A. Peptide und Proteine

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A. Peptide und Proteine
1. Allgemeines
1.1
Einleitung
Peptide und Proteine sind ubiquitär in allen Organismen vorhanden. Sie sind die
Moleküle des Lebens. Oft werden sie als Funktionsreagenzien in den Zellen
bezeichnet, die verantwortlich sind für:
1. Katalyse chemischer Reaktionen
2. Struktur
3. Regulation / Signalübertragung
4. Transport
5. Abwehr
Der Name Protein wurde vom holländischen Chemiker Gerardus Mulder 1838
geprägt. Das Wort Protein (griechisch) steht für: Von zentraler Bedeutung. Die
moderne Biotechnologie hat als zentrales Ziel, Proteine und Peptide für den
Menschen nutzbar zu machen. → Antikörperfragmente, Interferone
1.2
Aufbau
Peptide und Proteine sind lineare Oligomere (2-40) und Polymere (>30), die aus
Aminosäuren aufgebaut sind. Proteine sind Polypeptide mit einer Funktion und vor
allem mit einer definierten dreidimensionalen Gestalt. Man sagt sie sind gefaltet.
Enzyme sind Proteine, die chemische Reaktionen katalysieren. → Chaperone
1.3
Aminosäuren
Aminosäuren sind chirale Moleküle mit einem H, einer Aminogruppe und einer
Carboxgruppe sowie meistens einer Seitengruppe verknüpft über ein zentrales
Kohlenstoffatom.
Dieses
bezeichnet
man
als
α-C-Atom.
Die
natürlichen
Aminosäuremoleküle sind L-konfiguriert nach E. Fischer was „meistens“ S entspricht
in der CIP Nomenklatur. Es gibt aber auch Aminosäuren die nach Fischer Lkonfiguriert sind aber nach der CIP Nomenklatur die absolute Konfiguration R haben,
z.B. Cystein oder Selenocystein. Das hängt mit den Prioritätsregeln zusammen, die
in diesem Fall das S-Atom vor dem O-Atom platzieren.
Die Aminosäuren unterscheiden sich alle bezüglich der Seitenkette. Diese kann
sauer, basisch, hydrophil oder hydrophob sein.
Es gibt 20 proteinogene Aminosäuren. Hinzu kommen Selenocystein und Pyrrolysin
als 21. und 22. Aminosäure. Zu der Frage wie die durch Amber-Stopp-Codon (UAG)
Suppression kodiert werden, siehe weiterführende Literatur. P. G. Schultz: Nat.
Biotechnol. 2002, 20, 1044-48; J. Chin: J. Am. Chem. Soc. 2009, 131, 8720-8721.
Struktur einer L-Aminosäure und Strukturen von Threose und Erythrose nach E.
Fischer.
H2N
C
R
CHO
OH
H
OH HO
H
OH HO
H
H
OH HO
H
OH
OH
OH
OH
(-)-D-Threose
(+)-L-Threose
H HO
H
L-Aminosäure
CHO
CHO
CHO
COOH
H
H
(-)-D-Erythrose
(+)-L-Erythose
2
Darstellung aller 20 proteinogenen Aminosäuren. Alle Aminosäuren bis auf Glycin
haben ein Chiralitätszentrum. Isoleucin und Threonin haben zwei Chiralitätszentren.
H2N
O
H
C C OH
CH2
CH2
CH2
O
H2N
C
CH3
NH2
O
H
C C OH
H2N
NH
H
C C OH
Alanine
Argenin
H2N
CH2
CH2
C O
C O
OH
NH2
Glutamin
O
CH2
HC
CH3
O
H
C C OH
CH2
C O
C O
NH2
OH
SH
Asparagin
Asparaginsäure
Cystein
H2N
H2N
H
C C OH
H2N
O
H
C C OH
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
S
CH3
NH2
CH3
Leucin
Lysin
Methionin
H2N
CH2
H2N
CH3
CH2
CH3
NH
Histidin
H2N
O
H
C C OH
HC
N
H
Glycin
O
H
C C OH
CH2
O
O
H
C C OH
CH2
H
H2N C C OH
O
H
H2N C C OH
O
H
C C OH
CH2
H2N
O
H
C C OH
CH2
NH
CH2
Glutaminsäure
H2N
Isoleucin
O
H
C C OH
O
CH2
C OH
HN
Phenylalanin
Prolin
O
H2N
O
O
H2N
H
C C OH
CH2
OH
Serin
H2N
O
H
C C OH
H2N
H
C C OH
CH2
CH2
H
C C OH
H2N
HC OH
CH3
Threonin
O
H
C C OH
HC
HN
Thryptophan
OH
Tyrosin
CH3
CH3
Valin
Abb. 1: Darstellung aller Aminosäuren.
Selenocystein und Pyrrolysin sind weitere Aminosäuren, die kodiert werden.
3
Abb. 2: Selenocystein und Pyrrolysin.
4
In der Biochemie werden die Aminosäuren entweder durch einen EinbuchstabenCode oder durch einen Dreibuchstaben-Code dargestellt.
Aminosäure
Alanin
Arginin
Asparagin
Asparaginsäure
Cystein
Glutamin
Glutaminsäure
Glycin
Histidin
Isoleucin
Leucin
Lysin
Methionin
Phenylalanin
Prolin
Serin
Threonin
Tryptophan
Tyrosin
Valin
Dreibuchstabencode
Einbuchstabencode
Ala
Arg
Asn
Asp
Cys
Gln
Glu
Gly
His
Ile
Leu
Lys
Met
Phe
Pro
Ser
Thr
Trp
Tyr
Val
A
R
N
D
C
Q
E
G
H
I
L
K
M
F
P
S
T
W
Y
V
Tab. 1: Ein- und Dreibuchstaben-Code für Aminosäuren.
Proteine enthalten neben den 20 (bzw. 22) kodierten Aminosäuren oft auch
phosphorylierte (Tyr, Ser, Thr) oder acetylierte oder methylierte (Lys) Derivate.
Die Phosphorylierungen regulieren oft die Funktion der Proteine. Phosphorylierungen
und Dephosphorylierungen werden von spezifischen Enzymen (Kinasen und
Phosphatasen) an definierten Stellen durchgeführt. Darüberhinaus sind einige
Aminosäuren mit Zuckern derivatisiert. Gerade die Proteine höherer Organismen
sind sehr häufig mit linearen oder verzweigten Zuckerstrukturen versehen. Hierbei
werden die Zucker entweder mit Asn verknüpft (N-Glycoside) oder es handelt sich
um O-Glycoside der Aminosäuren Thr und Ser. Manche Proteine werden auch nahe
dem Carboxyterminus mit Lipiden ausgestattet. Diese Modifikation lokalisiert das
Protein in der Zellmembran. Alle diese Modifikationen werden posttranslational
eingeführt. Die chemische Synthese glycosylierter und lipidierter Peptide und
5
Proteine ist eine große Herausforderung. Davis: Angew. Chem. Int. Ed. 2009, 48,
4674-4678.
