Eine Frau dirigiert «Kuckucksväter

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Dienstag, 17. März 2015
Toggenburg
Regionalteil
für das
Toggenburg
29
Eine Frau dirigiert «Kuckucksväter»
Andrea Vieritz ist in Ostberlin aufgewachsen, als es die DDR noch gab. Seit zwölf Jahren wohnt die Sozialpädagogin im Toggenburg und spielte
in Chössi-Freilichtaufführungen grössere Rollen. Nun führt sie Regie in Simon Kellers Komödie «Kuckucksväter» für den Theaterverein Toggenburg.
HANSRUEDI KUGLER
Eigenproduktion
Theaterverein
Toggenburg
WATTWIL. Nach dem letztjährigen
Stück, dem eher trockenen, langatmigen «Burggeflüster» mit weit
hergeholtem Thema um einen
verarmten Schlossbesitzer hat
sich der Theaterverein Toggenburg wieder sein Erfolgsrezept
zu Herzen genommen: rasante
Mundart-Komödien. «Rente gut,
alles gut» vor zwei Jahren war
denn auch der bisher grösste
Publikumshit des Vereins. Ein
Glücksfall spielte ihm nun letztes
Jahr ein druckfrisches Stück in
die Hände, das auf seine Uraufführung wartete: «Kuckucksväter». Das unter dem Pseudonym
Monis Lerk eingereichte Stück
um einen ehrgeizigen Jungpolitiker begeisterte die Stückwahlkommission und entpuppte
sich später als ein Werk des Toggenburger Jungschauspielers Simon Keller, selbst Mitglied des
hiesigen Theatervereins und
derzeit als Schauspieler fast täglich auf der Bühne des BernhardTheaters in Zürich zu sehen, in
«Alles uf Chrankeschii» – als
«Sohn» von Erich Vock. An der
Hauptprobe vom vergangenen
Sonntag sass er im ThurparkSaal und war begeistert: «Hervorragendes Timing», und lobte damit die Darsteller, vor allem
aber die Regisseurin Andrea
Vieritz. Die Hauptprobe verheisst denn auch einen Theaterspass:
Ein
temporeiches
Lustspiel mit satirischen Spitzen
gegen Politik, Kirche, Moral –
und mit einer Reihe lebensnaher und amüsant-skurriler Figuren.
Starke Frauenrollen gespielt
Wer schon Chössi-Freilichtaufführungen
gesehen
hat,
kennt Andrea Vieritz in starken
Frauenrollen. Als Königin in
«Töchter des Robin Hood», die
verbissen Haltung bewahren
möchte; in «Bon Voyage» als
Frau, die im Aufbruch aus der
Tristesse und auf dem Weg zu
Mit «Kuckucksväter» zeigt
der Theaterverein eine Eigenproduktion. Autor ist der
Toggenburger Jungschauspieler Simon Keller, Regie
führt Andrea Vieritz. Das
Stück wird im Thurpark
Wattwil gezeigt.
Aufführungen:
Samstag, 21. März, 20.15 Uhr
mit Essen ab 18.30 Uhr
Sonntag, 22. März, 17 Uhr
mit Essen ab 20 Uhr
Freitag, 27. März, 20.15 Uhr
mit Essen ab 18.30 Uhr
Samstag, 28. März, 14 Uhr
mit Essen ab 12.15 Uhr
Samstag, 28. März, 20.15 Uhr
mit Essen ab 18.30 Uhr
Reservation:
www.theato.ch
Bild: Hansruedi Kugler
Hauptprobe geglückt, die Regisseurin ist zufrieden: Andrea Vieritz (rechts) beim Schlussapplaus neben ihren Darstellerinnen und Darstellern.
ihrem 40. Geburtstag auf dem
Bahnhof strandet und ihren aufmüpfig-verzweifelten Lebenselan gleich wieder zu verlieren
droht. Stolze Frauen am Rande
des Nervenzusammenbruchs.
Andrea Vieritz lacht: «Ja, ich
weiss, die Hysterikerin – das
waren tolle Rollen.» Die gross gewachsene Berlinerin lebt seit elf
Jahren in der Schweiz, wohnt in
Nesslau und arbeitet als Sozialpädagogin. Regie führt sie nun
zum ersten Mal. Mit dem Theater verbunden war sie aber schon
in Berlin, wo sie aufgewachsen
ist und dreissig Jahre gelebt hat.
Aufgewachsen in Ostberlin
Eine waschechte «Ossi» sei
sie, sagt Andrea Vieritz. Ihr Vater
war auf dem Land, ihre Mutter in
Ostberlin aufgewachsen. Viel
Freizeit verbrachte sie als Kind
im 1979 eröffneten «Pionierpalast Ernst Thälmann» (Thälmann war als Vorsitzender der
deutschen Kommunisten von
den Nazis umgebracht worden
und wurde in der DDR als Held
verehrt). Nach der Vereinigung
der DDR und der BRD wurde die
riesige Freizeitanlage in FEZ,
Freizeit- und Erholungszentrum,
umbenannt: Die Schwimm- und
Sporthallen, Theater, Kinos,
Konzertsäle und viele Werkstätten wurden als gemeinnütziges
Angebot weitergeführt – mit fast
einer Million Besucher pro Jahr.
