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Musikstunde mit Antonie v. Schönfeld
SWR2
Montag, 29. November 2010, 9.05-10.00
„...die Engel einst zahlreich waren“ kleine Kulturgeschichte himmlischer Wesen
I. Glanz und Gloria - Entrée der himmlischen Geister
Yvan Goll - Der Engel
(für Claire)
Einmal geht der Engel
Auch ganz nah an dir vorbei.
Es ist ein regnerischer Montag
Du fühlst dich älter als die Welt
Die Stiefel schlecht geputzt
Das Herz gänzlich verrostet
Aber deines Schicksals Engel geht vorbei
Dich mit Güte überschwemmend
Und einem rosa Lächeln
Halt ihn fest!
Dreh dich um!
Bevor er nur noch dem Winde gleicht!
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Musik 1
Reinhard Keiser
3´35 <24>
Entrée der himmlischen Geister
aus: Suite aus Hercules und Hebe (1699)
Elbipolis Barockorchester Hamburg
RK 2703, LC 05068
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Entrée der himmlischen Geister ein Satz aus einer Orchestersuite von Reinhard Keiser,
gespielt vom Elbipolis Barockorchester Hamburg
und eingeleitet von Yvan Golls Gedicht: Der Engel.
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Es ist die Frage: Gibt es Engel - ?
Oder gibt es sie nicht - ?
Ich weiß: Manch ein nüchtern Diesseitiger, ein naturwissenschaftlich Überzeugter,
ein bodenständig Geerdeter bedauert bei dieser Frage leise die eigene Skepsis:
Es wäre doch einfach schön, wenn es sie gäbe... die Boten, die Leitenden,
die Schutzengel, eben all die himmlischen Wesen, elegant zwischen Oben und
Unten - und immer im rechten Moment zur Stelle.
„...die Engel einst zahlreich waren“, „einst“?!
In dieser Woche in den Musikstunden - zwischen Novembernebel und
Dezemberglanz - gibt es sie ganz sicher:
Sie fliegen, sie eilen herbei, sie beten an,
sie sind unterwegs und tönen
und lassen den Lobgesang schallen:
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Musik 2
Johann Mattheson
2´32 <1>
Corale: Gelobet seyst du Jesu Christ
aus: Das größte Kind -Weihnachtsoratorium
Kölner Akademie
Ltg. Michael Alexander Willens
cpo 777 455-2, LC 8492
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- Wenn Sarah Kirsch schreibt:
„Wer wüchse nicht gern mit seinem Engel auf“, dann ist hier vermutlich der „gute
Engel“ gemeint, der begleitet und behütet und den sich manch einer an seine Seite
wünscht.
Die Kirchenaustritte mögen sich mehren, unser Leben mag immer weltlicher werden,
- Engel aber haben Konjunktur!
Und sie gehören zu unserer Kultur:
zur jüdischen, zur christlichen und zum Islam.
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Wir können ihnen zu jeder Jahreszeit begegnen, doch jetzt, im Advent
sind sie überall:
in den Auslagen der Schaufenster, auf Weihnachtskarten, Plätzchendosen und
Kaffeebechern, Engel zieren Papierservietten, Kalender und Kaminsimse, und in
wenigen Wochen schmücken sie auch wieder den Weihnachtsbaum und stehen an
der Krippe:
Der Engel als Symbol des Friedens,
als Sinnbild der Unschuld und Vollkommenheit.
Wer Engel jedoch nicht nur dekorativ findet (und jetzt eben passend zur Jahreszeit),
wer sich über sie informieren will, der braucht nur in die Buchhandlung zu gehen: In
nicht wenigen gibt es eine ganze Engel-Ecke:
Auch hier wieder Stapel: Geschenkbüchlein, Bildbände und ganze Berge von
Sachbüchern: Einige gehören ins theologische Fach, viele sind der Esoterik
zuzuordnen.
