Medizinische Universität Graz

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Medizinische Universität Graz
Bachelorstudium der Gesundheits- und Pflegewissenschaft
Bachelorarbeit
Die ethischen Ansichten der Weltreligionen hinsichtlich der
Empfängnisverhütung und des Schwangerschaftsabbruches
und die Möglichkeit einer kultursensiblen Beratung und
Aufklärung in Österreich
Eingereicht von:
Robert Luschan, Matrikelnummer 0733265
am:
22. September 2010
Lehrveranstaltung:
Einführung in den interkulturellen Dialogprozess
Betreuerin:
Maga. Yvonne Adam, Wippertstraße 2, 79100 Freiburg, BRD
2 Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung / Abstract
5
1. Einleitung
7
2. Definitionen
8
2.1. Definition der Schwangerschaft
8
2.2. Definition und Möglichkeiten der Empfängnisverhütung
9
2.3. Definition und Möglichkeiten des Schwangerschaftsabbruchs
3. Die Weltreligionen
12
15
Christentum
16
Judentum
18
Islam
19
Hinduismus
21
Buddhismus
22
4. Die ethischen Ansichten der Weltreligionen bezüglich Empfängnisverhütung und
Schwangerschaftsabbruch
23
4.1. Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch im Christentum
24
4.1.1. Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch im Katholizismus
24
Empfängnisverhütung
24
Schwangerschaftsabbruch
25
4.1.2. Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch im Protestantismus
26
Empfängnisverhütung
27
Schwangerschaftsabbruch
27
4.2. Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch im Judentum
28
Empfängnisverhütung
29
Schwangerschaftsabbruch
30
4.3. Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch im Islam
32
Empfängnisverhütung
33
Schwangerschaftsabbruch
34
4.4. Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch im Hinduismus
34
Empfängnisverhütung
35
Schwangerschaftsabbruch
35
3 4.5. Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch im Buddhismus
37
Empfängnisverhütung
36
Schwangerschaftsabbruch
37
5. Die Situation der Angehörigen einer Weltreligion in Österreich
39
6. Die Möglichkeit einer kultursensiblen Beratung und Aufklärung in Österreich
43
7. Schlussfolgerung und Ausblick
46
8. Literaturverzeichnis
48
4 Zusammenfassung
In der vorliegenden Arbeit werden die ethischen Ansichten des Christen- und Judentums,
des Islams, des Buddhismus und Hinduismus bezüglich der Empfängnisverhütung und
des Schwangerschaftsabbruchs bearbeitet. Die Relevanz für diese Arbeit ergibt sich aus
dem erheblichen Einfluss, welchen die moralischen Wertvorstellungen innerhalb einer
Religion auf das Leben und Verhalten gläubiger Menschen ausübt. Die religiös-ethischen
Einstellungen beeinflussen jedoch nicht nur die Entscheidungen des Menschen, sondern
wirken sich ebenso auf kulturelle Traditionen und staatliche Rechtsprechungen aus.
Aufgrund heiliger Schriften, Ansichten der Religionsstifter, Geboten und Überlieferungen
bildeten sich unterschiedliche Auffassungen über die ethische Vertretbarkeit von
Verhütung und Abtreibung. So werden in den Religionen verschiedene Verhütungsmethoden und Mittel erlaubt, die in anderen hingegen untersagt sind. Daher finden sich
auch Faktoren, Fristen und Motive, die in der einen Glaubensrichtung eine Abtreibung
legitimieren, was in einer anderen Religion verboten ist. Ebenso lassen sich aber auch
moralische Übereinstimmungen in beinahe allen Konfessionen feststellen, welche sich vor
allem auf ein Tötungsverbot, sowie auf den Schutz der Schwangeren beziehen.
In Österreich ist die Verhütung und unter bestimmten Voraussetzungen und Umständen,
auch die Abtreibung legal, ungeachtet dessen, welcher Religion oder Kultur die
betreffende Person angehört. Da nun im weitgehend säkularisierten Österreich die
Religiosität der traditionell christlichen Menschen kontinuierlich abnimmt, aufgrund von
Migration und erhöhten Geburtenraten, die Anhängerzahl anderer Religionen und Kulturen
aber steigt, ergibt sich daraus die dringliche Notwendigkeit einer kultursensiblen Beratung
und Aufklärung. Diese hat in erster Linie die Aufgabe, in Zusammenarbeit mit den
organisierten Religionsgemeinschaften, auf religionsrechtlich und moralisch erlaubte
Verhütungs- und Abtreibungsmethoden hinzuweisen und über gesetzliche und strukturelle
Möglichkeiten in Österreich aufzuklären. Die Frau, der aufgrund religiöser Tradition oft das
Entscheidungsrecht abgesprochen, bzw. dieses ignoriert wird, soll in dieser Beratung über
all die ihr zur Verfügung stehenden Mittel und Optionen aufgeklärt werden. Die Umsetzung
und Installierung einer kultur- und religionsspezifischen Beratung würde einen großen
Schritt in Richtung Integration und interkultureller Öffnung des Gesundheits- und
Sozialsektors bedeuten, woraus sich neue Ausbildungsmöglichkeiten im psychosozialen,
ärztlichen und pflegerischen Bereich ergeben.
5 Abstract
This paper views the ethic ideals of Christianity, Judaism, Islam, Buddhism and Hinduism,
concerning contraception and termination of pregnancy. This is relevant because of the
considerable effects of theological morality on the life and the decisions of religious
people. But not only the behaviors of single human beings get influenced, even cultural
traditions and judiciaries are formed by religious ethics. Because of holy scriptures,
religious traditions and because of sayings and opinions of the founder of a religion,
different religious views concerning contraception and abortion occurred. So, some
religions allow several contraceptives, while others forbid them. As well as there are some
reasons and motives which authorize abortion for the one confession, though this won’t be
accepted in another religion or culture.
Nevertheless there are also moral consensus in nearly all religions, relating to the
interdiction of killing and the protection of the pregnant woman.
In Austria contraception and under certain circumstances, also abortion is authorized by
law, regardless to which religion a woman belongs. Because of the increasing number of
people with migration background, a culture-sensitive consultancy becomes necessary.
Whose purpose is to inform about ethically permitted options for contraception and
abortion in co-work with the organized religious communities in Austria. But the basic
appointment is to inform suppressed women about the structural and judicial options,
which a person has in Austria.
Establishing such a culture-sensitive support would be a big step forward to intercultural
opening of health care and welfare.
6 1. Einleitung
Der Glaube eines Menschen übt wegweisenden Einfluss auf die Gestaltung seines Lebens
aus. In jeder Religion bestehen ethische Wertsysteme, die besagen was gut und böse,
was richtig oder falsch ist. Die religiösen Ansichten variieren hinsichtlich bestimmter
Themen, weisen aber bei anderen wieder einen gemeinsamen moralischen Konsens auf.
Verallgemeinernd kann man behaupten es besteht eine goldene Regel, die in allen
Kulturen und Religionen aufzufinden ist und welche die Basis des moralisch-ethischen
Zusammenlebens darstellt. Diese besagt Gottes Werk, also den Menschen, nicht zu töten.
Ebenfalls stimmen die Religionen darüber überein, dass der Mensch eine Seele besitzt.
Genau diese beiden Grundsätze, sind die Gründe für die jahrtausendlange Diskussion
über die ethische Vertretbarkeit des willentlich herbeigeführten Aborts eines ungeborenen
Kindes. Ab wann ein Mensch aber als beseelt gilt, wird von den verschiedenen Religionen
wiederum unterschiedlich bewertet. Ab der Beseelung wird die Tötung aber in jeder
einzelnen Religion stark ablehnend behandelt. Auch die Methoden und Rechtfertigungen
zur Empfängnisverhütung werden nicht erst seit der Erfindung der Pille diskutiert, sondern
weisen eine ebenso lange, religionsgeschichtliche und -ethische Betrachtung wie die
Abtreibung auf. Trotz zunehmender Säkularisierung und Globalisierung werden Menschen
nachwievor, nicht unbedingt ausschließlich von ihrer Religion, aber zumindest durch ihre
damit verbundene Kultur, in Fragen der Verhütung und Abtreibung beeinflusst.
Diese Arbeit will daher der Frage nachgehen, welche ethischen Ansichten die
Weltreligionen zu den Themen Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch
vertreten. Um zusätzlich auch den Aspekt der Migration, bezogen auf die österreichische
Situation in die Arbeit mit einzubeziehen, wird daher auch die Frage, wie eine
kultursensible Beratung und Aufklärung in Österreich gestaltet sein könnte behandelt.
Die Beantwortung der ersten Forschungsfrage erfolgt mittels Literaturrecherche, die
einerseits einschlägige Fachliteratur umfasst, aber ebenso direkt auf Versen aus Bibel,
Talmud und Koran gründet. Erstere wurden auf ihre Seriosität und Wissenschaftlichkeit
geprüft, sinngemäß interpretiert und übernommen, was sich durch detaillierte Zitierung
nachweisen lässt. Bei Unklarheit oder fehlender, adäquater Literatur wurden mittels EMail-Anfragen Informationen von den jeweiligen Religionsgemeinschaften in Österreich
eingeholt, was stets ausführlich im Text vermerkt ist. Zur Einführung in die Thematik und
zum besseren Verständnis, werden zu Beginn die grundlegenden Elemente dieser Arbeit
genauer definiert. Um ausreichend über die Religionen Bescheid zu wissen und deren
ethische
Ansichten
zu
verstehen,
wird
im
darauffolgenden
Kapitel
deren
7 Entstehungsgeschichte mitsamt ihren heiligen Schriften, Geboten und Verboten,
Traditionen und den Regeln ihrer Religionsstifter vorgestellt, welche im anschließenden
Hauptteil dazu dienen, die ethischen Ansichten der einzelnen Religionen bezüglich der
Verhütung und Abtreibung zu behandeln. Hierbei wird genau festgehalten, welche
Verhütungsmethoden, aus welchen Gründen legitim, sowie unter welchen Umständen,
Abtreibungen tolerierbar sind und weswegen dies ein derart schweres Vergehen darstellt.
Bei den einzelnen Religionen wird ebenso die rechtliche Situation bzgl. Verhütung und
Abtreibung in einem jeweiligen, von der betreffenden Religion dominierten Land,
angesprochen.
Da sich die zweite Forschungsfrage auf die Möglichkeit einer kultursensiblen Beratung
bezieht, wird nach der Beschreibung der religionsethischen Ansichten auf die rechtliche
Situation in Österreich eingegangen, wobei hauptsächlich das Strafgesetzbuch als
Literaturquelle dient. Um die Relevanz einer solchen Beratung in Österreich zu begründen,
werden möglichst aktuelle Zahlen der Konfessionsangehörigen beschrieben.
2. Definitionen
In diesem Kapitel sollen die Begrifflichkeiten und die Bedeutungen der Hauptgegenstände,
mit welchen sich diese Arbeit befasst, geklärt werden. Da im allgemeinen, deutschen
Sprachgebrauch eine Schwangerschaft mit der Befruchtung der Eizelle beginnt, müsste
alles, was zur Vermeidung der Befruchtung geschieht, als Empfängnisverhütung und alles
was zur Beendigung der weiteren Entwicklung nach der Befruchtung unternommen wird,
als Schwangerschaftsabbruch zu klassifizieren sein (Putz 2001, S.5). Um die Thematik
aber auch wirklich zu verstehen und diese interpretationsfrei erfassen zu können, ist es
notwendig, mehr als nur die reine Wortbedeutung zu definieren. Daher werden in den nun
folgenden Unterkapiteln die Verhütung und Abtreibung mitsamt ihren Möglichkeiten und
Methoden aus medizinischer und psychologischer Sicht erklärt.
2.1. Definition der Schwangerschaft
Die Schwangerschaft, bzw. die Entwicklung des menschlichen Lebens im Mutterleib stellt
einen äußerst umfangreichen und komplexen Vorgang dar. Da dieses Kapitel aber nur zur
allgemeinen Definition und dem besseren Verständnis der in späteren Kapiteln
8 angesprochenen Begrifflichkeiten und Situationen dient, wird hier nur eine oberflächliche
Zusammenfassung geliefert:
Als Schwangerschaft (Gestation) bezeichnet die Medizin den Prozess der menschlichen,
pränatalen Entwicklung, welcher mit der Befruchtung der Eizelle (Konzeption) beginnt und
mit der Geburt (Partus) oder einer vorzeitigen Fehlgeburt (Abort) endet. Dieser Prozess
dauert ca. 266 Tage und wird in Embryonal- und Fetalphase unterteilt. Das Alter einer
Schwangerschaft wird entweder ab der Befruchtung (p.c.: post conceptionem), oder aber
ab dem ersten Tag der letzten Menstruation (p.m.: post menstruationem) gemessen, was
meist einen Definitionsunterschied von 2 Wochen beinhaltet. Daher dauert die
Schwangerschaft theoretisch auch 2 Wochen länger, also 280 Tage, sprich 9
Kalendermonate. Die eigentliche Befruchtung stellt das Eindringen des Spermiums in die
Eizelle (Imprägnation) dar, wobei die Chromosomensätze verschmelzen (Konjugation).
Daraus entsteht eine entwicklungsfähige Zelle. Dies ist die Zygote, die nun gesteuert von
Ovarialhormonen in die Gebärmutter wandert. Am 4. bzw. 5. Entwicklungstag erreicht sie
die Gebärmutterhöhle und entwickelt sich dort zur Blastozyte. Etwa am 8. Tag nach der
Konzeption erfolgt die Einnistung (Nidation) der Blastozyte in die Gebärmutterschleimhaut
(Endometrium). Dies wird ermöglicht, da bereits nach der Ovulation erhöhte Produktion
des
Hormons
Progesteron
stattfand,
welches
zur
Auflockerung
der
Gebärmutterschleimhaut führte. Erst durch die Nidation wird die Embryonalphase
eingeleitet, wodurch nun tatsächlich von Schwangerschaft zu sprechen ist. Dadurch wird
auch den Eierstöcken signalisiert, dass keine Notwendigkeit an weiteren Eisprüngen
besteht und die Gebärmutterschleimhaut wird nicht mehr abgestoßen, wodurch die
Menstruation ausbleibt.
Während der Embryonalphase, welche sich über die ersten 8 Wochen p.c. erstreckt,
differenzieren sich die Körperzellen. Organe werden ausgebildet und der Embryo erhält
menschenähnliche Form. In der darauffolgenden Fetalphase wachsen und reifen die
Organe und das Gewebe aus. Wenn die Lungenreifung vollständig abgeschlossen ist, wird
automatisch der Geburtsvorgang eingeleitet (Geist et al. 2007, S.96ff; Goerke & Valet
2006, S.38ff).
2.2. Definition und Möglichkeiten der Empfängnisverhütung
Der Wunsch eine Schwangerschaft zu vermeiden ist bei weitem kein Phänomen der
Neuzeit. Mit dem Wissen über die Befruchtung der Frau durch das männliche Sperma,
9 konnten erste Verhütungsmittel und Methoden entwickelt werden, die das Eindringen der
Samenflüssigkeit in den weiblichen Körper zu verhindern versuchten. So waren den
Menschen bereits in der Antike Kondome aus Tierdarm und Vaginalschwämme bekannt
(Schwikart 2005, S.25). Die Verhütungsmethode die sich in allen Kulturen der Erde finden
lässt, ist der coitus interruptus, wobei der Penis vor der Ejakulation aus der Vagina
gezogen wird. Dieses Vorgehen wird auch in religiösen Schriften wie der Tora, bzw. Bibel
(Genesis 38,9) und in alten asiatischen Schriften genannt. Durch den medizinischen und
technologischen Fortschritt besteht heute aber eine Vielzahl von unterschiedlichen und
weitaus zuverlässigeren Verhütungsmitteln:
Die Empfängnisverhütung, Kontrazeption genannt, kann mittels natürlicher oder
künstlicher Methoden geschehen. Ziel beider Varianten ist es, die Wahrscheinlichkeit einer
Schwangerschaft
möglichst
zu
verringern.
