50 | BZB Dezember 16 | Wissenschaft und Fortbildung Minimal invasiv – maximal gelungen Prothetische Versorgung einer Patientin mit hypokalzifizierter Amelogenesis imperfecta E i n B e i t r a g v o n P r o f . D r. S e b a s t i a n H a h n e l , K l a u s F o c ke u n d P r o f . D r. M i c h a e l B e h r, R e g e n s b u r g Amelogenesis imperfecta ist eine Entwicklungsstörung, die vornehmlich die Mineralisation der Zahnhartgewebe betrifft. Aufgrund von erheblichen Beeinträchtigungen sowohl ästhetischer als auch funktioneller Natur, die unter anderem Hypersensibilitäten sowie eine erhöhte Abrasion der natürlichen Zähne umfassen können, haben betroffene Patienten ein besonderes Verlangen nach einer dauerhaften und ästhetisch ansprechenden Rehabilitation. Da es nur sehr wenig wissenschaftliche Evidenz zum Überleben von adhäsiv zementierten Restaurationen bei Patienten mit Amelogenesis imperfecta gibt, ist das Ziel des vorliegenden Fallberichts, exemplarisch die prothetische Rehabilitation einer jungen Patientin mit hypokalzifizierter Amelogenesis imperfecta unter Verwendung von selbstadhäsiv zementierten Kronen aus Lithium-Disilikat-Keramik vorzustellen. Die Patientin wurde in ein regelmäßiges Recall-Intervall eingebunden und stellte sich im Verlauf regelmäßig zur Kontrolluntersuchung und Prophylaxe vor. Obwohl der eingegliederte Zahnersatz eine in funktioneller und ästhetischer Hinsicht hervorragende Rehabilitation der Patientin ermöglichte, zeigten sich im Verlauf der Beobachtungszeit wiederholt Komplikationen, die mit der Verwendung von selbstadhäsivem Zement assoziiert waren. Der vorliegende Fall zeigt dabei deutlich, dass Patienten mit hypokalzifizierter Amelogenesis imperfecta ästhetisch hochansprechend mit vollkeramischem Zahnersatz versorgt werden können. Selbstadhäsive Zemente sollten dabei allerdings nur unter Vorbehalt Anwendung finden. Amelogenesis imperfecta wird durch eine Mutation oder veränderte Expression der Gene Amelogenin, Kallikrein-4 oder FAM83H ausgelöst und betrifft vor allem den Zahnschmelz [8]. Die Prävalenz der Amelogenesis imperfecta wird auf weniger als 0,5 Prozent geschätzt [8], wobei sie von Land zu Land unterschiedlich zu sein scheint [1,2,16]. Bis dato wurden zahlreiche Einteilungen der Amelogenesis imperfecta vorgestellt, die sich nach dem Modus der Vererbung, molekularen Defekten, bio- Abb. 1: Ausgangssituation von frontal: Es besteht ein Missverhältnis zwischen Länge und Breite der Inzisiven und es sind deutliche Abrasionen der Schmelzflächen sichtbar. chemischen Sachverhalten oder nach dem Erscheinungsbild des Zahnschmelzes differenzieren [4]. Für den Praktiker ist vor allem die Einteilung nach dem Erscheinungsbild des Zahnschmelzes von Bedeutung, welche einen hypoplastischen (Typ I), einen hypomaturierten (Typ II), einen hypokalzifizierten (Typ III) und einen hybriden Typ mit Anzeichen von hypomaturiertem und hypokalzifiziertem Schmelz sowie Taurodontismus (Typ IV) unterscheidet. Bei Vorliegen einer Amelogenesis imperfecta vom hypoplastischen Typ ist die Dicke des Zahnschmelzes reduziert. Allerdings ist seine Härte nicht beeinträchtigt und der Schmelz kann im Röntgenbild vom Dentin differenziert werden. Dahingegen ist beim hypomaturierten Typ der Amelogenesis imperfecta die Dicke des Zahnschmelzes im physiologischen Rahmen, wobei seine Härte geringer ist als bei gesundem Zahnschmelz und er häufig fleckig erscheint. In diesem Fall ist auch keine radiologische Differenzierung des Schmelzes vom Dentin möglich. Der hypokalzifizierte Typ einer Amelogenesis imperfecta zeichnet sich durch eine physiologische Dicke des Zahnschmelzes aus, der allerdings aufgrund verringerter Kalzifikation einer erhöhten Abrasion unterliegt. Im Röntgenbild erscheint der Zahnschmelz etwas weniger radioopak als