Aminosäuren können über den Ninhydrintest sehr einfach nachgewiesen werden
(funktioniert allgemein für Amine).
1.4. Struktur des Polypeptids
R1
R2
O
H3N
O
R1
O
H3N
O
-H2O
H3N
O
R1
O
H
N
O
R2
O
H
N
H3N
O
O
R2
Abb. 3: Die Peptid-(Amid)bindung.
Die Kondensation zweier Aminosäuren ergibt eine Amidbindung. Diese Amidbindung
ist nicht frei drehbar, sondern hat erheblichen Doppelbindungscharakter. Peptide
werden immer so notiert, dass der Aminoterminus links und der Carboxyterminus
rechts liegt. Die meisten Peptide und Proteine werden nach Gewicht charakterisiert,
z. B. 33,000 Da oder 33 kDa. Man kann die Anzahl der verknüpften Aminosäuren
leicht abschätzen, da im Durchschnitt eine Aminosäure mit 110 Da zum
Gesamtgewicht beiträgt. (1 Da = 1 Masseneinheit. 1 kDa = Molekulargewicht 1000)
6
Die Aminosäuresequenz nennt man auch die Primärstruktur eines Proteins. Diese
legt die Reihenfolge fest, in der die einzelnen Aminosäuren miteinander verknüpft
sind. Aminosäuresequenzen falten sich lokal zu Sekundärstrukturen. Diese werden
durch nicht-kovalente Wechselwirkungen zusammengehalten. Es kommt zur
Ausbildung
zentraler
H-Brückenverbindungen.
Man
unterscheidet
als
Sekundärstrukturelemente die α-Helix, das β-Faltblatt (parallel und antiparallel) und
die verschiedenen Schleifen (α, β, γ turns).
1.4.1 Die α-Helix
Alle Sekundärstrukturen, wie auch die α-Helix, können sich nur ausbilden, weil die
Peptidbindung auf Grund des Doppelbindungscharakters planar und in der Regel
trans (anti) konfiguriert ist. Die Delokalisierungsenergie beträgt ca. 75-88 kJ/mol.
Außerdem existiert ein großes Dipolmoment von 3.5 D.
Was die Konfiguration der Amidbindung betrifft, ist die Aminosäure Prolin eine
Ausnahme. In Lösung findet man bei dieser Aminosäure auch 20-30% des cisIsomers.
Spezielle
Enzyme,
die
Prolin-cis/trans-Isomerasen,
können
die
Prolinaminisäure im Protein isomerisieren. Für alle anderen Aminosäuren sind es
hingegen nur <0,1%. Die starke Bevorzugung der trans-Amidbindung hat sterische
Gründe.
Die α-Helix ist eine rechtsgängige Helix.
7
Abb. 4: Die α-Helix ist eine 3,613 Helix. Sie hat 3,6 Aminosäuren in einer Windung (360°).
Die sich ausbildende H-Brücke bildet einen 13-gliederigen Ring.
Jede Amidgruppe bildet eine H-Brücke aus zu einer weiteren Amidgruppe, die in der
Primärstruktur drei Aminosäuren entfernt ist. Die C=O Gruppen liegen parallel zur
Helixachse, die Seitenketten stehen nahezu senkrecht zur Helixachse. 3.6
Aminosäuren bilden eine Helixwindung von 360°. Die Höhendifferenz (Pitch) beträgt
5.4 Å pro 360° Windung.
8
Abb. 5: α-Helix (Blickrichtung auf die Helix-Achse).
1.4.2 Das β-Faltblatt
Eine gestreckte Polypeptidkette kann mit einer zweiten Polypeptidkette eine dimere
Struktur bilden. Hierbei können sich die beiden Peptide parallel oder antiparallel
anordnen.
Abb. 6: Paralleles und antiparalleles β-Faltblatt.
9
Antiparallele β-Faltblätter finden sich oft als Domänen in Proteinen oder sie sind
Bestandteil fibrillärer, d. h. ausgestreckter, fibrillenhafter und fibrillenbildender
Proteine. Viele dieser Proteine sind sehr schwer löslich. Das parallele β-Faltblatt
findet sich hingegen nicht in solchen fibrillären Proteinen, sondern ausschließlich in
Proteinen mit globulärer Struktur.
4.3 Schleifen
Schleifen sind in Proteinen nichtrepetitive Sekundärstrukturen, die die Richtung einer
Polypeptidkette umkehren. In einer Schleife gibt es immer eine H-Brücke von einem
Akzeptor (C=O)i zu einer Donorgruppe (N-H)i+n. Diese Donorgruppe ist nAminosäureeinheiten entfernt.
Man kennt α-, β- und γ-Schleifen je nach Größe der Schleife, d. h. je nach Größe
von n.
α-Schleife
5→1
Ringgröße = 13
n=4
β-Schleife
4→1
Ringgröße = 10
n=3
γ-Schleife
3→1
Ringgröße = 7
n=2
Man unterscheidet noch verschiedene Typen von β-Schleifen: β , β und β , bei denen
Ι
ΙΙ
ΙΙΙ
die Aminosäuren andere spezifische Winkel einnehmen (Ramachandran-Plot).
Abb. 7: β , β und β -Schleifen.
Ι
ΙΙ
ΙΙΙ
10
Der β -Typ benötigt aus sterischen Gründen ein Gly an der dritten Position. Der Typ
ΙΙ
ΙΙΙ kann beliebig wiederholt werden. Man erhält dann eine reguläre 3.010 Helix. Das
ist eine typische Oligoprolin-Helix. Zum Vergleich: die α-Helix ist eine 3.613-Helix. (3.6
= 3. 6 Aminosäuren pro volle Drehung). Die H-Brücken der α-Helix schließen jeweils
einen 13 gliedrigen Ring ein.
1.4.4 Charakterisierung von Peptiden und Proteinen
Peptide können über unterschiedliche Verfahren analysiert werden:
1. Totalabbau in die einzelnen Aminosäuren durch saure Hydrolyse mit 6 N HCl bei
100ºC für 24 Stunden. Die Charakterisierung der einzelnen Aminosäuren
beinhaltet so vor allem die Mengenbestimmung erfolgt über HPLC.