Es gibt sogar eine Fachrichtung, die sich Angelologie nennt, die `Lehre von den
Engeln´. Die teilt sich in zwei Bereiche: Traditionell gehört die Angelologie zur
theologischen Dogmatik, allerdings fallen unter diesen Begriff auch zahlreiche
esoterische und mystische Lehren, die nichts mit Theologie zu tun haben.
Gemeinsam ist diesen unterschiedlichen Bereichen, dass sie sich mit Ursprung und
Natur der Engel beschäftigen und eine Systematisierung dieser Wesen versuchen.
- Der Mensch hat wohl seit jeher das Bedürfnis, das nicht-Greifbare einzuordnen, am
besten gleich zu katalogisieren und zu klassifizieren.
Ist es sonst unheimlich?
Oder:
- geheimnisvoll?
Aber - hat das nicht seinen eigenen Reiz?
Im Advent?
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Musik 3
Johann Mattheson
2´36 <2>
Aria a 2 con Corale: Sey willkommen tausendmal
aus: Das größte Kind -Weihnachtsoratorium
Susanne Rydén, Sopran
Wolf Matthias Friedrich, Bass
Kölner Akademie
Ltg. Michael Alexander Willens
cpo 777 455-2, LC 8492
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- Sich den Engeln an die Schwingen heften...
Das waren zwei Ausschnitte aus dem Weihnachtsoratorium
von Johann Mattheson mit Susanne Rydén, Sopran,
Wolf Matthias Friedrich, Bass,
und der Kölner Akademie unter Michael Alexander Wilkens.
-Mit dieser Musik sind wir - zu Beginn der Adventszeit - der Zeit ein wenig voraus:
Bis Weihnachten sind es noch ein paar Wochen (auch wenn der Einzelhandel einem
das anders suggerieren möchte), aber es waren doch Engel, die die Geburt Jesu
verkündeten und den Hirten den Weg zum Stall wiesen.
In dieser Woche dahin werden hier die unterschiedlichsten Geistwesen auftreten und
durchziehen:
Putten und Seraphim,
Schutzengel und Cherubim,
Erzengel und auch gefallene Engel,
- quer durch alle Zeiten und ohne Anspruch auf eine wie auch immer geartete
Vollständigkeit, dafür aber gespickt mit himmlischer Musik
und engelsgleichen Stimmen:
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Musik 4
Anonymous
2´22 <15>
A song of divine love
Dorothee Mields, Sopran
Hille Perl, Viola da Gamba
Lee Santana, Erzlaute
dhm/sony 88697704362, LC 0761
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A song of divine love von einem unbekannten englischen Komponisten,
vermutlich aus dem frühen 17. Jahrhundert. Sie hörten Dorothee Mields, Sopran,
zusammen mit Hille Perl, Viola da Gamba, und Lee Santana, Erzlaute.
Der Theologen Heinrich Krauss sagte einmal in einem Interview:
„Je mehr Gott ins Jenseits rückt,
desto mehr Zwischenwesen werden nötig“.
Sie mögen wieder gefragter sein, - aber „da“ waren Engel in unserem Kulturkreis
eigentlich immer - und zugleich war es die Auseinandersetzung mit ihnen: Der Bogen
führt vom Alten Testament über Dionysius von Areopagita im 6. Jahrhundert über
Hildegard von Bingen, Thomas von Aquin, Emanuel von Swedenborg, dem
Anthroposophen Rudolf Steiner bis in unsere Gegenwart, wobei Religion und Mystik
manches Mal dicht beieinander liegen.
Parallel dazu läßt sich die Entwicklung dieser Wesen - oder vielleicht besser: ihre
Bedeutung für den Menschen - in Literatur und Musikgeschichte verfolgen: In
welcher Form sie daherkommen spiegelt dabei immer die jeweilige Zeit und ihre
Bedürfnisse.
Vor allem die Lyriker geben Engeln auffallend viel Raum, Engel scheinen zu
inspirieren, egal, ob der Inhalt einer Dichtung nachdenklicher, heiterer, jubelnder
oder zweifelnder Natur ist.
