SWR2 Musikstunde

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SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Musikstunde
Drei Könige aus Morgenland (3)
Salomon
Von Bettina Winkler
Sendung: Freitag, 27. Dezember 2013
Redaktion: Bettina Winkler
9.05 – 10.00 Uhr
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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SWR2 Musikstunde 27.12.2014, 9.05 bis 10.00 Uhr
Mit Bettina Winkler
Drei Könige aus Morgenland (3)
Salomon (ca. 54‟50)
Signet
….mit Bettina Winkler, die Sie durch diese Weihnachtswoche begleitet.
Heute gibt es den dritten Teil meiner kleinen Reihe „Drei Könige aus
Morgenland“ und diesmal geht es um Salomo. (0‟10)
Indikativ ca. 0„20
„Salomo, du weiser König, dem die Geister untertänig“, so heißt es in
Clemens Brentanos Märchen von Gockel und Hinkel, wenn der
magische Zauberring in Aktion treten soll. Und diese Beschwörung endet
immer mit den Worten „Ringlein, Ringlein, dreh dich um, mach‟s recht
schön, ich bitt„ dich drum“. Diese geheimnisvolle Beschwörung des
biblischen Salomo lässt erahnen, welche Bedeutung der
alttestamentarische König hat. Laut jüdischem Talmud und
muslimischem Koran besitzt er einen Talisman, auf dem der wahre
Name Gottes steht und mit dem er alles beherrschen kann – das wäre
dann das Pendant zum ominösen Ring aus dem Märchen. Auch soll ihm
von Allah die Macht über die Tiere übertragen worden sein, und er soll
die Sprache der Vögel gesprochen haben. In Jerusalem baut er einen
prachtvollen Tempel und regiert gerecht und weise über einen
ausgebildeten Beamtenapparat, ein starkes Heer und ein großes Volk.
Aufgrund seiner weitreichenden Beziehungen, seiner Handelskontakte
und seines diplomatischen Geschicks gilt Salomo als der reichste und
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weiseste König aller Zeiten. Er heiratet eine Pharaonentochter und
gewinnt Ruhm und Ansehen als kluger Richter, Verfasser von
Sprichwörtern und Weltweiser, der naturgeschichtliche Kenntnis über
Bäume, Vögel, Reptilien und Fische besitzt. Als die Königin von Saba
aus ihrem fernen Königreich in Arabien nach Jerusalem reist, um ihn
kennenzulernen, „redete sie mit ihm alles, was sie sich vorgenommen
hatte. Und Salomo gab ihr Antwort auf alles, und es war dem König
nichts verborgen, was er ihr nicht hätte sagen können“.
Salomo ist das Idealbild eines Königs, der Weisheit, Reichtum und
Macht in sich vereint. Tatsächlich ist laut Bibel Salomos Herrschaft in
Jerusalem eine Zeit, in der die göttliche Verheißung zu ihrer greifbarsten
Erfüllung gelangt und dem Volk Israel Wohlstand, Gelehrsamkeit und
Macht zu Teil wird. Salomos Regierungszeit gilt seither in wehmütiger
Erinnerung als das Goldene Zeitalter, auf dessen Wiederkehr man hofft.
(2‟05)
Musik 1
Georg Friedrich Händel:
Ouvertüre zum Oratorium „Solomon“
Akademie für Alte Musik Berlin
Leitung: Daniel Reuss
Harmonia mundi HMC 901949.50, CD 1, Take 1, ges. 6‟54
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Die Ouvertüre zu Georg Friedrich Händels Oratorium „Solomon“ mit der
Akademie für Alte Musik Berlin unter der Leitung von Daniel Reuss. Aus
dem Oratorium wird es noch mehr zu hören geben – wir sind heute
etwas Händel-lastig!
Die biblische Darstellung von Salomos vierzigjähriger Regierungszeit als
einer Epoche königlichen Reichtums und Glanzes beschwört Bilder einer
aufgeklärten Königsherrschaft im Zeichen von Weisheit und Pracht.
Unbelastet von Davids eher gewalttätigem, kriegerischen Image baut
Salomo eine effiziente Bürokratie zur Verwaltung seines rieseigen
Reiches auf. Er residiert in einem prunkvollen Palast und sein Hof ist für
seine kulturelle Verfeinerung berühmt.
