Medizinische Universität Graz Bachelorstudium der Gesundheits- und Pflegewissenschaft Bachelorarbeit Die ethischen Ansichten der Weltreligionen hinsichtlich der Empfängnisverhütung und des Schwangerschaftsabbruches und die Möglichkeit einer kultursensiblen Beratung und Aufklärung in Österreich Eingereicht von: Robert Luschan, Matrikelnummer 0733265 am: 22. September 2010 Lehrveranstaltung: Einführung in den interkulturellen Dialogprozess Betreuerin: Maga. Yvonne Adam, Wippertstraße 2, 79100 Freiburg, BRD 2 Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung / Abstract 5 1. Einleitung 7 2. Definitionen 8 2.1. Definition der Schwangerschaft 8 2.2. Definition und Möglichkeiten der Empfängnisverhütung 9 2.3. Definition und Möglichkeiten des Schwangerschaftsabbruchs 3. Die Weltreligionen 12 15 Christentum 16 Judentum 18 Islam 19 Hinduismus 21 Buddhismus 22 4. Die ethischen Ansichten der Weltreligionen bezüglich Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch 23 4.1. Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch im Christentum 24 4.1.1. Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch im Katholizismus 24 Empfängnisverhütung 24 Schwangerschaftsabbruch 25 4.1.2. Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch im Protestantismus 26 Empfängnisverhütung 27 Schwangerschaftsabbruch 27 4.2. Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch im Judentum 28 Empfängnisverhütung 29 Schwangerschaftsabbruch 30 4.3. Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch im Islam 32 Empfängnisverhütung 33 Schwangerschaftsabbruch 34 4.4. Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch im Hinduismus 34 Empfängnisverhütung 35 Schwangerschaftsabbruch 35 3 4.5. Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch im Buddhismus 37 Empfängnisverhütung 36 Schwangerschaftsabbruch 37 5. Die Situation der Angehörigen einer Weltreligion in Österreich 39 6. Die Möglichkeit einer kultursensiblen Beratung und Aufklärung in Österreich 43 7. Schlussfolgerung und Ausblick 46 8. Literaturverzeichnis 48 4 Zusammenfassung In der vorliegenden Arbeit werden die ethischen Ansichten des Christen- und Judentums, des Islams, des Buddhismus und Hinduismus bezüglich der Empfängnisverhütung und des Schwangerschaftsabbruchs bearbeitet. Die Relevanz für diese Arbeit ergibt sich aus dem erheblichen Einfluss, welchen die moralischen Wertvorstellungen innerhalb einer Religion auf das Leben und Verhalten gläubiger Menschen ausübt. Die religiös-ethischen Einstellungen beeinflussen jedoch nicht nur die Entscheidungen des Menschen, sondern wirken sich ebenso auf kulturelle Traditionen und staatliche Rechtsprechungen aus. Aufgrund heiliger Schriften, Ansichten der Religionsstifter, Geboten und Überlieferungen bildeten sich unterschiedliche Auffassungen über die ethische Vertretbarkeit von Verhütung und Abtreibung. So werden in den Religionen verschiedene Verhütungsmethoden und Mittel erlaubt, die in anderen hingegen untersagt sind. Daher finden sich auch Faktoren, Fristen und Motive, die in der einen Glaubensrichtung eine Abtreibung legitimieren, was in einer anderen Religion verboten ist. Ebenso lassen sich aber auch moralische Übereinstimmungen in beinahe allen Konfessionen feststellen, welche sich vor allem auf ein Tötungsverbot, sowie auf den Schutz der Schwangeren beziehen. In Österreich ist die Verhütung und unter bestimmten Voraussetzungen und Umständen, auch die Abtreibung legal, ungeachtet dessen, welcher Religion oder Kultur die betreffende Person angehört. Da nun im weitgehend säkularisierten Österreich die Religiosität der traditionell christlichen Menschen kontinuierlich abnimmt, aufgrund von Migration und erhöhten Geburtenraten, die Anhängerzahl anderer Religionen und Kulturen aber steigt, ergibt sich daraus die dringliche Notwendigkeit einer kultursensiblen Beratung und Aufklärung. Diese hat in erster Linie die Aufgabe, in Zusammenarbeit mit den organisierten Religionsgemeinschaften, auf religionsrechtlich und moralisch erlaubte Verhütungs- und Abtreibungsmethoden hinzuweisen und über gesetzliche und strukturelle Möglichkeiten in Österreich aufzuklären. Die Frau, der aufgrund religiöser Tradition oft das Entscheidungsrecht abgesprochen, bzw. dieses ignoriert wird, soll in dieser Beratung über all die ihr zur Verfügung stehenden Mittel und Optionen aufgeklärt werden. Die Umsetzung und Installierung einer kultur- und religionsspezifischen Beratung würde einen großen Schritt in Richtung Integration und interkultureller Öffnung des Gesundheits- und Sozialsektors bedeuten, woraus sich neue Ausbildungsmöglichkeiten im psychosozialen, ärztlichen und pflegerischen Bereich ergeben. 5 Abstract This paper views the ethic ideals of Christianity, Judaism, Islam, Buddhism and Hinduism, concerning contraception and termination of pregnancy. This is relevant because of the considerable effects of theological morality on the life and the decisions of religious people. But not only the behaviors of single human beings get influenced, even cultural traditions and judiciaries are formed by religious ethics. Because of holy scriptures, religious traditions and because of sayings and opinions of the founder of a religion, different religious views concerning contraception and abortion occurred. So, some religions allow several contraceptives, while others forbid them. As well as there are some reasons and motives which authorize abortion for the one confession, though this won’t be accepted in another religion or culture. Nevertheless there are also moral consensus in nearly all religions, relating to the interdiction of killing and the protection of the pregnant woman. In Austria contraception and under certain circumstances, also abortion is authorized by law, regardless to which religion a woman belongs. Because of the increasing number of people with migration background, a culture-sensitive consultancy becomes necessary. Whose purpose is to inform about ethically permitted options for contraception and abortion in co-work with the organized religious communities in Austria. But the basic appointment is to inform suppressed women about the structural and judicial options, which a person has in Austria. Establishing such a culture-sensitive support would be a big step forward to intercultural opening of health care and welfare. 6 1. Einleitung Der Glaube eines Menschen übt wegweisenden Einfluss auf die Gestaltung seines Lebens aus. In jeder Religion bestehen ethische Wertsysteme, die besagen was gut und böse, was richtig oder falsch ist. Die religiösen Ansichten variieren hinsichtlich bestimmter Themen, weisen aber bei anderen wieder einen gemeinsamen moralischen Konsens auf. Verallgemeinernd kann man behaupten es besteht eine goldene Regel, die in allen Kulturen und Religionen aufzufinden ist und welche die Basis des moralisch-ethischen Zusammenlebens darstellt. Diese besagt Gottes Werk, also den Menschen, nicht zu töten. Ebenfalls stimmen die Religionen darüber überein, dass der Mensch eine Seele besitzt. Genau diese beiden Grundsätze, sind die Gründe für die jahrtausendlange Diskussion über die ethische Vertretbarkeit des willentlich herbeigeführten Aborts eines ungeborenen Kindes. Ab wann ein Mensch aber als beseelt gilt, wird von den verschiedenen Religionen wiederum unterschiedlich bewertet. Ab der Beseelung wird die Tötung aber in jeder einzelnen Religion stark ablehnend behandelt. Auch die Methoden und Rechtfertigungen zur Empfängnisverhütung werden nicht erst seit der Erfindung der Pille diskutiert, sondern weisen eine ebenso lange, religionsgeschichtliche und -ethische Betrachtung wie die Abtreibung auf. Trotz zunehmender Säkularisierung und Globalisierung werden Menschen nachwievor, nicht unbedingt ausschließlich von ihrer Religion, aber zumindest durch ihre damit verbundene Kultur, in Fragen der Verhütung und Abtreibung beeinflusst. Diese Arbeit will daher der Frage nachgehen, welche ethischen Ansichten die Weltreligionen zu den Themen Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch vertreten. Um zusätzlich auch den Aspekt der Migration, bezogen auf die österreichische Situation in die Arbeit mit einzubeziehen, wird daher auch die Frage, wie eine kultursensible Beratung und Aufklärung in Österreich gestaltet sein könnte behandelt. Die Beantwortung der ersten Forschungsfrage erfolgt mittels Literaturrecherche, die einerseits einschlägige Fachliteratur umfasst, aber ebenso direkt auf Versen aus Bibel, Talmud und Koran gründet. Erstere wurden auf ihre Seriosität und Wissenschaftlichkeit geprüft, sinngemäß interpretiert und übernommen, was sich durch detaillierte Zitierung nachweisen lässt. Bei Unklarheit oder fehlender, adäquater Literatur wurden mittels EMail-Anfragen Informationen von den jeweiligen Religionsgemeinschaften in Österreich eingeholt, was stets ausführlich im Text vermerkt ist. Zur Einführung in die Thematik und zum besseren Verständnis, werden zu Beginn die grundlegenden Elemente dieser Arbeit genauer definiert. Um ausreichend über die Religionen Bescheid zu wissen und deren ethische Ansichten zu verstehen, wird im darauffolgenden Kapitel deren 7 Entstehungsgeschichte mitsamt ihren heiligen Schriften, Geboten und Verboten, Traditionen und den Regeln ihrer Religionsstifter vorgestellt, welche im anschließenden Hauptteil dazu dienen, die ethischen Ansichten der einzelnen Religionen bezüglich der Verhütung und Abtreibung zu behandeln. Hierbei wird genau festgehalten, welche Verhütungsmethoden, aus welchen Gründen legitim, sowie unter welchen Umständen, Abtreibungen tolerierbar sind und weswegen dies ein derart schweres Vergehen darstellt. Bei den einzelnen Religionen wird ebenso die rechtliche Situation bzgl. Verhütung und Abtreibung in einem jeweiligen, von der betreffenden Religion dominierten Land, angesprochen. Da sich die zweite Forschungsfrage auf die Möglichkeit einer kultursensiblen Beratung bezieht, wird nach der Beschreibung der religionsethischen Ansichten auf die rechtliche Situation in Österreich eingegangen, wobei hauptsächlich das Strafgesetzbuch als Literaturquelle dient. Um die Relevanz einer solchen Beratung in Österreich zu begründen, werden möglichst aktuelle Zahlen der Konfessionsangehörigen beschrieben. 2. Definitionen In diesem Kapitel sollen die Begrifflichkeiten und die Bedeutungen der Hauptgegenstände, mit welchen sich diese Arbeit befasst, geklärt werden. Da im allgemeinen, deutschen Sprachgebrauch eine Schwangerschaft mit der Befruchtung der Eizelle beginnt, müsste alles, was zur Vermeidung der Befruchtung geschieht, als Empfängnisverhütung und alles was zur Beendigung der weiteren Entwicklung nach der Befruchtung unternommen wird, als Schwangerschaftsabbruch zu klassifizieren sein (Putz 2001, S.5). Um die Thematik aber auch wirklich zu verstehen und diese interpretationsfrei erfassen zu können, ist es notwendig, mehr als nur die reine Wortbedeutung zu definieren. Daher werden in den nun folgenden Unterkapiteln die Verhütung und Abtreibung mitsamt ihren Möglichkeiten und Methoden aus medizinischer und psychologischer Sicht erklärt. 2.1. Definition der Schwangerschaft Die Schwangerschaft, bzw. die Entwicklung des menschlichen Lebens im Mutterleib stellt einen äußerst umfangreichen und komplexen Vorgang dar. Da dieses Kapitel aber nur zur allgemeinen Definition und dem besseren Verständnis der in späteren Kapiteln 8 angesprochenen Begrifflichkeiten und Situationen dient, wird hier nur eine oberflächliche Zusammenfassung geliefert: Als Schwangerschaft (Gestation) bezeichnet die Medizin den Prozess der menschlichen, pränatalen Entwicklung, welcher mit der Befruchtung der Eizelle (Konzeption) beginnt und mit der Geburt (Partus) oder einer vorzeitigen Fehlgeburt (Abort) endet. Dieser Prozess dauert ca. 266 Tage und wird in Embryonal- und Fetalphase unterteilt. Das Alter einer Schwangerschaft wird entweder ab der Befruchtung (p.c.: post conceptionem), oder aber ab dem ersten Tag der letzten Menstruation (p.m.: post menstruationem) gemessen, was meist einen Definitionsunterschied von 2 Wochen beinhaltet. Daher dauert die Schwangerschaft theoretisch auch 2 Wochen länger, also 280 Tage, sprich 9 Kalendermonate. Die eigentliche Befruchtung stellt das Eindringen des Spermiums in die Eizelle (Imprägnation) dar, wobei die Chromosomensätze verschmelzen (Konjugation). Daraus entsteht eine entwicklungsfähige Zelle. Dies ist die Zygote, die nun gesteuert von Ovarialhormonen in die Gebärmutter wandert. Am 4. bzw. 5. Entwicklungstag erreicht sie die Gebärmutterhöhle und entwickelt sich dort zur Blastozyte. Etwa am 8. Tag nach der Konzeption erfolgt die Einnistung (Nidation) der Blastozyte in die Gebärmutterschleimhaut (Endometrium). Dies wird ermöglicht, da bereits nach der Ovulation erhöhte Produktion des Hormons Progesteron stattfand, welches zur Auflockerung der Gebärmutterschleimhaut führte. Erst durch die Nidation wird die Embryonalphase eingeleitet, wodurch nun tatsächlich von Schwangerschaft zu sprechen ist. Dadurch wird auch den Eierstöcken signalisiert, dass keine Notwendigkeit an weiteren Eisprüngen besteht und die Gebärmutterschleimhaut wird nicht mehr abgestoßen, wodurch die Menstruation ausbleibt. Während der Embryonalphase, welche sich über die ersten 8 Wochen p.c. erstreckt, differenzieren sich die Körperzellen. Organe werden ausgebildet und der Embryo erhält menschenähnliche Form. In der darauffolgenden Fetalphase wachsen und reifen die Organe und das Gewebe aus. Wenn die Lungenreifung vollständig abgeschlossen ist, wird automatisch der Geburtsvorgang eingeleitet (Geist et al. 2007, S.96ff; Goerke & Valet 2006, S.38ff). 