Minimal invasiv – maximal gelungen

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Wissenschaft und Fortbildung
Minimal invasiv – maximal gelungen
Prothetische Versorgung einer Patientin mit hypokalzifizierter Amelogenesis imperfecta
E i n B e i t r a g v o n P r o f . D r. S e b a s t i a n H a h n e l , K l a u s F o c ke u n d P r o f . D r. M i c h a e l B e h r, R e g e n s b u r g
Amelogenesis imperfecta ist eine Entwicklungsstörung, die vornehmlich die Mineralisation der
Zahnhartgewebe betrifft. Aufgrund von erheblichen Beeinträchtigungen sowohl ästhetischer
als auch funktioneller Natur, die unter anderem
Hypersensibilitäten sowie eine erhöhte Abrasion
der natürlichen Zähne umfassen können, haben
betroffene Patienten ein besonderes Verlangen
nach einer dauerhaften und ästhetisch ansprechenden Rehabilitation.
Da es nur sehr wenig wissenschaftliche Evidenz
zum Überleben von adhäsiv zementierten Restaurationen bei Patienten mit Amelogenesis imperfecta gibt, ist das Ziel des vorliegenden Fallberichts,
exemplarisch die prothetische Rehabilitation einer
jungen Patientin mit hypokalzifizierter Amelogenesis imperfecta unter Verwendung von selbstadhäsiv zementierten Kronen aus Lithium-Disilikat-Keramik vorzustellen. Die Patientin wurde in
ein regelmäßiges Recall-Intervall eingebunden
und stellte sich im Verlauf regelmäßig zur Kontrolluntersuchung und Prophylaxe vor. Obwohl
der eingegliederte Zahnersatz eine in funktioneller und ästhetischer Hinsicht hervorragende Rehabilitation der Patientin ermöglichte, zeigten
sich im Verlauf der Beobachtungszeit wiederholt
Komplikationen, die mit der Verwendung von
selbstadhäsivem Zement assoziiert waren. Der
vorliegende Fall zeigt dabei deutlich, dass Patienten mit hypokalzifizierter Amelogenesis imperfecta ästhetisch hochansprechend mit vollkeramischem Zahnersatz versorgt werden können.
Selbstadhäsive Zemente sollten dabei allerdings
nur unter Vorbehalt Anwendung finden.
Amelogenesis imperfecta wird durch eine Mutation oder veränderte Expression der Gene Amelogenin, Kallikrein-4 oder FAM83H ausgelöst und
betrifft vor allem den Zahnschmelz [8]. Die Prävalenz der Amelogenesis imperfecta wird auf weniger
als 0,5 Prozent geschätzt [8], wobei sie von Land
zu Land unterschiedlich zu sein scheint [1,2,16].
Bis dato wurden zahlreiche Einteilungen der Amelogenesis imperfecta vorgestellt, die sich nach dem
Modus der Vererbung, molekularen Defekten, bio-
Abb. 1: Ausgangssituation von frontal: Es besteht ein Missverhältnis zwischen
Länge und Breite der Inzisiven und es sind deutliche Abrasionen der Schmelzflächen sichtbar.
chemischen Sachverhalten oder nach dem Erscheinungsbild des Zahnschmelzes differenzieren [4].
Für den Praktiker ist vor allem die Einteilung nach
dem Erscheinungsbild des Zahnschmelzes von Bedeutung, welche einen hypoplastischen (Typ I),
einen hypomaturierten (Typ II), einen hypokalzifizierten (Typ III) und einen hybriden Typ mit
Anzeichen von hypomaturiertem und hypokalzifiziertem Schmelz sowie Taurodontismus (Typ IV)
unterscheidet.
Bei Vorliegen einer Amelogenesis imperfecta vom
hypoplastischen Typ ist die Dicke des Zahnschmelzes reduziert. Allerdings ist seine Härte nicht beeinträchtigt und der Schmelz kann im Röntgenbild
vom Dentin differenziert werden. Dahingegen ist
beim hypomaturierten Typ der Amelogenesis imperfecta die Dicke des Zahnschmelzes im physiologischen Rahmen, wobei seine Härte geringer
ist als bei gesundem Zahnschmelz und er häufig
fleckig erscheint. In diesem Fall ist auch keine
radiologische Differenzierung des Schmelzes vom
Dentin möglich. Der hypokalzifizierte Typ einer
Amelogenesis imperfecta zeichnet sich durch eine
physiologische Dicke des Zahnschmelzes aus, der
allerdings aufgrund verringerter Kalzifikation einer erhöhten Abrasion unterliegt. Im Röntgenbild
erscheint der Zahnschmelz etwas weniger radioopak als das Dentin [8].