2. Edman Sequenzierung
N
C
S
R1
O
H
N
H2N
R1
HN
R2
O
N
H
S
O
H
N
O
HF
HN
R2
N
S
R1
H
N
O
O R
2
H
HN
N
O
R1
HCl
H2N
S
O
R2
R1
O
HN
N
S
Phenylthiohydantion
Jede Aminosäure ergibt hierbei ein anderes Phenylthiohydantoin, welches
spezifisch nachgewiesen werden kann. So kann man von einem Protein die Nständige Aminosäure ermitteln. Die Sequenzierung kann wiederholt werden, so
dass ganze Peptidsequenzen bestimmt werden können.
3. Abspaltung der einzelnen Aminosäuren mit Exo- oder Endopeptidasen.
So spaltet Trypsin ein Peptid nach den basischen Aminosäuren Lysin, Arginin.
Chymotrysin spaltet nach einer aromatischen Aminosäure (Tyrosin-, Tryptophanoder Phenylalanin), sowie Leucin.
Trypsin: H2N-Hy-Arg-Ala-Ser-Phe-Gly-Asn-Lsy-Trp-Glu-Val-COOH
Chymotrypsin: H2N-Gly-Arg-Ala-Ser-Phe-Gly-Asn-Lys-Trp-Glu-Val-COOH
11
4. Nachweis der N-terminalen Aminosäure eines Peptides lässt sich durch eine
nukleophile Substitutionsreaktion mit DNB (1-Fluor-2,4-dinitrobenzol, Sangers
Reagenz) bestimmen.
F
H2N
N
H
R1
NO2
NO2
R2
O
H
N
R1
O2N
R2
O
NO2
N
H
O
OH
R3
HF
NO2
OH
R3
6 M HCl, 110 °C
N
H
O
H
N
O
OH
R3
R2
O
H
N
OH
R1
O2N
R2
O
H
N
R1
O2N
O
H
N
O
NO2
O
H
N
O
OH H3N
H3N
O
OH
R3
1.5. Grundsätzliches zur Konformation von Peptiden
Die Hauptkette eines Peptids wird aus den Atomen Ni, C i und Ci gebildet.
α
Die Konformation der Kette wird durch zwei Winkel bestimmt: Φ (Phi), Ψ (Psi). Es
gibt für jede Winkelkombination, erlaubte (günstig) und solche, die verboten
(ungünstig) sind. Die möglichen (Φ, Ψ)-Winkelkombinationen werden in sogenannten
Ramachandran-Plots dargestellt.
O
Ψ
H
N
Ni
N
H
Ci
Ciα
Φ O
Abb. 8: Ramachandran-Plot eines kleinen Peptids.
Zur Abschätzung, welche Winkelkonfigurationen günstig und welche ungünstig sind,
gelten die „Spielregeln“ der Konformationsanalyse. ⇒ Vermeiden von Newman- und
Pitzer-Spannung.
12
Pitzer-Spannung:
Gestaffelte und nicht ekliptische Anordnung von Atomen
entlang
der
Hauptkette.
(σ-σ*
Wechselwirkung).
Torsionsspannung
Newman-Spannung:
1,5 Repulsion von nicht-H-Atomen.
H3C
CH3
CH3
CH3
1,5-Repulsion
Bayer-Spannung:
Valenzwinkel-Deformation wie im Cyclobutan.
Zusätzlich kommt bei Peptiden hinzu:
-
Möglichst geringe 1,3-Allylspannung
-
Optimale Anordnung zur Bildung von H-Brücken
Abb. 9: Verbindungen mit 1.3 Allylspannung nach F. Johnson und R.W. Hoffmann.
Chem. Rev. 1989, 89, 1841-1860.
13
1.6. Tertiärstruktur von Proteinen
Die Sekundärstrukturen eines Polypeptids falten in eine definierte dreidimensionale
Gestalt, die Tertiärstruktur. Diese Struktur wird durch H-Brücken, ionische
Wechselwirkungen und hydrophobe Interaktionen stabilisiert. Auch Disulfidbrücken
können gebildet werden. Die Struktur vieler Proteine lässt sich oft in Bereiche
unterschiedlicher physikalischer Eigenschaften unterteilen. Diese Bereiche nennt
man Domänen.
Wenn ein Protein aus unterschiedlichen Polypeptidketten besteht, spricht man von
Untereinheiten des Proteins. Untereinheiten lagern sich zur Quartärstruktur eines
Proteins zusammen.
Hat ein Protein nur eine Untereinheit, ist es ein Monomer, sonst ein Dimer, Trimer,
Tetramer etc.
Homo und Hetero beschreibt, ob die gleichen Oligopeptide oder ob unterschiedliche
Peptidstränge beteiligt sind.
Es
gibt
auch
im
Reich
der
Tertiärstrukturen
stabile
sich
wiederholende
Strukturmerkmale.
Eines der wichtigsten Faltungsmotive ist das coiled-coil. Es lässt sich leicht künstlich
konstruieren und wird daher gerne für die Synthese künstlicher, stabil gefalteter
Proteine verwendet.
1.6.1 Das coiled-coil Motif
Zwei parallele α-Helices ordnen sich in einem Winkel von ca. 18° zueinander an. Die
Helices winden sich dabei leicht umeinander. Die Helices verzahnen sich dabei. In
einer α-Helix befindet sich die Seitenkette an jeder 3.5-ten und an jeder siebten
Stelle auf der gleichen Seite. Wenn zwei Helices sich verzahnen sollen, wird an jeder
siebten Stelle in einer α-Helix eine hydrophobe Aminosäure eingebaut (z.B. Leucin).
Dann lagern sich die Helices zusammen. Wie ein Reißverschluss stapeln sich die
Leucine. Es bildet sich ein Leucin-Zipper Motif aus. Der Abstand zwischen jeder
siebten Aminosäure beträgt ca. 10 Å. Nur wenn die zwei Reste hydrophob sind z. B.
Leucin, kann eine zweite Helix mit dem gleichen Motiv ineinander einrasten. Man
14
spricht von repetitiven Heptadwiederholungen. (Heptade repeats). Leucin-Zipper gibt
es parallel und antiparallel.
Abb. 10: Paralleles Leucin-Zipper Motiv.
15
1.6.2 Der Rossmann-Dinukleotid-Bindungsfold
Parallele β-Faltblätter können sich nicht ohne ein dazwischen liegendes anderes
Sekundärstrukturelement wie z. B. eine α-Helix ausbilden. Liegt eine α-Helix
zwischen zwei parallelen β-Faltblättern spricht man von einem β-α-β-fold.
