, er bedrängt Amalia,
ihn zu heiraten, doch sie wehrt ihn ab. Francesco droht mit Gewalt. In ihrer Not entreißt
Amalia ihm seinen Dolch, stürzt auf ihn zu, doch Francesco entflieht und schwört Rache.
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Im 2. Bild haben sich die Räuber im Böhmischen Wald versammelt. Carlo ist nach Prag
gezogen, um den Freund Rolla aus der Gefangenschaft zu befreien. Kurz darauf werden die
Rückkehrer freudig empfangen. In einer Romanze beklagt Carlo sein liederliches Leben und
den Verlust Amalias. Im anschließenden Finale des 2. Aktes bemerken die Räuber, dass sie
von Soldaten umzingelt sind. Carlo ruft zum gemeinsamen Kampf auf.
„I Masnadieri“, 2. Akt = 32‘34“
Das war der 2. Akt der Oper „I Masnadieri“ von Giuseppe Verdi.
Die Uraufführung der Oper fand am 22. Juli 1847 im Her Majesty’s Theatre in London statt.
Der lyrische Heldentenor Italo Gardoni sang den Carlo, der Bariton Filippo Coletti den
Francesco und Jenny Lind die Amalia. Die „schwedische Nachtigall“ war absoluter
Publikumsliebling. Verdi wusste um ihre herausragende Position und hat ihr die virtuosen
Koloraturpassagen geschrieben, die man von ihr hören wollte. Allein Verdi war von der
Sängerin gar nicht so sehr begeistert. Er notierte: „ Ihre Stimme ist ein wenig rau in den
Höhen, etwas schwach in den tiefen Tönen, doch sie kann jede Schwierigkeit meistern. Ihr
Trillern ist unerreicht, und sie hat eine unglaubliche Beweglichkeit. Sie kann wirklich ihre
ganze Technik an Verzierungen, Doppelschlägen und Trillern vorführen, all jene Sachen, die
man im vorigen Jahrhundert gern hörte, nicht aber im Jahr 1847. Wir Italiener sind an so
etwas nicht gewöhnt, und wenn die Lind nach Italien ginge, so gäbe sie diese Manie für
Verzierungen bald auf und sänge einfach…“ so Verdi über Jenny Lind.
Auch wenn für Verdi diese Koloraturpartie nicht mehr modern war, das Londoner Publikum
liebte sie und war begeistert und nicht zuletzt macht die Rolle der Amalia auch heute noch
den Reiz der Oper aus. Joan Sutherland war eine der großen Amalia-Interpretinnen.
Die Londoner Uraufführung wurde zu einem glänzenden gesellschaftlichen Ereignis. Die
schwedische Nachtigall auf der Bühne, der italienische Maestro am Pult, Königin Victoria und
Prinz Albert gut gelaunt in der Loge, es war ihr letzter offizieller Auftritt vor dem
Sommerurlaub. Anwesend waren auch der britische Staatsmann Lord Palmerston und der
Militärführer Herzog von Wellington.
Das gesellschaftliche Aufsehen war groß, der Beifall für die Oper allerdings eher mäßig.
Die ersten beiden Aufführungen dirigierte Verdi selbst. „Die Masnadieri haben gefallen, ohne
Furore gemacht zu haben“, berichtete er nüchtern nach Hause.
Die Oper wurde in den folgenden Jahren an mehreren italienischen Bühnen gegeben, auch
in Barcelona, Lissabon, Rio, Buenos Aires, Wien, New York. Doch dann verschwanden die
„Räuber“ von den Spielplänen, bis sie in den 1960er / 70er Jahren wiederbelebt wurden und
seither immer wieder mal gespielt werden, wie auch 1992 bei den Ludwigsburger
Schlossfestspielen. Die CD-Veröffentlichung dieser konzertanten Aufführung hören Sie im
heutigen Opernabend in SWR 2.
Zu Beginn des 3. Aktes verweilt Amalia an einem einsamen Ort in der Nähe des Schlosses.
Erschrocken bemerkt sie, dass sie von Räubern umgeben ist. Als plötzlich Carlo auf sie
zukommt, ist sie erleichtert. Sie feiern ihr Wiedersehen. Carlo gibt sich allerdings nicht als
Räuberhauptmann zu erkennen. Beide gestehen sich ihre Liebe.
Dieses hoch emotionale Duett ist zweifelsohne ein Höhepunkt der Oper, ohnehin bilden die
Duette, Ensemble- und Finalszenen das Rückenmark dieser frühen Verdi-Oper.
Das 2. Bild des 3. Aktes spielt im Wald bei den Ruinen eines Burgverlieses. Die Räuber
preisen ihr wildes Leben, sie singen ein Loblied auf ihre Raubzüge und Brandstiftungen.
