Schwerpunkt 309 Sinnvoller Einsatz der GLP-1-Analoga Medikamentöse Therapie des Typ-2-Diabetes GLP-1-Rezeptoragonisten stellen eine wichtige injektabile Therapieoption bei Typ-2-Diabetes dar. Sie senken nicht nur Glykämieparameter ohne wesentliches eigenes Hypoglykämierisiko, sondern erlauben auch eine Körpergewichtsabnahme und führen zu einer leichten Senkung des systolischen Blutdrucks. Aufgrund dieser positiven Eigenschaften wurden unterschiedlich lang wirkende GLP-1-Rezeptoragonisten zur zweimal täglichen Injektion, zur einmal täglichen Injektion und zur einmal wöchentlichen subkutanen Injektion eingeführt. Dieser Artikel gibt eine Übersicht über die verschiedenen GLP-1-Rezeptorenagonisten und deren Einsatzmöglichkeiten zur Therapie des Typ-2-Diabetes nach modernen Leitlinien. entweder durch die Gabe von oral wirksamen DPP-4-Hemmern genutzt werden, die die endogenen GLP-1-Plasmakonzentrationen durch eine Abbauhemmung erhöhen oder durch die Gabe von GLP-1-Rezeptoragonisten, die eine längere Halbwertszeit als natives GLP-1 besitzen. Mit DPP-4-Hemmern werden die endogenen GLP-1Spiegel um das 2–3-fache erhöht, die Gabe von GLP-1-Rezeptoragonisten erhöht die Konzentration auf das etwa 8–10-fache [1]. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die in Deutschland verfügbaren GLP-1-Rezeptoragonisten und deren sinnvollen therapeutischen Einsatz. Bild: Fotolia; E. Wodicka Glucagon-like peptide-1 (GLP-1) ist ein von den L-Zellen des Darms gebildetes Peptid, das nach einer Mahlzeit sezerniert wird. Es stimuliert unter Hyperglykämiebedingungen die Insulinsekretion und hemmt die Glukagonsekretion. Es ist maßgeblich am Inkretin-Effekt beteiligt, der das Phänomen beschreibt, dass oral verabreichte Glukose zu einer ausgepägteren Insulinantwort führt als intravenös gegebene Glukose. Unter experimentellen Bedingungen konnte durch eine intravenöse Infusion von GLP-1 bei Patienten mit Typ-2-Diabetes eine Hyperglykämie normalisiert werden. GLP-1 hat außerdem extrapankreatische Effekte, die bei Typ-2-Diabetes vorteilhaft sein können: es senkt den Blutdruck, es verzögert die Magenentleerung und es stimuliert zentralnervös die Sättigung. GLP-1 ist jedoch aufgrund seiner kurzen biologischen Halbwertszeit von wenigen Minuten selbst nicht für die Therapie geeignet. Die kurze Halbwertszeit von GLP-1 ist durch die schnelle und effektive Degradation von GLP-1 durch das im Plasma und im Gefäßendothel vorkommende Enzym Dipeptidylpeptidase-4 (DPP-4) bedingt. Die Eigenschaften von GLP-1 können therapeutisch Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Baptist Gallwitz Medizinische Klinik IV, Universitätsklinikum Tübingen Diabetes aktuell 2015; 13 (7): 309–316 diabetesakt_2015_07_SP_Gallwitz.indd 309 19.11.2015 08:10:24 Schwerpunkt Tab. 1 GLP-1 Rezeptoragonisten und ihre Eigenschaften Exenatid 2-mal täglich Lixisenatid* Exenatid 1-mal wöchentlich Albiglutid* Liraglutid Dulaglutid Herkunftsmolekül Exendin-4 Exendin-4 Exendin-4 GLP-1 GLP-1 GLP-1 Halbwertszeit 2,4 Stunden ca. 3 Stunden 14 Tage 5 Tage 13 Stunden 4,7 Tage Wirkung auf den Rezeptor Pulsatil Pulsatil Kontinuierlich Kontinuierlich Kontinuierlich Kontinuierlich Wirkung auf