Herstellung und Untersuchung der Magnetisierungsdynamik in einzelnen Yttrium-Eisen-Granat Mikrostrukturen Diplomarbeit in Experimentalphysik von Björn Heinz durchgeführt am Fachbereich Physik der Technischen Universität Kaiserslautern unter Anleitung von Prof. Dr. Burkard Hillebrands November 2016 Kurzfassung Als Spinwellen bezeichnet man die fundamentalen kollektiven Anregungen des Spinsystems eines magnetischen Materials. Diese Anregungen breiten sich als Welle, frei von Ohmschen Verlusten, im magnetischen System aus. Zusätzlich liegen ihre Anregungsfrequenzen dabei im GHz-Bereich, wobei ihre Wellenlängen allerdings um mehrere Größenordnungen kleiner sind als die entsprechenden Wellenlängen elektromagnetischer Wellen. Durch diese Eigenschaften sind Spinwellen ein vielversprechender Kandidat für eine neuartige wellenbasierte Informationsverarbeitung, frei von den Nachteilen der modernen CMOS-Technologie. Yttrium-Eisen-Granat (YIG), das eine extrem geringe Spinwellendämpfung besitzt, kommt als Material und Basis einer solchen Technologie in Frage. Die Untersuchungen dieses Materials beschränkten sich jedoch bislang auf Filme und makroskopische Strukturen, da erst kürzlich verfügbar gewordenen dünne Filme eine Mikrostrukturierung erlauben. Diese Arbeit befasst sich daher mit dem Einfluss eines Mikrostrukturierungsprozesses auf die magnetischen Eigenschaften von YIG anhand eines 98 nm dicken LPE-YIG-Films. Der Fokus der Untersuchungen liegt dabei auf den Materialparametern, insbesondere der Sättigungsmagnetisierung, dem Gilbert-Dämpfungsparameter und der Austauschkonstante, da diese die Eigenschaften der Spinwellen maßgeblich bestimmen. Der erste Teil dieser Arbeit beschäftigt sich mit der Charakterisierung der Eigenschaften des unstrukturierten YIG-Films mittels induktiver Messung der ferromagnetischen Resonanz (FMR). Die Ergebnisse zeigen, dass der vorliegende Film eine hohe Sättigungsmagnetisierung sowie eine geringe Gilbert-Dämpfung aufweist und damit eine weite Spinwellenpropagation ermöglicht. Diese Messungen werden im Folgenden dazu genutzt, die im Zuge dieser Arbeit entwickelte Methode der Kombination einer makroskopischen Anregungsantenne mit der mikrofokussierten BrillouinLichtstreuspektroskopie (µBLS-FMR) zu validieren. Es wird gezeigt, dass diese Methode, analog zu den induktiven Messungen, die Bestimmung der Sättigungsmagnetisierung und des GilbertDämpfungsparameters ermöglicht und darüber hinaus auch eine Bestimmung der Austauschkonstanten erlaubt, die weitere Einblicke in die magnetischen Eigenschaften gewährt. Im zweiten Teil der Arbeit erfolgt eine Untersuchung von Mikrostrukturen, die aus dem zuvor charakterisierten Film hergestellt wurden. Die laterale Ausdehnung der hergestellten Strukturen liegt im Bereich von maximal 4, 8 µm bis minimal 0, 8 µm. Zur Untersuchung wird die Methode i der µBLS-FMR genutzt, da diese aufgrund einer hohen Ortsauflösung eine Untersuchung einzelner Mikrostrukturen erlaubt. Dabei zeigt sich, dass das Spinwellen-Modenspektrum in den Mikrostrukturen aufgrund auftretender Quantisierungen recht komplex ist und insbesondere keine ferromagnetische Resonanzmode mehr existiert. Es wird daher die Fundamentalmode mit Hilfe von mikromagnetischen Simulationen identifiziert. Anschließend werden die Untersuchungen zur Bestimmung der magnetischen Eigenschaften der Mikrostrukturen anhand dieser Mode durchgeführt. Es zeigt sich dabei, dass die Sättigungsmagnetisierung mit abnehmender Strukturgröße abnimmt, jedoch nicht sehr stark vom Wert des Films abweicht. Die Dämpfung nimmt gleichzeitig um einen Faktor von zwei bis drei zu. Diese Änderungen lassen sich auf eine vermehrte Bildung von Fehlstellen, sowie eine Relaxation des Gitters auf die Gitterkonstante des Substrates, bedingt durch den Mikrostrukturierungsprozess, zurückführen. Abschließend wird die Bestimmung der Austauschkonstanten der Mikrostrukturen gezeigt. Diese nimmt mit abnehmender Strukturgröße scheinbar zu, eine eindeutige Ursache dieses Verhaltens kann im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht identifiziert werden. Diese Arbeit zeigt, dass eine Mikrostrukturierung von YIG erwartungsgemäß einen Einfluss auf die magnetischen Eigenschaften hat, diese sich jedoch nur in geringem Maße ändern. Insbesondere ist die Dämpfung des mikrostrukturierten YIG weiterhin besser als die vergleichbarer magnetischer Materialien. Daher stellt YIG einen vielversprechenden Ansatz für zukünftige spinwellenbasierte Logik-Elemente dar. ii Abstract Spin waves are the fundamental collective excitations of the spin system of a magnetic material. These excitations are able to propagate as a wave without, e.g., any ohmic losses in the magnetic system. Their excitation frequencies are situated in the GHz regime, while their wavelengths are substantially smaller than the wavelengths of the corresponding electromagnetic waves. Due to these characteristics, spin waves are a promising candidate for a new wave-based information technology free from the drawbacks inherent to modern CMOS technology. Yttrium iron garnet (YIG) exhibits the lowest known spin wave damping and is therefore a well suited basis for such a technology. Up to now, investigations of this material were limited to films and macroscopic structures. Just recently, thin films which allow for a microstructuring, are available. However, the impact of such a microstructuring process on the magnetic properties of YIG is mostly unknown. Therefore, this thesis addresses the influence of a microstructuring process on the magnetic properties of YIG based on a 98 nm thick LPE-YIG film. The investigation focuses on the material parameters such as the saturation magnetization, the Gilbert damping parameter and the exchange constant of the material as these determine the characteristics of the propagation of spin waves. The first part of this thesis is devoted to a characterization of the properties of the unstructured YIG film. By performing inductive measurements of the ferromagnetic resonance (FMR), it is shown that the investigated film exhibits very good magnetic properties in terms of a high saturation magnetization and a low Gilbert damping. Therefore, it is well suited for the propagation of spin waves. Thereafter, these measurements are used to validate the µBLS-FMR technique, which was developed in the frame of this work. This technique is based on a combination of a macroscopic excitation antenna to excite spin waves, and the microfocused Brillouin light scattering spectroscopy for the detection. It is shown, that this technique allows for the characterization of the saturation magnetization and the Gilbert damping parameter, and, in addition, also for the determination of the exchange constant, which provides further insight into the magnetic properties. In the second part of this thesis an investigation of microstructures, which have been fabricated from the beforehand examined film, is presented. The lateral extent of these structures lies within the range of 4.8 µm and 0.8 µm. To perform the measurements, the µBLS-FMR technique is used due to the high spacial resolution, which allows for the investigation of single microstructures. As expected, the spin-wave mode spectra are more complex due to the appearance of quantization iii conditions, and, in particular, the former FMR mode is no longer existant. Therefore, the new fundamental mode is identified with the aid of micromagnetic simulations. These fundamental modes are then used characterize the microstructures. It is shown that the saturation magnetization decreases with a decreasing structure size but does not differ much from the original film value. Simultaneously, the damping increases with a factor of two to three for the smaller structures. The reason for these changes can be assigned to an increased amount of lattice defects and a relaxation of the YIG lattice to the lattice constant of the substrate, caused by the microstructuring process. Finally, the determination of the exchange constant of the microstructures is shown. The exchange constant shows larger values with decreasing structure size. However, as this can be explained by multiple reasons, a more detailed investigation on the origin could not be performed within the frame of this thesis. The obtained results show that a microstructuring process has a clear influence on the magnetic properties of YIG, but only to a moderatly extent. Particularly the damping of the microstructured YIG is still better than that of comparabel magnetic materials. Thus, this work shows that YIG microstructures are a promising approach for future logic elements based on spin waves. iv Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2 Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2.1 Grundlagen des Magnetismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2.1.1 Das Magnetfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2.1.2 Das magnetische Moment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2.1.3 Wechselwirkung von magnetischen Momenten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2.1.4 Kollektiver Magnetismus: Das Heisenberg-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2.1.5 Die Magnetisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2.1.6 Das effektive Magnetfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2.1.7 Das Entmagnetisierungsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2.1.8 Die magnetische Anisotropie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2.2 Die Dynamik der Magnetisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.2.1 Die Landau-Lifshitz-Gilbert-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.2.2 Der Polder-Suszeptibilitätstensor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.2.3 Die ferromagnetische Resonanz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2.2.4 Die Walker-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2.3 Spinwellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2.3.1 Spinwellendämpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2.3.2 Unendlich ausgedehnter, ferromagnetischer Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2.3.3 Spinwellen in dünnen Filmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2.3.4 Spinwellen in Mikrostrukturen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2.3.5 Anregung der Magnetisierungsdynamik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3 Experimentelle Methoden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3.1 Vektor-Netzwerk-Analysator ferromagnetische Resonanzspektroskopie. . . . . . . . . . . . 29 v INHALTSVERZEICHNIS 3.2 Brillouin-Lichtstreuspektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3.2.1 Grundlagen der Brillouin-Lichtstreuspektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3.2.2 Die mikrofokussierte Brillouin-Lichtstreuspektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 3.2.3 Experimenteller Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 3.2.4 Das Tandem-Fabry-Pérot Interferometer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 3.2.5 Messung von YIG-Mikrostrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 4 Probenherstellung und Material . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 4.1 Yttrium-Eisen-Granat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 4.1.1 Die YIG-Kristallstruktur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 4.1.2 Herstellung und Verarbeitung von dünnen YIG-Filmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 4.2 Probenherstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 4.2.1 Mikrostrukturierung mittels Lift-Off-Prozess. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 4.2.2 Mikrostrukturierung mittels Ätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 4.2.3 Die Elektronenstrahllithographie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 4.2.4 Methoden zur Materialdeposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 4.2.5 Herstellung der untersuchten YIG-Mikrostrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 5 Experimentelle Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 5.1 Charakterisierung des YIG-Films . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 5.1.1 Vektor-Netzwerkanalysator-Messungen der ferromagnetischen Resonanz . . 70 5.1.2 Brillouin-Lichtstreu-Mikroskopie-Messungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 5.2 Charakterisierung der Mikrostrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 5.2.1 Spinwellen-Modenspektrum in Quadern mit quadratischer Basisfläche . . . . . 83 5.2.2 Untersuchung der Fundamentalmode einzelner Mikrostrukturen mittels mikrofokussierter Brillouin-Lichtstreuspektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 5.2.3 Untersuchung des thermischen Spinwellenspektrums in Quadern mit quadratischer Basisfläche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .101 6 Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .107 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .111 Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .119 vi KAPITEL 1 Einleitung In den letzten Jahrzehnten hat die Informationstechnologie auf Basis der CMOS1 -Technologie große Fortschritte gemacht. Die Entwicklung folgt dabei dem sogenannten Mooreschen Gesetz [1], nach dem sich die Anzahl an Transistoren pro Fläche in integrierten Schaltkreisen ungefähr alle zwei Jahre verdoppelt. Jedoch stößt diese Technologie mit zunehmender Miniaturisierung auf fundamentale Barrieren was Prozessgeschwindigkeit, Energieverbrauch und eine weitere Verringerung der Bauteilgrößen betrifft. Die Limitierung der Prozessgeschwindigkeit ist dabei durch das zunehmende Problem der Abfuhr von Joulscher Wärme bedingt [2] und eine weitere Verkleinerung der Transistoren wird durch limitierende Quanteneffekte und eine immer aufwändigere Nanostrukturierung erschwert. Neben der Verwendung von elektrischen Strömen zur Informationsverarbeitung, wie sie heutzutage in der CMOS-Technologie genutzt werden, kann zusätzlich das Spinmoment der Elektronen ausgenutzt werden, indem auf spinpolarisierte Ströme zurückgegriffen wird. Als wichtige Effekte, die den zusätzlichen Spin-Freiheitsgrad von Elektronen ausnutzen, sind der Riesenmagnetowiderstand [3] und der magnetische Tunnelwiderstand [4] zu nennen, die das Feld der sogenannten Spintronik begründet haben. Eine technische Errungenschaft dieses Feldes stellt die Verwendung des Riesenmagnetowiderstands in der Schreib- bzw. Leseeinheit einer herkömmlichen Festplatte dar. Eine Alternative zu diesen Techniken bietet das Feld der Magnon-Spintronik [5], das auf die Verwendung von Spinwellen zur Informationsverarbeitung und daher ausschließlich auf das Spinmoment der Elektronen zurückgreift. Bei den Spinwellen, deren Quasiteilchen Magnonen genannt werden, handelt es sich um die fundamentalen Anregungen eines magnetisch geordneten Systems, die sich als eine Welle im magnetischen System ausbreiten können. Da diese Ausbreitung nicht zwangsläufig mit einem Ladungstransport verbunden ist, kommt es dabei auch nicht zu Ohmschen Verlusten. Einen weiteren großen Vorteil stellt der Wellencharakter der Spinwellen dar, so kann sowohl die Phase als auch die Amplitude als Informationsträger genutzt werden. Gleichzeitig liegt die Wellenlänge von Spinwellen bei Frequenzen im GHz-Bereich in einem Bereich von Mikro1 engl. Complementary metal-oxide-semiconductor 1 metern und bietet daher die Möglichkeit zur Verwendung in Mikrostrukturen. Zusätzlich ist eine parallele Signalprozessierung möglich, wenn für die verschiedene Signale unterschiedliche Trägerfrequenzen genutzt werden [6]. Zur Realisierung einer Spinwellenlogik und entsprechender Spinwellenschaltkreise gibt es bereits erste Ansätze, wie ein auf Interferenz basierendes Majoritätsgatter [7] oder einen auf nichtlinearen Effekten basierenden Magnonentransistor [8]. Die Verwendung von Spinwellen für künftige Logik-Bausteine ist daher vielversprechend, jedoch muss berücksichtigt werden, dass die Lebensdauer und damit die Propagationslänge von Spinwellen durch Streuprozesse und die viskose Gilbert-Dämpfung begrenzt ist. Um dies zu kompensieren, existieren bereits Methoden die eine kohärente Verstärkung von Spinwellen ermöglichen [9–11], jedoch ist dies wiederum mit komplizierteren Schaltkreisen und einem erhöhten Energieverbrauch verbunden. Das gewählte Material sollte daher bereits eine möglichst gute Basis für die Spinwellenpropagation bieten, um die Notwendigkeit solch zusätzlicher Elemente auf ein Minimum zu reduzieren. Ein Material, das bezüglich der benötigten Eigenschaften alle anderen bekannten Materialien übertrifft, ist Yttrium-Eisen-Granat (engl. yttrium iron garnet, YIG). Es handelt sich dabei um einen ferrimagnetischen Isolator der in den 1950er Jahren [12] entdeckt wurde und seitdem Gegenstand intensiver Untersuchungen ist, denn YIG weist die kleinste Spinwellendämpfung aller bis heute bekannten Materialien auf [12–14]. Dies resultiert in sehr großen Lebensdauern der Magnonen von bis zu mehreren hundert Nanosekunden [13], wodurch sich für Spinwellen sehr große Propagationslängen auf einer Längenskala von Zentimetern ergeben können. Zusätzlich sind, bedingt durch die geringe Dämpfung, nichtlineare Effekte stark ausgeprägt [15–17]. Durch diese Eigenschaften ist YIG ein prädestiniertes Material, nicht nur im Hinblick auf eine mögliche Anwendung in der Informationstechnologie, sondern auch zur Untersuchung von Spinwellen und deren fundamentaler Physik. Bislang erlaubte die Notwendigkeit einer hohen kristallinen Güte um die überragenden Eigenschaften zu erhalten nur die Herstellung von Filmen mit Schichtdicken im Mikrometerbereich. Eine Mikrostrukturierung solcher Filme ist nicht möglich, daher beschränkten sich die Untersuchungen des Materials bislang nur auf ausgedehnte Filme und vergleichsweise makroskopische Strukturen. Erst im Zuge der letzten Jahre ist es bedingt durch technische Fortschritte möglich geworden, YIG-Filme mit Schichtdicken unterhalb von 100 nm mit hoher kristalliner Güte herzustellen [18]. Diese Filme erlauben eine Mikrostrukturierung mit Hilfe konventioneller Mikrostrukturierungsverfahren, jedoch sind die Auswirkungen eines solchen Prozesses auf die Eigenschaften des YIG weitgehend unbekannt. Im Rahmen dieser Arbeit soll daher eine erste Untersuchung der Einflüsse eines Mikrostrukturierungsprozesses auf die Eigenschaften von YIG durchgeführt werden. Dabei soll insbesondere das Verhalten der Sättigungsmagnetisierung und der Gilbert-Dämpfung in Abhängigkeit der Strukturgröße untersucht werden, da diese die grundlegenden Eigenschaften der 2 Magnetisierungsdynamik bestimmen. Diese Arbeit gliedert sich wie folgt: In Kapitel 2 werden zunächst die theoretischen Grundlagen des Magnetismus und die theoretische Beschreibung von Spinwellen diskutiert. Es wird dabei insbesondere in Kap. 2.3.4 näher auf die Einflüsse einer lateralen Begrenzung der Spinwellen eingegangen, da dies eine entscheidende Rolle in den in dieser Arbeit untersuchten Mikrostrukturen spielt. Danach erfolgt in Kapitel 3 eine Beschreibung der in dieser Arbeit verwendeten experimentellen Messmethoden. Dabei wird zunächst auf die Methode der induktiven Messung der ferromagnetischen Resonanz eingegangen, die in dieser Arbeit zur Untersuchung des unstrukturierten Films dient. Anschließend wird eine in dieser Arbeit entwickelte Kombination der mikrofokussierten Brillouin-Lichtstreuspektroskopie mit einer makroskopischen Anregungsantenne vorgestellt, die eine Messung der ferromagnetischen Resonanz einzelner Mikrostrukturen ermöglicht. Die Herstellung der untersuchten Mikrostrukturen wird in Kapitel 4 besprochen. Dazu wird zunächst ein Überblick über das Material YIG als solches gegeben und es werden die komplexe Kristallstruktur, sowie die Methode zur Herstellung von YIG-Filmen diskutiert. Nachfolgend werden die zur Herstellung der Mikrostrukturen genutzten Prozesse und Methoden behandelt, sowie der Prozessablauf und dabei aufgetretene Probleme besprochen. In Kapitel 5 folgen eine Darstellung der erzielten experimentellen Ergebnisse dieser Arbeit. Dabei wird zunächst die Charakterisierung des unstrukturierten Films erläutert, die als Ausgangsbasis zur Bewertung der Eigenschaften der Mikrostrukturen dient. Zur Untersuchung der Mikrostrukturen wird zu Beginn eine Analyse des Modenspektrums durchgeführt, wobei hier zusätzlich auf mikromagnetische Simulationen zurückgegriffen wird. Mittels dieser Analyse wird die jeweilige Fundamentalmode der Strukturen identifiziert, anhand derer die anschließende Charakterisierung im Hinblick auf die Materialparameter erfolgt. Im letzten Kapitel erfolgt abschließend eine zusammenfassende Darstellung der gewonnenen Erkenntnisse und ein Ausblick auf weiterführende Untersuchungen. 3 4 KAPITEL 2 Theoretische Grundlagen Das Ziel dieser Arbeit ist die Untersuchung der Magnetisierungsdynamik in Yttrium-Eisen-Granat (YIG) Mikrostrukturen um daraus Informationen über den Einfluss einer Mikrostrukturierung auf YIG zu erhalten. In diesem Kapitel werden dazu die theoretischen Grundlagen, die zum Verständnis der beobachteten Phänomene dienen, erarbeitet. In Kap. 2.1 wird zunächst näher auf die Grundlagen des Magnetismus und die elementaren Wechselwirkungen eines Systems gekoppelter magnetischer Momente eingegangen. Dabei wird das Konzept des effektiven Feldes eingeführt (Kap. 2.1.6) und der Einfluss magnetischer Anisotropien diskutiert. Im anschließenden Kapitel (Kap. 2.2) wird ausführlich die Dynamik der Magnetisierung in diesem effektiven Feld diskutiert. Dabei wird die grundlegende Landau-Lifshitz-GilbertGleichung erarbeitet und die theoretische Basis zur Berechnung von Spinwellen besprochen. Insbesondere wird der Einfluss einer zeitabhängigen Komponente des effektiven Feldes auf die Magnetisierungsdynamik diskutiert, da auf dieser Basis eine Anregung der Dynamik erfolgen kann. Abschließend behandelt Kap. 2.3 die Dynamik gekoppelter magnetischer Momente deren fundamentale Anregung die bereits erwähnten Spinwellen darstellen. Dabei wird näher auf das Verhalten von Spinwellen in dünnen Filmen und Mikrostrukturen eingegangen und insbesondere die Auswirkung der Quantisierung des Wellenvektors in Mikrostrukturen besprochen. 2.1. Grundlagen des Magnetismus In diesem Kapitel sollen zunächst die später benötigten grundlegenden Begriffe des Magnetismus, sowie die fundamentalen Wechselwirkungen in magnetischen Systemen diskutiert werden. Diese bilden die Basis für die weitere theoretische Beschreibung der kollektiven Dynamik magnetischer Systeme die in Kap. 2.3 behandelt wird. 2.1.1 Das Magnetfeld Bereits vor mehreren Jahrtausenden wurde in China entdeckt, dass das Mineral Magnetit (Fe3 O4 ) die Eigenschaft besitzt Eisen anzuziehen [19]. Wesentlich später wurde zudem von Hans Christian Ørsted entdeckt, dass ein stromdurchflossener elektrischer Leiter ebenfalls in der Lage ist 5 2.1 Grundlagen des Magnetismus eine Kompassnadel zu beeinflussen. Die vermittelnde Größe dieser als Magnetismus bezeichneten Kraftwirkung ist das Magnetfeld H, bzw. die magnetische Flussdichte B. In Analogie zur Erzeugung eines elektrischen Feldes E durch eine elektrische Ladung q, wird ein Magnetfeld durch bewegte elektrische Ladungen generiert. Es gilt nach den Maxwell-Gleichungen, bzw. dem Amperèschen Gesetz [20]: ∂D . (2.1) ∂t Hier ist j die Stromdichte der bewegten Ladung und D die sogenannte dielektrische Verschiebung. ∇×H = j+ Bei konstantem D, also im Fall einer verschwindenden Zeitableitung, folgt mit Hilfe des Stokschen Satzes das Biot-Savart-Gesetz [21]: 1 H(r) = 4π Z V′ ∇× j(r′ ) dr′ . ′ |r − r | (2.2) Mit dessen Hilfe kann für eine beliebige Stromdichteverteilung j(r′ ) das Magnetfeld H(r) an einem beliebigen Ort r berechnet werden. Die Möglichkeit mittels eines stromdurchflossenen Leiters ein Magnetfeld zu generieren ist für die Untersuchungen der Magnetisierungsdynamik in dieser Arbeit von grundlegender Bedeutung. So können nicht nur statische sogenannte Øerstedfelder generiert werden um die Ausrichtung der Magnetisierung zu steuern, sondern insbesondere auch dynamische Felder, die zu Anregung der Magnetisierungsdynamik genutzt werden (vergl. Kap. 2.3.5). 2.1.2 Das magnetische Moment Die Wechselwirkung eines Magnetfeldes mit einem Festkörper ist auf die Kopplung des Magnetfelds an in diesem bereits vorhandene oder erst induzierte magnetische Momente zurückzuführen. Für die auf ein magnetisches Moment µm ausgeübte Kraft F gilt [20]: F = µm ∇ · B . (2.3) Dabei ist die Wechselwirkungsenergie Em gegeben durch: Em = −µm · B = −µr µ0 µm · H . (2.4) Hier ist µ0 die magnetische Feldkonstante (µ0 = 4π 10−7 N A−2 ) und µr die Permeabilitätszahl des Materials (µr = 1 für Vakuum). Um eine Beschreibung dieses magnetischen Moments zu erhalten, betrachtet man das magnetische Moment welches ein stromdurchflossener Leiter erzeugt. Es soll zunächst eine kreisförmige Leiterschleife des Radius R und der Fläche A = An̂ = π R2 n̂ angenommen werden, in der ein Strom I fließt. Das durch diese Leiterschleife generierte Magnetfeld gleicht dem eines kurzen permanenten Dipolmagneten, daher dient zur Definition des magnetischen Dipolmoments das Produkt: µm = I · A . 6 (2.5) 2.1 Grundlagen des Magnetismus Für die Beschreibung eines atomaren magnetischen Moments kann angenommen werden, dass der Strom I durch ein einzelnes mit der Kreisfreqeunz ω umlaufendes Elektron generiert wird und es gilt: ω . 2π Damit folgt für das magnetische Dipolmoment [22]: (2.6) I = −e 1 µm = − eR2 ω · n̂ . 2 (2.7) Gleichzeitig gilt jedoch für den Bahndrehimpuls L des Elektrons mit der Elektronenmasse me [20]: L = me R2 ω · n̂ . (2.8) Es gilt also für den Zusammenhang zwischen magnetischem Dipolmoment und Bahndrehimpuls: µm = − e L. 2me (2.9) Nach dem Bohrschen Atommodell ist der Bahndrehimpuls in Vielfache des reduzierten Planckschen Wirkungsquantum h̄ quantisiert, daher kann Gl. 2.9 auch geschrieben werden als: µm = −gl µB L . h̄ Hier steht µB für das Bohrsche Magneton für das gilt µB = (2.10) eh̄ 2me und gl = 1 ist der sogenannte Landé-Faktor des Bahndrehimpulses. Für den Bahndrehimpuls gilt zusätzlich |L|2 = l(l + 1)h̄2 , mit der Bahndrehimpulsquantenzahl 0 ≤ l ≤ n − 1 und der Hauptquantenzahl n. Anhand der Experimenten von Stern und Gerlach an Silberatomen hat sich gezeigt, dass auch für Atome mit einem verschwindenden Gesamtbahndrehimpuls eine Richtungsquantelung im Magnetfeld auftritt, daher muss noch eine weitere Drehimpulskomponente existieren [23, 24]. Diese wird Spin genannt und verhält sich wie ein intrinsischer Drehimpuls, daher ist sie analog mit einem magnetischen Moment µs verknüpft. Es gilt: s µs = −gs µB . h̄ (2.11) Hier ist gs der Landé-Faktor des Elektronenspins s. Es gilt analog zum Bahndrehimpuls die Relation |s|2 = s(s + 1)h̄2 mit der Spinquantenzahl s, jedoch kann s im Unterschied zu l nur den Wert s= 1 2 annehmen. Allgemein gilt, dass mit jedem Drehimpuls ein magnetisches Moment verknüpft ist, wobei für einen mechanischen Drehimpuls gl = 1 ist, während man bei Elektronen von einem anormalen Landé-Faktor spricht, da gs ≈ 2 (gs = 2, 002319) gilt [25]. Daher wird auch das gyromagnetische Verhältnis γ eingeführt, für das im Fall eines allgemeinen Drehimpulses J gilt: J µm = gj µj = γJ . h̄ (2.12) 7 2.1 Grundlagen des Magnetismus Hier ist µj das sogenannte Magneton des Trägerteilchens des Drehimpulses, für das mit der Ladung q und der Masse mj gilt: µj = qh̄ . 2mj (2.13) Für ein von außen angelegtes Magnetfeld erfolgt eine Ausrichtung des magnetischen Moments parallel zu dieser Richtung und es gilt für die Projektion auf die Magnetfeldachse [22]: |µj,z | = gj µj |Jz | . h̄ (2.14) Damit folgt für den Betrag des Spinmoments im äußeren Magnetfeld |µs,z | ≈ µB . Zur Beschreibung der Dynamik des makroskopischen magnetischen Moments eines Festkörpers, das aus den atomaren magnetischen Momenten zusammengesetzt wird, wird im folgenden Abschnitt zunächst die Wechselwirkung der mikroskopischen Momente untereinander betrachtet. 2.1.3 Wechselwirkung von magnetischen Momenten Zur Beschreibung des kollektiven Verhaltens von magnetischen Momenten müssen die auftretenden Wechselwirkungen näher betrachtet werden. Dabei tritt zum einen die langreichweitige DipolDipol-Wechselwirkung auf, die auf einer Kopplung durch die generierten Dipolfelder basiert und zum anderen die kurzreichweitige Austauschwechselwirkung, deren Ursache auf quantenmechanische Prinzipien zurückzuführen ist. Die Dipol-Dipol-Wechselwirkung Wird ein einzelnes, sich im Ursprung befindliches, magnetisches Dipolmoment µ betrachtet, so gilt für das von diesem Moment erzeuge Magnetfeld HDip (r) am Ort r [22]: HDip (r) = 3(µ · r)r µ − 3. r r5 (2.15) Die Betrachtung einer Vielzahl von magnetischen Momenten kann auf die Wechselwirkung zwischen jeweils zwei Momenten µ1 und µ2 an den Orten r1 und r2 reduziert werden und es gilt nach Gl. 2.4: EDip = −µr µ0 µ2 · Hµ1 (r2 − r1 ) = µr µ0 µ1 · µ2 (µ1 · r)(µ2 · r) − r3 r5 . (2.16) Hier ist r = r2 − r1 der relative Abstand der Dipole und Hµ1 (r2 − r1 ) das von Dipol µ1 am Ort des Dipols µ2 hervorgerufen Magnetfeld. Eine kurze Abschätzung soll die Stärke dieser Wechselwirkung zeigen. Werden zwei parallele magnetische Momente mit je einem Betrag von µB im Abstand von r = 0, 1 nm angenommen, so ergibt sich die Wechselwirkungsenergie zu EDip = 3, 4 10−5 eV [26]. Dies entspricht der thermischen Energie bei einer Temperatur von T = 0, 4 K und verdeutlicht, wie schwach diese Wechselwirkung ist. Die Dipol-Dipol-Wechselwirkung ist also zu schwach um eine kollektive Ordnung 8 2.1 Grundlagen des Magnetismus wie z.B. den Ferromagnetismus bei Raumtemperatur zu bilden. Ursache für diese Phänomene ist stattdessen die im nächsten Abschnitt besprochene Austauschwechselwirkung. Trotzdem ist die Dipol-Dipol-Wechselwirkung essentiell für die Dynamik der Magnetisierung, denn trotz der 1/r3 Proportionalität ist ihr Charakter wesentlich langreichweitiger als der der Austauschwechselwirkung. Die Austauschwechselwirkung Die Austauschwechselwirkung ist im Gegensatz zur Dipol-Dipol-Wechselwirkung ein rein quantenmechanischer Effekt und kennt daher kein klassisches Analogon. In der Quantenmechanik kann die Wellenfunktion eines einzelnen Elektrons als Produkt der Ortswellenfunktion Ψ(r) und der Spinwellenfunktion χ(sz ) geschrieben werden [27]: Φ(r, s) = Ψ(r)χ(sz ) . (2.17) Die Ortswellenfunktion wird dabei als Lösung der Schrödingergleichung gewonnen und die Spinwellenfunktion muss zusätzlich in einem zweidimensionalen Spin-Zustandsraum eingeführt werden, da die Schrödingergleichung den Spin nicht berücksichtigt. Für die Wellenfunktion eines Mehrelektronensystems, der Einfachheit halber wird sich hier auf zwei Elektronen beschränkt, gilt, für den Fall eines vom Spin unabhängigen Hamilton-Operators [27]: Φ(r1 , s1 ; r2 , s2 ) = Ψ(r1 , r2 )χ(sz1 , sz2 ) . (2.18) Dabei erfüllt die Gesamtortswellenfunktion Ψ(r1 , r2 ) erneut die Schrödingergleichung und die Spinfunktion χ(sz1 , sz2 ) ist eine Kombination der Einelektronenspinwellenfunktionen. Es ist dabei eine parallele Ausrichtung (sz1 = sz2 = ± 21 ) oder auch eine antiparallele Ausrichtung (sz1 = ± 21 und sz2 = ∓ 12 ) der Spins möglich. Aufgrund der Ununterscheidbarkeit und des fermionischen Charakters von Elektronen erzwingt das Pauli-Prinzip, dass die Gesamtwellenfunktion antisymmetrisch unter Vertauschung beider Teilchen sein muss [17], d.h.: Φ(r1 , s1 ; r2 , s2 ) = −Φ(r2 , s2 ; r1 , s1 ) . (2.19) Dies kann erreicht werden, indem eine antisymmetrische Ortswellenfunktion mit einer symmetrischen Spinwellenfunktion oder aber indem eine symmetrische Ortswellenfunktion mit einer antisymmetrischen Spinwellenfunktion kombiniert wird. Solche Funktionen können aus den Einelektronenwellenfunktionen (Gl. 2.17) konstruiert werden und führen auf den sogenannten Singulettzustand ΦS (r1 , r2 ) und Triplettzustand ΦT (r1 , r2 ) der Gesamtwellenfunktion [27]. Mit dem Hamilton-Operator H gilt für die Energiedifferenz ∆E dieser Zustände: Z Z ∗ ∆E = ES − ET = ΦS HΦS dr1 dr2 − Φ∗T HΦT dr1 dr2 . (2.20) 9 2.1 Grundlagen des Magnetismus Die Größe J wird als sogenanntes Austauschintegral bezeichnet und ist definiert als: J= ∆E ES − ET = . 