Zur
Messung
der
Sicherheit
einer
Verhütungsmethode dient der so genannte Pearl-Index (PI), welcher angibt, wie viele von
100 Frauen schwanger werden, wenn sie mit einer bestimmten Methode ein Jahr lang
verhüten. Folglich gilt, je niedriger der Pearl-Index, umso effizienter ist die Methode (Bitzer
2010, S.30). Die natürlichen Methoden der Verhütung bieten einen sehr hohen Pearl
Index, sind also überaus unzuverlässig. Es handelt sich dabei um ungeschützten
Geschlechtsverkehr, der nur während der unfruchtbaren Tage der Frau stattfindet, oder
sich auf Temperaturmessungen oder Kalenderberechnungen verlässt. Die naheliegenste
und verbreiteteste natürliche Verhütungspraktik stellt der oben erwähnte coitus interruptus
dar. In vielen Entwicklungsländern in denen kein Zugang zu Verhütungsmitteln besteht,
sind coitus interruptus und die sexuelle Enthaltsamkeit während der fruchtbaren Tage die
einzig möglichen Verhütungsmethoden. Da die Verhütungsmethode des coitus interruptus,
aber dennoch völlig ungeschützten Geschlechtsverkehr beruht und schon vor dem
männlichen Orgasmus Spermien aus dem Penis austreten, handelt es sich aber um eine
äußerst unsichere Methode und weist einen Pearl Index von bis zu 25 auf (Martius &
Novotny 2006, S.62).
Werden Hilfsmittel zur Schwangerschaftsverhinderung angewandt, so zählt dies zu den
künstlichen Methoden der Verhütung. Hierzu gehören das Kondom (PI 7-14, wobei die
meisten ungewollten Schwangerschaften aus Anwendungsfehlern hervorgehen), sowie
das Diaphragma, indem diese das Eindringen der Spermaflüssigkeit in den Uterus
verhindern. Das Diaphragma, oder auch Scheidenpessar (PI 20-25), wird vor dem
Geschlechtsakt in die Scheide der Frau eingeführt und oft mit Spermiziden (PI 3-25),
wobei es sich um Spermien-abtötende Cremes handelt, kombiniert. Längerfristigen Schutz
bietet das Intrauterinpessar (PI 0,5-2,7), bekannter unter dem Namen Spirale, welches
10 ebenso zu den künstlichen Verhütungsarten zählt. Anders als das Diaphragma, wird es
vom Arzt in die Gebärmutter eingesetzt, wo es mehrere Jahre verbleiben kann.
Es wirkt entweder durch den Kupferanteil, dessen Ionen toxische Wirkung auf das Sperma
haben, oder durch die Abgabe des Hormons Gestagen. Die Hormonspirale, häufig als
Intrauterinsystem bezeichnet, beeinflusst die Produktion der Gebärmutterschleimhaut,
sodass den Samenzellen die Beweglichkeit genommen und eine womöglich befruchtete
Eizelle am Einnisten in die Schleimhaut gehindert wird.
Hormonelle Verhütung stellt mittlerweile in den westlichen und östlichen Industrienationen
das am häufigsten verwendete Mittel zur Schwangerschaftsverhinderung dar. Jedoch nicht
in Form der Hormonspirale, sondern anhand oraler Ovulationshemmer, der Anti-Baby-Pille
(PI 0,1–0.9). Die Erfindung (1957) und Verbreitung der Pille gilt nicht nur als medizinischer
Meilenstein, sondern auch als gewaltiger Einflussfaktor auf die soziale und ethische
Entwicklung des 20 Jahrhunderts. Die Pille wird oral eingenommen und wirkt durch eine
Kombination aus den Hormonen Östrogen und Gestagen, welche die Eireifung, sowie den
Eisprung verhindern (Clauss & Clauss 2009, S.360; Martius & Novotny 2006, S.65).
Als Alternative zur Pille bietet auch die Dreimonatsspritze guten Schutz (PI 0,5) die mittels
injizierten Hormonen ebenfalls den Eisprung hemmt. Weitere hormonelle Verhütungsmittel
sind die Minipille (PI 0,5-3), welche nur Gestagen enthält und die Verhütung mittels
Verdickung der Gebärmutterschleimhaut gewährleistet; der Vaginalring (PI 0,65), der über
einen Zeitraum von 3 Wochen in die Vagina eingesetzt wird und dort Östrogen und
Gestagen abgibt; das Hormonpflaster (PI 0,9), welches dieselben Hormone über den
Hautkontakt abgibt; sowie ein etonogestrelhaltiges Implantat (PI 0,1-0,8) welches unter die
Haut des Oberarms eingesetzt wird und Hormondosen freisetzt.
Die Postkoitalpille, bekannt als Pille-danach, ist ein ebenfalls hormonhältiges Präparat,
welches aber erst nach dem Geschlechtsverkehr eingenommen wird. Es ist weitaus höher
dosiert und eignet sich daher nicht als reguläres Verhütungsmittel, sondern nur in Fällen in
denen nicht verhütet wurde, bzw. das eigentliche Verhütungsmittel versagt hat. Streng
genommen handelt es sich dabei um gar kein Verhütungsmittel, da es nicht kontrazeptiv,
sondern interzeptiv wirkt, indem es die Einnistung der befruchteten Eizelle in die
Gebärmutterschleimhaut verhindert (Kiechle 2007, S. 187). Dennoch ist die Postkoitalpille
nicht mit der so genannten Abtreibungspille Mifegyne vergleichbar, da diese einen
Schwangerschaftsabbruch herbeiführt, wohingegen die Pille-danach eine Schwangerschaft von vornherein verhindert (vgl. Kap. 2.2).
Abgesehen von Kondomen, sind all die eben genannten Kontrazeptiva am weiblichen
Körper anzuwenden und benötigen regelmäßige Einnahme, bzw., Auffrischung. Hingegen
11 ist die Sterilisation, ein chirurgischer Eingriff um den Menschen unfruchtbar zu machen,
bei beiden Geschlechtern möglich. Beim Mann erfolgt dies mittels Abbinden oder
Durchtrennen der Samenleiter (Vasektomie), wohingegen die Sterilisation der Frau durch
die Abbindung oder Durchtrennung der Eileiter geschieht. Da es sich bei der Sterilisation
um einen irreversiblen Eingriff handelt, lassen sie Frauen und Männer oft nach
abgeschlossener Familienplanung vornehmen, oder wenn Schwangerschaften aus
medizinischen Gründen zu vermeiden sind. Die Sterilisation stellt zwar eine äußerst
sichere Verhütungsmaßnahme dar, doch weist auch der Eingriff eine gewisse
Versagerquote auf, wodurch die Sterilisation der Frau, je nach Verfahren (Durchtrennen ist
zuverlässiger als Abklemmen) einen Pearl-Index von 0,2-0,5 und die Sterilisation des
Mannes 0,1-1,15 aufweist. (Kiechle 2007, S.195; Martius & Novotny 2006, S.66f)
Wenn der Geschlechtsakt vollzogen wird, ohne dabei zu verhüten, besteht ein Pearl-Index
von ca. 85-90, abhängig vom Alter der Frau (Kiechle 2007, S.181).
2.3. Definition und Möglichkeiten des Schwangerschaftsabbruches
Mindestens
genauso
alt
wie
die
Verhütung,
ist
auch
der
beabsichtigte
Schwangerschaftsabbruch. Da die altertümlichen Verhütungsmethoden auch äußerst
unzuverlässig waren, war die Abtreibung zwangsweise wesentlich verbreiteter und stellte
ein effektiveres Instrument zur Geburtenregelung dar. Schon Platon (429-347 v.Chr.)
sprach sich in seinem bekannten Werk Der Staat für den Schwangerschaftsabbruch als
Mittel
zur
Geburtenregelung
aus
(Jütte
2003,
S.28).
Dahinter
steckt
die
volkswirtschaftliche Überlegung das Bevölkerungswachstum zu bremsen und die
Ausdehnung der Massenarmut zu unterbinden. Techniken und Mittel um eine
Schwangerschaft zu beenden, waren damals bereits ausreichend bekannt. Durch das
Wissen über die pharmakologische Wirkung bestimmter Kräuter und Pflanzenextrakte
konnten medizinische Gifttränke gemixt werden, die zu heftigen Magen-Darm-Krämpfen
und Uterusblutungen führten, was in weiterer Folge einen Abort nach sich zog. Wer diese
Tränke nicht zur Verfügung hatte, konnte durch mechanische Einwirkungen, wie große
körperliche Anstrengung, ständiges Auf- und Abspringen oder Schläge auf Unterbauch
und Gesäß, den Abort des Fötus bewirken (Zöllner 2007, S.5). Der Gebrauch dieser
Techniken beschränkte sich jedoch bei weitem nicht nur auf den griechischen oder
europäischen Raum, sondern fand und findet bei Naturvölkern nachwievor, weltweit
Anwendung. In der Vorstellung der Griechen wurde das Kind erst mit der Geburt beseelt,
12 was den Schwangerschaftsabbruch rechtfertigte. Lange Zeit war in der Antike diese Form
der Geburtenregelung akzeptiert und weder mit moralischen, noch strafrechtlichen
Konsequenzen verbunden. Doch gab es auch hier schon Kontroversen, da besonders der
hippokratische Eid, der das ethische Handeln des Arztes festlegte, gegen die Tötung des
ungeborenen Wesens sprach (Bergdolt 2004, S.52ff). Weder die Durchführung der
Abtreibung, noch der Streit um die Zulässigkeit und ethische Vertretbarkeit sind demnach
Phänomene der Neuzeit.
Aus medizinischer Sicht ist ein Schwangerschaftsabbruch die absichtliche, künstliche
Beendigung einer intakten Schwangerschaft, die operativ oder pharmakologisch
durchgeführt werden kann (Martius & Novotny 2006, S.72). Wird eine Abtreibung bereits in
der sehr frühen Phase der Schwangerschaft (bis zum 49.Tag p.m.) vorgenommen, wird
der Abbruch meist medikamentös herbeigeführt. Hierbei kommt die, in Kap. 2.1.
angesprochene Abtreibungspille zum Einsatz. Diese Pille, die unter dem Namen Mifegyne
(Wirkstoff: Mifepriston) gehandelt wird, bewirkt die Öffnung des Muttermundes und die
Ablösung
der
Gebärmutterschleimhaut.
Das
48
Stunden
später
eingenommene
Gewebshormon Prostaglandin löst ein Zusammenziehen der Gebärmutter aus, was zu
einer künstlichen Fehlgeburt führt, indem die Gebärmutterschleimhaut mitsamt Embryo
ausgestoßen wird. Bis zur 14. Schwangerschaftswoche p.m., bzw. bis zu einem
Querdurchmesser des kindlichen Schädels im Mutterleib von 30mm wird gewöhnlich ein
operatives Verfahren angewandt. Dabei wird mit einem stumpfen Röhrchen, einer so
genannten Saugkürette, über die Vagina in die Gebärmutter eingedrungen und der
eingenistete Embryo abgesaugt. Diese Vorgehensweise ist mit einer sehr geringen
Komplikationswahrscheinlichkeit verbunden, dauert nur wenige Minuten und verursacht
kaum Nebenwirkungen oder Folgeschäden. Eine risikoreichere Methode ist die Kürettage,
bei welcher mittels Kürette, einem löffelartigen Instrument die Gebärmutter ausgeschabt
und der Embryo entfernt wird. Dieses Vorgehen kommt heute aber nur mehr dann zum
Einsatz, wenn nach einem Schwangerschaftsabbruch mit anderen Methoden noch Reste
des Embryos, oder sonstige Gewebereste aus der Gebärmutter zu entfernen sind.
Nach zeitlichem Überschreiten der 14. Schwangerschaftswoche p.m. muss zum
erfolgreichen Abbruch einer Schwangerschaft eine Fehl- bzw. Frühgeburt eingeleitet
werden (Kiechle 2007, S.247). Gleich wie bei dem frühen Abbruch (bis zum 49.Tag p.m.)
werden Mifegyne, gefolgt von einem Prostaglandin verabreicht, was zu einem Absterben
des Fötus und zum Ausstoß desselben führt. Dabei besteht die Möglichkeit, dass im
Rahmen dieses Vorgehens ab der 22. Schwangerschaftswoche p.m. der Fötus lebend
13 ausgestoßen wird. Um dem entgegenzuwirken wird die Blutzufuhr durch die Nabelschnur
unterbunden, oder Kaliumchlorid injiziert, welches einen Herzstillstand des Fötus
verursacht. Da es sich hierbei um einen Spätabbruch handelt, können Plazenta und
Eihäute oft nicht vollständig ausgeschieden werden, wodurch diese, wie eben
beschrieben, anschließend mittels Kürettage ausgeschabt werden müssen (Martius &
Novotny 2006, S.73). Sofern ein Schwangerschaftsabbruch komplikationsfrei verläuft, hat
dies keine weiteren Auswirkungen auf die Gesundheit oder Fruchtbarkeit der Frau und der
erste Eisprung setzt ca. 2-3 Wochen nach geschehener Abtreibung ein.
In Ländern und Kulturen in denen das Abtreiben eines ungeborenen Kindes aber verboten
ist, besteht eine höhere Komplikationsrate, da Abbrüche demzufolge illegal durchgeführt
werden. Unter unhygienischen Bedingungen, werden diese von teils unqualifizierten
Personal, mit äußerst fragwürdigen Methoden vorgenommen. Dies kann zu enormen
Schwierigkeiten führen, wie den Tod der Mutter (Bey 2005, S.40). Eine deutsche Studie
konnte nachweisen, dass eine statistisch signifikante Zunahme von Frühgeburten nach
Schwangerschaftsabbrüchen, Fehl- und Totgeburten besteht (Voigt, et al. 2008,
https://www.thieme-connect.com/ejournals/abstract/zgn/doi/10.1055/s-2008-1004690).
Allerdings wird in der Studie nicht näher darauf eingegangen, dass bei einer Frau, die
einst eine Abtreibung hat vornehmen lassen, das erhöhte Risiko nun eine Frühgeburt zu
erleben womöglich auf Stress, Rauchen oder niedrigen sozialen Status zurückzuführen ist.
Die psychischen Auswirkungen eines Schwangerschaftsabbruches können nicht eindeutig
genannt werden. Studien und Befunde widersprechen sich im Hinblick auf die emotionale
und psychische Lage der Frau, da diese stets individuell und situationsabhängig ist.
Der Schwangerschaftsabbruch kann eine Frau schwer traumatisieren, andererseits aber
auch tatsächlich positive Folgen nach sich ziehen. Die Frau, die sich zu einer Abtreibung
ihres ungeborenen Kindes entschließt, befindet sich in einer Konfliktsituation und sieht
sich in einer Notlage, welche sie schnellstmöglich beseitigen möchte. Daher sind die
Gefühle nach der Abtreibung in der Regel sogar meist positiv. So beschreiben 60-80
Prozent der betroffenen Frauen ihren Gefühlszustand als entlastet, erleichtert oder
zufrieden. Dies trifft vor allem auf Frauen zu, die sich selbstständig und zwanglos zu
diesem Schritt entschieden haben. Frauen, die durch andere Personen zu diesem
Entschluss gedrängt wurden, erleben den Abbruch konfliktreicher als jene Schwangeren,
deren Entscheidung eigenmotiviert gefällt wurde (Putz 2001, S.82).
Demnach konnte eine britische Studie auch nachweisen, dass Schwangerschaftsabbrüche
das Risiko psychologischer Probleme im Vergleich zu ausgetragenen, ungeplanten
Schwangerschaften
nicht
signifikant
erhöhen
(Gilchrist
et
al.
1995,
14 http://bjp.rcpsych.org/cgi/content/abstract/167/2/243). Eine weitere Studie behauptet sogar
das genaue Gegenteil, da sie beobachtete, dass Frauen, die eine ungewollte
Schwangerschaft abbrachen, weniger psychische Probleme entwickelten, als die, die das
Kind austrugen (Russo & Zierk 1992, S. 269f). Dem widerspricht allerdings eine weitere
Arbeit, in welcher festgestellt wurde, dass unter Frauen die abtreiben ließen, deutlich öfter
Depressionen auftreten, als bei Frauen die nie schwanger waren, oder das Kind austrugen
(Fergusson
et
al.
2006,
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1469-
7610.2005.01538.x/abstract). Besonders Abtreibungsgegner verweisen oft auf das so
genannte Post-Abortion-Syndrome (PAS), welches psychisch-emotionale Probleme nach
einem Schwangerschaftsabbruch beschreiben soll. Allerdings wird die Existenz dieser
Krankheit
von
der
Medizin
nicht
anerkannt
(Grimes
&
Creinin
2004,
http://www.annals.org/content/140/8/620.full).
Die Meinungen und selbst die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die psychischen
Folgen einer Abtreibung, sind also äußerst widerspruchsvoll und zweiseitig. Analysen über
die wissenschaftlichen Untersuchungen der letzten 20 Jahre, die das Thema der
psychischen Probleme nach Abtreibungen behandeln, kamen aber zu dem Schluss, dass
die qualitativ besten Studien die These widerlegen, dass ein Schwangerschaftsabbruch
psychische Probleme verursache (Major et al. 2008, S.87ff; Charles et al. 2008,
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19014789).