die Nüchternblutglukose Moderate Reduktion Moderate Reduktion Starke Reduktion Starke Reduktion Starke Reduktion Starke Reduktion Wirkung auf die postprandiale Blutglukose Starke Reduktion Starke Reduktion Moderate Reduktion Moderate Reduktion Starke Reduktion Starke Reduktion Magenentleerung Deutlich verzögert Deutlich verzögert Verlangsamt Verlangsamt Verzögert Verzögert Nebenwirkungen Übelkeit (Völlegefühl) Übelkeit (Völlegefühl) Weniger Übelkeit (Völlegefühl) Weniger Übelkeit (Völlegefühl) Übelkeit (Völlegefühl) Übelkeit (Völlegefühl) Anwendung 2-mal täglich 1-mal täglich 1-mal wöchentlich Mahlzeitenunabhängig 1-mal wöchentlich 1-mal täglich Mahlzeitenunabhängig 1-mal wöchentlich Mahlzeitenunabhängig * In Deutschland derzeit nicht verfügbar Einteilung und Klassen der GLP-1-Rezeptoragonisten Die GLP-1-Rezeptoragonisten können aufgrund ihrer Aminosäuresequenz in 2 Klassen eingeteilt werden: zum einen die humanen GLP-1-Rezeptoragonisten, bei denen die Peptidkette dem humanen GLP-1 sehr ähnlich ist und die im Gegensatz zu nativem GLP-1 eine längere biologische Halbwertszeit haben, weil sie vor dem schnellen Abbau durch DPP-4 geschützt sind. Zum anderen gibt es GLP-1-Rezeptoragonisten mit einer ca. 50 %igen Ähnlichkeit der Peptidkette mit humanem GLP-1, deren Sequenz sich jedoch aus dem bei Reptilien vorkommenden Peptid Exendin-4 ableitet, das an den GLP-1-Rezeptor bindet und dort GLP-1-Wirkung hervorruft. Aufgrund seiner Sequenz ist Exendin-4 jedoch kein Substrat für DPP-4 und hat daher eine längere Halbwertszeit von einigen Stunden. Neben dieser möglichen Einteilung aufgrund der Peptidstruktur können GLP-1-Rezeptoragonisten auch nach ihrer klinischen Wirkdauer in kurzund langwirksame GLP-1-Rezeptoragonisten eingeteilt werden (zweimal tägliche Injektion oder einmal tägliche bzw. einmal wöchentliche Injektion). Die langwirkenden GLP-1-Rezeptoragonisten aktivieren den GLP-1-Rezeptor kontinuierlich, wohingegen die kurzwirksamen GLP-1-Rezeptoragonisten dies nicht vermögen. Die pharmakokinetischen Unterschiede zwischen lang- und kurzwirksamen GLP-1Rezeptoragonisten führen auch zu deren wichtigen verschiedenen Charakteristika in den pharmakokinetischen Profilen. Die kurzwirksamen GLP-1-Rezeptoragonisten senken vor allem die postprandiale Glukose, da sie einen starken hemmenden Einfluss auf die Magenentleerung und damit die Anflutung von Kohlenhydraten haben, die langwirkenden GLP-1-Rezeptoragonisten haben wahrscheinlich über einen Tachy- phylaxieeffekt bei langer Wirkdauer deutlich weniger Einfluss auf die gastrointestinale Motilität. Dafür haben die langwirkenden Verbindungen einen stärkeren Effekt auf die Senkung der Nüchternglukose, die vor allem durch die insulinotropen und glukagonostatischen Effekte bedingt sind. Auch die Nebenwirkungsprofile der kurz- und langwirkenden GLP-1-Rezeptoragonisten sind verschieden. Die gastrointestinalen Nebenwirkungen sind bei den langwirkenden GLP-1-Rezeptoragonisten meist weniger stark ausgeprägt. Die unterschiedlichen Wirkungen der kurz- und langwirkenden GLP-1-Rezeptoragonisten sind in Abbildung 1 dargestellt. Die individuellen Eigenschaften der einzelnen GLP-1Rezeptoragonisten