Als Salomo noch zu Lebzeiten Davids zum König gesalbt wird, geschieht
das durch den Priester Zadok. Der hebräische Name Zadok bedeutet
„gerecht“. Der biblische Zadok war der Sohn von Achitub, ein
Nachkomme von Eleasar, dem dritten Sohn von Aaron. Gemäß der
biblischen Erzählung hilft Zadok, die Bundeslade Israels aus dem Hause
Obed-Edoms in Gat nach Jerusalem zu bringen, nachdem diese in der
Schlacht bei Eben-Ezer gegen die Philister verloren ging. Zadok
unterstützt David auch gegen seinen abtrünnigen Sohn Absalom.
Georg Friedrich Händels Krönungshymne „Zadok the priest“, die von der
Salbung Salomos durch Zadok und Nathan berichtet, ist ein
Auftragswerk des britischen Königs Georg II. zu dessen Krönung. Sie
wird seit 1727 bei jeder Inthronisierung eines englischen Monarchen
verwendet, zuletzt 1953 bei Elisabeth II. Wenn Sie diese
Krönungshymne gleich hören und zudem Fußballfan sind, dann könnte
Ihnen die Musik durchaus bekannt vorkommen… (1‟40)
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Musik 2
M0129321
01-010 Zadok the priest, HWV 258 The Sixteen; The Sixteen;
Christophers, Harry Händel, Georg Friedrich Coronation Anthems 2009
Studioproduktion englisch AUDIO 5'40
The Sixteen unter der Leitung von Harry Christophers mit Georg
Friedrich Händels Krönungshymne „Zadok the priest“, die sich inhaltlich
auf die Salbung Salomos durch die Priester Zadok und Nathan bezieht.
David lässt die Bundeslade nach Jerusalem bringen und Salomo baut
später den großen Tempel als zentrale Kultstätte des geeinten Israels.
Im Gegenzug dazu werden ländliche Heiligtümer aufgegeben oder gar
zerstört und vergraben, um den Staatskult in Jerusalem zu
zentralisieren. Wie die Vereinheitlichung von Maßen und Gewichten
sollte das wohl auch dazu dienen, die unterschiedlichen
Bevölkerungsgruppen des Reiches zu einen.
Der erste Jerusalemer Tempel ist nach biblischer Darstellung auf dem
Berg Zion gebaut worden. Archäologen nehmen allerdings an, dass
dieser Tempel genauso wie die „salomonischen“ Paläste erst etwa
zweihundert Jahre nach der Herrschaft Salomos errichtet wurden. Dieser
Tempel wurde wie die gesamte Stadt Jerusalem bei der Eroberung
durch die Babylonier unter Nebukadnezar II. 586 v. Chr. zerstört.
Die Baumeister des steinernen Gebäudes stammten wahrscheinlich aus
Phönizien, es hatte die Maße von 60 Ellen Länge, 20 Ellen Breite und 30
Ellen Höhe. Die damalige Elle hatte eine Länge von gut 50 cm. Vor der
Vorhalle auf der Eingangsseite standen zwei bronzene Säulen, genannt
Jachin und Boas („Festigkeit und Stärke“). Wie in der Antike üblich
befand sich der Eingang im Osten, das Allerheiligste im Westen.
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Im Inneren gab es einen vorderen Raum, das Heilige, worin die
goldenen Leuchter, der Schaubrottisch und der Räucheraltar standen,
und einen durch einen Vorhang davon geschiedenen quadratischen
hinteren Raum, das Allerheiligste, mit der Bundeslade und den zwei
großen Cherubim. Der große Hauptaltar für die Brandopfer stand im Hof,
vor dem Eingang des eigentlichen Tempels.
Der Vorraum war den Priestern zugänglich, das Allerheiligste dagegen
durfte nur der Hohepriester einmal jährlich, am Jom Kippur, betreten.
Nach Überlieferung des Talmud wurden allerdings von Zeit zu Zeit
Reinigungskräfte von oben in Körben in den Raum hinabgelassen, die
ihre Arbeit mit Blick zur Wand verrichten mussten, denn das Betrachten
des Inneren des Raumes war ihnen strikt verboten.