3. Die Weltreligionen
Eine klare Definition von Religion ist schwer zu formulieren. Es besteht eine Vielzahl an
unterschiedlichen soziologischen und psychologischen Begriffsbestimmungen von dem
was unter Religion zu verstehen ist. McCutcheon (2005) definiert Religion als „einen
Begriff, der verwendet wird um Glaubensvorstellungen, Verhaltensmuster und soziale
Institutionen zu beschreiben, die sich mit dem Ursprung, dem Ende und der Bedeutung
des Universums, dem Leben nach dem Tod, der Existenz und den Wünschen mächtiger,
nichtmenschlicher Wesen, wie Geister, Ahnen, Götter und die Art und Weise wie dies alles
das menschliche Verhalten prägt, befassen.“ (McCutcheon 2005, S. 10f).
Religionen findet man in allen uns bekannten gesellschaftlichen Systemen und jeder
Kultur. Die religiösen Riten und Götterwelten der Antike sind uns heute noch gut bekannt,
doch finden wir auch eindeutige Hinweise aus religiöse Symbole und Zeremonien aus
frühesten Kulturen, über die wir nur aufgrund archäologischer Funde Bescheid wissen. So
15 lassen Höhlenmalereien darauf schließen, dass es den Glauben an das Überirdische,
Göttliche schon vor 40.000 Jahren gab. Im Lauf der Zeit nahmen Religionen einen
zentralen Platz in der Menschheitsgeschichte ein und bestimmten, wie Menschen ihre
Umwelt wahrnahmen und beeinflussten (Giddens et al. 2009, S.553). Besonders wichtig
für diese Arbeit ist es, festzuhalten, dass der Mensch in seinem Handeln, seinen Moralund Wertvorstellungen seit jeher stark von seiner Religion beeinflusst wurde (Klöcker &
Tworuschka 2005, S.1; Schwikart 2005, S.9).
Der Begriff Weltreligion wird von der modernen Religionswissenschaft abgelehnt. Da ja
schon die Bedeutung des Begriffes Religion stark umstritten ist, wird es als zu kompliziert
betrachtet, klare Kriterien für die Bestimmung einer Weltreligion zu nennen (Hutter 2008,
S.9). Definiert man eine Weltreligion allein anhand ihrer Anhängerzahl, dürften wir das
Judentum nicht mehr als solche sehen, da diese mit einer Anhängerzahl von ca. 15
Millionen wesentlich kleiner ist, als die übrigen großen Religionsgemeinschaften (CIA
2010, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/xx.html).
Setzt man allerdings geografische Verbreitung als Charakteristikum für eine Weltreligion
voraus, gilt zwar das weitverbreitete Judentum, aber nicht mehr der Hinduismus als
Weltreligion, da über 80 Prozent der Hindus in Indien leben (Hutter 2008, S.12; Schwikart
2005, S.97). Auch aufgrund der teils blutigen Auseinandersetzungen innerhalb einer
Religionsgemeinschaft, z.B. Sunnitischer vs. Schiitischer Islam, oder Katholizismus vs.
Protestantismus wird es schwierig von Weltreligionen zu sprechen.
Neben den Religionen nehmen besonders in den letzten Jahren philosophische und
spirituelle Glaubensgemeinschaften zu, die religionsartige Charakteristika aufweisen und
daher als neue religiöse Bewegungen betrachtet werden (Giddens et al. 2009, S.571).
Um nun eine passende Auswahl an Religion für diese Arbeit zu finden, wird die Religion in
ihrer ursprünglichen Bedeutung gesehen, also Glaube an spirituelle Mächte, wodurch
religionsähnliche Philosophien ausgeschlossen werden. Um die ethischen Ansichten der
Religionen bearbeiten zu können, wird im Folgenden besonders auf heilige Schriften und
Überlieferungen eingegangen, da sich daraus in allen Religionen Verhaltensweisen und
ethische Anweisungen der Religionsstifter, Gottes, bzw. der Götter ableiten lassen.
Aufgrund ihrer Anhängerschaft, der Verbreitung, dem historischen Hintergrund und der
vorhandener Literatur werden folgende Religionen in dieser Arbeit behandelt:
Christentum: Das Christentum konnte in seiner beinahe 2000-jährigen Geschichte zur
anhängerreichsten Religion aufsteigen. In etwa 33,32 Prozent der Weltbevölkerung,
demnach ca. 2,25 Milliarden Menschen, sind christlichen Bekenntnisses (CIA 2010, 16 https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/xx.html). Auch hinsichtlich
der geografischen Ausbreitung stellt das Christentum die verbreiteteste Religion dar, da es
auf jedem Kontinent in mehreren Ländern die Hauptreligion einnimmt. Wenngleich auch
seit den 1970er Jahren die Mehrheit der ChristInnen nicht mehr auf der nördlichen,
sondern südlichen Hemisphäre lebt. Die Wurzeln des christlichen Glaubens liegen im
Judentum, gestiftet durch den jüdischen Wanderprediger Jesus von Nazareth (4 v.Chr. –
30 n.Chr.), im römisch besetzen Palästina. Nach seinem Kreuzigungstod wurde er von
seinen Jüngern als der Messias angesehen, was auf Hebräisch „der Gesalbte“ bedeutet
und dem griechischen Ausdruck Christos entspricht, woraus sich sein heutiger Name
Jesus Christus ableitet und der Religion ihren Namen gab. Jesus wurde damals wie heute
als Sohn Gottes verehrt. Erste Missionarsarbeit lieferte der Apostel Paulus (? – 62 n.Chr.),
der den christlichen Glauben bis nach Rom brachte, wo das Christentum nach
anfänglicher Verfolgung im Jahr 313 zur offiziellen Staatsreligion wurde.
Die weitere christliche Geschichte ist geprägt von weltweiter, oft gewaltsamer
Missionarstätigkeit, was auch die umfangreiche Ausdehnung der christlichen Religion
erklärt. Im 16.Jahrhundert erfuhr die christliche Kirche, aufgrund der Reformation eine
tiefgehende Spaltung. Anlass dafür waren Streitigkeiten über die moralischen Zustände,
die Auslegung biblischer Texte, sowie Ablehnung des Ablasshandels und der kirchlichen
Korruption. Daraus entstanden neue Konfessionen, die sich im engeren Sinne als
protestantische Kirche bezeichnen lassen (Hutter et al. 2008, S.53ff; McGrath 2005,
S.311f).
Das zentrale Element des Christentums ist der eigenen Ansicht nach, die bedingungslose
Liebe Gottes den Menschen gegenüber. Die christlichen Lehren und Dogmen basieren auf
der Bibel: Vom Leben Jesu, von seinen Lehren, seinem Leidensweg, Tod und der
anschließenden Auferstehung berichten die Evangelien. Diese bilden den Hauptteil des
Neuen Testaments der Bibel, welches aufbaut auf die hebräische Bibel, die von den
ChristInnen als Altes Testament bezeichnet wird (Schwikart 2005, S.54; McGrath 2005,
S.326). Als Ausgangspunkt des ethischen Handelns, wird im Christentum aus der Liebe
Gottes, die Nächstenliebe abgeleitet. Auch die Zehn Gebote aus dem Alten Testament
und Lehren Jesu aus dem Neuen Testament stellen Quellen der Ethik dar, die in allen
christlichen Konfessionen auftauchen (Hutter 2008, S.67).
Lange Zeit prägte das Christentum maßgeblich die Geschichte Europas, sowie später
auch jene Nord- und Südamerikas. Doch durch das Zeitalter der Aufklärung im 17. bzw.
frühen 18. Jahrhundert wurde das Christentum politisch in erheblichem Maße geschwächt
17 und verlor massiv an Einfluss. Die Trennung von staatlicher und kirchlicher Macht, sowie
die verbesserte Allgemeinbildung, förderten die Säkularisierung, wodurch im Laufe der
Zeit der Anteil bekennender ChristInnen rapide nachließ und noch immer nachlässt
(Schwikart 2005, S.55). Dennoch hält vor allem die katholische Kirche nach wie vor an
stark konservativen, theologischen Traditionen, die mit modernen Lebensformen
unvereinbar sind, fest (Hutter 2008, S.67). Im Gegensatz dazu, konnte sich im
Protestantismus eine Liberalisierung vollziehen, wodurch sich die evangelische Kirche in
ihren
ethischen
Vorstellungen
vermehrt
den
gesellschaftlichen,
sozialen
und
zwischenmenschlichen Veränderungen zuwenden und anpassen konnte. Während der
Katholizismus konservative Ansichten vertritt, steht die protestantische Kirche individuellen
Rechten in Familie, Gesellschaft und Politik offener gegenüber.
Judentum: Das Judentum ist die älteste der monotheistischen, abrahamitischen
Religionen. Ihr Ursprung geht bereits auf ca. 1.500 Jahre vor unserer Zeitrechnung zurück
(Hutter 2008, S.34; Giddens et al. 2009, S.564). Das Judentum ist aufgrund seiner langen
Beständigkeit, Geschichte, weiten Verbreitung und politischem Einflusses zu den
Weltreligionen zu zählen, wenngleich die Anhängerschaft des Judentums mit über 15,56
Millionen Menschen (0,23 Prozent der Weltbevölkerung) im Vergleich zu den anderen
Weltreligionen
verschwindend
gering
erscheint
(CIA
2010,
https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/xx.html).
Der Begriff Judentum bezeichnet nicht nur die Angehörigkeit zum jüdischen Glauben,
sondern steht auch für die Zugehörigkeit zum Volk der Juden. Dies umfasst die
Gesamtheit aus Kultur, Geschichte, Religion und Tradition des sich selbst als Volk Israel
bezeichnenden jüdischen Volkes. Für das Judentum ist kein eigentlicher Religionsstifter
festzustellen. Moses, dem am Berg Sinai die Zehn Gebote durch Gott (im hebräischen
Jahwe genannt) vermittelt wurden, kann gewissermaßen als solcher angesehen werden
(Hutter 2008, S.36ff). Auch die Tora, in denen die fünf Bücher Mose den Pentateuch
darstellen, gilt als von ihm abgefasst, aufgrund wortgetreuer Offenbarung durch Gott.
Die darin enthaltenen Mitzwas stellen Gebote für das Leben und Handeln der Jüdinnen
und Juden dar. Der Pentateuch ist der erste Teil des Tanachs, der Heiligen Schrift des
Judentums, welche für die ChristInnen das Alte Testament ist. Neben dem Tanach, stellt
vor allem der Talmud ein wichtiges, wenn nicht sogar das wichtigste Schriftwerk des
Judentums dar. Denn dieser beinhaltet zahlreiche, überlieferte Religionsgesetzte.
Das ethische Empfinden im Judentum ist eng mit der Halacha verbunden. Diese wird aus
traditioneller Sicht als die rechtliche Verkörperung der göttlichen Instruktionen angesehen.
18 Historisch gesehen ist sie ein Teil des Talmuds. In diesen rechtlichen Auslegungen
sammeln sich die verschiedenen Ansichten der Rabbiner, Weisen und Gelehrten
(Christianson 2006, 282ff). Auch die Halacha beinhaltet verschiedene Mitzwas, welche
das ethische Verhalten anleiten sollen. Zusätzlich dazu bestehen moralische Standards,
die dem Grundsatz verpflichtet sind, den rechten Weg und dem was gut ist, zu folgen.
Prinzipiell bildet die Halacha aber kein festgefügtes System aus Rechtsvorschriften,
sondern eher ein konversationelles Modell, welches keine endgültigen Lösungen kennt
und eine Mehrzahl von wohlüberlegten Positionen ermöglicht. Dies gilt auch für die
Problematik der Abtreibung und Empfängnisverhütung. Hohen Status haben auch die
Noachidischen Gebote inne, welche für alle Menschen gelten sollten, auch für NichtJüdinnen und Nicht-Juden (Giddens et al. 2009, S. 564; Loth 2005, S.25f).
Islam: Der Islam stellt nach dem Christentum mit seinen über 1,42 Milliarden
AnhängerInnen weltweit die zweitgrößte Religion dar, was ca. 21,01 Prozent der
Weltbevölkerung entspricht (CIA 2010, https://www.cia.gov/library/publications/the-worldfactbook/geos/xx.html). Im deutschen Sprachgebrauch werden die AnhängerInnen dieser
Religion als Musliminnen, bzw. Muslime oder Moslems bezeichnet (Schwikart 2005, S.76).
Der Islam entstand aus den Lehren des, in Mekka geborenen Religionsstifters,
Mohammed (570 - 632) im 7.Jahrhundert n. Chr. Mohammed gilt als Prophet Gottes, bzw.
Allahs (das arabische Synonym für Gott) da er im Alter von 40 Jahren seine Berufung zum
Gesandten Allahs erlebte und von da an in Mekka und Medina den Glauben an den einen
wahren und einzigen Gott predigte, der Schöpfer und Richter aller Menschen und
Lebewesen sei. In Medina wurde Mohammed zum religiösen und politischen Führer des
Islams, was nicht nur die Geburtsstunde einer Religion, sondern auch der gesamten
islamischen Kultur darstellte. Während seines Wirkens in Mekka und Medina wurden
Mohammed in Erscheinungen und Visionen abschnittsweise der Koran offenbart, welcher
die heilige Schrift des Islams darstellt. Der Koran umfasst 114 Abschnitte, genannt Suren
die bestimmte religiöse und rituelle Themen, wie Schöpfung und Jenseitserwartung, sowie
Anweisungen für den Gottesdienst, das Fasten oder die Hygiene thematisieren. Ebenso
sind aber auch ethische Ansichten und Moralvorstellungen in Form von Geboten und
Verboten enthalten. Da der Koran im islamischen Glauben das direkte, unverfälschte Wort
Gottes darstellt, kommt ihm eine dementsprechend hohe Wertschätzung zu und so
bestimmen die Gebote des Korans damals wie heute das Leben der gläubigen
MuslimInnen (Hutter 2008, S.87ff). Auch die so genannten fünf Säulen des Islam, welche
19 die Grundlage des islamischen Glaubens repräsentieren, sind inhaltlich aus dem Koran
abgeleitet:
Das Glaubensbekenntnis (Schahada), welches besagt dass Allah der einzige Gott und
Mohammed sein Prophet ist; das tägliche rituelle Pflichtgebet, mit der Niederwerfung in
Richtung Mekka; das Fasten im Monat Ramadan, in welchem MuslimInnen tagsüber nicht
essen, trinken oder sexuell aktiv werden dürfen; die Gabe von Almosen an Arme und
Hilflose und die Wahlfahrt nach Mekka, welche jeder Moslem nach Möglichkeit einmal im
Leben besuchen sollte (Giddens et al. 2009, S.565f, Schwikart 2005, S.78).
Die ethischen Pflichten innerhalb des Korans sind konkrete Vorschriften, welche Gott den
Menschen auferlegt, damit diese ihr Leben gottgefällig gestalten. Dadurch ist die
islamische Ethik auch theologisch begründet (Hutter 2008, S.97). In der 17.Sure des
Korans
werden
ethische
Forderungen,
die
den
Zeitverhältnissen
Mohammeds
entsprachen, als normative Grundlagen für das Leben der MuslimInnen genannt.
Diese ethischen Verhaltensweisen sind bis in die heutige Zeit gültig geblieben, auch wenn
ihre wenig konkrete Formulierung in den verschiedenen Rechtsschulen und Traditionen in
der islamischen Welt unterschiedliche Auslegungen erfahren haben. Einige dieser
Vorschriften stehen in Zusammenhang mit den Zehn Geboten aus dem Juden- und
Christentum, bzw. lehnen sich an christliche und jüdische Traditionen an. So wird z.B. das
ungerechtfertigte Töten anderer Menschen, sowie auch der Geschlechtsverkehr zwischen
unverheirateten Personen untersagt (Hutter 2008, S.97). Selbst die islamische
Rechtslehre, Scharia genannt, leitet sich neben anderen Quellen, wie Übereinkünften
islamischer Gelehrter, hauptsächlich aus dem Koran ab. Die Scharia stellt, je nach Staat
das Gesetzesbuch bzw. die göttlichen Rechtsvorschriften der islamischen Welt dar
(Anderson 2006, S.381). Außerhalb des Korans kommt auch den Hadithen große
Bedeutung zu. Dabei handelt es sich um Überlieferungen von angeblichen Aussagen und
Taten des Propheten Mohammed, die aber nicht in der Heiligen Schrift enthalten sind
(Kerr 2006, S.271).