Die mit der Amelogenesis imperfecta einhergehenden psychischen und sozialen Beeinträchtigungen
für die jungen Patienten sind erheblich [3], weswegen eine ästhetische Rehabilitation essenziell ist
[11]. Obwohl im Laufe der Zeit eine Vielzahl von
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Fallberichten zur zahnärztlichen Versorgung von
Patienten mit Amelogenesis imperfecta publiziert
worden ist, gibt es nur sehr wenige prospektive
oder retrospektive wissenschaftliche Studien, was
die Auswahl einer optimalen Behandlungsstrategie
erschwert [5]. Gerade, was die definitive prothetische Rehabilitation von Patienten mit Amelogenesis imperfecta betrifft, zeigen etliche in den vergangenen Jahren publizierte Fallberichte, dass in zunehmendem Maße vollkeramische Versorgungen
verwendet werden [9,14]. Es gibt jedoch nur sehr
wenig wissenschaftliche Evidenz darüber, wie sich
diese Versorgungen über einen längeren Zeitraum
verhalten oder welche Rolle die Art der Zementierung (konventionell versus adhäsiv) spielt. Ziel des
vorliegenden Fallberichts ist es daher, exemplarisch die definitive vollkeramische Rehabilitation
einer 24-jährigen Patientin mit hypokalzifizierter
Amelogenesis imperfecta mit vollkeramischem und
selbstadhäsiv zementiertem Zahnersatz aus LithiumDisilikat-Keramik vorzustellen und die während der
Beobachtungszeit von zwei Jahren aufgetretenen
Probleme zu beschreiben.
Falldarstellung
Anamnese
Die 24-jährige Patientin stellte sich im Februar
2013 an der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik des Universitätsklinikums Regensburg vor. Sie
befand sich in einem hervorragenden körperlichen Allgemeinzustand. Die Diagnose Amelogenesis imperfecta war von einem Zahnarzt gestellt worden. Der ältere Bruder der Patientin litt
ebenfalls an Amelogenesis imperfecta sowie an
einem anterior offenen Biss und war zuvor erfolgreich in der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik
des Universitätsklinikums Regensburg behandelt
worden. Im vorliegenden Fall lag ebenfalls ein
anteriorer Biss vor, der alio loco durch eine monomaxilläre Umstellungsosteotomie im Unterkiefer
behandelt worden war. Die Patientin gab ausgeprägte Hypersensibilitäten beim Konsum von
kalten, warmen, süßen und sauren Speisen sowie
Flüssigkeiten an. Ferner war sie unglücklich mit
ihrem Erscheinungsbild.
Extraoraler Befund
Extraoral zeigte sich ein stark verlängertes mittleres Gesichtsdrittel, das sich klinisch unter anderem in einer Tendenz zum Gummy Smile äußerte.
Es bestanden keine Asymmetrien; Zahn- und Gesichtsmitte stimmten überein.
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Abb. 2: Die Ausgangssituation im Oberkiefer zeigt in der Aufsicht
deutliche Abrasionen der Schmelzflächen und eine geringe Höhe
der klinischen Kronen insbesondere im posterioren Bereich.
Abb. 3: Die Ausgangssituation im Unterkiefer zeigt in der Aufsicht
deutliche Abrasionen der Schmelzflächen sowie eine geringe Höhe
der klinischen Kronen und insuffiziente Restaurationen aus Komposit
insbesondere im posterioren Bereich.
Intraoraler Befund
Alle Zähne mit Ausnahme der Weisheitszähne im
Ober- und Unterkiefer sowie der Zähne 17 und 27
waren vorhanden, wobei der klinische Befund dem
typischen Bild einer Amelogenesis imperfecta vom
hypokalzifizierten Typ (III) entsprach. Die Zähne im
Ober- und Unterkiefer zeigten deutliche Abrasionsspuren. Dies ging mit einem ästhetisch ungünstigen
Längen- und Breitenverhältnis der mittleren und
seitlichen Inzisiven (Abb. 1 bis 3) sowie einer abnehmenden vertikalen Kieferrelation einher.