können somit individuell für die Therapie des Typ-2-Diabetes je nach Patientenbedürfnis eingesetzt werden. Tabelle 1 zeigt eine Übersicht der GLP-1-Rezeptoragonisten [2, 3]. Einzelne Substanzen Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 310 Exenatid Exenatid war der erste zur Behandlung zugelassene GLP-1-Rezeptoragonist und wurde 2006 eingeführt. Exenatid ist synthetisch hergestelltes Exendin-4. Exendin-4 wurde Anfang der 1990er Jahre im Speichel der Krustenechse entdeckt, weist eine 53 %ige Aminosäuresequenzhomologie mit GLP-1 auf und ist ein gut wirksamer GLP-1-Rezeptoragonist. Die biologische Halbwertszeit von Exenatid beträgt etwa 3,5 Stunden, sodass es mit einer zweimal täglichen Injektion therapeutisch angewandt werden kann. Die gebräuchlichste Indikation ist der Einsatz bei Versagen einer Metformin-Monotherapie. Es kann aber auch sehr gut mit Metformin und Basalinsulin eingesetzt werden. Die DreifachKombination mit Metformin und Sulfonylharnstoff ist auch zugelassen. Klinische Studien haDiabetes aktuell 2015; 13 (7): 309–316 diabetesakt_2015_07_SP_Gallwitz.indd 310 19.11.2015 08:10:25 Schwerpunkt Liraglutid Liraglutid ist der erste humane GLP-1-Rezeptoragonist mit lediglich 2 Aminosäure-Modifikationen in der Sequenz des humanen nativen GLP-1. Liraglutid besitzt ferner eine FettsäurenSeitenkette, die an die Peptidkette gebunden ist, um eine Albuminbindung und eine längere Halbwertszeit in vivo sicherzustellen. Liraglutid hat eine Halbwertszeit von ca. 13,5 Stunden und ist damit für die einmal tägliche Injektion geeig- Biologische Wirkungen kurzwirksamer GLP-1 Rezeptoragonisten transpylorischer Fluss ↓ Gehirn Appetit ↓ Völlegefühl ↑ Magen Magenmotilität ↓ Pankreas Intestinale GlukoseResorption ↓ Kurzwirksame GLP-1 Rezeptoragonisten Glukagon ↓ postprandiale Glukose ↓ Insulin ↓ Biologische Wirkungen langwirksamer GLP-1 Rezeptoragonisten Gehirn Appetit ↓ Völlegefühl ↑ Langwirksame GLP-1 Rezeptoragonisten Magen Pankreas Glukagon ↓ Insulin↑ net, mit der es über den Tag gleichmäßig hohe „GlP-1-Spiegel“ erreicht. Aus diesem Grund ist Liraglutid funktionell ein langwirkender GLP1-Rezeptoragonist. Im klinischen Studienprogramm wurde in allen Behandlungsstadien des Typ-2-Diabetes eine gute Wirksamkeit und Sicherheit von Liraglutid in Monotherapie, mit einem oder mehreren oralen Antidiabetika oder mit Basalinsulin und Metformin gezeigt. In den beiden Dosierungen von 1,2 bzw. 1,8 mg täglich senkte Liraglutid den HbA1c in diesen Studien um 1,0–1,5 %. Die Standarddosis für die Behandlung ist 1,2 mg, eine Dosiserhöhung auf 1,8 mg kann bei den Patienten vorgenommen werden, die mit 1,2 mg nicht ein volles Ansprechen zeigen. Mit Liraglutid wurden ebenfalls ein Gewichtsverlust und eine Blutdrucksenkung beobachtet, die ähnlich der von anderen GLP-1-Rezeptoragonisten sind. Die Hypoglykämierate unter Liraglutid ist auch ähnlich niedrig wie bei anderen GLP-1-Rezeptoragonisten, Hypoglykämien werden vor allem in der Kombination mit Sulfonylharnstoffen beobachtet. Aus diesem Grund sollte in dieser Kombination die Sulfonylharnstoffdosis reduziert werden oder der Sulfonylharnstoff wenn möglich sogar abgesetzt werden. Nüchternglukose ↓ Abb. 1 Unterschiedliche Wirkung von kurz- und langwirkenden GLP-1 Rezeptoragonisten [3]. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. ben eine dauerhafte HbA1c-Reduktion von etwa 1 % und eine Abnahme des Körpergewichts von 2,5–4,5 kg unter der Therapie mit Exenatid in der Standarddosierung von 2 × 10 µg täglich gezeigt. In einer Langzeitstudie mit über 4 Jahren Beobachtungsdauer war bei Metforminversagen Exenatid dem Sulfonylharnstoff Glimepirid bezüglich der Effektivität und Dauerhaftigkeit der HbA1c-Senkung überlegen und führte auch zu signifikant weniger Hypoglykämien [4, 5]. Eine langsam resorbierbare Retard-Form für die einmal wöchentliche Injektion von Exenatid wurde 2012 für den Indikationsbereich Metformin-Monotherapieversagen oder Versagen einer dualen oralen Kombinationstherapie eingeführt. Die Retardierung in dieser galenischen Form von Exenatid besteht aus einer Suspension von biologisch abbaubaren Mikrosphären, in die Exenatid eingelagert ist. Die einmal wöchentliche langwirkende Form von Exenatid zeigte in einem Direktvergleich zu der kurzwirksamen Form eine stärkere HbA1c-Reduktion und einen stärkeren absenkenden Effekt auf die Nüchternglukose. Exenatid zweimal täglich konnte jedoch den postprandialen Glukoseverlauf besser senken und normalisieren. Völlegefühl, Übelkeit und seltener Erbrechen sind typische transiente und meist leicht ausgeprägte Nebenwirkungen von Exenatid, die bei den meisten Patienten wenige Tage bis Wochen nach Therapiebeginn wieder nachlassen. Aufgrund dieser Nebenwirkungen soll kurzwirksames Exenatid auch einschleichend mit der halbierten Standarddosis über die ersten 4 Behandlungswochen dosiert werden. Bei der einmal wöchentlichen Formulierung kann gleich mit der Standarddosis von 2 mg begonnen werden, da sich der Wirkspiegel ohnehin langsam über ca. 6–8 Wochen aufbaut [6]. Da Exenatid kein humanes Peptid ist, wird bei ca. 40 % der Patienten unter der Therapie eine Bildung von Anti-Exenatid-Antikörpern beobachtet. Die Antikörperbildung scheint jedoch im klinischen Alltag kaum eine Rolle zu spielen, da sie nicht zu einer Verminderung der Effektivität der Therapie oder zu anderen Nebenwirkungen führt. Die Antikörper kreuzreagieren auch nicht mit nativem GLP-1, nach Beendigung der Therapie verschwinden die Antikörpertiter wieder [7]. 311 Diabetes aktuell 2015; 13 (7): 309–316 diabetesakt_2015_07_SP_Gallwitz.indd 311 19.11.2015 08:10:25 Schwerpunkt Die gastrointestinalen Nebenwirkungen sind bei einer Therapie mit Liraglutid im Direktvergleich einer Studie weniger stark ausgeprägt als mit kurzwirksamem Exenatid, in den klinischen Studien wurde bei ca. 8–9 % der Patienten Antikörperbildung unter der Therapie mit Liraglutid beobachtet. Eine leichte- bis mittelschwere Einschränkung der Nierenfunktion verändert das pharmakokinetische Profil von Liraglutid nicht, sodass es hier in unveränderter Dosierung gegeben werden kann. In einem Direktvergleich mit dem DPP-4-Inhibitor Sitagliptin waren beide Dosierungen von Liraglutid bezüglich der Effektivität der HbA1c-Senkung überlegen. Liraglutid verbessert die erste Phase der Insulinsekretion nach intravenöser Glukosegabe oder einer maximalen Betazell-Stimulation mit Arginin. Liraglutid hat kürzlich die Zulassung zur Adipositastherapie in einer Dosierung von 3 mg täglich erhalten [8, 9]. Dulaglutid Dulaglutid ist ein humaner GLP-1-Rezeptoragonist zur einmal wöchentlichen Injektion. 