2.2. Definition und Möglichkeiten der Empfängnisverhütung Der Wunsch eine Schwangerschaft zu vermeiden ist bei weitem kein Phänomen der Neuzeit. Mit dem Wissen über die Befruchtung der Frau durch das männliche Sperma, 9 konnten erste Verhütungsmittel und Methoden entwickelt werden, die das Eindringen der Samenflüssigkeit in den weiblichen Körper zu verhindern versuchten. So waren den Menschen bereits in der Antike Kondome aus Tierdarm und Vaginalschwämme bekannt (Schwikart 2005, S.25). Die Verhütungsmethode die sich in allen Kulturen der Erde finden lässt, ist der coitus interruptus, wobei der Penis vor der Ejakulation aus der Vagina gezogen wird. Dieses Vorgehen wird auch in religiösen Schriften wie der Tora, bzw. Bibel (Genesis 38,9) und in alten asiatischen Schriften genannt. Durch den medizinischen und technologischen Fortschritt besteht heute aber eine Vielzahl von unterschiedlichen und weitaus zuverlässigeren Verhütungsmitteln: Die Empfängnisverhütung, Kontrazeption genannt, kann mittels natürlicher oder künstlicher Methoden geschehen. Ziel beider Varianten ist es, die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft möglichst zu verringern. Zur Messung der Sicherheit einer Verhütungsmethode dient der so genannte Pearl-Index (PI), welcher angibt, wie viele von 100 Frauen schwanger werden, wenn sie mit einer bestimmten Methode ein Jahr lang verhüten. Folglich gilt, je niedriger der Pearl-Index, umso effizienter ist die Methode (Bitzer 2010, S.30). Die natürlichen Methoden der Verhütung bieten einen sehr hohen Pearl Index, sind also überaus unzuverlässig. Es handelt sich dabei um ungeschützten Geschlechtsverkehr, der nur während der unfruchtbaren Tage der Frau stattfindet, oder sich auf Temperaturmessungen oder Kalenderberechnungen verlässt. Die naheliegenste und verbreiteteste natürliche Verhütungspraktik stellt der oben erwähnte coitus interruptus dar. In vielen Entwicklungsländern in denen kein Zugang zu Verhütungsmitteln besteht, sind coitus interruptus und die sexuelle Enthaltsamkeit während der fruchtbaren Tage die einzig möglichen Verhütungsmethoden. Da die Verhütungsmethode des coitus interruptus, aber dennoch völlig ungeschützten Geschlechtsverkehr beruht und schon vor dem männlichen Orgasmus Spermien aus dem Penis austreten, handelt es sich aber um eine äußerst unsichere Methode und weist einen Pearl Index von bis zu 25 auf (Martius & Novotny 2006, S.62). Werden Hilfsmittel zur Schwangerschaftsverhinderung angewandt, so zählt dies zu den künstlichen Methoden der Verhütung. Hierzu gehören das Kondom (PI 7-14, wobei die meisten ungewollten Schwangerschaften aus Anwendungsfehlern hervorgehen), sowie das Diaphragma, indem diese das Eindringen der Spermaflüssigkeit in den Uterus verhindern. Das Diaphragma, oder auch Scheidenpessar (PI 20-25), wird vor dem Geschlechtsakt in die Scheide der Frau eingeführt und oft mit Spermiziden (PI 3-25), wobei es sich um Spermien-abtötende Cremes handelt, kombiniert. Längerfristigen Schutz bietet das Intrauterinpessar (PI 0,5-2,7), bekannter unter dem Namen Spirale, welches 10 ebenso zu den künstlichen Verhütungsarten zählt. Anders als das Diaphragma, wird es vom Arzt in die Gebärmutter eingesetzt, wo es mehrere Jahre verbleiben kann. Es wirkt entweder durch den Kupferanteil, dessen Ionen toxische Wirkung auf das Sperma haben, oder durch die Abgabe des Hormons Gestagen. Die Hormonspirale, häufig als Intrauterinsystem bezeichnet, beeinflusst die Produktion der Gebärmutterschleimhaut, sodass den Samenzellen die Beweglichkeit genommen und eine womöglich befruchtete Eizelle am Einnisten in die Schleimhaut gehindert wird. Hormonelle Verhütung stellt mittlerweile in den westlichen und östlichen Industrienationen das am häufigsten verwendete Mittel zur Schwangerschaftsverhinderung dar. Jedoch nicht in Form der Hormonspirale, sondern anhand oraler Ovulationshemmer, der Anti-Baby-Pille (PI 0,1–0.9). Die Erfindung (1957) und Verbreitung der Pille gilt nicht nur als medizinischer Meilenstein, sondern auch als gewaltiger Einflussfaktor auf die soziale und ethische Entwicklung des 20 Jahrhunderts. Die Pille wird oral eingenommen und wirkt durch eine Kombination aus den Hormonen Östrogen und Gestagen, welche die Eireifung, sowie den Eisprung verhindern (Clauss & Clauss 2009, S.360; Martius & Novotny 2006, S.65). Als Alternative zur Pille bietet auch die Dreimonatsspritze guten Schutz (PI 0,5) die mittels injizierten Hormonen ebenfalls den Eisprung hemmt. Weitere hormonelle Verhütungsmittel sind die Minipille (PI 0,5-3), welche nur Gestagen enthält und die Verhütung mittels Verdickung der Gebärmutterschleimhaut gewährleistet; der Vaginalring (PI 0,65), der über einen Zeitraum von 3 Wochen in die Vagina eingesetzt wird und dort Östrogen und Gestagen abgibt; das Hormonpflaster (PI 0,9), welches dieselben Hormone über den Hautkontakt abgibt; sowie ein etonogestrelhaltiges Implantat (PI 0,1-0,8) welches unter die Haut des Oberarms eingesetzt wird und Hormondosen freisetzt. Die Postkoitalpille, bekannt als Pille-danach, ist ein ebenfalls hormonhältiges Präparat, welches aber erst nach dem Geschlechtsverkehr eingenommen wird. Es ist weitaus höher dosiert und eignet sich daher nicht als reguläres Verhütungsmittel, sondern nur in Fällen in denen nicht verhütet wurde, bzw. das eigentliche Verhütungsmittel versagt hat. Streng genommen handelt es sich dabei um gar kein Verhütungsmittel, da es nicht kontrazeptiv, sondern interzeptiv wirkt, indem es die Einnistung der befruchteten Eizelle in die Gebärmutterschleimhaut verhindert (Kiechle 2007, S. 187). Dennoch ist die Postkoitalpille nicht mit der so genannten Abtreibungspille Mifegyne vergleichbar, da diese einen Schwangerschaftsabbruch herbeiführt, wohingegen die Pille-danach eine Schwangerschaft von vornherein verhindert (vgl. Kap. 2.2). Abgesehen von Kondomen, sind all die eben genannten Kontrazeptiva am weiblichen Körper anzuwenden und benötigen regelmäßige Einnahme, bzw., Auffrischung. Hingegen 11 ist die Sterilisation, ein chirurgischer Eingriff um den Menschen unfruchtbar zu machen, bei beiden Geschlechtern möglich. Beim Mann erfolgt dies mittels Abbinden oder Durchtrennen der Samenleiter (Vasektomie), wohingegen die Sterilisation der Frau durch die Abbindung oder Durchtrennung der Eileiter geschieht. Da es sich bei der Sterilisation um einen irreversiblen Eingriff handelt, lassen sie Frauen und Männer oft nach abgeschlossener Familienplanung vornehmen, oder wenn Schwangerschaften aus medizinischen Gründen zu vermeiden sind. Die Sterilisation stellt zwar eine äußerst sichere Verhütungsmaßnahme dar, doch weist auch der Eingriff eine gewisse Versagerquote auf, wodurch die Sterilisation der Frau, je nach Verfahren (Durchtrennen ist zuverlässiger als Abklemmen) einen Pearl-Index von 0,2-0,5 und die Sterilisation des Mannes 0,1-1,15 aufweist. (Kiechle 2007, S.195; Martius & Novotny 2006, S.66f) Wenn der Geschlechtsakt vollzogen wird, ohne dabei zu verhüten, besteht ein Pearl-Index von ca. 85-90, abhängig vom Alter der Frau (Kiechle 2007, S.181). 2.3. Definition und Möglichkeiten des Schwangerschaftsabbruches Mindestens genauso alt wie die Verhütung, ist auch der beabsichtigte Schwangerschaftsabbruch. Da die altertümlichen Verhütungsmethoden auch äußerst unzuverlässig waren, war die Abtreibung zwangsweise wesentlich verbreiteter und stellte ein effektiveres Instrument zur Geburtenregelung dar. Schon Platon (429-347 v.Chr.) sprach sich in seinem bekannten Werk Der Staat für den Schwangerschaftsabbruch als Mittel zur Geburtenregelung aus (Jütte 2003, S.28). Dahinter steckt die volkswirtschaftliche Überlegung das Bevölkerungswachstum zu bremsen und die Ausdehnung der Massenarmut zu unterbinden. Techniken und Mittel um eine Schwangerschaft zu beenden, waren damals bereits ausreichend bekannt. Durch das Wissen über die pharmakologische Wirkung bestimmter Kräuter und Pflanzenextrakte konnten medizinische Gifttränke gemixt werden, die zu heftigen Magen-Darm-Krämpfen und Uterusblutungen führten, was in weiterer Folge einen Abort nach sich zog. Wer diese Tränke nicht zur Verfügung hatte, konnte durch mechanische Einwirkungen, wie große körperliche Anstrengung, ständiges Auf- und Abspringen oder Schläge auf Unterbauch und Gesäß, den Abort des Fötus bewirken (Zöllner 2007, S.5). Der Gebrauch dieser Techniken beschränkte sich jedoch bei weitem nicht nur auf den griechischen oder europäischen Raum, sondern fand und findet bei Naturvölkern nachwievor, weltweit Anwendung. In der Vorstellung der Griechen wurde das Kind erst mit der Geburt beseelt, 12 was den Schwangerschaftsabbruch rechtfertigte. Lange Zeit war in der Antike diese Form der Geburtenregelung akzeptiert und weder mit moralischen, noch strafrechtlichen Konsequenzen verbunden. Doch gab es auch hier schon Kontroversen, da besonders der hippokratische Eid, der das ethische Handeln des Arztes festlegte, gegen die Tötung des ungeborenen Wesens sprach (Bergdolt 2004, S.52ff). Weder die Durchführung der Abtreibung, noch der Streit um die Zulässigkeit und ethische Vertretbarkeit sind demnach Phänomene der Neuzeit. Aus medizinischer Sicht ist ein Schwangerschaftsabbruch die absichtliche, künstliche Beendigung einer intakten Schwangerschaft, die operativ oder pharmakologisch durchgeführt werden kann (Martius & Novotny 2006, S.72). Wird eine Abtreibung bereits in der sehr frühen Phase der Schwangerschaft (bis zum 49.Tag p.m.) vorgenommen, wird der Abbruch meist medikamentös herbeigeführt. Hierbei kommt die, in Kap. 2.1. angesprochene Abtreibungspille zum Einsatz. Diese Pille, die unter dem Namen Mifegyne (Wirkstoff: Mifepriston) gehandelt wird, bewirkt die Öffnung des Muttermundes und die Ablösung der Gebärmutterschleimhaut. Das 48 Stunden später eingenommene Gewebshormon Prostaglandin löst ein Zusammenziehen der Gebärmutter aus, was zu einer künstlichen Fehlgeburt führt, indem die Gebärmutterschleimhaut mitsamt Embryo ausgestoßen wird. Bis zur 14. Schwangerschaftswoche p.m., bzw. bis zu einem Querdurchmesser des kindlichen Schädels im Mutterleib von 30mm wird gewöhnlich ein operatives Verfahren angewandt. Dabei wird mit einem stumpfen Röhrchen, einer so genannten Saugkürette, über die Vagina in die Gebärmutter eingedrungen und der eingenistete Embryo abgesaugt. Diese Vorgehensweise ist mit einer sehr geringen Komplikationswahrscheinlichkeit verbunden, dauert nur wenige Minuten und verursacht kaum Nebenwirkungen oder Folgeschäden. Eine risikoreichere Methode ist die Kürettage, bei welcher mittels Kürette, einem löffelartigen Instrument die Gebärmutter ausgeschabt und der Embryo entfernt wird. Dieses Vorgehen kommt heute aber nur mehr dann zum Einsatz, wenn nach einem Schwangerschaftsabbruch mit anderen Methoden noch Reste des Embryos, oder sonstige Gewebereste aus der Gebärmutter zu entfernen sind. Nach zeitlichem Überschreiten der 14. Schwangerschaftswoche p.m. muss zum erfolgreichen Abbruch einer Schwangerschaft eine Fehl- bzw. Frühgeburt eingeleitet werden (Kiechle 2007, S.247). Gleich wie bei dem frühen Abbruch (bis zum 49.Tag p.m.) werden Mifegyne, gefolgt von einem Prostaglandin verabreicht, was zu einem Absterben des Fötus und zum Ausstoß desselben führt. Dabei besteht die Möglichkeit, dass im Rahmen dieses Vorgehens ab der 22. Schwangerschaftswoche p.m. der Fötus lebend 13 ausgestoßen wird. Um dem entgegenzuwirken wird die Blutzufuhr durch die Nabelschnur unterbunden, oder Kaliumchlorid injiziert, welches einen Herzstillstand des Fötus verursacht. Da es sich hierbei um einen Spätabbruch handelt, können Plazenta und Eihäute oft nicht vollständig ausgeschieden werden, wodurch diese, wie eben beschrieben, anschließend mittels Kürettage ausgeschabt werden müssen (Martius & Novotny 2006, S.73). Sofern ein Schwangerschaftsabbruch komplikationsfrei verläuft, hat dies keine weiteren Auswirkungen auf die Gesundheit oder Fruchtbarkeit der Frau und der erste Eisprung setzt ca. 2-3 Wochen nach geschehener Abtreibung ein. In Ländern und Kulturen in denen das Abtreiben eines ungeborenen Kindes aber verboten ist, besteht eine höhere Komplikationsrate, da Abbrüche demzufolge illegal durchgeführt werden. Unter unhygienischen Bedingungen, werden diese von teils unqualifizierten Personal, mit äußerst fragwürdigen Methoden vorgenommen. Dies kann zu enormen Schwierigkeiten führen, wie den Tod der Mutter (Bey 2005, S.40). Eine deutsche Studie konnte nachweisen, dass eine statistisch signifikante Zunahme von Frühgeburten nach Schwangerschaftsabbrüchen, Fehl- und Totgeburten besteht (Voigt, et al. 2008, https://www.thieme-connect.com/ejournals/abstract/zgn/doi/10.1055/s-2008-1004690). Allerdings wird in der Studie nicht näher darauf eingegangen, dass bei einer Frau, die einst eine Abtreibung hat vornehmen lassen, das erhöhte Risiko nun eine Frühgeburt zu erleben womöglich auf Stress, Rauchen oder niedrigen sozialen Status zurückzuführen ist. Die psychischen Auswirkungen eines Schwangerschaftsabbruches können nicht eindeutig genannt werden. Studien und Befunde widersprechen sich im Hinblick auf die emotionale und psychische Lage der Frau, da diese stets individuell und situationsabhängig ist. Der Schwangerschaftsabbruch kann eine Frau schwer traumatisieren, andererseits aber auch tatsächlich positive Folgen nach sich ziehen. Die Frau, die sich zu einer Abtreibung ihres ungeborenen Kindes entschließt, befindet sich in einer Konfliktsituation und sieht sich in einer Notlage, welche sie schnellstmöglich beseitigen möchte. Daher sind die Gefühle nach der Abtreibung in der Regel sogar meist positiv. So beschreiben 60-80 Prozent der betroffenen Frauen ihren Gefühlszustand als entlastet, erleichtert oder zufrieden. Dies trifft vor allem auf Frauen zu, die sich selbstständig und zwanglos zu diesem Schritt entschieden haben. Frauen, die durch andere Personen zu diesem Entschluss gedrängt wurden, erleben den Abbruch konfliktreicher als jene Schwangeren, deren Entscheidung eigenmotiviert gefällt wurde (Putz 2001, S.82). Demnach konnte eine britische Studie auch nachweisen, dass Schwangerschaftsabbrüche das Risiko psychologischer Probleme im Vergleich zu ausgetragenen, ungeplanten Schwangerschaften nicht signifikant erhöhen (Gilchrist et al. 1995, 14 http://bjp.rcpsych.org/cgi/content/abstract/167/2/243). Eine weitere Studie behauptet sogar das genaue Gegenteil, da sie beobachtete, dass Frauen, die eine ungewollte Schwangerschaft abbrachen, weniger psychische Probleme entwickelten, als die, die das Kind austrugen (Russo & Zierk 1992, S. 269f). Dem widerspricht allerdings eine weitere Arbeit, in welcher festgestellt wurde, dass unter Frauen die abtreiben ließen, deutlich öfter Depressionen auftreten, als bei Frauen die nie schwanger waren, oder das Kind austrugen (Fergusson et al. 2006, http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1469- 7610.2005.01538.x/abstract). Besonders Abtreibungsgegner verweisen oft auf das so genannte Post-Abortion-Syndrome (PAS), welches psychisch-emotionale Probleme nach einem Schwangerschaftsabbruch beschreiben soll. Allerdings wird die Existenz dieser Krankheit von der Medizin nicht anerkannt (Grimes & Creinin 2004, http://www.annals.org/content/140/8/620.full). Die Meinungen und selbst die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die psychischen Folgen einer Abtreibung, sind also äußerst widerspruchsvoll und zweiseitig. Analysen über die wissenschaftlichen Untersuchungen der letzten 20 Jahre, die das Thema der psychischen Probleme nach Abtreibungen behandeln, kamen aber zu dem Schluss, dass die qualitativ besten Studien die These widerlegen, dass ein Schwangerschaftsabbruch psychische Probleme verursache (Major et al. 2008, S.87ff; Charles et al. 2008, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19014789). 