2 2 (2.21) Die Ursache dieser Energiedifferenz ist letztendlich auf die unterschiedlichen Symmetrien der Ortswellenfunktion von Singulett- und Triplettzustand und die dadurch bedingte unterschiedliche Aufenthaltswahrscheinlichkeitsverteilungen zurückzuführen. Dadurch ergeben sich aus dem Coulomb-Term des Hamilton-Operators unterschiedliche Energien. Da die Austauschwechselwirkung auf den Coulomb-Term zurückzuführen ist, ist die Energie dieser Wechselwirkung wesentlich größer als die der Dipol-Dipol-Wechselwirkung. Die Austauschwechselwirkung ist daher die Ursache einer kollektiven Ordnung der magnetischen Momente in einem Ferromagneten bei Raumtemperatur. 2.1.4 Kollektiver Magnetismus: Das Heisenberg-Modell Die im vorherigen Abschnitt beschriebene Austauschwechselwirkung kann als als eine effektive Wechselwirkung zwischen zwei benachbarten Spins aufgefasst werden. Im sogenannten HeisenbergModell gilt für den beteiligten Hamilton-Operator [22]: HSpin-Spin = −2 J S1 · S2 . h̄2 (2.22) Wird nun ein Festkörper betrachtet in dem nur die Austauschwechselwirkung wirksam ist und der aus N Spinmomenten zusammengesetzt ist, so ergibt sich der Hamilton-Operator als Summation über alle Paarwechselwirkungen zu [22]: Hex = − 1 X Ji j Si · S j . h̄2 i6= j (2.23) Dies entspricht einem sogenannten direkten Austausch, da ein Überlapp der Wellenfunktion der beteiligten Elektronen gegeben sein muss (vergl. Gl. 2.20). Abhängig vom Wert des Austauschintegrals kann diese Wechselwirkung sowohl eine ferromagnetische Kopplung (J > 0), als auch eine antiferromagnetische Kopplung (J < 0) induzieren. Neben diesem direkten Austausch existieren noch weitere Austausch-Wechselwirkungsmechanismen die keinen direkten Überlapp der Wellenfunktionen erfordern und daher in der Regel eine größere Reichweite haben. So z.B. der Superaustausch (engl. super exchange, SE) zwischen zwei magnetischen Ionen, der über ein weiteres unmagnetisches Ion vermittelt wird. Effektiv wird in diesem System die kinetische Energie der Elektronen abgesenkt, da diese durch Sprünge auf das vermittelnde Ion räumlich delokalisiert werden. Da die Coulomb-Energie für ein reales Springen jedoch stark ansteigen würde, handelt es sich nur um einen virtuellen Prozess. Im Fall des Superaustauschs zwischen nicht entarteten Niveaus erfolgt aufgrund des Pauli-Prinzips eine antiferromagnetische Kopplung der beteiligten Elektronen. Formal kann dieser Austauschprozess ebenfalls 10 2.1 Grundlagen des Magnetismus mit Hilfe eines Heisenberg-Terms beschrieben werden [22]: SE Hex =− 1 X SE Ji j Si · S j . h̄2 i6= j (2.24) Hier gilt jedoch im Unterschied zur direkten Kopplung für das Austauschintegral des Superaustauschs: JiSE j = −2 ti2j . (2.25) U Dabei ist ti j das Hüpfmatrixelement proportional zum Überlapp der beteiligten Wellenfunktionen von magnetischem und nicht magnetischem Ion und U ein aus dem Coulomb-Term hervorgehender Parameter. Das Austauschfeld Es soll nun angenommen werden, dass die N Spinmomente auf äquidistanten Gitterplätzen angeordnet sind und auf Basis des Heisenberg-Modells mittels der direkten Austauschwechselwirkung gekoppelt sind. Da die direkte Austauschwechselwirkung wie bereits erwähnt einen Überlapp der Wellenfunktionen erfordert, kann zusätzlich in guter Näherung angenommen werden, dass nur eine Nächste-Nachbar-Wechselwirkung vorliegt. Für den Hamilton-Operator eines Spinmoments am Gitterplatz i und einen isotropen Austausch gilt daher: N X J Hi = −2 2 Si · Sj . h̄ j=1 (2.26) Mit dem in Kap. 2.1.2 beschriebenen Zusammenhang zwischen Spindrehimpuls und zugehörigen magnetischen Moment (vergl. Gl. 2.11) folgt daraus: N X J µ j = −µ0 µi · Hex . Hi = −2 2 2 µi · gs µB j=1 (2.27) Die Wechselwirkung eines Spins im Gitter lässt sich also durch ein effektives Feld Hex am Ort i dieses Spins beschreiben, dass durch die umliegenden Momente generiert wird. Diese Näherung wird auch Weisssche Molekularfeldnäherung genannt und das Feld µ0 Hex entsprechend das Weisssche Molekularfeld [28]. Unter der Annahme, dass das Austauschintegral für alle nächsten Nachbarn gleich groß ist, folgt aus Gl. 2.27 die Wechselwirkungsenergie Ei [29]: Ei = −2JNS 2 nN X cos(ϕi j ) . (2.28) i6= j Hier ist ϕi j der Winkel des Moments i relativ zum betrachteten Nachbarn j und die Summation wird nur über die nächsten Nachbarn (nN) ausgeführt. Für eine kleine Verkippung der Spins gegeneinander, sowie einen Übergang zur makroskopischen Magnetisierung M, kann Gl. 2.28 in 11 2.1 Grundlagen des Magnetismus einer Taylorreihe entwickelt werden [17] und so die Austauschenergiedichte εex für den Fall eines einfach kubischen Gitters zu 2Aex (∇ · M)2 (2.29) Ms erhalten werden. Hier ist Ms die Sättigungsmagnetisierung des Materials und Aex die sogenannte εex = Austauschkonstante definiert über: a2 S2 Jn . 2 Hier ist a der Gitterabstand der einzelnen Spins und n deren Dichte. Aex = (2.30) Die in diesem und den vorherigen Abschnitten durchgeführten Betrachtungen sind mikroskopischer Natur, im Folgenden soll daher nun eine weiterführende Beschreibung des Magnetismus anhand einer makroskopischen Betrachtung erfolgen. 2.1.5 Die Magnetisierung Das Magnetfeld H koppelt wie in Kap. 2.1.2 beschrieben an die magnetische Momente, wobei nach Gl. 2.4 eine parallele Ausrichtung der magnetischen Moment und des Magnetfelds bevorzugt wird um die Energie zu minimieren. Zur Beschreibung der Wechselwirkung des Magnetfeldes mit einem Ensemble von magnetischen Momenten eines Festkörpers ist es von Nutzen dies auf ein makroskopisches magnetisches Moment zurückzuführen, das mit Hilfe der Magnetisierung M beschrieben wird. Diese ist definiert als das magnetische Moment pro Volumeneinheit [22] und stellt damit eine Mittelung dar. Der Zusammenhang zwischen Magnetfeld und im Festkörper hervorgerufener Magnetisierung wird über die sogenannte magnetische Suszeptibilität χ beschrieben, dabei gilt [17]: M = χH . (2.31) Analog zur dielektrischen Verschiebung D in der Elektrizitätslehre wird die magnetische Flussdichte B definiert als: B = µ0 (M + H) = µ0 (χ H + H) = µ0 µr H . (2.32) Dabei definiert die letzte Relation die bereits in Gl. 2.4 aufgeführte Permeabilitätszahl µr = 1 + χ des Materials. Die maximale erreichbare Magnetisierung eines Festkörpers ist im Fall einer parallelen Ausrichtung aller magnetischen Momente gegeben und wird Sättigungsmagnetisierung Ms genannt. 2.1.6 Das effektive Magnetfeld Das in einem Festkörper wirksame Magnetfeld ist durch diverse Faktoren beeinflusst, daher wird in der Regel von einem effektiv wirksamen Magnetfeld Heff gesprochen. Es gilt: Heff = H0ext + Hext (t) + Hex + Hent + Hani + ... . 12 (2.33) 2.1 Grundlagen des Magnetismus Das extern angelegte Feld ist hier in einen statischen Anteil H0ext und einen zeitabhängigen Anteil Hext (t) aufgeteilt. Das bereits in Kap. 2.1.4 behandelte Austauschfeld Hex berücksichtigt die Austauschwechselwirkung. Das sogenannte Entmagnetisierungsfeld Hent hat seinen Ursprung in der Dipol-Dipol-Wechselwirkung und wird im folgenden Abschnitt besprochen, da dies insbesondere für Mikrostrukturen einen nicht zu vernachlässigenden Faktor darstellt. Das Anisotropiefeld Hani resultiert im allgemeinen aus der magnetokristallinen Anisotropie, induziert durch die Spin-BahnKopplung und wird in Kap. 2.1.8 näher beschrieben. Allgemein können die einzelnen Feldbeiträge geschrieben werden als [17]: Heff = − 1 ∇M (ε ) . µ0 (2.34) Das effektive Feld wird demnach über den Gradienten der jeweiligen Energiedichte ε bezüglich der Magnetisierung M definiert und entspricht damit der Änderung der Energiedichte bei Auslenkung der Magnetisierung. 2.1.7 Das Entmagnetisierungsfeld Das Entmagnetisierungsfeld Hent berücksichtig die Dipol-Dipol-Wechselwirkung der magnetischen Momente untereinander. Wie in Kap. 2.1.3 gezeigt wurde ist diese Wechselwirkung zu schwach um eine magnetische Ordnung zu erzwingen, jedoch besitzen die Dipolfelder einen langreichweitigen Charakter. In einem unendlich ausgedehnten homogenen Körper gilt, dass die Dipolfelder der einzelnen Momente sich gegenseitig kompensieren. Dies ist jedoch für endliche oder inhomogen magnetisierte Körper nicht mehr der Fall. Die nicht kompensierten Anteile der Dipolfelder erzeugen dabei ein effektives Magnetfeld, dass innerhalb der Probe als Entmagnetisierungsfeld Hent und außerhalb als Streufeld Hs bezeichnet wird. Eine Beschreibung dieser Felder kann mittels der Maxwell-Gleichungen erfolgen. Für diese gilt im magnetostatischen Fall und für Stromfreiheit (j = 0): ∇ × Hent = 0 (2.35) ∇ · B = µ0 ∇ · (Hent + M) = 0 . (2.36) Aufgrund der Rotationsfreiheit von Hent kann ein skalares Entmagnetisierungspotential Φ eingeführt werden mit Hent = −∇ · Φ. Dies führt mit Gl. 2.36 auf die Poisson-Gleichung der Magnetostatik [29]: ∆Φ = −λM . (2.37) Hier stellt λM eine magnetische Ladungsdichte dar und ist die Quelle des Entmagnetisierungsfelds bzw. des Streufelds. Die Ladungsdichte kann nun je nach Ursprung in einen Anteil einer effektiven Volumenladungsdichte ρM = −∇ · M und einer effektiven Oberflächenladungsdichte σM = n · M (mit der Oberflächennormalen n) aufgeteilt werden, sodass für die Lösung der Poisson-Gleichung 13 2.1 Grundlagen des Magnetismus gilt: µ0 Φ(r) = − 4π Z V ∇′ · M(r′ ) ′ µ0 dV + |r − r′ | 4π I n′ · M(r′ ) ′ dA . ′ A |r − r | (2.38) Dabei entstehen magnetische Volumenladungen durch eine inhomogene Magnetisierung innerhalb des Körpers, während magnetische Oberflächenladungen auftreten, falls die Magnetisierung an der Oberfläche nicht parallel zu ihr ausgerichtet ist [29]. Für einen homogen magnetisierten Körper gilt daher, dass das erste Integral in Gl. 2.38 verschwindet und das Streufeld nur durch die an der Oberfläche auftretenden Oberflächenladungen generiert wird. Bedingt durch Gl. 2.35 muss das Entmagnetisierungsfeld der Magnetisierung entgegengerichtet sein, da eine Integration entlang des Streufeldes Hs stets einen positiven Beitrag liefert, der beim Schließen des Wegintegrals durch den Körper hindurch aufgehoben werden muss. In Abb. 2.1 ist die Ausrichtung der beteiligten Größen veranschaulicht. Die Energie der Magnetisierung im Entmagnetisierungsfeld ergibt sich nun zu [30]: µ0 Eent = 2 Z V∞ H2ent (r′ )dV ′ µ0 =− 2 Z V Hent (r′ )M(r′ )dV ′ . (2.39) Das erste Integral erstreckt sich dabei über den gesamten Raum und zeigt, dass die Streufeldenergie immer positiv ist und nur verschwindet wenn Hent = 0 gilt. Um eine Minimierung der Energie zu erreichen ist also eine Ausrichtung der Magnetisierung parallel zu den Oberflächen von Vorteil, da so die magnetischen Oberflächenladungen minimiert werden. Dieses Bestreben der Magnetisierung sich der entsprechenden Geometrie des Körpers anzupassen wird auch Formanisotropie genannt und wird im folgenden Abschnitt besprochen. Abbildung 2.1: Schematische Darstellung der Ausrichtung der Magnetisierung M, des externen Magnetfeldes Hext , des Entmagnetisierungsfeldes Hent und dem sich daraus ergebenden effektiven Magnetfelds Heff in einem Festkörper. 2.1.8 Die magnetische Anisotropie Die magnetische Anisotropie bezeichnet im Allgemeinen die Abhängigkeit der Energie eines Magnetisierungszustandes von der Ausrichtung der Magnetisierung. In Abwesenheit eines externen Feldes führt dies zu einer Ausrichtung der Magetisierung entlang einer sogenannten leichten Achse der magnetischen Anisotropie, wodurch die Energie des Systems minimiert werden kann. Demgegenüber stehen die sogenannten harten Achsen mit denen eine Anhebung der Energie des Systems verbunden ist. Die hauptsächlichen Beiträge zur Anisotropie liefern die schon angesprochene 14 2.1 Grundlagen des Magnetismus Formanisotropie, sowie die magnetokristalline Anisotropie. Der Ursprung dieser Anisotropien soll im Folgenden diskutiert werden. Die Formanisotropie Wie im vorherigen Abschnitt beschrieben, führt die Dipol-Dipol-Wechselwirkung zum Ausbilden von Streu- und Entmagnetisierungsfeldern, mit denen eine Energieanhebung verbunden ist. Die Stärke dieser Felder und die damit verbundene Anisotropieenergie (Gl. 2.39) ist durch die Ausrichtung der Magnetisierung relativ zur Geometrie des Körpers bestimmt. So gilt z.B. für einen unendlich langen Streifen, dass für eine Ausrichtung der Magnetisierung entlang des Streifens keine Oberflächenladungen generiert werden (σM = n · M = 0, da M ⊥ n). Damit ist die Energie gegenüber einer Ausrichtung senkrecht zur Streifenrichtung stark abgesenkt . In diesem Fall entspricht also die Streifenrichtung einer leichten Achse der Formanisotropie. Zur Beschreibung des sich in einem Festkörper ausbildenden Entmagentisierungsfeldes in Abhängigkeit der Magnetisierung und der Geometrie des Körpers kann für einige simple geometrische Formen der Entmagnetisierungstensor N eingeführt werden. Es gilt [30]: Hent = −N · M , (2.40) wobei der Entmagnetisierungstensor nun die Abhängigkeit des Entmagnetisierungsfeldes und damit der Anisotropieenergie (Gl. 2.39) von der Geometrie des Körpers beschreibt. Für die Komponenten Hent,i des Entmagnetisierungsfeldes gilt daher: X Ni j M j , Hent,i = − (2.41) j=x,y,z mit den Entmagnetisierungstensorelementen Ni j und den Komponenten der Magnetisierung M j . Eine detaillierte Beschreibung des Entmagnetisierungstensors in Abhängigkeit der Geometrie des Körpers ist in [31] zu finden. Es soll hier nun noch eine nähere Betrachtung für quaderförmige Strukturen erfolgen, da diese Form den in Kap. 5 untersuchten Mikrostrukturen entspricht. Dazu wird ein externes Magnetfeld in z-Richtung, sowie ein quaderförmiger Körper mit Kantenlängen 2a, 2b bzw. 2c in x-, y- bzw. z-Richtung angenommen. Liegt der Ursprung des Koordinatensystems im Zentrum des Quaders, so gilt für das Element Nzz des Entmagnetisierungstensors: Nzz (r) = cot−1 f (x, y, z) + cot−1 f (−x, y, z) + cot−1 f (x, −y, z) + cot−1 f (x, y, −z) + cot−1 f (−x, −y, z) + cot−1 f (x, −y, −z) (2.42) + cot−1 f (−x, y, −z) + cot−1 f (−x, −y, −z) , mit p (a − x)2 + (b − y)2 + (c − z)2 f (x, y, z) = (c − z) . (2.43) (a − x)(b − y) Die übrigen Diagonalelemente des Entmagnetisierungstensors können durch Vertauschung von x,y und z sowie a,b und c berechnet werden [31]. 15 2.2 Die Dynamik der Magnetisierung Die magnetokristalline Anisotropie Neben der Formanisotropie verursacht durch die Geometrie der Probe treten noch weiter Anisotropien auf. Dazu zählt die magnetokristalline Anisotropie, die eine intrinsische Eigenschaft des Materials ist. Sie ist bestimmt durch die kristalline Struktur und wird durch die Spin-Bahn-Kopplung (engl. spin orbit coupling, SOC) vermittelt. Semiklassisch kann die Spin-Bahn-Kopplung als Wechselwirkung von Spin S und Bahndrehimpuls L beschrieben werden durch [32]: HSOC = ξ (r)S · L . (2.44) Hier ist ξ (r) die Spin-Bahn-Kopplungskonstante, die vom Gradienten des beteiligte elektrischen Potentials abhängt. Nach Gl. 2.44 kann also eine Anisotropie der Drehimpulszustände in das magnetische System koppeln. Die Ursache für eine solche Anisotropie ist die Reformierung der elektronischen Zustände im Kristallgitter gegenüber den atomaren Zuständen, die in extremen Fällen sogar zu der Unterdrückung bestimmter Drehimpulszustände führen kann [17]. Dadurch wird effektiv die Ausrichtung der Magnetisierung in bestimmte Kristallrichtungen energetisch günstiger. Die beteiligte Anisotropieenergie kann als eine Reihenentwicklung dargestellt werden [33]: Eani = K1 sin2 (γ ) + K2 sin4 (γ ) + K3 sin6 (γ ) + ... , (2.45) wobei der Winkel γ den Winkel zwischen Magnetisierung und ausgezeichneter Achse darstellt. Nach der Diskussion der makroskopischen Grundlagen des Magnetismus wird im weiteren Verlauf nun die Dynamik der Magnetisierung insbesondere unter dem Einfluss von zeitabhängigen externen Feldern vorgestellt. 2.2. Die Dynamik der Magnetisierung In diesem Kapitel soll nun zunächst die allgemeine Dynamik der Magnetisierung in einem effektiven Magnetfeld vorgestellt werden. Dies dient als Grundlage für die in Kap. 2.3 durchgeführte Betrachtung der kollektiven Dynamik eines Systems magnetischer Momente und den sich ergebenden fundamentalen Anregungen, die Spinwellen genannt werden. 2.2.1 Die Landau-Lifshitz-Gilbert-Gleichung Zur näheren Betrachtung des dynamischen Verhaltens der Magnetisierung soll nun zunächst ein einzelnes magnetisches Moment µ in einem Magnetfeld H betrachtet werden. Für den Fall, dass das Moment nicht parallel zum Magnetfeld steht wirkt dabei ein Drehmoment D in der Form [21]: D= 16 dJ = µ × µ0 H . dt (2.46) 2.2 Die Dynamik der Magnetisierung Dies entspricht einer Präzession des magnetischen Moments um die Achse des Magnetfeldes. Unter Berücksichtigung, dass das Drehmoment der zeitlichen Ableitung des Drehimpulses J entspricht und für den Fall eines atomaren magnetischen Moments wodurch nach Gl. 2.12 für den 1 Drehimpuls J = − |γ| µ gilt, wird Gl. 2.46 zu: − 1 dµ = µ × µ0 H . |γ| dt (2.47) Zum Übergang von einem einzelnen magnetischen Moment auf ein Ensemble von magnetischen Momenten zur Beschreibung eines Festkörpers wird die Magnetisierung M als eine über das Kontinuum gemittelte Größe genutzt (vergl. Kap. 2.1.5) und es folgt aus Gl. 2.47 die sogenannte LandauLifshitz-Gleichung: dM = −|γ|M × µ0 Heff . (2.48) dt Dabei berücksichtigt die Einführung des effektiven Magnetfeldes Heff die im vorherigen Kapitel beschriebenen einzelnen Beiträge des externen Feldes, der Anisotropiefelder, sowie die der zeitabhängigen Felder. Die Landau-Lifshitz-Gleichung beschreibt nun die Dynamik der Magnetisierung in einem Magnetfeld, bezieht jedoch keine Dämpfung mit ein, d.h. eine einmal ausgelenkte Magnetisierung würde unbegrenzt und unverändert präzedieren. In der Realität tragen jedoch mehrere Dämpfungsmechanismen (vergl. Kap. 2.3.1) dazu bei, dass Energie aus dem magnetischen System dissipiert und die Magnetisierung in Richtung des effektiven Feldes relaxiert. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen wurde von T. Gilbert phänomenologisch ein zusätzliches rückstellendes Drehmoment Dα eingeführt [34], in der Form von: Dα = − Wie sich zeigt ist Dα ∝ dM dt , α dM M× . Ms dt (2.49) d.h. die so eingeführte Relaxation berücksichtigt ausschließlich eine viskose Dämpfung. Damit ergibt sich resultierend die sogenannte Landau-Lifshitz-Gilbert-Gleichung zu: dM dM α = −|γ|M × µ0 Heff − M× . (2.50) dt Ms dt Hier ist α der dimensionslose sogenannte Gilbert-Dämpfungsparameter und beschreibt phänomenologisch die auftretende Dämpfung. In Abb. 2.2 sind alle auftretenden Drehmomente noch einmal bildlich verdeutlicht. Das Resultat nach Gl. 2.50 ist nun, dass sich keine unendliche Präzession der Magnetisierung mehr ergibt, sondern stattdessen eine spiralförmige Rückstellung in Richtung des effektiven Feldes. 2.2.2 Der Polder-Suszeptibilitätstensor Die Landau-Lifshitz-Gleichung beschreibt wie im vorherigen Abschnitt gezeigt die Dynamik der Magnetisierung im effektiven Magnetfeld unter Vernachlässigung der Dämpfung. Die Anregung 17 2.2 Die Dynamik der Magnetisierung a MS Abbildung 2.2: Schematische Darstellung der Magnetisierungsdynamik unter Einfluss eines effektiven Magnetfeldes Heff . Die Dämpfung führt zu einer Relaxation der Magnetisierung in Richtung des Magnetfeldes. Abbildung entnommen aus [35]. ( M´ ( dM dt H -gm0 ( M ´ Heff ) der Dynamik erfolgt in dieser Arbeit mit Hilfe von zeitabhängigen Wechselfeldern, daher soll die Reaktion der Magnetisierung auf einen solchen zeitabhängigen Anteil des Magnetfeldes nun näher beschrieben werden. Dazu werden zunächst sowohl das Magnetfeld, als auch die Magnetisierung in eine statische Komponente und in einen zeitabhängigen Anteil zerlegt, es gilt also [17]: Heff (t) = H0 + h(t) (2.51) M(t) = M0 + m(t) . (2.52) Das Einsetzen in die Landau-Lifshitz-Gleichung liefert: dm(t) = −|γ|µ0 [M0 × H0 + M0 × h(t) + m(t) × H0 + m(t) × h(t)] . dt (2.53) Um das Problem zu vereinfachen, soll angenommen werden, dass das statische Magnetfeld H0 parallel zur z-Richtung liegt und die Probe homogen magnetisiert ist, d.h. es gilt M0 k H0 und daher M0 × H0 = 0. Wird zusätzlich angenommen, dass die dynamischen Komponenten klein sind gilt |M0 | ≫ |m(t)| und |H0 | ≫ |h(t)|, daher kann der letzte Term in Gl. 2.53 vernachlässigt werden. Mit dem Ansatz m(t) = m0 exp(−iω t) (2.54) h(t) = h0 exp(−iω t) (2.55) und kann mit den getroffenen Näherungen aus Gl. 2.53 die sogenannte linearisierte Form der LandauLifshitz-Gleichung erhalten werden: iω m(t) = eˆz × (−ωM h(t) + ωH m(t)) , (2.56) ωM = |γ|µ0 Ms und ωH = |γ|µ0 H0 . (2.57) mit 18 2.2 Die Dynamik der Magnetisierung Die Lösung von Gl. 2.56 [17] verknüpft nun die dynamische Magnetisierung mit dem dynamischem Magnetfeld: (2.58) m(t) = χ̃ h(t) , mit dem sogenannten Polder-Suszeptibilitätstensor χ̃ für den gilt: χ −iκ , χ̃ = iκ χ mit χ= ωH ωM ωH2 − ω 2 und κ= ωωM . ωH2 − ω 2 (2.59) (2.60) Der Polder-Suszeptibilitätstensor beschreibt nun die Antwort der Magnetisierung auf eine externe Erregung h(t) und erlaubt damit die Beschreibung der Magnetisierungsdynamik. Erfolgt eine Anregung mit der Frequenz ωH , so zeigt sich ein singuläres Verhalten der Suszeptibilitätstensorelemente, dies ist durch die hier vernachlässigte magnetische Dämpfung bedingt. Die Frequenz dieser Singularität wird auch ferromagnetische Resonanzfrequenz genannt auf die im folgenden Abschnitt näher eingegangen wird. Es sei hier erwähnt, dass die Dämpfung sich durch geeignetes Ersetzten in Form von ωH → ωH − iωα ohne größeren Aufwand in diese Betrachtung integrieren lässt [17]. 2.2.3 Die ferromagnetische Resonanz Die im vorherigen Abschnitt angesprochene ferromagnetische Resonanzfrequenz entspricht der Freqeunz einer Anregung des Systems, bei der alle beteiligten magnetischen Momente kohärent und in gleicher Phase um die Achse des effektiven Feldes präzedieren. Für einen Körper, der sich mittels Gl. 2.40 über den Entmagnetisierungstensor N beschreiben lässt und unter der Annahme, dass das Magnetfeld entlang einer der Hauptachsen des Tensors liegt (z-Richtung), ergibt die Linearisierung von Gl. 2.53 die sogenannte Kittel-Formel für die uniforme Anregung der Magnetisierung bzw. Ferromagnetische Resonanz (FMR) [16]: |γ|µ0 q (Hext + (Nx − Nz )Ms ) · (Hext + (Ny − Nz )Ms ) . fFMR (Hext ) = 2π (2.61) Dabei wurde hier eine magnetokristalline Anisotropie vernachlässigt (eine ausführliche Diskussion erfolgt in Kap. 3.1). Für den speziellen Fall eines dünnen unendlich ausgedehnten Films mit der Filmnormalen in y-Richtung folgt aufgrund von Nx = Nz = 0 und Ny = 1 die Kittel-Formel für einen dünnen Film: fFMR (Hext ) = |γ|µ0 p Hext · (Hext + Ms ) . 2π (2.62) Diese Relation ist von großer praktischer Bedeutung, da sie wie in Kap. 3.1 gezeigt wird einen einfachen experimentellen Zugang zur Sättigungsmagnetisierung einer magnetischen Schicht bietet. 19 2.3 Spinwellen 2.2.4 Die Walker-Gleichung Die in Kap. 2.2.2 durchgeführte Betrachtung der Magnetisierungsdynamik im linearen Fall kann mit Hilfe des magnetischen Potentials aus Kap. 2.1.7 fortgeführt werden. Dies erfordert die Annahme einer verschwindenden Stromdichte und beschränkt die hier durchgeführte Betrachtung auf den Fall der sogenannten magnetostatischen Moden. Aus den magnetostatischen MaxwellGleichungen (Gln. 2.35 und 2.36) folgt für die dynamischen Komponenten h und m: ∇×h = 0 (2.63) ∇ · b = ∇ · (h + m) = 0 . (2.64) Außerdem gilt für das magnetostatische Potential nach Gl.2.37: (2.65) ∆φ = ∇ · m . Eine Verknüpfung dieser Gleichungen mit Gl. 2.58 liefert die sogenannte Walker-Gleichung des magnetostatischen Potentials [36]: ∂ 2φ ∂ 2φ (1 + χ ) + ∂ x 2 ∂ y2 + ∂ 2φ =0. ∂ z2 (2.66) Dabei bezeichnet χ das in Gl. 2.60 angegebene Element aus dem Polder-Suszeptibilitätstensor. Die Walker-Gleichung kann nun im folgenden Kapitel zur Herleitung der Moden der Fundamentalanregungen von magnetischen Systemen, den Spinwellen, genutzt werden. 2.3. Spinwellen Eine fundamentale Anregung des magnetischen Systems stellen die sogenannten Spinwellen dar, deren zugehörige Quasiteilchen Magnonen genannt werden. Dabei handelt es sich um die kollektive Präzession der magnetischen Momente eines Festkörpers, wobei eine Phasenverschiebung zwischen benachbarten Momenten auftritt. Es handelt sich daher nicht wie bei z.B. Phononen um eine amplitudenmodulierte, sondern um eine phasenmodulierte Welle. In Abb. 2.3 ist dies anhand einer Kette von magnetischen Momenten verdeutlicht. Die Wellenlänge wird dabei über den Abstand zwischen zwei phasengleichen magnetischen Momenten definiert. Die bereits in Kap. 2.2.3 vorgestellte ferromagnetische Resonanz entspricht einem Sonderfall dieser Anregung, bei der es sich um eine Spinwelle mit unendlicher Wellenlänge handelt. Da es sich bei Spinwellen um eine kollektive Anregung der magnetischen Momente handelt ist die Propagation dieser Wellen durch die in Kap. 2.1.3 beschriebenen Wechselwirkungen bestimmt. Dabei gilt, dass für große Wellenlängen, also eine geringe Verkippung benachbarter magnetischer Momente gegeneinander, die Dipol-Dipol-Wechselwirkung den Charakter der Propagation dominiert, während für kleine 20 2.3 Spinwellen Spinwellen-Wellenlänge . Abbildung 2.3: Schematische Darstellung einer Spinwelle anhand einer eindimensionalen Spinkette. Abbildung entnommen aus [37] Wellenlängen aufgrund der starken Verkippung gegeneinander die Austauschwechselwirkung dominiert. In diesem Kapitel soll diese kollektive Dynamik nun näher betrachtet werden. Dabei soll davon ausgegangenen werden, dass die Anregungsamplitude klein ist, sodass die in Kap. 2.2.2 gezeigte Linearisierung der Landau-Lifshitz-Gleichung durchgeführt werden kann. 2.3.1 Spinwellendämpfung Wie in Kap. 2.2.1 eingeführt, unterliegt die Präzession der Magnetisierung einer gewissen Dämpfung, die nach einer bestimmten Zeit eine Rückstellung in die Ruhelage parallel zum effektiven Feld zur Folge hat (vergl. Gl. 2.50). Dies bedeutet, dass Spinwellen nur eine endliche Lebensdauer τ aufweisen. So gilt für die Zeitentwicklung der Amplitude A (A ∝ mx , my ) der FMR in einem unbeschränkten Medium: t A(t) = A(0) exp(− ) . τ (2.67) Die Lebensdauer ist stark vom Material und den vorliegenden Wechselwirkungen abhängig. Für metallische Verbindungen ergibt sich in der Regel eine Lebensdauer im Bereich einiger Nanosekunden, während für einen elektrischen Isolator wie das in dieser Arbeit verwendete YIG durchaus mehrere hundert Nanosekunden erreicht werden können. Die Dämpfung kann prinzipiell in zwei Arten unterteilt werden, den viskosen Anteil der proportional zur Frequenz der Spinwelle ist und einen nicht-viskosen Anteil. Der viskose Anteil wird dabei durch die Gilbert-Dämpfung beschrieben. In Metallen ist der dominante Beitrag zur GilbertDämpfung die durch die Spin-Bahn-Kopplung vermittelten Magnon-Elektron-Wechselwirkung [38], wobei für dickere Filme eine Wirbelstrominduktion hinzukommen kann [39]. In Isolatoren 21 2.3 Spinwellen hingegen spielt die Magnon-Phonon-Wechselwirkung die dominante Rolle [40]. Der nicht-viskose Anteil ist hauptsächlich durch Inhomogenitäten in der Gitterstruktur verursacht die durch Störstellen und Verzerrungen gegeben sind. Ein weiterer Beitrag ist die sogenannte zweiMagnonen-Streuung, bei der ein Magnon an einer Störstelle aufgrund der gebrochenen Translationsinvarianz streuen kann [41]. Für eine große Spinwellenamplitude ist die Linearisierung der Landau-Lifshitz-Gleichung allerdings nicht mehr gültig (vergl. Kap. 2.2.2). In einem solchen Fall können Multi-Magnonen-Streuprozesse auftreten, die als zusätzlicher Verlustkanal die Lebensdauer reduzieren können. Für die Messungen in Kap. 5 ist es daher wichtig, dass die Anregungsleistung entsprechend klein genug gewählt wird. 2.3.2 Unendlich ausgedehnter, ferromagnetischer Körper Für einen unendlich ausgedehnten Körper treten keinerlei Randbdingungen auf, sodass die WalkerGleichung (Gl. 2.66) ohne Einschränkung gültig ist. Unter Berücksichtigung des Austauschfeldes Hex ergibt sich aus der Walker-Gleichung die sogenannte Herring-Kittel-Formel [42] für die Frequenz ω und den Wellenvektor k der Spinwelle: ω (k) = q (ωH + ωA ) · (ωH + ωA + ωM sin2 (Θ)) . (2.68) Hierbei ist Θ der Winkel zwischen dem Wellenvektor und der statischen Magnetisierung und ωA (k) = |γ| 2Aex 2 |k| , µ0 Ms (2.69) mit der bereits in Kap. 2.1.4 eingeführten Austauschkonstanten Aex . An den Gln. 2.68 und 2.69 ist ersichtlich, dass die Frequenz ω für große Wellenvektoren k quadratisch mit k anwächst, da ωH und ωM konstante Komponenten sind, die durch das Magnetfeld und die Magnetisierung bestimmt sind. Der Grund für das Verhalten ist, dass wie schon angesprochen für eine kleine Wellenlänge die Austauschwechselwirkung die Dynamik dominiert. Man spricht daher auch von austauschdominierten Spinwellen, bzw. entsprechend für kleine k von dipolaren Spinwellen. 2.3.3 Spinwellen in dünnen Filmen In einem dünnen magnetischen Film ist das Spinwellenspektrum gegenüber einem unendlich ausgedehnten Körper durch die auftretenden Grenzflächen modifiziert. An diesen tritt der sogenannte Pinning-Effekt auf, d.h. die magnetischen Momente im Randbereich der Grenzfläche erfahren eine Frustration ihrer Präzession. Es soll nun ein in der x-z-Ebene liegender Film der Dicke d angenommen werden in dem die Magnetisierung in z-Richtung zeigt. Die Oberflächennormale zeigt dementsprechend parallel zur y-Richtung. Für dünne Schichten (|kk |d < 1) tritt dabei eine 22 2.3 Spinwellen Quantisierung des Wellenvektors entlang der Schichtdicke auf, d.h. es gilt: pπ k = kk + êy mit p = 1, 2, 3, ... . d (2.70) Hier ist kk die Komponente des Wellenvektors in der Filmebene und p die Quantenzahl der Quantisierung entlang der Filmdicke. Dadurch wird die Energie der Spinwellen gegenüber der Betrachtung in Kap. 2.3.2 modifiziert. Bei den entlang der Filmdicke stehenden Wellen spricht man auch von den senkrecht stehenden Spinwellen (engl.: perpendicular standing spinwaves, PSSW), die in dünnen Filmen einen austauschdominierten Charakter besitzen da der Wellenvektor entlang der Filmdicke sehr groß ist. Zu der Quantisierung kommt noch ein weiterer Effekt hinzu, so generiert die dynamische Magnetisierung zusätzlich magnetische Oberflächenladungen wenn diese aus der Filmebene herauszeigt (vergl. Kap. 2.1.7). Unter Berücksichtigung dieser Effekte kann die Dispersionsrelation (ω (k)) für die Annahme von vollständig ungepinnten magnetischen Momenten an der Oberfläche nach [43] geschrieben werden als: ω (k) = q (ωH + ωA ) · (ωH + ωA + ωM Fpp (|k|, Θ)) , (2.71) wobei die Funktion Fpp das Dipol-Matrixelement darstellt und gegeben ist durch [43]: Fpp (|k|, Θ) = 1 + Ppp cos2 (Θ) + ωM Ppp (1 − Ppp sin2 (Θ)) . (ωH + ωA ) (2.72) Die Funktion Ppp wiederum beschreibt die Quantisierung und es gilt für p = 0: P00 (|kk |) = g(|kk |) = 1 − 1 − e−|kk |d . |kk |d (2.73) Eine genaue Beschreibung der Dispersionsrelation für die PSSW-Moden (p > 0) ist sehr komplex, daher wird dazu auf [44] und [43] verwiesen. In Abb. 2.4a) ist nur schematisch das Profil der PSSW-Moden für Θ = 90 ° und p = 1, 2, 3 abgebildet. Im Folgenden sollen nun die zwei Spezialfälle für eine Ausbreitung der Spinwelle parallel und senkrecht zur statischen Magnetisierung näher betrachtet werden. Dabei wird angenommen, dass die Austauschwechselwirkung vernachlässigbar ist. Rückwärts-Volumen-Geometrie Für den Fall der Propagation der Spinwellen parallel zur statischen Magnetisierung, d.h. k k M bzw. Θ = 0 (vergl. Gl. 2.71), spricht man von den sogenannten magnetostatischen Rückwärts-Volumen-Spinwellen (engl. backward volume magnetostatic spin waves, BVMSW). Wird die Grundmode betrachtet, d.h. p = 0, so folgt aus der Dispersionsrelation (Gl. 2.71) [45]: v " !