das Dentin [8]. Die mit der Amelogenesis imperfecta einhergehenden psychischen und sozialen Beeinträchtigungen für die jungen Patienten sind erheblich [3], weswegen eine ästhetische Rehabilitation essenziell ist [11]. Obwohl im Laufe der Zeit eine Vielzahl von Wissenschaft und Fortbildung Fallberichten zur zahnärztlichen Versorgung von Patienten mit Amelogenesis imperfecta publiziert worden ist, gibt es nur sehr wenige prospektive oder retrospektive wissenschaftliche Studien, was die Auswahl einer optimalen Behandlungsstrategie erschwert [5]. Gerade, was die definitive prothetische Rehabilitation von Patienten mit Amelogenesis imperfecta betrifft, zeigen etliche in den vergangenen Jahren publizierte Fallberichte, dass in zunehmendem Maße vollkeramische Versorgungen verwendet werden [9,14]. Es gibt jedoch nur sehr wenig wissenschaftliche Evidenz darüber, wie sich diese Versorgungen über einen längeren Zeitraum verhalten oder welche Rolle die Art der Zementierung (konventionell versus adhäsiv) spielt. Ziel des vorliegenden Fallberichts ist es daher, exemplarisch die definitive vollkeramische Rehabilitation einer 24-jährigen Patientin mit hypokalzifizierter Amelogenesis imperfecta mit vollkeramischem und selbstadhäsiv zementiertem Zahnersatz aus LithiumDisilikat-Keramik vorzustellen und die während der Beobachtungszeit von zwei Jahren aufgetretenen Probleme zu beschreiben. Falldarstellung Anamnese Die 24-jährige Patientin stellte sich im Februar 2013 an der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik des Universitätsklinikums Regensburg vor. Sie befand sich in einem hervorragenden körperlichen Allgemeinzustand. Die Diagnose Amelogenesis imperfecta war von einem Zahnarzt gestellt worden. Der ältere Bruder der Patientin litt ebenfalls an Amelogenesis imperfecta sowie an einem anterior offenen Biss und war zuvor erfolgreich in der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik des Universitätsklinikums Regensburg behandelt worden. Im vorliegenden Fall lag ebenfalls ein anteriorer Biss vor, der alio loco durch eine monomaxilläre Umstellungsosteotomie im Unterkiefer behandelt worden war. Die Patientin gab ausgeprägte Hypersensibilitäten beim Konsum von kalten, warmen, süßen und sauren Speisen sowie Flüssigkeiten an. Ferner war sie unglücklich mit ihrem Erscheinungsbild. Extraoraler Befund Extraoral zeigte sich ein stark verlängertes mittleres Gesichtsdrittel, das sich klinisch unter anderem in einer Tendenz zum Gummy Smile äußerte. Es bestanden keine Asymmetrien; Zahn- und Gesichtsmitte stimmten überein. | BZB Dezember 16 Abb. 2: Die Ausgangssituation im Oberkiefer zeigt in der Aufsicht deutliche Abrasionen der Schmelzflächen und eine geringe Höhe der klinischen Kronen insbesondere im posterioren Bereich. Abb. 3: Die Ausgangssituation im Unterkiefer zeigt in der Aufsicht deutliche Abrasionen der Schmelzflächen sowie eine geringe Höhe der klinischen Kronen und insuffiziente Restaurationen aus Komposit insbesondere im posterioren Bereich. Intraoraler Befund Alle Zähne mit Ausnahme der Weisheitszähne im Ober- und Unterkiefer sowie der Zähne 17 und 27 waren vorhanden, wobei der klinische Befund dem typischen Bild einer Amelogenesis imperfecta vom hypokalzifizierten Typ (III) entsprach. Die Zähne im Ober- und Unterkiefer zeigten deutliche Abrasionsspuren. Dies ging mit einem ästhetisch ungünstigen Längen- und Breitenverhältnis der mittleren und seitlichen Inzisiven (Abb. 1 bis 3) sowie einer abnehmenden vertikalen Kieferrelation einher. In habitueller Okklusion befand sich der Zahn 47 nahezu in direktem Kontakt mit der Gingiva des Tubers im Oberkiefer (Abb. 4). Die klinische Höhe der Prämolaren und Molaren war gering und betrug in den approximalen Regionen der Zähne etwa 3 mm. Einige Zähne waren mit direkten Restaurationen