3. Die Weltreligionen Eine klare Definition von Religion ist schwer zu formulieren. Es besteht eine Vielzahl an unterschiedlichen soziologischen und psychologischen Begriffsbestimmungen von dem was unter Religion zu verstehen ist. McCutcheon (2005) definiert Religion als „einen Begriff, der verwendet wird um Glaubensvorstellungen, Verhaltensmuster und soziale Institutionen zu beschreiben, die sich mit dem Ursprung, dem Ende und der Bedeutung des Universums, dem Leben nach dem Tod, der Existenz und den Wünschen mächtiger, nichtmenschlicher Wesen, wie Geister, Ahnen, Götter und die Art und Weise wie dies alles das menschliche Verhalten prägt, befassen.“ (McCutcheon 2005, S. 10f). Religionen findet man in allen uns bekannten gesellschaftlichen Systemen und jeder Kultur. Die religiösen Riten und Götterwelten der Antike sind uns heute noch gut bekannt, doch finden wir auch eindeutige Hinweise aus religiöse Symbole und Zeremonien aus frühesten Kulturen, über die wir nur aufgrund archäologischer Funde Bescheid wissen. So 15 lassen Höhlenmalereien darauf schließen, dass es den Glauben an das Überirdische, Göttliche schon vor 40.000 Jahren gab. Im Lauf der Zeit nahmen Religionen einen zentralen Platz in der Menschheitsgeschichte ein und bestimmten, wie Menschen ihre Umwelt wahrnahmen und beeinflussten (Giddens et al. 2009, S.553). Besonders wichtig für diese Arbeit ist es, festzuhalten, dass der Mensch in seinem Handeln, seinen Moralund Wertvorstellungen seit jeher stark von seiner Religion beeinflusst wurde (Klöcker & Tworuschka 2005, S.1; Schwikart 2005, S.9). Der Begriff Weltreligion wird von der modernen Religionswissenschaft abgelehnt. Da ja schon die Bedeutung des Begriffes Religion stark umstritten ist, wird es als zu kompliziert betrachtet, klare Kriterien für die Bestimmung einer Weltreligion zu nennen (Hutter 2008, S.9). Definiert man eine Weltreligion allein anhand ihrer Anhängerzahl, dürften wir das Judentum nicht mehr als solche sehen, da diese mit einer Anhängerzahl von ca. 15 Millionen wesentlich kleiner ist, als die übrigen großen Religionsgemeinschaften (CIA 2010, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/xx.html). Setzt man allerdings geografische Verbreitung als Charakteristikum für eine Weltreligion voraus, gilt zwar das weitverbreitete Judentum, aber nicht mehr der Hinduismus als Weltreligion, da über 80 Prozent der Hindus in Indien leben (Hutter 2008, S.12; Schwikart 2005, S.97). Auch aufgrund der teils blutigen Auseinandersetzungen innerhalb einer Religionsgemeinschaft, z.B. Sunnitischer vs. Schiitischer Islam, oder Katholizismus vs. Protestantismus wird es schwierig von Weltreligionen zu sprechen. Neben den Religionen nehmen besonders in den letzten Jahren philosophische und spirituelle Glaubensgemeinschaften zu, die religionsartige Charakteristika aufweisen und daher als neue religiöse Bewegungen betrachtet werden (Giddens et al. 2009, S.571). Um nun eine passende Auswahl an Religion für diese Arbeit zu finden, wird die Religion in ihrer ursprünglichen Bedeutung gesehen, also Glaube an spirituelle Mächte, wodurch religionsähnliche Philosophien ausgeschlossen werden. Um die ethischen Ansichten der Religionen bearbeiten zu können, wird im Folgenden besonders auf heilige Schriften und Überlieferungen eingegangen, da sich daraus in allen Religionen Verhaltensweisen und ethische Anweisungen der Religionsstifter, Gottes, bzw. der Götter ableiten lassen. Aufgrund ihrer Anhängerschaft, der Verbreitung, dem historischen Hintergrund und der vorhandener Literatur werden folgende Religionen in dieser Arbeit behandelt: Christentum: Das Christentum konnte in seiner beinahe 2000-jährigen Geschichte zur anhängerreichsten Religion aufsteigen. In etwa 33,32 Prozent der Weltbevölkerung, demnach ca. 2,25 Milliarden Menschen, sind christlichen Bekenntnisses (CIA 2010, 16 https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/xx.html). Auch hinsichtlich der geografischen Ausbreitung stellt das Christentum die verbreiteteste Religion dar, da es auf jedem Kontinent in mehreren Ländern die Hauptreligion einnimmt. Wenngleich auch seit den 1970er Jahren die Mehrheit der ChristInnen nicht mehr auf der nördlichen, sondern südlichen Hemisphäre lebt. Die Wurzeln des christlichen Glaubens liegen im Judentum, gestiftet durch den jüdischen Wanderprediger Jesus von Nazareth (4 v.Chr. – 30 n.Chr.), im römisch besetzen Palästina. Nach seinem Kreuzigungstod wurde er von seinen Jüngern als der Messias angesehen, was auf Hebräisch „der Gesalbte“ bedeutet und dem griechischen Ausdruck Christos entspricht, woraus sich sein heutiger Name Jesus Christus ableitet und der Religion ihren Namen gab. Jesus wurde damals wie heute als Sohn Gottes verehrt. Erste Missionarsarbeit lieferte der Apostel Paulus (? – 62 n.Chr.), der den christlichen Glauben bis nach Rom brachte, wo das Christentum nach anfänglicher Verfolgung im Jahr 313 zur offiziellen Staatsreligion wurde. Die weitere christliche Geschichte ist geprägt von weltweiter, oft gewaltsamer Missionarstätigkeit, was auch die umfangreiche Ausdehnung der christlichen Religion erklärt. Im 16.Jahrhundert erfuhr die christliche Kirche, aufgrund der Reformation eine tiefgehende Spaltung. Anlass dafür waren Streitigkeiten über die moralischen Zustände, die Auslegung biblischer Texte, sowie Ablehnung des Ablasshandels und der kirchlichen Korruption. Daraus entstanden neue Konfessionen, die sich im engeren Sinne als protestantische Kirche bezeichnen lassen (Hutter et al. 2008, S.53ff; McGrath 2005, S.311f). Das zentrale Element des Christentums ist der eigenen Ansicht nach, die bedingungslose Liebe Gottes den Menschen gegenüber. Die christlichen Lehren und Dogmen basieren auf der Bibel: Vom Leben Jesu, von seinen Lehren, seinem Leidensweg, Tod und der anschließenden Auferstehung berichten die Evangelien. Diese bilden den Hauptteil des Neuen Testaments der Bibel, welches aufbaut auf die hebräische Bibel, die von den ChristInnen als Altes Testament bezeichnet wird (Schwikart 2005, S.54; McGrath 2005, S.326). Als Ausgangspunkt des ethischen Handelns, wird im Christentum aus der Liebe Gottes, die Nächstenliebe abgeleitet. Auch die Zehn Gebote aus dem Alten Testament und Lehren Jesu aus dem Neuen Testament stellen Quellen der Ethik dar, die in allen christlichen Konfessionen auftauchen (Hutter 2008, S.67). Lange Zeit prägte das Christentum maßgeblich die Geschichte Europas, sowie später auch jene Nord- und Südamerikas. Doch durch das Zeitalter der Aufklärung im 17. bzw. frühen 18. Jahrhundert wurde das Christentum politisch in erheblichem Maße geschwächt 17 und verlor massiv an Einfluss. Die Trennung von staatlicher und kirchlicher Macht, sowie die verbesserte Allgemeinbildung, förderten die Säkularisierung, wodurch im Laufe der Zeit der Anteil bekennender ChristInnen rapide nachließ und noch immer nachlässt (Schwikart 2005, S.55). Dennoch hält vor allem die katholische Kirche nach wie vor an stark konservativen, theologischen Traditionen, die mit modernen Lebensformen unvereinbar sind, fest (Hutter 2008, S.67). Im Gegensatz dazu, konnte sich im Protestantismus eine Liberalisierung vollziehen, wodurch sich die evangelische Kirche in ihren ethischen Vorstellungen vermehrt den gesellschaftlichen, sozialen und zwischenmenschlichen Veränderungen zuwenden und anpassen konnte. Während der Katholizismus konservative Ansichten vertritt, steht die protestantische Kirche individuellen Rechten in Familie, Gesellschaft und Politik offener gegenüber. Judentum: Das Judentum ist die älteste der monotheistischen, abrahamitischen Religionen. Ihr Ursprung geht bereits auf ca. 1.500 Jahre vor unserer Zeitrechnung zurück (Hutter 2008, S.34; Giddens et al. 2009, S.564). Das Judentum ist aufgrund seiner langen Beständigkeit, Geschichte, weiten Verbreitung und politischem Einflusses zu den Weltreligionen zu zählen, wenngleich die Anhängerschaft des Judentums mit über 15,56 Millionen Menschen (0,23 Prozent der Weltbevölkerung) im Vergleich zu den anderen Weltreligionen verschwindend gering erscheint (CIA 2010, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/xx.html). Der Begriff Judentum bezeichnet nicht nur die Angehörigkeit zum jüdischen Glauben, sondern steht auch für die Zugehörigkeit zum Volk der Juden. Dies umfasst die Gesamtheit aus Kultur, Geschichte, Religion und Tradition des sich selbst als Volk Israel bezeichnenden jüdischen Volkes. Für das Judentum ist kein eigentlicher Religionsstifter festzustellen. Moses, dem am Berg Sinai die Zehn Gebote durch Gott (im hebräischen Jahwe genannt) vermittelt wurden, kann gewissermaßen als solcher angesehen werden (Hutter 2008, S.36ff). Auch die Tora, in denen die fünf Bücher Mose den Pentateuch darstellen, gilt als von ihm abgefasst, aufgrund wortgetreuer Offenbarung durch Gott. Die darin enthaltenen Mitzwas stellen Gebote für das Leben und Handeln der Jüdinnen und Juden dar. Der Pentateuch ist der erste Teil des Tanachs, der Heiligen Schrift des Judentums, welche für die ChristInnen das Alte Testament ist. Neben dem Tanach, stellt vor allem der Talmud ein wichtiges, wenn nicht sogar das wichtigste Schriftwerk des Judentums dar. Denn dieser beinhaltet zahlreiche, überlieferte Religionsgesetzte. Das ethische Empfinden im Judentum ist eng mit der Halacha verbunden. Diese wird aus traditioneller Sicht als die rechtliche Verkörperung der göttlichen Instruktionen angesehen. 18 Historisch gesehen ist sie ein Teil des Talmuds. In diesen rechtlichen Auslegungen sammeln sich die verschiedenen Ansichten der Rabbiner, Weisen und Gelehrten (Christianson 2006, 282ff). Auch die Halacha beinhaltet verschiedene Mitzwas, welche das ethische Verhalten anleiten sollen. Zusätzlich dazu bestehen moralische Standards, die dem Grundsatz verpflichtet sind, den rechten Weg und dem was gut ist, zu folgen. Prinzipiell bildet die Halacha aber kein festgefügtes System aus Rechtsvorschriften, sondern eher ein konversationelles Modell, welches keine endgültigen Lösungen kennt und eine Mehrzahl von wohlüberlegten Positionen ermöglicht. Dies gilt auch für die Problematik der Abtreibung und Empfängnisverhütung. Hohen Status haben auch die Noachidischen Gebote inne, welche für alle Menschen gelten sollten, auch für NichtJüdinnen und Nicht-Juden (Giddens et al. 2009, S. 564; Loth 2005, S.25f). Islam: Der Islam stellt nach dem Christentum mit seinen über 1,42 Milliarden AnhängerInnen weltweit die zweitgrößte Religion dar, was ca. 21,01 Prozent der Weltbevölkerung entspricht (CIA 2010, https://www.cia.gov/library/publications/the-worldfactbook/geos/xx.html). Im deutschen Sprachgebrauch werden die AnhängerInnen dieser Religion als Musliminnen, bzw. Muslime oder Moslems bezeichnet (Schwikart 2005, S.76). Der Islam entstand aus den Lehren des, in Mekka geborenen Religionsstifters, Mohammed (570 - 632) im 7.Jahrhundert n. Chr. Mohammed gilt als Prophet Gottes, bzw. Allahs (das arabische Synonym für Gott) da er im Alter von 40 Jahren seine Berufung zum Gesandten Allahs erlebte und von da an in Mekka und Medina den Glauben an den einen wahren und einzigen Gott predigte, der Schöpfer und Richter aller Menschen und Lebewesen sei. In Medina wurde Mohammed zum religiösen und politischen Führer des Islams, was nicht nur die Geburtsstunde einer Religion, sondern auch der gesamten islamischen Kultur darstellte. Während seines Wirkens in Mekka und Medina wurden Mohammed in Erscheinungen und Visionen abschnittsweise der Koran offenbart, welcher die heilige Schrift des Islams darstellt. Der Koran umfasst 114 Abschnitte, genannt Suren die bestimmte religiöse und rituelle Themen, wie Schöpfung und Jenseitserwartung, sowie Anweisungen für den Gottesdienst, das Fasten oder die Hygiene thematisieren. Ebenso sind aber auch ethische Ansichten und Moralvorstellungen in Form von Geboten und Verboten enthalten. Da der Koran im islamischen Glauben das direkte, unverfälschte Wort Gottes darstellt, kommt ihm eine dementsprechend hohe Wertschätzung zu und so bestimmen die Gebote des Korans damals wie heute das Leben der gläubigen MuslimInnen (Hutter 2008, S.87ff). Auch die so genannten fünf Säulen des Islam, welche 19 die Grundlage des islamischen Glaubens repräsentieren, sind inhaltlich aus dem Koran abgeleitet: Das Glaubensbekenntnis (Schahada), welches besagt dass Allah der einzige Gott und Mohammed sein Prophet ist; das tägliche rituelle Pflichtgebet, mit der Niederwerfung in Richtung Mekka; das Fasten im Monat Ramadan, in welchem MuslimInnen tagsüber nicht essen, trinken oder sexuell aktiv werden dürfen; die Gabe von Almosen an Arme und Hilflose und die Wahlfahrt nach Mekka, welche jeder Moslem nach Möglichkeit einmal im Leben besuchen sollte (Giddens et al. 2009, S.565f, Schwikart 2005, S.78). Die ethischen Pflichten innerhalb des Korans sind konkrete Vorschriften, welche Gott den Menschen auferlegt, damit diese ihr Leben gottgefällig gestalten. Dadurch ist die islamische Ethik auch theologisch begründet (Hutter 2008, S.97). In der 17.Sure des Korans werden ethische Forderungen, die den Zeitverhältnissen Mohammeds entsprachen, als normative Grundlagen für das Leben der MuslimInnen genannt. Diese ethischen Verhaltensweisen sind bis in die heutige Zeit gültig geblieben, auch wenn ihre wenig konkrete Formulierung in den verschiedenen Rechtsschulen und Traditionen in der islamischen Welt unterschiedliche Auslegungen erfahren haben. Einige dieser Vorschriften stehen in Zusammenhang mit den Zehn Geboten aus dem Juden- und Christentum, bzw. lehnen sich an christliche und jüdische Traditionen an. So wird z.B. das ungerechtfertigte Töten anderer Menschen, sowie auch der Geschlechtsverkehr zwischen unverheirateten Personen untersagt (Hutter 2008, S.97). Selbst die islamische Rechtslehre, Scharia genannt, leitet sich neben anderen Quellen, wie Übereinkünften islamischer Gelehrter, hauptsächlich aus dem Koran ab. Die