# u −|kk |d u 1 − e . ωBVMSW = tωH ωH + ωM |kk |d (2.74) 23 2.3 Spinwellen b) MSSW ω/ωFMR a) BVMSW k║d Abbildung 2.4: a) Visualisierung der PSSW-Moden entlang der Filmdicke für Θ = 90 °. b) Dispersionsrelation für die BVMSW und MSSW-Moden im dipolar dominierten Bereich. Abbildung nach [29]. Der Verlauf der Dispersion ist in Abb. 2.4b) gezeigt. Eine Besonderheit dieser Moden ist die negative Gruppengeschwindigkeit definiert durch vg = ∂ ω /∂ k. Damon-Eshbach-Geometrie Für den Fall der Propagation der Spinwellen senkrecht zur statischen Magnetisierung, d.h. k ⊥ M bzw. Θ = π2 , spricht man von den sogenannten magnetostatischen Oberflächen-Spinwellen (engl. magnetostatic surface spin waves, MSSW). Diese Wellen werden auch Damon-Esbach-Spinwellen genannt, da die erste theoretische Beschreibung dieser Wellen durch R. Damon und J. Eshbach erfolgt ist [46]. Analog ergibt sich die Dispersionsrelation zu: s i ω2 h ω = ωH (ωH + ωM ) + M 1 − e−2|kk |d . 4 (2.75) Der Verlauf der Dispersion ist ebenfalls in Abb. 2.4b) abgebildet. Die Besonderheit dieser Wellen ist, dass sie eine Lokalisierung an den Oberflächen des Films aufweisen (vergl. Abb. 2.4a)) 2.3.4 Spinwellen in Mikrostrukturen Im Rahmen dieser Arbeit wird eine zusätzliche Strukturierung des Films vorgenommen um Untersuchungen an quaderförmigen Strukturen durchzuführen. In den resultierenden Strukturen kommt es daher nicht nur zur Quantisierung entlang der Dicke der Struktur, sondern nun auch zusätzlich in lateraler Richtung. Der Wellenvektor weist also nun eine Quantisierung in alle Raumrichtungen 24 2.3 Spinwellen auf und hat die Form: k= pπ nπ mπ êx + êz êy + ax d az mit n, p, m = 1, 2, 3, ... . (2.76) Hier sind ax und az die geometrischen Breiten der Struktur senkrecht bzw parallel zur statischen Magnetisierung (unter der Annahme, dass Magnetisierung und Strukturausrichtung zusammenfallen). In Abb. 2.5 ist die Lage des Koordinatensystems und die Definition der Strukturbreiten veranschaulicht. Der Einfluss der einzelnen Wellenvektorkomponenten auf die Energie des Systems ist recht unterschiedlich und soll daher im Folgenden getrennt diskutiert werden. y ax z Abbildung 2.5: Zur Definition des Koordinatensystems und der Strukturbreiten. d x az µ0Hext Quantisierung senkrecht zur statischen Magnetisierung Im Fall der Quantisierungsbedingung senkrecht zur statischen Magnetisierung (x-Richtung) liegt die Magnetisierung parallel zu den Kanten der Struktur und es wird kein Entmagnetisierungsfeld generiert. Dennoch zeigt die dynamische Magnetisierung m im Falle einer Präzession aus der Strukturflanke heraus und erzeugt so dynamische Dipolfelder. Da diese inhomogen sind, kommt es zum sogenannten dipolaren Pinning, denn an den Kanten erhöht sich das dynamische Entmagnetisierungsfeld stark [29]. Es ergibt sich eine Randbedingung die von der Dipolwechselwirkung bestimmt ist [39]: ∂m =0, ∂ x + DDip m x=± ax (2.77) 2 mit dem dipolaren Pinning-Parameter DDip , der vom Aspektverhältnis ax /d abhängt: DDip = 2π ax /d . 1 + 2 ln (ax /d) (2.78) Durch das Pinning erfolgt effektiv die Quantisierung nicht mehr über die geometrische Breite, sondern über eine größere effektive Breite aeff x auf der die Momente einem vollständigen Pinning 25 2.3 Spinwellen unterliegen würden. Es gilt dann [39]: kx = mit aeff x = ax nπ êx , aeff x DDip DDip − 2 (2.79) . (2.80) Der hier aufgezeigte Einfluss kann also durch einfaches ersetzten der geometrischen Breite in Gl. 2.76 durch die effektive Breite nach Gl. 2.80 berücksichtigt werden. Quantisierung parallel zur statischen Magnetisierung Für den Fall der Quantisierungsbedingung parallel zur statischen Magnetisierung (z-Richtung) tritt der Pinning-Effekt in den Hintergrund, denn der Hauptgrund der lateralen Beschränkung in dieser Richtung ist das durch die statische Magnetisierung hervorgerufenen Entmagnetisierungsfeld. Dieses generiert eine Art Potenzialtopf für die Spinwellen, der die effektive Breite der Struktur verringert. Um den Effekt abzuschätzen wird angenommen, dass die Struktur mit Hilfe eines externen Magnetfeldes homogen entlang der z-Richtung magnetisiert ist (vergl. Abb. 2.5). Nach Gl. 2.41 berechnet sich die z-Komponente des Entmagnetisierungsfelds entlang der z-Achse des Systems in diesem Fall über: Hent,z (z) = −µ0 Ms Nzz (0, 0, z) . (2.81) Für das effektive Feld folgt daher: µ0 Heff,z (z) = µ0 Hext − µ0 Ms Nzz (0, 0, z) . (2.82) In Abb. 2.6 ist der Verlauf des effektiven Feldes für ein externes Feld von µ0 Hext = 20 mT eine Sättigungsmagnetisierung von Ms = 830 kA m−1 (für Ni81 Fe19 ) und eine Strukturbreite von az = 1, 95 µm gezeigt1 . Zur Definition der effektiven Breite wird nun das effektive Feld herangezogen. Ausgehend vom Maximum des effektiven Feldes im Zentrum der Struktur µ0 Heff,z (0) wird die effektive Breite aeff z als die Breite gewählt, auf der das effektive Feld auf die Hälfte dieses Wertes reduziert ist [9]. Es ist hier zu berücksichtigen, dass bedingt durch die Definition des effektiven Feldes (vergl. Gl. 2.82) sich eine explizite Abhängigkeit der effektiven Breite vom extern angelegten Magnetfeld ergibt und die Beschreibung daher deutlich komplizierter ist als für den im vorherigen Abschnitt beschriebenen Fall. Die in diesem Kapitel erarbeitete Beschreibung von Spinwellen dient nun als Grundlage zur Bewertung der in dieser Arbeit durchgeführten Messungen. Insbesondere die hier aufgezeigten Auswirkungen der Quantisierung in Mikrostrukturen hat einen großen Einfluss und wird daher noch 1 Berechnungen 26 von T. Brächer [9] Abbildung 2.6: Effektives Magnetfeld µ0 Heff,z (z) in Abhängigkeit der Position (z) entlang der Struktur. Zur Definition der effektiven Breite für den Fall einer Quantisierung parallel zur statischen Magnetisierung wird die Breite gewählt, bei der das effektive Feld auf die Hälfte des Wertes des Zentrums reduziert ist. Abbildung nach [9]. effektives Feld µ0Heff (µm) 2.3 Spinwellen µ0Hent eff az Position entlang der Struktur z (µm) eingehender diskutiert. Im folgenden Abschnitt soll nun abschließend auf die Anregung von Spinwellen eingegangenen werden. 2.3.5 Anregung der Magnetisierungsdynamik Die Anregung der Magnetisierungsdynamik der untersuchten Mikrostrukturen erfolgt in dieser Arbeit mit Hilfe einer makroskopischen Antenne (quaderförmiger langer Kupferstreifen), auf der die zu untersuchenden Strukturen platziert werden (vergl. Abb. 2.7a)). Ein Mikrowellenwechselstrom wird durch die Antenne geleitet, wodurch nach Gl. 2.2 ein dynamisches Øersted-Feld um die Antenne generiert wird. Dieses Feld bewirkt ein Drehmoment auf die Magnetisierung wodurch diese aus der Ruhelage ausgelenkt und damit angeregt wird. Die Anregungseffizienz mit der Spinwellen durch eine Antenne angeregt werden können ist nun von drei Faktoren abhängig. Zunächst ist die geometrische Anordnung vom Anregungsfeld Hex und Magnetisierung essentiell, da nur zur Magnetisierung senkrechte Feldkomponenten eine Auslenkung verursachen können. Die Effizienz ist also am größten, wenn das Anregungsfeld der Antenne vollständig senkrecht zur Magnetisierung steht. Ein weiterer Faktor ist durch die geometrische Breite der Antenne gegeben. Aus der Fouriertransformierten der Antennenbreite ergibt sich eine mit zunehmendem Wellenvektor abnehmende Anregungseffizienz (für eine Berechnung wird auf [47] verwiesen). Da die in dieser Arbeit verwendeten Antennen sehr breit sind (vergl. Kap. 3) wird dadurch effektiv nur ein sehr schmaler Bereich von Wellenvektoren um |k| = 0 effizient angeregt. Zusätzlich bedingt die breite Antenne ein über die Ausdehnung der Strukturen homogenes Anregungsfeld. Die Anregungseffizienz hängt im Weiteren nicht nur von der Antennenbreite ab, sondern in Mikrostrukturen insbesondere zusätzlich von den auftretenden Quantisierungen des Wellenvektors. Die effektive Anregungseffizienz der einzelnen Moden ergibt sich aus der Faltung des Antennen27 2.3 Spinwellen a) Struktur b) ax n=3 Antenne n=2 n=1 Hex Abbildung 2.7: a) Schematische Darstellung der Anordnung um mittels einer Antenne die Magnetisierungsdynamik anzuregen. b) Modenprofile der ersten drei Moden für ein 1D-quantisiertes System. feldes mit dem Modenprofil der entsprechenden Spinwellenmode. In Abb. 2.7 b) sind exemplarisch für ein in einer Dimension quantisiertes System die Modenprofile der ersten drei Moden abgebildet. Werden diese mit einem homogenen Anregungsfeld gefaltet, so ergibt sich, dass Moden mit einer geraden Modenzahl nicht angeregt werden können. Die Anregungseffizienz der ungeraden Moden nimmt zudem mit 1/n ab. Anschaulich kann die verschwindende Anregungseffizienz auch dadurch verstanden werden, dass das über die Strukturbreite gemittelte magnetische Moment verschwindet und daher keine Kopplung mit dem homogenen Anregungsfeld stattfinden kann. 28 KAPITEL 3 Experimentelle Methoden Nach der theoretischen Beschreibung der Grundlagen der Magnetisierungsdynamik im vorangegangenen Kapitel, sollen nun die in dieser Arbeit verwendeten Methoden zur Detektion und Analyse der Magnetisierungsdynamik näher betrachtet werden. In Kapitel 3.1 wird die Vektor-Netzwerk-Analysator ferromagnetische Resonanzspektroskopie vorgestellt, die als Ausgangsbasis der Messungen in Kapitel 5 dient und mittels der die verwendeten dünnen YIG-Filme charakterisiert werden können. Diese Methode erlaubt jedoch nur die Untersuchung von Filmen, daher widmet sich Kapitel 3.2 ausführlich der Messemethode der mikrofokussierten Brillouin-Lichtstreuspektroskopie, die Zugang zur Magnetisierungsdynamik von Mikrostrukturen bietet. Dabei werden insbesondere die in dieser Arbeit durchgeführten Modifikationen für eine Messung von YIG-Strukturen näher besprochen. 3.1. Vektor-Netzwerk-Analysator ferromagnetische Resonanzspektroskopie Die Analyse der ferromagnetischen Resonanz (FMR) ist eine häufig genutzte Methode um magnetische Materialien auf ihre Materialeigenschaften zu untersuchen. Dabei geht insbesondere die Untersuchung der resonanten Mikrowellenabsorption dünner magnetischer Schichten auf die Mitte des 20. Jahrhunderts zurück [48] und hat sich auf Basis der theoretischen Beschreibung von C. Kittel [49] als eine wichtige Methode etabliert. Diese gibt Aufschluss über essentielle Parameter des untersuchten Materials, wie die Sättigungsmagnetisierung und die magnetische GilbertDämpfung (vergl. Kap. 2.2.3). Grundlage der Messung der FMR ist die resonante Absorption von Photonen aus einem Mikrowellen-Wechselfeld durch das magnetische System der Probe. Dabei haben sich zwei Methoden etabliert, zum einen die Resonator FMR Spektroskopie und zum anderen die Antennen FMR Spektroskopie [50]. Abbildung 3.1 zeigt die schematische Darstellung des Aufbaus der in dieser Arbeit verwendeten Antennen Vektor-Netzwerk-Analysator FMR Spektroskopie (VNA-FMR). Die magnetische Schicht der zu untersuchende Probe liegt auf einem ungefähr 600 µm breiten und 2 cm langen Kupfer-Streifenleiter (Antenne), der zwischen den Polschuhen eines Elektromagneten pla29 3.1 Vektor-Netzwerk-Analysator ferromagnetische Resonanzspektroskopie Vektor Netzwerk Analysator Probe Hext hMW Stripline-Antenne Magnet Abbildung 3.1: Schematischer Aufbau der Antennen Vektor-Netzwerk-Analysator ferromagnetischen Resonanz Spektroskopie. Die Probe liegt auf einer Kupferantenne, die zwischen zwei Spulen zur Magnetfelderzeugung platziert wird. Für eine möglichst effektive Anregung muss die Antenne parallel zum extern angelegten Magnetfeld eingebracht werden. ziert wird. Ein Vektor-Netzwerk-Analysator1 (VNA) wird an die Antenne angeschlossen. Dieser besteht aus einem integrierten Mikrowellengenerator, zwei Messtoren die jeweils als Ein- und Ausgang fungieren können, sowie einer Analysatorelektronik die sowohl die Amplitude, als auch die Phase eines Signals auswerten kann. Daher dient der VNA im Aufbau zum Anlegen von Mikrowellenströmen mit Frequenzen im Bereich von 10 MHz bis 20 GHz, sowie dem simultanen Messen der sogenannten Streuparameter (S-Parameter) [50]. Diese sind im allgemeinen komplex und beschreiben die Transmission, bzw. Reflektion zwischen den Messtoren. So beschreibt zum Beispiel der Parameter S12 die Transmission von Messtor 2 zu Messtor 1 und der Parameter S11 die Reflexion, also Signalausgang zu Signaleingang von Messtor 1. Der Elektromagnet dient zum Erzeugen eins statischen Magnetfelds Hext in der Probenebene, dabei ist jedoch zu beachten, dass die Antenne parallel zur Feldrichtung eingebracht wird um eine maximale Anregungseffizienz zu erhalten (vergl. Kap. 2.3.5). Um eine winkelabhängige Messungen zu ermöglichen ist zusätzlich eine Winkelskala an der Antenne angebracht (vergl. Abb. 3.2). Das Prinzip der Messung beruht auf der Tatsache, dass aufgrund des angelegte Mikrowellenstroms ein dynamisches Oerstedfeld hMW um die Antenne generiert wird (vergl. Kap. 2.3.5), welches eine Auslenkung der magnetischen Momente in der Probe aus der Ruhelage heraus verursacht. Deckt sich die Anregungsfrequenz fex mit der Resonanzfrequenz fFMR der ferromagnetischen Resonanz, kann effizient Energie aus dem Anregungsfeld absorbiert werden und es kommt zu einer deutlichen Abschwächung der Transmission durch die Antenne, die mittels des VNA gemessen wird. Erfolgt eine Variation der Anregungsfrequenz bei konstantem extern angelegtem Magnetfeld, so lässt sich 1 Typ 30 N5230C, Hersteller Agilent Technologies, Inc., Santa Clara, CA, USA 3.1 Vektor-Netzwerk-Analysator ferromagnetische Resonanzspektroskopie Hext Winkelskala Messtor 2 Messtor 1 Abbildung 3.2: Verwendeter Probenhalter für die VNA-FMR Messungen: Stripline-Antenne mit zusätzlich integrierten Winkelskala. Der Halter wird entsprechend der eingezeichneten Richtung zwischen die Polschuhe eines Elektromagneten geklemmt. a) b) 0,1 Absorption (bel. E.) Transmission S12 (dB) 0,14 0,0 -0,1 -0,2 -0,3 -0,4 -0,5 -0,6 -0,7 7,65 7,70 7,75 7,80 7,85 7,90 Anregungsfrequenz fex (GHz) 0,12 Messpunkt Lorentz-Kurve 0,10 0,08 0,06 0,04 0,02 0,00 7,65 7,70 7,75 7,80 7,85 7,90 Anregungsfrequenz fex (GHz) Abbildung 3.3: a) Typisches Spektrum einer VNA-FMR Messung für einen 98 nm dicken YIG-Film und µ0 Hext = 200 mT : Transmission S12 durch die Antenne in Abhängigkeit der Mikrowellen Anregungsfrequenz fex . b) Aus a) berechnetes Absorptionsspektrum der Probe und an die Messdaten angepasste LorentzKurve. auf diese Weise das Absorptionsprofil und die Resonanzfrequenz der FMR aus dem Transmissionsprofil der Antenne gewinnen (vergl. Abb. 3.3). Für die Auswertung der Resonanzfrequenz wird die bereits in Kap. 2.2.3 vorgestellte Kittel-Formel herangezogen: fFMR (Hext ) = |γ|µ0 q (Hext + (Nx − Nz )Ms ) · (Hext + (Ny − Nz )Ms ) . 2π 31 3.1 Vektor-Netzwerk-Analysator ferromagnetische Resonanzspektroskopie Hier ist γ das gyromagnetische Verhältnis, Ms die Sättigungsmagnetisierung und Nx ,Ny und Nz sind die Komponenten des Entmagnetisierungstensors, die die Formanisotropie breücksichtigen (vergl. Kap. 2.1.8). Für den Fall, dass in der Filmebene zusätzlich eine magnetokristalline Anisotropie vorliegt, kann dies über die effektiven Entmagnetisierungsfaktoren Nxe und Nye beschrieben werden [49]. Diese sind definiert durch: Hxe = −Nxe Mx (3.1) Hye = −Nye My . (3.2) und Damit ergibt sich die modifizierte Kittel-Formel zu: fFMR (Hext ) = |γ|µ0 q (Hext + (Nx + Nxe − Nz )Ms ) · (Hext + (Ny + Nye − Nz )Ms ) . 2π (3.3) Für einen unendlich ausgedehnten Film reduziert sich die Formanisotropie auf eine Komponente ausschließlich entlang der Filmnormalen y und es gilt: Nx = 0 , Nz = 0 und Ny = 1 . (3.4) Wird des weiteren angenommen, dass die Magnetisierung entlang der leichten Achse der als uniaxial vorausgesetzten Anisotropie ausgerichtet ist, so gilt: Nxe = 2Ku 2Ku 2Ks . und Nze = − 2 2 µ0 Ms µ0 Ms µ0 M2s d (3.5) Hier ist Ku die uniaxiale Anisotropiekonstante und Ks dient der Beschreibung einer Anisotropiekomponente entlang der Filmnormalen für einen Film der Dicke d. Die Anisotropie entlang der Filmnormalen kann als Reduktion der Sättigungsmagnetisierung in Gl. 3.3 aufgefasst werden, wodurch sich eine effektive Magnetisierung Meff ergibt für die gilt [50]: Meff = Ms − 2Ks . µ0 Ms d (3.6) Wird nun das Anisotropiefeld Hani eingeführt als Hani = 2Ku , µ0 Ms (3.7) so ergibt sich abschließen aus Gl. 3.3: fFMR (Hext ) = |γ|µ0 p (Hext + Hani ) · (Hext + Hani + Meff ) . 2π (3.8) Die so erhaltene Formel gilt ausschließlich für eine Ausrichtung der Magnetisierung entlang der leichten Achse der magnetokristallinen Anisotropie. Für eine nähere Beschreibung einer beliebige 32 3.1 Vektor-Netzwerk-Analysator ferromagnetische Resonanzspektroskopie Ausrichtung der Magnetisierung oder komplexere Kristallsysteme wird auf [51] und [49] verwiesen. Eine Messung der Resonanzfrequenz in Abhängigkeit des externen Feldes erlaubt nun mittels Anpassung von Gleichung 3.3 an die Messdaten die Sättigungsmagnetisierung sowie das Anisotropiefeld zu gewinnen. Durch Anpassung eines Lorentz-Profils an die Absorptionskurve (Abb. 3.3b)) kann aus der Messung ebenfalls die Frequenzlinienbreite ∆ fFMR der FMR gewonnen werden. Wird diese mittels ∂ Hext ( fFMR ) ∂ fFMR (Hext ) −1 ∆H = ∆ fFMR = ∆ fFMR ∂ fFMR ∂ Hext (3.9) und unter Zuhilfenahme von Gleichung 3.8 in die entsprechende Feldlinienbreite ∆H umgerechnet [52], so kann eine einfache lineare Anpassung genutzt werden um den Gilbert-Dämpfungsparameter α zu erhalten: 4πα fFMR . (3.10) γ Dieser beschreibt die in der Landau-Lifschitz-Gilbert Gleichung (Gl. 2.50) auftretenden Term der µ0 ∆H = µ0 ∆H0 + viskosen Dämpfung. Der Achsenabschnitt µ0 ∆H0 , auch inhomogene Linienbreite genannt, beschreibt den nicht-viskosen Anteil der Dämpfung (vergl. Kap. 2.3.1). Die Methode der VNA-FMR erlaubt also die Charakterisierung von magnetischen Filmen im Hinblick auf die Sättigungsmagnetisierung Ms , das Anisotropiefeld Hani und die Gilbert-Dämpfung α . Die Methode ist jedoch ungeeignet zur Untersuchung von Mikrostrukturen, da die Absorption aus dem Mikrowellenfeld mit dem untersuchten Materialvolumen skaliert. Daher wird die VNA-FMR im Rahmen dieser Arbeit nur zur Filmcharakterisierung und als Vergleichsmethode für die im folgenden Kapitel besprochenen Methode der Brillouin-Lichtstreuspektroskopie genutzt, mittels der wiederum eine Analyse von Mikrostrukturen möglich ist. 33 3.2 Brillouin-Lichtstreuspektroskopie 3.2. Brillouin-Lichtstreuspektroskopie Die Brillouin-Lichtstreuspektroskopie (BLS) ist neben Methoden wie der induktiven Untersuchung der ferromagnetischen Resonanz, Neutronenstreuung oder zeitaufgelösten Verfahren auf Basis des magneto-optischen Kerr- und Faradayeffekts eine der wichtigsten Methoden um Spinwellen zu untersuchen [44,53]. Die Methode beruht dabei auf der inelastischen Streuung von Photonen an Magnonen, es handelt sich also um ein optisches Verfahren. Dies ermöglicht es mit fokussiertem Licht zu arbeiten und die Methode erlaubt daher die Untersuchung von Mikrostrukturen. In diesem Kapitel sollen die Grundlagen dieser Methode erläutert, sowie auf den hier verwendeten Aufbau der mikrofokussierten BLS eingegangen werden. 3.2.1 Grundlagen der Brillouin-Lichtstreuspektroskopie Die Grundlage der Brillouin-Lichtstreuspektroskopie ist die inelastische Streuung von Photonen des sichtbaren Spektralbereichs an Spinwellen, also den elementaren Anregungen des magnetischen Systems eines Festkörpers, und deren Quasiteilchen den Magnonen (vergl. Kap. 2.3). Gilt für das System eine vollständige Translations- und Zeitinvarianz, so ist dabei die Impuls- und Energieerhaltung erfüllt, d.h. für ein einfallendes Photon mit Frequenz ωe und Wellenvektor ke gilt für eine Streuung an einem Magnon mit Frequenz ωsw und Wellenvektor ksw : h̄ωg = h̄ωe ± h̄ωsw (Energieerhaltung) (3.11) h̄kg = h̄ke ± h̄ksw (Impulserhaltung). (3.12) und Dabei ist ωg die Frequenz und kg der Wellenvektor des gestreuten Photons. Wie in Gleichungen 3.11 ersichtlich ist, kann dabei die Energie des gestreuten Photons sowohl kleiner als auch größer sein als die des einfallenden Photons. Dies korrespondiert mit der Erzeugung (Energieabsenkung), Stokes-Prozess genannt, bzw. mit der Vernichtung (Energieanhebung), Anti-StokesProzess genannt, eines Magnons im Streuprozess (vergl. Abb. 3.4). Neben dieser Beschreibung im Teilchenbild, kann der Streuprozess von Photonen an Magnonen auch in einem klassischem Bild verstanden werden. Durch die Spin-Bahn-Kopplung erzeugen die präzedierenden magnetischen Momente eine Modulation des dielektrischen Tensors mit der Frequenz der Spinwelle und damit einen zeitabhängigen Beitrag zur elektrischen Polarisation [55]. Dies kann auch als ein sich bewegendes Phasengitter verstanden werden, an dem das einfallende Licht streuen kann. Dabei gilt, dass eine an einer Spinwelle mit Propagationsgeschwindigkeit ωsw vsw = 2 ksw ksw (3.13) reflektierte ebene Welle durch die Doppler-Verschiebung eine Frequenz von ωg = ωe − ksw · vsw 34 (3.14) 3.2 Brillouin-Lichtstreuspektroskopie Erzeugung einer Spinwelle (Stokes-Prozess) Vernichtung einer Spinwelle (Anti-Stokes-Prozess) Abbildung 3.4: Schematische Darstellung der Erzeugung, bzw. Vernichtung einer Spinwelle der Frequenz ωSW in einem Streuprozess mit Licht der Frequenz ωe . Abbildung entnommen aus [54]. besitzt. Gleichzeitig gilt, da der reziproke Gittervektor G dem Wellenvektor der Spinwelle entspricht, die Laue-Bedingung [56]: G = ksw = ke − kg . (3.15) Dies führt wiederum auf die Gleichungen 3.11 und 3.12. Außerdem gilt, dass die dynamische Magnetisierung nur Einfluss auf die Nebendiagonalelemente des dielektrischen Tensors hat, wodurch für linear polarisierte elektromagnetische Wellen nur solche miteinander gekoppelt werden, welche eine Polarisationsdrehung von π2 zueinander aufweisen [29]. Dies bedeutet, dass das inelastisch gestreute Licht eine Polarisationsdrehung von 90 ° gegenüber dem einfallenden Licht erfährt, eine für die Konfiguration des Messaufbaus vorteilhafte Eigenschaft dieses Streuprozesses. Nach den Gleichungen 3.11 und 3.12 ist es möglich aus BLS-Messungen sowohl die Frequenz als auch den Impuls und damit den Wellenvektor der Spinwelle zu bestimmen, wenn die Frequenz und der Wellenvektor des einfallenden und des gestreuten Lichtes bekannt sind. Die Messung der Frequenzverschiebung des gestreuten Lichts erfolgt über ein Interferometer dessen Funktionsprinzip in Kapitel 3.2.4 beschrieben ist, während die Bestimmung des Wellenvektorübertrags von einfallendem und gestreutem Licht über eine Ermittelung des Einfalls- und Ausfallswinkel der Photonen erfolgt. Dies ist möglich, da bei dünnen Filmen die Translationsinvarianz nur in der Ebene des Films gültig ist und dadurch nur die Wellenvektorkomponenten in der Ebene der Impulserhaltung unterliegen. Für die Wellenvektorkomponente des einfallende Lichts in der Ebene ke,Schicht gilt mit dem Einfallswinkel ϑ (relativ zur Filmnormalen): ke,Schicht = ke sin(ϑ). (3.16) Wird in der sogenannten Rückwärts-Streugeometrie (vergl. Abb. 3.5) gemessen, d.h. das gestreute Licht wird mit der gleichen Linse unter dem gleichen Winkel ϑ auf die Probe geleitet und wieder 35 3.2 Brillouin-Lichtstreuspektroskopie aufgesammelt, gilt nach Gleichung 3.12 in der Ebene: ksw,Schicht = ke sin(ϑ) − ke sin(ϑ) = 2ke sin(ϑ). (3.17) Dabei ergibt sich die letzte Relation dadurch, dass aufgrund der Geometrie der Betrag des Wellenvektors der einfallenden und der gestreuten Welle gleich sein muss. Der nach Gleichung 3.17 maximal detektierbare Spinwellen-Wellenvektor ist für einen Einfallswinkel von ϑ = 90 ° zu erreichen und entspricht dem doppelten Wellenvektor des einfallenden Lichtes in der Schicht. Da der im Experiment verwendete Laser eine Wellenlänge von λLaser = 491 nm besitzt, ergibt sich dieser also zu kmax sw,Schicht = 2 2π ≈ 25, 6 rad µm−1 , (3.18) λLaser wodurch sich die Untersuchung von Spinwellen mittels der BLS auf kleine Wellenvektoren nahe des Zentrums der Brillouin-Zone und damit auf dipolar dominierte Spinwellen beschränkt [57]. ke ϑ ksw,Schicht kg Abbildung 3.5: Schematische Darstellung der Rückwärts-Streugeometrie. Der maximal Wellenvektorübertrag ist für ϑ = 90 ° zu erreichen. Abbildung nach [58]. 3.2.2 Die mikrofokussierte Brillouin-Lichtstreuspektroskopie Wie im vorherigen Abschnitt beschrieben, bietet die BLS die Möglichkeit sowohl die Frequenz als auch den Wellenvektor von Spinwellen zu messen. Um dabei eine gute Wellenvektorselektivität zu erreichen muss das Licht aus einem möglichst kleinen Raumwinkel auf die Probe treffen. Dies ist z.B. durch die Nutzung einer langbrennweitige Linse gewährleistet, wodurch jedoch die minimale Größe des Fokus begrenzt wird. Mit der Laserwellenlänge λLaser , der numerischen Apertur NA = n sin(ϑ) der Linse und dem Brechungsindex n des umgebenden Materials (n ≈ 1 für Luft) gilt für die minimal realisierbare Fokusgröße [20]: λLaser . (3.19) NA Für eine gute Wellenvektorselektivität, also eine kleine numerische Apertur, wird daher die midmin ≈ 0, 61 nimale Fokusgröße sehr groß und liegt typischerweise im Bereich von einigen zehn Mikrometern [57] und beschränkt damit die Untersuchungen auf Filme und makroskopische Strukturen. 36 3.2 Brillouin-Lichtstreuspektroskopie Abbildung 3.6: Schematische Darstellung der Streugeometrie der mikrofokussierten BLS. Der maximal mögliche Impulsübertrag ist durch der roten Kreis gegeben. Jeder Impulsübertrag der innerhalb des Kreises liegt führt zu einer Rückstreuung des Lichtes in das Objektiv und wird detektiert. Abbildung entnommen aus [54]. Für die Untersuchung von Mikrostrukturen muss zugunsten der benötigten Ortsauflösung daher ein mikrofokussierendes Objektiv mit einer hohen numerischen Apertur verwendet werden. Da dies wiederum einen größeren Raumwinkel des einfallenden Lichts mit sich zieht wird auch der Bereich der detektierten Wellenvektoren größer, wodurch die Wellenvektorauflösung verringert wird (vergl. Abb. 3.6). Diese Methode wird auch mikrofokussierte BLS oder Brillouin-Lichtstreumikroskopie (µBLS) genannt [59]. Durch die Streugeometrie ergibt sich zusätzlich eine mit größer werdendem Spinwellen-Wellenvektor abfallende Detektionseffizienz. So gilt für eine Streuung an einer Spinwelle mit ksw,Schicht = 0, dass das gesamte inelastisch gestreute Licht wieder vom Objektiv aufgesammelt wird. Für einen steigenden Spinwellen-Wellenvektor gilt jedoch, dass nur noch das vom äußeren Rand des Objektives auf die Probe gelenkte Licht wieder aufgesammelt werden kann, während der restliche Anteil am Objektiv vorbei gestreut und somit nicht detektiert wird [57]. Da in dieser Arbeit YIG-Mikrostrukturen untersucht werden sollen ist eine gute Ortsauflösung essentiell, daher kommt die mikrofokussierte BLS zum Einsatz, deren Aufbau im nächsten Abschnitt beschrieben wird. 3.2.3 Experimenteller Aufbau In dieser Arbeit wird die im vorangegangenen Abschnitt beschriebene mikrofokussierte BLS genutzt, um die Magnetisierungsdynamik in den hergestellten Mikrostrukturen zu untersuchen. Der dazu verwendete experimentelle Aufbau ist schematisch in Abb. 3.7 abgebildet. Als Lichtquelle dient ein diodengepumter einmodiger-Festkörperlaser2 mit einer Wellenlänge von λLaser = 491 nm und einer maximalen Ausgangsleistung von PLaser = 200 mW. Bedingt durch den hohen Kontrast 2 Betrieb auf einer Laserlongitudinalmode, bzw. starke Unterdrückung der Nebenmoden 37 3.2 Brillouin-Lichtstreuspektroskopie des verwendeten Interferometers (vergl. Kap. 3.2.4) ist die Unterdrückung der unerwünschten longitudinalen Nebenmoden des einmodigen-Lasers nicht ausreichend und es muss ein zusätzlicher Lasermodenfilter im Strahlengang platziert werden, dessen Transmission über eine Photodiode (Diode 2 in Abb. 3.7) auf die gewählte Lasermode stabilisiert wird. Das linear polarisierte Laserlicht kann durch eine im Strahlengang positionierte drehbare λ2 -Platte (Platte 1 in Abb. 3.7) in der Polarisation auf eine gewünschte Ausrichtung gedreht werden. Dies ermöglicht es die in einem darauffolgenden fest stehenden polarisierenden Strahlteiler ausgekoppelte Laserleistung einzustellen, wobei der ausgekoppelte Strahl im Folgenden als Referenzstrahl zur Stabilisierung des Interferometers dient (nähere Beschreibung in Kap. 3.2.4). Der transmittierte Laserstrahl wird dagegen anschließend durch einen Teleskop aufgeweitet und durch eine Blende beschnitten, sodass nur der homogene innere Teil des Strahls transmittiert wird. Die minimale Apertur der Blende ist dabei durch die Größe der Eintrittslinse des Mikroskopobjektivs gegeben, da diese vollständig ausgeleuchtet werden muss um die maximale Ortsauflösung zu erreichen. Eine zweite λ 2 -Platte (Platte 2) dient erneut zur variablen Drehung der Polarisation, über die nun die zur Probe geleitete Laserleistung eingestellt werden kann. Dazu ist vor dem Mikroskopobjektiv ein weiterer polarisierender Strahlteiler eingebracht, der das einfallende Licht abhängig von der Polarisationsausrichtung anteilig zum Objektiv, bzw. weiter auf einen Strahlblocker leitet, wodurch die Drehung von Platte 2 die zur Probe geleitete Laserleistung bestimmt. Das integrierte Mikroskopobjektiv3 besitzt eine numerische Apertur von NA = 0, 75, einen Vergrößerungsfaktor von 100 und einen Arbeitsabstand von 4 mm. Dadurch ergibt sich nach Gleichung 3.19 ein minimaler Fokusdurchmesser von dmin ≈ 400 nm. Der maximal detektierbare Spinwellen-Wellenvektor ist durch den maximalen Einfallswinkel bestimmt, der sich aus der numerische Apertur des Objektives mit NA ϑmax = arcsin n (3.20) −1 zu ϑmax ≈ 49 ° ergibt. Nach Gleichung 3.17 folgt damit kmax sw,Schicht ≈ 19, 3 rad µm . Da der Auf- bau in Rückwärts-Streugeometrie (vergl. Kap. 3.2.1) arbeitet, fokussiert das Objektiv das Licht nicht nur auf die Probe, sondern sammelt auch das gestreute Licht wieder auf. Dabei wird sowohl das elastisch als auch das inelastisch an Magnonen gestreute Licht wieder aufgesammelt, jedoch nur das an Magnonen gestreute Licht erfährt eine Drehung der Polarisation von 90° (vergl. Kap. 3.2.1) und wird ungehindert durch den polarisierenden Strahlteiler transmittiert. Das transmittierte Magnonen-Signal wird abschließend zur Frequenzanalyse in das Interferometer geleitet, dessen Aufbau ausführlich in Kapitel 3.2.4 besprochen wird. Da das elastisch gestreute Licht keine Polarisationsdrehung erfährt, wird ein Großteil dieses Signals durch den polarisierenden Strahlteiler unterdrückt, wodurch sich das Signal-zu-Rausch-Verhältnis entscheidend verbessert. Dieses zurücklaufende Signal wird stattdessen zur automatischen Stabilisierung des Fokus in z-Richtung 3 Zeiss 38 100x/0,75 LD EC Epiplan-Neofluar Objektiv 3.2 Brillouin-Lichtstreuspektroskopie Blende Spektralfilter Photodetektor ShutterSystem Verschiebebühne Blende Photodiode 2 Referenzstrahl polarisierender Strahlteilerwürfel Strahlblocker z polarisierender Strahlteilerwürfel λ/2Platte 2 Strahlteilerwürfel Mikroskopobjektiv y Teleskop Blende Modenfilter Blende λ/2Platte 1 Laserfilter Photodiode 1 CCD-Kamera Festkörperlaser λLaser = 491 nm x Probentisch mit xy-Positionierung Weißlichtquelle Abbildung 3.7: Schematische Darstellung des Versuchsaufbau der mikrofokussierten BLS. Der obere Teil (blauer Kasten) stellt das zur Frequenzanalyse genutzte Interferometer dar. Abbildung nach [54]. genutzt (Autofokus), indem es durch eine Blende auf eine Photodiode (Diode 1) geleitet wird, die über die Steuersoftware in Rückkopplung mit einem elektrisch steuerbaren Piezoelement steht, auf dem der Probenhalter befestigt ist. Für die Messung an Mikrostrukturen ist es notwendig den Fokus des Lasers auch lateral zielgenau auf der Probe positionieren zu können. Um dies zu ermöglichen, ist der Probentisch mittels Mikrometerschrauben in der Probenebene verfahrbar und über einen weiteren nicht polarisierenden Strahlteiler sind eine Weißlichtquelle und eine CCD-Kamera in den Strahlengang eingekoppelt. Diese erlauben eine Abbildung der Probenoberfläche und damit eine genaue Positionierung des Lasers auf der Probe. Da jedoch zum Schutz der Kamera ein Laserfilter eingebaut ist, ist die Lage 39 3.2 Brillouin-Lichtstreuspektroskopie des Laserfokus im Kamerabild nicht sichtbar und muss mittels einer Kalibrierungsmessung bestimmt werden. Dazu wird anhand einer Strecke mit veränderlicher Reflexion (z.B. quer zu einem Streifen) die reflektierte Intensität sowohl mittels Kamera, als auch über die Photodiode 1 gemessen und dann gegeneinander abgeglichen [54]. Zusammenfassend erlaubt der hier gezeigte Aufbau einen Untersuchung von Mikrostrukturen mit einer guten Ortsauflösung. Die abschließende Frequenzanalyse des inelastisch gestreuten Lichts wird nun im nächsten Abschnitt besprochen. 