aus Komposit zum Teil insuffizient versorgt. Alle Zähne zeigten eine positive Reaktion im Vitalitätstest, kein Zahn war perkussionsempfindlich. Die Mundhygiene der Patientin war hervorragend. Es zeigten sich keine Zeichen von gingivalen oder parodontalen Entzündungen. | 51 52 | BZB Dezember 16 | Wissenschaft und Fortbildung Abb. 4: Ausgangssituation von lateral (rechts): Die klinischen Kronen weisen nur eine geringe Höhe auf, insbesondere im posterioren Bereich. Abb. 5: Orthopantomogramm vor der prothetischen Behandlung: Es ist keine Differenzierung zwischen Schmelz und Dentin möglich. Zahn 17 wurde vor Beginn der Behandlung entfernt. Radiologischer Befund Das Orthopantomogramm (Abb. 5) zeigte regelrecht entwickelte Pulpencaven und grazile Wurzeln. Eine Differenzierung zwischen Schmelz und Dentin war im Röntgenbild kaum möglich, was auch dem radiologischen Bild einer Amelogenesis imperfecta vom hypokalzifizierten Typ entspricht. Verwendung der Mock-up-Schiene als Referenz wurden alle Zähne anschließend gemäß den einschlägigen Richtlinien für vollkeramische Restaurationen zur Aufnahme von Einzelkronen präpariert. Dabei wurde auf einen möglichst geringen Substanzabtrag geachtet und mittels Gingivektomie und minimalinvasiver Kronenverlängerungen eine vertikale Stumpfhöhe von wenigstens vier Millimetern erreicht. Die im Wax-up eingestellte Kieferrelation wurde schließlich unter Verwendung der tiefgezogenen Schienen in die provisorische Versorgung aus bis-acrylatbasiertem Kunststoff übertragen. Nachdem Okklusion und Laterotrusion überprüft worden waren, wurde das Provisorium poliert und mit temporärem Zement befestigt (Abb. 7). Nach einer Tragedauer von sechs Wochen, in denen keine funktionellen Beeinträchtigungen der Patientin auftraten, wurden Retraktionsfäden gelegt und die Zähne im Ober- und Unterkiefer mittels Korrekturabformtechnik unter Verwendung eines additionsvernetzenden Silikonmaterials abgeformt. Die zentrische Kieferrelation, die mit den provisorischen Versorgungen eingestellt worden war, wurde mit Schlüsseln aus einem temporären Kronen- und Brückenmaterial übertragen. Im zahntechnischen Labor erfolgte die Anfertigung von verblendeten Einzelkronen aus Lithium-Disilikat-Keramik gemäß Herstellerangaben mit einer minimalen okklusa- Zahnärztliche Behandlung Die Behandlungsziele wurden gemeinsam mit der Patientin definiert. Ziel war es, sowohl die Funktion als auch das ästhetische Erscheinungsbild zu optimieren und die Hypersensibilitäten zu verringern. Trotz des verlängerten mittleren Gesichtsdrittels lehnte sie weitere kieferorthopädische beziehungsweise kieferchirurgische Eingriffe strikt ab. Zu Beginn der Behandlung wurden Situationsabformungen des Ober- und Unterkiefers aus Alginat genommen. Nach der arbiträren Scharnierachsenbestimmung und der zentrischen Registrierung wurden die Modelle im zahntechnischen Labor artikuliert und Wax-ups zur Simulation des Behandlungsergebnisses hergestellt (Abb. 6). Darüber hinaus wurden transparente tiefgezogene Schienen angefertigt, die zur Anprobe eines direkten Mockups mit einem temporären Kronen- und Brückenkunststoff angewendet wurden. Im Konsens zwischen Patientin, Zahntechniker und Zahnarzt wurde beschlossen, zur funktionellen und ästhetischen Rehabilitation vollkeramische Kronen aus Lithium-Disilikat-Keramik zu verwenden. Um die Adaptation der Patientin an die neue vertikale und horizontale Kieferrelation zu überprüfen, wurde eine adjustierte Aufbissschiene eingegliedert. Nach einem Zeitraum von acht Wochen zeigten sich keine funktionellen Beeinträchtigungen. Deshalb wurden nach dem Entfernen der alten Restauration und der Exkavation neue adhäsive Aufbaufüllungen unter Verwendung eines selbstätzenden Adhäsivsystems und eines dualhärtenden Komposits hergestellt. Unter