Scharia stellt, je nach Staat das Gesetzesbuch bzw. die göttlichen Rechtsvorschriften der islamischen Welt dar (Anderson 2006, S.381). Außerhalb des Korans kommt auch den Hadithen große Bedeutung zu. Dabei handelt es sich um Überlieferungen von angeblichen Aussagen und Taten des Propheten Mohammed, die aber nicht in der Heiligen Schrift enthalten sind (Kerr 2006, S.271). Der Islam war von Beginn an nicht nur eine Religion, sondern auch ein religionsrechtliches und sozialethischen System (Hutter 2008, S.87). Daher verkörpert er auch eine gesamte Kultur und prägt in jenen Staaten, in welchen die Mehrheit der Bevölkerung sich zu ihm bekennt, die Kunst, das Rechtswesen, das Bildungssystem und sogar die wirtschaftlichen Beziehungen (Schwikart 2005, S.77). Aufgrund politischer Geschehnisse, wie dem NahOst Konflikt, der islamischen Revolution im Iran oder dem Irakkrieg, mehrte sich in den letzten Jahren der islamische Fundamentalismus. Dieser konnte sich nicht nur auf ganze Staaten, wie Nigeria oder Afghanistan ausbreiten, sondern fand auch bei, in westlichen 20 Ländern lebenden MuslimInnen Anklang. Diese grenzen sich stark gegen die westliche Kultur ab und besinnen sich auf wortgetreue Auslegungen des Korans und gelten als integrationsunwillig (Giddens et al. 2009, S.591f) Hinduismus: Der Hinduismus wird auch oft als Religion Indiens bezeichnet. Immerhin leben knapp 80 Prozent aller weltweiten AnhängerInnen des Hinduismus in Indien (Schwikart 2005, S.97). Dennoch handelt es sich beim Hinduismus weniger um eine Religion als eine Kultur, in deren Kontext zahlreiche eigenständige polytheistische Religionenn unter dem Allgemeinbegriff Hinduismus zusammengefasst werden (Hutter 2008, S.121). Daher zählt dieser heute knapp 898 Millionen AnhängerInnen, was ca. 13,26 Prozent der Weltbevölkerung Glaubensgemeinschaft entspricht weltweit und somit darstellt die (CIA drittgrößte 2010, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/xx.html). Wenn auch der Hinduismus eher als Bündel von mehreren miteinander verwandten Religionen gesehen werden sollte, so bestehen doch viele lokale Kulte und religiöse Praktiken, die durch allgemein akzeptierte Überzeugungen miteinander verbunden sind. Die meisten HinduistInnen akzeptieren die Doktrin des Reinkarnationszyklus, also den Glauben daran, dass alle Lebewesen dem ewigen Prozess von Geburt, Tod und Wiedergeburt unterliegen. In welcher Form, also als welches Wesen (Mensch, Tier oder Gott) man wiedergeboren wird, ist abhängig von den Taten in den vorherigen Existenzen, woraus das Karma resultiert. Das Karma ist ein spirituelles Konzept, nachdem jede Handlung und auch jeder Gedanke Konsequenzen mit sich bringt und den Kreislauf der Wiedergeburt bis hin zur Erlösung beeinflusst (Giddens et al. 2009, S.566). Religiös-kulturellen Zusammenhalt bieten auch die Veden, die heiligen Schriften des Hinduismus (Hutter 2008, S.122). Diese enthalten Vorschriften und Regeln für das Leben und die Riten der HinduistInnen (Schwikart 2005, S.97). Im Vergleich zu anderen Religionen finden sich in diesen heiligen Schriften aber nur wenige Anweisungen für ein moralisches Leben. Diese Aufgabe übernimmt das Dharma welches, Gesetz, Recht und Sitte, sowie ethische und religiöse Verpflichtungen beinhaltet. Die hinduistische Ethik bestimmt das Leben der HinduistInnen in vielfältiger Art und Weise. Denn diese sehen die Beachtung des Dharmas nicht nur als Voraussetzung für soziales Wohlergehen, sondern auch für eine gute persönliche Entwicklung. Von der Erfüllung des Dharmas hängt für sie auch das Karma ab (Zaehner 1990, S.10). Auch das Tantra stellt ein bedeutendes Schriftwerk der hinduistischen Religionsphilosophie dar, weil sich daraus der Tantrismus ableitet. Dieser lehrt, das 21 Streben nach Loslösung von der Sinneswelt anhand ritueller Gebräuche der Sinne, beispielsweise durch ritualisierte Sexualität (Schwikart 2005, S.138). Ein weiteres Hauptmerkmal, bzw. eine Übereinstimmung in allen indischen Religionen, ist die Ordnung der Gesellschaft anhand eines Kastensystems. Auch dieses Konzept einer hierarchischen Sozialordnung gründet auf der Annahme, dass jeder Mensch aufgrund seines Karmas aus früheren Leben in eine bestimmte Position einer gesellschaftlichen und rituellen Kaste hineingeboren wird (Giddens et al. 2009, S.566). Bis zur heutigen Zeit spielt das Kastensystem (Varnas) in Indien eine erhebliche soziokulturelle Bedeutung. Durch diesen Gesellschaftsaufbau, unterteilt in die Hauptkasten der Priester und Gelehrten der Veden (die Brahmanen), Krieger, Fürsten, Händler , Handwerker und zahlreiche Unterkasten, werden die Mitglieder der Gesellschaft entsprechend ihrer Herkunft und ihres Berufes kategorisiert. Eheschließungen und somit auch Sexualität sind nur innerhalb derselben Kaste erlaubt. Im Laufe der Zeit haben sich berufliche und sozioökonomische Wandlungen vollzogen, wodurch viele dieser Kastenberufe nicht mehr existieren. Des Weiteren gehört ein Großteil der in Indien lebenden Menschen gar keiner Kaste an, die sogenannten Unberührbaren, in Sanskrit als Paria bezeichnet. Daher hat das moderne Indien die Kasten abgeschafft und allen die gleichen Rechte im demokratischen Staat zugesichert. Im täglichen und vor allem religiösen Leben sind diese Schranken aber noch spürbar (Schwikart 2005, S.99f). Buddhismus: In vielen Ländern des Fernen Ostens findet sich die Religion der BuddhistInnen. Mit einer weltweiten Anhängerschaft von ca. 395 Millionen Menschen, umfasst sie ungefähr 5,84 Prozent der Weltbevölkerung und ist somit die viertgrößte Religion der Erde factbook/geos/xx.html). (CIA 2010, https://www.cia.gov/library/publications/the-world- Seit mehreren Jahrzehnten findet der Buddhismus als naturverbundene, erkenntnissuchende Religion aber auch in Europa und Nordamerika eine stetig wachsende Zahl von AnhängerInnen (Hutter 2008, S.18). Der Buddhismus kennt keine Götter, sondern basiert auf den Lehren des Siddharta Gautama oder Buddha (der Erleuchtete), einem Hindufürsten, der im 6. Jahrhundert v.Chr. im Süden Nepals lebte, sich aber von dem luxuriösen Leben eines Adeligen lossagte. Buddha betonte ethische Ideale, die den Gläubigen in eine Beziehung zum natürlichen Zusammenhalt und zur Einheit des Universums setzen (Giddens et al. 2009, S.567). Basierend auf hinduistischen Lehren, wie dem Dharma, oder dem Tantrismus erklärt auch der Buddhismus, dass jede Handlung Folgen nach sich zieht, gemäß dem Gesetz von Ursache und Wirkung. Wobei es sich um das ebenfalls aus dem Hinduismus bekannte 22 Karma handelt, welches wiederum bedingt, ob ein Mensch nach seinem Tod noch einmal leben muss und unter welchen Bedingungen man wiedergeboren wird (Schwikart 2005, S.117). Hinduistische Traditionen, sowie das Kastensystem lehnte Buddha aber grundsätzlich ab. Nach seinen Lehren kann der Mensch aus dem Reinkarnationskreislauf durch Entsagung entkommen. Der Weg zur Erlösung besteht in einem Leben voll Selbstdisziplin und Meditation, jenseits aller weltlichen Pflichten. Das Endziel des Buddhismus ist das Nirwana, welches die völlige geistige Erfüllung darstellt und durch das korrekte moralisch-ethische Verhalten im Leben erreicht wird (Giddens et al. 2009, S.567). Den allgemeinen Kern buddhistischer Ethik bilden fünf Tugenden, Pancasila genannt: Gewaltlosigkeit, Bescheidenheit, Wahrheit sprechen, keine Rauschmittel konsumieren, und Keuschheit, wobei letztere aber nur für Mönche gilt. Aus diesen Grundsätzen der Ethik verbietet sich für BuddhistInnen der Handel mit lebenszerstörenden Gegenständen wie Waffen oder Gift, sowie die Ausübung gewisser Berufe, bei denen Lebewesen getötet oder unterdrückt werden. Das Schlachten eines Tieres zum Zweck des Verzehrs ist davon ausgenommen (Hutter 2008, S.30). 4. Die ethischen Ansichten der Weltreligionen bezüglich Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch Einführend zu den nun folgenden Kapiteln über die ethischen Ansichten der Religionen zu den Themen Verhütung und Abtreibung, muss erwähnt werden, dass hier die allgemeine Linie der ethischen Vorschriften und Regeln betrachtet wird, basierend auf heiligen Schriften, Geboten, Traditionen und Überlieferungen. In jeder Religion gibt es unterschiedliche Ausprägungen, die von konservativen bis zu liberalen Einstellungen reichen. So stehen z.B. moderne Jüdinnen und Juden den hier behandelten Themen offener gegenüber als orthodoxe Jüdinnen und Juden, sowie auch fundamentalistische ChristInnen und MuslimInnen strengere Ansichten haben, als zeitgemäße, fortschrittliche AnhängerInnen des Christentums oder Islams. Das breite Spektrum dieser Ausprägungen ebenfalls in dieser Arbeit zu behandeln, würde aber den Rahmen sprengen. Dennoch wird eine gute, detaillierte und fachlich begründete Übersicht über die Einstellungen der eben beschriebenen Weltreligionen zum Thema Schwangerschaftsabbruch und Empfängnisverhütung gegeben. 23 Wenn in den folgenden Kapiteln über die religiöse Legitimation von Schwangerschaftsabbrüchen gewisse zeitliche Fristen angesprochen werden, so ist dies, wenn nicht anders angegeben, aus historischen Gründen (Fehlen von medizinischen Feststellungsmöglichkeiten) stets post menstruationem zu rechnen. 4.1. Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch im Christentum Aufgrund der teils gewaltigen Unterschiede zwischen den zwei großen christlichen Konfessionen werden die ethischen Ansichten des Katholizismus und Protestantismus bzgl. der Verhütung und Abtreibung hier getrennt behandelt. Da in Kapitel 5 die rechtliche Situation in Österreich angesprochen wird, wird an dieser Stelle darauf verzichtet die Gesetzeslage in einem christlichen Beispielland zu erörtern. Zur orthodoxen Kirche, auf die in dieser Arbeit nicht eingegangen wird, ist zu sagen, dass diese Abtreibung strikt ablehnt, hinsichtlich der Verhütung bestehen unterschiedliche Meinungen, wobei die Kontrazeption in der Ehe teilweise erlaubt wird (Meißner 2010, S.7). 4.1.1. Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch im Katholizismus Durch die Auferlegung des Zölibats und der Ehelosigkeit für Geistliche im 11.Jahrhundert, entwickelte sich eine starke kirchenrechtliche und religionsethische Ablehnung der Körperlichkeit und der Sexualität (Hutter 2008, S.67). Im Gegensatz zu den anderen Weltreligionen lehnt der Katholizismus die Vorstellung des Menschen als sexuelles Wesen rigoros ab und wertet das Lustempfinden des Menschen als Sünde. (Schwikart 2005, S.55). Sex hat nur in der Ehe stattzufinden, welche im katholischen Glauben eine stark generative, also rein auf Fortpflanzung ausgerichtete Bedeutung einnimmt (Bartholomäus 2005, S.27). Doch nicht nur deswegen steht der Katholizismus so streng wie kaum eine andere Religion der Verhütung und erst recht der Abtreibung gegenüber. Der katholische Kirchenlehrer Thomas von Aquin (1225-1274) bezeichnete seinerzeit das Sperma als „Gefährt der Seele“, was jede Form der Verhütung oder Abtreibung zum Mord an einer Seele macht (Schwikart 2005, S. 26). Empfängnisverhütung: Zu behaupten die katholische Kirche erlaube die Empfängnisverhütung wäre aufgrund ihrer konservativ- restriktiven Haltung zu weit gegriffen. Denn Verhütung gilt als etwas Unnatürliches. In der Bibel (Genesis 38,9) wird 24 von der damals weitverbreiteten Methode des coitus interruptus berichtet. Die Person die ihn ausübt, genannt Onan (der fälschlicherweise zum Namensgeber der Onanie wurde) begeht damit ein derart schweres Vergehen, sodass ihn Gott sterben lässt (Dies gilt selbstverständlich auch für das Judentum, was dabei zweckentfremdende Emission genannt wird und ein Verbot der Samenverschwendung darstellt). In der Enzyklika Humanae Vitae, einer Abhandlung über die „Ordnung der Weitergabe des menschlichen Lebens“ von Papst Paul VI. von 1968, werden sämtliche Methoden der Verhütung verurteilt. Einzig die Beobachtung der zyklusabhängigen unfruchtbaren Tage werden in diesem Rundschreiben als vereinbar mit der katholischen Lehre erachtet. Ansonsten sei der Sexualakt aber grundsätzlich nur für die Zeugung zu nutzen (Schwikart 2005, S.67). Lockerung in Form der kirchlichen Billigung der Familienplanung kam erst im Jahre 1992, als der Katechismus der Katholischen Kirche 2368 (KatKK 2368; ein Handbuch über die Grundsätze des röm.-kath. Glaubens, approbiert durch Papst Johannes Paul II.) den Ehepaaren die Möglichkeit der Empfängnisregelung erlaubte: „Aus berechtigten Gründen dürfen die Eheleute für Abstände zwischen den Geburten ihrer Kinder sorgen wollen.“ (Bartholomäus 2005, S.27). Die erlaubte Empfängnisregelung bezieht sich auf die, laut Katechismus, „natürliche Familienplanung“. Somit war nicht mehr jeder einzelne Geschlechtsverkehr auf die Kinderzeugung ausgerichtet, sondern ausgeweitet auf die gesamte Ehe. Aufgrund des generativen Charakters der Ehe erlaubt der Katholizismus zwar nicht kinderlos zu bleiben, doch konnte durch den Katechismus die strenge Verbindlichkeit von Sexualität und Fortpflanzung gelockert werden. Dem Ehepaar wird insofern eine gewisse Art der Selbstbestimmung ermöglicht, indem die Kirche eröffnet, dass es „an ihnen ist, zu prüfen ob ihr Wunsch nicht auf Egoismus beruht, sondern dem angebrachten Großmut einer verantwortlichen Elternschaft entspricht.“ (KatKK 2368). Die Methode zur Empfängnisregelung, die laut Kirche den „objektiven Kriterien der Moral“ entspricht, sind dem KatKK 2370 nach, natürliche Methoden wie die Enthaltsamkeit und die Vollziehung des Aktes während der unfruchtbaren Periode der Frau. Sterilisation von Mann oder Frau, sowie jede Handlung die vor, während oder nach dem Akt geschieht und darauf abzielt die Fortpflanzung zu verhindern, ist hingegen moralisch verwerflich (Bartholomäus 2005, S. 27; Schwikart 2005, S.67). Schwangerschaftsabbruch: Die katholische Kirche verbietet die Abtreibung aufs Schärfste. Im KatKK 2270 findet sich die Begründung: „Das menschliche Leben ist vom Augenblick der Empfängnis absolut zu achten und zu schützen. Schon im ersten Augenblick seines Daseins sind den menschlichen Wesen die Rechte der Person zuzuerkennen, darunter 25 das unverletzliche Recht jedes unschuldigen Wesens auf Leben.“ (Bartholomäus 2005, S. 27). Folglich beginnt das Leben des Kindes im katholischen Glauben bereits mit der Zeugung. Die Empfängnis ist kein lediglich biologischer Vorgang, sondern stellt mit Schwangerschaft und Geburt den ethischen Empfang dar, den Eltern ihrem Kind bereiten. Eine Abtreibung kann daher unter keinen Umständen gerechtfertigt werden, nicht einmal in Fällen, in welchen die Schwangerschaft durch Vergewaltigung zustande kam. Selbst auf Kosten der Mutter, wenn die Schwangerschaft lebensbedrohlich ist, behält das ungeborene Leben Priorität (Schwikart 2005, S.68). 