2 humane GLP-1-Analoga sind jeweils über ein kurzes Linker-Peptid mit einem IgG-Molekül gekoppelt. Die biologische Halbwertszeit von Dulaglutid beträgt so ca. 90 Stunden, was die einmal wöchentliche Gabe ermöglicht. Mit den Dosierungen von 0,75 mg und 1,5 mg einmal wöchentlich wurde das Studienprogramm für die Zulassung von Dulaglutid durchgeführt, die Standarddosis ist 1,5 mg. In diesem Studienprogramm zeigte sich für Dulaglutid die zu erwartende Effektivität eines GLP-1-Rezeptoragonisten auf die Glykämieparameter. In einer direkten Vergleichsstudie mit Liraglutid zeigte sich eine Nicht-Unterlegenheit für Dulaglutid bezüglich der HbA1c-Senkung und bezüglich der Gewichtsabnahme. In einer anderen Studie, in der die zusätzliche Gabe von Insulin glargin zu einer oralen Therapie bei Metforminversagen mit der zusätzlichen Gabe von Dulaglutid verglichen wurde, waren 1,5 mg Dulaglutid der Gabe von Insulin glargin sogar überlegen. Erstmals wurde im Studienprogramm mit Dulaglutid auch die Kombination dieses langwirksamen GLP-1-Rezeptoragonisten mit kurzwirksamem Insulin zu den Mahlzeiten untersucht. Die Patienten hatten bei Studienaufnahme bereits eine Insulintherapie, waren jedoch damit nicht ausreichend gut eingestellt und wiesen einen durchschnittlichen Ausgangs-HbA1c von ca. 8,5 % auf. In dieser Studie zeigte sich, dass diese Kombination von Dulaglutid in Kombination mit Insulin lispro eine wirksame und sichere Therapiealternative für die Patienten darstellt, die mit einer einoder zweimaligen Insulininjektion am Tag nicht zufriedenstellend eingestellt sind. Die Mehrzahl der Patienten erreichten so einen HbA1c von un- ter 7,0 %. Dies war auch die erste „Proof of principle“ Studie, die zeigte, dass langwirksame GLP1-Rezeptoragonisten auch mit kurzwirksamen Insulinanaloga kombiniert werden können [10]. Fixe Kombination von GLP-1Rezeptoragonisten und Basalinsulin Insulin degludec plus Liraglutid (IDegLira) wurde 2015 zur Therapie des Typ-2-Diabetes für Patienten mit oralem Therapieversagen oder unter unzureichender Therapie mit Basalinsulin zugelassen. IDegLira ist die erste fixe Kombinationslösung, die einen GLP-1-Rezeptoragonisten (Liraglutid) und das Basalinsulinanalog Insulin degludec in einer Lösung enthält. Hierbei sind 1,8 mg Liraglutid und 50 E Insulin degludec in 1 ml Lösung enthalten. Die Injektion erfolgt einmal täglich in Dosisschritten, bei denen man sich am Nüchternblutzucker in der Titrationsphase orientiert. Die maximale Dosis für eine Injektion sind 1,8 mg Liraglutid und 50 E Insulin degludec. In klinischen Studien betrug die HbA1c-Senkung der Kombination etwa 1,9 % bei signifikant niedrigerer Hypoglykämieinzidenz im Vergleich zu einer Basalinsulintherapie. Der HbA1c-senkende Effekt von IDegLira ist fast additiv zu den einzelnen Komponenten, auch die Gewichtsentwicklung ist günstig, und es wurde in den meisten Studien unter IDegLira eher eine