FACHSPIEGEL 119 ZUR HANDHABUNG UND ÜBERTRAGUNG TIEFGEFROR E N E R R I N D E R E M B RY O N E N In Deutschland wird der Embryotransfer ( ET ) beim Rind im Regelfall von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Rinderbesamungs- und -zuchtorganisationen durchgeführt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Wunsch nach einer Superovulation und Spülung einer Spenderkuh oder der Übertragung von Tiefgefrier- ( TG- ) Embryonen seitens der Züchter nicht auch an die praktizierenden Tierärztinnen und Tierärzte heran getragen wird. Es gibt hier zu Lande hinreichend Inhaberinnen und Inhaber von Großtierpraxen, die bei ihren zuständigen Behörden die Anerkennung ihrer Praxis als ETEinrichtung erreicht haben und auf diesem Sektor erfolgreich arbeiten. Während die Gewinnung und Aufbereitung von Rinderembryonen einen größeren Aufwand hinsichtlich Zeit, Training und Ausrüstung erfordert, ist die Übertragung von Tiefgefrier- ( TG- ) Embryonen auch ohne größeren materiellen Einsatz möglich. DIE ENTWICKLUNG Die praktische Anwendung des Embryotransfer in den Rinderzuchtbetrieben nahm vor gut 20 Jahren einen rasanten Aufschwung. Die damalige starke Nachfrage seitens der Landwirtschaft nach der Biotechnik ET fiel in eine Zeit, da es in der Wissenschaft und Praxis gelang, einige wesentliche Verbesserungen bei der DurchAbb. 1: Spülung einer Spenderkuh. Der Spülkatheter wird in ein Uterushorn eingeführt bei gleichzeitigem Zurückziehen des Mandrins. nutztier spiegel 1/2003 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Abb. 2: Genreserve-Programm bei der vom Aussterben bedrohten Rasse Limpurger. Flrckviehkuh mit dem von ihr ausgetragenen und als Embryo zuvor tiefgefroren eingelagerten Limpurger-Kuhkalb 120 FACHSPIEGEL ÜBERSICHT ZUR ENTWICKLUNG DES EMBRYOTRANSFER BEIM RIND IN DEUTSCHLAND. (Quelle: ADR; Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rinderzüchter e.V., Bonn ) 1983 1984 1985 1990 1995 2000 Spülungen von Spendertieren 690 1046 1458 4264 3890 3942 Embryonen (in vivo) gewonnen 5727 9818 12360 39212 37877 48417 Übertragungen (in vivo) transfertauglich frische Embr./ 2377 5288 4122 7021 5884 23350 14459 20053 9779 29624 10484 führung des ET zu erreichen. Hierzu gehörten die Superovulation mittels porcinem oder ovinem FSH ( Follikel stimulierendes Hormon ), die Brunstsynchronisation durch den Einsatz von Prostaglandin F2 sowie die unblutige transzervikale Embryonengewinnung und -übertragung. Gleichzeitig konnten auch die Überlebensraten zuvor tiefgefrorener ( TG- ) Rinderembryonen durch die Verwendung spezifischer Kulturmedien verbessert werden. Die Herstellung der Medien basiert auf der von Wittingham 1971 eingeführten Phosphatpufferlösung ( PBS ) nach Dulbecco, supplementiert mit Rinderserum-Albumin oder fetalem Kälberserum. Durch Zugabe des Gefrierschutzmittels Glyzerin in einer Konzentration von 10% zu dieser Lösung wurde ein Standardmedium zur Tiefgefrierung von Rinderembryonen etabliert, welches seit Anfang der 80-iger Jahre weltweit Anwendung fand und noch findet. Gut zehn Jahre später kam dann auch Äthylenglykol als Kryoprotektivum zum Einsatz. Zur Tiefgefrierung haben sich beim Rind 6 - 7 Tage alte späte Morulastadien und frühe Blastozysten als besonders geeignet erwiesen. Die Embryonen werden dabei in Plastikröhrchen ( 0,25 ml Mini-Pailletten ) gleich denen für Bullensperma verpackt und speziell gekennzeichnet. Die Tiefgefrierung erfolgt in Automaten, welche mittels Alkohol oder heute vorzugsweise Flüssigstickstoff eine kontinuierliche Temperaturabsenkung von 0,3 - 0,5 Grad Celsius pro Minute für den Bereich von -6 bis -33 Grad Celsius gewährleisten. Danach werden die Mini-Pailletten mit dem Gefriergut direkt in flüssigen Stickstoff überführt und eingelagert. Die Embryonen sind damit nach heutiger Einschätzung praktisch unbegrenzt haltbar und können auch als Genreserve dienen. S TA N D A R D M E T H O D E U N D D I R E K T T R A N S FER (DT - DIRECT TRANSFER) Sollen Rinderembryonen, welche nach der herkömmlichen Standardmethode in 10%-iger Glyzerinlösung eingefroren sind, zur Übertragung kommen, dann ist eine tiefgefrorene Embr. 244 490 7184 8470 11375 kleine transportable Laborausrüstung erforderlich, zu der auf