4.1.2. Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch im Protestantismus Anders als im Katholizismus, der ausschließlich von Männern bestimmt wird, finden sich in der protestantischen Kirche auch Frauen als geistliche Würdenträger. Dieser Umstand ist gewiss ebenfalls ein ausschlaggebender Grund für die weitaus tolerantere moralischethische Betrachtung der Verhütungs- und Abtreibungsdiskussion (Gindulis 2003, S.32). Die grundlegenden Ansichten der protestantischen Kirche zu den Themen der Abtreibung und Verhütung festzustellen, erweist sich allerdings als äußerst komplex. Denn im Gegensatz zum Katholizismus, mit dessen Oberhaupt dem Papst, lehnt die protestantische Kirche eine zentralistische Kirchenvorstellung ab (Gindulis 2003, S.30). Da der Protestantismus folglich auch kein Lehramt kennt, sind verschiedene Auffassungen und Ansichten der einzelnen, regionalen und nationalen Kirchen möglich. Da in dieser Arbeit speziell Bezug auf Österreich genommen wird, soll an dieser Stelle die offizielle Linie der Evangelischen Kirche Österreichs bzgl. der Verhütungs- und Abtreibungsthematik beschrieben werden. In dem katholisch dominiertem Land, stellt die Mitgliederzahl evangelischer Kirchen, jedoch nur einen äußerst geringen Anteil der Bevölkerung dar (siehe Kapitel 5.), weswegen auch die Ansichten der Evangelischen Kirche Deutschlands miteinbezogen werden. Um die Objektivität dieser Arbeit zu wahren, soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die evangelische Kirche Österreichs als einzige der hier thematisierten Religionen die Möglichkeit hatte, sich durch offizielle Vertreter selbst zu ihren Ansichten zu äußern. Dies geschah mangels adäquater Literatur zu den ethischen Ansichten des Protestantismus, was wohl zurückzuführen ist, auf die eben erwähnten, verschiedenen Ausprägungen und uneinheitlichen Meinungen der evangelischen Kirchen. 26 Empfängnisverhütung: Der Protestantismus steht der Verhütung weitaus liberaler gegenüber als die katholische Kirche. Zwar waren die großen Reformatoren Martin Luther (1483-1546) und Johannes Calvin (1509-1564) der Auffassung, dass die Beseelung des Menschen bereits mit der Befruchtung erfolgt (Müller-Terpitz 2007, S.70), doch konnte sich dennoch, innerhalb der meisten evangelischen Kirchen, eine Anpassung an moderne Lebens- und Gesellschaftsformen vollziehen. Die evangelische Ethik verweist auf die Verantwortlichkeit der Partner, die entscheiden müssen wann Verhütung gerechtfertigt, oder sogar geboten ist (Schwikart 2005, S.67). Die Evangelische Kirche in Österreich sieht in der Verhütung die Möglichkeit für den Menschen, das eigene Leben und das der Familie sinnvoll zu gestalten (E-Mail von Pfarrer Dr. Christoph Weist, [email protected], Redaktion Evangelischer Presseverband in Österreich, Ungargasse 9/10, A-1030 Wien). Auch die Evangelische Kirche in Deutschland spricht die Verhütung durchaus positiv an und nennt sie sogar als unvermeidbar, sofern die Bereitschaft zur Übernahme der Verantwortung einer möglichen Elternschaft fehlt (Schwikart 2005, S.67). Beide beziehen sich dabei nicht nur auf verheiratete Paare. Weiters bestehen im Protestantismus auch keine Verbote für spezielle Verhütungsmethoden. Schwangerschaftsabbruch: Angesichts der Abtreibung herrscht zwischen katholischer und protestantischer Kirche mehr Einigkeit als bei der Verhütungsfrage (Schwikart 2005, S.68). So stellten auch der Rat der evangelischen Kirche Deutschlands und die Deutsche Bischofskonferenz übereinstimmend fest, dass es sich bei vorgeburtlichem Leben, durch die Verschmelzung von Ei- und Samenzelle, nicht um ein rein vegetatives Leben, sondern um werdendes, individuelles Menschenleben handelt (Schleissnig 2005, S.31). Dennoch begann im deutschen Protestantismus bereits Anfang der 1920er Jahre der Konsens, dass Abtreibung in jedem Falle zu missbilligen sei, zu schwinden. Dadurch wurde die Abtreibung in der Situation, in welcher das Leben der Mutter durch die Schwangerschaft bedroht wird, als ethischer Grenzfall in Form der allerletzten Möglichkeit (ultima ratio) toleriert. Nach Ende des zweiten Weltkrieges weitete sich die ethische Vertretbarkeit einer Abtreibung auch auf die Schwangerschaften, die aus Vergewaltigungen entstanden aus. (Schleissing 2005, S.29). Dennoch sah die Evangelische Kirche in der Durchführung einer Abtreibung ein Zuwiderhandeln der göttlichen Gebote (Anselm 1994, S.213). Gleichzeitig entwickelte sich aber auch die Ansicht, „dass zur Menschlichkeit menschlichen Lebens dessen Annahme durch Gott und deshalb auch durch den Menschen gehört.“ (Baumann 1972, S.135). Was bedeutet, dass die Gültigkeit des Lebens erst mit der freien Entscheidung der Eltern und der Gesellschaft 27 beginnt. Daher war der ethische Ansatzpunkt der Konfliktbewältigung bei den Eltern zu finden und der von ihnen zu treffenden Gewissensentscheidung. Demzufolge begann nach evangelischem Verständnis die Anwendung ethisch qualifizierter Beratung an Bedeutung zu gewinnen, wodurch in den 1990er Jahren die evangelische Kirche für eine Beratungspflicht plädierte, die zwar entscheidungsoffen, aber zugleich eindeutig für das Lebensrecht des Kindes einzutreten habe. Auch die evangelische Kirche in Österreich ist nach eigenen Angaben „nicht dafür, überlässt diesen Schritt jedoch - sozusagen als "ultima ratio" – der Gewissens-entscheidung der Frau.“ (E-Mail von Pfarrer Dr. Christoph Weist, [email protected], Redaktion, Evangelischer Presseverband in Österreich, Ungargasse 9/10, A-1030 Wien). Da sich dies auf die evangelischen Kirchen in Deutschland und Österreich bezieht, bleibt allgemein festzuhalten, dass der weltweite Protestantismus trotz allem zu bedenken gibt, dass eine Abtreibung eine Tötung beginnenden Lebens sei. Im Gegensatz zum Katholizismus hat der Protestantismus aber nichts einzuwenden gegen eine Abtreibung aufgrund medizinischer Indikation, welche die Mutter schützt. Ethische Legitimation der Abtreibung einer Schwangerschaft die aus Vergewaltigung entstand, ist im weltweiten dennoch Protestantismus strittig (Schwikart 2005, S.68). 4.2. Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch im Judentum Einem Eingriff in die Reproduktion, sei es nun in Form der Verhütung oder schon der Abtreibung steht im Judentum schon die allererste Mitzwa in der Tora gegenüber, die besagt: „Seid Fruchtbar und mehret euch.“ (Bereschit 1,28). Kinder zu haben ist für den männlichen Juden eine religiöse Pflicht, welche sich auf mindestens zwei Kinder bezieht, von jedem Geschlecht eines (Schulchan Aruch, Even ha-Eser 1,3). Die Tanachstelle Jesaja 45,18 besagt, dass Gott die Welt zum Wohnen geschaffen habe und um Gottes Willen zu befolgen, ist es demnach auch erforderlich, dass Menschen gezeugt und geboren werden um die Erde zu bevölkern. Eine weitere Mitzwa interpretiert Kohelet 11,6 demgemäß, dass ein Mann nicht nur in der Jugend, sondern auch noch im Alter heiraten und Kinder zeugen sollte. Auch die erwartete Ankunft des Messias stellt die Fortpflanzung als wichtige Aufgabe dar, da dieser erst kommen wird, wenn alle noch ungeborenen Seelen den so genannten Guf, ihren vorgeburtlichen Aufenthaltsort, verlassen haben und geboren wurden (Jebamot 62a, Aboda Zara 5a, Niddal 13b). 28 Neben Geboten und der Auslegung religiöser Schriften hat auch die jüdische Geschichte stark zu der Fortpflanzungspflicht beigetragen. Die Verfolgung und Ermordung des jüdischen Volkes reicht von der Antike über die mittelalterlichen Kreuzzüge bis zu ihrem Höhepunkt in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten, in denen ca. 6 Millionen europäische Jüdinnen und Juden getötet wurden (Loth 2005, S.26; Schwikart 2005, S.36). Der Wunsch danach eine Zeugung zu verhindern, bzw. eine bereits geschehene Befruchtung abzubrechen, widerspricht also vielen religiösen und ethischen Standpunkten, die dem jüdischen Glauben auferliegen. Dennoch gibt es kontroverse Diskussionen über Ausnahmeregelungen und Bibel- bzw. Tanachinterpretationen die diese Ausnahmen zulassen: Empfängnisverhütung: Das Thema Sexualität ist im Gegensatz zum katholischen Christentum im Judentum weit weniger tabuisiert. Ganz im Gegenteil: Sexualität wird akzeptiert und gutgeheißen. Im sexuellen Begehren wird sogar ein Instrument zum Erhalt des häuslichen Friedens gesehen (Kohelet Raaba 12,5). Dennoch gehört Sex ausschließlich in die Ehe und ist außerhalb dieser Paarbeziehung streng verboten (Schwikart 2005, S.42). Doch genau diese Bedingung eröffnet Möglichkeiten und Legitimationen der Empfängnisverhütung. Um die ihm obliegende Mitzwa Kinder zu zeugen zu erfüllen, darf der Mann nicht ehelos bleiben. Er darf daher aber auch keine sterile Frau heiraten. Andererseits obliegt dem Ehemann aber auch die Mitzwa der ‘Ona, die für die Erfüllung seiner ehelichen Pflicht steht (Exodus 21,10). Die ‘Ona, also das Gebot der Befriedigung seiner Frau kann als separate Mitzwa von der Zeugungspflicht unterschieden werden, wodurch der eheliche Akt nicht mehr rein zur Fortpflanzung betrieben werden muss. Wie bereits erwähnt, wird dadurch auch der häusliche Frieden erhalten. Verboten sind allerdings Verhütungsmethoden die durch die Vernichtung, oder Schädigung der männlichen Samenzellen erfolgen, was auch als zweckentfremdete Emission (hasch-hatat zera) bezeichnet wird und die antike und älteste Verhütungsmethode, den coitus interruptus untersagt. Da die Mitzwa der Fortpflanzung aber nur den Männern, nicht aber der Frau obliegt, sind den Jüdinnen traditionellerweise Methoden der Geburtenkontrolle gestattet. Daher kennt bereits der Talmud den Moch als legitime Empfängnisverhütung an. Dabei handelt es sich ein um einen Bausch aus Wolle, der in die Vagina eingeführt wird um das Eindringen des Spermas zu verhindern. Diese damals sehr unsichere Methode, lässt sich aber in der heutigen Zeit auf neuere Arten der Kontrazeption übertragen: Arten der Empfängnisverhütung die nicht mit dem Vernichtungsverbot von männlichen Samenzellen 29 in Konflikt geraten und Ähnlichkeiten mit dem Moch aufweisen, sind Pessare, Diaphragma oder chemische Spermizide. Auch ein verhütender Pflanzentrank wird bereits im Talmud erwähnt (Schabbat 109a) und liefert somit Vorbild und Legitimation für Verhütungsmittel, wie die Anti-Baby-Pille. Die ovulationshemmende Pille widerspricht weder dem Verbot der Spermavernichtung, noch verhindert sie die Fortpflanzungspflicht des Mannes, da sie den Eisprung bei der Frau verhindert. Nicht erlaubt ist hingegen die Beobachtung von sicheren Tagen, da dies eine Art der Abstinenz darstellen würde, die mit der ‘Ona, der ehelichen Pflichterfüllung unvereinbar ist (Loth 2005, S.26). Auch das heute meistverwendete Verhütungsmittel, das Kondom ist aufgrund des Verbots der zweckentfremdeten Emission untersagt (Schwikart 2005, S.48). Nachdem auch ein Gebot der Fruchtbarkeit besteht, ist eine Sterilisation von Mann oder Frau nach jüdischer Ethik ebenfalls nicht vertretbar. Schwangerschaftsabbruch: Im dem Torakapitel Bereschit 9,6 wird die Abtreibung anhand eines Verbotes Menschenblut zu vergießen untersagt. Ob es sich bei einem ungeborenen Kind bereits um einen Menschen handelt, wird nicht nach naturwissenschaftlichen, sondern nach religiösen Deutungen bestimmt. Der Fötus im Mutterleib wird in der hebräischen Formulierung, gemäß Sanhedrin 57b bereits als „Mensch im Mensch“ bezeichnet. Seine Tötung würde also gegen dieses Noachidische Gebot verstoßen. Folglich ist das menschliche Leben dem Judentum heilig und besitzt einen intrinsischen Wert an sich: Es deutet jedes Leben als gleich. Dennoch existieren Umstände unter denen der Schwangerschaftsabbruch als halachisch zulässig betrachtet wird: Wenn der Fötus das Leben der Mutter bedroht, so ist eine Abtreibung aus halachischer Sicht erlaubt. Denn unter diesen Umständen ist der Fötus als Aggressor (rodef) anzusehen, der versucht die Frau, die lebensbedrohliche Probleme bei der Schwangerschaft oder der Geburt hat, umzubringen. Und nach dem Gesetz darf jeder, der eine andere Person in Tötungsabsicht bedroht, selbst getötet werden (rotzeach uschemirath nefesch 1,9). Gleichzeitig wird an selber Stelle aber auch erwähnt, dass diese Erlaubnis nur Gültigkeit besitzt, sofern noch nicht der, laut Ohalot 7,6 „größere Teil“, was sich auf den Kopf bezieht, des Kindes zum Vorschein gekommen ist. Loth (2005) beschreibt dies folgendermaßen: „Solange nicht der Kopf des Kindes im Geburtskanal zum Vorschein kommt, bleibt es Teil der Mutter und ist nur potentielles Leben und keine Person (näfäsch) im halachischen Sinne.“ (Loth 2005, S.25). Auch andere talmudische Vorstellungen genehmigen einen Schwangerschaftsabbruch aufgrund halachischer Definitionen. Denn der Embryo gilt bis zum 40. Tage als „pures 30 Wasser“ und somit noch nicht als Leben (Jawemot 7,6). Dem Ungeborenen wird erst 40 Tage nach der Zeugung von Gott die Seele eingehaucht. Ab diesem Zeitpunkt ist eine Abtreibung nur mehr zulässig, sofern Gefahr für die Gesundheit (pikkuach näfäsch) besteht. Auch der Ehemann wird dabei zur Rechtfertigung einer Abtreibung herangezogen, da es auch ihn vor Kummer durch einen eventuellen Verlust der geliebten Ehefrau, zu schützen gilt. Dennoch ist die Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch nicht von seiner Zustimmung abhängig. Neben Talmudauslegungen bestehen aber ebenso andere ethische und menschliche Anlässe, die einen Schwangerschaftsabbruch legitimieren können: Die Würde der Person/en (kevod ha-berijjot), der Schmerz der Frau (za‘ar) und die Wahrung des häuslichen Friedens (schelom bajjit). So ist beispielsweise im Falle einer, aus Vergewaltigung entstandenen Schwangerschaft die Abtreibung erlaubt. Auch eine pränatal diagnostizierte, schwere Erbschädigung des Fötus, wie z.B. das Tay-Sachs-Syndrom (einer autosomal-rezessiv vererbten Stoffwechselstörung die besonders häufig bei osteuropäischen Jüdinnen und Juden auftritt) gilt als legitimier Grund für eine Abtreibung (Loth 2005, S.25). Und um den Hausfrieden zu wahren, wird auch einer reumütigen Ehebrecherin die Abtreibung erlaubt (Schwikart 2005, S.48). Da aber keine eindeutig festgeschrieben Regeln für Abtreibungsfälle in Tanach, Talmud, etc. existieren, orientiert sich bei derart ethischen Fragestellungen der jüdische Glaube an dem biblischen und rabbinischen Grundsatz: Der Mensch lebe durch die Gesetze und die Rechtssatzung Gottes (Leviticus 18,5; Sanhedrin 59a). Daher ist es die Aufgabe des Rabbiners, in der konkreten Situation die, im ethischen Sinne erfolgsversprechende Verhaltensregel, bzw. Richtlinie der Halacha zu suchen und dementsprechend zu entscheiden (Schiff 2002, S.267). Der Rabbiner stellt also eine Art Ethikkommission dar, der in einzelnen Fällen prüft, ob ein Schwangerschaftsabbruch nach jüdischer Ethik und Recht zulässig ist. In Israel ist der Schwangerschaftsabbruch seit 1977 legal. Gemäß den religionsrechtlichen Ansichten ist die Abtreibung auch gesetzlich erlaubt, sofern der Fötus eine schwere Behinderung aufweist, die Schwangerschaft durch Vergewaltigung zustande kam oder die Schwangerschaft eine gesundheitliche Bedrohung für die Frau darstellt. In diesen Fällen übernimmt der Staat die gesamten Kosten der Abtreibung. Ebenso ist eine Abtreibung aber auch zulässig, wenn die Schwangere unter 17 oder über 40 Jahre alt ist, oder wenn sie verheiratet ist, die Schwangerschaft aber aus außerehelichem Geschlechtsverkehr entstand. Hierbei muss sich die Frau aber an den Kosten beteiligen. Seit 1980 ist eine 31 Abtreibung auch erlaubt, wenn sich die Frau in finanziellen Schwierigkeiten befindet (HaGalil Online 2006, http://www.hagalil.com/01/de/Israel.php?itemid=123). 