Gewichtskonstanz beobachtet [11]. Extrapankreatische Effekte von GLP-1-Rezeptoragonisten Magenentleerung und gastrointestinale Transitzeit Pharmakologische Dosen von GLP-1 verlangsamen dosisabhängig die Magenentleerung. Dies führt oft zu Völlegefühl und dosisabhängig zu Übelkeit und auch Erbrechen. Mit den GLP-1Rezeptoragonisten werden ca. 8–10-fach höhere „GLP-1-Spiegel“ als die physiologischen erreicht, sodass diese Nebenwirkungen unter der Therapie besonders bei Behandlungsbeginn auftreten können. Kurzwirksame GLP-1-Rezeptoragonisten, deren Behandlung mit ausgeprägteren Spiegelschwankungen verbunden ist als die mit langwirksamen GLP-1-Rezeptoragonisten, führen eher zu diesen Nebenwirkungen, die im Verlauf der Therapie nach Tagen oder wenigen Wochen meist abklingen und nur selten zu Therapieabbrüchen führen [3, 12]. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 312 Körpergewichtsabnahme mit GLP-1-Rezeptoragonisten In klinischen Studien zeigte sich unter der Behandlung mit GLP-1-Rezeptoragonisten ein durchschnittlicher Gewichtsverlust von 1–3 kg in Studien von mindestens 6 Monaten Dauer, wobei die Streubreite in den Studien groß war und nicht zwingend mit der Reduktion der Gly- A b h S W Z Diabetes aktuell 2015; 13 (7): 309–316 diabetesakt_2015_07_SP_Gallwitz.indd 312 19.11.2015 08:10:27 BC-115 Schwerpunkt kämieparameter einhergeht. In der Praxis sind deutlich ausgeprägtere Gewichtsabnahmen oft zu beobachten. Die Gewichtsabnahme erreicht in der Regel nach ca. 6–12 Monaten ein Plateau, nach Absetzen der Therapie mit einem GLP-1Rezeptoragonisten steigt das Körpergewicht meist wieder an. Die Gewichtsabnahme wird zum einen über einen direkten Wirkeffekt von GLP-1 als zentralnervösem Mediator der Sättigung erklärt, zum anderen auch durch die periphere Wirkung mit Verlangsamung der Magenentleerung und entsprechendem Völlegefühl. In den klinischen Studien zum Einsatz von Liraglutid bei Adipositas zeigte sich bei einer Dosis von 3,0 mg Liraglutid täglich ein Gewichtsverlust von ca. 10 kg unter den kontrollierten Studienbedingungen [3, 12]. Effekte auf das kardiovaskuläre System Die GLP-1-Rezeptoragonisten haben in tierexperimentellen Untersuchungen und auch in klinischen Studien verschiedene günstige Effekte auf das kardiovaskuläre System und auf kardiovaskuläre Risikomarker gezeigt. Kardiovaskuläre Endpunktstudien mit den GLP-1-Rezeptoragonisten sind aufgelegt und werden in der nächsten Zeit sukzessive Ergebnisse liefern. In lang angelegten klinischen Studien mit Exenatid und Liraglutid wurden signifikante Reduktionen der Plasmakonzentrationen von Biomarkern, die mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert sind, beobachtet. So wurden Verminderungen der Plasmaspiegel von hochsensitivem C-reaktivem Protein (hsCRP), brain natriuretic Protein (BNP) und Plasminogen Aktivator Inhibitor-1 (PAI-1) in diesen Studien gefunden. Langzeitdaten aus der Nachbeobachtung der Kollektive aus den klinischen Studien mit Exenatid zeigten außerdem dauerhafte und signifikante Verbesserungen des Gesamtcholesterins, des LDL- und HDL-Cholesterins sowie der Triglyzeride unter Behandlung auch noch nach 3,5 Jahren Therapie. In