In habitueller Okklusion befand sich der Zahn 47
nahezu in direktem Kontakt mit der Gingiva des
Tubers im Oberkiefer (Abb. 4). Die klinische Höhe
der Prämolaren und Molaren war gering und betrug in den approximalen Regionen der Zähne
etwa 3 mm. Einige Zähne waren mit direkten Restaurationen aus Komposit zum Teil insuffizient versorgt. Alle Zähne zeigten eine positive Reaktion im
Vitalitätstest, kein Zahn war perkussionsempfindlich. Die Mundhygiene der Patientin war hervorragend. Es zeigten sich keine Zeichen von gingivalen
oder parodontalen Entzündungen.
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Abb. 4: Ausgangssituation von lateral (rechts): Die klinischen Kronen weisen nur eine geringe Höhe auf, insbesondere im posterioren Bereich.
Abb. 5: Orthopantomogramm vor der prothetischen Behandlung:
Es ist keine Differenzierung zwischen Schmelz und Dentin möglich.
Zahn 17 wurde vor Beginn der Behandlung entfernt.
Radiologischer Befund
Das Orthopantomogramm (Abb. 5) zeigte regelrecht entwickelte Pulpencaven und grazile Wurzeln.
Eine Differenzierung zwischen Schmelz und Dentin
war im Röntgenbild kaum möglich, was auch dem
radiologischen Bild einer Amelogenesis imperfecta
vom hypokalzifizierten Typ entspricht.
Verwendung der Mock-up-Schiene als Referenz wurden alle Zähne anschließend gemäß den einschlägigen Richtlinien für vollkeramische Restaurationen zur Aufnahme von Einzelkronen präpariert.
Dabei wurde auf einen möglichst geringen Substanzabtrag geachtet und mittels Gingivektomie und
minimalinvasiver Kronenverlängerungen eine vertikale Stumpfhöhe von wenigstens vier Millimetern
erreicht. Die im Wax-up eingestellte Kieferrelation
wurde schließlich unter Verwendung der tiefgezogenen Schienen in die provisorische Versorgung aus
bis-acrylatbasiertem Kunststoff übertragen. Nachdem Okklusion und Laterotrusion überprüft worden waren, wurde das Provisorium poliert und mit
temporärem Zement befestigt (Abb. 7).
Nach einer Tragedauer von sechs Wochen, in denen keine funktionellen Beeinträchtigungen der
Patientin auftraten, wurden Retraktionsfäden gelegt und die Zähne im Ober- und Unterkiefer mittels
Korrekturabformtechnik unter Verwendung eines
additionsvernetzenden Silikonmaterials abgeformt.
Die zentrische Kieferrelation, die mit den provisorischen Versorgungen eingestellt worden war, wurde
mit Schlüsseln aus einem temporären Kronen- und
Brückenmaterial übertragen. Im zahntechnischen
Labor erfolgte die Anfertigung von verblendeten
Einzelkronen aus Lithium-Disilikat-Keramik gemäß
Herstellerangaben mit einer minimalen okklusa-
Zahnärztliche Behandlung
Die Behandlungsziele wurden gemeinsam mit der
Patientin definiert. Ziel war es, sowohl die Funktion
als auch das ästhetische Erscheinungsbild zu optimieren und die Hypersensibilitäten zu verringern.
Trotz des verlängerten mittleren Gesichtsdrittels
lehnte sie weitere kieferorthopädische beziehungsweise kieferchirurgische Eingriffe strikt ab.
Zu Beginn der Behandlung wurden Situationsabformungen des Ober- und Unterkiefers aus Alginat
genommen. Nach der arbiträren Scharnierachsenbestimmung und der zentrischen Registrierung
wurden die Modelle im zahntechnischen Labor artikuliert und Wax-ups zur Simulation des Behandlungsergebnisses hergestellt (Abb. 6). Darüber hinaus wurden transparente tiefgezogene Schienen
angefertigt, die zur Anprobe eines direkten Mockups mit einem temporären Kronen- und Brückenkunststoff angewendet wurden.
Im Konsens zwischen Patientin, Zahntechniker und
Zahnarzt wurde beschlossen, zur funktionellen und
ästhetischen Rehabilitation vollkeramische Kronen
aus Lithium-Disilikat-Keramik zu verwenden. Um die
Adaptation der Patientin an die neue vertikale und
horizontale Kieferrelation zu überprüfen, wurde eine
adjustierte Aufbissschiene eingegliedert. Nach einem
Zeitraum von acht Wochen zeigten sich keine funktionellen Beeinträchtigungen. Deshalb wurden nach
dem Entfernen der alten Restauration und der Exkavation neue adhäsive Aufbaufüllungen unter Verwendung eines selbstätzenden Adhäsivsystems und
eines dualhärtenden Komposits hergestellt. Unter
Abb. 6: Wax-ups des Ober- und Unterkiefers im Artikulator
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Abb. 7: Situation nach Eingliederung der provisorischen Versorgungen: Aufgrund der geringen Schichtstärke der provisorischen Versorgungen zeigt sich
ein deutliches Durchscheinen des temporären Zements.