-In der Musik begegnen wir ihnen (entsprechend der Entwicklung der
Musikgeschichte) vorrangig in geistlichen Vokalwerken, in Vertonungen von
liturgischen Texten und frommen Dichtungen;
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doch Geistwesen werden auch in der Instrumentalmusik dargestellt
und in Wiegenliedern werden Schutzengel herbei gerufen.
Vor allem aber der Chorgesang ist es,
der die Engel bis in die Moderne trägt:
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Musik 5
Claude Debussy
2´27 <10>
bearb. Clytus Gottwald
Les Angélus
accentus
Ltg. Laurence Equilbey
naive V4947, LC 7496
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„Der Chor läutert.
Beim Singen im Chor tritt alles Kleine, Unwürdige, aller Eigennutz,
alles Hektische aus dem Menschen hinaus:
er beginnt gleichsam zu schweben“,
schreibt der russische Komponist Rodion Shchedrin.
„Wenn es einen ethischen Geigerzähler gäbe, er würde im Moment
des Singens die größte Konzentration von Schönem auf der Skala
der Seelenzustände messen“.
-Manch ein begeisterter Chorsänger, der dieses Gefühl des singenden „Schwebens“
schon erlebt hat, wird Shchedrin zustimmen.
Und wenn sich dieses Empfinden bei einem Stück wie dem gerade gehörten von
Claude Debussy einstellt - Les Angélus - die Engel dann ist das besonders hübsch.
(Das Ensemble accentus sang eine Fassung für a-cappella-Chor
von Clytus Gottwald.)
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Doch jede Art von Chormusik kann dieses Schweben bewirken, ob die Musik aus der
Renaissance stammt oder aus der Feder eines Zeitgenossen:
Im Jahr 1988 schrieb Rodion Shchedrin sein groß angelegtes Chorwerk
Der Versiegelte Engel. Diese Komposition basiert auf einer gleichnamigen Novelle
von Nikolai Leskow, einem Zeitgenossen von Lew Tolstoi, doch hierzulande viel
weniger bekannt.
Leskow erzählt im Versiegelten Engel von einer Gemeinde von Altgläubigen, von
einer wundertätigen Ikone und von einem Ikonenmaler - bei diesen sog. „Altgläubigen“ übrigens handelt es sich um eine asketische
Glaubensgemeinschaft, die bei der offiziellen orthodoxen Kirche des Zarenreiches
verfemt war.
-Eigentlich aber geht es Leskow um die Unvergänglichkeit von künstlerisch
gestalteter Schönheit, auch unter einem totalitären Regime.
Das will Rodion Shchedrin hundert Jahre später in seine Musik übernehmen, wobei
er sich weniger am konkreten Stoff um die Altgläubigen und den Ikonenmaler
orientiert, als am Geist der Geschichte. Der übernommene Titel Der versiegelte
Engel dient dabei als eine Art Tarnkappe:
Shchedrins wirkliches Thema nämlich ist die verbotene Religiösität unter dem
atheistischen Diktat des Kommunismus, eigentlich nennt er sein Stück auch
„Russische Liturgie“, - das aber war auch noch in den ersten Jahren der Perestroijka
in der Sowjetunion nicht erwünscht...
-Der erste Teil der Musik ist bestimmt durch getragene, fließende
Chor-Klänge, die sich nur wenig aus dem piano herausheben, - eingeleitet wird der
Satz durch eine Flöte.
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Musik 6
Rodion Shchedrin
6´24 <1>
Wahrlich...Engel Gottes, Deine Tränen ergießen sich
Sostenuto assai
aus: Der versiegelte Engel
Dita Krenberga, Flöte
Lettischer Staatschor
Ltg. Maris Sirmais
WER 6732 2, LC 00846
Achtung: Konzert-Mitschnitt! nach 6´12 BLENDE,
auf keinen Fall in track 2 (geht attacca über)
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„Wahrlich, Engel Gottes ... deine Tränen ergießen sich“ so ist der erste Teil aus dem Versiegelte Engel von Rodin Shchedrin überschrieben. Maris Sirmais leitete den Lettischen Staatschor,
die Flöte spielte Dita Krenberger.