4.3. Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch im Islam Im Koran lassen sich keine genauen Äußerungen zu Abtreibung und Verhütung in Form von Ver- oder Geboten finden (Badry 2005, S.23). Der Koran, der Prophet und die islamische Tradition haben der Sexualität keine übertriebene Aufmerksamkeit geschenkt, sie wird allerdings durchaus befürwortet und als Selbstverständlichkeit akzeptiert (Schwikart 2005, S.79). Dennoch, oder auch genau deswegen, werden diese Themen angeregt diskutiert in der islamischen Welt. Prinzipiell kommt dem Leben und dessen Bewahrung in der heiligen islamischen Schrift ein hoher Stellenwert zu. Das Verbot der Kindestötung aus Angst vor Armut (6,151; 17,32) oder sozialer Schande (16,59) bezieht sich auf eine bereits in vorislamischer Zeit regional verbreitete Praxis, von der wohl besonders neugeborene Mädchen betroffen waren. In Anbetracht dieser Ausgangslage und der im Koran beschriebenen Sexualethik, in Form von Polygamie, Konkubinat und Trennung von Sexualakt und Zeugung, waren Verhütung und Abtreibung wohl schon im frühen Islam ein wichtiges, offen diskutiertes Thema (Badry 2005, S.24). Der Umstand, dass muslimische Ehepaare meist viele Kinder haben, ist nicht auf mangelnde Verhütungsmöglichkeiten zurückzuführen, sondern auf die im Islam vorherrschende, positive Einstellung dem Kinderhaben gegenüber (Rubin 2003, S.10). Laut Schwikart (2005) gilt es durch eine große Kinderzahl sogar den „Islam zu stärken, zu verbreiten und zu Bevölkerungswachstum vermehren“ in (Schwikart muslimischen 2005, Länder S.89). führt zu Doch kaum das rasche bewältigbaren sozioökonomischen Problemen. Dies veranlasste viele islamische Länder seit Mitte des 20. Jahrhundert dazu, bevölkerungspolitische Maßnahmen zu ergreifen. So erfolgte im Jahr 1989 sogar im streng islamischen Gottesstaat Iran ein radikaler Kurswechsel, der weg von der geförderten, hohen Geburtenrate, hin zum Trend der Kleinfamilie führte (Badry 2005, S.24). Und auch die Möglichkeit der Abtreibung wurde bis zum vierten Schwangerschaftsmonat ausgeweitet, sollte das Kind behindert. Bei bestehender gesundheitsschädigender Gefahr für die Schwangere, ist auch im Iran eine Abtreibung stets zulässig (Vienna Online 2009, http://www.vienna.at/news/tp:vol:news-welt/cn/volnews-yvhunnius-20050412-101949). 32 Empfängnisverhütung: Der Prophet Mohammed hat sich nicht eindeutig zur Empfängnisverhütung geäußert. Prinzipiell halten die Rechtsgelehrten diese für erlaubt, denn es bestehen mehrere Hadithe, die besagen, dass der coitus interruptus, genannt ‘Azl, die übliche Verhütungsmethode zur Zeit des Propheten gewesen sei und von ihm nicht verboten wurde. Einerseits wird nun behauptet, es sei zwar zu besagter Zeit üblich gewesen, was aber noch nicht seine Anwendung rechtfertige, wohingegen andere meinen, wenn es der Prophet nicht eindeutig verurteilte, dann sei es eine indirekte Erlaubnis, welche die Verhütung und Geburtenkontrolle, auch in Form anderer Methoden generell genehmige. Daher fanden mit der Zeit auch weitere kontrazeptive Techniken Gebrauch in der islamischen Welt (Schwikart 2005, S.89). Juristische, medizinische und literarische Werke aus vormodernen Zeiten bestätigen, dass die religiös-rechtliche Erlaubnis zur Empfängnisverhütung und zum Gebrauch von Kontrazeptiva unter Muslimen weit verbreitet war. Dennoch gibt und gab es konservative Stimmen die gegen Geburtenkontrolle waren, wie den Gelehrten Ibn Hazm (994-1063). Dieser sprach sich gegen die Empfängnisverhütung aus, da er darin einen Widerspruch zur göttlichen Vorherbestimmung sah: Allah alleine stehe schließlich die Entscheidung über Tod und Leben, somit auch über Fertilität und Sterilität zu. Weiters berief sich Hazm auf einen Hadith, demzufolge Mohammed den coitus interruptus mit heimlichen Kindesmord verglichen habe, was durch den Koran eindeutig untersagt wird. Wegen der bekannten Unzuverlässigkeit dieser Verhütungsmethode überzeugt diese Argumentation aber kaum (Badry 2005, S.24). Ein akzeptierter Verhütungsgrund im Islam sind ökonomische Überlegungen. So beschrieb der Gelehrte Al-Ghazzali (1058-1111) die Motive Angst vor der Geburt, Sorge ein Mädchen zu gebären, oder die Abneigung gegen das Stillen als nicht hinreichend. Ökonomische Bedenken gegen ein weiteres Kind akzeptierte er allerdings. Doch auch hier bestehen Konflikte, da ein Verzicht auf Kinder aus wirtschaftlichen Gründen als mangelndes Vertrauen in Allah ausgelegt werden kann, der doch versprochen hat für alle Menschen zu sorgen (6,151). Verhütung aufgrund wirtschaftlicher Überlegung hat noch einen weiteren historischen Hintergrund, denn eine Sklavin, die ihrem Herrn ein Kind geboren hat, ist freizulassen (Schwikart 2005, S.89f). Zwar sehen religiöse Konservative, islamische Nationalisten und extreme Fundamentalisten in jeder Form der Geburtenregelung eine Verschwörung gegen den Islam, die zu Sittenverfall führt und die patriarchale Ordnung gefährdet, doch existiert in der islamischen Ethik kein Verbot gegen die Verhütung (Badry 2005, S.24). 33 Gleichwohl muss diese in Einverständnis beider Ehepartner geschehen und darf nicht deren Gesundheit schädigen. Außerdem soll eine Schwangerschaft nicht grundsätzlich unmöglich gemacht werden, was eine Sterilisation der Frau ausschließt. Somit bestehen aus ethischer Sicht, abgesehen von der weiblichen Sterilisation, dennoch keine Verbote hinsichtlich des Gebrauchs verschiedener Verhütungsmittel (Rubin 2003, S.10). Schwangerschaftsabbruch: Die Abtreibung wird und wurde dagegen strenger beurteilt. Im Islam besteht laut Badry (2005) eine Art „Fristenlösung mit Indikationsregelung“ (Badry 2005, S.24). Im islamischen Glauben herrscht die Vorstellung, dass dem Embryo zwischen dem 40. und 120. Tage nach der Zeugung das „Leben eingehaucht“ wird. Vor allem aus medizinischen Gründen werden Abtreibungen bis zu diesem Zeitpunkt toleriert. Erst nach dem 120. Tag (in einigen islamischen Ländern, aber auch schon früher) werden die Rechte des Fötus berücksichtigt. Auch ökonomische Überlegungen, welche zwar die Verhütung erlauben, rechtfertigen laut dem Koran dennoch keine Abtreibung (17,31). Wenn jedoch das Leben der werdenden Mutter in Gefahr ist, so ist eine Abtreibung auch zu späterem Zeitpunkt erlaubt, zumal eher das Kind zu sterben hat als die Schwangere. Zur „Vermeidung größeren Übels“, wird folglich dem Leben der Mutter Priorität eingeräumt (Badry 2005, S.24; Schwikart 2005, S.90). 4.4. Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch im Hinduismus Sexualität genießt im Hinduismus den Status als heilige Kraft, aus welcher Nachkommen geschaffen werden. Fortpflanzung ist demnach ein sakraler Dienst und gleichzeitig eine Möglichkeit, Kontakt mit den Göttern aufzunehmen, oder spirituelle Energie zu erlangen (Schwikart 2005, S.100). Hingegen gelten Abtreibung und auch die Verhütung in der hinduistischen Rechts- und Moralauffassung als Sünde (Eichner 2005, S.22) Wird die empfängnisbereite Zeit von den Eheleuten nicht genutzt, gilt allein diese Verweigerung des sexuellen Verkehrs schon als Vernichtung des Embryos (Schwikart 2005, S.109). Die hinduistische Rechtsliteratur beschreibt die Fortpflanzung als ein Ziel, bzw. eine religiöse Pflicht, die eine Ehe zu erfüllen habe. Daher wurden Abtreibung und Verhütung in der hinduistischen Geschichte und Morallehre überhaupt nur selten behandelt, wenngleich sie wohl stets praktiziert wurden (Eichner 2005, S.22). 34 Empfängnisverhütung: Trotz Verbot, existierten in dieser, so wie in allen anderen Kulturen auch, verschiedene Methoden zur Schwangerschaftsverhütung. Schon im Liebeslehrbuch Kamasutra (6.Jhd. n. Chr.) wird die Verwendung oraler Sexualtechniken zur Schwangerschaftsverhütung empfohlen. Im Tantrismus wird der Sexualakt ohne Orgasmus als ein Höhepunkt des Erleuchtungsweges gepriesen. Es bietet somit eine Art indirekte Verhütungstechnik, was aber eigentlich nicht dessen Grundintention ist (Eichner 2005, S.22). Aus historisch-religiöser Sicht lehnt der Hinduismus aber Verhütung und sogar das Versäumen der fruchtbaren Zeit strikt ab. Die Realität sieht mittlerweile dennoch anders aus: Aufgrund des massiven Bevölkerungswachstums in Indien wurde die Verhütung zu einem wichtigen gesellschaftlichen Thema, dessen Bedeutung alte religiöse Interdikte übersteigt. Auch Mahatma Gandhi (1896-1948) äußerte den Wunsch keine Kinder mehr zu zeugen und empfahl für diese Umsetzung die Enthaltsamkeit, da er sich gegen Verhütungsmittel aussprach und zu diesem Zweck auch selbst ein Keuschheitsgelübde ablegte. In den 70er Jahren wurde das Ideal der Zwei-Kind Familie verbreitet, was sich mittlerweile schon auf die Ein-Kind Familie reduziert hat. Von staatlicher Seite wurde auf Sterilisation von Männern und Frauen gesetzt, was durch materielle Anreize attraktiv gemacht wurde, wobei unter Premierministerin Indira Gandhi (1917-1984) von 1975-76 sogar Zwangssterilisationen durchgeführt wurden, die hauptsächlich die Armen und kastenlosen Paria traf (Eichner 2005, S.23). Schwangerschaftsabbruch: Die Durchführung einer Abtreibung galt schon im alten Indien als Verbrechen. Was aber wiederum bedeutet, dass zur damaligen Zeit Abtreibungen durchgeführt wurden, die es zu verhindern galt. Schon in einem der ältesten Teile der Veden werden Schwangerschaftsabbrüche und Kindesaussetzungen erwähnt. So wird von der Sünde eines Embryotöters gesprochen und der Gott Pushan wird aufgefordert diesen zu bestrafen. An einer anderen Vedenstelle wird die Embryotötung dem Mord an Mutter und Vater gleichgesetzt. Nach der Vishnu Smritri, einem Kanon hinduistischer Literatur, entspricht die Abtreibung sogar dem schwersten aller Verbrechen, nämlich dem Mord an einem Brahmanen, einem Angehörigen der obersten Kaste. Dementsprechend schwer waren die Strafen, welche laut altindischen Rechtstexten auf diese Vergehen standen. Eine Frau, die eine Schwangerschaft mutwillig abbrechen ließ, soll mit Kastenausschluss bestraft und von ihrem Mann verlassen werden (Eichner 2005, S.22). Auf der anderen Seite ist es, wie bei der Verhütung, auch beim Thema der Abtreibung ein Liebeslehrbuch, hier das so genannte Ratirahasya, welches in Form von 35 Rezepturen Anweisungen zum Schwangerschaftsabbruch darbietet. Und auch in der Ayurveda, der traditionellen indischen Heilkunst, sind Verhaltensweisen beschrieben, die zur „Tötung des Ungeborenen“ führen können. Dabei werden zum Beispiel schwere körperliche Betätigung, Mangelernährung und sogar das Unterdrücken von Flatulenzen genannt. Das strikte Abtreibungsverbot kommt daher, da das Geschlecht des Kindes zu damaliger Zeit noch nicht pränatal feststellbar war, wodurch befürchtet wurde, man könne einen männlichen Fötus töten (Eichner 2005, S.23). Neben der Fortpflanzung ist nämlich auch die Zeugung eines Sohnes eine religiöse Pflicht der Ehe. Denn nur ein männlicher Nachkomme kann für die Weiterführung der Familie, sowie für die Durchführung der Rituale zur Toten- und Ahnenverehrung sorgen (Eichner 2005, S.61). Überdies steht eine Abtreibung im Konflikt mit dem moralischen Gebot Ahimsa, der Gewaltlosigkeit, und dem Glauben an das Karma, welches einen Menschen aufgrund seiner, in einem anderen Leben begangen Handlungen in genau diese Familie, in diesen Mutterleib verkörpern müsse. Wird ein Fötus nun abgetrieben, so wird durch einen Verstoß gegen das Gebot der Nichtverletzung von Lebewesen die Reinkarnation eines früheren Lebens vernichtet. Aufgrund des früheren Lebens und der damit verbundenen Wiedergeburt, erübrigt sich auch die, in anderen Religionen vorhandene Möglichkeit noch abzutreiben, bevor der Embryo als beseelt oder als Leben gilt (Eichner 2005, S.23). Der Abbruch einer Schwangerschaft ist folglich ein extrem schweres Vergehen in der hinduistischen Ethik und Rechtslehre. Aber gleich wie bei der Verhütung, zwingt die demographische und sozioökomische Lage das bevölkerungsreiche, hinduistische Indien Abtreibungen zu legitimieren. Durch den Medical Termination of Pregnancy Act von 1971 sind Schwangerschaftsabbrüche in Indien heute geregelt und kostenlos. Aus religiöser Sicht wird der Schwangerschaftsabbruch dennoch nicht gern gesehen und das Abtreiben eines männlichen Fötus stellt nachwievor eine Sünde dar. Wird allerdings ein weiblicher Fötus abgetrieben, so würde dies religiöse Wertvorstellungen nicht, bzw. nur minderschwer zu verletzen. Durch den medizinwissenschaftlichen Fortschritt lässt sich heute, anhand von Fruchtwasserbestimmung und Ultraschall das Geschlecht des Kindes schon vor der Geburt feststellen. Da dies aber die Abtreibungsraten weiblicher Föten in Indien enorm ansteigen ließe, ist die Durchführung der vorgeburtlichen Kenntnisnahme gesetzlich verboten. Wie hoch die Zahl derer ist, die solche Untersuchungen dennoch durchführen ist nicht bekannt. Anhand der beträchtlichen Abtreibungszahlen wird sie allerdings hoch eingeschätzt. Denn 20-30 Prozent der Abtreibungen lassen Paare 36 durchführen, deren erstes Kind bereits eine Tochter ist und die daher fürchten, dass zweite Kind könne ebenfalls weiblich sein. Weitere 55-60 Prozent treiben ab um eine dritte zu vermeiden. Die große soziale Diskrepanz und die unterschiedlichen regionalen Traditionen in Indien lassen dies nicht auf ganz Indien anwenden. Aber besonders in ländlichen Gegenden sind Kindestötungen weit verbreitet. Die Entscheidung die Schwangerschaft abbrechen zu lassen geht häufig nicht von der schwangeren Frau selbst, sondern von der Schwiegermutter oder dem Ehemann aus, da die Frau selbst wenig Mitspracherecht über das Schicksal ihres eigenen Kindes verfügt. (Eichner 2005, S.23; Dehn 2005, S.8). 