jeden Fall ein Stereomikroskop mit 10 - 40 facher Vergrößerung und diffusem Durchlicht gehört sowie die Bestückung mit Auftaumedien. Zur Konfektionierung von Rinderembryonen mit Glyzerin als Gefrierschutzmittel werden im Regelfall transparente Mini-Pailletten verwendet. Das Auftauen der Mini-Paillette erfolgt zunächst für 10 Sekunden an der Luft und danach im Wasserbad bei + 25 bis +30 Grad Celsius, bis alle Eiskristalle geschmolzen sind. Dies ist nach ca. 25 Sekunden der Fall. Es ist nun notwendig, dass das Kryoprotektivum Glyzerin stufenweise ausverdünnt wird. Hierzu wird die Mini-Paillette nach dem Auftauen abgetrocknet und der Stift mit der Kennzeichnung entfernt. Man taucht das offene Ende der Mini-Paillette in eine kleine Petrischale mit der ersten Auftaulösung und schneidet sie unterhalb des Baumwollstopfens ab, so dass der Inhalt abfließen kann. Man gibt den Embryo unter mikroskopischer Kontrolle im 5-minutigen Abstand in kleine Petrischalen mit den Auftaulösungen in der Reihenfolge 1 - 4, die nachfolgend aufgeführt und über den Handel beziehbar sind: 1 6,6% Glyzerin + 0,3 molare Saccharose / PBS-Lösung 2 3,3% Glyzerin + 0,3 molare Saccharose / PBS-Lösung 3 0,3 molare Saccharose / PBS-Lösung 4 PBS Kulturmedium Anschließend zieht man den nunmehr für die Übertragung vorbereiteten Embryo mit Kulturflüssigkeit in eine neue Mini-Paillette auf, wobei der Embryo zwischen zwei Luftblasen im mittleren Teil der Mini-Paillette positioniert werden sollte. In Deutschland, weiten Teilen Europas und Kanada ist die Standardmethode durch die Direkttransfermethode (DT) ab Mitte der 90-iger Jahre weit gehend abgelöst worden. Hierbei wird Äthylenglykol als Kryoprotektivum verwendet. Es ist für die Rinderembryonen wesentlich weniger toxisch als Glyzerin und kann die Zellmembranen schneller und schädigungsfrei durchdringen. Mikroskop und Ausverdünnungsmedien sind nicht erforderlich, weshalb gerade dieses Verfahren für die allgemeine nutztier spiegel 1/2003 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Jahr 122 FACHSPIEGEL Rinderpraxis am Ehesten geeignet scheint. Das Auftauen der Mini-Paillette bei den nach der Direkttransfermethode eingelagerten Embryonen erfolgt zunächst für 10 Sekunden an der Luft und anschließend im Wasserbad von ca. +27 bis + 30 Grad Celsius. Die Mini-Paillette wird abgetrocknet, wobei sich die in ihr befindlichen und durch Luftblasen getrennten Flüssigkeitssäulen vor und während der Übertragung nicht vermischen sollten, was durch die erschütterungsfreie Handhabung der MiniPaillette auch gewährleistet wird, und steht nach dem Entfernen des Verschlusses für die Übertragung bereit. Dies muss sehr zügig ausgeführt werden. widmen. Hier wäre gegenwärtig auf jeden Fall das Freisein oder eine ausreichende Immunität in Bezug auf BHV1 (IBR /IPV, Infektiöse Bovine Rhinotracheitis / Infektiöse Pustulöse Vulvovaginitis ) und BVD-MD ( Bovine Virus Diarrhoe- Mucosal Disease ) erforderlich, sowie das Freisein der Herde von Paratuberkulose. Die Übertragung aufgetauter Embryonen geschieht vorzugsweise in der gewohnten Umgebung der Empfängertiere. Sie müssen 6 - 7 Tage vor dem Übertragungstermin gerindert haben und sollten auf einem der beiden Ovarien ein deutlich ausgebildetes Corpus luteum aufweisen. Ist der Gelbkörper haselnussgroß und weist an einer Stelle eine Erhebung gleich einem Streichholzkopf auf, was die beginnende Öffnung zum späteren Blütegelbkörper darstellt, dann kann man sicher sein, dass die Brunstbeobachtung des Tierhalters zutrifft. Die Uterushörner sind zu diesem Zeitpunkt wenig kontrahiert bis schlaff und die Vulva zeigt deutliche Faltenbildung. Durch einfaches Spreizen mit den Fingerspitzen kann ihre Schleimhaut hinreichend beurteilt werden. Sie sollte blassrosa, trocken und auf jeden Fall frei von veränder- Es ist international beschlossen, dass die in Äthylenglykol eingefrorenen Rinderembryonen in gelben Mini-Pailletten eingefroren und aufbewahrt werden. Man erkennt optisch also schon sehr leicht, welches Kryoprotektivum verwendet wurde. Dennoch sollte man sich mithilfe des Einfrierprotokolls oder anderer Begleitpapiere zur Embryonensendung hierüber genau informieren. Als Empfängertiere kommen sowohl Rinder als auch