präklinischen und tierexperimentellen Studien zeigten die GLP-1-Rezeptoragonisten kardioprotektive Effekte wie z. B. eine Verbesserung der kardialen Auswurfleistung, eine Reduktion des Infarktareals unter künstlichen Ischämiebedingungen und eine Verbesserung der Mortalität danach. Weitere mechanistische Studien müssen diese Effekte weiter charakterisieren und aufklären. Eine klinisch relevante Senkung des systolischen Blutdrucks von 2–7 mmHg wurde ebenso in klinischen Studien mit GLP-1-Rezeptoragonisten beobachtet, für den diastolischen Blutdruck war die Senkung weniger stark ausgeprägt und nicht konsistent in allen Studien signifikant. Die Verminderung des systolischen Blutdrucks ist unabhängig vom Gewichtsverlust und bei der Therapie mit GLP-1-Rezeptoragonisten schon nach wenigen Tagen zu beobachten, wenn noch kein Gewichtsverlust stattgefunden hat. Ein Anstieg der Herzfrequenz von etwa 2–4 Schlägen pro Minute wurde in klinischen Studien mit GLP-1-Rezeptoragonisten beobachtet. Dieser Effekt ist dauerhaft, jedoch dosisunabhängig unter Therapie. Der genaue molekulare Mechanismus, der für die Pulsbeschleunigung unter der Behandlung mit GLP-1-Rezeptoragonisten beobachtet wird, ist noch nicht vollständig aufgeklärt. Hierzu müssen noch zusätzliche mechanistische Studien durchgeführt werden. In einer bislang noch nicht als Manuskript publizierten, jedoch auf dem Amerikanischen Diabeteskongress vorgestellten kardiovaskulären Sicherheitsstudie mit dem GLP-1-Rezeptoragonisten Lixisenatid zeigte sich diesbezüglich kein negativer Effekt auf die kardiovaskuläre Sicherheit [3, 12]. Effekte auf die kardiovaskuläre Sicherheit und auf harte kardiovaskuläre Endpunkte Analysen der „major adverse cardiovascular events“ (MACE) wurden bei allen klinischen Studien mit den GLP-1-Rezeptoragonisten erhoben. In diesen Analysen zeigten sich bislang keine Hinweise auf ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko unter der Therapie mit GLP-1-Rezeptoragonisten. In den nächsten Jahren bis 2019 werden die prospektiven kardiovaskulären Sicherheitsstudien zu den GLP-1-Rezeptoragonisten sukzessive veröffentlicht werden [3, 12]. Pankreassicherheit der GLP-1-Rezeptoragonisten In der Vergangenheit war immer wieder die Pankreassicherheit von GLP-1-Rezeptoragonisten und von inkretinbasierten Therapien diskutiert worden. Die Zulassungsbehörden in den USA und in Europa haben aber nach gründlicher Untersuchung und Diskussion die Empfehlungen zum Einsatz von inkretinbasierten Therapien nicht geändert und sehen derzeit keinen Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 314 Bild: Thieme Verlagsgruppe; R. Stockinger H S m D ( Diabetes aktuell 2015; 13 (7): 309–316 diabetesakt_2015_07_SP_Gallwitz.indd 314 19.11.2015 08:10:30 BC-115 Schwerpunkt Options for GLP-1 receptor agonists – type 2 diabetes therapy GLP-1 receptor agonists (GLP-1RA) are an important therapeutic option for an injectable therapy for type 2 diabetes. GLP-1RA do not only lower glycaemic parameters with a very low own risk of hypoglycaemia, but also allow body weight loss and a reduction of systolic blood pressure. Due to their favorable therapeutic profile different GLP-1RA