3.2.4 Das Tandem-Fabry-Pérot Interferometer Zur Analyse des inelastisch gestreuten Lichts wird ein Tandem-Fabry-Pérot-Interferometer (TFPI) genutzt, welches von John R. Sandercock4 entwickelt wurde [60]. Basis dieses Interferometers ist das Fabry-Pérot-Interferometer (FPI) [20,32], dessen Funktionsprinzip hier im Folgenden erläutert werden soll bevor näher auf das TFPI eingegangen wird. Ein FPI besteht aus zwei planparallelen Spiegeln die im Abstand d voneinander positioniert sind und bei denen jeweils die Außenseiten mit einer Antireflexschicht und die Innenseiten mit einer hochreflektiven Schicht versehen sind (vergl. Abb. 3.8). Wird Licht unter einem Winkel β zur Normalen der Oberfläche der Spiegel eingestrahlt, hochreflektierende Schicht β Abbildung 3.8: Schematische Darstellung eines FPI, mit zwei planparallele Spiegeln. Um Eintrittsverluste in das Interferometer zu minimieren werden die Außenseiten mit einer Antireflexschicht bezogen. Abbildung nach [26]. so kommt es zur Vielstrahlinterferenz, deren Ergebnis vom Phasenunterschied ∆φ der Teilstrahlen abhängig ist. Für eine maximale Transmission durch das Interferometer, also konstruktiver Interfe4 Hersteller, 40 JRS Scientific Instruments, Mettmenstetten, Schweiz 3.2 Brillouin-Lichtstreuspektroskopie renz, muss der Phasenunterschied zweier benachbarter Teilstrahlen ein ganzzahlig Vielfaches von 2π betragen, d.h. es muss gelten ∆φ = 2π m mit m = 1, 2, 3, ... . Gleichzeitig gilt jedoch: ∆φ = 4π nd 2π , ∆s = λ λ cos(β) (3.21) (3.22) mit der Wellenlänge λ des eingestrahlten Lichts, dem Brechungsindex n des Materials zwischen den Spiegeln und dem optischen Wegunterschied ∆s. Kombinieren der Gleichungen 3.21 und 3.22 ergibt die Bedingung: c λ λ cos(β) = m = m , (3.23) 2n 2 2ν mit der Lichtgeschwindigkeit c und der Frequenz ν des Lichtes. Die mittlere Relation ergibt sich d=m dabei für die im Experiment gültigen Bedingungen des senkrechten Lichteinfall (β = 0 °) und Luft zwischen den Spiegeln (n ≈ 1). Die Transmission ist also maximal, wenn die Resonatorlänge einem Vielfachen der halben Wellenlänge entspricht. Die Transmission IT eines FPI wird durch die Airy-Formel beschrieben: IT = I0 1 1 + F sin( ∆φ 2 ) , (3.24) deren Verlauf in Abbildung 3.9 gezeigt ist. Hier ist I0 die eingestrahlten Intensität und F die sogenannt Finesse des Interferometers, die sich aus dem Verhältnis des freien Spektralbereichs (engl. free spectral range, FSR), also dem Abstand zweier Transmissionsordnungen m und m + 1 und deren voller Halbwertsbreite δν ergibt. Die Finesse ist also ein Maß für das Auflösungsvermögen eines FPI und ist nur durch die Reflektivität R der Spiegel bestimmt: F= 4R . (1 − R)2 (3.25) Für eine hohe Finesse und ein gutes Auflösung ist also eine hohe Reflektivität der Spiegel notwendig. Abbildung 3.9 zeigt den Verlauf der Transmission eines FPI in Abhängigkeit der Frequenz für verschiedene Werte der Finesse für einen konstanten Spiegelabstand. Um ein ausreichendes Aufösungsvermögen zu gewährleisten liegt die Finesse des in dieser Arbeit verwendeten FPI im Bereich von 80 ≤ F ≤ 110 [61]. Um ein FPI nun zum Messen des Frequenzunterschieds zweier Lichtstrahlen zu nutzen, wählt man den Spiegelabstand ds so, dass die Transmission des ersten Strahls (dessen Frequenz bekannt sein muss) maximal wird, wobei dieser im Folgenden als Referenzstrahl dient. Bezüglich dessen Spiegelabstand dR ist die Spiegelabstandsänderung ∆d die benötigt wird um die Transmission des zweiten Strahls zu maximieren ∆d = dS − dR . Die Wellenlänge λS des zweiten Strahls ergibt sich mit Gleichung 3.23 damit zu: ∆d 2dS , = λR 1 + λS = m dR (3.26) 41 3.2 Brillouin-Lichtstreuspektroskopie Normierte Transmission 1,0 Abbildung 3.9: Transmission eines FPI für verschiedene Finessen F. Der freie Spektralbereich FSR ist der Abstand zweier aufeinanderfolgender Transmissionsordnungen m und m + 1. Abbildung nach [35]. FSR 0,8 F = 100 0,6 F = 20 0,4 δν F=5 0,2 0,0 Frequenz (bel. E.) mit der Wellenlänge λR des Referenzstrahls. Daraus kann nun mit der Lichtgeschwindigkeit c die Frequenzdifferenz ∆ν der Strahlen berechnet werden: ∆ν (∆d) = νS − νR = c λR 1 + ∆d dR − c c ∆d ∆d c ≈− . =− λR λR dR + ∆d λR dR (3.27) Die Näherung im letzten Schritt ist aufgrund der im Experiment gegebenen Bedingungen gerechtfertigt. So beträgt der Spiegelabstand einige Millimeter, während für die Analyse von Frequenzverschiebungen im GHz-Bereich die Änderung des Spiegelabstandes kleiner als ein Mikrometer ist. Nach diesem Prinzip erfolgt nun die Frequenzanalyse des BLS-Signals. Als Referenzsignal dient der, wie in Abb. 3.7 dargestellt, ausgekoppelte Referenzstahl und die Frequenzdifferenz des inelastisch gestreuten Magnonensignals wird über eine Variation des Spiegelabstandes bestimmt. Da jedoch das gestreute Licht sowohl zu höheren als auch zu niedrigeren Frequenzen verschoben sein kann (Stokes- und Anti-Stokes-Prozess, vergl. Kap 3.2.1) und insbesondere die FPI-Transmissionsfunktion periodisch ist (vergl. Abb. 3.9), ist keine eindeutige Zuordnung des Signals möglich. Es kann z.B. anhand des Spektrums nicht unterschieden werden, ob es sich um ein Anti-StokesSignal einer bestimmten Transmissionsordnung oder um ein Stokes-Signal der darauffolgenden höheren Transmissionsordnung handelt (vergl. Abb. 3.11a)). Daher muss eine spezielle Anordnung aus zwei FPI genutzt werden, die Tandem-Fabry-Pérot-Interferometer (TFPI) genannt wird. In Abbildung 3.10 ist schematisch die Anordnung gezeigt, in der die zwei FPIs unter einem Winkel α zueinander angeordnet sind. Während die jeweils linken Spiegel fest montiert sind, befinden sich die jeweils rechten Spiegel auf einer in der gekennzeichneten Richtung verfahrbaren Bühne, mit der der Spiegelabstand variiert werden kann. Das Licht wird über einen Umlenkspiegel, sowie zwei Prismen je dreimal durch die FPIs geleitet, bevor es zur Detektion in einen Photodetektor5 5 Single 42 Photon Counting Module Count-10B, Hersteller: Laser Components, Olching, Deutschland 3.2 Brillouin-Lichtstreuspektroskopie geleitet wird. Durch die Anordnung unter einem Winkel sind die jeweiligen Spiegelabstände d1 und d2 nicht mehr unabhängig voneinander und es gilt: d2 = d1 cos(α) . (3.28) Erfolgt eine Verschiebung der Bühne um ∆z, so gilt: d1 → d1 + ∆z (3.29) d2 → d2 + ∆z cos(α) = (d1 + ∆z) cos(α) . (3.30) Befindet sich also das erste Interferometer in der Transmissionsordnung p und das zweite Interferometer in der Ordnung q und es erfolgt eine Verschiebung von ∆z = λ2 , so geht das erste Interferometer in die Ordnung p → p + 1 über, während für das zweite gilt: d2 = q λ λ λ λ + cos(α) = (q + cos(α)) 6= (q + 1) . 2 2 2 2 (3.31) Damit ist die Bedingung für maximale Transmission (vergl. Gl. 3.23) nicht mehr erfüllt und es erfolgt eine Unterdrückung der höheren Transmissionsordnung. Im Aufbau wird so nur die Hauptordnung durch beide FPIs transmittiert, während durch den mehrfachen Durchgang des Lichts durch beide FPIs, die benachbarten Ordnungen vom jeweilig anderen FPI unterdrückt werden, wodurch eine eindeutige Signalzuordnung möglich wird. Durch den insgesamt sechsfachen Durchgang durch die Interferometer ergibt sich ein Unterdrückungsfaktor von ca. 1010 − 1012 [61, 62]. Abbildung 3.11 stellt die Transmission der einzelnen FPIs und die kombinierte Transmission des TFPI dar. Der hier aufgeführte hohe Kontrast ist nicht nur zur Unterdrückung der benachbarten Ordnungen notwendig, sondern insbesondere essentiell um den magnonischen Signalanteil aufzulösen. Durch die hohe Finesse der FPIs ist die Parallelität der Spiegel essentiell, daher müssen diese insbesondere auch gegen thermische Schwankungen stabilisiert werden. Dies wird über eine aktive Stabilisierung mittels Piezoelemente realisiert, die eine Verkippung der Spiegel ermöglichen. Ein Doppelshutter-System an der Eingangsapertur des Interferometers ermöglicht das variable Wechseln zwischen dem Probensignal und dem in der Intensität stark reduzierten Referenzstrahl, wodurch für einen bestimmten Spiegelabstand nahe des Transmissionsmaximum der Referenz auf den Referenzstrahl umgeschaltet werden kann, auf den die Transmission des Interferometers mittels einer Software maximiert wird. Die notwendige Stabilisierung erzwingt dadurch ein ständiges durchfahren des Spiegelabstandes um auf das Referenzsignal stabilisieren zu können, wodurch nur kurze Einzelmessungen möglich sind. Eine solche Einzelmessung bedeutet die Aufnahme der transmittierten Intensität in Abhängigkeit des Spiegelabstandes der Interferometer um daraus die Frequenzverschiebung des Signals nach Gleichung 3.27 zu berechnen. Um letztendlich ein Spektrum zu erhalten ist aufgrund der sehr geringen Intensität des magnonischen Signals in der Regel eine Vielzahl dieser Messungen notwendig. 43 3.2 Brillouin-Lichtstreuspektroskopie Abbildung 3.10: Schematische Darstellung des Strahlengangs durch das TFPI. Das Licht durchläuft jedes FPI je dreimal und wird anschließend in einen Photodetektor geleitet um die Intensität zu messen. Die Funktion ist im Text beschrieben. Abbildung aus [54]. Die in diesem Kapitel gezeigte spezielle Anordnung des TFPIs ermöglicht die Frequenzanalyse des in der BLS gewonnenen inelastisch gestreuten magnonischen Lichtes. Dabei ist insbesondere der hohe Kontrast essentiell. Zusätzlich erlaubt diese Anordnung eine eindeutige Frequenzzuordnung des erhaltenen Signals. 3.2.5 Messung von YIG-Mikrostrukturen Zur Messung von Mikrostrukturen mit Hilfe der BLS kann in der Regel zur Anregung der Magnetisierungsdynamik keine makroskopische Antenne wie in den VNA-FMR-Messungen (vergl. Kap. 3.1) genutzt werden. Ursache dafür ist, dass viele Substratmaterialien wie Silizum optisch dicht sind und die Strukturen daher nicht direkt auf der Antenne plaziert werden können, da sonst der optische Zugang für die BLS blockiert ist. Werden die Strukturen jedoch mit der Substratunterseite auf der Antenne platziert muss die Anregung durch das Substrat erfolgen. Aufgrund der in der Regel hohen Mikrowellenabsorption des Substrates ist die Anregung dadurch jedoch ineffizient, bzw. nicht möglich. Als alternative Anregungsmethode dienen im Strukturierungsprozess auf die Probe aufgebrachte Mikroantennen, bzw. Koplanare-Wellenleiter-Antennen, die mittels sogenannter Picoprobes6 an den Mikrowellenschaltkreis angeschlossen werden. Dies ist jedoch mit einigen Einschränkungen verbunden, so ist ein gewisser Arbeitsabstand erforderlich um diese Technik zu nutzen, wodurch die numerische Apertur eingeschränkt und die Ortsauflösung begrenzt 6 GGB 44 Industries Inc., Naples, Florida 34101. 3.2 Brillouin-Lichtstreuspektroskopie a) b) c) Abbildung 3.11: Transmissionscharakteristik der einzelnen FPIs (a) und b)) sowie die Überlagerung des Tandem-FPI (c)). Für jede Transmissionsordnung ist das Referenzsignal sowie ein an Spinwellen mit Frequenz fsw = |∆S |, ∆AS | gestreutes Stokes, bzw. Anti-Stokes-Signal abgebildet (vergl. Kap. 3.2.1). Für ein einzelnes FPI ist die Zuordnung des magnonischen Signals nicht eindeutig. Für ein TFPI ist dies aufgrund der unterschiedlichen Verfahrwege und Spiegelabstände jedoch möglich. Abbildung nach [35]. wird. Darüber hinaus ist dies mit einem größeren Arbeitsaufwand verbunden, da ein zusätzlicher Mikrostrukturierungsprozess durchgeführt werden muss. Die Untersuchung von YIG-Strukturen stellt hingegen einen Sonderfall dar. Da das verwendete GGG-Substrat ein elektrischer Isolator ist kann eine Anregung aufgrund der deutlich geringeren Mikrowellenabsorption prinzipiell durch das Substrat erfolgen. Gleichzeitig ist es aber ebenfalls transparent für die verwendete Laserwellenlänge und der optische Zugang durch das Substrat ist möglich. Daher können die genannten Probleme umgangen werden und analog zur VNA-FMRMethode (vergl. Kap. 3.1) wird eine makroskopische Antenne zur Anregung der Magnetisierungs45 3.2 Brillouin-Lichtstreuspektroskopie dynamik genutzt (vergl. Abb. 3.12a)). Ein Eingang der Antenne wird an einen Mikrowellengenerator angeschlossen der zum Anlegen eines Mikrowellenstroms dient und an das andere Ende wird ein Mikrowellenabsorber angeschlossen um Reflexionen zu verhindern. Da die Polschuhe des Elektromagneten im verwendeten Aufbau den seitlichen Zugang blockieren, zur effizienten Anregung die Antenne jedoch parallel zum externen Feld ausgerichtet sein muss (vergl. Kap. 2.3.5), wird eine gebogene Antenne verwendet. Der Vorteil ist, dass die gleiche Antenne für alle Strukturen genutzt werden kann und durch die große Breite ein über die Strukturdimension homogenes Oerstefeld generiert wird (vergl. Kap. 2.3.5). Zusätzlich kann ein Objektiv mit einem minimalen Arbeitsabstand verwendet werden, da keine Bauteile zwischen Objektiv und Probe eingebracht werden müssen. Diese Methode wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit µBLS-FMR genannt. a) b) Laser MW-Absorber Hext GGG-Substrat MW-Generator YIG Kupfer-Antenne Abbildung 3.12: a) Probenhalter mit Anregungsantenne für die durchgeführten µ-BLS-FMR Messungen. Die Stripline-Antenne dient ausschließlich zur Anregung der Magnetisierung und wird daher mit einem Mikrowellengenerator verbunden. Überflüssige Mikrowellenleistung wird von einem MW-Absorber absorbiert. Die Position der Probe der ist in blau gekennzeichnet. b) Messkonfiguration zur Messung der YIG Mikrostrukturen. Da YIG wie schon erwähnt ein Isolator ist (vergl. Kap. 4.1), wird es sowohl in den VNA-FMR, als auch bei den µBLS-FMR Messungen in der Regel in direkten Kontakt mit der Antenne gebracht (vergl. Abb. 3.12b)) um die Anregungseffizienz zu steigern. Dadurch muss der optische Zugang der µBLS durch das 500 µm dicke Gadolinium-Gallium-Granat (GGG) Substrat (vergl. Kap. 4.1.2) erfolgen. Für die Messungen an Mikrostrukturen stellt dies ein Problem dar, da die zusätzliche Brechung des Lichts im Substrat keinen definierten Fokuspunkt mehr ermöglicht. Zusätzlich ist es nicht mehr möglich eine scharfe Abbildung der Strukturen mittels der integrierten CCD-Kamera (vergl. Kap. 3.2.3) zu erhalten, lediglich größere Strukturen mit mehreren Mikro46 3.2 Brillouin-Lichtstreuspektroskopie metern Abmessung können noch aufgelöst werden. Für zeitaufwändigere Untersuchungen ist dies aber nicht ausreichend, da während der Messung eine Stabilisierung erfolgen muss, um eine thermische bedingte laterales Driften der Struktur aus dem Laserfokus zu verhindern. Dazu werden im Strukturierungsprozess sogenannte Stabilisierungsmarken (vergl. Kap. 4) auf die Probe aufgebracht, auf die eine optische Stabilisierung der Probenposition mittels Rückkopplung zum Piezoelement (vergl. Kap. 3.2.3) erfolgt. Für eine zu schlechte Bildqualität ist der Stabilisierungsalgorithmus jedoch nicht mehr in der Lage dies zu gewährleisten. Eine Möglichkeit dieses Problem zu beheben, stellt die Verwendung eines speziellen Objektives dar, dass eine sogenannte Deckglaskorrektur besitzt. Für das verwendete Objektiv7 ist diese für eine Glasdicke von 0 − 0, 7 mm variabel einstellbar. Mit diesem ist es möglich die Brechung des Lichts am GGG-Substrat zu kompensieren und einen definierten Fokus, sowie eine scharfe Abbildung der zu untersuchenden Strukturen zu erhalten. Dieses Objektiv besitzt einen Arbeitsabstand von nur 0, 9 mm bis 1, 2 mm (bedingt durch die variable Korrektur) und eine numerische Apertur von NA = 0, 85. Da das GGG-Substrat bereits 0, 5 mm dick ist verbleibt ein effektiver Arbeitsabstand im Bereich von 0, 5 mm. Die Ortsauflösung verbessert sich (nach Gl. 3.19) damit zu dmin ≈ 350 nm und der maximal detektierbare SpinwellenWellenvektor vergrößert sich durch den größeren Öffnungswinkel von ϑ ≈ 58 ° (nach Gl. 3.17) auf ksw,Schicht ≈ 22 rad µm−1 . Die im Verlauf dieser Arbeit durchgeführten Messungen am unstrukturierten Film, sowie die Messungen an den größten Mikrostrukturen (a = 4, 8 µm) wurden alle (bis auf Kap. 5.2.3) mit dem in Kap. 3.2.3 beschriebenen Objektiv durchgeführt. Aufgrund der angesprochenen Probleme wurde für alle weiteren Messungen an den kleineren Mikrostrukturen auf das Objektiv mit Deckglaskorrektur gewechselt. 7 Olympus 100x/0,85 LCPLFLN-LCD Objektiv 47 3.2 Brillouin-Lichtstreuspektroskopie 48 KAPITEL 4 Probenherstellung und Material Nach der Beschreibung der verwendeten Messmethoden und des experimentellen Aufbaus zur Messung von Yttrium-Eisen-Granat-Mikrostrukturen im vorherigen Kapitel soll nun näher auf deren Herstellung und die dabei verwendeten Methoden eingegangen werden. In Kap. 4.1 wird dazu zunächst auf den Aufbau von YIG, sowie dessen Herstellung eingegangen, da dies Einfluss auf die möglichen Methoden der Mikrostrukturierung hat. In Kap. 4.2 folgt die Herstellung der in dieser Arbeit untersuchten Proben. Dabei wird zunächst näher auf die prinzipiellen Methoden der Mikrostrukturierung auf Basis von Masken eingegangen. Anschließend werden die Herstellung dieser Masken mittels Elektronenstrahllithographie, sowie die in dieser Arbeit verwendeten Methoden der Materialdeposition besprochen. Abschließend werden die Herstellung der in dieser Arbeit untersuchten Mikrostrukturen und die dabei aufgetretenen Probleme diskutiert. 4.1. Yttrium-Eisen-Granat Yttrium-Eisen-Granat (YIG) ist eine nicht in der Natur vorkommende Verbindung die in den 1950er Jahren entwickelt wurde [12]. Es weist die von allen Materialien geringste bekannte GilbertDämpfung auf und ist daher schon seit seiner Entdeckung Gegenstand eingehender Untersuchungen, insbesondere im Hinblick auf Anwendungen in der Mikrowellentechnik und der Erforschung von Spinwellen. In diesem Abschnitt soll nun ein kurzer Überblick über das Material gegeben werden, dazu werden in Kapitel 4.1.1 zunächst die Kristallstruktur und anschließend in Kapitel 4.1.2 die Methoden zur Herstellung von YIG-Filmen besprochen. 4.1.1 Die YIG-Kristallstruktur YIG weist einen hochkomplexen kristallinen Aufbau auf, denn eine Einheitszelle beinhaltet vier der Formeleinheiten Y3 3+ Fe2 3+ Fe3 3+ O12 2 – und damit 80 Atome [14]. YIG ist der Granatgruppe zugehörig und kristallisiert, wie die meisten Mitglieder dieser Gruppe, im kubisch raumzentrierten Kristallsystem mit einer Gitterkonstanten von 1, 2376 nm [63]. Die magnetischen Eigenschaften von YIG beruhen dabei auf den Fe-Ionen, die sich auf drei oktaedrische und zwei tetraedrische Gitterplätze verteilen (vergl. Abb. 4.1) und mittels Superaustausch über die O-Ionen gekoppelt 49 4.1 Yttrium-Eisen-Granat sind [17, 64]. Nach Russel-Saunders-Kopplung ist der Grundzustand der Fe-Ionen ein 6 S5/2 Zustand, der keinen Bahndrehimpuls trägt, d.h. der Magnetismus von YIG ist eine reiner Spinmagnetismus. Die durch den Superaustausch induzierte antiferromagnetische Kopplung (vergl. Kap. 2.1.4) bewirkt das Entstehen von zwei magnetischen Untergittern mit je zwei, bzw. drei beteiligten Fe3+ -Ionen, die antiparallel ausgerichtet sind und sich teilweise kompensieren. Bei YIG handelt es sich also prinzipiell um einen Ferrimagneten, jedoch ist die Kopplung zwischen den Untergittern sehr stark, wodurch die Frequenz der Schwingung der Untergitter zueinander im THz-Bereich liegt. Da in dieser Arbeit nur Untersuchungen im unteren GHz-Bereich durchgeführt werden, kann YIG im Folgenden jedoch als ein Quasi-Ferromagnet behandelt werden [29]. Da sich ein Großteil der magnetischen Momente durch die ferrimagnetische Natur von YIG gegenseitig kompensiert, hat YIG nur eine geringe Sättigungsmagnetisierung von ca. 140 kA m−1 bei Raumtemperatur [14]. Dies führt zu sehr flachen Spinwellen-Dispersionskurven und damit zu einer geringen Gruppengeschwindigkeit der Magnonen (vergl. Kap. 2.3). Dieser Nachteil wird jedoch durch die besondere Eigenschaft die YIG auszeichnet ausgeglichen, denn es besitzt die von allen zurzeit bekannten Materialien geringste Gilbert-Dämpfung. Der Gilbert-Dämpfungs-Parameter kann Bereiche von α < 10−4 erreichen, was zu sehr hohen Magnon-Lebenszeiten von mehreren hundert Nanosekunden führt und damit trotz der geringen Gruppengeschwindigkeit Propagationslängen im Zentimeterbereich ermöglicht. Ursache für die geringe Dämpfung ist, dass YIG ein elektrischer Isolator ist, dadurch entfällt der für z. B. Metalle dominante Beitrag der Dämpfung durch Spin-Bahn-Kopplung induzierte Magnon-Elektron-Wechselwirkung, sowie die für dickere Filme relevante Wirbelstrominduktion (vergl. Kap. 2.3.1). Für YIG ist der dominante Verlustkanal stattdessen nur die Magnon-Phonon-Wechselwirkung. Zusätzlich zu der geringen Dämpfung liegt die Curie-Temperatur von YIG bei ca. 560 K [14] wodurch sich eine für viele technische Anwendung essentielle thermische Stabilität ausreichend weit über das Level der Raumtemperatur ergibt. YIG erfüllt also alle Voraussetzungen zur Untersuchung von Spinwellen, bietet aber erst seit kurzem die Möglichkeit zu Experimenten auf der Mikrometerskala bedingt durch den Herstellungsprozess, der im nächsten Abschnitt besprochen wird. 4.1.2 Herstellung und Verarbeitung von dünnen YIG-Filmen Die im vorherigen Abschnitt beschriebenen herausragenden magnetischen Eigenschaften von YIG sind ein großer Vorteil gegenüber vielen anderen Materialien, jedoch sind diese nur zu erreichen, wenn es gelingt YIG als Einkristall mit wohlgeordneter Elementarzelle herzustellen. Die verbreitetste Methode eine ausreichend hohe Qualität zu erreichen stellt die Flüssigphasenepitaxie (engl. liquid phase epitaxy, LPE) dar [66–68]. Dazu wird unter Raumluftatmosphäre eine Schmelze hergestellt in der das abzuscheidende Material weit unterhalb seines Schmelzpunktes vorliegt. Die Schmelze dient also als Lösungsmittel um einen übersättigten Zustand herzustellen. Wird ein Sub50 4.1 Yttrium-Eisen-Granat Abbildung 4.1: Kristallstruktur einer YIG-Zelle. Die YIG-Einheitszelle beinhaltet 80 Atome und kristallisiert im kubisch raumzentrierten Gittersystem. Die Fe-Ionen sitzen auf oktaedrischen (braun) und tetraedrischen (blaugrün) Gitterplätzen und sind über Superaustausch miteinander gekoppelt. Abbildung entnommen aus [65]. strat in die Schmelze eingebracht und ein Zustand nahe des Gleichgewichtszustandes zwischen Abscheidung und Auflösung gehalten, kann eine hochqualitative Schicht auf dem Substrat aufwachsen. Die Substrateigenschaften sind dabei ein kritischer Parameter, so sollte z.B. die Wärmeausdehnung von Substrat und abzuscheidendem Material nahezu gleich sein um Verspannungen zu vermeiden. Aus diesem Grund ist die Wahl des Substratmaterials im Hinblick auf die Gitterfehlanpassung von Substrat und abzuscheidenden Material sehr wichtig. Für YIG wird als Substrat in der Regel einkristallines Gadolinium-Gallium-Granat (Gd3 Ga5 O12 , GGG) verwendet, das bereits die für die spätere YIG-Schicht gewünschte Gitterausrichtung besitzt. Trotz der äußerst geringen Gitterfehlanpassung zwischen den beiden Materialien von weniger als 1 % [63] kommt es zum Ausbilden einer verspannten Grenzschicht, wodurch lange Zeit nach der Entdeckung von YIG nur Schichten mit mehreren Mikrometern Dicke in ausreichender Qualität hergestellt werden konnten. Eine Weiterentwicklung der LPE-Technik, sowie ein Dotieren des YIG mittels geeigneter stöchiometrischen Zusammensetzung der Schmelze, um die Gitterkonstante noch besser anzupassen [69], erlauben erst seit einigen Jahren das Herstellen geeigneter Filme mit Schichtdicken kleiner als 100 nm [18]. Eine Mikrostrukturierung der herkömmlichen YIG-Filme ist aufgrund des hohen benötigten Aspektverhältnisses nur sehr begrenzt möglich, wodurch lange Zeit ausschließlich Filme und makroskopische Strukturen untersucht wurden. Die neuartigen dünnen Filme erlauben hingegen eine einfache Strukturierung mit lateralen Ausdehnungen unterhalb eines Mikrometers mit Hilfe üblicher Mikrostrukturierungsverfahren. Die Strukturierung der in dieser Arbeit untersuchten Mi51 4.2 Probenherstellung krostrukturen und die dazu genutzten Methoden werden im folgenden Abschnitt vorgestellt. 4.2. Probenherstellung Im Rahmen dieser Arbeit soll der Einfluss einer Mikrostrukturierung auf die Materialeigenschaften von YIG untersucht werden. Bei dem dazu untersuchten Film handelt es sich um einen 98 nm dicken, mit Lanthan dotierten YIG-Film, der auf 500 µm dickem, in h1 1 1i-Orientierung geschnittenem GGG gewachsen wurde1 . In diesem Kapitel werden nun die grundlegenden Methoden der Mikrostrukturierung erläutert und anschließend wird die Herstellung der untersuchten Mikrostrukturen besprochen. Die Mikrostrukturierung beruht generell auf zwei grundlegenden Prinzipien. Zum einen das Aufbringen von Material und zum anderen das Abtragen von Material auf bzw. von der Probe. Um dies gezielt durchzuführen wird dabei häufig auf das Prinzip einer Maske zurückgegriffen, deren Struktur auf die Probe übertragen wird. In Kap. 4.2.1 und 4.2.2 werden die dazu genutzten Methoden des Lift-Offs und des Ätzens beschrieben. Die Herstellung der in dieser Arbeit genutzten Masken erfolgt mittels der Elektronenstrahllithographie, deren Prinzip in Kap. 4.2.3 erläutert wird. Danach wird in Kap. 4.2.4 eine Übersicht über die hier verwendeten Methoden der Materialdeposition gegeben. Abschließend wird in Kap. 4.2.5 die Strukturierung der in dieser Arbeit durchgeführte Mikrostrukturen beschrieben. 4.2.1 Mikrostrukturierung mittels Lift-Off-Prozess Ein häufig in der Mikrostrukturierung genutztes Verfahren um gezielt Material auf der Probe zu deponieren ist das sogenannte Lift-Off-Verfahren. Das Grundprinzip beruht auf einem Lackfilm der an den Stellen an denen das Material später platziert werden soll freigelegt wird. In einem Folgeschritt wird ganzflächig Material auf die Probe abgeschieden, sodass, wenn diese Lackmaske anschließend wieder entfernt wird, nur Material an den ungeschützten Stellen verbleibt. Prinzipiell werden für einen Lift-Off-Prozess sogenannte positive Photolacke genutzt (vergl. Kap 4.2.3), die mittels Rotationsbeschichtung auf die Probe aufgeschleudert werden um den Lackfilm als Ausgangsbasis zu erhalten. Diese Rotationsbeschichtung erfolgt dabei mit mehreren tausend Umdrehungen pro Minute, wodurch der Lack eine homogene Dicke über die Probefläche annimmt. Da der Lack zum sogenannten Aufschleudern in einem Lösungsmittel gelöst ist, muss dieses durch eine anschließende Erwärmung auf einer Heizplatte ausgedampft werden. Anschließend folgt eine Belichtung des Lackes mittels Photo- oder Elektronenstrahllithographie (vergl. Kap. 4.2.3). Ein anschließender Entwicklungsschritt legt die Bereiche an denen das Material deponiert werden soll frei. Darauf folgt eine ganzflächige Abscheidung des aufzubringenden Materials. Abschließend 1 Hergestellt 52 von C. Dubs, INNOVENT e.V. Technologieentwicklung, Jena, Deutschland. 4.2 Probenherstellung a) gerichtete Materialdeposition Lack Lösungsmittel b) ungerichtete Materialdeposition Lack Lösungsmittel Abbildung 4.2: Vergleich der gerichteten und ungerichteten Materialdeposition für einen Lift-Off-Prozess. a) Im Fall einer gerichtete Deposition wird kein Material auf die Lackflanken deponiert und das Lösungsmittel kann den Lack anschließend abheben. b) Für den Fall einer ungerichteten Materialdeposition werden die Lackflanken bedeckt und das Lösungsmittel hat keine Angriffsfläche. Abbildung nach [26]. wird mit Hilfe eines Lösungsmittels die Lackmaske samt dem darauf deponierten Material gelöst und abgehoben (engl. lift-off ). Zur Abscheidung des Materials stehen verschiedene Methoden zur Verfügung die in Kap. 4.2.4 ausführlicher diskutiert werden, jedoch sei hier angemerkt, dass die Art der Materialdeposition essentiell für den Erfolg des Lift-Off-Verfahrens ist. In Abb. 4.2 ist das auftretende Problem verdeutlicht. Im Fall einer idealen gerichteten Materialdeposition, wird ausschließlich Material auf der Lackmaske und im freigelegten Bereich, jedoch nicht an den Lackflanken deponiert. Wird die Lackmaske anschließend mit Hilfe eines Lösungsmittels abgehoben (Lift-Off), so verbleibt das Material nur im freigelegten Bereich (vergl. Abb. 4.2a)). Eine ungerichtete Materialdeposition bewirkt jedoch, dass das Material auch an den Lackflanken abgelagert wird (vergl. Abb. 4.2b)), ein Abheben der Maske ist dann nicht mehr möglich, da keine freie Angriffsfläche für das Lösungsmittel vorhanden ist. Um dieses Problem zu beheben muss ein sogenannter Unterschnitt in der Lackmaske erzeugt werden, dies bedeutet, dass der freigelegte Bereich von der Oberfläche der Maske hin zur Oberfläche des Substrates breiter wird. Dadurch entsteht ein Abschattungseffekt für die Lackflanke, wodurch der Zugang des Lösungsmittel im Lift-Off Schritt möglich ist. Da jedoch je nach Depositionsverfahren (vergl. Kap. 4.2.4) die Materialabscheidung sehr ungerichtet sein 53 4.2 Probenherstellung a) Belacken b) Elektronenstrahlschreiben c) Entwickeln, Sauerstoffplasma PMMA 950k PMMA 600k d) Materialdeposition e) Lift-Off-Prozess Abbildung 4.3: Schematische Darstellung eines Lift-Off-Prozesses. Die Verwendung einer Doppellage verschiedener Lacke ermöglicht es den benötigten Unterschnitt zu erzeugen. Abbildung nach [26]. kann, ist es schwer mit einer einzelnen Lackschicht einen Unterschnitt zu erzeugen der groß genug ist. Daher wird in der Regel eine Doppellage aus zwei verschiedenen Photolacken genutzt. In Abb. 4.3 sind schematisch die einzelnen Prozessschritte eines Lift-Off-Prozesses für die Verwendung des in dieser Arbeit genutzten Lacksystems gezeigt. Essentiell für diese Methode ist, dass die beiden Lacke eine unterschiedliche Sensitivität aufweisen, d.h. durch Belichtung und Entwicklung werden unterschiedlich große Bereiche freigelegt und ein Unterschnitt entsteht. In Abb. 4.3b) und c) ist das Prinzip gezeigt. Die obere Lackschicht sorgt für eine Abschattung, wodurch im Schritt der Materialdeposition die Lackflanken des unteren Lackes teilweise geschützt sind. Dies ermöglicht es, auch bei einer ungerichteten Materialdeposition, im Lift-Off-Schritt dem Lösungsmittel den Lack zu lösen. Soll mit einem Lift-Off-Prozess ein Material strukturiert werden, so ist es nötig, dass dieses mit einem Abscheidungsverfahren deponiert werden kann. Allerdings erfordert das hier verwendete YIG wie in Kap. 4.1.2 angesprochen ein aufwändiges Verfahren, dessen Bedingungen eine Strukturierung mittels Lift-Off nicht erlauben. Daher muss auf die Methode des Ätzen zurückgegriffen werden, die im nächsten Abschnitt behandelt wird. Es sei angemerkt, dass in den letzten Jahren das Sputtern (vergl. Kap. 4.2.4) von YIG möglich geworden ist, sodass inzwischen Lift-Off-Prozesse mit YIG durchgeführt werden können. Die Qualität dieser Schichten liegt jedoch noch, insbesondere im Hinblick auf die kristalline Struktur, unterhalb der Qualität der LPE-Filme [18]. 