Der Islam war von Beginn an nicht nur eine Religion, sondern auch ein religionsrechtliches
und sozialethischen System (Hutter 2008, S.87). Daher verkörpert er auch eine gesamte
Kultur und prägt in jenen Staaten, in welchen die Mehrheit der Bevölkerung sich zu ihm
bekennt, die Kunst, das Rechtswesen, das Bildungssystem und sogar die wirtschaftlichen
Beziehungen (Schwikart 2005, S.77). Aufgrund politischer Geschehnisse, wie dem NahOst Konflikt, der islamischen Revolution im Iran oder dem Irakkrieg, mehrte sich in den
letzten Jahren der islamische Fundamentalismus. Dieser konnte sich nicht nur auf ganze
Staaten, wie Nigeria oder Afghanistan ausbreiten, sondern fand auch bei, in westlichen
20 Ländern lebenden MuslimInnen Anklang. Diese grenzen sich stark gegen die westliche
Kultur ab und besinnen sich auf wortgetreue Auslegungen des Korans und gelten als
integrationsunwillig (Giddens et al. 2009, S.591f)
Hinduismus: Der Hinduismus wird auch oft als Religion Indiens bezeichnet. Immerhin
leben knapp 80 Prozent aller weltweiten AnhängerInnen des Hinduismus in Indien
(Schwikart 2005, S.97). Dennoch handelt es sich beim Hinduismus weniger um eine
Religion als eine Kultur, in deren Kontext zahlreiche eigenständige polytheistische
Religionenn unter dem Allgemeinbegriff Hinduismus zusammengefasst werden (Hutter
2008, S.121). Daher zählt dieser heute knapp 898 Millionen AnhängerInnen, was ca.
13,26
Prozent
der
Weltbevölkerung
Glaubensgemeinschaft
entspricht
weltweit
und
somit
darstellt
die
(CIA
drittgrößte
2010,
https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/xx.html). Wenn auch der
Hinduismus eher als Bündel von mehreren miteinander verwandten Religionen gesehen
werden sollte, so bestehen doch viele lokale Kulte und religiöse Praktiken, die durch
allgemein akzeptierte Überzeugungen miteinander verbunden sind. Die meisten
HinduistInnen akzeptieren die Doktrin des Reinkarnationszyklus, also den Glauben daran,
dass alle Lebewesen dem ewigen Prozess von Geburt, Tod und Wiedergeburt unterliegen.
In welcher Form, also als welches Wesen (Mensch, Tier oder Gott) man wiedergeboren
wird, ist abhängig von den Taten in den vorherigen Existenzen, woraus das Karma
resultiert. Das Karma ist ein spirituelles Konzept, nachdem jede Handlung und auch jeder
Gedanke Konsequenzen mit sich bringt und den Kreislauf der Wiedergeburt bis hin zur
Erlösung beeinflusst (Giddens et al. 2009, S.566).
Religiös-kulturellen Zusammenhalt bieten auch die Veden, die heiligen Schriften des
Hinduismus (Hutter 2008, S.122). Diese enthalten Vorschriften und Regeln für das Leben
und die Riten der HinduistInnen (Schwikart 2005, S.97). Im Vergleich zu anderen
Religionen finden sich in diesen heiligen Schriften aber nur wenige Anweisungen für ein
moralisches Leben. Diese Aufgabe übernimmt das Dharma welches, Gesetz, Recht und
Sitte, sowie ethische und religiöse Verpflichtungen beinhaltet. Die hinduistische Ethik
bestimmt das Leben der HinduistInnen in vielfältiger Art und Weise. Denn diese sehen die
Beachtung des Dharmas nicht nur als Voraussetzung für soziales Wohlergehen, sondern
auch für eine gute persönliche Entwicklung. Von der Erfüllung des Dharmas hängt für sie
auch das Karma ab (Zaehner 1990, S.10).
Auch
das
Tantra
stellt
ein
bedeutendes
Schriftwerk
der
hinduistischen
Religionsphilosophie dar, weil sich daraus der Tantrismus ableitet. Dieser lehrt, das
21 Streben nach Loslösung von der Sinneswelt anhand ritueller Gebräuche der Sinne,
beispielsweise durch ritualisierte Sexualität (Schwikart 2005, S.138). Ein weiteres
Hauptmerkmal, bzw. eine Übereinstimmung in allen indischen Religionen, ist die Ordnung
der Gesellschaft anhand eines Kastensystems. Auch dieses Konzept einer hierarchischen
Sozialordnung gründet auf der Annahme, dass jeder Mensch aufgrund seines Karmas aus
früheren Leben in eine bestimmte Position einer gesellschaftlichen und rituellen Kaste
hineingeboren wird (Giddens et al. 2009, S.566). Bis zur heutigen Zeit spielt das
Kastensystem (Varnas) in Indien eine erhebliche soziokulturelle Bedeutung. Durch diesen
Gesellschaftsaufbau, unterteilt in die Hauptkasten der Priester und Gelehrten der Veden
(die Brahmanen), Krieger, Fürsten, Händler , Handwerker und zahlreiche Unterkasten,
werden die Mitglieder der Gesellschaft entsprechend ihrer Herkunft und ihres Berufes
kategorisiert. Eheschließungen und somit auch Sexualität sind nur innerhalb derselben
Kaste erlaubt. Im Laufe der Zeit haben sich berufliche und sozioökonomische Wandlungen
vollzogen, wodurch viele dieser Kastenberufe nicht mehr existieren. Des Weiteren gehört
ein Großteil der in Indien lebenden Menschen gar keiner Kaste an, die sogenannten
Unberührbaren, in Sanskrit als Paria bezeichnet. Daher hat das moderne Indien die
Kasten abgeschafft und allen die gleichen Rechte im demokratischen Staat zugesichert.
Im täglichen und vor allem religiösen Leben sind diese Schranken aber noch spürbar
(Schwikart 2005, S.99f).
Buddhismus: In vielen Ländern des Fernen Ostens findet sich die Religion der
BuddhistInnen. Mit einer weltweiten Anhängerschaft von ca. 395 Millionen Menschen,
umfasst sie ungefähr 5,84 Prozent der Weltbevölkerung und ist somit die viertgrößte
Religion
der
Erde
factbook/geos/xx.html).
(CIA
2010,
https://www.cia.gov/library/publications/the-world-
Seit
mehreren
Jahrzehnten
findet
der
Buddhismus
als
naturverbundene, erkenntnissuchende Religion aber auch in Europa und Nordamerika
eine stetig wachsende Zahl von AnhängerInnen (Hutter 2008, S.18). Der Buddhismus
kennt keine Götter, sondern basiert auf den Lehren des Siddharta Gautama oder Buddha
(der Erleuchtete), einem Hindufürsten, der im 6. Jahrhundert v.Chr. im Süden Nepals
lebte, sich aber von dem luxuriösen Leben eines Adeligen lossagte. Buddha betonte
ethische Ideale, die den Gläubigen in eine Beziehung zum natürlichen Zusammenhalt und
zur Einheit des Universums setzen (Giddens et al. 2009, S.567).
Basierend auf hinduistischen Lehren, wie dem Dharma, oder dem Tantrismus erklärt auch
der Buddhismus, dass jede Handlung Folgen nach sich zieht, gemäß dem Gesetz von
Ursache und Wirkung. Wobei es sich um das ebenfalls aus dem Hinduismus bekannte
22 Karma handelt, welches wiederum bedingt, ob ein Mensch nach seinem Tod noch einmal
leben muss und unter welchen Bedingungen man wiedergeboren wird (Schwikart 2005,
S.117). Hinduistische Traditionen, sowie das Kastensystem lehnte Buddha aber
grundsätzlich ab. Nach seinen Lehren kann der Mensch aus dem Reinkarnationskreislauf
durch Entsagung entkommen. Der Weg zur Erlösung besteht in einem Leben voll
Selbstdisziplin und Meditation, jenseits aller weltlichen Pflichten. Das Endziel des
Buddhismus ist das Nirwana, welches die völlige geistige Erfüllung darstellt und durch das
korrekte moralisch-ethische Verhalten im Leben erreicht wird (Giddens et al. 2009, S.567).
Den allgemeinen Kern buddhistischer Ethik bilden fünf Tugenden, Pancasila genannt:
Gewaltlosigkeit, Bescheidenheit, Wahrheit sprechen, keine Rauschmittel konsumieren,
und Keuschheit, wobei letztere aber nur für Mönche gilt. Aus diesen Grundsätzen der
Ethik verbietet sich für BuddhistInnen der Handel mit lebenszerstörenden Gegenständen
wie Waffen oder Gift, sowie die Ausübung gewisser Berufe, bei denen Lebewesen getötet
oder unterdrückt werden. Das Schlachten eines Tieres zum Zweck des Verzehrs ist davon
ausgenommen (Hutter 2008, S.30).
4. Die ethischen Ansichten der Weltreligionen bezüglich Empfängnisverhütung und
Schwangerschaftsabbruch
Einführend zu den nun folgenden Kapiteln über die ethischen Ansichten der Religionen zu
den Themen Verhütung und Abtreibung, muss erwähnt werden, dass hier die allgemeine
Linie der ethischen Vorschriften und Regeln betrachtet wird, basierend auf heiligen
Schriften, Geboten, Traditionen und Überlieferungen. In jeder Religion gibt es
unterschiedliche Ausprägungen, die von konservativen bis zu liberalen Einstellungen
reichen. So stehen z.B. moderne Jüdinnen und Juden den hier behandelten Themen
offener gegenüber als orthodoxe Jüdinnen und Juden, sowie auch fundamentalistische
ChristInnen und MuslimInnen strengere Ansichten haben, als zeitgemäße, fortschrittliche
AnhängerInnen des Christentums oder Islams. Das breite Spektrum dieser Ausprägungen
ebenfalls in dieser Arbeit zu behandeln, würde aber den Rahmen sprengen.
Dennoch wird eine gute, detaillierte und fachlich begründete Übersicht über die
Einstellungen
der
eben
beschriebenen
Weltreligionen
zum
Thema
Schwangerschaftsabbruch und Empfängnisverhütung gegeben.
23 Wenn in den folgenden Kapiteln über die religiöse Legitimation von Schwangerschaftsabbrüchen gewisse zeitliche Fristen angesprochen werden, so ist dies, wenn nicht anders
angegeben,
aus
historischen
Gründen
(Fehlen
von
medizinischen
Feststellungsmöglichkeiten) stets post menstruationem zu rechnen.
4.1. Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch im Christentum
Aufgrund der teils gewaltigen Unterschiede zwischen den zwei großen christlichen
Konfessionen werden die ethischen Ansichten des Katholizismus und Protestantismus
bzgl. der Verhütung und Abtreibung hier getrennt behandelt. Da in Kapitel 5 die rechtliche
Situation in Österreich angesprochen wird, wird an dieser Stelle darauf verzichtet die
Gesetzeslage in einem christlichen Beispielland zu erörtern.
Zur orthodoxen Kirche, auf die in dieser Arbeit nicht eingegangen wird, ist zu sagen, dass
diese Abtreibung strikt ablehnt, hinsichtlich der Verhütung bestehen unterschiedliche
Meinungen, wobei die Kontrazeption in der Ehe teilweise erlaubt wird (Meißner 2010, S.7).
4.1.1. Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch im Katholizismus
Durch die Auferlegung des Zölibats und der Ehelosigkeit für Geistliche im 11.Jahrhundert,
entwickelte sich eine starke kirchenrechtliche und religionsethische Ablehnung der
Körperlichkeit und der Sexualität (Hutter 2008, S.67). Im Gegensatz zu den anderen
Weltreligionen lehnt der Katholizismus die Vorstellung des Menschen als sexuelles Wesen
rigoros ab und wertet das Lustempfinden des Menschen als Sünde. (Schwikart 2005,
S.55). Sex hat nur in der Ehe stattzufinden, welche im katholischen Glauben eine stark
generative, also rein auf Fortpflanzung ausgerichtete Bedeutung einnimmt (Bartholomäus
2005, S.27). Doch nicht nur deswegen steht der Katholizismus so streng wie kaum eine
andere Religion der Verhütung und erst recht der Abtreibung gegenüber. Der katholische
Kirchenlehrer Thomas von Aquin (1225-1274) bezeichnete seinerzeit das Sperma als
„Gefährt der Seele“, was jede Form der Verhütung oder Abtreibung zum Mord an einer
Seele macht (Schwikart 2005, S. 26).
Empfängnisverhütung:
Zu
behaupten
die
katholische
Kirche
erlaube
die
Empfängnisverhütung wäre aufgrund ihrer konservativ- restriktiven Haltung zu weit
gegriffen. Denn Verhütung gilt als etwas Unnatürliches. In der Bibel (Genesis 38,9) wird
24 von der damals weitverbreiteten Methode des coitus interruptus berichtet. Die Person die
ihn ausübt, genannt Onan (der fälschlicherweise zum Namensgeber der Onanie wurde)
begeht damit ein derart schweres Vergehen, sodass ihn Gott sterben lässt (Dies gilt
selbstverständlich auch für das Judentum, was dabei zweckentfremdende Emission
genannt wird und ein Verbot der Samenverschwendung darstellt). In der Enzyklika
Humanae Vitae, einer Abhandlung über die „Ordnung der Weitergabe des menschlichen
Lebens“ von Papst Paul VI. von 1968, werden sämtliche Methoden der Verhütung
verurteilt. Einzig die Beobachtung der zyklusabhängigen unfruchtbaren Tage werden in
diesem Rundschreiben als vereinbar mit der katholischen Lehre erachtet. Ansonsten sei
der Sexualakt aber grundsätzlich nur für die Zeugung zu nutzen (Schwikart 2005, S.67).
Lockerung in Form der kirchlichen Billigung der Familienplanung kam erst im Jahre 1992,
als der Katechismus der Katholischen Kirche 2368 (KatKK 2368; ein Handbuch über die
Grundsätze des röm.-kath. Glaubens, approbiert durch Papst Johannes Paul II.) den
Ehepaaren die Möglichkeit der Empfängnisregelung erlaubte: „Aus berechtigten Gründen
dürfen die Eheleute für Abstände zwischen den Geburten ihrer Kinder sorgen wollen.“
(Bartholomäus 2005, S.27). Die erlaubte Empfängnisregelung bezieht sich auf die, laut
Katechismus, „natürliche Familienplanung“. Somit war nicht mehr jeder einzelne
Geschlechtsverkehr auf die Kinderzeugung ausgerichtet, sondern ausgeweitet auf die
gesamte Ehe. Aufgrund des generativen Charakters der Ehe erlaubt der Katholizismus
zwar nicht kinderlos zu bleiben, doch konnte durch den Katechismus die strenge
Verbindlichkeit von Sexualität und Fortpflanzung gelockert werden. Dem Ehepaar wird
insofern eine gewisse Art der Selbstbestimmung ermöglicht, indem die Kirche eröffnet,
dass es „an ihnen ist, zu prüfen ob ihr Wunsch nicht auf Egoismus beruht, sondern dem
angebrachten Großmut einer verantwortlichen Elternschaft entspricht.“ (KatKK 2368).
Die Methode zur Empfängnisregelung, die laut Kirche den „objektiven Kriterien der Moral“
entspricht, sind dem KatKK 2370 nach, natürliche Methoden wie die Enthaltsamkeit und
die Vollziehung des Aktes während der unfruchtbaren Periode der Frau. Sterilisation von
Mann oder Frau, sowie jede Handlung die vor, während oder nach dem Akt geschieht und
darauf abzielt die Fortpflanzung zu verhindern, ist hingegen moralisch verwerflich
(Bartholomäus 2005, S. 27; Schwikart 2005, S.67).
Schwangerschaftsabbruch: Die katholische Kirche verbietet die Abtreibung aufs Schärfste.
Im KatKK 2270 findet sich die Begründung: „Das menschliche Leben ist vom Augenblick
der Empfängnis absolut zu achten und zu schützen. Schon im ersten Augenblick seines
Daseins sind den menschlichen Wesen die Rechte der Person zuzuerkennen, darunter
25 das unverletzliche Recht jedes unschuldigen Wesens auf Leben.“ (Bartholomäus 2005, S.
27). Folglich beginnt das Leben des Kindes im katholischen Glauben bereits mit der
Zeugung. Die Empfängnis ist kein lediglich biologischer Vorgang, sondern stellt mit
Schwangerschaft und Geburt den ethischen Empfang dar, den Eltern ihrem Kind bereiten.
Eine Abtreibung kann daher unter keinen Umständen gerechtfertigt werden, nicht einmal
in Fällen, in welchen die Schwangerschaft durch Vergewaltigung zustande kam. Selbst auf
Kosten der Mutter, wenn die Schwangerschaft lebensbedrohlich ist, behält das
ungeborene Leben Priorität (Schwikart 2005, S.68).