4.5. Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch im Buddhismus Ursprünglich stand Buddha der Sexualität eher ablehnend gegenüber, da diese ein Genuss sei, die den Geist verwirre und zu Versuchungen verleitet. Doch besonders durch den Tantrismus wurde diese Einstellung komplett umgekehrt, wodurch Sex nun als heilsam und schöpferisch gilt (Schwikart 2005, S.122). Es bestehen jedoch keine ethischen Vorgaben des Buddhas, welche Antworten auf die Frage nach der moralischen Haltung gegenüber der Abtreibung und Verhütung geben können (Usarski 2005, S.19). Empfängnisverhütung: Was dem coitus interruptus ähnelt, ist wie im Hinduismus eine tantrische Methode des Zurückhaltens des Ejakulierens. Die Unterdrückung des Orgasmus soll eine Hilfe auf dem Weg zur Erleuchtung darstellen, was indirekt bzw. unfreiwillig eine Art Verhütungsmethode darstellt (Schwikart 2005, S. 126). Nach einem Interview (1997) mit dem Lama Geshe Thubten (1932-2003) „steht jedem Wesen in seinem Drang nach Wiedergeburt mit der Empfängnis das Recht auf Leben zu.“ (Zeitschrift Tibet und Buddhismus, Nr.4, 1997, S.22-24; zitiert nach Usarski 2005, S.21). Die Pille-danach ist daher nach buddhistischer Moralvorstellung untersagt, da eine Empfängnis eigentlich bevorstünde. Hingegen sind präventive Maßnahmen, welche die Befruchtung der Eizelle verhindern, im Buddhismus grundsätzlich erlaubt. Aufgrund moderner, medizinischer Erkenntnisse ist der Buddhismus generell für Relativierungen offen (Usarski 2005, S.21). Besonders hinsichtlich der Abtreibung wird hiermit Interpretationsspielraum geboten. Schwangerschaftsabbruch: Prinzipiell steht der Abtreibung im Buddhismus, gleich wie im Hinduismus das Gebot der Wiedergeburt einer bestimmten Seele, in genau diese Familie 37 gegenüber, was nicht verhindert werden darf. Doch besonders die westlichen, bzw. modernen BuddhistInnen fassen den Reinkarnationsgedanken metaphorisch auf. Dadurch ergibt sich eine Auslegungsmöglichkeit, welche eine Abtreibung in der frühen Schwangerschaft moralisch erleichtert. Die ethische Relativierung ergibt sich daraus, dass nach buddhistischer Ansicht die fünf Daseinsfaktoren (Skandhas), nämlich Körper, Empfinden, Wahrnehmung, Geistesregungen und Bewusstsein bei einem Fötus noch nicht gegeben sind. Nur das Zusammenspiel dieser Faktoren ermöglicht aus buddhistischer Sicht die individuelle Existenz des Menschen, bzw. des Lebens (Usarski 2005, S.21). Trotzdem ist die traditionelle ethische Ansicht bzgl. einer Abtreibung nicht so liberal wie es anfangs den Anschein hat. Denn der Fötus ist dennoch ein seelisches Wesen auf der Suche nach Inkarnation. Beendet man seine Entwicklung und lässt ihn nicht zur Welt kommen, verhindert man seine Chance auf Reifung für das Nirwana. Auch steht einer Abtreibung nach buddhistischen Ethikempfinden (wie auch in allen anderen hier besprochenen Religionen) das Gebot des Nicht-Verletzens gegenüber (Schwikart 2005, S. 126). Das Leid welches einem ungeborenen Kind durch den Schwangerschaftsabbruch zugefügt wird, hat karmische Folgen für alle Beteiligten, also auch für den Partner, die Ärztin oder den Arzt und eingeweihte und beratende Freunde oder Verwandte. Da entsprechend der buddhistischen Gesinnungsethik dem Grund für eine Handlung mehr karmische Bedeutung zukommt als der Tat an sich, sind die jeweiligen Motivationen für die Entscheidung zu einer Abtreibung ausschlaggebend für die ethische Zulässigkeit und die karmischen Konsequenzen. Wenn eigennützige, materielle Absichten das Paar zu einer Abtreibung veranlassen, besteht eine qualitativ andere Situation, als im Falle einer Abtreibung eines ungeborenen Kindes, bei welchem pränatal eine unheilbare Krankheit diagnostiziert wurde, welche die Eltern ihrem Kind ersparen wollen (Usarski 2005, S.21). In Japan, einem Land mit langer buddhistischer Tradition, wird die Abtreibungsproblematik auch hinsichtlich der Gefühlswelt der Frau deutlich. Empirische Untersuchungen belegen, dass versucht wird, durch die rituelle Zuwendung zu dem Gott Jizo Bosatzu, das psychologische Trauma nach einer vollzogenen Abtreibung zu überwinden. Denn dieser Gott gilt unter anderem als Beschützer der Totgeborenen und somit auch abgetriebenen Wesen (Smith 1988, S.3ff). Allerdings nehmen die buddhistischen Lehren auf die Gesetzeslagen bzgl. Verhütung und Abtreibung der Länder, in denen BuddhistInnen die Religionsmehrheit bilden, nur wenig Einfluss. Über ein Viertel aller Buddhist weltweit leben in China (Adherents.com 2005, http://www.adherents.com/adh_branches.html#Buddhism), 38 einem Land, in dem eine äußerst rigorose Ein-Kind-Politik verfolgt wird und in welchem Abtreibungen teils staatliche erzwungen werden. Doch religiöse Organisationen haben in China die Linie der kommunistischen Regierung einzuhalten (BBC 2000, http://news.bbc.co.uk/2/hi/asia-pacific/941511.stm). Da in der chinesischen Gesellschaft traditionell männliche Nachkommen bevorzugt werden, da sie im Alter für die Eltern sorgen werden, steigen die Abtreibungsraten weiblicher Föten ins Unermessliche. Denn sobald Töchter verheiratet sind, „gehören“ sie zur Familie des Bräutigams (Giddens et al. 2009, S.925). 5. Die Situation der Angehörigen einer Weltreligion in Österreich Im zuvor angeführten Kapitel wurden die Ansichten und Normen der Weltreligionen zu den Themen der Verhütung und Abtreibung angeführt. Auch die Rechtslage in den jeweils von einer Weltreligion dominierten Beispielländern wurde angesprochen. Um nun den Aspekt der Migration in dieser Arbeit zu behandeln, soll an dieser Stelle auf die Situation der Angehörigen einer Weltreligion in Österreich eingegangen werden. Um diesen Sachverhalt fachgerecht behandeln zu können, ist es zunächst notwendig, festzuhalten wie viele AnhängerInnen der genannten Religionen überhaupt in Österreich leben. Die letzte Volkszählung, in dessen Rahmen auch die Religionsbekenntnisse der in Österreich lebenden Menschen erhoben wurden, fand im Jahr 2001 statt und liegt somit bereits neun Jahre zurück. Da Österreich aufgrund seiner geografischen und innenpolitischen Lage ein starkes Migrationsland darstellt, geben diese veralteten Daten leider kein realistisches Bild der österreichischen Situation ab. Dennoch lassen sich daraus weitere Abschätzung und Tendenzen ableiten, weswegen die Ergebnisse der Volkszählung 2001 über die Anhängerzahl der fünf großen, hier behandelten Weltreligionen an dieser Stelle erwähnt seien (Statistik Austria 2007, http://www.statistik.at/web_de/static/bevoelkerung_2001_nach_religionsbekenntnis_und_s taatsangehoerigkeit_022894.pdf): Römisch-Katholisch 5.917.274 Evangelisch 376.150 Islamisch 338.988 Jüdisch 8.140 Hinduistisch 3.629 Buddhistisch 10.402 39 Über gegenwärtigere Zahlen geben die Religionsgemeinschaften selbst Auskunft. Da jedoch bei den Religionsgemeinschaften keine Beitrittspflicht besteht, können diese lediglich bundesweiten Schätzungen über die Anhängerzahl ihrer Religion äußern: Der Katholizismus stellt noch immer die größte Glaubensgemeinschaft in Österreich dar, obwohl sich das Christentum in den letzten Jahren mit weltweit zunehmenden Ausstiegszahlen konfrontiert sehen musste (Hutter 2008, S.53; Schwikart 2005, S.55). So hat trotz steigendem Bevölkerungswachstum die Anzahl der Katholiken in Österreich abgenommen und wurde im Jahr 2008 von der katholischen Kirche selbst mit 5.579.493 beziffert, mit weiter absinkender Tendenz (Medienreferat der Österreichischen Bischofskonferenz 2009, http://www.katholisch.at/site/article_blank.siteswift?so=all&do=all&c=download&d=article% 3A107%3A9). Auch die Evangelische Kirche musste Ausstiege ihrer Mitglieder hinnehmen und berief sich nach eigener Zählung im Jahr 2009 auf 325.314 Mitglieder (Evangelischer Presseverband 2009, http://www.evang.at/zahlen-und-fakten.html). Der Islam hingegen, stellt die am schnellsten wachsende Religion in Österreich dar. Einerseits durch Zuwanderung, andererseits durch erhöhte Geburtenraten, die jene der österreichischen und traditionsgemäß christlichen Frauen übertreffen (Janda & Vogel 2010, S.8f). Die islamische Glaubensgemeinschaft, sowie das Innenministerium schätzen die Zahl der Muslime auf ca. eine halbe Million Menschen, was ca. 6 Prozent der Gesamtbevölkerung darstellt und im Vergleich zu den Zahlen von 2001, auf eine Zunahme um fast die Hälfte schließen lässt (E-Mail von Karadal Keziban, Islamische Glaubensgemeinschaft Österreichs, Bernardgasse 5, A-1070 Wien Janda & Vogel 2010, S.5f). Auch die Anzahl der in Österreich lebenden Jüdinnen und Juden scheint sich laut der Israelischen Kultusgemeinde Österreichs verdoppelt zu haben. Allein die Israelische Kultusgemeinde Wien zählt 7.088 Mitglieder, wobei vermutet wird, dass bundesweit noch einmal so viele Menschen jüdischen Glaubens leben, die keine Mitglieder der Kultusgemeinden sind (E-Mail von Natalia Najder, am 25.08.2010, [email protected], Israelische Kultusgemeinde, Seitenstettengasse 4, A-1010 Wien). Auch HaGalil.com, das größte jüdische Onlinemagazin in deutscher Sprache, berichtet von ca. 14.000 in Österreich lebenden Jüdinnen und Juden (HaGalil Online 2006, http://www.hagalil.com/europa/austria.htm). Noch undurchsichtigere Zahlen weist der Buddhismus hierzulande auf. Die buddhistische Religionsgesellschaft Österreichs weiß von 2.730 eingetragenen BuddhistInnen, schätzt die bundesweite Anzahl aber auf 20.000-30.000 BuddhistInnen (E-Mail von Evi Zoepnek, am 02.09.2010, [email protected], Österreichische Buddhistische 40 Religionsgesellschaft, Fleischmarkt 16, A-1010 Wien), was ebenfalls eine starke Zunahme darstellen würde. Ein Wachstum der buddhistischen Anhängerschaft in Österreich ist aber tatsächlich denkbar. Einerseits aufgrund Migration, andererseits stellt der Buddhismus eine Art Trendreligion in europäischen und nordamerikanischen Ländern dar, was zu vermehrten Konvertierungen und Beitritten führt (Hutter 2008, S.18). Der Hinduismus zählt in Österreich nur sehr wenige AnhängerInnen. Wie beschrieben, lebt die überwiegende Mehrheit der Hindus in Indien, bzw. den angrenzenden Staaten, oder aufgrund der langen Kolonialherrschaft auch in Großbritannien. In Österreich zählt der Hinduismus, im Gegensatz zu den übrigen hier thematisierten Religionen auch nicht zu den gesetzlich anerkannten Kirchen- und Religionsgesellschaften (Bundesministerium für Unterreicht, Kunst und Kultur 2010, http://www.bmukk.gv.at/ministerium/kultusamt/ges_anerk_krg.xml). Leider äußerte sich die Hinduistische Religionsgemeinschaft nicht zu aktuelleren Zahlen, wahrscheinlich ist aber auch unter den in Österreich lebenden Hindus, ein Wachstum zu verzeichnen. Um nun auf die Situation der Angehörigen dieser Religion in Österreich einzugehen, muss erwähnt werden, dass in Österreich Religionsfreiheit herrscht, welche durch die Europäische Menschenrechtskonvention Art.9 und dem Staatsgrundgesetz Art.14-16 geregelt wird. Jedem Menschen steht somit das Recht zu, ab dem Alter von 14 Jahren seine eigene Religion zu wählen und sich für einen Glauben zu entscheiden. Die am stärksten ablehnende und konservativste Einstellung bzgl. Sexualität, Verhütung und Schwangerschaftsabbruch nimmt, abgesehen von fundamentalistischen Ausprägungen einer Religion, der Katholizismus ein. In dem katholisch dominierten und kulturell geprägten Österreich herrscht aber eine Trennung von Kirche und Staat, wodurch Gesetze nicht (mehr) von ethischen und religiösen Wertvorstellungen der christlichen Kirche gestaltet werden. Somit gelten für jeden Menschen, unabhängig von seinem Religionsbekenntnis die gleichen Rechte und Pflichten. Jedem Paar, welches den Geschlechtsakt vollziehen will, steht daher auch das Recht auf Empfängnisverhütung zu. Da nur für Maßnahmen, die nach dem Zeitpunkt der Nidation eingreifen, strafrechtliche Bestimmungen gelten, stellen medizinische Methoden mit denen die Einnistung der befruchteten Eizelle selbst verhindert wird, Maßnahmen der Geburtenkontrolle und keinen Schwangerschaftsabbruch im Sinne des Strafgesetzbuches dar (Putz 2001, S.145ff). Die Entscheidung zu verhüten, egal mit welchen Methoden, steht in Österreich also jedem Menschen frei zu. 41 Der Schwangerschaftsabbruch hingegen, ist in Österreich grundsätzlich verboten und wird mit Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren geahndet (§ 96-98 StGB). Dies ist abhängig davon, ob die Abtreibung von einer Ärztin, einem Arzt oder einer anderen Person durchgeführt wird (§ 96 Abs. 2 StGB), ob dies gewerbsmäßig geschieht (§ 96 Abs.1 StGB) und ob es mit (§96 Abs.1 StGB) oder ohne Zustimmung (§98 StGB) der Frau erfolgt und welche gesundheitlichen Konsequenzen dies für sie hat (§ 96 Abs.2 StGB). Unter bestimmten Umständen und Voraussetzungen hat eine schwangere Frau in Österreich dennoch das Recht darauf die Schwangerschaft abbrechen zu lassen: Das österreichische Parlament verabschiedete 1974 ein Gesetz zur Fristenlösung, welches die Entscheidung einer Frau zum Schwangerschaftsabbruch ermöglicht (Putz 2001, S.145ff). Innerhalb der ersten drei Monate nach Beginn der Schwangerschaft (hier gilt die Schwangerschaft ab der Nidation) kann die Frau frei entscheiden, ob sie die Schwangerschaft abbrechen lässt. Dem Schwangerschaftsabbruch muss eine ärztliche Beratung vorausgehen und muss auch von einer Ärztin, oder einem Arzt durchgeführt werden (§ 97 Abs. 1 Z. 1 StGB). Der Abbruch einer Schwangerschaft nach diesem Zeitpunkt ist nur straffrei, sofern er die letzte Möglichkeit zur Abwendung einer ernsten Lebensgefahr oder eines schweren Schadens für die körperliche und seelische Gesundheit der Schwangeren darstellt. Ebenfalls straffrei ist der Schwangerschaftsabbruch nach Ablauf der Dreimonatsfrist, sofern eine ernste Gefahr besteht, dass das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt sein könnte, oder die Frau zum Zeitpunkt der Zeugung unmündig gewesen ist. Aber auch unter diesen Umständen ist der Schwangerschaftsabbruch ausschließlich durch eine Ärztin oder einen Arzt vorzunehmen (§ 97 Abs. 1 Z. 2 StGB). Zwar ist keine Ärztin und kein Arzt dazu verpflichtet eine Abtreibung durchzuführen, oder daran mitzuwirken, doch im Fall einer unmittelbar drohenden und nicht anders abwendbaren Lebensgefahr für die Frau, müssen ÄrztInnen, einen Abbruch durchführen, sofern dieser notwendig für ihre Rettung ist. Personen aus Krankenpflegefachdiensten, medizinisch-technischen Diensten und Sanitätshilfsdiensten sind unter diesen Umständen ebenfalls zur Hilfe verpflichtet (§ 97 Abs. 2 StGB). Da es sich hierbei um Bundesgesetze handelt, haben diese Gesetze für jede in Österreich lebende, bzw. sich hier aufhaltende Personen Gültigkeit. Ganz gleich welcher Religion, Rasse oder Ethnie eine Frau in Österreich angehört, steht ihr das Recht auf Verhütung zu, sowie ihr auch die Möglichkeit der Abtreibung unter den vorher genannten Umstanden gegeben wird. Auch wenn die Frau einer patriarchalen Religion angehört in welcher traditionsgemäß der Ehemann, bzw. die Familie des Erzeugers über das Schicksal des 42 noch ungeborenen Kindes entscheiden (wie z.B. Islam, Hinduismus), steht nach österreichischem Recht allein der Frau die Entscheidung über das Schicksal ihres Kindes zu. Die Interessen des Kindesvaters bzgl. dem Austragen oder Abbrechen einer Schwangerschaft werden in Österreich nicht berücksichtigt (Putz 2001, S.138). Auch das Zwingen der Frau eine Abtreibung durchführen zu lassen, ist nach §98 Abs.1 StGB mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren verboten. Die Kosten der Abtreibung werden in Österreich nicht von den Krankenkassen übernommen und belaufen sich auf ca. 300-800€ (Abtreibung.com 2010, http://abtreibung.at/fur-ungewollt-schwangere/methoden/kosten). 