Die Komposition entstand Anfang 1988 übrigens im Laufe nur eines
einzigen Monats,
„so leicht und schnell“, sagt Shchedrin,
„als hätte mir jemand die Hand geführt“.
-Wer sollte das gewesen sein. Sein Genius? In Engelsgestalt?
Das Wort „Engel“ stammt vom griechischen „angelo“ ab, das wiederum ist
herzuleiten vom hebräischen „mal´ach“, was ursprünglich „Schattenseite Gottes“
bedeutete. Später wandelte sich die Bedeutung in „Bote“ oder „Abgesandter“: Engel
waren von jeher gedacht als Mittlerwesen zwischen Gott und Mensch und vielleicht
finden wir hier auch schon einen Hinweis auf seinen Rang:
Über den Menschen, doch Gott untergeben.
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Die Vorstellung von Geistwesen, die zwischen göttlichem und menschlichem Bereich
angesiedelt sind ist eine ganz alte: Es gibt sie in vielfachen Abwandlungen in
vermutlich fast allen menschlichen Gemeinschaften und Religionen. Je nach
Kulturkreis können solche Wesen auch an Naturdinge gebunden sein, - an Feuer
beispielsweise, an einen Wasserlauf oder an einen bestimmten Ort. Die griechischrömische Antike kennt unterhalb der Götterwelt unzählige Geistwesen wie Nymphen,
Faune usw.
Den klassischen „Engel“ aber gibt es nur in den drei großen monotheistischen
Religionen, die also von einem einzigen Gott ausgehen:
im Judentum, im Christentum und im Islam.
Gemeinsam ist diesen drei Weltreligionen die Vorstellung eines dreigliedrigen
Kosmos: Der teilt sich auf in
Himmel, Erde und Hölle.
Der Himmel ist der Ort der Engel, - die Hölle der Ort der Teufel und Dämonen. Auf
der mittleren Ebene aber,- auf der Erde, können - neben den Menschen -beide
Seiten erscheinen und agieren,
Engel wie Teufel.
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Musik 7
Heinrich Ignaz Franz von Biber
<5> 1´52
L´Aria
L´Arpeggiata (Mira Glodeanu, Violine)
Ltg. Christina Pluhar
Virgin 694577, LC 7873
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Aria und Variation aus den Mysterien- oder Rosenkranz-Sonaten von
Heinrich Ignaz Franz von Biber, und zwar aus dem ersten Teil des umfangreichen
Werkes, der Verkündigung. Sie hörten eine Interpretation
Mira Glodeanu, Violine, und dem Ensemble L´Arpeggiata.
In unserem Kulturkreis prägend sind die biblischen Engel:
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Tatsächlich berichtet die Bibel vom Buch Genesis bis zur Apokalypse des Johannes,
also von ihrem ersten bis zu ihrem letzten Buch, von Engeln, die in das Schicksal der
Menschen eingreifen.
-Es gibt allerdings große Unterschiede in der Art, wie sie auftreten und handeln, was nicht zuletzt daran liegt, dass die Bibel kein einheitlich konzipiertes Buch ist,
sondern eher eine Art „Bibliothek von Schriften“, geschrieben von verschiedenen
Autoren zu unterschiedlichen Zeiten.
Die Verkündigung - oder allgemeiner und nicht nur auf die Geburt Jesu bezogen: das
Verkünden - ist ein Aufgabenbereich der biblischen Engel:
Sie sind die Überbringer von Nachrichten, von Aufträgen und sie kündigen
Ereignisse an, die eintreten werden, manchmal wider alle Erwartung.
-Dann gehört der Lobgesang dazu und überhaupt das Musizieren
zum Lobe des Herrn.
-Davon ist allerorten die Rede, wo von Engeln die Rede ist, - keineswegs nur in der
Bibel und in frommen Dichtungen des Christentums.