4.1.2. Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch im Protestantismus
Anders als im Katholizismus, der ausschließlich von Männern bestimmt wird, finden sich in
der protestantischen Kirche auch Frauen als geistliche Würdenträger. Dieser Umstand ist
gewiss ebenfalls ein ausschlaggebender Grund für die weitaus tolerantere moralischethische Betrachtung der Verhütungs- und Abtreibungsdiskussion (Gindulis 2003, S.32).
Die grundlegenden Ansichten der protestantischen Kirche zu den Themen der Abtreibung
und Verhütung festzustellen, erweist sich allerdings als äußerst komplex. Denn im
Gegensatz
zum
Katholizismus,
mit
dessen
Oberhaupt
dem
Papst,
lehnt
die
protestantische Kirche eine zentralistische Kirchenvorstellung ab (Gindulis 2003, S.30).
Da der Protestantismus folglich auch kein Lehramt kennt, sind verschiedene Auffassungen
und Ansichten der einzelnen, regionalen und nationalen Kirchen möglich.
Da in dieser Arbeit speziell Bezug auf Österreich genommen wird, soll an dieser Stelle die
offizielle Linie der Evangelischen Kirche Österreichs bzgl. der Verhütungs- und
Abtreibungsthematik beschrieben werden. In dem katholisch dominiertem Land, stellt die
Mitgliederzahl evangelischer Kirchen, jedoch nur einen äußerst geringen Anteil der
Bevölkerung dar (siehe Kapitel 5.), weswegen auch die Ansichten der Evangelischen
Kirche Deutschlands miteinbezogen werden. Um die Objektivität dieser Arbeit zu wahren,
soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die evangelische Kirche Österreichs
als einzige der hier thematisierten Religionen die Möglichkeit hatte, sich durch offizielle
Vertreter selbst zu ihren Ansichten zu äußern. Dies geschah mangels adäquater Literatur
zu den ethischen Ansichten des Protestantismus, was wohl zurückzuführen ist, auf die
eben erwähnten, verschiedenen Ausprägungen und uneinheitlichen Meinungen der
evangelischen Kirchen.
26 Empfängnisverhütung: Der Protestantismus steht der Verhütung weitaus liberaler
gegenüber als die katholische Kirche. Zwar waren die großen Reformatoren Martin Luther
(1483-1546) und Johannes Calvin (1509-1564) der Auffassung, dass die Beseelung des
Menschen bereits mit der Befruchtung erfolgt (Müller-Terpitz 2007, S.70), doch konnte
sich dennoch, innerhalb der meisten evangelischen Kirchen, eine Anpassung an moderne
Lebens- und Gesellschaftsformen vollziehen. Die evangelische Ethik verweist auf die
Verantwortlichkeit der Partner, die entscheiden müssen wann Verhütung gerechtfertigt,
oder sogar geboten ist (Schwikart 2005, S.67). Die Evangelische Kirche in Österreich sieht
in der Verhütung die Möglichkeit für den Menschen, das eigene Leben und das der Familie
sinnvoll zu gestalten (E-Mail von Pfarrer Dr. Christoph Weist, [email protected], Redaktion Evangelischer Presseverband in Österreich, Ungargasse 9/10, A-1030 Wien).
Auch die Evangelische Kirche in Deutschland spricht die Verhütung durchaus positiv an
und nennt sie sogar als unvermeidbar, sofern die Bereitschaft zur Übernahme der
Verantwortung einer möglichen Elternschaft fehlt (Schwikart 2005, S.67). Beide beziehen
sich dabei nicht nur auf verheiratete Paare. Weiters bestehen im Protestantismus auch
keine Verbote für spezielle Verhütungsmethoden.
Schwangerschaftsabbruch: Angesichts der Abtreibung herrscht zwischen katholischer und
protestantischer Kirche mehr Einigkeit als bei der Verhütungsfrage (Schwikart 2005, S.68).
So stellten auch der Rat der evangelischen Kirche Deutschlands und die Deutsche
Bischofskonferenz übereinstimmend fest, dass es sich bei vorgeburtlichem Leben, durch
die Verschmelzung von Ei- und Samenzelle, nicht um ein rein vegetatives Leben, sondern
um werdendes, individuelles Menschenleben handelt (Schleissnig 2005, S.31).
Dennoch begann im deutschen Protestantismus bereits Anfang der 1920er Jahre der
Konsens, dass Abtreibung in jedem Falle zu missbilligen sei, zu schwinden.
Dadurch wurde die Abtreibung in der Situation, in welcher das Leben der Mutter durch die
Schwangerschaft bedroht wird, als ethischer Grenzfall in Form der allerletzten Möglichkeit
(ultima ratio) toleriert. Nach Ende des zweiten Weltkrieges weitete sich die ethische
Vertretbarkeit
einer
Abtreibung
auch
auf
die
Schwangerschaften,
die
aus
Vergewaltigungen entstanden aus. (Schleissing 2005, S.29). Dennoch sah die
Evangelische Kirche in der Durchführung einer Abtreibung ein Zuwiderhandeln der
göttlichen Gebote (Anselm 1994, S.213). Gleichzeitig entwickelte sich aber auch die
Ansicht, „dass zur Menschlichkeit menschlichen Lebens dessen Annahme durch Gott und
deshalb auch durch den Menschen gehört.“ (Baumann 1972, S.135). Was bedeutet, dass
die Gültigkeit des Lebens erst mit der freien Entscheidung der Eltern und der Gesellschaft
27 beginnt. Daher war der ethische Ansatzpunkt der Konfliktbewältigung bei den Eltern zu
finden und der von ihnen zu treffenden Gewissensentscheidung. Demzufolge begann
nach evangelischem Verständnis die Anwendung ethisch qualifizierter Beratung an
Bedeutung zu gewinnen, wodurch in den 1990er Jahren die evangelische Kirche für eine
Beratungspflicht plädierte, die zwar entscheidungsoffen, aber zugleich eindeutig für das
Lebensrecht des Kindes einzutreten habe. Auch die evangelische Kirche in Österreich ist
nach eigenen Angaben „nicht dafür, überlässt diesen Schritt
jedoch - sozusagen als
"ultima ratio" – der Gewissens-entscheidung der Frau.“ (E-Mail von Pfarrer Dr. Christoph
Weist,
[email protected],
Redaktion,
Evangelischer
Presseverband
in
Österreich,
Ungargasse 9/10, A-1030 Wien).
Da sich dies auf die evangelischen Kirchen in Deutschland und Österreich bezieht, bleibt
allgemein festzuhalten, dass der weltweite Protestantismus trotz allem zu bedenken gibt,
dass eine Abtreibung eine Tötung beginnenden Lebens sei. Im Gegensatz zum
Katholizismus hat der Protestantismus aber nichts einzuwenden gegen eine Abtreibung
aufgrund medizinischer Indikation, welche die Mutter schützt. Ethische Legitimation der
Abtreibung einer Schwangerschaft die aus Vergewaltigung entstand, ist im weltweiten
dennoch Protestantismus strittig (Schwikart 2005, S.68).
4.2. Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch im Judentum
Einem Eingriff in die Reproduktion, sei es nun in Form der Verhütung oder schon der
Abtreibung steht im Judentum schon die allererste Mitzwa in der Tora gegenüber, die
besagt: „Seid Fruchtbar und mehret euch.“ (Bereschit 1,28). Kinder zu haben ist für den
männlichen Juden eine religiöse Pflicht, welche sich auf mindestens zwei Kinder bezieht,
von jedem Geschlecht eines (Schulchan Aruch, Even ha-Eser 1,3).
Die Tanachstelle Jesaja 45,18 besagt, dass Gott die Welt zum Wohnen geschaffen habe
und um Gottes Willen zu befolgen, ist es demnach auch erforderlich, dass Menschen
gezeugt und geboren werden um die Erde zu bevölkern. Eine weitere Mitzwa interpretiert
Kohelet 11,6 demgemäß, dass ein Mann nicht nur in der Jugend, sondern auch noch im
Alter heiraten und Kinder zeugen sollte. Auch die erwartete Ankunft des Messias stellt die
Fortpflanzung als wichtige Aufgabe dar, da dieser erst kommen wird, wenn alle noch
ungeborenen Seelen den so genannten Guf, ihren vorgeburtlichen Aufenthaltsort,
verlassen haben und geboren wurden (Jebamot 62a, Aboda Zara 5a, Niddal 13b).
28 Neben Geboten und der Auslegung religiöser Schriften hat auch die jüdische Geschichte
stark zu der Fortpflanzungspflicht beigetragen. Die Verfolgung und Ermordung des
jüdischen Volkes reicht von der Antike über die mittelalterlichen Kreuzzüge bis zu ihrem
Höhepunkt in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten, in denen ca. 6 Millionen
europäische Jüdinnen und Juden getötet wurden (Loth 2005, S.26; Schwikart 2005, S.36).
Der Wunsch danach eine Zeugung zu verhindern, bzw. eine bereits geschehene
Befruchtung abzubrechen, widerspricht also vielen religiösen und ethischen Standpunkten,
die dem jüdischen Glauben auferliegen. Dennoch gibt es kontroverse Diskussionen über
Ausnahmeregelungen und Bibel- bzw. Tanachinterpretationen die diese Ausnahmen
zulassen:
Empfängnisverhütung: Das Thema Sexualität ist im Gegensatz zum katholischen
Christentum im Judentum weit weniger tabuisiert. Ganz im Gegenteil: Sexualität wird
akzeptiert und gutgeheißen. Im sexuellen Begehren wird sogar ein Instrument zum Erhalt
des häuslichen Friedens gesehen (Kohelet Raaba 12,5). Dennoch gehört Sex
ausschließlich in die Ehe und ist außerhalb dieser Paarbeziehung streng verboten
(Schwikart 2005, S.42). Doch genau diese Bedingung eröffnet Möglichkeiten und
Legitimationen der Empfängnisverhütung. Um die ihm obliegende Mitzwa Kinder zu
zeugen zu erfüllen, darf der Mann nicht ehelos bleiben. Er darf daher aber auch keine
sterile Frau heiraten. Andererseits obliegt dem Ehemann aber auch die Mitzwa der ‘Ona,
die für die Erfüllung seiner ehelichen Pflicht steht (Exodus 21,10). Die ‘Ona, also das
Gebot der Befriedigung seiner Frau kann als separate Mitzwa von der Zeugungspflicht
unterschieden werden, wodurch der eheliche Akt nicht mehr rein zur Fortpflanzung
betrieben werden muss. Wie bereits erwähnt, wird dadurch auch der häusliche Frieden
erhalten. Verboten sind allerdings Verhütungsmethoden die durch die Vernichtung, oder
Schädigung der männlichen Samenzellen erfolgen, was auch als zweckentfremdete
Emission
(hasch-hatat
zera)
bezeichnet
wird
und
die
antike
und
älteste
Verhütungsmethode, den coitus interruptus untersagt.
Da die Mitzwa der Fortpflanzung aber nur den Männern, nicht aber der Frau obliegt, sind
den Jüdinnen traditionellerweise Methoden der Geburtenkontrolle gestattet. Daher kennt
bereits der Talmud den Moch als legitime Empfängnisverhütung an. Dabei handelt es sich
ein um einen Bausch aus Wolle, der in die Vagina eingeführt wird um das Eindringen des
Spermas zu verhindern. Diese damals sehr unsichere Methode, lässt sich aber in der
heutigen
Zeit
auf
neuere
Arten
der
Kontrazeption
übertragen:
Arten
der
Empfängnisverhütung die nicht mit dem Vernichtungsverbot von männlichen Samenzellen
29 in Konflikt geraten und Ähnlichkeiten mit dem Moch aufweisen, sind Pessare, Diaphragma
oder chemische Spermizide. Auch ein verhütender Pflanzentrank wird bereits im Talmud
erwähnt (Schabbat 109a) und liefert somit Vorbild und Legitimation für Verhütungsmittel,
wie die Anti-Baby-Pille. Die ovulationshemmende Pille widerspricht weder dem Verbot der
Spermavernichtung, noch verhindert sie die Fortpflanzungspflicht des Mannes, da sie den
Eisprung bei der Frau verhindert. Nicht erlaubt ist hingegen die Beobachtung von sicheren
Tagen, da dies eine Art der Abstinenz darstellen würde, die mit der ‘Ona, der ehelichen
Pflichterfüllung unvereinbar ist (Loth 2005, S.26).
Auch das heute meistverwendete Verhütungsmittel, das Kondom ist aufgrund des Verbots
der zweckentfremdeten Emission untersagt (Schwikart 2005, S.48). Nachdem auch ein
Gebot der Fruchtbarkeit besteht, ist eine Sterilisation von Mann oder Frau nach jüdischer
Ethik ebenfalls nicht vertretbar.
Schwangerschaftsabbruch: Im dem Torakapitel Bereschit 9,6 wird die Abtreibung anhand
eines Verbotes Menschenblut zu vergießen untersagt. Ob es sich bei einem ungeborenen
Kind bereits um einen Menschen handelt, wird nicht nach naturwissenschaftlichen,
sondern nach religiösen Deutungen bestimmt. Der Fötus im Mutterleib wird in der
hebräischen Formulierung, gemäß Sanhedrin 57b bereits als „Mensch im Mensch“
bezeichnet. Seine Tötung würde also gegen dieses Noachidische Gebot verstoßen.
Folglich ist das menschliche Leben dem Judentum heilig und besitzt einen intrinsischen
Wert an sich: Es deutet jedes Leben als gleich.
Dennoch existieren Umstände unter denen der Schwangerschaftsabbruch als halachisch
zulässig betrachtet wird: Wenn der Fötus das Leben der Mutter bedroht, so ist eine
Abtreibung aus halachischer Sicht erlaubt. Denn unter diesen Umständen ist der Fötus als
Aggressor (rodef) anzusehen, der versucht die Frau, die lebensbedrohliche Probleme bei
der Schwangerschaft oder der Geburt hat, umzubringen. Und nach dem Gesetz darf jeder,
der eine andere Person in Tötungsabsicht bedroht, selbst getötet werden (rotzeach
uschemirath nefesch 1,9). Gleichzeitig wird an selber Stelle aber auch erwähnt, dass diese
Erlaubnis nur Gültigkeit besitzt, sofern noch nicht der, laut Ohalot 7,6 „größere Teil“, was
sich auf den Kopf bezieht, des Kindes zum Vorschein gekommen ist. Loth (2005)
beschreibt dies folgendermaßen: „Solange nicht der Kopf des Kindes im Geburtskanal
zum Vorschein kommt, bleibt es Teil der Mutter und ist nur potentielles Leben und keine
Person (näfäsch) im halachischen Sinne.“ (Loth 2005, S.25).
Auch andere talmudische Vorstellungen genehmigen einen Schwangerschaftsabbruch
aufgrund halachischer Definitionen. Denn der Embryo gilt bis zum 40. Tage als „pures
30 Wasser“ und somit noch nicht als Leben (Jawemot 7,6). Dem Ungeborenen wird erst 40
Tage nach der Zeugung von Gott die Seele eingehaucht. Ab diesem Zeitpunkt ist eine
Abtreibung nur mehr zulässig, sofern Gefahr für die Gesundheit (pikkuach näfäsch)
besteht.
Auch
der
Ehemann
wird
dabei
zur
Rechtfertigung
einer
Abtreibung
herangezogen, da es auch ihn vor Kummer durch einen eventuellen Verlust der geliebten
Ehefrau, zu schützen gilt. Dennoch ist die Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch nicht von seiner Zustimmung abhängig.
Neben Talmudauslegungen bestehen aber ebenso andere ethische und menschliche
Anlässe, die einen Schwangerschaftsabbruch legitimieren können: Die Würde der
Person/en (kevod ha-berijjot), der Schmerz der Frau (za‘ar) und die Wahrung des
häuslichen Friedens (schelom bajjit). So ist beispielsweise im Falle einer, aus
Vergewaltigung entstandenen Schwangerschaft die Abtreibung erlaubt. Auch eine pränatal
diagnostizierte, schwere Erbschädigung des Fötus, wie z.B. das Tay-Sachs-Syndrom
(einer autosomal-rezessiv vererbten Stoffwechselstörung die besonders häufig bei
osteuropäischen Jüdinnen und Juden auftritt) gilt als legitimier Grund für eine Abtreibung
(Loth 2005, S.25). Und um den Hausfrieden zu wahren, wird auch einer reumütigen
Ehebrecherin die Abtreibung erlaubt (Schwikart 2005, S.48).