Abb. 11: Beispiele für ein paralleles β-Faltblatt mit dazwischenliegender
α-Helix ( = β-α-β-Fold). Die Pfeile markieren die β-Faltblätter.
Sehr häufig treten zwei β-α-β-folds gleichzeitig auf. Die beiden Einheiten sind häufig
180° zueinander angeordnet. Die beiden Einheiten bilden eine rechtshändige
Anordnung. Proteine, die dieses Strukturmotiv enthalten, binden meistens Purinenthaltende Dinukleotide wie ATP, NAD oder auch aktivierte Aminosäuren. Viele
tRNA Synthetasen enthalten daher einen sogenannten Rossmann-Fold.
16
Abb. 12: Der Rossmann-Fold. Zwei β-α-β-Motife bilden einen Crossover, in dessen Mitte die
Bindungstelle für Dinukleotide liegt.
Allgemein lassen sich Proteine in 4 Klassen einteilen:
α = nur α-Helices
β = nur β-Sheets (Faltblätter)
α/β = abwechselnd α und β Domänen
α + β = separierte α und β Domänen
17
1.6.3 Einige ausgewählte Proteinstrukturen
Abb. 13: Proteine, die nur aus α-Helices bestehen: Myohemerythrin (links),
Bakteriorhodopsin (rechts).
Abb. 14: Proteine, die nur aus β-Sheets bestehen: Streptavidin-Biotin Komplex (links),
Superoxiddismutase (rechts).
18
Abb. 15: Proteine, die aus separierten α-Helix und β-Sheet Domänen aufgebaut sind:
Serine-Threonine-Kinase-10 in Komplex mit Bosutinib (links), b. SRC (rechts).
Abb. 16: Proteine mit abwechselnden α-Helix und β-Sheet Domänen:
Triosephosphatisomerase (links), Tryptophanyl-tRNA Synthetase (rechts).
19
2. Chemische Synthese von Peptiden
Heute
ist
die
chemische
Synthese
von
Peptiden
und
Proteinen
mit
Molekulargewichten von 3.000 – 10.000 Da möglich. Zwei Entwicklungen machten
dieses im Wesentlichen möglich
-
Kupplungsausbeuten von > 99,5%
-
Razemisierungsfreiheit der Kupplung
Heute werden Peptide und Peptidomimetika auf zwei Wegen synthetisch
erschlossen.
1) Flüssigphasenchemie
2) Festphasenchemie
Beide Methoden beruhen auf einer ausgeklügelten Schutzgruppenchemie. So
müssen die Seitenketten der Aminosäure permanent geschützt werden. Die αAminogruppe wird temporär geschützt und die Carbonsäurefunktion wird zur
Kupplung aktiviert.
2.1
Die N -Schutzgruppe
α
Für die Kupplung muss die Aminogruppe der Aminosäure geschützt werden, da
sonst nach Aktivierung der Säure die Aminosäure mit sich selber reagieren würde.
Nach der Kupplung muss diese Schutzgruppe schnell und mild abspaltbar sein,
damit eine weitere Kupplung erfolgen kann. Die Synthese von Peptiden wird vom
C → N Terminus durchgeführt. Als temporäre α-Aminoschutzgruppe sind heute zwei
Urethan-Schutzgruppen gebräuchlich.
1) tert-Butoxycarbonyl (Boc)
abspaltbar mit H+
2) Fluorenylmethoxycarbonyl (Fmoc)
abspaltbar mit sek. Aminen
Die Fmoc-Schutzgruppe wird nach einem E1cb-Mechanismus abgespalten unter
Bildung einer Carbanion Zwischenstufe. Die Boc-Schutzgruppe eliminiert nach E1
über eine Carbokation-Zwischenstufe.
20
Seitenketten-Schutzgruppen
Abb. 1: Entschützung der Boc-Schutzgruppe (links) nach E1 und der Fmoc-Schutzgruppe
(rechts) nach E1cb (aus R. Brückner, Reaktionsmechanismen).
21
2.2
Seitenketten-Schutzgruppen
Orthogonale permanente Schutzgruppen, die während der Entschützung der N α
Schutzgruppen (Boc oder Fmoc) stabil sind, aber am Ende der Synthese leicht
abspaltbar sind, sind nötig.
2.2.1 Ser, Thr, Tyr
Für die Boc- und Fmoc-Synthesestrategie schützt man die OH-Gruppen meist als
Ether. Im Fall der Boc-Chemie wird das Peptid am Ende mit HF entschützt und vom
Harz abgespalten. Im Fall eines Fmoc-Syntheseprotokolls wird zum Schluss mit
Trifluoressigsäure TFA (90%) abgespalten. Im Boc-Syntheseprotokoll werden daher
Schutzgruppen verwendet die bedingt säurestabil sind. Sie überleben die temporäre
Entschützung der Boc-Schutzgruppe mit TFA nach jedem Kupplungsschritt, werden
aber mit HF abgespalten. Es wird die Benzyl (Bn)-Schutzgruppe im Boc-Protokoll
eingesetzt. Im Fmoc-Syntheseprotokoll wird der tert-Butylether verwendet. Dieser
überlebt die temporäre Entschützung mit Piperidin, wird aber am Ende mit TFA
gespalten.
Für die Aminosäure Tyr wechselt man gerne auf die 2,6-Dichlorbenzylschutzgruppe.
2.2.2 Asp und Glu
Hier werden im Fall der Boc-Chemie die Benzylester verwendet. Für die FmocChemie kommt der tert-Butylester zum Einsatz. Nebenreaktion ist häufig die Bildung
von Aspartimid.
22
2.2.3 Lys
Die ε-Aminogruppe von Lysin muss unbedingt geschützt werden. Im BocSyntheseprotokoll wird hierzu die Fmoc-Gruppe verwendet. Alternativ kann die 2Chlorbenzyloxycarbonylschutzgruppe (2ClZ) eingesetzt werden. Diese ist labiler als
die klassische Z (= Benzyloxycarbonyl)-Schutzgruppe. Wird Fmoc-Chemie betrieben,
so verwendet man meistens die Boc-Schutzgruppe.
2.2.4 Arg
Die Guanidiniumgruppe muss mit ihrem pKa-Wert von 12.5 nicht unbedingt geschützt
werden. Allerdings ist dann die Löslichkeit der Aminosäure schlecht. Praktisch
werden meistens Phenylsulfonylschutzgruppen verwendet. Innerhalb der BocChemie ist die 4-Toluolsulfonyl (Tos) und die Mesitylen-2-sulfonyl-Gruppe (Mts)
beliebt.