Und das können wir auch betrachten: -Schließlich hat sich der Mensch im Laufe der
Jahrhunderte `Engel´ immer auch bildlich vorgestellt und gemalt. -
- Das übrigens in ständiger Veränderung:
In den frühestens Darstellungen haben Engel nicht einmal Flügel:
Auch Himmelsgeister unterliegen eben in gewisser Weise der Mode.
Wenn sie aber nicht singen, - was spielen sie dann?
Und auf welchen Instrumenten?
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Musik 8
Orlando di Lasso
3´05 CD 1<11>
Aurora Lucis rutilata a 10
Musica Freybergensis
Ltg. Roland Wilson
RK 2404/5, LC 10940
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Das Städtchen Freiberg liegt in Sachsen, zwischen Chemnitz und Dresden.
Gut 40.000 Einwohner, Bergbau, am nördlichen Rand des Erzgebirges, keine
spektakuläre Landschaft. Doch im Zentrum der Stadt steht der Freiberger Dom, oder
ganz korrekt: der Dom St. Marien, eine spätgotische Hallenkirche mit einer
Silbermann-Orgel.
Was Musikwissenschaftler und -praktiker seit ein paar Jahren jedoch besonders
interessiert ist die Fürstliche Begräbniskapelle der Albertiner:
Seit 1541 wurde der Chor des Doms als Grablege für sächsische Fürsten
genutzt: Immerhin neun Fürsten liegen hier, diese Tradition endete erst mit dem
Übertritt August des Starken zum Katholischen Glauben.
Auf dem Boden sind zahlreiche kunstvolle Grabplatten aus Messing zu sehen, die
Wände sind zum Gedenken der Toten geschmückt mit Epitaphen und Plastiken, die
Decke ist ausgemalt im Stil des italienischen Manierismus.
Die eigentliche Sensation jedoch befindet sich im Übergangsbereich von den
Wänden zur Decke:
Auf dem umlaufenden Sims ist ein himmlisches Orchester versammelt: 34
musizierende Engel, die - das wurde klar vor wenigen Jahren im Zuge von
Sanierungen des Doms - die echte (wenn auch vergoldete) Instrumente der
Renaissance in den Händen halten! Instrumente, die vor 400 Jahren für den realen
Gebrauch gebaut worden waren und nicht für eine fürstliche Schatzkammer. -Zum
Teil finden sich darauf sogar noch die Signaturen der Lauten- und Geigenbauer aus
dem 16. Jahrhundert!
Neben Lauten und Geigen tönen hier Cistern, Trommeln,
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Triangeln, Posaunen, Harfen....-
Für die Musikwissenschaft ein Fest: Nur neun der 34 Instrumente stellten sich als
Attrappen heraus, doch auch die waren detailgetreu und konnten als Vorlage für
Nachbauten dienen: -Das Instrumenten-Museum der Universität Leipzig ließ die
Instrumente fotografieren, vermessen, und nachbauen, möglichst viele der
Informationen, die de facto aus erster Hand stammten, sollten genutzt werden
können, - eine Projektgruppe wurde ins Leben gerufen, um die neuen „alten“
Instrumente auch klingen zu lassen.
Der Auftraggeber der Freyberger Begräbniskapelle im ausgehenden
16. Jahrhundert war der Dresdner Hof, also spielt die Musica Freybergensis - wie
sich das Projekt-Ensemble nenn -, Musik beispielsweise
von Orlando di Lasso wie den gerade gehörten Instrumentalsatz, oder eine dreichörige Motette von Hans Leo Hassler, die die ganze Farbigkeit der Musik der
Spätrenaissance leuchten läßt:
Duo Seraphim:
Zwei Seraphe riefen einander zu:
Heilig ist der Herr der Heerscharen!