54 4.2 Probenherstellung 4.2.2 Mikrostrukturierung mittels Ätzen Zur Strukturierung von bereits deponierten Materialschichten kann kein, wie im vorherigen Abschnitt beschriebener, Lift-Off-Prozess genutzt werden. Stattdessen muss die Struktur aus dem Material herausgeätzt werden. Die dazu genutzten Methoden werden prinzipiell in zwei Kategorien unterteilt. Zum einen die Verfahren die auf einer chemischen Reaktion des Prozessmittels mit dem abzutragenden Material beruhen und zum anderen die Verfahren die auf einem rein physikalischen Abtrag beruhen. In dieser Arbeit werden ausschließlich letztere genutzt, dazu zählt insbesondere das etablierte Ionenstrahlätzen (engl. ion beam etching, IBE), das nun näher erläutert werden soll. a) b) Materialdeposition c) Belacken Elektronenstrahlschreiben ma-N-Lack Material Substrat d) f) e) Entwickeln Ionenstrahlätzen Resist-Strip Lackmaske Abbildung 4.4: Schematische Darstellung der Prozessschritte einer Mikrostrukturierung mittels Ionenstrahlätzen. Abbildung nach [26]. Die grundlegende Idee des IBE-Verfahrens ist das Abdecken der herzustellenden Strukturen mittels einer Maske und das anschließende Abtragen der ungeschützten Bereiche durch den Beschuss mit Ionen. In Abb. 4.4 ist schematisch der Ablauf der Prozesschritte des IBE gezeigt. Ausgangspunkt ist ein bereits vorhandener Film des Materials aus dem die Struktren hergestellt werden sollen. Auf diesen wird mittels Rotationsbeschichtung ein Lackfilm eines sogenannten Negativlackes (vergl. Kap 4.2.3) aufgebracht und mittels Photo- oder Elektronenstrahllithographie (vergl. Kap. 4.2.3) an den Stellen, an denen später die Strukturen sein sollen belichtet. Im Entwicklungsschritt werden dann die unbelichteten Bereiche der Lackmaske entfernt (vergl. Abb. 4.4d)). Eine auf diese Weise erhaltenen Ätzmaske wird auch Weichmaske genannt, da die verwendeten Lacke in der 55 4.2 Probenherstellung Regel eine wesentlich geringere Resistenz gegenüber dem Ionenbeschuss aufweisen als das abzutragende Material. Dies erfordert, dass die Dicke der Lackschicht der drei- bis vierfachen Dicke des abzutragenden Materials entspricht. Alternativ kann auch eine sogenannte Hartmaske genutzt werden, die zumeist aus einem Metall hergestellt wird, dessen Ätzresistenz vergleichbar mit der des abzutragenden Materials ist. Die Herstellung einer solchen Hartmaske erfolgt mit Hilfe eines Lift-Off-Prozesses (vergl. Kap. 4.2.1). Dabei muss jedoch darauf geachtet werden, dass ein Material genutzt wird, das wieder entfernt werden kann ohne die hergestellten Strukturen anzugreifen. Die Verwendung einer solchen Hartmaske ist aufwändiger und je nach zu ätzendem Material nur bedingt möglich, bringt jedoch den Vorteil mit sich, dass die Dicke der Maske frei gewählt werden kann. Bei Lackmasken ist dies abhängig vom Lack und der Auftragungsart nur bedingt möglich. Insbesondere bei sehr dicken zu strukturierenden Schichten ist die Verwendung einer Hartmaske aufgrund der niedrigeren Ätzrate von Vorteil. Nach dem Aufbringen der Ätzmaske erfolgt der Materialabtrag mittels Ionenbeschuss. Das Prinzip der dazu genutzten IBE-Anlage soll nun kurz erläutert werden. Die schematische Darstellung eine IBE-Anlage ist in Abb. 4.5 gezeigt. Unter Hochvakuum wird Argon in eine Reaktorkammer geleitet, in der mittels eines hochfrequenten Wechselfeldes ein Argon-Plasma gezündet wird. In diesem Plasma werden ständig Argon-Ionen generiert, die über das Abschirmgitter in die eigentliche Prozesskammer geleitet werden. Anschließend werden die Ionen mit Hilfe des Beschleunigungsgitters in Richtung der Probe beschleunigt und führen dort zu einem ganzflächigen Ionenbeschuss und Materialabtrag auf der Probe. Die Trennung von Probe und Plasma erlaubt es dabei die Ionenstromdichte und die Ionenenergie unabhängig voneinander einzustellen und damit den Materialabtrag genau zu kontrollieren. Beim Ätzen mittels IBE müssen einige Dinge beachtet werden, da es sonst zu unerwünschten Effekten kommen kann. Dabei ist insbesondere die Abhängigkeit der sogenannten Sputter-Ausbeute vom Einfallswinkel der Ionen zur Oberfläche essentiell, denn diese beschreibt die pro auftreffendem Ion ausgelöste Anzahl an Atomen des Materials. Das Maximum der Ausbeute und damit eine erhöhte Ätzrate ergibt sich für einen Einfallswinkel zwischen 60 ° und 70 ° zur Oberfläche. Dies führt zu dem Problem der sogenannten Facettenbildung [70], d.h. die in der Regel abgeschrägten Bereiche der Maskenflanken ätzen mit einer anderen Abtragungsrate als der Kern der Maske. Dadurch entsteht eine Facette in der Lackmaske die mit steigender Ätzdauer wächst, sich gegebenenfalls in die Struktur überträgt und zu unerwünscht breiten Strukturflanken führt. Ein weiteres Problem ist, dass der konstante Ionenbeschuss mitunter eine starke Erwärmung der Probe und insbesondere der Maske verursacht, wodurch sich diese im Fall einer Lackmaske verhärten kann und damit nur schwer wieder löslich wird. Um dies zu verhindern wird der Ätzprozess in der Regel in mehrere Schritte unterteilt um ein Abkühlen der Probe zu ermöglichen. Zusätzlich 56 4.2 Probenherstellung wird die Rückseite des Substrats mittels Helium gekühlt. Das in der Regel größte Problem beim Ätzen mittels IBE ist das Auftreten der sogenannten Redeposition an den Flanken der Maske. Das bedeutet, dass bereits abgetragenes Material wieder an den Flanken der Maske abgelagert wird und so zu einer Überhöhung an den Strukturflanken führt (vergl. Abb. 4.4e) und f)). Um diese zu minimieren, erfolgt das Ätzen üblicherweise unter einem Winkel während der Substratteller gleichzeitig Rotiert, dadurch wird verstärkt Material und insbesondere wieder abgelagertes Material von den Flanken abgetragen. Neben den angesprochenen Problemen können noch eine Vielzahl weiterer Effekte auftreten, für deren ausführliche Diskussion auf [70] verwiesen wird. Es sei hier jedoch noch erwähnt, dass das Ätzen mittels IBE unter Umständen eine starke mechanische Belastung auf das Material ausüben kann. Insbesondere im Randbereich und an den Flanken der Strukturen kann ein nachhaltiger Einfluss auf die Materialeigenschaften genommen werden. Außerdem erfolgt in der Regel immer eine Unterätzung in die unter dem abzutragenden Material befindliche Schicht, um sicherzugehen, dass das abzutragende Material vollständig entfernt wurde. Nach dem abgeschlossenen Ätzprozess muss der verbliebene Rest der Maske wieder entfernt werden um bei nachfolgenden Strukturierungschritten nicht zu stören. Für Lackmasken wird dazu ein sogenannter Resist-Strip durchgeführt, bei dem die Probe über einen längeren Zeitraum in ein Lösungsmittelbad eingelegt wird. Wurde eine Hartmaske verwendet so muss stattdessen eine spezielle Säure genutzt werden die nur das Maskenmaterial, jedoch nicht das Strukturmaterial, Gaseinlass MikrowellenQuelle Plasma + Ar -Ionen Magnete Abschirmgitter Beschleunigungsgitter Beschleunigungsspannung UB Shutter Su bs Substrat tra tte 40° lle r Vakuumsystem Abbildung 4.5: Schematische Darstellung einer IBE-Anlage. Abbildung nach [26]. 57 4.2 Probenherstellung angreift. Das vorgestellte Verfahren des Ionenstrahlätzens bietet eine einfache Möglichkeit um großflächig Material abzutragen, jedoch wird es mit abnehmender Strukturgröße immer schwieriger gute Strukturflanken und insbesondere Ecken zu erzielen. Eine Methode die auch für sehr kleine Strukturabmessungen gute Resultate erzielt, stellt das Ätzen mittels eines fokussierte Ionenstrahls (engl. focused ion beam, FIB) dar. Die Technik dieser Anlagen ist recht kompliziert, ähnelt aber einem Rasterelektronenmikroskop, daher wird für eine ausführliche Beschreibung auf [71] und [72] verwiesen. Das Nutzen dieser Technik ist in der Regel sehr zeitaufwändig, da es sich im Gegensatz zum IBE um ein schreibendes Verfahren handelt. In dieser Arbeit kommt daher eine Kombination beider Verfahren zum Einsatz, dies wird in Abschnitt 4.2.5 näher beschrieben. Im folgenden Abschnitt soll nun die Herstellung von Lackmasken mittels der bereits angesprochenen Elektronenstrahllithographie behandelt werden. 4.2.3 Die Elektronenstrahllithographie Das Grundprinzip bei der Herstellung einer Lackmaske beruht auf der Möglichkeit den Lack mit Hilfe einer zugeführten Energiedosis in bestimmten Bereichen chemisch zu verändern. Dazu gibt es verschiedene Verfahren, wie z.B. die Photolithographie auf Basis ultravioletten Lichts oder die in dieser Arbeit ausschließlich verwendete sogenannte Elektronenstrahllithographie (engl. electron beam lithography, EBL) auf Basis von schnellen Elektronen. Das Prinzip der EBL, sowie einige Einflussfaktoren sollen hier kurz betrachtet werden. Die EBL nutzt einen fokussierten Strahl schneller Elektronen um in lokalisierten Bereichen die chemische Veränderung der Lackmaske herbeizuführen, es handelt sich also im Gegensatz zur herkömmlichen Photolithographie um ein schreibendes Verfahren. Das theoretische Auflösungsvermögen dieses Verfahrens liegt im Bereich einiger Pikometer, wird jedoch durch mehrere Faktoren auf einen wesentlich größeren Wert beschränkt [73]. So limitieren z.B. der minimale Strahldurchmesser definiert durch die Qualität der Elektronenoptik, sowie die Bewegung der Probenbühne die Auflösung auf einige Nanometer. Einen größeren auflösungsbegrenzenden Faktor stellt allerdings in der Regel das Auflösungsvermögen des verwendeten Photolackes dar. Für die in dieser Arbeit hauptsächlich verwendeten Lacke gilt nach Angabe der Hersteller unter optimalen Bedingungen eine Auflösung von 10 nm für Polymethylmethacrylat (PMMA) [75], sowie 50 nm für ma-N 2403 [76]. Ursache dieser Begrenzung ist die physikalische Ausdehnung der Lackmoleküle, bzw. der chemische Umwandlungsprozess. Abgesehen von diesen Faktoren ist die Auflösung hauptsächlich von der Streuung der Elektronen mit den Lackmolekülen und dem Substrat bestimmt. Die Streuverteilung kann mit Hilfe des differentiellen Streuquerschnitts 58 dσ dΩ der Rutherford-Streu- 4.2 Probenherstellung a) Ekin = 5 keV b) Ekin = 100 keV Abbildung 4.6: Monte-Carlo-Simulation der Elektronenstreuung an einem thermisch oxidierten Silizium Substrat (400 nm Oxid) mit einer 1 µm dicken PMMA Lage. Die kinetische Energie der Elektronen ist farbkodiert und fällt von gelb nach blau hin ab, rückgestreute Elektronen sind rot dargestellt. [74]. formel [27] bestimmt werden, für die im Fall von Elektronenstreuung gilt: dσ Z2 1 ∝ 2 . dΩ Ekin sin( ϕ2 )4 (4.1) Hier steht ϕ für den Streuwinkel, Z für die Kernladungszahl des Materials an dem gestreut wird und EKin ist die kinetische Energie der Elektronen gegeben durch die gewählte Beschleunigungsspannung U. Eine Simulation2 der Elektronenstreuung für ein Siliziumsubstrat mit einer 400 nm dicken Oxidschicht und einer darauf aufgebrachten 1 µm dicken Lage PMMA ist in Abb. 4.6 gezeigt. Für eine niedrige Beschleunigungsspannung von U = 5 kV werden die Elektronen hauptsächlich im Lack gestreut und verursachen so eine starke Verbreiterung des belichteten Bereichs (vergl. Abb. 4.6a)). Wird hingegen eine sehr große Beschleunigungsspannung von U = 100 kV gewählt, so streuen die Elektronen überwiegend im Substrat und die Auflösung innerhalb der Lackschicht verbessert sich wesentlich (vergl. Abb. 4.6b)). Hier muss jedoch noch der Effekt der Rückstreuung von Elektronen am Substratmaterial oder darauf deponierten Schichten berücksichtigt werden, der wiederum zu einer Verbreiterung des belichteten Bereiches führen kann. Es soll hier nun kurz auf die zur EBL verwendeten Lacke, sowie deren Funktionsprinzip eingegangen werden. Bei Polymethymethacrylat (PMMA, auch Acrylglas genannt) handelt es um lange Polymerketten der Wiederholeinheit C5 H8 O2 . Hersteller der in dieser Arbeit verwendeten PMMA-Lacke ist die Firma ALLRESIST 3 [75]. Um das Material mittels Rotationsbeschichtung aufbringen zu können erfolgt eine Verdünnung in Anisol. Da PMMA in Abhängigkeit der Kettenlänge unterschiedliche Eigenschaften aufweist, erfolgt eine Klassifizierung mittels der Kennung 2 Durchgeführt von P. Pirro, TU Kaiserslautern, Fachbereich Physik, AG Magnetismus [74] 3 ALLLRESIST GmbH, Strausberg, Deutschland 59 4.2 Probenherstellung PMMA 950k 4%. Die Zahl in der Mitte gibt dabei die molare Masse der Polymerketten an (hier 950 kg mol−1 ), während die letzte Stelle den Feststoffgehalt des PMMAs im Lösungsmittel angibt. Das Funktionsprinzip einer PMMA-Photolackschicht ist, dass es bei Elektronenbestrahlung zum Bruch der Hauptketten zu wesentlich kürzeren Ketten kommt. Diese Bruchstücke können im anschließenden Entwicklungsschritt leichter und damit schneller gelöst und entfernt werden als die unbelichteten Bereiche. Bei PMMA handelt es sich also um einen sogenannten Positivlack, da hier die belichteten Bereich freigelegt werden. Bei dem zweiten in dieser Arbeit genutzten Photolack handelt es sich um ma-N 2403. Dies ist ein speziellen Lack der zur Elektronenstrahllithographie genutzt wird. Hersteller ist die Firma micro resist technology4 [76]. Im Gegensatz zu PMMA handelt es sich um einen Negativlack, d.h. es werden die unbelichteten Bereiche im Entwicklungsschritt freigelegt. Dies ist möglich, da bei der Belichtung eine Quervernetzung der Lackmoleküle erfolgt und der Lack so eine erhöhte Resistenz gegen den Entwickler erhält. 4.2.4 Methoden zur Materialdeposition Die Deposition von Material ist ein wichtiger Bestandteil vieler Mikrostrukturierungsprozesse. Auf die in dieser Arbeit genutzten Methoden soll daher im Folgenden eingegangen werden. Sputterdeposition Eine weit verbreitete Methode ist das Abscheiden von Material mittels des sogenannten Sputtern, dem physikalischen Abtrag von Material durch Ionenbeschuss. Es existieren verschiedenen Arten der technischen Umsetzung, dabei ist die geläufigste und auch in dieser Arbeit verwendete Methode das sogenannte RF-Sputtern5 in einem Parallelplattenreaktor. Abbildung 4.7 zeigt schematisch den Aufbau dieses Typus. In einer Hochvakuumkammer befindet sich das abzuscheidende Material, im Folgenden als Target (engl. Ziel) bezeichnet, über der Probe auf die das Material deponiert werden soll. Die Probe wiederum liegt auf einem Substratteller der zum Ein- und Ausschleusen der Probe aus der Kammer dient. Das Target wird an eine RF-Spannungsquelle angeschlossen und der Substratteller geerdet, daher bilden diese in dieser Konfiguration einen Parallelplattenkondensator. Wird nun Argon in die Kammer geleitet und ein hochfrequentes Wechselfeld angelegt, so werden durch zufällige Ionisationsereignisse erzeugte Elektronen beschleunigt und können durch Stöße die Argon-Atome ionisieren. Dies löst eine Kaskade von Ionisationsereignissen aus, wodurch ein Plasma entsteht. Da die erzeugten Argon-Ionen eine große Masse besitzen ist ihre Bewegung im Wechselfeld sehr klein und die Ionen können dem Feld nur bedingt folgen. Die Elektronen hingegen besitzen eine sehr 4 micro 5 RF: 60 resist technology GmbH, Berlin, Deutschland Radiofrequenz 4.2 Probenherstellung Gaseinlass C1 MikrowellenQuelle Target + Ar -Ionen Material Plasma Shutter Vakuumsystem Substrat Substratteller Abbildung 4.7: Schematische Darstellung eins RF-Sputter-Parallelplattenreaktors. Durch ein HochfrequenzWechselfeld wird ein Argon-Plasma zwischen Target und Probe gebildet. Die entstehenden Ionen werden zum Target hin beschleunigt und bewirken einen physikalischen Materialabtrag. Abbildung nach [26]. viel geringere Masse und können daher sowohl Substratteller als auch das Target erreichen. Durch die Erdung des Substrattellers werden absorbierte Elektronen abgeleitet, während vom Target absorbierte Elektronen aufgrund des zusätzlichen Kondensators C1 (vergl. Abb. 4.7) nicht abgeleitet werden. Dies führt zu einer Akkumulation von negativer Ladung auf dem Target. Die dadurch entstehende Potentialdifferenz zwischen Target und Teller wird auch Bias-Spannung genannt und verursacht eine Beschleunigung der Ionen in Richtung des Targets. Dadurch treffen diese mit einer hohen kinetischen Energie auf das Target und schlagen einzelne Atome, bzw. Cluster von Atomen aus dem Material heraus. Diese sind elektrisch neutral, durchqueren aber auf dem Weg zum Substrat das Plasma, wodurch sie zahlreiche Stöße erfahren und die resultierende Materialdeposition stark ungerichtet ist. Wie in Kap. 4.2.1 beschrieben ist eine solche ungerichtete Materialdeposition für die Verwendung in einem Lift-Off-Prozess problematisch, da die Lackflanken ebenfalls mit Material beschichtet werden. Das Sputtern wird in dieser Arbeit daher nur zum Deponieren von Schichten genutzt, zur Verwendung eines Lift-Off-Prozesses wird stattdessen das Verfahren der Elektronenstrahlverdampfung genutzt. Materialdeposition mittels Elektronenstrahlverdampfung Die Elektronenstrahlverdampfung ist eine häufig im Zusammenhang mit Lift-Off-Prozessen genutztes Verfahren. In Abb. 4.8a) ist schematisch das Funktionsprinzip der dazu genutzten Anlage 61 4.2 Probenherstellung abgebildet. Unter einem Hochvakuum wird das in einem Tiegel befindliche abzuscheidende Material mittels eines Elektronenstrahls stark aufgeheizt. Dadurch kommt es, abhängig vom Material, zur Sublimation oder dem Aufschmelzen und anschließendem Verdampfen des Materials. Der sich ergebende Materialfluss ist im Gegensatz zum Sputtern sehr gerichtet, da sich keine Prozessgas in der Kammer befindet, dass durch Stöße die Materialdeposition ablenkt. Die Probe ist nun in der Entfernung h von der Quelle und im Abstand r von der Rotationsachse des Probenhalters befestigt. Ist diese mit einer Lackmaske der Dicke d bedeckt, so gilt für die bereits in Kap. 4.2.1 angesprochene Abschattung x des freigelegten Maskenbereiches (vergl. Abb. 4.8b)): r x = d tan(Θ) = d . h (4.2) Da der Abstand h von Probe und Quelle in der Regel relativ groß ist, liegt das Verhältnis r/h üblicherweise in einer Größenordnung von 1/100, wodurch die Abschattung bei typischen Lackdicken von mehreren hundert Nanometern im Bereich weniger Nanometer liegt. Eine Abschattung dieser Größe ist mit dem in Kap. 4.2.1 vorgestelltem Prinzip einer doppelten Lackschicht sehr leicht zu erreichen, daher eignet sich die Elektronenstrahlverdampfung gut für Lift-Off-Prozesse. r a) b) Probenhalter Substrat Lack Probe Θ x d Θ h Magnetfeld e Vakuumsystem Elektronenstrahlquelle zu deponierendes Material Abbildung 4.8: a) Schematische Darstellung des Funktionsprinzip eines Elektronenstrahlverdampfers. b) Zur Verdeutlichung des Abschattungseffektes beim Bedampfen verursacht durch Materialabscheidung unter einem Winkel. Abbildung nach [74]. 62 4.2 Probenherstellung 4.2.5 Herstellung der untersuchten YIG-Mikrostrukturen In diesem Abschnitt soll nun die Herstellung der in Kap. 5 untersuchten Mikrostrukturen mittels den in den vorherigen Abschnitten beschriebenen Methoden erläutert werden. Dabei wird auf den Ablauf des Strukturierungsprozesses und die dabei aufgetretene Probleme eingegangen. Die im folgenden beschriebenen Prozessschritte wurden, wenn nicht anders vermerkt, in eigener Arbeit im Nanostrukturzentrum (engl. Nano Structuring Center, NSC) der Technischen Universität Kaiserslautern durchgeführt. Das YIG wird wie in Kapitel 4.1.2 beschrieben mittels des Eintauchen des Substrates in eine übersättigte Schmelze hergestellt. Standardmäßig werden dafür 1 Zoll große kreisrunde GGG-Substrate genutzt, die dadurch zunächst beidseitig mit YIG beschichtet sind. Für die Anwendungen in dieser Arbeit ist die Doppelbeschichtung jedoch störend, daher wird eine der Schichten durch polieren wieder entfernt6 . Zur Prozessierung ist zusätzlich eine Substratgröße von 5 × 6 mm gewünscht, daher muss das zu große Substrat zunächst mittels einer Wafer-Säge7 zugeschnitten werden. Um den YIG-Film dabei vor Verkratzen und Kontamination durch beim Sägen entstehende Partikel zu schützen, muss zuvor eine Schutzschicht aus Lack (Schutzlack) mittels Rotationsbeschichtung aufgebracht werden. Um nach dem Sägen den Schutzlack wieder zu entfernen, werden die Substrate mit Hilfe von Aceton und Isopropanol in einem Ultraschallbad gereinigt. Da Rückstände zurückbleiben können werden die Proben zusätzlich mit Hilfe eines milden Sauerstoffplasmas in einem Plasmaverascher8 gereinigt. In diesem werden mittels eines Plasmas freie Sauerstoffradikale erzeugt, die verbliebene organisch Rückstände entfernen. Die geschnittenen und gereinigten Proben sind nun zur Mikrostrukturierung bereit. Im ersten Schritt müssen mehrere Prozess- und Messtechnisch relevante Strukturen auf den YIG- ALM Abbildung 4.9: Lichtmikroskopaufnahmen der ALMs und der Stabilisierungsmarken. Stabilisierungsmarken 6 Durchführung: INNOVENT e.V. Technologieentwicklung, Jena, Deutschland 7 Durchführung: Christian Dautermann, Nano Structuring Center, TU Kaiserslautern 8 Modell PICO-UHP, Hersteller: Diener electronic GmbH und Co. KG, Ebhausen, Deutschland 63 4.2 Probenherstellung Film aufgebracht werden. Dazu zählen die in Kap. 3.2.5 angesprochenen Stabilisierungsmarken, die notwendig sind um in den späteren BLS-Messungen ein Driften des Laserfokus zu verhindern. Zusätzlich werden aber auch nur zur Strukturierung notwendige Justiermarken (engl. alignment mark, ALM) aufgebracht, die eine zielgenaue räumliche Orientierung der EBL ermöglichen um in den einzelnen Prozessschritten keinen lateralen Versatz zu erhalten. Zur Herstellung wird ein Lift-Off-Prozess gemäß Kap. 4.2.1 mit Hilfe eines PMMA-Lacksystem aus einer Lage PMMA 600k 4 % als Basis und einer Lage PMMA 950k 4 % als Deckschicht genutzt. Da es sich sowohl bei YIG als auch dem GGG-Substrat um einen elektrischen Isolator handelt, kann es in der EBL9 zur lokalen Aufladung durch die Elektronen kommen, wodurch eine gezielte Belichtung unmöglich wird. Um dies zu verhindern wird auf das PMMA-System zusätzlich eine leitende Schicht aus ESpacer 300Z10 aufgebracht. Dabei handelt es sich um ein gelöstes leitendes Polymer, dass die absorbierte Ladung über die (geerdeten) Halteklammern, mittels denen die Probe befestigt ist, ableitet. Nach dem Entwicklungsschritt wird die Lackmaske mittels eines Oberflächen-Profilometers11 und optischer Mikroskopie auf eine ausreichende Dicke und Fehlstellen geprüft. Die Materialdeposition erfolgt mittels Elektronenstrahlverdampfung12 (vergl. Kap. 4.2.4), dabei wird eine Kombination aus einer Lage von 50 nm Titan und einer Lage von 50 nm Kupfer aufgebracht. Das Titan dient dabei als Haftvermittler, während das Kupfer als Kontrastmaterial wirkt, da es aufgrund der höheren Kernladungszahl (vergl. Gl. 4.1) einen größeren Streuquerschnitt als das Titan hat und damit eine bessere Sichtbarkeit in der EBL aufweist. In Abb. 4.9 ist exemplarisch des Ergebnis des Lift-Offs anhand einer Probensektion gezeigt, auf der ALMs sowie ein Satz der Stabilisierungsmarken zu sehen sind. Abbildung 4.10: Rasterelektronenmikroskopaufnahme einer zu Testzwecken strukturierten Hartmaske aus Chrom. Die Deposition erfolgte mittels Elektronenstrahlverdampfung und Lift-Off-Prozess. 9 Durchführung: 10 Hersteller: Bert Lägel, Nano Structuring Center, TU Kaiserslautern SHOWA DENKO K.K., Tokio, Japan 11 Modell Dektak XT, Hersteller: Bruker Corporation, Billerica, USA 12 Pfeiffer Vacuum Classic 500 L 64 4.2 Probenherstellung a) b) Abbildung 4.11: Exemplarische Rasterelektronenmikroskopaufnahmen der Strukturen nach abgeschlossenem IBE-Prozess. a) Gruppe von Strukturen mit nomineller Größe von a = 5 µm. b) Nahaufnahme einer einzelnen Struktur aus a). Im nächsten Schritt sollen die Strukturen aus dem YIG-Film gemäß dem in Kap. 4.2.2 besprochenen Prozessablauf geätzt werden. Dies erfolgt wie bereits angesprochen mit Hilfe einer Kombination aus IBE und FIB, wobei das Ionenstrahlätzen als Vorstrukturierungsmethode dient um die Prozesszeit für den Folgeschritt mittels FIB zu verkürzen. Der im Rahmen dieser Arbeit zur Herstellung einer Lackmaske zur Verfügung stehenden Negativlack ma-N 2403 (vergl. Kap. 4.2.3) bildet bei Verwendung der Rotationsbeschichtung eine nominell 300 nm dicke Lackschicht. Da die Ätzrate des Lackes jedoch ungefähr um einen Faktor drei größer ist als die des YIGs, ist dessen Nutzung nur bedingt möglich. Stattdessen wurde zunächst versucht eine Hartmaske aus Chrom herzustellen, da dieses insbesondere einfach zu deponieren ist und mit Hilfe von Cr-Etch13 rückstandslos wieder entfernt werden kann. In mehreren Testläufen hat sich jedoch gezeigt, dass sich beim Lift-Off-Prozess abgelöste Chrom-Partikel wieder auf der Probe und insbesondere an der Maske ablagern (vergl. Abb. 4.10), wodurch die Maske unbrauchbar wird. Daher musste im weiteren Verlauf dieser Arbeit auf eine Lackmaske zurückgegriffen werden. Es sei hier jedoch erwähnt, dass zusätzlich das Haltbarkeitsdatum des Lackes bereits überschritten war und aus Zeitgründen keine neuer Lack bestellt werden konnte. Das letztendlich genutzte Lacksystem besteht aus einer Lage Hexamethyldisilazan (HMDS) als Haftvermittler, einer Lage ma-N 2403 und einer Deckschicht aus ESpacer 300Z. Nach der Belichtung mittels EBL erfolgt ein Entwickeln der Lackmaske in AZ MIF 72614 und ein anschließendes Stoppen in Wasser. Bei der Herstellung der Lackmaske ist darauf zu achten, dass auch die ALMs und die Stabilisierungsstrukturen mit einer Schutzmaske bedeckt werden, damit diese im Ätzschritt 13 Lösung aus Essigsäure,Ammoniumnitrat und demineralisiertem Wasser. 14 Hersteller: MicroChemicals GmbH, Ulm, Deutschland 65 4.2 Probenherstellung a = 4,8 µm a) b) a = 2,8 µm 4 µm a = 1,8 µm c) 2 µm d) a = 0,8 µm 2 µm 2 µm Abbildung 4.12: Rasterelektronenmikroskopaufnahmen der mittels FIB nachbearbeiteten Strukturen. nicht wieder entfernt werden. Das Ätzen mittels IBE15 erfolgt in sukzessiven Schritten mit einer Dauer von je 40 s, wobei zwischen jedem Schritt eine Ruhepause mit einer Dauer von 60 s durchgeführt wird, um ein Abkühlen der Probe zu ermöglichen. Vor und nach dem Resist-Strip in Aceton wird die Gesamthöhe der Strukturen gemessen um so sicherzugehen, dass die Lackmaske dick genug war und die Oberfläche der Strukturen nicht angegriffen wurde. Abbildung 4.11 zeigt exemplarisch das Resultat für eine Gruppe von Strukturen mit einer nominellen Strukturgröße von 5 µm. Die erhaltenen Strukturen sind ein gutes Beispiel für eine ausgeprägte Facettenbildung (vergl. Kap. 4.2.2) verursacht durch eine zu große Abschrägung der Lackmaske. Es ergibt sich hier eine Strukturflanke mit einer Breite von ungefähr einem Mikrometer. Die genaue Ursache dafür ist nicht bekannt, allerdings kann eine Mikrostrukturierung mit Lacken die das Haltbarkeitsdatum überschritten haben solche Ergebnisse liefern. Die erhaltenen Strukturflanken stellen jedoch nur bedingt ein Problem dar, da wie angesprochen das Ätzen mittels IBE hier nur der Vorstrukturierung des Filmes dient um im abschließenden Folgeschritt die Prozesszeit der Strukturierung mittels FIB16 zu verkürzen17 . Die FIB ist wie in Kap. 4.2.2 angesprochen eine schreibende Methode, daher wird keine Schutzmaske benötigt. Es 15 Modell IonSys 500, Hersteller: Roth&Rau AG, Hohenstein-Ernstthal, Deutschland 16 Modell Helios Nanolab 650, Hersteller: FEI, Hillsboro, USA 17 Durchführung: 66 Thomas Löber, Nano Structuring Center, TU Kaiserslautern 4.2 Probenherstellung a) b) 2 µm 400 nm Abbildung 4.13: Rasterelektronenmikroskopaufnahmen aufgenommen unter einem Winkel zur Oberflächennormalen für die Struktur mit a = 2, 8 µm. a) Ganze Struktur und b) Nahaufnahme einer Strukturecke. wird lediglich eine 10 nm dicke Schicht aus Chrom mittels Sputterdeposition (vergl. Kap. 4.2.4) abgeschieden, die ein elektrisches Aufladen der Probe während des Ätzprozesses verhindert. Es wird hier Chrom anstatt dem zuvor verwendeten ESpacer 300Z genutzt, da diese Schicht wesentlich Widerstandsfähiger ist und damit auch im Ätzprozess die notwendige Leitfähigkeit der Probenoberfläche garantiert. Aus den vorhandenen Strukturen wird nun aus dem Kern der jeweiligen Struktur die gewünschten Form herausgeschnitten, indem das restliche umliegende YIG sowie die Flanken mittels FIB abgetragen werden. Als Strukturform wurde ein quadratischer Grundriss mit verschiedenen Kantenlängen im Bereich von 5 µm bis 1 µm gewählt. In Abb.4.12 sind die resultierenden Strukturen abgebildet, die effektiv erhaltenen Strukturgößen ergeben sich zu a = 4, 8 µm; 2, 8 µm; 1, 8 µm und 0, 8 µm. Ein großer Vorteil der Methode der FIB ist, dass wesentlich schärfer definierte Kanten und insbesondere Ecken hergestellt werden können als dies mit einer Lackmaske möglich ist. Dies ist in Abb. 4.13 exemplarisch für eine Struktur mit a = 2, 8 µm dargestellt. Die erhaltene Flanke besitzt eine Ausdehnung von nur 50 nm bis 70 nm und der effektive Radius der Ecke ist ebenfalls sehr klein. Zusammenfassend wurden in diesem Kapitel die zur Herstellung der untersuchten Strukturen verwendeten Methoden besprochen, sowie auf die aufgetretenen Probleme eingegangen. Die resultierenden Strukturen weise eine sehr gute Qualität auf, da insbesondere eine nahezu quadratische Form realisiert werden konnte und die Flanken sehr klein sind. Im folgenden Kapitel sollen nun die experimentellen Ergebnisse der Untersuchungen an Film und Mikrostrukturen vorgestellt werden. 67 4.2 Probenherstellung 68 KAPITEL 5 Experimentelle Ergebnisse Yttrium Eisen Granat (Y3 Fe5 O12 , YIG) ist aufgrund seiner sehr geringen intrinsischen magnetischen Dämpfung schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts Bestandteil eingehender Untersuchungen im Hinblick auf praktische Anwendungen in der Mikrowellentechnik und insbesondere zur Erforschung der fundamentalen Physik von Spinwellen und deren Dynamik [13]. Lange Zeit war die Herstellung von hochqualitativen YIG-Schichten nur mittels Flüssigphasenepitaxie (vergl. Kap. 4.1.2) und auch nur in einem Schichtdickenbereich von einigen Mikrometern möglich, daher beschränkten sich die Untersuchungen auf ausgedehnte, vergleichsweise dicke Filme und makroskopische Strukturen. Erst im Verlauf der letzten Jahre haben sich die Flüssigphasenepitaxie, sowie andere Verfahren wie die Laserdeposition (engl. pulsed laser deposition, PLD), derart weiterentwickelt, dass auch Schichten im Bereich von 100 nm und dünner mit hoher Qualität hergestellt werden können. Dies erlaubt die Mikro- und Nanostrukturierung solcher Filme und ermöglicht damit die Untersuchung der Magnetisierungsdynamik in YIG, sowie die Realisierung von spinwellenbasierten Bauteilen [5] auf einer neuen Längenskala. Da YIG jedoch eine äußerst komplexe kristallographische Struktur besitzt (vergl. Kap. 4.1.1) muss zunächst das Verhalten essentieller Parameter wie der Sättigungsmagnetisierung oder der magnetischen Dämpfung unter Einfluss der Mikrostrukturierung untersucht werden. Diese Untersuchungen sind das Ziel dieser Arbeit. Die dazu durchgeführten experimentellen Ergebnisse werden in diesem Kapitel vorgestellt und diskutiert, wobei alle hier gezeigten Ergebnisse von Proben des gleichen, 98 nm dicken LPE-YIG-Films stammen. In Kap. 5.1 wird zunächst die Charakterisierung des unstrukturierten YIG-Films bezüglich der Sättigungsmagnetisierung und des Gilbert-Dämpfungsparameters mittels der Vektor-Netzwerkanalysator-FMR Methode (VNA-FMR) vorgestellt. Dabei wird näher auf die magnetokristalline Anisotropie eingegangen um deren Einfluss auf die späteren Messungen an den Mikrostrukturen abzuschätzen. Die Ergebnisse der Charakterisierung dienen im Folgenden als Maßstab für die Validierung der Brillouin-Lichtstreu-Mikroskopie-FMR Methode (µBLS-FMR, vergl. Kap. 3.2.3). Zusätzlich wird der Einfluss der als zusätzlicher Parameter auftretenden Laserleistung untersucht und die Bestimmung der Austauschkonstanten über die Messung thermischer Spinwellenspektren gezeigt. 69 5.1 Charakterisierung des YIG-Films Abschnitt 5.2 behandelt die Charakterisierung der Mikrostrukturen mittels der mikrofokussierten Brillouin-Lichtstreuspektroskopie (µBLS). Dabei wird zunächst das aufgrund von Quantisierungseffekten veränderte Modenspektrum der Strukturen untersucht und mit mikromagnetischen Simulationen verglichen um die Fundamentalmoden zu identifzieren. Anschließend wird die Charakterisierung anhand dieser Fundamentalmoden analog zu Kap. 5.1 durchgeführt, jedoch tritt dabei eine prinzipielle wechselseitige Abhängigkeit der Messung der Sättigungsmagnetisierung und der Austauschkonstanten auf, die hier näher betrachtet wird. Abschließend werden erneut die thermischen Spinwellenspektren der Mikrostrukturen und der Einfluss des Strukturierungsprozesses auf diese untersucht. 