23
Betreibt man Fmoc-Chemie, so werden die Mtr-Schutzgruppe oder die PmcSchutzgruppe verwendet.
Die Säureempfindlichkeit dieser Schutzgruppen nimmt in der Reihe wie folgt ab:
Pmc > Mtr >> Mts > Tos
Somit lassen sich Pmc und Mtr mit TFA und Mts und Tos mit HF abspalten.
2.2.5 His
Im Fall des Histidins wird entweder N oder N geschützt. So kann das N einfach
τ
π
τ
Tosyl geschützt werden. Im Boc-Syntheseprotokoll wird hingegen meistens die
2,4-Dinitrophenylschutzgruppe eingesetzt (DNP).
Im Fall der Fmoc-Strategie wird N häufig Boc oder einfach Trt geschützt. Für N wird
τ
π
häufig die Bom-Schutzgruppe (= Benzyloxymethyl) oder die Bum-Schutzgruppe
24
(= tert-Butoxymethyl) verwendet. Die Verwendung von N Schutzgruppen reduziert
π
das Razemisierungsrisiko.
2.2.6 Asn, Gln
Diese Seitengruppen werden meist ungeschützt gelassen. Allerdings kann es zu
Dehydratisierung kommen, was zu Nitrilen führt.
2.2.7 Trp, Met
Diese Seitenketten werden in der Regel nicht geschützt.
2.2.8 Cys
Es handelt sich um eine sehr problematische Aminosäure, deren Schützung
unbedingt angezeigt ist. Für die Boc-Chemie bietet sich die AcetamidomethylSchutzgruppe (Acm) an. Kompatibel mit der Fmoc-Chemie ist ebenfalls die AcmSchutzgruppe. Die Acm-Schutzgruppe wird mit Hg2+- oder Ag+-Salzen gespalten.
Auch die mit Säure abspaltbare Trt-Gruppe wird für Cys sehr gerne verwendet.
25
2.3
Acylierungen
Um eine Peptidbindung bilden zu können, muss die Carboxylatfunktion aktiviert
werden. Die unterschiedlichen Carboxylatderivate weisen eine unterschiedliche
Resonanzstabilisierung auf, welche die Reaktivität herabsetzt. Das Carboxylat selber
mit ca. 30 kcal/mol, das Amid mit 22 kcal/mol und der Ester mit 14 kcal/mol
„Resonanzenergie“ sind relativ unreaktiv. Anhydrid und Säurechlorid haben kaum
Resonanzstabilisierung und sind aus diesem Grund sehr reaktiv. Ziel der
Carbonsäureaktivierung muss es also sein, Derivate zu erzeugen, in denen die
Resonanzstabilisierung nur minimal ist.
O
O
O
<
<
NH2
O
<
OR
O
O
O
<
O
Cl
Reaktivität nimmt zu
Der Angriff des Nukleophils ergibt eine Tetraederzwischenstufe, in der die
Resonanzstabilisierung
nicht
mehr
existiert.
Je
größer
der
Verlust
an
Resonanzenergie während der Reaktion ist, umso höher liegt der Übergangszustand
der Reaktion und umso unreaktiver ist das Derivat (später Übergangszustand).
Abb. 2: Energieprofil (mit Mesomeriestabilisierung) zur Bildung der Tetraederzwischenstufe
aus einem Carbonsäurederivat.
26
Ein weiterer Punkt, der die Reaktivität beeinflusst, ist die Stabilisierung der
tetraedrischen Zwischenstufe. Je stärker die Stabilisierung, umso energetisch tiefer
liegt der Übergangszustand und umso schneller ist die Reaktion. Da die
tetraedrischen
Zwischenprodukte
Übergangszustand
partiell
oft
bereits
negativ
geladen
bemerkbar
sind,
macht,
was
wirken
sich
sich
im
sehr
elektronenziehende Substituenten (z.B das Cl im Säurechlorid) stabilisierend und
damit
ratenbeschleunigend
aus.
Auch
der
anomere
Effekt
stabilisiert
die
Tetraederzwischenstufe sehr stark. Der anomere Effekt ist in Strukturelementen
Het-C-Het (Het = Heteroatom) bedeutsam. Es handelt sich um eine n-σ*-Wechselwirkung, wie unten gezeigt ist.
Abb. 3: Darstellung des anomeren Effektes.
Carbonsäuren werden für die Amidbindungsbildung daher zunächst in reaktive
Derivate überführt. Sehr bekannt sind die Anhydride, die Pentafluorphenylester,
Thioester (aktiviert wegen der geringen Neigung des Schwefels Doppelbindungen zu
bilden), Imidazolide und natürlich ist die Aktivierung mit Hilfe des Steglich-Reagenzes
Dimethylaminopyridin ein stark aktivierender Weg. Beim Steglich-Reagenz würde
eine Resonanz zu einer doppelt positiv geladenen Teilstruktur führen, was
energetisch sehr ungünstig ist
O F
F
O
F
O
O
O
O
S
N
N
N
N
F
F
N
N
27
Eine bekannte Methode zur Aktivierung von Carbonsäuren bietet das MukaiyamaVerfahren. Hier entsteht über Meisenheimer-ähnliche Zwischenstufen (nukleophile
aromatische Substitution) ein Aktivester, der leicht mit Nukleophilen reagiert. Die
Aktivierung findet hier in situ statt.
Abb. 4: Mukaiyama-Verfahren zur Aktivierung von Carbonsäuren.
Der Mechanismus der Carbonsäureaktivierung soll am Beispiel der Imidazolide
dargestellt werden. Hier wird ausgehend von der Carbonsäure mit Carbonyldiimidazol das Imidazolid erzeugt.
Abb. 5: Carbonsäureaktivierung mit Carbonyldiimidazol.
28
Weitere Möglichkeiten zur Aktivierung von Carbonsäuren unter Bildung von
Säurechloriden sind z.B. Thionylchlorid und Oxalyldichlorid. Man informiere sich über
den Bildungsmechanismus, sowie über die Frage, warum DMF die Bildung eines
Säurechlorids aus einer Carbonsäure und Thionylchlorid katalysiert.