Abb. 6: Wax-ups des Ober- und Unterkiefers im Artikulator Wissenschaft und Fortbildung Abb. 7: Situation nach Eingliederung der provisorischen Versorgungen: Aufgrund der geringen Schichtstärke der provisorischen Versorgungen zeigt sich ein deutliches Durchscheinen des temporären Zements. Abb. 9: Die klinische Situation im Oberkiefer ... BZB Dezember 16 | Abb. 8: Die klinische Situation zwei Wochen nach Eingliederung der vollkeramischen Versorgungen zeigt keine Zeichen von gingivalen Entzündungen. Abb. 10: ... und im Unterkiefer zwei Wochen nach Eingliederung der vollkeramischen Versorgungen len Dicke von 1,5 mm und einer minimalen zervikalen Dicke von 1 mm. Um einen antagonistischen Kontakt in regio der fehlenden Zähne 17 und 27 zu schaffen, wurden die Kronen an den Zähnen 16 und 26 mit zierlichen Anhängegliedern versehen. Nachdem die Passung mittels Innenabformung kontrolliert und Funktion sowie Ästhetik überprüft worden waren, wurden die Kronen gemäß Herstellerangaben mit Flusssäure angeätzt, mit Haftvermittler konditioniert und mit einem selbstadhäsiven Komposit definitiv zementiert und versäubert. Es konnte ein in funktioneller und ästhetischer Hinsicht sehr zufriedenstellendes Ergebnis erzielt werden (Abb. 8 bis 11). Die Patientin wurde hinsichtlich der notwendigen Mundhygienemaßnahmen instruiert und in ein Recall-Programm aufgenommen. In diesem Rahmen wurde eine regelmäßige Vorstellung der Patientin nach sechs Monaten vereinbart. Im Verlauf der zweijährigen Beobachtungszeit zeigten sich keinerlei endodontische oder parodontale Komplikationen. An sechs Zähnen lösten sich die Kronen. Diese wurden nach entsprechender Vorbehandlung mit einem Kompositzement mit selbstätzendem Primer wieder befestigt. Am Zahn 46 zeigte die dezementierte Krone eine Infraktur. Aus diesem Grund wurde für diesen Zahn nach Abformung und obigem Protokoll eine neue Krone aus Lithium-Disilikat-Keramik hergestellt und gemäß Protokoll ze- | Abb. 11: Lachende Patientin zwei Wochen nach Eingliederung der vollkeramischen Versorgungen mentiert. Nach einem Zeitraum von zwei Jahren zeigte sich ein in funktioneller und ästhetischer Hinsicht noch immer exzellenter Befund (Abb. 12). Diskussion Im Rahmen der Limitationen eines Fallberichts konnte aufgezeigt werden, dass Patienten mit Amelogenesis imperfecta erfolgreich und ästhetisch ansprechend mit vollkeramischem Zahnersatz aus Lithium-Disilikat-Keramik versorgt werden können. Mit Ausnahme von zahlreichen Fallberichten existieren nach Kenntnis der Autoren lediglich drei wissenschaftliche Arbeiten, die die prothetischen Versorgungen bei Patienten mit Amelogenesis imperfecta systematisch auf retrospektiver Basis untersucht haben. So konnten Lindunger und Svedberg nach einer mittleren Beobachtungszeit von Abb. 12: Klinische Situation von frontal zwei Jahre nach Eingliederung der vollkeramischen Versorgungen 53 54 | BZB Dezember 16 | Wissenschaft und Fortbildung 60 Monaten zeigen, dass von 213 bei 15 Patienten mit Amelogenesis imperfecta eingegliederten Versorgungen neun Prozent ersetzt werden mussten. Die Autoren schlussfolgerten aus diesen Daten, dass technische und biologische Komplikationen bei Patienten mit Amelogenesis imperfecta nicht häufiger auftreten als bei Patienten mit gesunder Zahnhartsubstanz [11]. Ähnliche Daten wurden ferner von einer Arbeitsgruppe aus der Schweiz publiziert, die auf einer retrospektiven Basis Komplikationen und Versagenshäufigkeit von 92 Kronen bei einem Kollektiv von fünf Patienten mit Amelogenesis oder Dentinogenesis imperfecta untersuchte [10]. Die umfassendste wissenschaftliche Studie zur Überlebensrate von prothetischen Versorgungen bei Patienten mit Amelogenesis imperfecta wurde erst kürzlich von einer schwedischen Arbeitsgruppe publiziert. Diese umfasste 297 vollkeramische