Abb. 9: Die klinische Situation im Oberkiefer ...
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Abb. 8: Die klinische Situation zwei Wochen nach Eingliederung der vollkeramischen Versorgungen zeigt keine Zeichen von gingivalen Entzündungen.
Abb. 10: ... und im Unterkiefer zwei Wochen nach
Eingliederung der vollkeramischen Versorgungen
len Dicke von 1,5 mm und einer minimalen zervikalen Dicke von 1 mm. Um einen antagonistischen
Kontakt in regio der fehlenden Zähne 17 und 27 zu
schaffen, wurden die Kronen an den Zähnen 16 und
26 mit zierlichen Anhängegliedern versehen.
Nachdem die Passung mittels Innenabformung
kontrolliert und Funktion sowie Ästhetik überprüft
worden waren, wurden die Kronen gemäß Herstellerangaben mit Flusssäure angeätzt, mit Haftvermittler konditioniert und mit einem selbstadhäsiven Komposit definitiv zementiert und versäubert.
Es konnte ein in funktioneller und ästhetischer Hinsicht sehr zufriedenstellendes Ergebnis erzielt werden (Abb. 8 bis 11). Die Patientin wurde hinsichtlich
der notwendigen Mundhygienemaßnahmen instruiert und in ein Recall-Programm aufgenommen. In
diesem Rahmen wurde eine regelmäßige Vorstellung
der Patientin nach sechs Monaten vereinbart.
Im Verlauf der zweijährigen Beobachtungszeit zeigten sich keinerlei endodontische oder parodontale
Komplikationen. An sechs Zähnen lösten sich die
Kronen. Diese wurden nach entsprechender Vorbehandlung mit einem Kompositzement mit selbstätzendem Primer wieder befestigt. Am Zahn 46 zeigte
die dezementierte Krone eine Infraktur. Aus diesem
Grund wurde für diesen Zahn nach Abformung und
obigem Protokoll eine neue Krone aus Lithium-Disilikat-Keramik hergestellt und gemäß Protokoll ze-
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Abb. 11: Lachende Patientin zwei Wochen nach
Eingliederung der vollkeramischen Versorgungen
mentiert. Nach einem Zeitraum von zwei Jahren
zeigte sich ein in funktioneller und ästhetischer Hinsicht noch immer exzellenter Befund (Abb. 12).
Diskussion
Im Rahmen der Limitationen eines Fallberichts
konnte aufgezeigt werden, dass Patienten mit Amelogenesis imperfecta erfolgreich und ästhetisch ansprechend mit vollkeramischem Zahnersatz aus Lithium-Disilikat-Keramik versorgt werden können.
Mit Ausnahme von zahlreichen Fallberichten existieren nach Kenntnis der Autoren lediglich drei
wissenschaftliche Arbeiten, die die prothetischen
Versorgungen bei Patienten mit Amelogenesis imperfecta systematisch auf retrospektiver Basis untersucht haben. So konnten Lindunger und Svedberg nach einer mittleren Beobachtungszeit von
Abb. 12: Klinische Situation von frontal zwei Jahre nach Eingliederung der vollkeramischen Versorgungen
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60 Monaten zeigen, dass von 213 bei 15 Patienten
mit Amelogenesis imperfecta eingegliederten Versorgungen neun Prozent ersetzt werden mussten.
Die Autoren schlussfolgerten aus diesen Daten,
dass technische und biologische Komplikationen
bei Patienten mit Amelogenesis imperfecta nicht
häufiger auftreten als bei Patienten mit gesunder
Zahnhartsubstanz [11]. Ähnliche Daten wurden
ferner von einer Arbeitsgruppe aus der Schweiz
publiziert, die auf einer retrospektiven Basis Komplikationen und Versagenshäufigkeit von 92 Kronen bei einem Kollektiv von fünf Patienten mit
Amelogenesis oder Dentinogenesis imperfecta untersuchte [10].