2.4
Kupplungsmethoden
2.4.1 Aktivierung mit DCC
In der Peptidchemie wird nur selten ein stabiles aktiviertes Carbonsäurederivat in
Substanz eingesetzt. Meist wird die N - und Seitenketten-geschützte Aminosäure
α
direkt in situ vor der Kupplung aktiviert. Hierzu wird häufig ganz klassisch ein
Gemisch aus DCC + HOBt eingesetzt. Das DCC aktiviert die Carbonsäure unter
Bildung eines sehr reaktiven Acylisoharnstoffes. Dieser reagiert mit dem HOBt zu
einem Reaktivester, indem ein sehr großer Teil der anfänglichen Reaktivität
konserviert ist. Dieser Reaktivester reagiert dann mit dem Nukleophil, z.B. mit der
zweiten Aminosäure mit einer freien Aminogruppe. Eine direkte Umsetzung des
Acylisoharnstoffs ist wenig ratsam, da die Reaktivität so hoch ist, dass
Razemisierung der Aminosäure eintritt. Außerdem erfolgt ein, wenn auch langsamer,
[1,3]-Acylshift, der zu einem unreaktiven Acylharnstoff (E) führt.
29
Abb. 6: In situ-Aktivierung der Carbonsäure.
Alternativ zum DCC wird häufig Diisopropylcarbodiimid (DIPCDI) verwendet, da der
sich bildende Harnstoff löslicher ist und leichter abgetrennt werden kann. Das HOBt
formt den Aktivester dadurch ermöglicht es die Reaktion. Gleichzeitig unterdrückt es
die Razemisierung und hilft, dass die Asn- und Gln-Seitengruppen nicht dehydratisieren. Mit Hilfe von DCC lassen sich also die Aminosäuren in situ in relativ stabile
Aktivester überführen wie Pentafluorphenyl oder eben HOBt-Ester. Diese Aktivester
können auch isoliert und chromatographiert werden.
2.4.2 Aktivierung mit BOP
Sehr modern und beliebt ist neben der DCC-Methode die Kupplung mit einem
Gemisch aus HBTU/HOBt oder BOP. HBTU liegt sowohl in der O-Form, als auch in
der weniger reaktiven N-Form vor.
HBTU = 2-(1H-Benzotriazol-1-yl)-1,1,3,3-tetramethyluroniumhexafluorophosphat.
BOP = Benzotriazolyloxytris[dimethylamino]phosphoniumhexafluorophosphat.
BOP ist auch bekannt als Castro’s Reagenz. In jedem Fall liegen die Reagenzien mit
dem sehr wenig nukleophilen Gegenion PF6- vor.
N
N
O C
N
N
N
N
N
N
O-
N
N
PF6
HBTU N-Form
PF6
HBTU O-Form
N
N
P
O
N
N
N
N
PF6
BOP
Das BOP-Reagenz ist stabil, nicht hygroskopisch und sehr gut löslich in organischen
Lösungsmitteln. Generell ist das BOP-Reagenz wesentliche effizienter als die
Kombination DCC/HOBt. In Abb. 7 ist die Synthese des BOP-Reagenzes gezeigt.
30
Abb. 7: Synthese des BOP-Reagenzes.
Ein Nachteil ist, dass während der Reaktion Hexamethylphosphorsäuretriamid
entsteht, das wegen seiner Carcinogenität gefürchtet wird. Das neue Reagenz
PyBop schafft hier Abhilfe. Dieses Reagenz besitzt statt Methylgruppen Pyrrolidineinheiten. Andere neue Reagenzien enthalten überhaupt keine Oxybenzotriazole
mehr. Hierzu gehören BroP oder auch PyBroP. Diese Reagenzien kuppeln vor allem
sekundäre Amide wie N-Methylaminosäuren sehr effizient.
N
N
O P
N
N
Br
Br
N P N
N P N
N
N
N
N
PF6
PF6
PF6
PyBOP
PyBroP
BroP
Weitere Reagenzien, die sehr beliebt sind, sind einfach die Carbonsäurechloride
oder Carbonsäurefluoride und das besonders aktive neue Reagenz HATU (L. A.
Carpino et al., Angew. Chem. Int. Ed. 2002, 41(3), 441-445).
N
N
PF6
F
N
N
N
N
N
N
O C
N
N
HATU O-Form
N
N
N
N
O
PF6
O
R
N
O
F
R
OH
HATU N-Form
F
F
Carbonsäurefluorid
31
Der Reaktionsmechanismus zur Aktivierung der Carbonsäure verläuft wie dargestellt
an den Beispielen HBTU, bzw. BroP:
HBTU:
BroP:
32
Manchmal ist es nötig, während der Peptidsynthese gezielt die ε-Aminogruppe einer
Lys-Seitenkette freizusetzen um z.B. eine Zyklisierung einzuleiten. Hierzu benötigt
man eine weitere orthogonale Schutzgruppe. In der Regel wird hierfür die
Allyloxycarbonylgruppe verwendet, die mit Pd0 orthogonal zu den bislang diskutierten
Schutzgruppen abgespalten werden kann.
2.5 Festphasensynthese
Bei der Festphasensynthese wird das Peptid an einem Polymer hergestellt. Durch
die Immobilisierung können die verwendeten Reagenzien sehr schnell weggewaschen werden. Ferner können sie in einen großen Überschuss zugesetzt werden,
wodurch
die
Kupplungsausbeute
sehr
stark
gesteigert
werden
kann.
Die
Immobilisierung erlaubt es die Peptidsynthese sehr stark zu automatisieren. So gibt
es heute kommerzielle Peptidsynthesegeräte, mit denen Peptide bis zu einer Länge
von 100 Aminosäuren (praktisch 50 Aminosäuren) hergestellt werden können. Die
Peptidsynthese wird an der festen Phase in einer repetitiven Arbeitsweise von
Kupplung, Entschützen der temporären Schutzgruppe und erneutem Kuppeln
durchgeführt.
33
Abb. 8: Peptidsynthese an der Festphase.
Besondere Beachtung muss dem Harz-Polymer und dem Linker geschenkt werden.
Der Linker ist das Bindeglied zwischen dem polymeren Träger und dem Peptid.
Dieser Linker muss am Ende ebenso wie die permanenten Schutzgruppen
abspaltbar sein um das Peptid freisetzen zu können. Im Fall der Boc-Chemie muss
die Spaltung demnach mit HF möglich sein. Im Fall der Fmoc-Chemie muss die
Spaltung mit ca. 80%-iger TFA realisierbar sein. Der Linker legt fest, ob nach der
Abspaltung eine C-terminale Carbonsäure oder eine andere Gruppe wie z.B. ein
Amid erhalten wird.