Das Tempelgebäude war von einem inneren Vorhof der Priester mit dem
Brandopferaltar, dem Reinigungsbecken und anderen Gerätschaften
umgeben, und dieser wiederum war durch Säulengänge mit bronzenen
Toren vom äußeren Vorhof getrennt, der für das Volk bestimmt und von
einer Mauer umschlossenen war. (2‟35)
Musik 3
M0320106
01-006 (6) Der Leviten Festzug in den Tempel (Instrumental) aus: König
Salomo, op. 25. Dramatisches Oratorium nach Worten der Heiligen
Schrift in 3 Teilen (5 Handlungen) für Soli, Chor und Orchester Lübecker
Sinfonietta; Münther, Henning Meinardus, Ludwig Oratorium "König
Salomo" Studioproduktion AUDIO 3'04
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Der Leviten Festzug im Tempel aus dem dramatischen Oratorium „König
Salomo“ von Ludwig Meinardus, Henning Münther leitete die Lübecker
Sinfonietta.
Eine wichtige Figur, die im Zusammenhang mit Salomo auftaucht, ist die
Königin von Saba. Ihre Ankunft bei dem weisen Herrscher hat sich
Georg Friedrich Händel so vorgestellt. (0‟20)
Musik 4
M0250894 01-021 Arrival of the Queen of Sheba. Sinfonia zum 3. Akt
aus: Solomon Oratorium in 3 Akten, HWV 67 Academy of St. Martin-inthe-Fields, London; Brown, Iona Händel, Georg Friedrich Baroque
Orchestral Masterpieces 2008
AUDIO 2'55
Die Ankunft der Königin von Saba aus Georg Friedrich Händels
Oratorium „Solomon“ mit der Academy of St. Martin-in-the-Fields unter
der Leitung von Iona Brown.
Das antike Saba vermutet man zwar im Jemen, ob das Reich der
sagenumwobenen Königin tatsächlich auch dort oder in der Region um
Aksum in Äthiopien war, ist bis heute ebenso ungeklärt wie die Frage, ob
es für sie ein historisches Vorbild gibt. Im Alten Testament erfährt sie von
der Weisheit König Salomos und reist an seinen Hof in Jerusalem, um
das Gehörte zu überprüfen. Überwältigt von dem, was sie sieht, schenkt
sie ihm „hundertundzwanzig Zentner Gold und sehr viel Spezerei und
Edelsteine“.
Eine Geschichte wie im Märchen. Und eine Märchenwelt. Auf der einen
Seite ist Salomo, Israels dritter König, Regent an einem Hof von kaum
beschreibbarem Glanz, weitsichtig und weltoffen, weise und gerecht.
Und auf der anderen Seite die Königin von Saba, deren Heimat ein
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wichtiger Umschlagplatz im Handel zwischen Indien, Ostafrika und dem
östlichen Mittelmeerraum darstellt.
Die Königin von Saba ist eine legendäre Gestalt, einen Namen hat sie in
der Bibel nicht, im islamischen Kulturkreis dagegen heißt sie Belkis.
Manchmal ist auch die Rede von körperlicher Deformation in Form von
stark behaarten Beinen und einem Vogelfuß. Gräbt man sich durch die
jüdische, islamische und auch die christliche Mystik, erscheint sie mal als
Dämonin oder Prophetin, Friedensengel oder grausame Herrscherin,
Drachtöterin oder Inkarnation der Schönheit. In der Bibel mag sie nicht
glauben, was man von Salomos Ruhm und Reichtum erzählt. Vielleicht
wittert sie aber auch einen Konkurrenten im Gewürzhandel, der mehr
und mehr Einfluss gewinnt und die Karawanenrouten kontrolliert. Und so
rückt sie mit großem Gefolge in Jerusalem an, um sich selbst ein Bild zu
machen. Ihre Kamele sind schwer beladen mit Duftölen, Gold und
Edelsteinen, Handelsgüter aus ihrer Heimat. Sie wird sie dem König vor
ihrer Rückkehr zum Geschenk machen.(2‟05)
Musik 5
M0015607
01-003 Walzer, 2. Akt aus: La Reine de Saba. Oper in 4 Akten London
Symphony Orchestra; Bonynge, Richard Gounod, Charles Ballet Gala Ballettmusik aus Opern Studioproduktion AUDIO 4'39
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Das London Symphony Orchestra unter Richard Bonynge mit dem
Walzer aus Charles Gounods Oper „Die Königin von Saba“.
Neben ihren Kostbarkeiten hat die Königin von Saba aber auch eine
Reihe von Rätseln im Gepäck, denn sie will Salomos Wissen überprüfen.