with short and long duration for twice daily, once daily or once weekly subcutaneous injection were developed. This article gives an overview on the different GLP-RA and their use in the differential therapy of type 2 diabetes according to modern guidelines. Key words Type 2 diabetes – therapy – GLP-1 receptor agonists – incretin sche Minipumpen, die GLP-1-Rezeptoragonisten langsam über Monate freisetzen und weitere ultralang wirkende Moleküle. Literatur 1 2 3 4 Handlungsbedarf bezüglich einer Änderung des Verschreibungsverhaltens. Zahlreiche retrospektive Studienanalysen und Metaanalysen fanden keine signifikante Erhöhung des Pankreatitisrisikos, allenfalls einen nichtsignifikanten Trend für eine Assoziation zwischen dem Einsatz von GLP-1-basierten Medikamenten und dem Auftreten einer Pankreatitis. Das Risiko für Pankreaskarzinome ist nicht erhöht. Die Daten aus den bis 2019 beendeten kardiovaskulären Sicherheitsstudien werden bezüglich der Pankreassicherheit auch zusätzliche Daten in großen Kollektiven von mehr als 60 000 Patienten liefern [12]. 5 6 7 8 9 10 Perspektiven und Ausblick Die Entwicklung der GLP-1-Rezeptoragonisten hat Patienten mit Typ-2-Diabetes eine wichtige neue Behandlungsmöglichkeit eröffnet, nicht nur um die Glykämielage ohne zusätzliches Hypoglykämierisiko zu verbessern, sondern auch mit der Möglichkeit Gewicht zu reduzieren und eine leichte Senkung des systolischen Blutdrucks zu erreichen. Der Anteil der Patienten, der mit einer Therapie mit GLP-1-Rezeptoragonisten die Therapieziele erreicht, ist größer als mit anderen Behandlungsformen. Dies gilt besonders für die Therapie mit einem GLP-1-Rezeptoragonisten und Insulin, da sich beide Therapieprinzipien gut ergänzen. Diese Kombination ist auch in der diesjährigen Aktualisierung der Behandlungsempfehlungen der Amerikanischen und der Europäischen Diabetesgesellschaft (ADA und EASD) aufgenommen. Auch die extrapankreatischen Effekte der GLP-1-Rezeptoragonisten sind für die Therapieentscheidung mit dieser Substanzklasse wichtig und betreffen vor allem kardiovaskuläre Surrogatparameter und die Lipide [12, 13]. In Zukunft könnten sich darüber hinaus neue Indikationen für die GLP-1-Rezeptoragonisten ergeben, z. B. in Kombination mit einer Insulintherapie bei Typ-1-Diabetes oder ein fester Stellenwert in der medikamentösen Adipositastherapie. Neue Applikationsformen sind in Entwicklung, so z. B. implantierbare kleine osmoti- 11 12 13 Drucker DJ, Nauck MA. The incretin system: glucagon-like peptide-1 receptor agonists. Lancet 2006; 368: 1696–1705 Madsbad S, Kielgast U, Asmar M et al. 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Gallwitz führt Vortragstätigkeiten für AstraZeneca, Berlin-Chemie, Boehringer-Ingelheim, Bristol Myers Squibb, Novo Nordisk, Lilly und Sanofi durch, ist Mitglied in Advisory Boards bei AstraZeneca, Boehringer-Ingelheim, Lilly, MSD, Novo Nordisk und erhält Forschungsunterstützung von Novo Nordisk DOI: 10.1055/s-0041-107862 Diabetes aktuell 2015; 13 (7): 309–316 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 1861-6089 Diabetes aktuell 2015; 13 (7): 309–316 diabetesakt_2015_07_SP_Gallwitz.indd 316 19.11.2015 08:10:30