Da aber keine eindeutig festgeschrieben Regeln für Abtreibungsfälle in Tanach, Talmud,
etc. existieren, orientiert sich bei derart ethischen Fragestellungen der jüdische Glaube an
dem biblischen und rabbinischen Grundsatz: Der Mensch lebe durch die Gesetze und die
Rechtssatzung Gottes (Leviticus 18,5; Sanhedrin 59a). Daher ist es die Aufgabe des
Rabbiners, in der konkreten Situation die, im ethischen Sinne erfolgsversprechende
Verhaltensregel, bzw. Richtlinie der Halacha zu suchen und dementsprechend zu
entscheiden (Schiff 2002, S.267). Der Rabbiner stellt also eine Art Ethikkommission dar,
der in einzelnen Fällen prüft, ob ein Schwangerschaftsabbruch nach jüdischer Ethik und
Recht zulässig ist.
In Israel ist der Schwangerschaftsabbruch seit 1977 legal. Gemäß den religionsrechtlichen
Ansichten ist die Abtreibung auch gesetzlich erlaubt, sofern der Fötus eine schwere
Behinderung aufweist, die Schwangerschaft durch Vergewaltigung zustande kam oder die
Schwangerschaft eine gesundheitliche Bedrohung für die Frau darstellt. In diesen Fällen
übernimmt der Staat die gesamten Kosten der Abtreibung. Ebenso ist eine Abtreibung
aber auch zulässig, wenn die Schwangere unter 17 oder über 40 Jahre alt ist, oder wenn
sie verheiratet ist, die Schwangerschaft aber aus außerehelichem Geschlechtsverkehr
entstand. Hierbei muss sich die Frau aber an den Kosten beteiligen. Seit 1980 ist eine
31 Abtreibung auch erlaubt, wenn sich die Frau in finanziellen Schwierigkeiten befindet
(HaGalil Online 2006, http://www.hagalil.com/01/de/Israel.php?itemid=123).
4.3. Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch im Islam
Im Koran lassen sich keine genauen Äußerungen zu Abtreibung und Verhütung in Form
von Ver- oder Geboten finden (Badry 2005, S.23). Der Koran, der Prophet und die
islamische Tradition haben der Sexualität keine übertriebene Aufmerksamkeit geschenkt,
sie wird allerdings durchaus befürwortet und als Selbstverständlichkeit akzeptiert
(Schwikart 2005, S.79). Dennoch, oder auch genau deswegen, werden diese Themen
angeregt diskutiert in der islamischen Welt. Prinzipiell kommt dem Leben und dessen
Bewahrung in der heiligen islamischen Schrift ein hoher Stellenwert zu. Das Verbot der
Kindestötung aus Angst vor Armut (6,151; 17,32) oder sozialer Schande (16,59) bezieht
sich auf eine bereits in vorislamischer Zeit regional verbreitete Praxis, von der wohl
besonders neugeborene Mädchen betroffen waren. In Anbetracht dieser Ausgangslage
und der im Koran beschriebenen Sexualethik, in Form von Polygamie, Konkubinat und
Trennung von Sexualakt und Zeugung, waren Verhütung und Abtreibung wohl schon im
frühen Islam ein wichtiges, offen diskutiertes Thema (Badry 2005, S.24).
Der Umstand, dass muslimische Ehepaare meist viele Kinder haben, ist nicht auf
mangelnde
Verhütungsmöglichkeiten
zurückzuführen,
sondern
auf
die
im
Islam
vorherrschende, positive Einstellung dem Kinderhaben gegenüber (Rubin 2003, S.10).
Laut Schwikart (2005) gilt es durch eine große Kinderzahl sogar den „Islam zu stärken, zu
verbreiten
und
zu
Bevölkerungswachstum
vermehren“
in
(Schwikart
muslimischen
2005,
Länder
S.89).
führt
zu
Doch
kaum
das
rasche
bewältigbaren
sozioökonomischen Problemen. Dies veranlasste viele islamische Länder seit Mitte des
20. Jahrhundert dazu, bevölkerungspolitische Maßnahmen zu ergreifen. So erfolgte im
Jahr 1989 sogar im streng islamischen Gottesstaat Iran ein radikaler Kurswechsel, der
weg von der geförderten, hohen Geburtenrate, hin zum Trend der Kleinfamilie führte
(Badry 2005, S.24). Und auch die Möglichkeit der Abtreibung wurde bis zum vierten
Schwangerschaftsmonat ausgeweitet, sollte das Kind behindert. Bei bestehender
gesundheitsschädigender Gefahr für die Schwangere, ist auch im Iran eine Abtreibung
stets zulässig (Vienna Online 2009, http://www.vienna.at/news/tp:vol:news-welt/cn/volnews-yvhunnius-20050412-101949).
32 Empfängnisverhütung:
Der
Prophet
Mohammed
hat
sich
nicht
eindeutig
zur
Empfängnisverhütung geäußert. Prinzipiell halten die Rechtsgelehrten diese für erlaubt,
denn es bestehen mehrere Hadithe, die besagen, dass der coitus interruptus, genannt
‘Azl, die übliche Verhütungsmethode zur Zeit des Propheten gewesen sei und von ihm
nicht verboten wurde. Einerseits wird nun behauptet, es sei zwar zu besagter Zeit üblich
gewesen, was aber noch nicht seine Anwendung rechtfertige, wohingegen andere meinen,
wenn es der Prophet nicht eindeutig verurteilte, dann sei es eine indirekte Erlaubnis,
welche die Verhütung und Geburtenkontrolle, auch in Form anderer Methoden generell
genehmige. Daher fanden mit der Zeit auch weitere kontrazeptive Techniken Gebrauch in
der islamischen Welt (Schwikart 2005, S.89).
Juristische, medizinische und literarische Werke aus vormodernen Zeiten bestätigen, dass
die religiös-rechtliche Erlaubnis zur Empfängnisverhütung und zum Gebrauch von
Kontrazeptiva unter Muslimen weit verbreitet war. Dennoch gibt und gab es konservative
Stimmen die gegen Geburtenkontrolle waren, wie den Gelehrten Ibn Hazm (994-1063).
Dieser sprach sich gegen die Empfängnisverhütung aus, da er darin einen Widerspruch
zur göttlichen Vorherbestimmung sah: Allah alleine stehe schließlich die Entscheidung
über Tod und Leben, somit auch über Fertilität und Sterilität zu. Weiters berief sich Hazm
auf einen Hadith, demzufolge Mohammed den coitus interruptus mit heimlichen
Kindesmord verglichen habe, was durch den Koran eindeutig untersagt wird. Wegen der
bekannten Unzuverlässigkeit dieser Verhütungsmethode überzeugt diese Argumentation
aber kaum (Badry 2005, S.24).
Ein akzeptierter Verhütungsgrund im Islam sind ökonomische Überlegungen. So beschrieb
der Gelehrte Al-Ghazzali (1058-1111) die Motive Angst vor der Geburt, Sorge ein
Mädchen zu gebären, oder die Abneigung gegen das Stillen als nicht hinreichend.
Ökonomische Bedenken gegen ein weiteres Kind akzeptierte er allerdings. Doch auch hier
bestehen Konflikte, da ein Verzicht auf Kinder aus wirtschaftlichen Gründen als
mangelndes Vertrauen in Allah ausgelegt werden kann, der doch versprochen hat für alle
Menschen zu sorgen (6,151). Verhütung aufgrund wirtschaftlicher Überlegung hat noch
einen weiteren historischen Hintergrund, denn eine Sklavin, die ihrem Herrn ein Kind
geboren hat, ist freizulassen (Schwikart 2005, S.89f).
Zwar
sehen
religiöse
Konservative,
islamische
Nationalisten
und
extreme
Fundamentalisten in jeder Form der Geburtenregelung eine Verschwörung gegen den
Islam, die zu Sittenverfall führt und die patriarchale Ordnung gefährdet, doch existiert in
der islamischen Ethik kein Verbot gegen die Verhütung (Badry 2005, S.24).
33 Gleichwohl muss diese in Einverständnis beider Ehepartner geschehen und darf nicht
deren Gesundheit schädigen. Außerdem soll eine Schwangerschaft nicht grundsätzlich
unmöglich gemacht werden, was eine Sterilisation der Frau ausschließt. Somit bestehen
aus ethischer Sicht, abgesehen von der weiblichen Sterilisation, dennoch keine Verbote
hinsichtlich des Gebrauchs verschiedener Verhütungsmittel (Rubin 2003, S.10).
Schwangerschaftsabbruch: Die Abtreibung wird und wurde dagegen strenger beurteilt. Im
Islam besteht laut Badry (2005) eine Art „Fristenlösung mit Indikationsregelung“ (Badry
2005, S.24). Im islamischen Glauben herrscht die Vorstellung, dass dem Embryo
zwischen dem 40. und 120. Tage nach der Zeugung das „Leben eingehaucht“ wird.
Vor allem aus medizinischen Gründen werden Abtreibungen bis zu diesem Zeitpunkt
toleriert. Erst nach dem 120. Tag (in einigen islamischen Ländern, aber auch schon früher)
werden die Rechte des Fötus berücksichtigt. Auch ökonomische Überlegungen, welche
zwar die Verhütung erlauben, rechtfertigen laut dem Koran dennoch keine Abtreibung
(17,31). Wenn jedoch das Leben der werdenden Mutter in Gefahr ist, so ist eine
Abtreibung auch zu späterem Zeitpunkt erlaubt, zumal eher das Kind zu sterben hat als
die Schwangere. Zur „Vermeidung größeren Übels“, wird folglich dem Leben der Mutter
Priorität eingeräumt (Badry 2005, S.24; Schwikart 2005, S.90).
4.4. Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch im Hinduismus
Sexualität genießt im Hinduismus den Status als heilige Kraft, aus welcher Nachkommen
geschaffen werden. Fortpflanzung ist demnach ein sakraler Dienst und gleichzeitig eine
Möglichkeit, Kontakt mit den Göttern aufzunehmen, oder spirituelle Energie zu erlangen
(Schwikart 2005, S.100). Hingegen gelten Abtreibung und auch die Verhütung in der
hinduistischen Rechts- und Moralauffassung als Sünde (Eichner 2005, S.22)
Wird die empfängnisbereite Zeit von den Eheleuten nicht genutzt, gilt allein diese
Verweigerung des sexuellen Verkehrs schon als Vernichtung des Embryos (Schwikart
2005, S.109). Die hinduistische Rechtsliteratur beschreibt die Fortpflanzung als ein Ziel,
bzw. eine religiöse Pflicht, die eine Ehe zu erfüllen habe. Daher wurden Abtreibung und
Verhütung in der hinduistischen Geschichte und Morallehre überhaupt nur selten
behandelt, wenngleich sie wohl stets praktiziert wurden (Eichner 2005, S.22).
34 Empfängnisverhütung: Trotz Verbot, existierten in dieser, so wie in allen anderen Kulturen
auch, verschiedene Methoden zur Schwangerschaftsverhütung. Schon im Liebeslehrbuch
Kamasutra
(6.Jhd.
n.
Chr.)
wird
die
Verwendung
oraler
Sexualtechniken
zur
Schwangerschaftsverhütung empfohlen. Im Tantrismus wird der Sexualakt ohne
Orgasmus als ein Höhepunkt des Erleuchtungsweges gepriesen. Es bietet somit eine Art
indirekte Verhütungstechnik, was aber eigentlich nicht dessen Grundintention ist (Eichner
2005, S.22).
Aus historisch-religiöser Sicht lehnt der Hinduismus aber Verhütung und sogar das
Versäumen der fruchtbaren Zeit strikt ab. Die Realität sieht mittlerweile dennoch anders
aus: Aufgrund des massiven Bevölkerungswachstums in Indien wurde die Verhütung zu
einem wichtigen gesellschaftlichen Thema, dessen Bedeutung alte religiöse Interdikte
übersteigt. Auch Mahatma Gandhi (1896-1948) äußerte den Wunsch keine Kinder mehr
zu zeugen und empfahl für diese Umsetzung die Enthaltsamkeit, da er sich gegen
Verhütungsmittel aussprach und zu diesem Zweck auch selbst ein Keuschheitsgelübde
ablegte. In den 70er Jahren wurde das Ideal der Zwei-Kind Familie verbreitet, was sich
mittlerweile schon auf die Ein-Kind Familie reduziert hat. Von staatlicher Seite wurde auf
Sterilisation von Männern und Frauen gesetzt, was durch materielle Anreize attraktiv
gemacht wurde, wobei unter Premierministerin Indira Gandhi (1917-1984) von 1975-76
sogar Zwangssterilisationen durchgeführt wurden, die hauptsächlich die Armen und
kastenlosen Paria traf (Eichner 2005, S.23).
Schwangerschaftsabbruch: Die Durchführung einer Abtreibung galt schon im alten Indien
als Verbrechen. Was aber wiederum bedeutet, dass zur damaligen Zeit Abtreibungen
durchgeführt wurden, die es zu verhindern galt. Schon in einem der ältesten Teile der
Veden werden Schwangerschaftsabbrüche und Kindesaussetzungen erwähnt. So wird
von der Sünde eines Embryotöters gesprochen und der Gott Pushan wird aufgefordert
diesen zu bestrafen. An einer anderen Vedenstelle wird die Embryotötung dem Mord an
Mutter und Vater gleichgesetzt. Nach der Vishnu Smritri, einem Kanon hinduistischer
Literatur, entspricht die Abtreibung sogar dem schwersten aller Verbrechen, nämlich dem
Mord an einem Brahmanen, einem Angehörigen der obersten Kaste.
Dementsprechend schwer waren die Strafen, welche laut altindischen Rechtstexten auf
diese Vergehen standen. Eine Frau, die eine Schwangerschaft mutwillig abbrechen ließ,
soll mit Kastenausschluss bestraft und von ihrem Mann verlassen werden (Eichner 2005,
S.22). Auf der anderen Seite ist es, wie bei der Verhütung, auch beim Thema der
Abtreibung ein Liebeslehrbuch, hier das so genannte Ratirahasya, welches in Form von
35 Rezepturen Anweisungen zum Schwangerschaftsabbruch darbietet. Und auch in der
Ayurveda, der traditionellen indischen Heilkunst, sind Verhaltensweisen beschrieben, die
zur „Tötung des Ungeborenen“ führen können. Dabei werden zum Beispiel schwere
körperliche Betätigung, Mangelernährung und sogar das Unterdrücken von Flatulenzen
genannt.
Das strikte Abtreibungsverbot kommt daher, da das Geschlecht des Kindes zu damaliger
Zeit noch nicht pränatal feststellbar war, wodurch befürchtet wurde, man könne einen
männlichen Fötus töten (Eichner 2005, S.23). Neben der Fortpflanzung ist nämlich auch
die Zeugung eines Sohnes eine religiöse Pflicht der Ehe. Denn nur ein männlicher
Nachkomme kann für die Weiterführung der Familie, sowie für die Durchführung der
Rituale zur Toten- und Ahnenverehrung sorgen (Eichner 2005, S.61).
Überdies steht eine Abtreibung im Konflikt mit dem moralischen Gebot Ahimsa, der
Gewaltlosigkeit, und dem Glauben an das Karma, welches einen Menschen aufgrund
seiner, in einem anderen Leben begangen Handlungen in genau diese Familie, in diesen
Mutterleib verkörpern müsse. Wird ein Fötus nun abgetrieben, so wird durch einen
Verstoß gegen das Gebot der Nichtverletzung von Lebewesen die Reinkarnation eines
früheren Lebens vernichtet. Aufgrund des früheren Lebens und der damit verbundenen
Wiedergeburt, erübrigt sich auch die, in anderen Religionen vorhandene Möglichkeit noch
abzutreiben, bevor der Embryo als beseelt oder als Leben gilt (Eichner 2005, S.23).
Der Abbruch einer Schwangerschaft ist folglich ein extrem schweres Vergehen in der
hinduistischen Ethik und Rechtslehre. Aber gleich wie bei der Verhütung, zwingt die
demographische und sozioökomische Lage das bevölkerungsreiche, hinduistische Indien
Abtreibungen zu legitimieren. Durch den Medical Termination of Pregnancy Act von 1971
sind Schwangerschaftsabbrüche in Indien heute geregelt und kostenlos.