Im FEZ lernte Andrea Vieritz als
Jugendliche keramisches und
plastisches Gestalten und war
später Assistentin der Werkstattleiterin – bevor sie 1998 mit
dem Studium zur Sozialpädagogin begann. In jene Zeit fallen
auch ihre ersten Theatererfahrungen. Schon in den frühen
1990er Jahren besuchte sie Kurse. Neben kleineren Auftritten
spielte sie in zwei grossen Produktionen mit: In «Kleinbürgerhochzeit» von Bertolt Brecht
spielte sie die Mutter, in Witold
Gombrowicz’ «Yvonne, die Burgunderprinzessin» den Kammerdiener.
Vom Chössi-Theater geprägt
So toll Berlin sei, vor allem für
Theaterfans – die Grossstadt sei
ihr dann mit der Zeit auf den
Kopf gefallen, sagt Andrea Vieritz. Sie liebe die Natur und die
Berge – und als sie während ihres
Studiums ein Praktikum in Graubünden machte, war für sie klar,
dass sie irgendwo aufs hügeligere Land ziehen wolle. Seit 2003
lebt sie nun in Neu St. Johann. Im
Chössi-Theater spielte sie neben
den Freilichtaufführungen auch
eine Rolle in einem Maturastück
von Marlene Burlet und besuchte einige Theaterkurse bei Andrea Schulthess. Was sie dort gelernt hat? Vor allem die Improvisationsübungen, sagt sie. Wie
man mit Improvisationen eine
Rolle kennen lernt, wie man mit
selbst verfassten Charakterblättern sich ein Verständnis für die
eigene Rolle erarbeitet. Solche
IN EIGENER SACHE
Kinofilm von
Toggenburgern
TOGGENBURG. Der neue Doku-
mentarfilm «Camino de Santiago» stammt von einem Team
mit Toggenburger Wurzeln: Jonas Frei, Manuel Schweizer, Alan
Sahin und Ivan Hernandez. «Camino de Santiago startet» am
24. März im Kino Passerelle in
Wattwil. Der Film zeigt auf, dass
es auf dem Jakobsweg um weit
mehr als um eine Pilgerreise
geht. Einige Wanderer suchen
Entspannung, andere das Abenteuer oder eine spirituelle Erfahrung. An einem bestimmten
Punkt kreuzen sich die Wege dieser Menschen. Zwischen schönen Landschaften, kulinarischen
Erlebnissen und Musik prallen
Welten aufeinander, dabei bahnen sich neue Freundschaften
an. Hier treffen glückliche und
tragische
Lebensgeschichten
aufeinander und verschmelzen
zu dem Weg, der längst selbst zur
Legende geworden ist. (pd/aru)
www.santiagoelcamino.com
www.toggenburgertagblatt.ch
Charakterblätter haben die Darsteller des Theatervereins ebenfalls erstellt. Andrea Vieritz
schaute dann, ob die Ergebnisse
mit ihren eigenen Vorstellungen der Rollen übereinstimmen.
Das Resultat: «Das hat gut geklappt. Unsere Darsteller spielen
ja nicht zum ersten Mal und
können sich und ihre Rollen gut
selbst einschätzen.» Sieben Monate dauerten die Proben für
«Kuckucksväter» – jeden Sonntagabend wurde geprobt. «Alle
wollten gerne als ganze Gruppe
proben. Schliesslich sind wir ein
Verein und möchten auch ein
Zusammensein pflegen.» Weil
alle nebenbei noch studieren
oder arbeiten, ist alleine schon
das Textlernen aufwendig, sagt
Andrea Vieritz. Und: «Bis Ende
Jahr mussten die Darsteller ihren
Text auswendig können – wie Sie
selbst an der Hauptprobe sahen:
Der Text sitzt.»
Blickfang
Sonne mit
Flecken
Leser Stefan Ziegler aus Oberhelfenschwil hat am Samstag den
Sonnenuntergang fotografiert.
«Erst im nachhinein habe ich entdeckt, dass auf dem Bild Sonnenflecken zu sehen sind», schreibt
er dazu. Sonnenflecken sind
dunkle Stellen auf der sichtbaren
Sonnenoberfläche, die kühler sind
und daher weniger sichtbares
Licht abstrahlen. Übrigens: Am
kommenden Freitagmorgen,
20. März, ereignet sich eine Sonnenfinsternis, die von der Schweiz
aus zu sehen ist.
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