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Musik 9
Hans Leo Hassler
4´17 CD1<12>
Duo Seraphim
aus: Cantiones Sacrae, Augsburg 1591
Musica Freybergensis
Ltg. Roland Wilson
RK 2404/5, LC 10940
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Ein typisches Klangbild für seine Zeit:
Das Ensemble Musica Freybergensis sang und spielte aus den
Cantiones Sacrae von Hans Leo Hassler
die Motette Duo Seraphim.
Die hier gespielten Instrumente entsprechen denen der Spätrenaissance,
wie sie auf so vielen Bildern von Engeln aus jener Zeit dargestellt werden.
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Wer kennt ihn beispielsweise nicht, den Laute-spielenden Putto von Rosso
Fiorentino, jenen Kinderengel, der pausbäckig mit rot-goldenen Flügeln und
wunderhübschen Locken hinter seiner Laute sitzt und - halb verdeckt von seinem
Instrument, die Wange auf den Corpus gestützt - versunken zu spielen scheint.
Albrecht Goes hat ein Gedicht über diesen (- oder war´s ein anderer?) Putto
geschrieben:
Lautespielender Engel
Stimme des Engels:
Sprich mich nicht an! Ich kann dir nichts erwidern.
Ich höre nur der Laute Lobgesang.
Ich hab ein Amt, begreif: den heiligen Liedern
Zu dienen, Klang bei Klang.
Doch fürchte nichts! Denn über allen Worten
Und allem, was geschieht und je geschah,
Klingt dieser Ton und tönt an allen Orten.
Wags und stimm ein, und du bist mir ganz nah.
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Musik 10
Anonymos
1´47 CD 2 <16>
Praeludium
(Tabulatur für Laute, Dresden um 1600)
Stephan Rath, Laute
RK 2404/5, LC 10940
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Ein Praeludium von einem unbekannten Komponisten aus dem
16. Jahrhunderts, gespielt von Stephan Rath auf der Laute.
Trifft das unsere Vorstellung von der Musik der Engel? Solche eher leisen
Lautenstücke? Wir kennen auch die Rede von Posaunen, deren Schall Engel
erklingen lassen sollen. Oder ihre Stimme.
Es gibt so viele Varianten himmlischer Musik...
Morgen geht es in der Musikstunde um die Vorstellung so mancher Vorfahren von
der Hierarchie der Engel im Himmel, es geht um ihre Aufgabenbereiche und vor
allem um das, was Komponisten und Dichter daraus gemacht haben.
Für heute halten wir ganz einfach die Ohren offen für die Stimme des Engels, denn
die kann ganz unterschiedlich daherkommen:
Mal gekleidet in einen freundlichen Satz,
mal nur als Andeutung auf irgendwas,
mal in Form einer hübschen Melodie
und mal ist es ein Blick,
- und mal rauscht diese Stimme gleich Psalter und Harfe,
hat schwungvoll gute Laune
und singt: Lauda!
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Musik 11
Claudio Monteverdi
<15> 4´40
Laudate dominum
Nuria Rial, Sopran
L´Arpeggiata
Ltg. Christina Pluhar
Virgin 694577, LC 7873
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Literaturliste:
Wer sich über Engel informieren will und das über den Umfang eines Lexikon-Artikels
hinaus, der hat es angesichts der Flut von Engel-Literatur gar nicht leicht, - einige
Empfehlungen:
Einen fundierten Einblick gibt die Abhandlung: Die Engel - Überlieferung, Gestalt,
Deutung des Theologen Heinrich Krauss in der Reihe: C.H.Beck - Wissen, München,
2000
Eine leichtere Orientierung bietet Heinrich Krauss´ Kleines Lexikon der Engel,
München 2001
Wer es amüsanter mag, der kann zu dem Band von Malcolm Godwin greifen: Engel Eine bedrohte Art Frankfurt, 1991.
Dazu eine umfangreiche, ältere Untersuchung: Alfons Rosenberg, Engel und
Dämonen - Gestaltwandel eines Urbildes, München 1967
Und u.a. bei reclam und dtv gibt es umfangreiche Gedichtanthologien.
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