Kronen aus Procera (verblendetes Zirkonoxid) und IPS e.max sowie Kronen, Veneers und Teilkronen aus IPS Empress. Die Autoren konnten zeigen, dass vollkeramische Restaurationen eine signifikant höhere Überlebensrate aufwiesen als Versorgungen mit Komposit. Ferner zeigten Versorgungen aus IPS Empress eine signifikant niedrigere Überlebensrate als Restaurationen aus Procera oder IPS e.max [12]. Diese Erhebungen legen nahe, dass hochästhetische vollkeramische Versorgungen aus Lithium-Disilikat-Keramik eine valide Therapieoption bei Patienten mit Amelogenesis imperfecta darstellen können. Im vorliegenden Fall zeigte sich während der zweijährigen Beobachtungszeit eine Infraktur einer vollkeramischen Krone. Neben Werkstoff-assoziierten Parametern könnte dieses Versagen auch auf die zeitgleich aufgetretene Dezementierung der Krone zurückgeführt werden. Bei den übrigen Kronen konnten klinisch keinerlei Infrakturen nachgewiesen werden, was der in vielen klinischen Studien beschriebenen hohen Überlebensrate von vollkeramischen Restaurationen aus Lithium-Disilikat-Keramik entspricht [6,7,15]. Seit einigen Jahren werden bei Patienten mit Amelogenesis imperfecta in zunehmendem Maße partielle Präparationsdesigns angewendet, um die Zahnhartsubstanz im Sinne eines minimalinvasiven Behandlungsansatzes zu schonen [14]. Im vorliegenden Fall einer hypokalzifizierten Amelogenesis imperfecta wurden jedoch klassische vollkeramische Kronen verwendet, um die von der Patientin beklagten Hypersensibilitäten zu minimieren und ungeschützte Schmelzareale vor weiterem Substanzverlust zu schützen. Allerdings wurden im Sinne eines minimalinvasiven Behandlungskonzepts der Substanzabtrag bei der Präparation minimiert und die Schichtstärke der keramischen Restaurationen auf das vom Hersteller vorgegebene Mindestmaß reduziert. Nach Kenntnis der Autoren wurde der Rolle des zur Befestigung von Kronen verwendeten Zements bei Patienten mit Amelogenesis imperfecta bis dato nur wenig Beachtung geschenkt. Bei gesunder Zahnhartsubstanz zeigte sich in klinischen Studien kein Einfluss des Zements (konventionell versus adhäsiv) auf die Überlebensrate oder das Auftreten von Komplikationen wie Dezementierungen bei vollkeramischen Restaurationen aus Lithium-Disilikat-Keramik [7]. Im vorliegenden Fall wurden alle Kronen vor dem Zementieren mit selbstadhäsivem Zement gemäß Herstellerangaben mit Flusssäure und Haftvermittler vorbehandelt. Die minimale Stumpfhöhe befand sich mit vier Millimetern innerhalb der Richtlinien, für die der Hersteller die Wahl zwischen adhäsiver und konventioneller Zementierung freistellt. Nichtsdestoweniger wurden im vorliegenden Fall im Laufe der zweijährigen Beobachtungszeit wiederholt Dezementierungen beobachtet, wobei das Versagen in allen Fällen an der Grenzfläche zwischen Zahnstumpf und Zement auftrat. In diesem Kontext wurde berichtet, dass das Dentin bei Patienten mit hypokalzifizierter Amelogenesis imperfecta eine Sklerosierung der Tubuli und eine Verdickung des peritubulären Dentins aufweist [13], was eine mögliche Erklärung für die im vorliegenden Fall aufgetretenen Komplikationen darstellen könnte und nahelegt, dass selbstadhäsive Zemente zur Befestigung von Restaurationen bei Patienten mit hypokalzifizierter Amelogenesis imperfecta nur zurückhaltend Anwendung finden sollten. Zur endgültigen Klärung des Sachverhalts wären aus diesen Gründen Laborstudien zur Untersuchung der Performance von verschiedenen zahnärztlichen Zementen bei Zähnen von Patienten mit Entwicklungsstörungen wünschenswert. Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Sebastian Hahnel Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik Universitätsklinikum Regensburg Franz-Josef-Strauß-Allee 11 93042 Regensburg [email protected] Literatur bei den Verfassern