Ist er wirklich so ein außergewöhnlicher Mensch? Solche Rätselfragen
sind schon in alten Zeiten ein beliebtes Gesellschaftsspiel mit Zügen
eines geistigen Wettkampfes. Doch Salomo bleibt keine Antwort
schuldig.
Nicht nur dies. Er zeigt dem Gast all seinen Reichtum, führt die Königin
durch seinen Palast, richtet ein opulentes Festmahl aus, bei dem Männer
in kostbaren Gewändern dienen, und führt sie in den Tempel, in dem er
seinem Gott Brandopfer darbringt. Die Königin ist außer sich vor
Staunen, ihr stockt der Atem. Alles, was ihr über Salomo zugetragen
worden war, wird übertroffen. Und sie räumt ein: “Nicht die Hälfte hat
man mir gesagt.” Die märchenhafte Pracht am Hofe verstellt ihr auch
nicht den Blick auf Gottes sichtbares Wohlgefallen, dem der König seine
Stellung verdankt.
Salomo ist nicht nur unvorstellbar reich und berühmt wegen seiner
sprichwörtlichen Weisheit. Er ist auch großzügig. Gewährt der Königin
“alles, was ihr gefällt und was sie erbittet”. Darüber, ob diese lockere
Formulierung auch ein Liebesverhältnis umschreibt, wird immer wieder
spekuliert. Sollte ein Mann, dem ein Liebesleben in großem Stil und ein
gewaltiger Harem mit 700 Haupt- und 300 Nebenfrauen zugeschrieben
wird, ausgerechnet eine exotische Schöne verschmähen? Aber die
Beziehung der beiden ist ihr Geheimnis und beflügelt allenfalls die
Fantasie – wie zum Beispiel die von Händel, in dessen Oratorium
„Solomon“ es ein wunderschönes Liebesduett von Salomo und der
Königin von Saba gibt.(1‟55)
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Musik 6
M0114856
01-011 (11) Thou fair inhabitant (Solomon) - Welcome as the dawn of
day (Solomon, Queen) aus: Solomon Oratorium in 3 Akten, HWV 67
Watkinson, Carolyn; Argenta, Nancy; English Baroque Soloists;
Gardiner, John Eliot Händel, Georg Friedrich Solomon, HWV 67 [GA]
Studioproduktion englisch AUDIO 3'58
Rezitativ und Duett von Salomo und der Königin von Saba aus Georg
Friedrich Händels Oratorium „Solomon“ mit Carolyn Watkinson, Nancy
Argente und den English Baroque Soloists unter der Leitung von John
Eliot Gardiner.
Eine weitere Geschichte, die immer wieder mit dem weisen Salomo in
Verbindung gebracht wird, ist die vom Salomonischen Urteil, das auch in
Lessings Drama „Nathan der Weise“ und in Brechts „Kaukasischem
Kreidekreis“ beschrieben wird.
Wie kam es zustande? Zwei Frauen erscheinen vor Salomos
Richterstuhl, beide haben vor kurzem ein Kind auf die Welt gebracht. Die
eine klagt die andere an, sie habe ihr neugeborenes Kind erdrückt und
dann der anderen im Schlaf das lebendige Kind genommen und dafür
das tote Kind hinterlegt. Und jede behauptet nun, das noch lebende Kind
sei das ihre. Guter Rat scheint da teuer zu sein, doch Salomo weiß sich
zu helfen. Ganz provokativ schlägt er vor, das Kind mit dem Schwert zu
zerteilen und jeder der beiden Frauen eine Hälfte zu geben. Er weiß,
dieses Urteil könnte die wahre Mutter nicht ertragen. Und dem ist auch
so. Lieber überlässt sie das Kind der anderen Frau, wohingegen die
andere auf der Zweiteilung besteht. Ein eindeutiger Beweis dafür, dass
Salomos Rechnung aufgeht.(1‟25)
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Musik 7
3377438
01-011 (9a) Obsecro mi domine. Rezitativ (Vera Mater) - aus: Judicium
Salomonis Agnew, Paul; Davies, Neal; Les Arts Florissants; Christie,
William Charpentier, Marc Antoine Judicium Salomonis
Studioproduktion lateinisch CD/Album 6'08
Ein Ausschnitt aus Marc Antoine Charpentiers geistlicher Historie „Das
Urteil Salomos“ mit Paul Agnew, Neal Davies und Les Arts Florissants
unter der Leitung von William Christie.