Aus religiöser Sicht wird der Schwangerschaftsabbruch dennoch nicht gern gesehen und
das Abtreiben eines männlichen Fötus stellt nachwievor eine Sünde dar. Wird allerdings
ein weiblicher Fötus abgetrieben, so würde dies religiöse Wertvorstellungen nicht, bzw.
nur minderschwer zu verletzen. Durch den medizinwissenschaftlichen Fortschritt lässt sich
heute, anhand von Fruchtwasserbestimmung und Ultraschall das Geschlecht des Kindes
schon vor der Geburt feststellen. Da dies aber die Abtreibungsraten weiblicher Föten in
Indien enorm ansteigen ließe, ist die Durchführung der vorgeburtlichen Kenntnisnahme
gesetzlich verboten. Wie hoch die Zahl derer ist, die solche Untersuchungen dennoch
durchführen ist nicht bekannt. Anhand der beträchtlichen Abtreibungszahlen wird sie
allerdings hoch eingeschätzt. Denn 20-30 Prozent der Abtreibungen lassen Paare
36 durchführen, deren erstes Kind bereits eine Tochter ist und die daher fürchten, dass
zweite Kind könne ebenfalls weiblich sein. Weitere 55-60 Prozent treiben ab um eine dritte
zu vermeiden. Die große soziale Diskrepanz und die unterschiedlichen regionalen
Traditionen in Indien lassen dies nicht auf ganz Indien anwenden. Aber besonders in
ländlichen Gegenden sind Kindestötungen weit verbreitet. Die Entscheidung die
Schwangerschaft abbrechen zu lassen geht häufig nicht von der schwangeren Frau selbst,
sondern von der Schwiegermutter oder dem Ehemann aus, da die Frau selbst wenig
Mitspracherecht über das Schicksal ihres eigenen Kindes verfügt. (Eichner 2005, S.23;
Dehn 2005, S.8).
4.5. Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch im Buddhismus
Ursprünglich stand Buddha der Sexualität eher ablehnend gegenüber, da diese ein
Genuss sei, die den Geist verwirre und zu Versuchungen verleitet. Doch besonders durch
den Tantrismus wurde diese Einstellung komplett umgekehrt, wodurch Sex nun als
heilsam und schöpferisch gilt (Schwikart 2005, S.122). Es bestehen jedoch keine
ethischen Vorgaben des Buddhas, welche Antworten auf die Frage nach der moralischen
Haltung gegenüber der Abtreibung und Verhütung geben können (Usarski 2005, S.19).
Empfängnisverhütung: Was dem coitus interruptus ähnelt, ist wie im Hinduismus eine
tantrische Methode des Zurückhaltens des Ejakulierens. Die Unterdrückung des
Orgasmus soll eine Hilfe auf dem Weg zur Erleuchtung darstellen, was indirekt bzw.
unfreiwillig eine Art Verhütungsmethode darstellt (Schwikart 2005, S. 126). Nach einem
Interview (1997) mit dem Lama Geshe Thubten (1932-2003) „steht jedem Wesen in
seinem Drang nach Wiedergeburt mit der Empfängnis das Recht auf Leben zu.“
(Zeitschrift Tibet und Buddhismus, Nr.4, 1997, S.22-24; zitiert nach Usarski 2005, S.21).
Die Pille-danach ist daher nach buddhistischer Moralvorstellung untersagt, da eine
Empfängnis eigentlich bevorstünde. Hingegen sind präventive Maßnahmen, welche die
Befruchtung der Eizelle verhindern, im Buddhismus
grundsätzlich erlaubt. Aufgrund
moderner, medizinischer Erkenntnisse ist der Buddhismus generell für Relativierungen
offen (Usarski 2005, S.21). Besonders hinsichtlich der Abtreibung wird hiermit
Interpretationsspielraum geboten.
Schwangerschaftsabbruch: Prinzipiell steht der Abtreibung im Buddhismus, gleich wie im
Hinduismus das Gebot der Wiedergeburt einer bestimmten Seele, in genau diese Familie
37 gegenüber, was nicht verhindert werden darf. Doch besonders die westlichen, bzw.
modernen BuddhistInnen fassen den Reinkarnationsgedanken metaphorisch auf. Dadurch
ergibt sich eine Auslegungsmöglichkeit, welche eine Abtreibung in der frühen
Schwangerschaft moralisch erleichtert. Die ethische Relativierung ergibt sich daraus, dass
nach buddhistischer Ansicht die fünf Daseinsfaktoren (Skandhas), nämlich Körper,
Empfinden, Wahrnehmung, Geistesregungen und Bewusstsein bei einem Fötus noch nicht
gegeben sind. Nur das Zusammenspiel dieser Faktoren ermöglicht aus buddhistischer
Sicht die individuelle Existenz des Menschen, bzw. des Lebens (Usarski 2005, S.21).
Trotzdem ist die traditionelle ethische Ansicht bzgl. einer Abtreibung nicht so liberal wie es
anfangs den Anschein hat. Denn der Fötus ist dennoch ein seelisches Wesen auf der
Suche nach Inkarnation. Beendet man seine Entwicklung und lässt ihn nicht zur Welt
kommen, verhindert man seine Chance auf Reifung für das Nirwana.
Auch steht einer Abtreibung nach buddhistischen Ethikempfinden (wie auch in allen
anderen hier besprochenen Religionen) das Gebot des Nicht-Verletzens gegenüber
(Schwikart 2005, S. 126). Das Leid welches einem ungeborenen Kind durch den
Schwangerschaftsabbruch zugefügt wird, hat karmische Folgen für alle Beteiligten, also
auch für den Partner, die Ärztin oder den Arzt und eingeweihte und beratende Freunde
oder Verwandte. Da entsprechend der buddhistischen Gesinnungsethik dem Grund für
eine Handlung mehr karmische Bedeutung zukommt als der Tat an sich, sind die
jeweiligen Motivationen für die Entscheidung zu einer Abtreibung ausschlaggebend für die
ethische Zulässigkeit und die karmischen Konsequenzen. Wenn eigennützige, materielle
Absichten das Paar zu einer Abtreibung veranlassen, besteht eine qualitativ andere
Situation, als im Falle einer Abtreibung eines ungeborenen Kindes, bei welchem pränatal
eine unheilbare Krankheit diagnostiziert wurde, welche die Eltern ihrem Kind ersparen
wollen (Usarski 2005, S.21).
In Japan, einem Land mit langer buddhistischer Tradition, wird die Abtreibungsproblematik
auch hinsichtlich der Gefühlswelt der Frau deutlich. Empirische Untersuchungen belegen,
dass versucht wird, durch die rituelle Zuwendung zu dem Gott Jizo Bosatzu, das
psychologische Trauma nach einer vollzogenen Abtreibung zu überwinden. Denn dieser
Gott gilt unter anderem als Beschützer der Totgeborenen und somit auch abgetriebenen
Wesen (Smith 1988, S.3ff). Allerdings nehmen die buddhistischen Lehren auf die
Gesetzeslagen bzgl. Verhütung und Abtreibung der Länder, in denen BuddhistInnen die
Religionsmehrheit bilden, nur wenig Einfluss. Über ein Viertel aller Buddhist weltweit leben
in China (Adherents.com 2005, http://www.adherents.com/adh_branches.html#Buddhism),
38 einem Land, in dem eine äußerst rigorose Ein-Kind-Politik verfolgt wird und in welchem
Abtreibungen teils staatliche erzwungen werden. Doch religiöse Organisationen haben in
China
die
Linie
der
kommunistischen
Regierung
einzuhalten
(BBC
2000,
http://news.bbc.co.uk/2/hi/asia-pacific/941511.stm). Da in der chinesischen Gesellschaft
traditionell männliche Nachkommen bevorzugt werden, da sie im Alter für die Eltern
sorgen werden, steigen die Abtreibungsraten weiblicher Föten ins Unermessliche. Denn
sobald Töchter verheiratet sind, „gehören“ sie zur Familie des Bräutigams (Giddens et al.
2009, S.925).
5. Die Situation der Angehörigen einer Weltreligion in Österreich
Im zuvor angeführten Kapitel wurden die Ansichten und Normen der Weltreligionen zu den
Themen der Verhütung und Abtreibung angeführt. Auch die Rechtslage in den jeweils von
einer Weltreligion dominierten Beispielländern wurde angesprochen. Um nun den Aspekt
der Migration in dieser Arbeit zu behandeln, soll an dieser Stelle auf die Situation der
Angehörigen einer Weltreligion in Österreich eingegangen werden. Um diesen Sachverhalt
fachgerecht behandeln zu können, ist es zunächst notwendig, festzuhalten wie viele
AnhängerInnen der genannten Religionen überhaupt in Österreich leben.
Die letzte Volkszählung, in dessen Rahmen auch die Religionsbekenntnisse der in
Österreich lebenden Menschen erhoben wurden, fand im Jahr 2001 statt und liegt somit
bereits neun Jahre zurück. Da Österreich aufgrund seiner geografischen und
innenpolitischen Lage ein starkes Migrationsland darstellt, geben diese veralteten Daten
leider kein realistisches Bild der österreichischen Situation ab. Dennoch lassen sich
daraus weitere Abschätzung und Tendenzen ableiten, weswegen die Ergebnisse der
Volkszählung 2001 über die Anhängerzahl der fünf großen, hier behandelten
Weltreligionen
an
dieser
Stelle
erwähnt
seien
(Statistik
Austria
2007,
http://www.statistik.at/web_de/static/bevoelkerung_2001_nach_religionsbekenntnis_und_s
taatsangehoerigkeit_022894.pdf):
Römisch-Katholisch
5.917.274
Evangelisch
376.150
Islamisch
338.988
Jüdisch
8.140
Hinduistisch
3.629
Buddhistisch
10.402
39 Über gegenwärtigere Zahlen geben die Religionsgemeinschaften selbst Auskunft. Da
jedoch bei den Religionsgemeinschaften keine Beitrittspflicht besteht, können diese
lediglich bundesweiten Schätzungen über die Anhängerzahl ihrer Religion äußern:
Der Katholizismus stellt noch immer die größte Glaubensgemeinschaft in Österreich dar,
obwohl sich das Christentum in den letzten Jahren mit weltweit zunehmenden
Ausstiegszahlen konfrontiert sehen musste (Hutter 2008, S.53; Schwikart 2005, S.55).
So hat trotz steigendem Bevölkerungswachstum die Anzahl der Katholiken in Österreich
abgenommen und wurde im Jahr 2008 von der katholischen Kirche selbst mit 5.579.493
beziffert,
mit
weiter
absinkender
Tendenz
(Medienreferat
der
Österreichischen
Bischofskonferenz
2009,
http://www.katholisch.at/site/article_blank.siteswift?so=all&do=all&c=download&d=article%
3A107%3A9). Auch die Evangelische Kirche musste Ausstiege ihrer Mitglieder hinnehmen
und berief sich nach eigener Zählung im Jahr 2009 auf 325.314 Mitglieder (Evangelischer
Presseverband 2009, http://www.evang.at/zahlen-und-fakten.html).
Der Islam hingegen, stellt die am schnellsten wachsende Religion in Österreich dar.
Einerseits durch Zuwanderung, andererseits durch erhöhte Geburtenraten, die jene der
österreichischen und traditionsgemäß christlichen Frauen übertreffen (Janda & Vogel
2010, S.8f). Die islamische Glaubensgemeinschaft, sowie das Innenministerium schätzen
die Zahl der Muslime auf ca. eine halbe Million Menschen, was ca. 6 Prozent der
Gesamtbevölkerung darstellt und im Vergleich zu den Zahlen von 2001, auf eine Zunahme
um
fast
die
Hälfte
schließen
lässt
(E-Mail
von
Karadal
Keziban,
Islamische
Glaubensgemeinschaft Österreichs, Bernardgasse 5, A-1070 Wien Janda & Vogel 2010,
S.5f). Auch die Anzahl der in Österreich lebenden Jüdinnen und Juden scheint sich laut
der Israelischen Kultusgemeinde Österreichs verdoppelt zu haben. Allein die Israelische
Kultusgemeinde Wien zählt 7.088 Mitglieder, wobei vermutet wird, dass bundesweit noch
einmal so viele Menschen jüdischen Glaubens leben, die keine Mitglieder der
Kultusgemeinden sind (E-Mail von Natalia Najder, am 25.08.2010, [email protected],
Israelische Kultusgemeinde, Seitenstettengasse 4, A-1010 Wien). Auch HaGalil.com, das
größte jüdische Onlinemagazin in deutscher Sprache, berichtet von ca. 14.000 in
Österreich
lebenden
Jüdinnen
und
Juden
(HaGalil
Online
2006,
http://www.hagalil.com/europa/austria.htm).
Noch undurchsichtigere Zahlen weist der Buddhismus hierzulande auf. Die buddhistische
Religionsgesellschaft Österreichs weiß von 2.730 eingetragenen BuddhistInnen, schätzt
die bundesweite Anzahl aber auf 20.000-30.000 BuddhistInnen (E-Mail von Evi Zoepnek,
am
02.09.2010,
[email protected],
Österreichische
Buddhistische
40 Religionsgesellschaft, Fleischmarkt 16, A-1010 Wien), was ebenfalls eine starke Zunahme
darstellen würde. Ein Wachstum der buddhistischen Anhängerschaft in Österreich ist aber
tatsächlich denkbar. Einerseits aufgrund Migration, andererseits stellt der Buddhismus
eine Art Trendreligion in europäischen und nordamerikanischen Ländern dar, was zu
vermehrten Konvertierungen und Beitritten führt (Hutter 2008, S.18).
Der Hinduismus zählt in Österreich nur sehr wenige AnhängerInnen. Wie beschrieben, lebt
die überwiegende Mehrheit der Hindus in Indien, bzw. den angrenzenden Staaten, oder
aufgrund der langen Kolonialherrschaft auch in Großbritannien. In Österreich zählt der
Hinduismus, im Gegensatz zu den übrigen hier thematisierten Religionen auch nicht zu
den gesetzlich anerkannten Kirchen- und Religionsgesellschaften (Bundesministerium für
Unterreicht,
Kunst
und
Kultur
2010,
http://www.bmukk.gv.at/ministerium/kultusamt/ges_anerk_krg.xml). Leider äußerte sich die
Hinduistische Religionsgemeinschaft nicht zu aktuelleren Zahlen, wahrscheinlich ist aber
auch unter den in Österreich lebenden Hindus, ein Wachstum zu verzeichnen.
Um nun auf die Situation der Angehörigen dieser Religion in Österreich einzugehen, muss
erwähnt werden, dass in Österreich Religionsfreiheit herrscht, welche durch die
Europäische Menschenrechtskonvention Art.9 und dem Staatsgrundgesetz Art.14-16
geregelt wird. Jedem Menschen steht somit das Recht zu, ab dem Alter von 14 Jahren
seine eigene Religion zu wählen und sich für einen Glauben zu entscheiden.
Die am stärksten ablehnende und konservativste Einstellung bzgl. Sexualität, Verhütung
und
Schwangerschaftsabbruch
nimmt,
abgesehen
von
fundamentalistischen
Ausprägungen einer Religion, der Katholizismus ein. In dem katholisch dominierten und
kulturell geprägten Österreich herrscht aber eine Trennung von Kirche und Staat, wodurch
Gesetze nicht (mehr) von ethischen und religiösen Wertvorstellungen der christlichen
Kirche gestaltet werden. Somit gelten für jeden Menschen, unabhängig von seinem
Religionsbekenntnis die gleichen Rechte und Pflichten. Jedem Paar, welches den
Geschlechtsakt vollziehen will, steht daher auch das Recht auf Empfängnisverhütung zu.
Da nur für Maßnahmen, die nach dem Zeitpunkt der Nidation eingreifen, strafrechtliche
Bestimmungen gelten, stellen medizinische Methoden mit denen die Einnistung der
befruchteten Eizelle selbst verhindert wird, Maßnahmen der Geburtenkontrolle und keinen
Schwangerschaftsabbruch im Sinne des Strafgesetzbuches dar (Putz 2001, S.145ff).
Die Entscheidung zu verhüten, egal mit welchen Methoden, steht in Österreich also jedem
Menschen frei zu.
41 Der Schwangerschaftsabbruch hingegen, ist in Österreich grundsätzlich verboten und wird
mit Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren geahndet (§ 96-98 StGB). Dies
ist abhängig davon, ob die Abtreibung von einer Ärztin, einem Arzt oder einer anderen
Person durchgeführt wird (§ 96 Abs. 2 StGB), ob dies gewerbsmäßig geschieht (§ 96
Abs.1 StGB) und ob es mit (§96 Abs.1 StGB) oder ohne Zustimmung (§98 StGB) der Frau
erfolgt und welche gesundheitlichen Konsequenzen dies für sie hat (§ 96 Abs.2 StGB).
Unter bestimmten Umständen und Voraussetzungen hat eine schwangere Frau in
Österreich dennoch das Recht darauf die Schwangerschaft abbrechen zu lassen:
Das österreichische Parlament verabschiedete 1974 ein Gesetz zur Fristenlösung,
welches die Entscheidung einer Frau zum Schwangerschaftsabbruch ermöglicht (Putz
2001, S.145ff). Innerhalb der ersten drei Monate nach Beginn der Schwangerschaft (hier
gilt die Schwangerschaft ab der Nidation) kann die Frau frei entscheiden, ob sie die
Schwangerschaft abbrechen lässt. Dem Schwangerschaftsabbruch muss eine ärztliche
Beratung vorausgehen und muss auch von einer Ärztin, oder einem Arzt durchgeführt
werden (§ 97 Abs. 1 Z. 1 StGB). Der Abbruch einer Schwangerschaft nach diesem
Zeitpunkt ist nur straffrei, sofern er die letzte Möglichkeit zur Abwendung einer ernsten
Lebensgefahr oder eines schweren Schadens für die körperliche und seelische
Gesundheit der Schwangeren darstellt.