Kühe Abb. 4: Konfektionierung von Rinderembryonen in gelben Mini-Pailletten für den Direkttransfer. infrage. Die Untersuchung und Kennzeichnungsstifte, Plastikhülsen und Aluminiumhalterungen für die sichere Lagerung und den Transport. Beurteilung des Empfängertieres hinsichtlich seiner Eignung erfolgt immer vor dem Auftauen des Embryos. Das Tier sollte klinisch gesund und besamungsfähig sein. Bei Kühen bedeutet dies im Idealfall, dass sich die Uterushörner nach der letzten Kalbung auf Daumenstärke zurückgebildet haben. Sofern nicht schon bekannt, sollte man sich über den allgemeinen Zustand der Rinderherde einen Überblick verschaffen und die derzeitigen Besamungsergebnisse erfragen, um die Fruchtbarkeit der Herde einschätzen zu können, denn das einzelne Empfängertier kann nie isoliert betrachtet werden. Auch ist der Herde hinsichtlich einiger spezifischer Infektionskrankheiten Aufmerksamkeit zu nutztier spiegel 1/2003 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Abb. 3 Aufbaureihe für die Ausverdünnung von Rinderembryonen, die in 10%-iger Glyzerinlösung eingefrohren waren. FACHSPIEGEL 123 tem Sekret sein. Das Empfängertier ist zum Zeitpunkt des Transfers nicht wie in der Brunst durch Schleimabgang vor Infektionen geschützt. Es ist bei der Embryonenübertragung folglich größter Wert auf sauberes Arbeiten zu legen. Sehr hilfreich für die Einschätzung des Empfängertieres sind auch Aufzeichnungen über vorausgegangene Brunsten und deren Intervalle. Für die Bestimmung des Übertragungszeitpunktes sei auch ein Beispiel anhand der Wochentage genannt: Brunst des Empfängertieres z.B. an einem Dienstag, dann erfolgt der Transfer am darauf folgenden Montagnachmittag oder Dienstagvormittag. Vor der Übertragung kann beim Empfängertier eine Epiduralanästhesie ( 3-5 ml Lidocain 2%) gesetzt werden. Bei einigen ETTeams bleiben die Tiere auch unbehandelt. Für die Übertragung gibt es spezielle Transfergeräte aus Metall, welche an ihrer Spitze eine seitliche Austrittsöffnung für den Embryo haben, die zweiseitig angeschliffen ist, damit bei der Zervixpassage keine Schleimhautteile in die Öffnung gestanzt werden. Diesen Geräten (Modell Hannover ) ist vor allen anderen der Vorzug zu geben. Sie müssen vor dem Transfer sterilisiert werden und erhalten nach dem Befüllen mit der Mini- Paillette und dem Embryo noch einen Folienüberzug, um grobe Verschmutzung zu vermeiden. Das Empfängertier wird für die Übertragung gut fixiert und sollte ebenerdig stehen. Wenn mehrere Empfängertiere bei einem Termin zum Transfer anstehen, dann empfiehlt es sich bei den geeigneten Tieren Kennzeichnungen mittels Viehzeichenstift auf der linken oder rechten Kruppe anzubringen, entsprechend dem Vorhandensein und der Ausprägung des Gelbkörpers auf dem linken oder rechten Ovar. Der Embryo muss immer entsprechend dem vorhandenen Corpus luteum auf der dazugehörigen Seite tief im Uterushorn ( ipsilateral ) abgesetzt werden. Die Übertragung geschieht transzervikal unter rektaler Kontrolle. Unmittelbar vor dem äußeren Muttermund wird der Folienüberzug perforiert. Sobald die Spitze des Transferinstruments die Zervix passiert hat, sollte man es zunächst ein Stück weiter nach cranial in das zur Übertragung vorgesehene Uterushorn schieben und dann versuchen, dieses Horn aufzudrehen und zu strecken, damit das starre Transfergerät nachgeschoben werden kann. Das Transfergerät wird beim langsamen Ausdrücken der Mini-Paillette und dem Absetzen des Embryos in der Uterushornspitze so gehalten, dass die seitliche Austrittsöffnung nach ventral zeigt. Dies lässt nutztier spiegel 1/2003 sich vorher mittels einer Markierung am Transfergerät einstellen. Nach der Übertragung erfolgt die notwendige Dokumentation. Es kann auf jeden Fall auch empfohlen werden, Kontakt mit einem erfolgreichen ET-Team aufzunehmen, um sich wertvolle Hinweise zum Umgang mit Rinderembryonen und zur Materialbeschaffung geben zu lassen. Literatur beim Verfasser Dr. Hans Koll Rinderunion Baden-Württemberg e.V. Besamungs- und ET-Station Schwäbisch Hall - Lindenhof 74547 Untermünkheim www.veterinaerspiegel.de Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Abb. 5 Transfergerät mit seitlicher Öffnung an der Spitze unf Folienüberzug