Salomo erweist sich aber nicht nur als gerechter Richter, er tritt auch als
Autor biblischer Schriften auf: das Buch der Sprichwörter, das Buch
Kohelet, das Hohelied und das Buch der Weisheit. In wieweit er
tatsächlich als Autor dieser Bücher in Frage kommt, lässt sich nur
schwer beantworten, auf jeden Fall dürfte er als Sammler fungiert haben,
der die unterschiedlichsten Texte zusammenfasst. Gerade das Hohelied
war und ist für Komponisten eine willkommene Quelle für Vertonungen.
Der hebräische Buchtitel lautet Schir ha-Schirim und bedeutet wörtlich
„Das Lied der Lieder“, in der lateinischen Vulgata heißt es Canticum
Canticorum. Die Bezeichnung „Hoheslied“ geht auf die Bibelübersetzung
Martin Luthers zurück, der das Buch „Das Hohelied Salomonis“ nannte.
Bei dem Hohenlied handelt es sich um eine Sammlung ursprünglich
selbstständiger Liebeslieder. Umstritten ist, ob die Lieder nach einem
übergreifenden Konzept angeordnet wurden. Drei Varianten sind
denkbar: das Hohelied als eine fortschreitende Geschichte, als Drama
oder als eher lose Zusammenstellung.
Im Hohenlied treten wechselweise ein Mann, eine Frau und eine Art
Chor als Sprecher auf. Der Mann wurde traditionell meist mit Salomo
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identifiziert, der Name der Frau wurde mit Sulamith wiedergegeben. Im
Mittelpunkt der Text stehen Liebe und Erotik: Mann und Frau besingen
abwechselnd ihre Liebe zueinander, ihr Verlangen und preisen die
Schönheit der geliebten Person. Auffällig ist die Tatsache, dass die
weibliche Protagonistin weitaus häufiger zu Wort kommt als ihr
männlicher Gegenpart. Die unzähligen Metaphern, die im Hohenlied
verwendet werden, stammen aus der Sprache und Kultur Israels,
Ägyptens und des Vorderen Orients: „Deine Lippen sind wie eine
scharlachfarbene Schnur, und dein Mund ist lieblich. Deine Schläfen sind
hinter deinem Schleier wie eine Scheibe vom Granatapfel.“ - um nur ein
Beispiel zu nennen.
Vertonungen dieser bildhaften und erotischen Texte gibt es ohne Zahl –
was soll ich Ihnen nun vorspielen? Am liebsten würde ich Ihnen eine
ganz moderne Fassung vorstellen von dem estnischen Komponisten
Toivo Tulev. 2005 hat er Abschnitte aus dem Hohenlied ausgewählt,
vertont und zu einem 8-teiligen Zyklus zusammengefasst – hier kommt
der letzte Abschnitt (2‟25)
Musik 8
M0232369
01-008 (8) Mira que la dolencia de amor aus: Songs. Für Singstimmen,
Chor und Orchester Kammerorchester Tallinn; Plaas, Kädy; Urb, Kaia;
Hillier, Paul Tulev, Toivo Songs 2008 Studioproduktion
englisch;spanisch;lateinisch AUDIO 4'25
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Der Estnische Philharmonische Kammerchor und das Kammerorchester
Tallin unter der Leitung von Paul Hillier mit dem letzten Stück aus Toivo
Tulevs Zyklus mit Texten aus dem Hohelied, komponiert 2005. Und
damit sind wir am Ende dieser Musikstundenwoche über die drei ersten
israelitischen Könige Saul, David und Salomo angelangt. Die
Musikstunden können Sie jeweils eine Woche lang auf unserer
Homepage nachhören, dort finden Sie auch die Musiklisten und die
Manuskripte. Selbstverständlich können sie die Musikstunden auch noch
als CD bestellen. Rufen Sie einfach bei der SWR Media GmbH an unter
der Telefonnummer 07221-92926030 (wdh.)
Am Mikrophon war Bettina Winkler – vielen Dank fürs Zuhören. Morgen
gibt es in der SWR2 Musikstunde wieder die Musikalische Monatsrevue
mit Lars Reichow, der auch in diesem Monat sicherlich wieder viel Stoff
für seine satirischen Betrachtungen gefunden hat. (0‟55)
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