Carlo steht etwas abseits Wache und beobachtet, wie sich ein Unbekannter zur Ruine
schleicht. Es ist der Diener Arminio, der dem eingesperrten Massimilano Essen bringt. Voller
Entsetzen hört Carlo die Stimme seines Vaters. Er befreit den abgemagerten Alten aus
seinem Verlies, der Vater erkennt seinen Sohn jedoch nicht.
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In einem großen Monolog erzählt der alte Graf seine traurige Geschichte von den
Machenschaften seines Sohnes Francesco. Diese Szene lässt das dramatische Gespür
erahnen, das Verdi in seinen späteren Opern zur Vollendung führte.
Als Carlo von den schändlichen Taten seines Bruders erfährt, schwört er Rache, er schickt
die Räuber aus, ihm seinen Bruder zu bringen.
„I Masnadieri“, 3. Akt = 23‘10“
Carlo Colombara in diesem dramatischen Monolog des Grafen Massimilano. Das war der 3.
Akt der Oper „I Masnadieri“ von Giuseppe Verdi nach Friedrich Schillers Drama „Die
Räuber“. In SWR 2 hören Sie einen Mitschnitt von den Ludwigsburger Schlossfestspielen
aus dem 1992.
Wolfgang Gönnenwein leitet den Süddeutschen Madrigalchor Stuttgart
Und das Orchester der Ludwigsburger Festspiele.
Auffallend an Verdis Klangsprache in seiner frühen Oper „I Masnadieri“ sind die exponierten
Cellopassagen, sie nehmen das berühmte Solo zu Beginn der großen Arie des Philipp in
„Don Carlos“ ein wenig vorweg. Bereits in der Ouvertüre zu „I Masnadieri“ sticht ein
gefühlvolles Cellosolo hervor, ebenso im Vorspiel zum 2. Akt. Verdi hat diese konzertanten
Abschnitte seinem Freund Alfredo Piatti geschrieben, der damals erster Cellist im Haymarket
Theatre war.
Kommen wir zum vierten und letzten Akt der Oper:
Gleich zu Beginn hat Francesco einen musikalisch schwierigen Auftritt. In der Zimmerflucht
des Schlosses fühlt er sich in einem Alptraum gefangen, ihm erscheinen die Toten vor
Augen, er träumt von ewiger Verdammnis. Weder Arminio noch Pastor Moser können ihn
beruhigen. Diese Traumerzählung wird im sotto voce gesungen, das bedeutet mit halber
Stimme, also leise, diese ausgefeilte Technik erfordert ein hohes Maß an Können, an
stimmlicher Beherrschung.
Das letzte Bild der Oper führt noch einmal in den Wald zu den Räubern bei den Ruinen des
Burgverlieses.
Carlo bittet seinen Vater, der ihn immer noch nicht wiedererkannt hat, um seinen Segen. Da
kehren die Räuber zurück, allerdings ohne Francesco, er ist ihnen entkommen. Dafür
bringen sie Amalia mit ins Lager. Sie wendet sich Hilfe suchend an Carlo. Endlich gibt sich
Carlo als Räuberhauptmann zu erkennen. Amalia und Massimiliano sind entsetzt, aber
Amalia will trotzdem bei Carlo bleiben. Auch der sterbende alte Graf erhebt noch einmal
seine Stimme. In diesem Moment erinnern die Räuber ihren Hauptmann an seinen Schwur.
Verzweifelt bittet Amalia Carlo, sie zu töten. Carlo willigt ein, er will sie nicht an sein ehrloses
Leben binden und ersticht sie. Mit dem Ausruf „Jetzt zum Galgen“ stürzt er davon und
verlässt die Räuber.
„I Masnadieri“, 4. Akt = 27‘09“
„I Masnadieri“ – Oper von Giuseppe Verdi nach dem Drama „Die Räuber“ von Friedrich
Schiller. Andrea Maffei schrieb das Libretto.
In SWR 2 hörten Sie eine CD-Aufnahme von den Ludwigsburger Schlossfestspielen aus
dem Jahr 1992.
Die Solisten waren :
Massimiliano: Carlo Colombara
Carlo: Mario Malagnini
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Francesco: Renato Bruson
Amalia: Martyle Rowland
Arminio: Thierry Migliorini
Wolfgang Gönnenwein leitet den Süddeutschen Madrigalchor Stuttgart
Und das Orchester der Ludwigsburger Festspiele.
Am nächsten Sonntag senden wir in der SWR2 Oper "Iphigénie en Tauride" von Christoph
Willibald Gluck.
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