Ebenfalls straffrei ist der Schwangerschaftsabbruch nach Ablauf der Dreimonatsfrist,
sofern eine ernste Gefahr besteht, dass das Kind geistig oder körperlich schwer
geschädigt sein könnte, oder die Frau zum Zeitpunkt der Zeugung unmündig gewesen ist.
Aber auch unter diesen Umständen ist der Schwangerschaftsabbruch ausschließlich durch
eine Ärztin oder einen Arzt vorzunehmen (§ 97 Abs. 1 Z. 2 StGB). Zwar ist keine Ärztin
und kein Arzt dazu verpflichtet eine Abtreibung durchzuführen, oder daran mitzuwirken,
doch im Fall einer unmittelbar drohenden und nicht anders abwendbaren Lebensgefahr für
die Frau, müssen ÄrztInnen, einen Abbruch durchführen, sofern dieser notwendig für ihre
Rettung ist. Personen aus Krankenpflegefachdiensten, medizinisch-technischen Diensten
und Sanitätshilfsdiensten sind unter diesen Umständen ebenfalls zur Hilfe verpflichtet (§
97 Abs. 2 StGB).
Da es sich hierbei um Bundesgesetze handelt, haben diese Gesetze für jede in Österreich
lebende, bzw. sich hier aufhaltende Personen Gültigkeit. Ganz gleich welcher Religion,
Rasse oder Ethnie eine Frau in Österreich angehört, steht ihr das Recht auf Verhütung zu,
sowie ihr auch die Möglichkeit der Abtreibung unter den vorher genannten Umstanden
gegeben wird. Auch wenn die Frau einer patriarchalen Religion angehört in welcher
traditionsgemäß der Ehemann, bzw. die Familie des Erzeugers über das Schicksal des
42 noch ungeborenen Kindes entscheiden (wie z.B. Islam, Hinduismus), steht nach
österreichischem Recht allein der Frau die Entscheidung über das Schicksal ihres Kindes
zu. Die Interessen des Kindesvaters bzgl. dem Austragen oder Abbrechen einer
Schwangerschaft werden in Österreich nicht berücksichtigt (Putz 2001, S.138). Auch das
Zwingen der Frau eine Abtreibung durchführen zu lassen, ist nach §98 Abs.1 StGB mit
einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren verboten.
Die Kosten der Abtreibung werden in Österreich nicht von den Krankenkassen
übernommen
und
belaufen
sich
auf
ca.
300-800€
(Abtreibung.com
2010,
http://abtreibung.at/fur-ungewollt-schwangere/methoden/kosten).
6. Die Möglichkeit einer kultursensiblen Beratung und Aufklärung in Österreich
Besonders das Klientel der Familien- und Lebensberatung weist einen wachsenden Teil
an Menschen mit Migrationshintergrund auf (Kunze 2009, S.106). Es sind gerade die
anderen Religionen, allen voran der Islam, welche, wie im vorigen Kapitel beschrieben,
beständig zunehmen. Im Gegensatz zur schwindenden Religiosität der Österreicher (ORF
2008, http://oesterreich.orf.at/stories/375), sind in diesen wachsenden Glaubensrichtungen
religiöse Werte und Traditionen noch wesentlich ausgeprägter und üben stärkeren Einfluss
auf das Verhalten und die Lebensgestaltung ihrer AnhängerInnen aus (Giddens et al.
2009, S.587ff).
Gerade im Sinne einer positiven Integration und eines funktionierenden, multikulturellen
Zusammenlebens sollten Möglichkeiten einer kultursensiblen Beratung und Aufklärung für
Angehörige anderer, in Österreich vorhandener, Religionen geschaffen werden: Die
wichtigste Voraussetzung für eine kultursensible Beratung ist die interkulturelle
Kompetenz, welche die Fähigkeit auf den Glauben eingehen zu können und
religionsspezifischen Beistand zu leisten, darstellt. Dazu ist ein umfassendes Wissen über
die ethischen Ansichten der Religionen, (nicht nur) zu den hier behandelten Themen von
Nöten. Dieses Wissen muss mit den bereits bestehenden Elementen der Lebensberatung
verbunden werden, denn nur die Berücksichtigung von lebensgeschichtlicher, kultureller
bzw. religiöser und gesellschaftlicher Situation kann den effektiven Ansatzpunkt einer
kultursensiblen Beratung darstellen (Kunze 2009, S.78f).
Um kulturgerechte Beratung zu verwirklichen, müssen Träger von Ehe-, Familien- und
Lebensberatungsstellen Interventionen ergreifen, um eine interkulturelle Öffnung des
Unterstützungs- und Beratungssektors zu erreichen. Zu diesem Zweck sollen alle
Hindernisse beseitigt werden, welche die chancengleiche Inanspruchnahme der
43 Beratungsdienste für Menschen mit einem anderen kulturellen oder religiösen Hintergrund
erschweren (Kunze. 2009, S.107f). Dazu gehören in erster Linie Sprachbarrieren, welche
durch multikulturelle Teams, also MitarbeiterInnen verschiedener Herkunft, bewältigt
werden könnten. Die unterschiedlichen, ethnischen und religiösen Hintergründe eines
derartigen Teams, könnten sich positiv auf die interkulturelle Kompetenz der Beratung
auswirken. Um eine ganzheitliche Beratung zu ermöglichen, muss eine Vernetzung zu den
Religionsgesellschaften in Österreich bestehen. Da sich Religionsgemeinschaften in
Österreich organisieren, wissen die AnhängerInnen auch wo sie sakralen Beistand und
Rat einholen können. Einer kultursensiblen Beratung würde aber die bedeutende Aufgabe
zukommen, die ethischen Gebote einer Religion mit der gesetzlichen, strukturellen und
politischen Situation in Österreich zu verbinden. Bei gläubigen Menschen besteht kaum
die Notwendigkeit, sie über ihre eigene Religion aufzuklären, wohingegen glaubenslose
Menschen wenig Wert auf die religiös-ethische Vertretbarkeit ihrer Handlungen legen.
Da diese Menschen aber zumeist Migrationshintergrund aufweisen, ist eine Aufklärung
über die gesetzlichen und strukturellen Möglichkeiten der Verhütung und Abtreibung hier
in Österreich von hoher Relevanz.
Die Einstellungen der Religionen zum Thema Kontrazeption sind mit den heutigen
fortschrittlichen Verhütungsmethoden unvereinbar. Es ist anzunehmen, dass wohl nur
noch in streng konservativen Kreisen Wert auf religiös erlaubte Verhütung gelegt wird.
Außerdem ist, wie aus den vorangegangen Kapiteln hervorgeht, in den meisten Religionen
nahezu
jede
Form
der
Kontrazeption
erlaubt,
da
Sexualität,
abgesehen
vom
Katholizismus, auch in jeder Religion gutgeheißen wird. Doch auch dieses Wissen sollte in
einer kultursensiblen Beratung vermittelt werden, bzw. sollte es der, die Beratung
durchführenden Person, bekannt sein.
Bezüglich der Abtreibung, weist eine religionsspezifische Beratung schon weitaus mehr
Nutzen und Bedarf auf. Denn generell ist die Schwangerschaftskonfliktberatung eine
äußerst schwierige und schwerwiegende Begebenheit, indem eine Schwangere eine
Entscheidung zu fällen hat, welche keinerlei Kompromisse zulässt und nie mehr
rückgängig gemacht werden kann. Da die Entscheidung innerhalb der gesetzlichen Frist
getroffen werden muss, steht die schwangere Frau zusätzlich unter erheblichen Zeitdruck
(Molinski 1981, S.74). Gerade Menschen mit starker religiöser Bindung, erleben diese
ohnehin belastende Situation noch verstärkter (Langsdorff 1996, S.93). Aufgrund der
Furcht vor Strafe bei Zuwiderhandeln gegen göttliche, rituelle Gebote wird der Mensch in
seiner Fähigkeit zur Selbstbestimmung eingeschränkt, denn Entscheidungen werden
gemäß religiösen Richtlinien und Verboten getroffen (Murken 2002, S.2).
44 Wie nun bereits bekannt ist, sind Abtreibungen, mit Ausnahme der medizinischen
Indikation bei Lebensgefahr für die Schwangere, in fast jeder Religion verboten, was einer
religiösen Person die Entscheidung gegen das Kind eigentlich untersagt (Molinski 1981,
S.74). Hinzu kommt, dass die Stellung der Frau in den Religionen sehr minderwertig
ausfällt, was die Möglichkeit einer eigenen Entscheidung weiter verringert. Doch genau
hier setzt nun die kultursensible Beratung, in ihrer symbiotischen Form aus
psychologischer Konflikt- und religionsethischer Betreuung an. Die Beratung muss eine
Vertrauensbasis schaffen, in der sich die Schwangere verstanden und ernstgenommen
fühlt. Im Rahmen der Beratung soll die Frau befähigt werden eigene Entscheidungen
treffen zu können. Wie aus Kapitel 2.3 hervorgeht, ist es für die psychische Gesundheit
der Frau unabdingbar diese Entscheidung selbstständig und ohne äußere Zwänge fällen
zu können.
Die Besonderheit der Beratung ist, dass Gleichgewicht zwischen den Interessen des
Kindes und der Würde und Selbstbestimmung der Frau zu wahren und überdies auf die
soziale, individuelle Situation der Frau einzugehen. In Verbindung mit dem Wissen über
den Glauben und in Zusammenarbeit mit den Religionsgemeinschaften, können somit
spezifische Konfliktbewältigungsansätze erstellt werden. Rabbiner, die in ethischen
Fragen von Jüdinnen und Juden zu Rate gezogen werden, könnten ihre Betreuung mit
den Beratungsstellen verbinden. Ein weiteres, gutes Beispiel stellen Hinduismus und Islam
dar, in welchen traditionsgemäß nur männliche Nachkommen für das wirtschaftliche
Wohlergehen der Eltern sorgen können. Durch Hinweisung auf das österreichische
Sozialsystem, welches auch für alte Menschen und selbstredend für Frauen sorgt, kann
diese ökonomisch-utilitaristische Sorge beseitigt werden. Sollte dennoch die Entscheidung
zur Abtreibung gefällt werden, muss darauf hingewiesen werden wo, wie und unter
welchen Umständen und Voraussetzung dies in Österreich möglich ist.
Wichtig bei der Beratung selbst ist aber, der betroffenen Person den Glauben nicht
ausreden zu wollen, oder diesen sogar zu verunglimpfen. Generell muss eine Beratung
neutral und entscheidungsoffen gestaltet sein. In einer Schwangerschaftsberatung kann
der Betroffenen auch vermittelt werden, wie in Zukunft einem Schwangerschaftskonflikt
auszuweichen sei, ohne dabei religiöse Grundsätze zu verletzen. Wodurch auch das
vorhin angesprochene Wissen der BeraterInnen über die ethischen Ansichten der Religion
zu den Verhütungsmöglichkeiten seinen Nutzen findet.
Der Bedarf an kultursensibler und religionsspezifischer Beratung, wird jedoch nicht nur
allein anhand öffentlicher Einrichtungen gedeckt: In Österreich, besteht im Vergleich zu
Deutschland keine Verpflichtung dazu eine Schwangerschaftskonfliktberatung in einer
45 anerkannten Einrichtung aufzusuchen (§218 dStGB). Dem Schwangerschaftsabbruch hat
lediglich ein Beratungsgespräch mit einem Arzt oder einer Ärztin vorauszugehen, welche/r
nur über medizinische Folgen aufklärt (§97 StGB Abs.1). Im Sinne eines positiven
Entscheidungsfindungsprozesses und im Falle einer vorgenommenen Abtreibung, sollte
auch diese Berufsgruppe, sowie die nachbetreuenden Pflegepersonen über interkulturelle
Kompetenz verfügen, um eine heilsame Verarbeitung des Erlebten zu gewährleisten.
Denn neben der erschwerten Entscheidungsfindung, leiden religiöse Frauen auch weitaus
häufiger und stärker an Schuldgefühlen als religiös ungebundene Frauen (Langsdorff
1996, S.93). Andererseits ist es aber ausgerechnet der Glaube, der einem Menschen,
nach traumatischen Erfahrungen das Gefühl von Trost und Hoffnung gibt, was den
Schmerz besser verträglich macht (Murken 2002, S.2). Es ist unbedingt notwendig, dass
beratendes und medizinisches Personal darüber Bescheid weiß.
7. Schlussfolgerung und Ausblick
Aus dieser Arbeit geht hervor, dass die Religionen zwar unterschiedliche Einstellungen zu
Verhütung und Abtreibung haben, aber dennoch auch Gemeinsamkeiten aufweisen.
Abgesehen vom Katholizismus, betrachten alle hier bearbeiteten Religionen den Mensch
als sexuelles Wesen, woraus sich Legitimationen zur Verhütung ableiten lassen.
Diese fallen, wie erwähnt, unterschiedlich aus, denn während im Judentum die
Verschwendung und (anhaltende) Schädigung des männlichen Samens untersagt ist, wird
im Islam die Unfruchtbarmachung der Frau verboten. Der Protestantismus spricht sich
nicht gegen bestimmte Verhütungsmethoden aus, wohingegen der Katholizismus lediglich
die natürliche Kontrazeption duldet. Auch unter den fernöstlichen Religionen bestehen
Uneinigkeiten:
Der
Empfängnisverhütung
Buddhismus
offen
steht
gegenüber,
sämtlichen
präventiven
wohingegen
der
Maßnahmen
Hinduismus
zur
keinerlei
Geburtenregelung akzeptiert, obgleich das hinduistische Indien aufgrund politischer
Bestimmungen die Verhütung fördert. Mehr Einigkeit unter den Religionen besteht
hinsichtlich der Abtreibung, die in religiösen Moralvorstellungen stets als Tötung
empfunden wird. Nur in wenigen Ausnahmesituationen und innerhalb bestimmter Fristen
wird der Schwangerschaftsabbruch toleriert. Oft bedarf es individueller Prüfung und
Beachtung der Motive, damit eine Abtreibung aus ethischer Sicht als vertretbar gilt. Bis auf
die katholische Kirche, besteht religionsübergreifend
auch der Konsens, dass bei
Lebensgefahr für die Schwangere das Kind abzutreiben sei. Wie aber auch bei der
46 Verhütung
werden
aufgrund
staatlicher,
sozioökonomischer
und
demografischer
Wandlungen und Situationen diese traditionellen, religiösen Wertvorstellungen zum
Thema Abtreibung aber überholt, bzw. ignoriert.
Bei der Betrachtung der Ergebnisse, muss man sich allerdings vor Augen halten, dass es
sich hierbei nur um theoretische Erkenntnisse handelt, welche aus religiösen Schriften,
Geboten und Überlieferungen oder Traditionen abgeleitet wurden.
Dennoch verdeutlichen die aus dieser Arbeit hervorgegangenen Ergebnisse die Relevanz
weiterer Forschung um adäquate, kultursensible Beratung ermöglichen zu können.
Die Arbeit kann den Anstoß, bzw. die Grundlagen für quantitative oder auch qualitative
Forschungsarbeiten darüber geben, wie sich die Einstellungen der Religionen im Lauf der
Zeit an moderne Gesellschaftsformen angepasst und gewandelt haben und wie die
Ansicht der, in Österreich vertretenen, Religionsgemeinschaften aussieht. Weiters können
darauf Studien über die Relevanz multikultureller Beratung aufgebaut werden.
Daraus können in weiterer Folge Curricula für die interkulturelle Ausbildung im
gesundheitlichen und psychosozialen erstellt werden, welche sich von Beratung und
Aufklärung bis hin zur Nachbehandlung und Pflege erstrecken. Auch die vorgeschlagenen
multikulturellen Teams, sollten auf ihre Nutzbarkeit getestet werden.
Diese Arbeit kann zwar noch keine konkreten Lösungen bieten, doch dient sie aufgrund
ihrer Erkenntnisse über die Ansichten der Religionen und der österreichischen Situation
als Ausgangspunkt für weitere Arbeit in Richtung interkultureller Öffnung des Gesundheitsund Sozialwesen und Integration.
47 8. Literaturverzeichnis:
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