Im Fall des Harzes, also des Polymers, sind die Quell-Eigenschaften bedeutsam,
sowie die Beladung und die Inertheit gegenüber den Reagenzien. Das Harz muss
gut quellen, damit die Reagenzien leicht an die Synthesestelle kommen können. Man
muss sich das Polymer als ein eng geknüpftes Maschennetzwerk vorstelle, in dem
das Peptid hergestellt wird.
34
2.5.1 Die feste Phase
In der Regel handelt es sich bei dem Festphasenmaterial um Polystyrol das mit 1%
m-Divinylbenzol versetzt (crosslinking) wurde. Die Funktionalisierung geschieht meist
über eine Chlormethylierung. Zwischen die Chlormethylgruppe und die erste
Aminosäure wird meist ein Linker gesetzt, der die Abspaltung des fertigen Peptides
vom Harz am Ende der Synthese erlaubt.
In der Fmoc-Chemie kommen zum Einsatz:
Wang-Harze, nennt man Harze, die einen Wang Linker zwischen dem Polystyrol und
dem Peptid besitzen. Diese Harze werden im Rahmen der Fmoc-Peptidsynthese
eingesetzt und erlauben die Synthese von C-terminalen Carbonsäuren. Wang-Harze
enthalten einen p-Alkoxybenzylesterlinker. Man erhält die Wang-Harze durch
Umsetzung der Chlormethylpolystyrole mit 4-Hydroxybenzylalkohol. Die Abspaltung
des fertigen Peptids geschieht mit TFA.
Rink-Harze (4-(2’,4’-Dimethoxyphenylhydroxymethyl-phenoxy-Harze) sind entweder
als Amid- oder Säure-Harze erhältlich. Das Amidharz liefert C-terminale Amide und
wird, ebenso wie das Säure-Harz, das Carbonsäuren liefert, für die Fmoc-Synthese
eingesetzt.
Der Rink-Säure-Linker ist, ebenso wie der Chlortrityl-Linker, so säurelabil, dass die
Peptide mit z.B. verdünnter TFA vollgeschützt vom Harz abgespalten werden
können. Diese Fragmente können dann in die Fragmentkondensation eingesetzt
werden.
In der Bob-Chemie kommen zum Einsatz:
MBHA-, PAM- und Oxim-Harze
(Boc-Strategie)
MBHA (= p-Methylbenzhydrylamin)- oder PAM (= Phenalacetamidomethyl)-Harze
werden ebenso wie das klassische Merrifield-Harz im Rahmen der BocPeptidsynthese verwendet. Die Abspaltung der fertigen Peptide vom Träger erfolgt
mit HF. Mit den MBHA-Harzen werden nach der Synthese die Peptidamide erhalten.
Die PAM-Harze liefern die Carbonsäuren. Will man mit Hilfe der Boc-Strategie voll
geschützte Peptide erhalten so kann dies mit den Oxim-Harzen erreicht werden. Hier
findet die Spaltung mit NH3 oder H2N-NH2 statt.
35
O
OH
O
O
O
O
NHFmoc
Wang Linker
OH
Rink Amid Linker
Rink Säure Linker
Cl
Cl
Cl
NH 2
Chlortrityl-Harz
Merrif ield Harz
MBHA Amid Linker
NO2
O
NH
O
N OH
Oxim Linker
PAM Linker
OH
Neben diesen Linkern, die mit unterschiedlich starken Säuren die Abspaltung des
Peptides ermöglichen, gibt es eine große Auswahl anderer Linker. Diese können ein
völlig orthogonal abgespalten werden, wie z.B. mit Licht (Nitrobenzyl-Harze) oder
Pd(0) (Allyl-Harze). Die Allyl-Harze bezeichnet man auch als Hycram-Harze.
O
O
O
HN
O
O
HN
NO2
OH
Br
Br
Nitrobenzyl-Linker
Allyl-Linker
2.5.2 Die Entschützung
•
Man kann das Peptid so abspalten, dass die permanenten SeitenkettenSchutzgruppen erhalten bleiben, wenn z. B. eine spätere Fragmentkondensation
geplant ist.
•
Möglich ist auch, zunächst wenige orthogonale Schutzgruppen am Peptid
abzuspalten, um z. B. zunächst eine Zyklisierung am Harz durchzuführen.
36
•
In den meisten Fällen wird das Peptid jedoch komplett am Harz entschützt und
gleichzeitig vom Harz abgespalten.
Die Entschützung erfolgt im Falle der Boc-Strategie mit flüssigem HF (spezielle
Ausrüstung!) oder Trifluormethansulfonsäure (TFMSA) in TFA oder HBr in HOAc. Im
Fall der Fmoc-Strategie wird TFA (ca. 80%-ig) in CH2Cl2 verwendet.
Als Beispiel ist die Abspaltung eines Peptids im vollgeschützten Zustand nach dem
Fmoc-Protokoll an einem Sasrin-Harz gezeigt. Sasrin-Harze sind den Wang-Harzen
sehr ähnlich.
Abb. 9: Abspaltung eines Peptids im vollgeschützten Zustand. Die Synthese erfolgte nach
dem Fmoc-Protokoll an einem Sasrin-Harz, welches dem Wang-Harz sehr ähnlich ist.
In der Regel werden Abfangreagenzien (Scavengers) zugesetzt, um reaktive
Intermediate abzufangen, die das Peptid schädigen könnten. Hier kommen Anisol,
Ethandithiol, Dimethylsulfid, u. a. zum Einsatz.
Synthese eines zyklischen Peptides direkt am Harz
Das Peptid wird mit Hilfe der Boc-Strategie an einem Oxim-Harz synthetisiert. Eine
Asparaginsäure und ein Lysin-Rest werden Fmoc geschützt. Diese Schutzgruppen
werden nach der kompletten Peptidsynthese selektiv entschützt. Dann erfolgt die
Zyklisierung mit dem Reagenz BOP direkt am Harz. Ganz zum Schluss wird
vollständig entschützt und vom Harz abgespalten.
37
Abb. 10: Synthese eines zyklischen Peptides.
2.6
Synthese von langen Peptiden und Proteinen
Zur Synthese sehr langer Peptide oder Proteine mit auch unnatürlichen Aminosäuren
in der Primärstruktur stehen derzeit 4 Methoden zur Verfügung.
2.6.1 Fragmentkondensation
Durch die normale Peptidsynthese sind Peptide mit einer Länge von 30 – 40
Aminosäuren herstellbar. (Optimale Bedingungen ergeben bis zu 100 Aminosäuren).