5.1. Charakterisierung des YIG-Films 5.1.1 Vektor-Netzwerkanalysator-Messungen der ferromagnetischen Resonanz Die Vektor-Netzwerkanalysator-ferromagnetische Resonanz Methode (VNA-FMR) erlaubt die Bestimmung der magnetischen Eigenschaften von dünnen Filmen hinsichtlich des Gilbert-Dämpfungsparameters α und der Sättigungsmagnetisierung Ms . Die Beschreibung dieser Methode findet sich in Kap. 3.1. Für die Analyse der Daten wird die für einen dünnen Film angepasste KittelFormel (Gl. 3.3) herangezogen. Wie sich im weiteren Verlauf dieses Abschnitts herausstellen wird, ist die magnetokristalline Anisotropie im verwendeten YIG-Film sehr komplex und insbesondere abhängig vom externen Feld. Die Anisotropie ist allerdings nur schwach ausgeprägt und wird in den späteren Messungen der Mikrostrukturen kaum eine Rolle spielen, da die Formanisotropie (vergl. Kap. 2.1.8) dominiert. Daher ist eine detaillierte Untersuchung dieses komplexen Verhaltens im Rahmen dieser Arbeit nicht notwendig und für die Betrachtungen in diesem Abschnitt wird die Anisotropie nur durch eine stark vereinfachtes Modell einer uniaxialen Anisotropie berücksichtigt. Es gilt dann, unter Vernachlässigung einer Anisotropiekomponente entlang der Filmnormalen, für eine Ausrichtung der Magnetisierung entlang der leichten Achse: fFMR (Heff ) = |γ|µ0 p (Heff + Hani ) · (Heff + Hani + Ms ) . 2π (5.1) Des weiteren gilt für eine Ausrichtung der Magnetisierung entlang der harten Achse: fFMR (Heff ) = |γ|µ0 p (Heff − Hani ) · (Heff + Ms ) . 2π (5.2) Hier ist fFMR die Frequenz der ferromagnetischen Resonanz, Hani das Anisotropiefeld und Heff das effektiv in der Probe wirksame Magnetfeld, welches sich im Falle eines unendlich ausgedehnten in der Ebene magnetisierten Filmes auf das extern angelegte Magnetfeld reduziert. Eine Untersuchung der Frequenz der FMR in Abhängigkeit des effektiven Magnetfeldes erlaubt es die 70 5.1 Charakterisierung des YIG-Films Sättigungsmagnetisierung Ms , sowie das Anisotropiefeld Hani als Anpassungs-Parameter an die experimentellen Ergebnisse zu erhalten. Zusätzlich besteht die Möglichkeit das gyromagnetische Verhältnis γ ebenfalls als freien Anpassungs-Parameter zu behandeln und damit die Kopplung der Elektronen im Material zu berücksichtigen. Um die magnetokristalline Anisotropie im verwendeten Film genauer zu untersuchen, ist eine Winkelskala in den Aufbau integriert (vergl. Kap. 3.2.5), wodurch die FMR winkelabhängig bezüglich des Winkels zwischen Magnetisierung und Kristallachse gemessen werden kann. Die Messung der Anisotropie erfolgt durch Rotation der Probe in 5°-Schritten und die anschließende Bestimmung der FMR-Frequenz, während das extern angelegte Magnetfeld konstant gehalten wird. In allen im Folgenden aufgeführten VNA-FMR-Messungen ist außerdem die MikrowellenAnregungsleistung zu Pex = 0 dBm gewählt, wodurch im verwendeten Aufbau das Auftreten nichtlinearer Effekte vermieden wird. Für ein extern angelegtes Magnetfeld von µ0 Hext = 5 mT (Abb. 5.1a)) zeigt sich eine geringe Frequenzdifferenz zwischen den harten und leichten Achsen von δ f ≈ 25 MHz, sowie eine klare sechszählige Symmetrie. Dies lässt sich dadurch erklären, dass YIG wie die meisten Vertreter der Granatgruppe im kubischen Kristallsystem kristallisiert [77]. Wird weiterhin berücksichtigt, dass bei dem verwendeten YIG-Film die Flächennormale der h1 1 1iAchse entspricht, so ergibt sich eine sechszählige Anisotropie in der Filmebene. Die Ursache der Frequenzabsenkung für eine Ausrichtung der Magnetisierung entlang der harten Achsen ist die Reduktion des extern angelegten Magnetfeldes durch das Anisotropiefeld (vergl. Gl. 5.2). Die schwache Ausprägung der Anisotropie beruht auf der Tatsache, dass in YIG das magnetische Moment durch die Fe3+ -Ionen [14] generiert wird, die sich nach Russel-SaundersKopplung im Grundzustand 6 S5/2 befinden (vergl. Kap. 4.1.1). Da dieser Zustand keinen orbitalen Drehimpuls trägt, fehlt die Spin-Bahn-Kopplung und damit verschwindet auch die magnetokristalline Anisotropie. Der kleine zu beobachtende Anteil ergibt sich aus der in der Russel-Saunders Kopplung unberücksichtigten Wechselwirkung elektronischer Subzustände [17]. Weitere Untersuchungen der Anisotropie bei höheren Feldern zeigen jedoch eine starke Änderung der beschriebenen sechszähligen Symmetrie. Für eine höhere Magnetfeldfeldstärke von 90 mT (Abb. 5.1b)) ist eine Überlagerung zweier dreizähliger Anisotropien unterschiedlicher Stärke zu sehen. Eine weitere Erhöhung der Feldstärke auf 400 mT (Abb. 5.1c)) führt zur Unterdrückung der schwächeren Teilanisotropie und es dominiert eine dreizählige Anisotropie. Dieses komplexe Verhalten in Abhängigkeit des externen Feldes findet keine Beschreibung in der Literatur. Jedoch kann eine Formanisotropie ausgeschlossen werden, da die untersuchte Probe sehr groß ist (> 1 cm) und insbesondere eine asymmetrische Geometrie aufweist. Vielmehr ist die Ursache mit hoher Wahrscheinlichkeit auf den Herstellungsprozess zurückzuführen, da im Rahmen dieser Arbeit ebenfalls mittels Laserdeposition hergestelltes YIG untersucht wurde, welches eine ausgeprägte vierzählige Anisotropie aufweist. Eine zusätzliche Untersuchung der Kristallstruktur 71 5.1 Charakterisierung des YIG-Films 105 0,96 fFMR (GHz) 0,92 0,92 0,93 15 0 195 345 210 330 225 300 255 270 285 105 90 75 120 60 135 4,384 45 150 4,380 fFMR (GHz) 315 240 4,388 4,376 leichte Achse 30 0,96 4,372 4,372 45 180 0,95 4,376 60 165 0,94 (b) Magnetokristalline Anisotropie für ein externes Feld von µ0 Hext = 90 mT. Die vormals sechszählige Symmetrie zerfällt für größere Feldstärken in zwei dreizählige Symmetrien. harte Achse 150 0,94 0,93 75 135 0,95 (a) Magnetokristalline Anisotropie für ein externes Feld von µ0 Hext = 5 mT. Die sechszählige Symmetrie ist eine Folge des YIG-Wachstums mit der Flächennormalen entlang der h1 1 1i-Achse. 90 120 30 165 15 180 0 195 4,380 345 210 4,384 330 225 315 240 4,388 300 255 270 285 105 90 75 120 13,615 60 135 45 150 30 (c) Magnetokristalline Anisotropie für ein externes Feld von µ0 Hext = 400 mT. Für noch stärkere Felder dominiert eine der dreizähligen Symmetrien. fFMR (GHz) 13,605 165 15 13,595 180 0 13,595 195 345 13,605 210 13,615 330 225 315 240 300 255 270 285 Abbildung 5.1: FMR-Frequenz fFMR in Abhängigkeit des Winkels zwischen Magnetisierung und internen Kristallachsen für verschiedene verschiedene Stärken des extern angelegten Magnetfeldes. 72 5.1 Charakterisierung des YIG-Films Tabelle 5.1: Lage der kristallographischen Achsen bezüglich der in Abb. 5.1 angegebenen Winkelskala. Winkel ( °) kristallographische Achse (Millersche Indizes [u v w]) 10 [1 1 0] 40 [2 1 1] 160 [1 2 1] 280 [1 1 2] 340 [1 2 1] mittels Röntgenstrukturanalyse1 zeigt die in Tabelle 5.1 aufgeführte Lage der internen Kristallachsen. Allerdings gibt auch dies keinen weiteren Aufschluss zu dem beobachteten Phänomen. Um näheres über den Einfluss der in den Anisotropiemessungen gefundenen harten und leichten Achsen zu erhalten wird die Probe für die in Abb. 5.1a) eingezeichneten relativen Winkel zwischen Magnetisierung und Kristallachse in Abhängigkeit des externen Feldes auf die Resonanzfrequenz untersucht. Da die Anisotropie wie bereits erwähnt jedoch nur sehr schwach ausgeprägt ist, wird als stark vereinfachte Näherung für die folgende Analyse eine uniaxiale Anisotropie angenommen. Für eine Ausrichtung der Magnetisierung parallel zur leichten Achse (Abb. 5.2a)) ergibt sich eine Sättigungsmagnetisierung von Ms = (141, 8 ± 0, 8) kA m−1 , ein Anisotropiefeld von µ0 Hani = (−0, 47 ± 0, 18) mT und ein gyromagnetisches Verhältnis von γ̄ = γ 2π = (28, 316 ± 0, 018) GHz T−1 . Die Sättigungsmagnetisierung entspricht damit dem in der Literatur angegebenen Wert von 139, 26 kA m−1 [13, 17, 78, 79] und die magnetokristalline Anisotropie ist, wie zuvor schon beschrieben, verhältnismäßig klein, äußert sich jedoch in einem negativen Anisotropiefeld. Ursache dafür ist, dass die Messung feldabhängig ist, daher beeinflusst die in Abb. 5.1 gezeigte Änderung der Anisotropie mit größeren Magnetfeldstärken die Lage der harten und leichten Achsen, wodurch keine verlässliche Aussage über das Verhalten des Anisotropiefeldes in den Gln. 5.1 und 5.2 getroffen werden kann. Es zeigt sich außerdem, dass die Vernachlässigung einer Anisotropiekomponente entlang der Filmnormalen gerechtfertig ist, da die Sättigungsmagnetisierung ansonsten gegenüber dem Literaturwert reduziert wäre (vergl. Gl. 3.6). Das gyromagnetische Verhältnis ist wie zu erwarten leicht abweichend vom Wert des freien Elektrons (γ̄e− ≈ 28 GHz T−1 ), da es sich bei YIG um einen Isolator handelt und daher die Elektronen kein quasifreies Elektronengas bilden können, deckt sich aber mit Literaturangaben [80]. Eine Messung für die Ausrichtung der Magnetisierung parallel zur harten Achse (Abb. 5.2b)) ergibt eine identische Sättigungsmagnetisierung von Ms = (141, 5 ± 0, 7) kA m−1 , ein Anisotropiefeld von µ0 Hani = (0, 84 ± 0, 18) mT und ein gyromagnetisches Verhältnis von γ̄ = (28, 333±0, 018) GHz T−1 . Die Sättigungsmagnetisierungen sind innerhalb der Fehlergrenzen 1 Durchgeführt von C. Dubs, INNOVENT e.V. Technologieentwicklung, Jena, Deutschland. Koorperationspartner und Produzent der untersuchten YIG-Filme. 73 5.1 Charakterisierung des YIG-Films identisch, da diese unabhängig von der relativen Lage der Magnetisierung zu den Kristallachsen ist, dies gilt ebenso für das gyromagnetische Verhältnis. Wird von der Anisotropie abgesehen, so entspricht der untersuchte YIG-Film den Erwartungen und deckt sich mit der Literatur. Aus den VNA-FMR Daten kann zusätzlich zur Resonanzfrequenz auch die Feldlinienbreite der FMR ∆H gewonnen werden (vergl. Kap. 3.1). Allerdings wird in der Messung die Anregungsfrequenz variiert und damit die Frequenzlinienbreite ∆ f gemessen. Daher muss zur Auswertung dieser Daten diese zunächst in die Feldlinienbreite gemäß Gl. 3.9 umgerechnet werden. Dadurch kann der Gilbert-Dämpfungsparameter α und die inhomogene Feldlinienbreite µ0 ∆H0 als Parameter aus einer einfachen linearen Anpassung (Gl. 3.10) gewonnen werden. Für die Messung der Ausrichtung der Magnetisierung parallel zur leichten Achse (Abb. 5.3a)) ergibt sich der GilbertDämpfungsparameter zu α = (1, 16 ± 0, 07) ×10−4 und die inhomogene Feldlinienbreite zu 20 Ms = (141,8 ± 0,8) kA/m γ = (28,316 ± 0,018) GHz/T μ0Hani = (-0,48 ± 0,18) mT 18 16 (a) Magnetisierung parallel zur leichten Achse der magnetokristallinen Anisotropie (vergl. Abb. 5.1a)). fFMR (GHz) 14 12 10 8 6 4 Messung Kittel-Fit 2 0 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 350 400 450 500 550 μ0Heff (mT) 0 50 100 150 200 250 300 20 Ms = (141,5 ± 0,7) kA/m γ = (28,333 ± 0,018) GHz/T μ0Hani = (0,84 ± 0,18) mT 18 16 (b) Magnetisierung parallel zur harten Achse der magnetokristallinen Anisotropie (vergl. Abb. 5.1a)). fFMR (GHz) 14 12 10 8 6 4 Messung Kittel-Fit 2 0 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 μ0Heff (mT) Abbildung 5.2: Ergebnisse der VNA-FMR Messungen: FMR-Resonanzfrequenz fFMR gegen effektives Magnetfeld µ0 Heff , sowie Kittel-Anpassung. Die Messfehler liegen innerhalb der Messpunkte. 74 5.1 Charakterisierung des YIG-Films µ0 ∆H0 = (0, 063 ± 0, 005) mT. Abbildung 5.3b) zeigt das Ergebnis für eine Ausrichtung der Magnetisierung parallel zur harten Achse. Es ergibt sich ein deutlich höherer Gilbert-Dämpfungsparameter von α = (1, 55 ± 0, 07) ×10−4 und eine inhomogene Feldlinienbreite von µ0 ∆H0 = (0, 037 ± 0, 003) mT. Die Anisotropie scheint also einen deutlich stärkeren Einfluss auf die Dämpfung als auf die Sättigungsmagnetisierung zu haben. Eine allgemeine Aussage über den Unterschied der gemessenen Gilbert-Dämpfung für eine Ausrichtung entlang der harten und der leichten Achsen kann jedoch nicht ohne weiteres getroffen werden, da die Abhängigkeit von den kristallographischen Achsen recht komplex ist [81, 82]. Zusätzlich wird die Dämpfung analog zur Sättigungsmagnetisierung aus einer feldabhängigen Messung gewonnen, daher ist ein Vergleich generell nicht sinnvoll, da die Anisotropie wie bereits angesprochen feldabhängig ist. Verglichen mit Untersuchungen für dicke mit Flüssigphasenepitaxie gewachsene YIG Schichten im Mikro0.25 -4 α = (1,16 ± 0,07) 10 μ0ΔH0 = (0,063 ± 0,005) mT (a) Magnetisierung parallel zur leichten Achse der magnetokristallinen Anisotropie. μ0ΔH (mT) 0.20 0.15 0.10 0.05 Messung lineare Anpassung 0.00 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 12 14 16 18 fFMR (GHz) 0 2 4 6 8 10 0,25 0.25 -4 α = (1,55 ± 0,07) 10 μ0ΔH0 = (0,037 ± 0,003) mT (b) Magnetisierung parallel zur harten Achse der magnetokristallinen Ansiotropie. μ0ΔH (mT) 0,20 0.20 0,15 0.15 0,10 0.10 0,05 0.05 Messung lineare Anpassung 0,00 0.00 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 fFMR (GHz) Abbildung 5.3: Ergebnisse der VNA-FMR Messungen: Feldlinienbreite µ0 ∆H0 gegen FMRResonanzfrequenz fFMR , sowie lineare Anpassung nach Gl. 3.10. Die Messfehler liegen größtenteils innerhalb der Messpunkte. 75 5.1 Charakterisierung des YIG-Films meterbereich (µ0 ∆H = 0, 04 bis 0, 06 mT für f = 9, 3 GHz [83]) erscheint die aus den Messungen erhaltene Gilbert-Dämpfung recht groß. Unter Berücksichtigung, dass es sich um einen nur 98 nm dicken Film handelt, ist eine deutlich größere Dämpfung jedoch zu erwarten. Der erzielte Wert deckt sich mit den Angaben zu ähnlichen Filmen in der Literatur [80]. Die inhomogene Feldlinienbreite µ0 ∆H0 , die den in der Gilbert-Dämpfung nicht enthaltenen nichtviskosen Anteil der Dämpfung beschreibt, ist hauptsächlich verursacht durch den Einfluss von Störstellen, Gitterfehlern und insbesondere durch die Oberflächen des Films. Diese ist für den untersuchten Film ebenfalls sehr klein und lässt daher auf eine gute strukturelle Qualität und Oberflächenbeschaffenheit des Materials schließen [18]. Es sei hier erwähnt, dass zusätzlich die zweiMagnonen-Streuung einen Beitrag sowohl zu der gemessenen inhomogenen Linienbreite, als auch zu der effektiv gemessenen Gilbert-Dämpfung liefern kann. Die Ursache dieser Verbreiterung ist in Kap. 2.3.1 näher beschrieben. Zusammenfassend zeigt sich, dass der untersuchte YIG-Film sich gut als Basis für die Untersuchung der Spinwellendynamik [13] oder zur Anwendungen für magnonische Bauteile [5] eignet. Lediglich die Anisotropie weist ein komplexes Verhalten auf, welches in der Literatur nicht beschrieben ist. Allerdings ist der Einfluss auf die Sättigungsmagnetisierung vernachlässigbar. Die Dämpfung jedoch scheint stärker beeinflusst zu werden, jedoch sind die gemessenen Werte sehr gut und die Gilbert-Dämpfung liegt trotz der geringen Dicke des untersuchten Films mehr als eine Größenordnung unterhalb der besten zurzeit verfügbaren metallischen Ferromagneten [84]. 5.1.2 Brillouin-Lichtstreu-Mikroskopie-Messungen Die im vorherigen Abschnitt genutzte VNA-FMR Methode ist eine häufig verwendete Methode um die Qualität von dünnen magnetischen Schichten zu untersuchen. Bei der Charakterisierung von Mikro- und Nanostrukturen offenbart sich jedoch ein offensichtlicher Nachteil: Die Absorption aus dem Mikrowellenfeld skaliert mit dem Materialvolumen, d.h. einzelne Mikro- bzw. Nanostrukturen liefern ein zu geringes Signal. Eine mögliche Lösung ist das Herstellen einer entkoppelten Anordnung mehrerer identischer Strukturen. Dies ist jedoch in der Regel mit einem erheblichen Aufwand verbunden und erlaubt nur die Charakterisierung von Teststrukturen die nicht in ein Bauteil (z.B. magnonische Schaltkreise [5]) integriert sind. Daher wird in dieser Arbeit zur Untersuchung der Mikrostrukturen eine alternative Methode, die Brillouin-Lichtstreuspektroskopie (BLS), genutzt, deren prinzipielle Funktionsweise und der Aufbau der Messapperatur sich in Kap. 3.2 finden. Diese Methode hat sich als ein wichtiges Werkzeug zur Untersuchung der Magnetisierungsdynamik propagierender Spinwellen in Mikrostrukturen etabliert [44]. Die für die Messungen der Linienbreite hochqualitativer magnetischer Schichten benötigte Frequenzauflösung stellt jedoch ein Problem dieser Methode dar, die nur eine unzureichende Frequenzauflösung von ca. 50 MHz 76 5.1 Charakterisierung des YIG-Films bietet2 . Um dies zu umgehen wird hier, analog zur VNA-FMR, eine in den Aufbau integrierte Stripline-Antenne zur Anregung der Magnetisierungsdynamik genutzt, wodurch die Frequenzauflösung durch den genutzten Mikrowellengenerator vorgegeben wird. Lediglich die Detektion der Spinwellen-Intensität erfolgt mittels mikrofokussierter BLS (vergl. Kap. 3.2.2), dadurch ist zusätzlich eine räumlich aufgelöste Analyse möglich. Als Test und zur Verifikation der Methode wird im Folgenden der gleiche unstrukturierte YIG-Film wie in Kap. 5.1.1 untersucht. Ortsaufgelöste Untersuchung der ferromagnetischen Resonanz mittels mikrofokussierter Brillouin-Lichtstreuspektroskopie (µBLS-FMR) Abbildung 5.4 zeigt ein typisches µBLS-Spektrum einer FMR-Messung, bei der die SpinwellenIntensität in Abhängigkeit der Anregungsfrequenz fex gemessen wird. Dazu wird für jede Anregungsfrequenz die Spinwellen-Intensität des detektierten frequenzaufgelösten BLS-Spektrums aufsummiert (integrierte BLS-Intensität) und anschließend gegen die Anregungsfrequenz aufgetragen. Durch die Anpassung einer Lorentz-Kurve an das erhaltene Anregungsspektrum werden Abbildung 5.4: µBLS-Spektrum einer FMRMessung für µ0 Hext = 30 mT und einer Laserleistung von Plaser = 3, 74 mW: Integrierte BLS-Intensität gegen die Anregungsfrequenz fex . Analog zur VNA-FMR wird das Anregungsspektrum mit einer Lorentz-Kurve angepasst. integrierte BLS-Intensität (bel. E.) die FMR-Resonanzfrequenz sowie die Linienbreite ermittelt. 16000 14000 Messpunkt Lorentz-Fit 12000 10000 8000 6000 4000 2,14 2,16 2,18 2,20 2,22 2,24 Anregungsfrequenz fex (GHz) Bevor jedoch auf die FMR-Messungen eingegangen wird, muss der Einfluss der hier als zusätzlicher Parameter auftretenden BLS-Laserleistung untersucht werden. Diese kann über eine im Strahlengang des Lasers positionierte λ2 -Platte (vergl. Kap. 3.2.3) eingestellt werden. Die Messung der Leistung erfolgt vor der FMR-Messung über ein anstatt der Probe in den Fokuspunkt eingebrachtes Leistungsmessgerät3 . Abbildung 5.5 zeigt die erhaltenen Ergebnisse einer FMR-Messung für eine Variation der auf diese Weise kalibrierten Laserleistung. Erwartungsgemäß zeigt sich eine Zunahme des Signals und des Rauschens (vergl. Abb. 5.5a)), sowie ein Verschub der FMR-Frequenz zu 2 Gegeben durch die Reflektivität der Spiegel des verwendeten Tandem-Fabry-Pérot Interferometers 3 LaserCheck 54-018, Edmund Optics Inc. 77 5.1 Charakterisierung des YIG-Films kleinerern Frequenzen mit steigender Laserleistung (Abb. 5.5b)). Ursache ist die verstärkte Erwärmung des YIG-Films, wodurch die damit einhergehende Reduktion der Sättigungsmagnetisierung (Curie-Weiss-Gesetz [22]) nach Gl. 3.8 zu einem Verschub der FMR zu kleineren Frequenzen führt. Die absolute Frequenzänderung beträgt im betrachteten Bereich der Laserleistung jedoch nur 2,5 MHz und ist damit sehr gering. Gleichzeitig vergrößert sich die Linienbreite durch eine Zunahme der Streuung mit thermisch generierten Phononen [85]. Der Anstieg des Rauschens ist auf die verstärke Intensität des elastisch und inelastisch gestreuten Lichtes zurückzuführen, dass trotz der starken Unterdrückung durch das Tandem-Fabry-Pérot-Interferometer (vergl. Kap. 3.2.4) bis zum Detektor dringt. Um für die folgenden Messungen der FMR den Einfluss der Laserleistung möglichst gering zu halten, jedoch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Messzeit mit der Laserleistung skaliert, wird als Kompromiss die Leistung zu 3,74 mW gewählt (siehe gestrichelte Linie in Abb. 5.5b)), da sich für diese Leistung eine nur geringfügige Änderung der FMR-Frequenz und insbesondere der Linienbreite und damit der Spinwellen-Dämpfung zeigt. Abbildung 5.6 zeigt die Ergebnisse der µBLS-FMR-Messungen in Abhängigkeit des extern angelegten Feldes im direkten Vergleich mit den VNA-FMR Ergebnissen. Für die Anpassung der BLSDaten werden die in Kap. 5.1.1 gefundenen Werte für das gyromagnetische Verhältnis γ und das Anisotropiefeld Ms µ0 ∆Hani = (135, 0±0, 8) kA m−1 verwendet. Die erhaltene Sättigungsmagnetisierung von (vergl. Abb. 5.6a)) ist geringfügig kleiner als aus den VNA-Messungen ermittelt, dies ist allerdings auf die in den BLS-Messungen zusätzliche auftretende Erwärmung des YIG-Films durch den Laser im zurückzuführen. Der ermittelte Gilbert-Dämpfungsparameter von α = (1, 05 ± 0, 38) ×10−4 (Abb. 5.6b)) und die erhaltenen inhomogene Feldlinienbreite a) b) 3000 5,0 PLaser = 3,74 mW 4,5 2500 3,3360 2000 3,3355 4,0 3,3350 3,5 PLaser 1500 1000 3,3345 3,0 3,3340 2,5 3,3335 500 ΔfFMR (MHz) 3,3365 fFMR (GHz) integrierte BLS-Intensität (bel. E.) von µ0 ∆H0 = (0, 059 ± 0, 010) mT stimmen innerhalb der Fehlergrenzen mit den Ergebnissen der 2,0 3,3330 0 3,32 3,33 3,34 3,35 3,36 Anregungsfrequenz fex (GHz) 3,37 0 2 4 6 8 10 12 14 16 Laserleistung PLaser (mW) Abbildung 5.5: a) Integrierte BLS-Intensität gegen Anregungsfrequenz für µ0 Hext = 60 mT unter Variation der Laserleistung von PLaser = 0, 7 − 14, 4 mW. Die Signalintensität sowie das Rauschen steigen mit größerer Laserleistung an. b) FMR-Frequenz und Linienbreite in Abhängigkeit der Laserleistung. 78 5.1 Charakterisierung des YIG-Films 20 BLS Ms 18 16 VNA-FMR µBLS-FMR 14 fFMR (GHz) (a) FMR-Frequenz fFMR in Abhängigkeit des extern angelegten Magnetfeldes µ0 Heff , sowie Kittel-Anpassung. Die Kittel-Anpassung der BLS-Daten erfolgt mit den festen Parametern µ0 Hani = −0, 469 mT und γ = 28, 316 GHz T−1 . = (135,0 ± 0,8) kA/m 12 10 8 8 6 6 4 4 2 2 0 0 0 50 100 150 200 250 0 300 50 350 100 400 150 450 500 550 μ0Heff (mT) 0,25 -4 0,20 μ0ΔH (mT) (b) Feldlinienbreite µ0 ∆H in Abhängigkeit der FMR-Frequenz, sowie lineare Anpassung nach Gl. 3.10 zur Bestimmung der Gilbert-Dämpfung. Der Messfehler der µBLS-FMR Linienbreite ist hauptsächlich durch die gewählte Schrittweite der Frequenz (hier 0,5 MHz) bestimmt. α BLS = (1,05 ± 0,38) 10 BLS μ0ΔH0 = (0,059 ± 0,010) mT VNA-FMR µBLS-FMR 0,15 0,14 0,10 0,10 0,05 0,06 2 0,00 0 2 4 6 8 10 4 12 6 14 8 16 18 fFMR (GHz) Abbildung 5.6: Ergebnisse der µBLS-FMR Messungen im direkten Vergleich mit den VNA-FMR Messungen: Die BLS-Messungen sind ebenfalls für eine Ausrichtung der Magnetisierung entlang der leichten Achse der magnetokristallinen Anisotropie aufgenommen. VNA-FMR-Messungen überein. Ein hier ersichtliches Problem sind die relativ großen Messfehler der Linienbreite der µBLS-FMR, die durch die gewählte Schrittweite der Anregungsfrequenz der Messung gegeben sind. Für eine kleinere Schrittweite lassen sich diese auf das Niveau der VNAFMR-Messung verringern, gleichzeitig würde jedoch dabei die benötigte Messzeit entsprechend ansteigen. Ein weiteres Problem ist die maximal erreichbare Magnetfeldstärke des verwendeten BLS-Aufbaus von maximal µ0 Hext = 150 mT. Dadurch kann nur ein relativ kleiner Frequenzbereich im Vergleich zum VNA-FMR untersucht werden und die Messgenauigkeit zur Bestimmung der Materialparameter ist geringer. Die trotz der angesprochenen Einflüsse durch den Aufbau gute Übereinstimmung der mit der µBLS-FMR erhaltenen Ergebnisse mit denen der VNA-FMR-Methode zeigt, dass mit dieser Me79 5.1 Charakterisierung des YIG-Films thode eine Charakterisierung der Qualität von dünne magnetischen Filmen möglich ist. Einen großen Vorteil dieser Methode stellt die zusätzliche Ortsauflösung dar, welche essentiell für die in Kap. 5.2 durchgeführte Analyse einzelner Mikrostrukturen ist. Auch eine Untersuchung der magnetokristallinen Anisotropie (vergl. Kap. 5.1.1) ist prinzipiell möglich, wurde hier aber nicht weiter betrachtet. Die Qualität der Messungen kann mit relativ einfachen Mitteln verbessert werden, da z.B. eine limitierende Größe der hier verwendete Elektromagnet ist. Dies kann durch das Integrieren eines leistungsstärkeren Elektromagneten in den experimentellen Aufbau behoben werden. µBLS-Messung der thermischen Spinwellenspektren Wie im vorherigen Abschnitt gezeigt, erlaubt die Methode der µBLS-FMR die Charakterisierung wichtiger Materialparameter, wie der Sättigungsmagnetisierung und des Gilbert-Dämpfungsparameters, wobei dies aufgrund der Mikrofokussierung ortsaufgelöst möglich ist. Neben der Untersuchung der FMR-Mode bietet diese Methode aber auch Zugang zu anderen Parametern um die Qualität des Materials zu bestimmen, wie z.B. die Untersuchung propagierender Spinwellen in Wellenleitern [86], bei denen über eine Bestimmung der Abklinglänge die mittlere Lebensdauer der Magnonen gemessen werden kann. Als eine der wenigen zur Zeit bekannten Methoden erlaubt die BLS außerdem die Untersuchung des thermischen Spinwellenspektrums, d.h. ein Messen der thermischen Zustandsbesetzung (hier bei Raumtemperatur) ohne Anregung der Magnetisierungs- 12 12 10 10 Frequenz (GHz) BLS-Frequenz (GHz) dynamik durch externe Quellen. Dadurch können nicht nur die FMR, bzw. die Damon-Eshbach 8 6 4 p=2 8 p=1 6 p=0 4 400 a) 300 200 100 BLS-Intensität (bel. E.) 0 0 b) 5 10 15 20 Wellenzahl k (rad/μm) Abbildung 5.7: a) Thermisches Spinwellenspektrum für eine externes Feld von µ0 Hext = 85 mT: Zu sehen sind die Grundmode, sowie die ersten beiden PSSW-Moden. b) Zugehörige Dispersion berechnet für einen 98 nm dicken Film mit Ms = 141 kA m−1 und Aex = 4, 4 pJ m−1 bis zur maximal detektierbaren Wellenzahl von 22 rad µm−1 . 80 5.1 Charakterisierung des YIG-Films und Rückwärts-Volumen-Mode, sonderen auch noch andere Moden aufgelöst werden (vergl. Kap. 2.3.3). Dazu zählen insbesondere die senkrecht stehenden Spinwellen (engl.: perpendicular standing spinwaves, PSSW), also Spinwellen die in Richtung der Filmdicke quantisiert sind. Die Untersuchung der Frequenz dieser Moden bietet Zugang zu der Austauschkonstanten Aex [59] und soll im Folgenden näher betrachtet werden. Da die Energie von Magnonen mit Frequenzen im GHz-Bereich im Bereich einiger µeV liegt, ist die Dispersion bei Raumtemperatur (kb TR ≈ 25 meV für TR =300 K) bis in den austauschdominierten Bereich besetzt (vergl. Kap. 2.3.2). Mittels der BLS kann daher die gesamte Dispersion detektiert werden, wodurch die einzelnen Spinwellen-Moden aufgelöst und untersucht werden können. Der zugängliche Bereich der Dispersion ist dabei durch den maximal detektierbaren Wellenvektor nach Gl. 3.17 limitiert. Da die µBLS zusätzlich keine ausgezeichnete Wellenvektorselektivität besitzt (vergl. Kap. 3.2.2), erfolgt eine Integration über alle zugänglichen Wellenvektoren, d.h. die Dispersion wird auf die Frequenzachse projiziert, wobei sehr flache Bereiche der Dispersion dabei zu Maxima im detektierten Spektrum führen. Da insbesondere in dünnen Filmen die PSSW-Moden eine sehr flache Dispersionskurve aufweisen, treten diese hier als schmale Maxima auf (vergl. Abb. 5.7a)). In Näherung ergibt sich aus der allgemeinen Dispersionsrelation (Gl. 2.71) durch Vernachlässigung des Wellenvektoranteils in der Filmebene die Frequenz der PSSW-Moden zu: |γ| fPSSW (Heff ) = 2π s 2Aex pπ 2 2Aex pπ 2 µ0 Heff + × µ0 Heff + + µ0 Ms . Ms d Ms d (5.3) Hier steht Aex für die Austauschkonstante, p für die Modennummer und d für die Filmdicke. Mit der bereits in den µBLS-FMR-Messungen gefunden Sättigungsmagnetisierung Ms kann die Austauschkonstante nun als Anpassungsparameter aus der Messung der thermischen Spektren gewonnen werden. Dazu werden die ersten beiden PSSW-Moden (p = 1, p = 2) in Abhängigkeit des Magnetfeldes gemessen (vergl. Abb 5.8), wobei sich die Austauschkonstante zu Aex = (4, 32 ± 0, 18) pJ m−1 ergibt. Da es durch den Herstellungsprozess bedingt zu einer kleinen Variation der Filmdicke über den YIG Wafer kommen kann, diese aber gleichzeitig den aus der Messung erhaltenen Wert der Austauschkonstanten stark beeinflusst, wird zur Abschätzung des Fehlers eine Dickenvariation von ± 2 nm angenommen und an die Messdaten angepasst. Ein Vergleich der erhaltenen Austauschkonstanten mit der Literatur [87] ergibt eine Übereinstimmung der Größenordnung, ist jedoch aufgrund abweichenden Herstellungsverfahren und unterschiedlicher Dotierung schwierig. Die in diesem und dem vorherigen Abschnitt gezeigten Messungen zeigen, dass die mikrofokussierte Brillouin-Lichtstreuspektroskopie es erlaubt dünne magnetische Filme auf ihre Qualität bezüglich ihrer Sättigungsmagnetisierung und Gilbert-Dämpfung hin zu untersuchen. Zusätzlich 81 5.1 Charakterisierung des YIG-Films 14 12 fPSSW (GHz) 10 8 6 4 2 0 -100 1. PSSW 2. PSSW -80 -60 -40 Aex = (4,32 ± 0,18) pJ/m -20 0 20 40 60 80 100 μ0Heff (mT) Abbildung 5.8: Frequenz der PSSW-Moden fPSSW für p = 1 und p = 2 in Abhängigkeit des extern angelegten Feldes µ0 Heff im Bereich −80 mT < µ0 Heff < 80 mT. Die Austauschkonstante Aex wird aus einer wechselseitigen Anpassung beider Moden nach Gl. 5.3 gewonnen (gestrichelte Linie). erlaubt die BLS auch das Untersuchen thermischer Spinwellenspektren und der PSSW-Moden, wodurch die Messung der Austauschkonstanten möglich ist. Wird miteinbezogen, dass ebenfalls die Anisotropie bestimmt werden kann, so kann eine vollständige Charakterisierung magnetischer Schichten mittels mikrofokussierter BLS erreicht werden. Da dies insbesondere mit einer hohen Ortsauflösung möglich ist, kann, wie im folgenden Kapitel gezeigt wird, eine Charakterisierung einzelner Mikrostrukturen durchgeführt werden. 82 5.2 Charakterisierung der Mikrostrukturen 5.2. Charakterisierung der Mikrostrukturen Im Rahmen dieser Arbeit sollen nun im Folgenden Mikrostrukturen aus YIG charakterisiert werden, dies ist aber aufgrund der in Kap. 5.1.2 aufgeführten Gründe nicht mehr mittels VNA-FMR möglich. Da, wie in Kap.5.1.2 gezeigt wurde, die mikrofokussierte Brillouin-Lichtstreuspektroskopie (µBLS) prinzipiell dazu genutzt werden kann, die Qualität dünner magnetischer Filme zu bestimmen, wird diese Methode zur Charakterisierung der Mikrostrukturen genutzt. Dabei ist insbesondere die hohe Ortsauflösung essentiell, die Untersuchungen an einzelnen Mikrostrukturen ermöglicht. Diese Arbeit beschränkt sich dabei auf Strukturen mit quadratischem Grundriss und einer Kantenlänge von a = 4, 8 µm, 2, 8 µm, 1, 8 µm und 0, 8 µm, deren Herstellung in Kap. 4.2 beschrieben ist. Die in Kap. 5.1 besprochenen Untersuchungen stützen sich ausschließlich auf die ferromagnetische Resonanzmode (FMR) sowie die senkrecht stehenden Spinwellenmoden (PSSW). Doch insbesondere die FMR-Mode ist ein Spezialfall (Spinwelle mit k = 0 (vergl. Kap. 2.2.3)), die ausschließlich für einen unendlich ausgedehnten Film existiert. Ihre Reinform verschwindet sobald Randbzw. Quantisierungsbedingungen auftreten und es bilden sich eine neue Fundamentalmode sowie in der Regel eine Vielzahl höherer lateral stehender Moden aus. Daher muss in Kap. 5.2.1 zunächst das Modenspektrum der zu untersuchenden Mikrostrukturen analysiert und die Fundamentalmode identifiziert werden. Anschließend wird diese in Kap. 5.2.2 in Abhängigkeit des externen Feldes untersucht um den Einfluss der Strukturierung auf die Sättigungsmagnetisierung und die magnetische Gilbert-Dämpfung festzustellen. Abschließend folgt in Kap. 5.2.3 eine Analyse der thermischen Spinwellenspektren der Mikrostrukturen um den Einfluss der Strukturierung auf die Austauschkonstante zu untersuchen. 