6. Die Möglichkeit einer kultursensiblen Beratung und Aufklärung in Österreich Besonders das Klientel der Familien- und Lebensberatung weist einen wachsenden Teil an Menschen mit Migrationshintergrund auf (Kunze 2009, S.106). Es sind gerade die anderen Religionen, allen voran der Islam, welche, wie im vorigen Kapitel beschrieben, beständig zunehmen. Im Gegensatz zur schwindenden Religiosität der Österreicher (ORF 2008, http://oesterreich.orf.at/stories/375), sind in diesen wachsenden Glaubensrichtungen religiöse Werte und Traditionen noch wesentlich ausgeprägter und üben stärkeren Einfluss auf das Verhalten und die Lebensgestaltung ihrer AnhängerInnen aus (Giddens et al. 2009, S.587ff). Gerade im Sinne einer positiven Integration und eines funktionierenden, multikulturellen Zusammenlebens sollten Möglichkeiten einer kultursensiblen Beratung und Aufklärung für Angehörige anderer, in Österreich vorhandener, Religionen geschaffen werden: Die wichtigste Voraussetzung für eine kultursensible Beratung ist die interkulturelle Kompetenz, welche die Fähigkeit auf den Glauben eingehen zu können und religionsspezifischen Beistand zu leisten, darstellt. Dazu ist ein umfassendes Wissen über die ethischen Ansichten der Religionen, (nicht nur) zu den hier behandelten Themen von Nöten. Dieses Wissen muss mit den bereits bestehenden Elementen der Lebensberatung verbunden werden, denn nur die Berücksichtigung von lebensgeschichtlicher, kultureller bzw. religiöser und gesellschaftlicher Situation kann den effektiven Ansatzpunkt einer kultursensiblen Beratung darstellen (Kunze 2009, S.78f). Um kulturgerechte Beratung zu verwirklichen, müssen Träger von Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen Interventionen ergreifen, um eine interkulturelle Öffnung des Unterstützungs- und Beratungssektors zu erreichen. Zu diesem Zweck sollen alle Hindernisse beseitigt werden, welche die chancengleiche Inanspruchnahme der 43 Beratungsdienste für Menschen mit einem anderen kulturellen oder religiösen Hintergrund erschweren (Kunze. 2009, S.107f). Dazu gehören in erster Linie Sprachbarrieren, welche durch multikulturelle Teams, also MitarbeiterInnen verschiedener Herkunft, bewältigt werden könnten. Die unterschiedlichen, ethnischen und religiösen Hintergründe eines derartigen Teams, könnten sich positiv auf die interkulturelle Kompetenz der Beratung auswirken. Um eine ganzheitliche Beratung zu ermöglichen, muss eine Vernetzung zu den Religionsgesellschaften in Österreich bestehen. Da sich Religionsgemeinschaften in Österreich organisieren, wissen die AnhängerInnen auch wo sie sakralen Beistand und Rat einholen können. Einer kultursensiblen Beratung würde aber die bedeutende Aufgabe zukommen, die ethischen Gebote einer Religion mit der gesetzlichen, strukturellen und politischen Situation in Österreich zu verbinden. Bei gläubigen Menschen besteht kaum die Notwendigkeit, sie über ihre eigene Religion aufzuklären, wohingegen glaubenslose Menschen wenig Wert auf die religiös-ethische Vertretbarkeit ihrer Handlungen legen. Da diese Menschen aber zumeist Migrationshintergrund aufweisen, ist eine Aufklärung über die gesetzlichen und strukturellen Möglichkeiten der Verhütung und Abtreibung hier in Österreich von hoher Relevanz. Die Einstellungen der Religionen zum Thema Kontrazeption sind mit den heutigen fortschrittlichen Verhütungsmethoden unvereinbar. Es ist anzunehmen, dass wohl nur noch in streng konservativen Kreisen Wert auf religiös erlaubte Verhütung gelegt wird. Außerdem ist, wie aus den vorangegangen Kapiteln hervorgeht, in den meisten Religionen nahezu jede Form der Kontrazeption erlaubt, da Sexualität, abgesehen vom Katholizismus, auch in jeder Religion gutgeheißen wird. Doch auch dieses Wissen sollte in einer kultursensiblen Beratung vermittelt werden, bzw. sollte es der, die Beratung durchführenden Person, bekannt sein. Bezüglich der Abtreibung, weist eine religionsspezifische Beratung schon weitaus mehr Nutzen und Bedarf auf. Denn generell ist die Schwangerschaftskonfliktberatung eine äußerst schwierige und schwerwiegende Begebenheit, indem eine Schwangere eine Entscheidung zu fällen hat, welche keinerlei Kompromisse zulässt und nie mehr rückgängig gemacht werden kann. Da die Entscheidung innerhalb der gesetzlichen Frist getroffen werden muss, steht die schwangere Frau zusätzlich unter erheblichen Zeitdruck (Molinski 1981, S.74). Gerade Menschen mit starker religiöser Bindung, erleben diese ohnehin belastende Situation noch verstärkter (Langsdorff 1996, S.93). Aufgrund der Furcht vor Strafe bei Zuwiderhandeln gegen göttliche, rituelle Gebote wird der Mensch in seiner Fähigkeit zur Selbstbestimmung eingeschränkt, denn Entscheidungen werden gemäß religiösen Richtlinien und Verboten getroffen (Murken 2002, S.2). 44 Wie nun bereits bekannt ist, sind Abtreibungen, mit Ausnahme der medizinischen Indikation bei Lebensgefahr für die Schwangere, in fast jeder Religion verboten, was einer religiösen Person die Entscheidung gegen das Kind eigentlich untersagt (Molinski 1981, S.74). Hinzu kommt, dass die Stellung der Frau in den Religionen sehr minderwertig ausfällt, was die Möglichkeit einer eigenen Entscheidung weiter verringert. Doch genau hier setzt nun die kultursensible Beratung, in ihrer symbiotischen Form aus psychologischer Konflikt- und religionsethischer Betreuung an. Die Beratung muss eine Vertrauensbasis schaffen, in der sich die Schwangere verstanden und ernstgenommen fühlt. Im Rahmen der Beratung soll die Frau befähigt werden eigene Entscheidungen treffen zu können. Wie aus Kapitel 2.3 hervorgeht, ist es für die psychische Gesundheit der Frau unabdingbar diese Entscheidung selbstständig und ohne äußere Zwänge fällen zu können. Die Besonderheit der Beratung ist, dass Gleichgewicht zwischen den Interessen des Kindes und der Würde und Selbstbestimmung der Frau zu wahren und überdies auf die soziale, individuelle Situation der Frau einzugehen. In Verbindung mit dem Wissen über den Glauben und in Zusammenarbeit mit den Religionsgemeinschaften, können somit spezifische Konfliktbewältigungsansätze erstellt werden. Rabbiner, die in ethischen Fragen von Jüdinnen und Juden zu Rate gezogen werden, könnten ihre Betreuung mit den Beratungsstellen verbinden. Ein weiteres, gutes Beispiel stellen Hinduismus und Islam dar, in welchen traditionsgemäß nur männliche Nachkommen für das wirtschaftliche Wohlergehen der Eltern sorgen können. Durch Hinweisung auf das österreichische Sozialsystem, welches auch für alte Menschen und selbstredend für Frauen sorgt, kann diese ökonomisch-utilitaristische Sorge beseitigt werden. Sollte dennoch die Entscheidung zur Abtreibung gefällt werden, muss darauf hingewiesen werden wo, wie und unter welchen Umständen und Voraussetzung dies in Österreich möglich ist. Wichtig bei der Beratung selbst ist aber, der betroffenen Person den Glauben nicht ausreden zu wollen, oder diesen sogar zu verunglimpfen. Generell muss eine Beratung neutral und entscheidungsoffen gestaltet sein. In einer Schwangerschaftsberatung kann der Betroffenen auch vermittelt werden, wie in Zukunft einem Schwangerschaftskonflikt auszuweichen sei, ohne dabei religiöse Grundsätze zu verletzen. Wodurch auch das vorhin angesprochene Wissen der BeraterInnen über die ethischen Ansichten der Religion zu den Verhütungsmöglichkeiten seinen Nutzen findet. Der Bedarf an kultursensibler und religionsspezifischer Beratung, wird jedoch nicht nur allein anhand öffentlicher Einrichtungen gedeckt: In Österreich, besteht im Vergleich zu Deutschland keine Verpflichtung dazu eine Schwangerschaftskonfliktberatung in einer 45 anerkannten Einrichtung aufzusuchen (§218 dStGB). Dem Schwangerschaftsabbruch hat lediglich ein Beratungsgespräch mit einem Arzt oder einer Ärztin vorauszugehen, welche/r nur über medizinische Folgen aufklärt (§97 StGB Abs.1). Im Sinne eines positiven Entscheidungsfindungsprozesses und im Falle einer vorgenommenen Abtreibung, sollte auch diese Berufsgruppe, sowie die nachbetreuenden Pflegepersonen über interkulturelle Kompetenz verfügen, um eine heilsame Verarbeitung des Erlebten zu gewährleisten. Denn neben der erschwerten Entscheidungsfindung, leiden religiöse Frauen auch weitaus häufiger und stärker an Schuldgefühlen als religiös ungebundene Frauen (Langsdorff 1996, S.93). Andererseits ist es aber ausgerechnet der Glaube, der einem Menschen, nach traumatischen Erfahrungen das Gefühl von Trost und Hoffnung gibt, was den Schmerz besser verträglich macht (Murken 2002, S.2). Es ist unbedingt notwendig, dass beratendes und medizinisches Personal darüber Bescheid weiß. 7. Schlussfolgerung und Ausblick Aus dieser Arbeit geht hervor, dass die Religionen zwar unterschiedliche Einstellungen zu Verhütung und Abtreibung haben, aber dennoch auch Gemeinsamkeiten aufweisen. Abgesehen vom Katholizismus, betrachten alle hier bearbeiteten Religionen den Mensch als sexuelles Wesen, woraus sich Legitimationen zur Verhütung ableiten lassen. Diese fallen, wie erwähnt, unterschiedlich aus, denn während im Judentum die Verschwendung und (anhaltende) Schädigung des männlichen Samens untersagt ist, wird im Islam die Unfruchtbarmachung der Frau verboten. Der Protestantismus spricht sich nicht gegen bestimmte Verhütungsmethoden aus, wohingegen der Katholizismus lediglich die natürliche Kontrazeption duldet. Auch unter den fernöstlichen Religionen bestehen Uneinigkeiten: Der Empfängnisverhütung Buddhismus offen steht gegenüber, sämtlichen präventiven wohingegen der Maßnahmen Hinduismus zur keinerlei Geburtenregelung akzeptiert, obgleich das hinduistische Indien aufgrund politischer Bestimmungen die Verhütung fördert. Mehr Einigkeit unter den Religionen besteht hinsichtlich der Abtreibung, die in religiösen Moralvorstellungen stets als Tötung empfunden wird. Nur in wenigen Ausnahmesituationen und innerhalb bestimmter Fristen wird der Schwangerschaftsabbruch toleriert. Oft bedarf es individueller Prüfung und Beachtung der Motive, damit eine Abtreibung aus ethischer Sicht als vertretbar gilt. Bis auf die katholische Kirche, besteht religionsübergreifend auch der Konsens, dass bei Lebensgefahr für die Schwangere das Kind abzutreiben sei. Wie aber auch bei der 46 Verhütung werden aufgrund staatlicher, sozioökonomischer und demografischer Wandlungen und Situationen diese traditionellen, religiösen Wertvorstellungen zum Thema Abtreibung aber überholt, bzw. ignoriert. Bei der Betrachtung der Ergebnisse, muss man sich allerdings vor Augen halten, dass es sich hierbei nur um theoretische Erkenntnisse handelt, welche aus religiösen Schriften, Geboten und Überlieferungen oder Traditionen abgeleitet wurden. Dennoch verdeutlichen die aus dieser Arbeit hervorgegangenen Ergebnisse die Relevanz weiterer Forschung um adäquate, kultursensible Beratung ermöglichen zu können. Die Arbeit kann den Anstoß, bzw. die Grundlagen für quantitative oder auch qualitative Forschungsarbeiten darüber geben, wie sich die Einstellungen der Religionen im Lauf der Zeit an moderne Gesellschaftsformen angepasst und gewandelt haben und wie die Ansicht der, in Österreich vertretenen, Religionsgemeinschaften aussieht. Weiters können darauf Studien über die Relevanz multikultureller Beratung aufgebaut werden. Daraus können in weiterer Folge Curricula für die interkulturelle Ausbildung im gesundheitlichen und psychosozialen erstellt werden, welche sich von Beratung und Aufklärung bis hin zur Nachbehandlung und Pflege erstrecken. Auch die vorgeschlagenen multikulturellen Teams, sollten auf ihre Nutzbarkeit getestet werden. Diese Arbeit kann zwar noch keine konkreten Lösungen bieten, doch dient sie aufgrund ihrer Erkenntnisse über die Ansichten der Religionen und der österreichischen Situation als Ausgangspunkt für weitere Arbeit in Richtung interkultureller Öffnung des Gesundheitsund Sozialwesen und Integration. 47 8. Literaturverzeichnis: Buchquellen: Anselm, R. (1994) Jüngstes Gericht und irdische Gerechtigkeit – Protestantische Ethik und die deutsche Strafrechtsreform, Kohlhammer Verlag, Stuttgart Badry, R. (2005) Islam (Kapitel: Abtreibung/Verhütung), In: Klöcker, M.; Tworuschka, U. (Hrsg.) (2005) Ethik der Weltreligionen – Ein Handbuch, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, S.23-24. Bartholomäus, W. (2005) Katholizismus (Kapitel: Abtreibung/Verhütung), In: Klöcker, M.; Tworuschka, U. (Hrsg.) (2005) Ethik der Weltreligionen – Ein Handbuch, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, S.27-29. Baumann, J. (1972) Das Abtreibungsverbot des §218, Luchterhand Verlag, Darmstadt Bergdolt, K. 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