Die umfassendste wissenschaftliche Studie zur
Überlebensrate von prothetischen Versorgungen
bei Patienten mit Amelogenesis imperfecta wurde
erst kürzlich von einer schwedischen Arbeitsgruppe publiziert. Diese umfasste 297 vollkeramische
Kronen aus Procera (verblendetes Zirkonoxid) und
IPS e.max sowie Kronen, Veneers und Teilkronen
aus IPS Empress. Die Autoren konnten zeigen, dass
vollkeramische Restaurationen eine signifikant
höhere Überlebensrate aufwiesen als Versorgungen mit Komposit. Ferner zeigten Versorgungen
aus IPS Empress eine signifikant niedrigere Überlebensrate als Restaurationen aus Procera oder IPS
e.max [12]. Diese Erhebungen legen nahe, dass
hochästhetische vollkeramische Versorgungen aus
Lithium-Disilikat-Keramik eine valide Therapieoption bei Patienten mit Amelogenesis imperfecta
darstellen können.
Im vorliegenden Fall zeigte sich während der zweijährigen Beobachtungszeit eine Infraktur einer vollkeramischen Krone. Neben Werkstoff-assoziierten
Parametern könnte dieses Versagen auch auf die
zeitgleich aufgetretene Dezementierung der Krone
zurückgeführt werden. Bei den übrigen Kronen
konnten klinisch keinerlei Infrakturen nachgewiesen werden, was der in vielen klinischen Studien
beschriebenen hohen Überlebensrate von vollkeramischen Restaurationen aus Lithium-Disilikat-Keramik entspricht [6,7,15].
Seit einigen Jahren werden bei Patienten mit Amelogenesis imperfecta in zunehmendem Maße partielle Präparationsdesigns angewendet, um die
Zahnhartsubstanz im Sinne eines minimalinvasiven Behandlungsansatzes zu schonen [14]. Im vorliegenden Fall einer hypokalzifizierten Amelogenesis imperfecta wurden jedoch klassische vollkeramische Kronen verwendet, um die von der Patientin
beklagten Hypersensibilitäten zu minimieren und
ungeschützte Schmelzareale vor weiterem Substanzverlust zu schützen. Allerdings wurden im Sinne
eines minimalinvasiven Behandlungskonzepts der
Substanzabtrag bei der Präparation minimiert und
die Schichtstärke der keramischen Restaurationen
auf das vom Hersteller vorgegebene Mindestmaß
reduziert.
Nach Kenntnis der Autoren wurde der Rolle des
zur Befestigung von Kronen verwendeten Zements bei Patienten mit Amelogenesis imperfecta
bis dato nur wenig Beachtung geschenkt. Bei gesunder Zahnhartsubstanz zeigte sich in klinischen
Studien kein Einfluss des Zements (konventionell
versus adhäsiv) auf die Überlebensrate oder das
Auftreten von Komplikationen wie Dezementierungen bei vollkeramischen Restaurationen aus
Lithium-Disilikat-Keramik [7]. Im vorliegenden
Fall wurden alle Kronen vor dem Zementieren mit
selbstadhäsivem Zement gemäß Herstellerangaben mit Flusssäure und Haftvermittler vorbehandelt. Die minimale Stumpfhöhe befand sich mit
vier Millimetern innerhalb der Richtlinien, für die
der Hersteller die Wahl zwischen adhäsiver und
konventioneller Zementierung freistellt.
Nichtsdestoweniger wurden im vorliegenden Fall
im Laufe der zweijährigen Beobachtungszeit wiederholt Dezementierungen beobachtet, wobei das
Versagen in allen Fällen an der Grenzfläche zwischen Zahnstumpf und Zement auftrat. In diesem
Kontext wurde berichtet, dass das Dentin bei Patienten mit hypokalzifizierter Amelogenesis imperfecta eine Sklerosierung der Tubuli und eine Verdickung des peritubulären Dentins aufweist [13],
was eine mögliche Erklärung für die im vorliegenden Fall aufgetretenen Komplikationen darstellen
könnte und nahelegt, dass selbstadhäsive Zemente
zur Befestigung von Restaurationen bei Patienten
mit hypokalzifizierter Amelogenesis imperfecta
nur zurückhaltend Anwendung finden sollten. Zur
endgültigen Klärung des Sachverhalts wären aus
diesen Gründen Laborstudien zur Untersuchung
der Performance von verschiedenen zahnärztlichen Zementen bei Zähnen von Patienten mit Entwicklungsstörungen wünschenswert.
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. Sebastian Hahnel
Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik
Universitätsklinikum Regensburg
Franz-Josef-Strauß-Allee 11
93042 Regensburg
[email protected]
Literatur bei den Verfassern
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