5.2.1 Spinwellen-Modenspektrum in Quadern mit quadratischer Basisfläche Bei den hier betrachteten Mikrostrukturen ist davon auszugehen, dass es zu einem starken Einfluss der mit der räumlichen Begrenzung des Films einhergehenden Quantisierungsbedingungen kommt. Daher kann im Folgenden nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die FMR-Mode existiert und es muss zunächst das vorliegende Modenspektrum untersucht werden. Dazu wird neben den Messungen auch auf mikromagnetische Simulationen4 zurückgegriffen, deren Prinzip hier kurz erläutert werden soll. Ausgangspunkt der Simulation ist das Lösen der Landau-LifshitzGilbert-Gleichung (Gl. 2.50) auf Basis der Finite-Differenzen-Methode. Dafür wird eine idealisierte Struktur, die von der Geometrie und den Abmessungen der realen Struktur entspricht, in gleich große quader-förmige Zellen mit uniformer Magnetisierung zerlegt. Es wird zunächst eine zufällige Magnetisierungsverteilung angenommen und unter Wirkung eines extern angelegten 4 durchgeführt mit MuMax3 [88], http://mumax.github.io 83 5.2 Charakterisierung der Mikrostrukturen Magnetfeldes relaxieren gelassen. Der so erhaltene Grundzustand ist Startpunkt für die eigentliche Simulation, für die zusätzlich ein räumlich homogenes, breitbandiges Anregungsfeld senkrecht zum externen Feld in der Filmebene angelegt wird. Als Parameter für die in diesem Kapitel durchgeführten Simulationen werden die in Kap. 5.1 ermittelten Materialparameter des Filmes von Ms = 135, 0 kA m−1 und Aex = 4, 32 pJ m−1 herangezogen. In einem Quader mit quadratischer Grundfläche (mit Kantenlänge a) unterliegen die Wellenvektorkomponenten in der Filmebene kx und kz den Quantisierungsbedingungen eines Teilchen im zweidimensionalen Potentialtopf [27], mit kx = nπ x mit n = 1, 2, 3, ... aeff (5.4) kz = mπ z mit m = 1, 2, 3, ... . aeff (5.5) und Dies entspricht der Ausbildung stehender Wellen in x und z Richtung in der Filmebene mit den x und a z nur grob den Modennummern n und m. Dabei entsprechen die Quantisierungslängen aeff eff geometrischen Abmessungen der Struktur. Sie sind durch das sogenannte Pinning (vergl. Kap. 2.3.4), also der Frustration der magnetischen Momente im Randbereich der Struktur, beeinflusst und es ergibt sich eine effektive Länge auf der von einem vollständigem Pinning der Momente ausgegangen wird. Abbildung 5.9a) zeigt das resultierende Frequenzspektrum der Simulation für eine Struktur mit Kantenlänge a = 4, 8 µm und in Abb. 5.9 c),d) und g)-j) sind die zugehörigen 2D-Intensitätsprofile der erhaltenen Moden in Falschfarbendarstellung gezeigt. An den 2DIntensitätsprofilen lassen sich nun die Quantenzahlen der entsprechenden Mode ablesen. Es zeigt sich, dass die intensitätsstärkste Mode der Fundamentalmode (n = 1, m = 1) entspricht, diese jedoch nicht die Mode der kleinsten Frequenz, bzw. Energie ist. Die höheren Moden sind außerdem in den Quantenzahlen n und m nicht entartet, sondern energetisch aufgespalten (vergl. Abb.5.9a)), d.h. es gilt für die Energie En,m der Moden: Ei, j 6= E j,i für i 6= j. (5.6) Dies ist durch zwei Effekte bedingt. Zum einen ist die Symmetrie des Systems durch das extern x und a z sind nicht identisch, angelegte Magnetfeld gebrochen, d.h. die Quantisierungslängen aeff eff wodurch die Entartung Ei, j ↔ E j,i (i 6= j) aufgehoben wird (Gl. 5.6). Wesentlich ausschlaggebender ist jedoch die unterschiedliche Dispersion für beide Richtungen aufgrund der dipolaren Wechselwirkung (vergl. Kap. 2.3.3). So führt ein größerer Wellenvektor (größere Quantenzahl n) senkrecht zur Feldrichtung (x-Richtung, bzw. Damon-Eshbach-Geometrie) zu einer Erhöhung der Energie, während ein größerer Wellenvektor (größere Quantenzahl m) parallel zur Feldrichtung (z-Richtung, bzw. Rückwärts-Volumen-Geometrie) zu einer Absenkung der Energie führt. Dies erklärt, warum die Fundamentalmode nicht der Mode mit der niedrigsten Frequenz entspricht. Es 84 5.2 Charakterisierung der Mikrostrukturen b) 15 Intensität (bel. E.) c) 10 d) i) g) 5 j) h) 0 3,0 c) 4,0 4,5 5,0 Frequenz (GHz) d) n = 1, m = 3 n = 1, m = 1 3500 e) 3000 2500 2000 ΔfExperiment = 56 78 121 ΔfSimulation = 50 80 130 1500 in MHz f) 1000 500 0 3,60 e) 4,8 6,4 0,0 4,8 0,0 0,0 4,8 0,0 3,65 3,70 3,75 3,80 3,85 3,90 3,95 4,00 4,05 4,10 Anregungsfrequenz fex (GHz) f) n = 1, m = 3 n = 1, m = 1 6,4 x-Position (µm) 4,8 3,5 integrierte BLS-Intensität (bel. E.) a) 0,0 0,0 g) n = 1, m = 5 4,8 h) n = 1, m = 7 4,8 i) n = 3, m = 1 4,8 j) 6,4 n = 7, m = 1 x-Position (µm) 4,8 0,0 6,4 0,0 0,0 0,0 0,0 4,8 0,0 0,0 4,8 0,0 0,0 4,8 0,0 4,8 z-Position (µm) Abbildung 5.9: Spinwellen Modenspektrum für die Mikrostruktur mit a = 4, 8 µm für µ0 Hext = 80 mT: a) Simulation des Spektrums und b) gemessenes Resonanzspektrum. Der Frequenzabstand der gemessenen und der simulierten Moden ist in b) eingezeichnet. c)/d) und g) bis j) 2D-Intensitätsprofil der Simulation für die in a) markierten Resonanzen. e) und f) Gemessenes 2D-Intensitätsprofil für die in b) grün markierten Resonanzen. Die Richtung des externen Magnetfeldes ist parallel zur z-Achse. sei hier erwähnt, dass die Energieabsenkung nur bis zu einer bestimmten Quantenzahl m auftritt, da diese nur im dipolaren Bereich der Rückwärts-Volumen-Moden auftritt. Für zu große Wellenvektoren kommt es im austauschdominierten Bereich auch in dieser Geometrie zu einer Energieanhebung. Es fällt zusätzlich auf, dass im Spektrum keine geradzahligen Moden auftreten (vergl. Abb. 5.9c),d) und g)-j)). Dies ist dadurch bedingt, dass das Anregungsfeld räumlich homogen ist 85 5.2 Charakterisierung der Mikrostrukturen (vergl. Kap. 3.2.5). Die experimentelle Messung des Resonanzspektrums erfolgt mittels µBLS, indem der Laser auf das Zentrum der Struktur fokussiert wird und die Anregungsfrequenz variiert wird. Abbildung 5.9b) zeigt das gemessene Resonanzspektrum, sowie eingezeichnet, die Frequenzabstände der Moden im Experiment (in schwarz) und in der Simulation (in blau). Die angesprochene Energieanhebung für zu große m zeichnet sich sowohl im simulierten als auch im gemessenen Spektrum in einem kleiner werdenden Frequenzabstand der Moden mit größer werdender Quantenzahl m ab. Außerdem ergibt sich eine gute Übereinstimmung beider Spektren, d.h. die für die Simulation gewählten Parameter des Films weichen nicht stark von denen der Struktur ab. Für die grün markierten Moden ist das gemessene 2D-Intensitätsprofil abgebildet (Abb. 5.9e) und f)). Es zeigt sich, dass die intensitätsstärkste Mode wie erwartet ebenfalls die Fundamentalmode mit n = 1 und m = 1 ist, jedoch zeigt die Untersuchung des Intensitätsprofils der Mode n = 1, m = 3 im Experiment nur den Ansatz des erwarteten Verlaufes (vergl. Abb. 5.9f)). Da die Messung der Modenprofile durch konstantes Anregen mit der Resonanzfrequenz der Mode erfolgt während die Struktur mit dem Laser abgerastert wird, ergeben sich lange Messzeiten auf denen Schwankungen des Magnetfeldes (ausführliche Diskussion in Kap. 5.2.2) zu einem Verschub der Resonanzfrequenz führen können. Dies wiederum beeinflusst die detektierte Spinwellenintensität stark, da die Linienbreite der Moden nur im Bereich einiger MHz liegt und ist vermutlich die Ursache für die Abweichung der Messung in Abb. 5.9f). Das Ergebnis für die Simulation und die Messung der kleineren Strukturen ist in Abb. 5.10 und in a) 3,0 1400 Frequenz (GHz) 3,5 4,0 4,5 5,0 b) c) n = 1, m = 1 2,8 1200 1000 15 Experiment Simulation 800 10 600 400 5 0,0 0,0 200 0 3,6 0 3,8 4,0 4,2 n = 1, m = 1 3,8 Intensität (bel. E.) x-Position (µm) integrierte BLS-Intensität (bel. E.) Abb. 5.11 gezeigt. Der Abstand der Moden im Frequenzspektrum wird mit abnehmender Struk- 2,8 0,0 0,0 z-Position (µm) 4,4 Anregungsfrequenz fex (GHz) Abbildung 5.10: Spinwellen Modenspektrum für die Mikrostruktur mit a = 2, 8 µm für µ0 Hext = 80 mT. a) Gemessenes (schwarz) und simuliertes (blau) Resonanzspektrum. b) Simulation und c) Messung des 2D-Intensiätsprofil der intensitätsstärksten Mode. Die Richtung des externen Magnetfeldes ist parallel zur z-Achse. 86 3,9 5.2 Charakterisierung der Mikrostrukturen turgröße größer (vergl. Abb. 5.10a) und Abb. 5.11a)), da die Wellenvektoren in den Quantisierungsbedingungen (Gln. 5.4 und 5.5) invers proportional zur Strukturgröße sind. Der gemessene Frequenzabstand der Moden deckt sich nun nicht mehr mit der Simulation. Dies ist wahrscheinlich auf eine Änderung der Materialparameter während der Strukturierung zurückzuführen. Ein Vergleich der Modenprofile für Simulation und Messung zeigt für a = 2, 8 µm (vergl. Abb. 5.10b) und c)), dass es sich bei der intensitätsstärksten Mode erneut um die Fundamentalmode handelt. Dies gilt ebenso für die Struktur mit a = 1, 8 µm (vergl. Abb. 5.11b)). Nur für a = 0, 8 µm ergibt sich scheinbar ein abweichendes Bild (vergl. Abb. 5.11c)), da zwei Maxima entlang der z-Richtung auftreten. Wird jedoch das 1D-Intensitätsprofil entlang der gestrichelten Linie entnommen, zeigt sich, dass die Maxima stark unterschiedliche Intensitäten aufweisen. Daher ist nicht auszuschließen, dass es sich um die Fundamentalmode handelt und es während der Messung aber zu einem Driften des Magnetfeldes gekommen ist. b) c) n = 1, m = 1 2,4 Frequenz (GHz) a) 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0 3000 12 2500 Experiment Simulation 8 2000 Intensität (bel. E.) x-Position (µm) Intensität (bel. E.) integrierte BLS-Intensität (bel. E.) 3,3 0,0 0,0 1500 z-Position (µm) d) 2000 1000 4 500 0 0 3,6 3,8 4,0 4,2 Anregungsfrequenz fex (GHz) 4,4 3,4 0,0 0,0 n = 1, m = 1 z-Position (µm) 1500 1000 500 0,0 z-Position (µm) 2,4 Abbildung 5.11: a) Messung (schwarz) und Simulation (blau) des Spinwellen Modenspektrums für die Mikrostruktur mit a = 1, 8 µm für µ0 Hext = 80 mT. b) Zugehöriges gemessenes Modenprofil der intensitätstärksten Mode. c) Messung des 2D-Intensiätsprofil der intensitätstärksten Mode für die Struktur mit a = 0, 8 µm. d) 1D-Intensitätsprofil (schwarz) entnommen entlang der gestrichelten Linie in c), sowie direkter Vergleich mit einem Gauss-Profil (rot gestrichelt). Die Richtung des externen Magnetfeldes ist parallel zur z-Achse. Wie in diesem Abschnitt gezeigt wurde, ist die Modenstruktur für Mikrostrukturen wesentlich komplexer als für einen unendlich ausgedehnten Film, denn insbesondere die komplexe Dispersion verursacht eine komplizierte Aufspaltung der Moden zu höheren und niedrigeren Energien. Trotzdem konnten die Fundamentalmoden, bis auf einen Vorbehalt für die Struktur mit a = 0, 8 µm, eindeutig identifiziert werden und können nun im folgenden Abschnitt näher untersucht werden. 87 2,4 5.2 Charakterisierung der Mikrostrukturen 5.2.2 Untersuchung der Fundamentalmode einzelner Mikrostrukturen mittels mikrofokussierter Brillouin-Lichtstreuspektroskopie Bei der Untersuchung von Mikrostrukturen treten Rahmenbedingungen auf, die Einfluss sowohl auf die experimentelle Herangehensweise (vergl. Kap. 3.2.5), sowie auf die grundlegende Physik des Systems haben. Wichtigste Änderung ist dabei die im vorherigen Abschnitt beschriebene (vergl. Kap. 5.2.1) Quantisierung des Systems durch die Randbedingungen (Gln. 5.4 und 5.5), wodurch keine klassische ferromagnetische Resonanzmode mehr existiert. Daher konzentriert sich die Untersuchung der Mikrostrukturen im Folgenden auf eine Analyse der in Kap. 5.2.1 gefundenen neuen Fundamentalmoden des Systems. Ein weiteres Problem ist die zu erwartende verstärkte Erwärmung der Strukturen, da die Möglichkeit Wärme aus dem Messbereich abzuführen nur noch durch die thermische Kopplung mit dem Substrat und nicht mehr durch den umliegenden Bereich gegeben ist. Allerdings treten andere Einflussfaktoren in den Hintergrund, so kann z.B. die schwache magnetokristalline Anisotropie aufgrund der in der Regel wesentlich stärkeren Formanisotropie in Mikrostrukturen vernachlässigt werden (vergl. Kap. 2.1.8). In den nachfolgenden Abschnitten wird zunächst der Einfluss der Mikrowellen-Anregungsleistung untersucht die als Ausgleich für eine reduzierte Laserleistung dienen soll. Danach folgt eine eingehende Beschreibung der getroffenen Näherungen um eine Beschreibung der Moden-Resonanzfrequenz zu erhalten, sowie die Auswertung der zugehörigen Messungen um die effektive Magnetisierung zu extrahieren. Die Einflussgrößen der Messung und Strukturierung auf die erhaltenen effektive Magnetisierung werden nachfolgend diskutiert. Abschließend wird die extrahierte Linienbreite diskutiert um den Einfluss der Strukturierung auf die Qualität des YIG zu untersuchen. Einfluss der Mikrowellen-Anregungsleistung Um den erwarteten Einfluss der durch die kontinuierliche Lasereinstrahlung verursacht Erwärmung vorzubeugen wird die verwendete Laserleistung in den folgenden Messungen auf PLaser = 0, 66 mW (vergl. Kap. 5.1.2) reduziert. Um gleichzeitig die Messzeit auf einem vertretbaren Niveau zu halten, bietet es sich an die Mikrowellen-Anregungsleistung Pex zu erhöhen, deren Einfluss jedoch erst untersucht werden muss. Dazu wird für eine Strukturgröße von a = 2, 8 µm die in Kap. 5.2.1 identifizierte Fundamentalmode für verschiedene Leistungen der Mikrowellenanregung von Pex = 1 dBm bis Pex = 10 dBm untersucht. Abbildung 5.12a) zeigt die gemessenen Spektren, in denen sich mit steigender Anregungsleistung eine starke Zunahme der Signalintensität abzeichnet. Wird mittels einer an die Messung angepassten Lorentz-Kurve die Resonanzfrequenz fres , sowie die Linienbreite ∆ fres extrahiert, so zeigt sich (vergl. Abb. 5.12b)), dass mit steigender Anregungsleistung ebenfalls ein kleiner Verschub der Resonanzfrequenz zu niedrigeren Werten auftritt. Ursache dafür ist, dass mit steigender Anregungsleitung eine größere Anzahl an Magnonen generiert wird. Dies führt einerseits zu einer größeren Zahl an Streuereignissen und damit 88 b) 10 dBm 7 dBm 4 dBm 1 dBm 2000 1500 1000 500 0 3,90 3,9585 16 3,9575 14 3,9565 12 3,9555 10 3,9545 3,92 3,94 3,96 3,98 4,00 Anregungsfrequenz fex (GHz) 4,02 Δfres (Ghz) a) fres (GHz) integrierte BLS-Intensität (bel. E.) 5.2 Charakterisierung der Mikrostrukturen 8 0 2 4 6 8 10 Anregungsleistung Pex (dBm) Abbildung 5.12: Einfluss der Mikrowellen-Anregungsleistung Pex auf die Fundamentalmode für a = 2, 8 µm, µ0 Hext = 80 mT und Pex = 0, 66 mW. a) Fundamentalmode und Lorentz-Anpassung (gestrichelt), b) aus a) extrahierte Resonanzfrequenz fres und Linienbreite ∆ fres in Abhängigkeit der Anregungsleistung. einer verstärkten Signalintensität, andererseits reduziert jedes Magnon das effektive magnetische Moment entlang der Feldrichtung um |µ| = 2µB (µB : Bohrsches Magneton) [17], wodurch die effektive Magnetisierung abnimmt und nach Gl. 5.11 die Resonanzfrequenz kleiner wird. Des weiteren wird zusätzlich mehr Energie in das Phononensystem dissipiert da im zeitlichen Mittel mehr Magnonen zerfallen, was zu einer Erhöhung der Temperatur und damit ebenfalls zu einer Reduktion der effektiven Magnetisierung führt (vergl. Kap. 5.1.2). Die ermittelte Linienbreite der Resonanzen zeigt eine geringfügige Vergrößerung für eine erhöhte Anregungsleistung (vergl. Abb. 5.12b)), daher muss untersucht werden, ob sich das System noch im linearen Bereich befindet oder ob bereits nichtlineare Effekte (vergl. Kap. 2.3.1) zu einer Verbreiterung der Linienbreite führen. Dazu wird die integrierte Signalintensität (Fläche unter den Resonanzkurven in Abb. 5.12) in Abhängigkeit der Anregungsleistung extrahiert. Ist deren Verlauf nichtlinear so ist die Schwelle zu nichtlinearen Prozessen überschritten und die Linienbreite kann nicht mehr als Maß für die Qualität des Materials herangezogen werden. Abbildung 5.13 zeigt jedoch ein eindeutig lineares Verhalten, daher kann für die folgenden Messungen die Anregungsleistung auf Pex = 10 dBm gesteigert werden um die benötigte Messzeit trotz geringerer Laserleistung zu verkürzen. Theoretische Beschreibung der Spinwellenmoden-Resonanzfrequenz von Mikrostrukturen Für die Bestimmung der Materialparameter werden die in Kap. 5.2.1 identifizierten Fundamentalmoden in Abhängigkeit des externen Feldes untersucht. Da es sich bei den Strukturen nicht mehr um unendlich ausgedehnte Filme handelt, kann dazu nicht die in Kap. 5.1 genutzte Beschreibung über die Kittel-Formel eines dünnen Filmes (Gl. 3.8) erfolgen. Prinzipiell erfolgt die Beschreibung in einem solchen Fall über die allgemeine Kittel-Formel (Gl. 2.61), die den Einfluss des durch die 89 Abbildung 5.13: Aus Abb. 5.12a) extrahierte integrierte Signalintensität gegen die Mikrowellen-Anregungsleistung Pex aufgetragen, sowie lineare Anpassung (gestrichelte Linie). integrierte Signalintensität (bel. E.) 5.2 Charakterisierung der Mikrostrukturen 500 400 300 200 100 0 0 2 4 6 8 10 Anregungsleistung Pex (mW) endliche Ausdehnung der Strukturen auftretenden Entmagnetisierungsfelder berücksichtigt. Der physikalische Ursprung des Entmagnetisierungsfeldes Hent ist in Kap. 2.1.7 beschrieben, während eine genaue analytische Beschreibung für beliebige quaderförmige Körper in Kap. 2.1.8 zu finden ist, hier soll nur kurz das Ergebnis der Berechnungen gezeigt werden. Der Haupteinfluss des Entmagnetisierungsfelds ist die Reduktion des in der Struktur wirksamen externen Magnetfeldes Hext , da es diesem entgegengerichtet ist, wodurch sich das effektiv wirksame Magnetfeld Heff zu Heff (x, y, z) = Hext + Hent (x, y, z) = Hext − N(x, y, z)M(x, y, z) (5.7) ergibt. An Gl. 5.7 zeigt sich ein essentielles Problem, das bei der Berechnung des Entmagnetisierungsfelds auftritt, denn dazu ist bereits die Kenntnis der Magnetisierung M notwendig, während das Entmagnetisierungsfeld wiederum erst die Ausrichtung der Magnetisierung bestimmt. Als Näherung wird daher angenommen, dass die Magnetisierung der Sättigungsmagnetisierung des Filmes entspricht (|M| = 135 kA m−1 , vergl. Kap. 5.1.2) und vollständig entlang der Feldrichtung z ausgerichtet ist. Damit ergibt sich für die z-Komponente des Entmagnetisierungsfelds für eine Struktur mit a = 2, 8 µm und d = 98 nm der in Abb. 5.14 gezeigte Verlauf über den Schnitt durch die Struktur auf halber Strukturhöhe (y = d2 ). Da im Folgenden die Messungen zur Bestimmung der Qualität im Zentrum der Struktur durchgeführt werden, ist nur der Bereich um das Zentrum von Interesse, der innerhalb der Ausdehnung des Laserfokus von 350 nm (vergl. Kap. 3.2.5) liegt. Die Änderung des Entmagnetisierungsfeldes in x- und z-Richtung ist in diesem Bereich nur geringfügig (gültig für alle untersuchten Strukturgrößen), daher wird dieses in guter Näherung als Mittelwert über einen quadratischen Bereich um das Zentrum mit einer Kantenlänge von 350 nm berechnet. Wird dies für alle Strukturgößen durchgeführt, so ergeben sich die in Tabelle 5.2 aufgelisteten Entmagnetisierungsfelder, die zur vereinfachten Berechnungen des effektiven Magnetfeldes in diesem Kapitel genutzt werden. Ein Problem der hier angestrebten Beschreibung mittels der allgemeinen Kittel-Formel ist, dass diese nur für Strukturgrößen praktikabel ist bei denen der Einfluss der Quantisierungsbedingung90 5.2 Charakterisierung der Mikrostrukturen Tabelle 5.2: Berechnete Entmagnetisierungsfelder für die verschiedenen Strukturgrößen. Strukturgöße a z-Komponente des Entmagnetisierungsfelds µ0 Hent 4, 8 µm -1,551 mT 2, 8 µm -2,669 mT 1, 8 µm -4,188 mT 0, 8 µm -10,039 mT -1 x-P os 0 itio n( µm ) 1 µ0Hent (mT ) 0 -10 -20 1 -1 z-P 0 µm) ( ion osit Abbildung 5.14: Entmagnetisierungsfeldes nach Gl. 2.40 für eine Strukturabmessung von a = 2, 8 µm und d = 98 nm. Zur Bestimmung des effektiven Feldes wird der Mittelwert des Entmagnetisierungsfeld im rot markierten Bereich bestimmt. en (Gln. 5.4 und 5.5, vergl. Kap. 5.2.1) geringfügig ist und nur die beschriebene Reduktion des externen Feldes auf das intern wirkende effektive Magnetfeld eine Rolle spielt. Davon kann bei den untersuchten Strukturen allerdings nicht ausgegangen werden, da die Propagationslängen von Spinwellen in den untersuchten YIG-Strukturen im Bereich einiger Mikrometer liegen [86] und damit mit den Strukturabmessungen vergleichbar sind. Daher kommt es, wie bereits in Kap. 5.2.1 gezeigt, zu einer starken Beeinflussung durch die Randbedingungen, wodurch insbesondere keine ferromagnetische Resonanzmode mehr existiert, sondern sich diverse stehende Moden ausbilden. Für den Wellenvektor kk dieser Moden in der Strukturebene gilt kk = kx êx + kz êz , bzw. bedingt durch die Quantisierungsbedingungen (Gln. 5.4 und 5.5) in der Filmebene: kk = mπ nπ êx + z êz x aeff aeff mit n, m = 1, 2, 3, ... . (5.8) 91 5.2 Charakterisierung der Mikrostrukturen x die effektive Breite senkrecht zur statischen Magnetisierung mit zugehöriger QuantenHier ist aeff z die effektive Breite parallel zur statischen Magnetisierung mit zugehöriger Quanzahl n und aeff x senkrecht zur statischen Magnetitenzahl m. Ursache für die hier aufgeführte effektive Breite aeff sierung ist das sogenannte dipolare Pinning, also eine teilweise Frustration der magnetischen Momente im Randbereich der Struktur, verursacht durch die Erzeugung von Streufeldern wenn die dynamische Magnetisierungskomponente aus den Strukturflanken herauszeigt (vergl. Kap. 2.3.4). Sie entspricht der Breite auf der die magnetischen Momente am Rand einem vollständigen Pinning unterliegen würden und ist dadurch größer als die geometrische Breite a der Struktur. Nach x allerdings allein durch die Dicke d und die geometrischen Breite a der Struktur Gl. 2.80 ist aeff bestimmt. z parallel zur statischen Magnetisierung ist dagegen deutDie Handhabung der effektive Breite aeff lich komplizierter. Verursachender Haupteinfluss ist die Inhomogenität des internen effektiven Feldes, verursacht durch das Entmagnetisierungsfeld in der Struktur (vergl. Abb. 5.14). Dies erzeugt eine Art Spinwellen-Potentialtopf, wodurch sich eine effektive Breite ergibt die kleiner als die geometrische Breite der Struktur ist. Wie in Kap. 2.3.4 beschrieben, kann als Näherung dieses Potentialtopfs ein Ansatz über das effektive Magnetfeld in der Struktur gemacht werden. Die efz wird dabei als die Breite definiert, auf der das effektive Feld auf die Hälfte des fektive Breite aeff Wertes des im Zentrum der Struktur wirksamen Feldes abgefallen ist (vergl. Abb. 2.6). Da das effektive Magnetfeld eine vom extern angelegten Magnetfeld abhängige Größe ist (vergl. Gl. 5.7), wird dadurch auch die mit dieser Näherung erhaltene effektive Breite feldabhängig. Abbildung z in Abhängigkeit des externen Magnetfeldes H 5.15 zeigt die so berechnete effektive Breite aeff ext für die untersuchten Strukturgrößen. Bedingt durch die Definition konvergiert dabei die effekti- z Abbildung 5.15: Effektive Breite aeff in Abhängigkeit des externen Feldes. Der Verlauf wird mit einer Anpassungsfunktion (Gl. 5.9) genähert (gestrichelte Kurven) und anschließend in die Dispersion (Gl. 5.11) integriert. effektive Breite aeffz (µm) 6 4,8 µm 2,8 µm 5 1,8 µm 0,8 µm 4 3 2 1 0 0 20 40 60 80 100 120 140 160 µ0Hext (mT) ve Breite mit steigendem externen Feld gegen die geometrische Breite a der Struktur. Um diesen 92 5.2 Charakterisierung der Mikrostrukturen Verlauf vereinfacht zu beschreiben, wird die berechnete effektive Breite mittels der Funktion z (Hext ) = a − B1 exp(−(µ0 Hext − B0 )B2 ) , aeff (5.9) angepasst. Hier ist a die geometrische Strukturgröße und B0 , B1 und B2 sind zusätzliche Anpassungsparameter. Im Folgenden wird nun die effektive Breite entlang der statischen Magnetisierung mittels dieser vereinfachten Formel und der aus der Anpassung erhaltenen Parameter beschrieben. Mit der Kenntnis der effektiven Breiten in x- und z-Richtung kann nun der Winkel Θ des Wellenvektors bezüglich der Magnetisierung für eine beliebige Mode berechnet werden, es gilt: z n aeff (Hext ) |kx | tan(Θ) = . bzw. Θ = arctan x |kz | m aeff (5.10) Hierbei ist zu beachten, dass der Winkel nun nicht nur von der entsprechenden Mode, sondern z (H ) ebenfalls vom extern angelegten Magnetfeld abhängt. durch aeff ext Die Gln. 5.8 bis 5.10 beschreiben unter Berücksichtigung der genannten Effekte vollständig den Wellenvektor der Moden in der Strukturebene. Wie schon angesprochen zeigt sich dabei, das durch die Randbedingungen keine ferromagnetische Resonanz mehr existiert, bzw., dass insbesondere auch die Fundamentalmode (n = 1, m = 1) einen nicht verschwindenden Wellenvektor k 6= 0 besitzt. Dies ist der Grund dafür, dass eine Beschreibung der Resonanzfrequenz nicht mehr über die allgemeine Kittelformel erfolgen kann. Stattdessen muss zur Beschreibung nun die allgemeine Dispersionsrelation (Gl. 2.71) herangezogen werden. Das Einsetzen der Quantisierungsbedingungen unter der Annahme, dass der Wellenvektor ausschließlich in der Strukturebene liegt, liefert: " |γ| 2Aex 2 |k | + µ0 Ms 1 − g(|kk |) × fres (Heff ) = µ0 Heff + 2π Ms k (5.11) #− 12 2Aex |kk |2 + µ0 Ms sin2 (Θ)g(|kk |) µ0 Heff + , Ms mit dem Betrag des Spinwellen-Wellenvektors in der Ebene: s mπ 2 nπ 2 . + |kk | = y x aeff aeff Hier ist µ0 Heff das effektive Feld, also das nach Gl. 5.7 durch das Entmagnetisierungsfeld reduzierte externe Feld. Diese so erhaltenen Gleichung ermöglicht es analog zur Vorgehensweise in Kap. 5.1.2 die Resonanzfrequenz der Fundamentalmode als Funktion des effektiven Feldes zu beschreiben, um einen experimentellen Zugang zur Sättigungsmagnetisierung zu erhalten. Bedingt durch den nicht verschwindenden Wellenvektor beinhaltet die Dispersion jedoch einen Austauschterm proportional zu |kk |2 , dessen Einfluss für kleiner werdende Strukturen zunehmend dominant wird. Dies führt zu dem Problem, dass zur Bestimmung der Sättigungsmagnetisierung die Austauschkonstante bereits bekannt sein muss. Zwar gibt es analog zu Kap. 5.1.2 die Möglichkeit eine Messung des thermischen Spinwellenspektrums durchzuführen, jedoch muss für eine Bestimmung der 93 5.2 Charakterisierung der Mikrostrukturen Austauschkonstanten über die PSSW-Moden die Sättigungsmagnetisierung ebenfalls bereits bekannt sein (vergl. Gl. 5.3). Die Messungen der Fundamentalmode, bzw. der thermischen Spektren liefern also keine voneinander unabhängigen Ergebnisse, dabei ist dieses Problem physikalischer Natur und lässt sich daher auch nicht durch geschicktes Messen mittels der µBLS lösen. Nur eine alternative Messmethode kann stattdessen Abhilfe schaffen, so wie z.B. die Magnetometrie mit vibrierender Probe (engl. Vibrating Sample Magnetometry, VSM), mit der die Sättigungsmagnetisierung gemessen werden kann [89]. Bestimmung der Sättigungsmagnetisierung Die im vorherigen Abschnitt beschriebene wechselseitige Abhängigkeit der Sättigungsmagnetisierung und der Austauschkonstanten kann mit den in dieser Arbeit zur Verfügung stehenden Methoden nicht umgangen werden. Daher soll zunächst angenommen werden, dass die Mikrostrukturierung keinen Einfluss auf den Wert der Austauschkonstanten genommen hat und der Filmwert von Aex = 4, 32 pJ m−1 (vergl. Kap. 5.1.2) in Näherung gültig ist. Zur feldabhängigen Messung der Resonanzfrequenz wird nun der Laserfokus in der Mitte der jeweiligen Struktur platziert und dann die Resonanzfrequenz der in Kap. 5.2.1 identifizierten Fundamentalmoden in Abhängigkeit des extern angelegten Feldes gemessen. Abbildung 5.16 zeigt die Ergebnisse der Messung für die verschiedenen Strukturgrößen in Abhängigkeit des effektiven Feldes, zu dessen Berechnung nach Gl. 5.7 die in Tabelle 5.2 aufgelisteten Werte des genäherten Entmagnetisierungsfeldes herangezogen werden. Zusätzlich wird angenommen, dass das gyromagnetische Verhältnis ebenfalls durch die Strukturierung unbeeinflusst ist und damit der in Kap. 5.1.1 bestimmte Wert von γ̄ = 28, 316 GHz T−1 gültig ist. Die Anpassung der Gl. 5.11 an die erhaltenen Resonanzfrequenzen für die jeweilige Fundamentalmode (n = 1, m = 1) zeigt eine gute Übereinstimmung für alle Strukturen. Da in Kap. 5.2.1 jedoch nicht abschließen geklärt werden konnte ob es sich für die Struktur mit a = 0, 8 µm bei der intensitätsstärksten Mode tatsächlich um die Fundamentalmode oder um eine Mode mit n = 1 und m = 2 handelt, wird für diese Struktur ebenfalls eine Anpassung mit n = 1 und m = 2 durchgeführt (grün gestrichelte Linie in Abb. 5.16d)). Wie sich in allerdings zeigt, ergibt sich keine Übereinstimmung mit den Messdaten, d.h. es handelt sich wie vermutet um die Fundamentalmode und das abweichende Intensitätsprofil (vergl.Abb. 5.11c)) ist auf die angesprochenen Messprobleme (vergl. Kap. 5.2.1) zurückzuführen. Es ist davon auszugehen, dass die im vorherigen Abschnitt besprochenen Einflussgrößen sowie der Strukturierungsprozess die Sättigungsmagnetisierung Ms verändern, daher wird im Folgenden von der effektiven Magnetisierung in Feldrichtung Meff gesprochen. Wird diese aus den Anpassungen in Abb. 5.16 in Abhängigkeit der Strukturgröße extrahiert, so ergibt sich der in Abb. 5.17 abgebildete Verlauf. Als Trend ist klar erkennbar, dass die effektive Magnetisierung mit kleinerer Strukturgröße abnimmt. Für a = 4, 8 µm und a = 2, 8 µm zeigt sich aber nur eine geringfügige 94 a = 4,8 µm, n = 1, m = 1 a) Messpunkt Anpassung 6 5 4 3 2 Meff = (136,7 (+ 0,5/− 0,3)) kA/m 20 40 60 80 100 120 Resonanzfrequenz fres (GHz) Resonanzfrequenz fres (GHz) 5.2 Charakterisierung der Mikrostrukturen a = 2,8 µm, n = 1, m = 1 b) Messpunkt Anpassung 6 5 4 3 2 Meff = (133,8 (+ 1,4/− 1,0)) kA/m 140 20 40 a = 1,8 µm, n = 1, m = 1 c) Messpunkt Anpassung 6 5 4 3 2 Meff = (132,2 (+ 2,0/− 1,2)) kA/m 20 40 60 80 100 μ0Heff (mT) 60 80 100 120 140 μ0Heff (mT) 120 140 Resonanzfrequenz fres (GHz) Resonanzfrequenz fres (GHz) μ0Heff (mT) a = 0,8 µm, n = 1, m = 1 d) Messpunkt Anpassung n = 1, m = 2 6 5 4 3 2 Meff = (110,0 (+ 25,0/− 8,3)) kA/m 20 40 60 80 100 120 140 μ0Heff (mT) Abbildung 5.16: Resonanzfrequenz der Fundamentalmode fres in Abhängigkeit des effektiven Magnetfeldes µ0 Hext für die verschiedenen Strukturgrößen a, sowie Anpassung (mit n = 1 und m = 1) nach Gl. 5.11. In d) zusätzliche Anpassung (grün gestrichelt) mit n = 1 und m = 2. Die Messfehler liegen innerhalb der Messpunkte. Abweichung von der Sättigungsmagnetisierung des Films. Die möglichen Ursachen für dieses Verhalten werden ausführlich im nächsten Abschnitt diskutiert. Hier soll nun noch eine Abschätzung des Fehlers der extrahierten effektiven Magnetisierung erfolgen. Die zur Anpassung der Resonanzfrequenz genutzte Gl. 5.11 wurde wie im vorherigen Abschnitt beschrieben mit einigen Näherungen ermittelt um eine praktikable Beschreibung der Moden-Resonanzfrequenz in Abhängigkeit des externen Feldes zu erhalten. Den größten Einfluss hat dabei die Abschätzung der effektiven Breite entlang der statischen Magnetisierung, da insbesondere für kleiner werdende Strukturen z daher den der Einfluss der Austauschwechselwirkung zunimmt und die Quantisierungsbreite aeff Fehler der effektiven Magnetisierung dominiert. Um eine Abschätzung zu erhalten wird nun zur z festgesetzt. Dazu wird analog zum Berechnung des Fehlers eine Ober- und Untergrenze von aeff vorangegangenen Abschnitt die Definition über das effektive Feld gewählt, nur wird statt einer Reduktion des effektiven Feldes auf die Hälfte des Wertes des Zentrums eine Reduktion auf 20 % 95 5.2 Charakterisierung der Mikrostrukturen bzw. 80 % angenommen. Die Feldabhängigkeit wird erneut mittels der vereinfachten Beschreibung über Gl. 5.9 integriert. Gleichung 5.11 wird abschließend mit dem Maximal- und Minimalwert der effektiven Breite erneut an die Messdaten angepasst und die so erhaltenen Werte der effektiven Magnetisierung werden als Ober- und Untergrenze des Fehlers gewählt. 500 140 130 Meff (kA/m) Abbildung 5.17: Effektive Magnetisierung Meff in Abhängigkeit der Strukturgröße a (schwarze Punkte) und durch Lasererwärmung induzierte Temperatur (rote Punkte). 400 350 120 Raumtemperatur TR = 298 K 300 Temperatur T (K) 450 110 250 100 200 0 1 2 3 4 5 Strukturgröße a (µm) ∞ Ein Faktor der zur Reduktion der effektiven Magnetisierung mit abnehmender Strukturgröße beiträgt, ist gegebenenfalls die trotz der bereits verringerten Laserleistung zunehmende Erwärmung der Struktur, da die thermische Kopplung an die Umgebung abnimmt. Daher soll der mögliche Einfluss im Folgenden auf der Basis des Néel-Modells [17] abgeschätzt werden. Die Sättigungsmagnetisierung nimmt mit steigender Temperatur ab und verschwindet für YIG beim Erreichen der Curie-Temperatur von 560 K (vergl. Kap. 4.1.1), ändert sich aber im Bereich von 298 K bis 398 K nahezu linear. Als Näherung gilt dann Meff (T ) = Ms (TR ) − η(T − TR ) , (5.12) mit der Raumtemperatur TR = 298 K, der Sättigungsmagnetisierung bei Raumtemperatur Ms (TR ) = 141, 8 kA m−1 (aus den VNA-FMR-Messungen aus Kap. 5.1.1) und η = 313 A K−1 m−1 [90]. Die benötigte Temperatur T um die Sättigungsmagnetisierung auf den Wert der gemessenen effektiven Magnetisierung zu reduzieren berechnet sich daher zu: T (Meff ) = TR + Ms (TR ) − Meff . η (5.13) In Abb. 5.17 ist die mittels Gl. 5.13 aus der effektiven Magnetisierung berechnete Temperatur für die verschiedenen Strukturen abgebildet (rote Punkte), der Verlauf ist entsprechend invers zum Verlauf der effektiven Magnetisierung. Für die Strukturen mit a > 0, 8 µm ergibt sich eine geringe Erwärmung über das Level der Raumtemperatur, die für a = 4, 8 µm geringer ist als für die Messung am Film. Ursache dafür ist, dass für die Messungen am Film eine größere Laserleistung 96 5.2 Charakterisierung der Mikrostrukturen gewählt wurde (vergl. Kap. 5.1.2), während gleichzeitig für die größeren Strukturen die Wärmeabfuhr noch ähnlich der des Filmes ist. Für die Struktur mit a = 0, 8 µm errechnet sich jedoch eine Erwärmung von ungefähr 100 K. Im Folgenden soll eine Abschätzung der Reduktion der thermischen Kopplung der Mikrostrukturen im Vergleich zum Film zeigen ob eine solche Zunahme der Temperatur realistisch ist. Dazu wird zunächst ein vom Querschnitt quadratisches Volumen des YIG-Filmes mit Kantenlänge a und Dicke d betrachtet, dass durch einen Laser homogen geheizt wird. Der Wärmefluss Q̇Film , also die pro Zeiteinheit übertragene Wärmemenge QFilm , aus dem Volumen in die umliegendem Bereiche setzt sich aus den einzelnen Teilströmen Q̇GGG (Volumen ↔ GGG-Substrat), Q̇YIG (Volumen ↔ umliegendes YIG) und Q̇Luft (Volumen ↔ Luft) zusammen, d.h. es gilt: Q̇Film = Q̇GGG + Q̇YIG + Q̇Luft . (5.14) Für jeden Komponente gilt, dass diese proportional zur beteiligten Kopplungsfläche, bzw. der Grenzfläche AGGG , AYIG und ALuft ist und über die Kopplungsstärke b0 , b1 , bzw. b2 anteilig zum Gesamtfluss beiträgt. Es gilt also: Q̇Film ∝ b0 AGGG + b1 AYIG + b2 ALuft . (5.15) Da die Abfuhr vom Wärme an die umgebende Luft wesentlich ineffizienter als in die restlichen umliegenden Bereiche ist (d.h. b2 << b1 , b0 ), kann der letzte Term in Gl. 5.15 vernachlässigt werden. Wird zusätzlich angenommen, dass sich die Wärmeleitfähigkeit und Wärmekapazität des umliegenden YIGs nicht von der des GGG-Substrat unterscheidet [91, 92], dann gilt b0 = b1 und Gl. 5.15 reduziert sich zu: Q̇Film ∝ AGGG + AYIG = a2 + 4ad . (5.16) Hierbei beschreibt der letzte Term die Abfuhr von Wärme über die vier Kanten der Länge a und Höhe d an das umliegende YIG. Für den Fall einer Mikrostruktur, bei der das umliegende YIG entfernt wurde, verbleibt in Gl. 5.15 nur der Term der Kopplung in das GGG-Substrat, daher gilt für den Wärmefluss Q̇Struktur aus der Struktur: Q̇Struktur ∝ a2 . (5.17) Die Effizienz der Wärmeabfuhr wird also in einfacher Näherung um den Faktor W= d Q̇Film = 1+4 a Q̇Struktur (5.18) kleiner. In Tabelle ist die so berechnete Änderung der thermischen Kopplung für die verschiedenen Strukturgrößen aufgelistet. Für eine Strukturgröße von a = 0, 8 µm ergibt sich eine Reduktion der thermischen Kopplung um den Faktor 1, 5. Aus Abb. 5.17 ist jedoch ersichtlich, dass die Erwärmung um einen Faktor von ungefähr 5 größer ist als für den Film. Daher muss die Reduktion der 97 5.2 Charakterisierung der Mikrostrukturen Tabelle 5.3: Effizienz der Wärmeabfuhr berechnet nach Gl. 5.18. Strukturgröße a Effizienzfaktor W Film 1,00 4, 8 µm 1,08 2, 8 µm 1,14 1, 8 µm 1,22 0, 8 µm 1,49 Sättigungsmagnetisierung also noch auf andere Ursachen zurückgeführt werden und kann nicht alleine durch eine Erwärmung der Struktur erklärt werden. So führt die mechanische Beanspruchung des Filmes während der Strukturierung eventuell zu einer Verzerrung oder vermehrten Fehlstellenbildung im Gitter und stört so die magnetische Ordnung. Zusätzlich versucht das YIG-Gitter gleichzeitig auf die etwas größere Gitterkonstante des GGGSubstrates (Gitterfehlanpassung ∆aGitter = 0, 4 %, vergl. Kap. 4.1.2) zu relaxieren. Diese Effekte würden ebenfalls für eine kleiner werdende Strukturgröße an Einfluss gewinnen und können so zu der beobachten Abnahme der Sättigungsmagnetisierung beitragen. Bestimmung des Gilbert-Dämpfungsparameters Für die Auswertung der Linienbreite muss nun zunächst genauer auf das schon in Kap. 5.2.1 angesprochen Problem des Schwanken des Magnetfeldes eingegangen werden. Ursache des Problems ist, dass die Messungen in der Regel mehrere Stunden dauern und dabei von äußeren Bedingungen beeinflusst sind. Dazu gehören insbesondere Schwankungen der Wetterlage (trotz Klimatisierung des Labors), sowie Temperatur und Druckschwankungen des Kühlwassers der zur Erzeugung des Magnetfeldes genutzten Spulen. Diese Einflüsse sind relativ gering, führen aber zu einer kleinen Instabilität des Magnetfeldes von wenigen Zehntel Millitesla. Um dies zu kompensieren wurde eine Rückkopplung in die Steuersoftware eingefügt5 , die bei einer Abweichung von 0,2 mT des Magnetfeldes vom gesetzten Wert den Spulenstrom nachregelt. Für die Untersuchung der meisten magnetischen Materialien wie NiFe-Legierungen oder Heusler-Verbindungen spielt dies keine große Rolle, da die Linienbreite ein Vielfaches des durch das driftende Magnetfeld verursachten Frequenzverschubes beträgt [93]. Für YIG ist dies jedoch nicht der Fall, denn ein Magnetfelddrift von nur 0,2 mT entspricht einem Frequenzdrift von 5 MHz (für µ0 Hext = 50 mT) und überschreitet damit bereits die Linienbreite des Films. Abbildung 5.18 zeigt exemplarisch das Resultat eines Felddrifts während der Messung. So kann zum einen die Rückkopplung dazu führen, dass doppelte Resonanzen auftreten (Abb.5.18a)) falls während der Messung ein Felddrift größer als der Schwellwert auftritt. Zum anderen, falls der Drift zu klein ist, kann die gemessene Resonanzkurve 5 Von 98 T. Meyer, TU Kaiserslautern, Fachbereich Physik, AG Magnetismus 2400 a) 1600 800 0 2,18 2,20 2,22 2,24 2,26 Anregungsfrequenz fex (GHz) integrierte BLS-Intensität (bel. E.) integrierte BLS-Intensität (bel. E.) 5.2 Charakterisierung der Mikrostrukturen b) 5000 4000 3000 2000 1000 0 5,85 5,86 5,87 5,88 5,89 5,90 Anregungsfrequenz fex (GHz) Abbildung 5.18: Einfluss einer Magnetfeldschwankung für Messungen der Fundamentalmode für a = 4, 8 µm. a) Für µ0 Hext = 30 mT. Die Feldabweichung übersteigt den Schwellwert der Rückkopplung und es tritt eine zweite Scheinresonanz auf. b) Für µ0 Hext = 140 mT. Der Schwellwert wird nicht überschritten und es kommt zur asymmetrischen Verbreiterung der Resonanz. Messkurve in schwarz und Doppel-LorentzAnpassung rot/grün gestrichelt. asymmetrisch werden (Abb. 5.18b)). In beiden Fällen ist es schwierig die unbeeinflusste Linienbreite der Resonanz zu extrahieren. Um trotzdem eine genäherte Linienbreite extrahieren zu können erfolgt daher eine Modellierung der Resonanzkurve mittels eines Doppel-Lorentz-Profil. Dazu wird die aufgetretene doppelte Resonanz, bzw. der asymmetrische Anteil mittels eines der LorentzProfile modelliert (grün gestrichelt in Abb. 5.18) und das verbleibende Lorentz-Profil mittels freier Anpassung an den verbleibenden Anteil der Kurve angepasst (rot gestrichelt in Abb. 5.18). Da die erhaltenen Linienbreite stark von der Qualität des modellierten Anteils der Anpassung abhängt wird zur Bestimmung des Fehlers eine Minimum/Maximum-Abschätzung durchgeführt. Die minimale Linienbreite ist dabei durch die Filmlinienbreite gegeben und die maximale Linienbreite durch die gesamte Halbwertsbreite des Resonanzpakets. Soll nun eine Auswertung der Linienbreite erfolgen um den Gilbert-Dämpfungs-Parameter, sowie die inhomogene Linienbreite zu erhalten, so stellt sich das gleiche prinzipielle Problem wie zur Bestimmung der Sättigungsmagnetisierung im vorangegangenen Abschnitt. Die Fundamentalmode entspricht nicht mehr der FMR und der Einfluss der Quantisierungsbedingungen kann nicht vernachlässigt werden, daher ist der Ansatz über die Gln. 3.9 und 3.10 nicht mehr gültig. Stattdessen muss über die Lebensdauer τ der untersuchten Mode argumentiert werden, für die in guter Näherung [29, 40] gilt: ∆ fres = 1 . πτ (5.19) 99 5.2 Charakterisierung der Mikrostrukturen 30 Film 4,8 µm 2,8 µm Abbildung 5.19: Linienbreite ∆ fres in Abhängigkeit des effektiven Feldes µ0 Heff für die verschiedenen Strukturgrößen. Δfres (MHz) 25 1,8 µm 0,8 µm 20 15 10 5 0 20 40 60 80 100 120 140 160 µ0Heff (mT) Liegt ausschließlich eine viskose Dämpfung (vergl. Kap. 2.3.1) vor, so gilt außerdem nach [52]: 1 2 f res (Heff ) ∂ f res (Heff ) = 4π α . (5.20) τ γ ∂ µ0 Heff Eine Kombination der beiden Gleichungen mit der allgemeinen Dispersionsrelation (Gl. 2.71) liefert abschließend: γ µ0 Meff 2Aex 2 2 ∆ fres = ∆ f0 + α 2 µ0 Heff + , |k | + 1 − g(|kk |) cos (Θ) 2π Meff k 2 (5.21) wobei der zusätzlich eingefügte Achsenabschnitt ∆ f0 den Anteil der nicht-viskosen Dämpfung beschreibt und damit der inhomogenen Linienbreite entspricht. Analog zu Kap. 5.2.2 ist der Wellenvektor durch die Quantisierungsbedingungen bestimmt. Eine Anpassung von Gl. 5.21 an die Messdaten der Linienbreite in Abhängigkeit des effektiven Feldes ermöglicht es nun prinzipiell den Anteil der viskosen Dämpfung der einzelnen Moden in Form des Gilbert-Dämpfungsparameters α zu bestimmen. In Abb. 5.19 ist das Ergebnis der Auswertung der Linienbreite in Abhängigkeit des effektiven Feldes gezeigt. Die durch die Felddrifts sehr großen Fehler der Linienbreite führen zu dem Problem, dass eine Anpassung der Daten mittels Gl. 5.21 nur noch bedingt sinnvoll ist, da die so erhaltene Steigung nicht aussagekräftig ist. Daher kann keine Aussage über den Gilbert-Dämpfungsparameter gemacht werden und es muss sich auf eine Analyse der Gesamtlinienbreite beschränkt werden. Für die Struktur mit a = 4, 8 µm liegt diese unverändert im Bereich der Linienbreite des Films. Dies steht im Einklang mit den Ergebnissen aus Kap. 5.2.2, da die Sättigungsmagnetisierung ebenfalls nahezu unbeeinflusst ist, es ist daher davon auszugehen, dass die Strukturierung in dieser Größenordnung kaum Einfluss auf das YIG hat. Für die kleineren Strukturen zeigt sich als Trend eine Verzwei- bis Verdreifachung der Linienbreite im Vergleich zum Film, der Einfluss der Strukturierung ist hier also wesentlich stärker ausgeprägt als aus den Messungen der effektiven Magnetisierung erwartet. Der Einfluss der schon im Zuge der effektiven Magnetisierung besprochenen 100 5.2 Charakterisierung der Mikrostrukturen zunehmende mechanischen Belastung mit abnehmender Strukturgröße ist also vermutlich stärker als angenommen. Die hier angesprochenen Probleme zur Messung der Linienbreite der Moden verhindern eine Bestimmung des Gilbert-Dämpfungsparameters und erlauben nur die Tendenz des Einfluss der Strukturierung abzuschätzen. Da diese Probleme aber ausschließlich durch den verwendeten Aufbau bedingt sind und sich durch die Integration verbesserter Komponenten in den Aufbau beheben lassen, ist die prinzipielle Bestimmung des Gilbert-Dämpfungsparameter mit dieser Methode trotzdem möglich. Um weiteren Aufschluss über den Einfluss der Mikrostrukturierung zu erhalten, ist die Messung der thermischen Spinwellenspektren hilfreich die im folgenden Abschnitt besprochen wird, da eine Änderung des YIG-Gitters durch Fehlstellen und Verzerrungen erwartungsgemäß einen großen Einfluss auf die Austauschkopplung hat. 5.2.3 Untersuchung des thermischen Spinwellenspektrums in Quadern mit quadratischer Basisfläche Analog zu Kap. 5.1.2 kann eine Untersuchung des thermischen Spinwellenspektrums auch in den Mikrostrukturen durchgeführt werden, um die Einflüsse der Strukturierung durch gebildete Gitterfehler oder Verzerrungen des Gitters auf die Austauschkopplung zu untersuchen. In Näherung kann weiterhin Gl. 5.3 genutzt werden, dies führt aber zu dem in Kap. 5.2.2 schon angesprochenen Problem, dass die Austauschkonstante nicht mehr unabhängig von der effektiven Magnetisierung ist. Die Ergebnisse aus Kap. 5.2.2 zeigen, dass die effektive Magnetisierung keine große Veränderung für die Strukturen größer als 0,8 µm zeigt, daher wird zunächst davon ausgegangen, dass sich die Sättigungsmagnetisierung im Strukturierungsprozess nicht geändert hat und der Filmwert von Ms = 135, 0 kA m−1 gültig ist. Daher kann wie in Kap. 5.1.2 aus der Frequenz der PSSW-Moden die Austauschkonstante Aex bestimmt werden. Einfluss der Mikrostrukturierung auf das Profil der PSSW-Moden Abbildung 5.20 zeigt exemplarisch einige gemessene thermische Spektren der zweiten PSSWModen für die verschiedenen Strukturgrößen und verschiedene extern angelegte Felder. In Abb. 5.20a) ist zusätzlich zu den zweiten PSSW-Moden (blau markierter Bereich) noch der vordere Bereich des Spektrums gezeigt, in dem die erste PSSW-Mode, sowie die Grundmode in Überlagerung mit einer Lasermode zu sehen sind. Wird die Form der PSSW-Moden untersucht, so lässt sich eine Veränderung mit abnehmender Strukturgröße feststellen, die aufgrund der Überlagerung der ersten PSSW-Mode mit der Lasermode näher anhand der zweiten PSSW-Mode untersucht werden soll. Es zeigt sich eine starke Abnahme der Signalintensität sowie eine Verbreiterung des Verlaufs zu höheren Frequenzen mit abnehmender Strukturgröße. Die Abnahme der Signalintensität kann durch die Ergebnisse des vorherigen Abschnitts erklärt werden. Da für Strukturen mit a < 4, 8 µm die 101 5.2 Charakterisierung der Mikrostrukturen Linienbreite um einen Faktor 3 größer ist als für die Struktur mit a = 4, 8 µm, ist die Lebensdauer der Magnonen entsprechend verringert (vergl. Gl. 5.19). Dadurch ist die mittlere Magnonendichte geringer und in der gleichen Messzeit werden weniger Streueereignisse detektiert und die Signalintensität nimmt ab. Der zusätzliche asymmetrische Anteil der beobachtet werden kann, lässt sich als Effekt der Strukturflanken erklären (vergl. Kap. 4.2.5), da die Dicke im Bereich der Flanken kleiner als in der restlichen Struktur ist. Durch die Quantisierungsbedingung der PSSW-Moden führt die geringere Filmdicke dadurch zu höheren Frequenzen. Um jedoch zum detektierten Signal beitragen zu können müssen diese Moden aus den Flanken in den Messbereich und damit das Zentrum der Struktur propagieren. Dazu ist essentiell, dass die PSSW-Moden nicht ausschließlich einen Wellenvektor entlang der Filmnormalen besitzen, sondern auch einen Anteil kk in der Strukturebene. Um die Gruppengeschwindigkeit νg dieses Anteils abzuschätzen wird auf Basis a = 4,8 µm a) 1000 500 µ0Hext = 140 mT µ0Hext = 80 mT µ0Hext = 20 mT PSSW 1 BLS -Intensität (bel. E.) Referenzsignal BLS -Intensität (bel. E.) 250 PSSW 2 Lasermoden 0 µ0Hext = 140 mT µ0Hext = 80 mT µ0Hext = 20 mT 200 150 100 50 0 0 c) 5 10 15 20 10 BLS-Frequenz (GHz) a = 1,8 µm d) 250 12 14 16 18 20 BLS-Frequenz (GHz) a = 0,8 µm 250 µ0Hext = 140 mT µ0Hext = 80 mT µ0Hext = 20 mT 200 BLS -Intensität (bel. E.) BLS -Intensität (bel. E.) a = 2,8 µm b) 1500 150 100 50 0 µ0Hext = 140 mT µ0Hext = 80 mT µ0Hext = 20 mT 200 150 100 50 0 10 12 14 16 18 BLS-Frequenz (GHz) 20 10 12 14 16 18 20 BLS-Frequenz (GHz) Abbildung 5.20: Thermische Spinwellenspektren für verschiedenen externe Felder und Strukturgrößen: a) Der blaue Kasten markiert die PSSW-Moden der Ordnung p = 2. Im vorderen Bereich des Spektrums überlagern sich die PSSW-Moden erster Ordnung, die Damon-Eshbach- und Rückwärts-Volumen-Mode, sowie eine Lasermode bei f = 6, 5 GHz. b)-d) Ausschnitt des Spektrums mit den zweiten PSSW-Moden. Es ist zu beachten, dass die Skalierung für b)-d) um den Faktor 6 kleiner ist als für a). 102 5.2 Charakterisierung der Mikrostrukturen der Filmdispersion ein reiner Damon-Eshbach-Anteil (n = 1, m = 0, vergl. Kap. 2.3.3) betrachtet, da in dieser Geometrie die Gruppengeschwindigkeit am größten ist. Der Wellenvektoranteil in der Ebene für den die Gruppengeschwindigkeit berechnet wird ergibt sich aus der Quantisierungsbedingung nach Gl. 5.4. Wird unter Berücksichtigung der vergrößerten Dämpfung in den Strukturen eine geschätzte Lebensdauer von τ = 50 ns angenommen [94], so ergeben sich schließlich die in Tabelle 5.4 aufgeführten Propagationslängen lprop mittels: (5.22) lprop = νg τ , Für die kleineren Strukturen zeigt sich, dass die Propagationslänge im Bereich der Strukturausdehnung liegt, d.h. die PSSW-Moden der Strukturflanken können die Strukturmitte erreichen und dort detektiert werden. Für die Dispersion in der Strukturmitte gilt jedoch, dass diese sich durch die unTabelle 5.4: Abgeschätzte exponentielle Abklinglänge der Intensität der zweiten PSSW-Mode für den reinen Damon-Eshbach-Anteil (n = 1, m = 0) auf Basis der Filmdispersion. Für a = 4, 8 µm ist eine dreifach geringere Dämpfung berücksichtigt. a (µm) rad |kk | ( µm ) νg ( µm ns ) lprop (µm) 4,8 2,8 1,8 0,8 0,62 1,03 1,54 3,13 0,022 0,035 0,055 0,110 3,30 1,75 2,75 5,50 terschiedliche Dicke von der Dispersion der Flanken unterscheidet. Daher können die Magnonen aus den Flanken nicht ohne weiteres in die Mitte propagieren, sondern müssen sich der Änderung der Dispersion anpassen. Da die Dispersion sich entlang der Flanke kontinuierlich ändert kann dies unter Anpassung der Wellenlänge erfolgen [95], wodurch die Magnonen den Messbereich mit einem größeren Wellenvektor erreichen. Dabei gilt, dass höhere Frequenzen zu einem höheren Wellenvektor gestreut werden. In Abb. 5.21 ist dieser Prozess schematisch abgebildet. Da wie in Kap. 3.2.2 beschrieben die Detektionseffizienz der µBLS für einen steigenden Wellenvektor abnimmt, tragen diese Magnonen jedoch nur in einem verringertem Maße zum detektierten Signal bei. Dadurch ergibt sich dann die detektierte abfallende asymmetrische Verbreiterung der PSSWModen zu höheren Frequenzen. Bestimmung der Austauschkonstanten Um nun aus den Messungen die Austauschkonstante zu bestimmen, muss die Frequenz der PSSWModen in Abhängigkeit des externen Magnetfeldes bestimmt werden. Da trotz der beschriebenen Verbreiterung des Signals der Anteil der Magnonen deren Ursprung nicht in den Flanken liegt dominiert, kann dazu die Frequenz des Signalmaximums genutzt werden. Abbildung 5.22a) zeigt 103 5.2 Charakterisierung der Mikrostrukturen 14,5 Frequenz (GHz) Abbildung 5.21: Dispersion der zweiten PSSW-Mode in Abhängigkeit der Dicke d für µ0 Heff = 80 mT, Ms = 141 kA m−1 und Aex = 4, 4 pJ m−1 . Ein Magnon aus dem Randbereich der Struktur passt sich bei Propagation ins Zentrum der kontinuierlich ändernden Dispersion an (graue Pfeile). d = 98 nm d = 96 nm d = 94 nm d = 92 nm 14,0 13,5 13,0 12,5 12,0 Detektionsschwelle 11,5 0 5 10 15 20 25 30 Wellenzahl k (rad/µm) exemplarisch die aus den Messungen gewonnenen Frequenzen des Maximums der zweiten PSSWModen. Hier zeigt sich, dass für die Strukturen mit a < 4, 8 µm die Frequenz in einen wesentlich höheren Bereich verschoben ist, währen diese für a = 4, 8 µm noch im Bereich des Films liegt. Da die Ergebnisse aus Kap. 5.2.2 zeigen, dass die Änderung der effektive Magnetisierung für die Strukturen mit a > 0, 8 µm gering ist, wird zunächst davon ausgegangen, dass der Wert der Sättigungsmagnetisierung Ms = 135 kA m−1 Bestand hat. Die Austauschkonstante wird analog zu Kap. 5.1.2 aus einer Anpassung beider gemessener PSSW-Moden (p = 1 und p = 2) mittels Gl. 5.3 gewonnen. In Abb. 5.22b) ist das Ergebnis gezeigt (rote Punkte). Für die Struktur mit a = 4, 8 µm ergibt sich eine Austauschkonstante nahe des Filmwerts, für die kleineren Strukturen jedoch ein stark gehobener Wert. Da die Näherung der Magnetisierung durch die Sättigungsmagnetisierung des Films für die Struktur mit a = 0, 8 µm keinen guten Kompromiss darstellt, werden die Daten ebenfalls mittels der effektiven Magnetisierung aus Kap. 5.2.2 angepasst (schwarze Punkte in Abb. 5.22b)). Dies führt zu einem ähnlichen Ergebnis. Für kleinere Strukturgrößen kommt es zu einem Anstieg der Austauschkonstanten, die jedoch zu noch kleineren Strukturgrößen wieder abfällt. Die durch die Quantisierung bedingte wechselseitige Abhängigkeit der effektiven Magnetisierung und der Austauschkonstanten in den Messungen lässt hier also keine eindeutige Bewertung zu. Trotzdem ist aus den Daten ersichtlich, dass die Strukturen mit a < 4, 8 µm im Strukturierungsprozess stark beeinflusst werden. Dabei wird die Austauschkopplung scheinbar verstärkt, obwohl dies entgegen den Erwartungen für den Fall einer Zunahme der Störstellendichte oder Gitterverzerrung steht. Aufgrund der hochkomplexen Struktur von YIG (vergl. Kap. 4.1) kann jedoch nicht sicher vorhergesagt werden wie diese Einflüsse die Austauschkopplung letztendlich beeinflussen. Die Berechnung der hier extrahierte Austauschkonstante erfolgt unter der Annahme, dass die Dicke der Strukturen unverändert der Filmdicke von d = 98 nm entspricht. Wird der beobachtete Frequenzverschub über eine Variation der Dicke abgeschätzt, so ergibt sich, dass die Dicke um 15 nm 104 5.2 Charakterisierung der Mikrostrukturen Austauschkonstante Aexeff (pJ/m) a) 18 fPSSW,2 (GHz) 16 14 12 10 Film 4,8 µm 8 0 25 50 75 100 µ0Heff (mT) 2,8 µm 1,8 µm 0,8 µm 125 150 b) 7,0 Meff Kapitel 4.2.2 6,5 Ms = 135,0 kA/m 6,0 Aex Film 5,5 5,0 4,5 4,0 3,5 0 1 2 3 4 5 Strukturgröße a (µm) ∞ Abbildung 5.22: a) Frequenz der zweiten PSSW-Mode fPSSW,2 in Abhängigkeit des effektiven Magnetfeldes für die verschiedenen Strukturgrößen a. b) Mittels Anpassung aus a) extrahierte Austauschkonstante Aex in Abhängigkeit der Strukturgröße. reduziert werden muss. Eine Kontrolle der geometrischen Dicke mittels Rasterkraftmikroskopie ist nachfolgend nicht mehr möglich, da im Strukturierungsprozess eine vom Ausmaß unbekannte Überätzung in das GGG-Substrat erfolgt ist. Wie in Kap. 4.2.5 jedoch ersichtlich ist, weist die Oberfläche der Strukturen keinerlei Ätzspuren auf, daher ist eine Änderung der geometrischen Dicke durch den Strukturierungsprozess unwahrscheinlich. Es kann jedoch zusätzlich nicht ausgeschlossenen werden, dass effektiv eine veränderte Dicke wirksam ist, da Gl. 5.3 auf der Annahme beruht, dass die magnetischen Momente im Randbereich keinerlei Pinning unterliegen. Diese Näherung ist unter Umständen für den Fall einer lateralen Begrenzung und dadurch geänderten Streufeldern nicht mehr gültig. Die berechnete Austauschkonstante fasst nun alle diese eventuell auftretenden Effekte zusammen und ist daher nur als eine effektive Austauschkonstante Aeff ex zu sehen. Die in diesem Kapitel durchgeführten Untersuchungen von YIG-Mikrostrukturen mittels der µBLS haben gezeigt, dass der einfache Charakter der Messungen an ausgedehnten Filmen nicht mehr gegeben ist. Die Quantisierung des Systems in alle drei Dimensionen erschwert die theoretische Beschreibung erheblich, dennoch können die meisten Probleme in guter Näherung gelöst werden. Nur die Beschreibung der Quantisierung entlang der statischen Magnetisierung fußt auf einer behelfsmäßigen Abschätzung des effektiven Magnetfeldes, welche mit abnehmender Strukturgröße einen immer größeren Einfluss hat. Insbesondere die wechselseitige Abhängigkeit der Messung zur Bestimmung der effektiven Magnetisierung und der Austauschkonstanten ist problematisch und ist ohne eine weitere unabhängige Messmethode nicht zu lösen. Zusätzlich haben sich einige Komponenten des genutzten Messaufbaus, insbesondere das Magnetfeld, für nicht ausrei105 5.2 Charakterisierung der Mikrostrukturen chend stark und stabil erweisen und damit die Qualität des Messungen beschränkt. Dieses Problem kann jedoch durch die Integration eines leistungsstarken Elektromagneten in den Aufbau, sowie eine Verbesserung der Feldstabilität verringert werden. Trotz der angesprochenen Probleme konnte gezeigt werden, dass die µBLS die Untersuchung der Magnetisierungsdynamik von einzelnen Mikrostrukturen ermöglicht. Insbesondere konnten erste Erkenntnisse der Auswirkung einer Mikrostrukturierung von YIG unterhalb lateraler Ausdehnungen von 1 µm auf die Materialeigenschaften gesammelt werden. So nimmt die effektive Magnetisierung mit kleiner werdender Strukturgröße ab (vergl. Kap. 5.2.2), während die Austauschkonstante hingegen scheinbar größer wird (vergl. Kap. 5.2.3). Die strukturierungsbedingte Änderung der Materialeigenschaften von YIG zeigt sich ebenfalls in der Untersuchung der Linienbreite (vergl. Kap. 5.2.2). Die Messungen bestätigen, dass bereits die Strukturierung unterhalb einer lateralen Ausdehnung von 4, 8 µm nachhaltigen Einfluss auf die Gitterstruktur des YIG hat. 106 KAPITEL 6 Fazit und Ausblick Ziel dieser Arbeit waren erste Untersuchungen des Einflusses eines Mikrostrukturierungsprozesses auf die magnetischen Eigenschaften von Yttrium-Eisen-Granat (YIG). Dieses Material ist ein vielversprechender Kandidat für zukünftige Anwendungen in der Informationstechnologie, aber auch für Untersuchung der fundamentalen Spinwellenphysik. Im speziellen wurde hier ein dünner, 98 nm dicker, YIG-Film untersucht, welcher mittels Flüssigphasenepitaxie hergestellt wurde. Dazu wurde zunächst eine Charakterisierung des unstrukturierten Films vorgenommen, die auf Basis induktiver Messungen mittels der Untersuchung der ferromagnetischen Resonanz erfolgt ist (VNA-FMR). Die aus diesen Messungen erhaltenen Ergebnisse für die Sättigungsmagnetisierung und den GilbertDämpfungsparameter des Films zeigen, dass der untersuchte Film gute magnetische Eigenschaften aufweist. Diese Ergebnisse wurden nachfolgend zur Validierung der in dieser Arbeit entwickelten µBLS-FMR Methode genutzt, die auf einer Kombination der Anregung der Magnetisierungsdynamik mittels einer makroskopischen Antenne und der Detektion mittels mikrofokussierter BrillouinLichtstreuspektroskopie basiert. Es konnte gezeigt werden, dass die µBLS-FMR Methode nicht nur die Bestimmung der Sättigungsmagnetisierung und des Gilbert-Dämpfungsparameter ermöglicht, sondern zusätzlich über eine Messung der thermischen Spinwellenspektren auch Zugang zur Austauschkonstanten bietet. Um nachfolgend den Einfluss einer Mikrostrukturierung auf die magnetischen Eigenschaften des YIGs zu analysieren, wurden aus dem Film unter Verwendung des Ionenstrahlätzen quaderförmige Mikrostrukturen hergestellt. Die so erhaltenen Strukturen wiesen sehr breite Strukturflanken auf und mussten daher mit Hilfe eines abschließenden Strukturierungsschritts mittels fokussiertem Ionenstrahlätzen nachbearbeitet werden. Die resultierenden Strukturen zeigten dann eine sehr gute Qualität der Flanken und insbesondere auch der Ecken der Strukturen. Die lateralen Strukturbreiten der erhaltenen Mikrostrukturen rangiert dabei von maximal 4, 8 µm bis minimal 0, 8 µm. Da die VNA-FMR nicht zur Charakterisierung von Mikrostrukturen genutzt werden kann, wurde dazu nun auf zuvor validierte Methode der µBLS-FMR zurückgegriffen. Die Ortsauflösung dieser Methode erlaubt dabei eine Untersuchung einzelner Mikrostrukturen. Zur Bestimmung der Materialparameter wurde zunächst eine Analyse des Modenspektrums durch- 107 geführt. Dieses ist in Mikrostrukturen aufgrund der ebenfalls in lateraler Richtung auftretenden Quantisierung von deutlich komplexerem Charakter. Da insbesondere keine FMR-Mode mehr existiert wurde unter Zuhilfenahme von mikromagnetischen Simulationen zunächst die Fundamentalmode identifiziert. Anhand dieser Fundamentalmode erfolgte dann die Bestimmung der Sättigungsmagnetisierung, jedoch hat sich gezeigt, dass durch die Quantisierung die Bestimmung der Sättigungsmagnetisierung in wechselseitiger Abhängigkeit mit der Messung der Austauschkonstanten steht. Dieses Problem ist dabei von fundamentalem Charakter und lässt sich daher nur durch Zuhilfenahme einer weiteren Messmethode lösen, dies war allerdings im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich. Zusätzlich hat sich gezeigt, dass sich die Quantisierung für die Achsen entlang der statischen Magnetisierung und senkrecht dazu durch unterschiedliche effektive Strukturbreiten unterscheidet, wobei insbesondere die Komponente entlang der statischen Magnetisierung ein sehr komplexes Verhalten aufweist. Es konnte trotzdem eine tendenzielle Abnahme der Sättigungsmagnetisierung mit abnehmender Strukturgröße festgestellt werden. Bei der Bestimmung des Gilbert-Dämpfungsparameters haben sich zusätzlich Probleme des verwendeten Aufbaus bemerkbar gemacht. So ist die Feldstabilität aufgrund der geringen Linienbreite von YIG ein kritischer Faktor, da schon eine kleine Änderung des Feldes zu Frequenzänderungen größer als die Linienbreite führt. Während den Messungen aufgetretene kleine Schwankungen des externen Magnetfelds haben daher dazu geführt, dass die Linienbreite der Resonanzen nicht verlässlich bestimmt werden konnte. Trotz dieser Einflüsse wurde gezeigt, dass die Dämpfung für Strukturen mit einer Abmessung von a < 4, 8 µm um einen Faktor von zwei bis drei zunimmt. Wesentlich genauere Messung können jedoch durch eine künftige Verbesserung der Feldstabilität erreicht werden. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit hat eine Messung der thermischen Spinwellenspektren der Mikrostrukturen eine asymmetrische Verbreiterung der PSSW-Moden gezeigt. Dies konnte auf propagierende Spinwellen aus dem Randbereich der Strukturen zurückgeführt werden. Die Bestimmung der Austauschkonstanten hingegen hat unerwarteterweise einen Anstieg für kleinere Strukturgrößen gezeigt. Hier konnte jedoch nicht abschließend geklärt werden ob dies wie in den Messungen zuvor aus einer Beeinflussung der Kristallstruktur resultiert oder ob vielmehr die zur Beschreibung genutzt Theorie an Gültigkeit verliert. Insgesamt wurden im Rahmen dieser Arbeit erste Erkenntnisse bezüglich der Einflüsse eines Mikrostrukturierungsprozesses auf dünne YIG-Filme gesammelt. Dabei wurde gezeigt, dass die magnetischen Eigenschaften auch nach einer Strukturierung immer noch eine gute Qualität aufweisen. Um genauere Erkenntnisse zu sammeln können die hier durchgeführten Messungen durch die bereits erwähnten Verbesserungen optimiert werden. Zusätzlich können auch Einflüsse ganz vermieden werden. Die problematische Handhabung der effektiven Breite in Feldrichtung kann z.B. 108 durch eine Betrachtung von nur in einer lateralen Richtung quantisierten Systemen wie Wellenleitern umgangen werden. Alternativ können auch Systeme mit einer Ausrichtung der Magnetisierung entlang der Filmnormalen betrachtet werden, wodurch sich eine in der Ebene isotrope Dispersion ergibt. Diese Ansätze bilden daher eine gute Basis für weitergehende Untersuchungen. 109 Literaturverzeichnis [1] R. Keyes, The impact of Moore’s Law, Solid-State Circuits Society Newsletter, IEEE 11, 25 (2006). [2] C. Mims, Why CPUs aren’t getting any faster, MIT Technology Review (2012). [3] M. N. Baibich, J. M. Broto, A. Fert, F. N. Van Dau, F. Petroff, P. Eitenne, G. Creuzet, A. Friederich, J. 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Thomas Meyer für die unermüdliche Aufrechterhaltung der Menschlichkeit in der AG Magnetismus, die unzähligen Stunden der Hilfe, das Korrekturlesen dieser Arbeit, sowie die Aufmunterung wenn etwas einmal nicht funktioniert hat : Es ist tatsächlich alles gut geworden! Dr. Philipp Pirro für eine Vielzahl anregenden Diskussionen und Erläuterungen zu physikalischen Sachverhalten. Dr. Thomas Brächer für die exzellente Ausbildung in der Mikrostrukturierung, die Diskussion physikalischer Fragestellungen, sowie die lange und gute Betreuung in meiner HiWi-Zeit. Tobias Fischer für seine Freundschaft und die gute Zeit, ohne dessen 3 Uhr Kaffee diese Arbeit zwar früher, jedoch mit wesentlich weniger Spaß und Menschlichkeit beendet worden wäre. 119 Meinen Studienkollegen Moritz Geilen, Matthias Schweizer und Alexander Kreil für die gute Freundschaft während meines Studiums und zahlreiche vergangene sowie zukünftige lustige Stunden. Steffen Klingel für das Einführen in die pfälzische Sprachkultur und die gute gemeinsame Zeit während meines Studiums. Dem gesamten Team des Nano Structuring Center Kaiserslautern, insbesondere Dr. Bert Lägel für die viele geschriebene Proben an der E-Line, sowie gemeinsame Tests neuer Verfahren und Prozesse, Christian Dautermann für die Hilfestellung bei technischen Problemen die sich schon in Luft auflösen wenn ich Ihn nur rufe und Dr. Thomas Löber für die Strukturierung in der FIB. Allen hier nicht namentlich genannten Mitgliedern der AG Magnetismus für die gute Zeit und die entspannte Atmosphäre. Karolin für die seelische Unterstützung in guten wie in schlechten Zeiten, sowie die Tatsache, dass du mich immer noch magst. Abschließend möchte ich mich insbesondere bei meinen Eltern Gerhard und Judith Heinz und meinem Bruder Holger bedanken, die mir meinen Lebensweg bereitet haben und mir jederzeit die größtmögliche Unterstützung in all meinen Entscheidungen haben zukommen lassen. 120 Hiermit versichere ich, dass ich diese Arbeit selbstständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel verwendet habe. Unterschrift