Längere Peptide neigen am Harz zur Aggregation, was die Syntheseausbeute sehr
deutlich reduziert. Man erhält dann uneinheitliche Produkte. Die Kupplungsausbeute
lässt sich mit Hilfe von Detektoren (Abspaltung der Fmoc-Gruppe) oder mit Hilfe von
Ninhydrintests überwachen.
Bei der Segmentkondensation werden die Peptide vollgeschützt isoliert. Dann
werden die zwei Fragmente gekuppelt. Die Limitierungen liegen in der Regel in
38
schlechten Ausbeuten bedingt vor allem durch eine schlechte Löslichkeit. Auch
Razemisierung der aktiven Aminosäure ist ein Problem.
2.6.2 Ligation von ungeschützten Peptidsegmenten
Eine typische funktionelle Proteindomäne enthält 130 ± 40 Aminosäuren. Nur ca. 70
lassen sich heute am Harz routinemäßig kuppeln und schon das erfordert einige
Übung.
Die
chemische
Ligation
ermöglicht
es
uns
zwei
ungeschützte
Peptidsegmente zu addieren. Man benötigt allerdings einen N-terminalen Cysteinrest
an der Kupplungsstelle und einen Thioester am C-Terminus des N-terminalen
Fragments.
Abb. 11: Ligation zweier Peptidsegmente.
Man synthetisiert für die Ligation zunächst ein Peptid mit einem C-terminalen
Thioester. Das zweite Fragment enthält N-terminal ein Cystein. Werden beide
Fragmente zusammengegeben, so setzt ein Thiolaustausch ein. Dessen Folge ist die
Bildung des Thioesters über den beide Peptide verknüpft werden im Gleichgewicht.
Eine schnelle Umlagerung führt zum Trapping von diesem Intermediat unter
Ausbildung einer Peptidbindung.
•
Es gibt mittlerweile auch Methoden, die es ermöglichen Peptide zu ligieren ohne
dass ein Cys-Rest anwesend sein muss.
•
Ein Problem ist immer die Synthese des Thioesters vom Fragment 1. Hier wird
zumeist das Peptid durch Boc-Chemie assembliert, welches per Thioester mit
dem Harz verbunden ist. Dann wird das Peptid schrittweise aufgebaut und am
Ende abgespalten. Der Thioester „überlebt“ diese Schritte gut. Problematischer ist
39
die Synthese der Thioester basierend auf der Fmoc-Chemie, da der Thioester
den regelmäßigen Fmoc-Abspaltungen nicht standhält.
Die Fmoc-Chemie muss unbedingt angewendet werden, wenn zum Beispiel
glykosylierte Peptide ligiert werden sollen. Die Thioesterherstellung ist möglich mit
Hilfe der Säure und Base stabilen „Safety-Catch“-Linker von J. Ellman.
Abb. 12: Einsatz von „Safety-Catch“-Linker in der Peptidsynthese; f: i) BrCH2CN, CH2Cl2,
NEt3, ii) Ph-CH2-SH, TFA, H2O.
Das Peptid wird am „Safety-Catch“-Linker mittels Fmoc-Chemie assembliert. Die
letzte Aminosäure ist Boc geschützt. Das ist wichtig, da diese erst nach der
Thioesterbildung entschützt werden kann. Das Harz wird dann mit ICH2CN behandelt
und so der Linker aktiviert.
Die
Abspaltung
vom
Harz
unter
Ausbildung
des
Thioesters
erfolgt
mit
Thiobenzylalkohol. Dann werden alle Schutzgruppen mit TFA abgespalten und das
Peptid gereinigt. Die Ligation wird per HPLC verfolgt. Die endgültige Charakterisierung erfolgt durch MS (ESI-MS).
40
Abb. 13: Darstellung der HPLC-Spektren und der ESI-Spektren einer Ligationsreaktion.
2.7 Expressed Protein Ligation (EPL)
Auch rekombinante Peptid- und Proteinfragmente können mit synthetischen Peptiden
im völlig ungeschützten Zustand ligiert werden.
2.7.1 Über Thioester
Rekombinant wird ein Peptid/Protein erzeugt, welches am C-Terminus einen
Thioester besitzt. Das synthetische Fragment enthält am N-Terminus ein Cystein.
Diese Kombination ermöglicht die Ligation. Wie wird molekularbiologisch ein
Thioester erzeugt?
Inteine sind Proteine, die eine Selbstspleißung von Proteinen katalysieren. Hierbei
werden die Proteinfragmente links und rechts vom Intein, die sogenannten Exteine,
ligiert und das Intein herausgeschnitten.
41
Der Mechanismus beinhaltet zunächst die Bildung eines Thioesters. Dann folgt eine
Transthioveresterung unter Bildung eines Intermediates, in dem die Exteine über
einen Thioester verknüpft sind. Im letzten Schritt schließt sich die Exzision des
Inteins unter Bildung von Asparaginsäureamid an (Chem. Soc. Rev. 2004, 33, 422430.)
Abb. 14: Darstellung der Selbstspleißung von Proteinen mit
Inteinen und Exteinen in der Natur.
Inteine spleißen immer zusammen, wenn N- und C-Termini aufeinander treffen.
Diese Reaktion wird nun im Rahmen der EPL ausgenutzt. Hierzu wird das zu
ligierende Peptid/Protein-Fragment an ein Intein fusioniert, welches so modifiziert
wurde, dass die Spleißreaktion nicht stattfinden kann. Dieses Fusionsprotein wird
rekombinant erzeugt. Es erfolgt daraufhin der Acylshift. In Gegenwart eines externen
Thiols findet eine Transthioveresterung zum Thioester statt. In der Regel werden
Alkylthioester oder Phenylthioester erzeugt.
42
Abb. 15: Darstellung der Selbstspleißung von Proteinen mit
mutierten Inteinen und Exteinen.
2.7.2 Über N-terminale Cysteine
Natürlich ist es auch möglich, ein molekularbiologisch erzeugtes Protein mit einem Nterminalen Cystein an einen synthetischen Peptid-Thioester zu ligieren. Die Nterminal Cystein enthaltenden Peptide und Proteine können leicht aus Zelllysaten
abgetrennt werden. Hierzu werden Aldehyd Säulen verwendet, die mit den Cysteinen
zu
Thiozolidinen
reagieren
(resin
capture).
Die
Spaltung
erfolgt
mit
Methylhydroxylamin.
Eine Einschränkung des Ligationsverfahrens ist, dass immer ein Cystein vorhanden
sein muss. Heute können auch auxilliare Gruppen eingesetzt werden.
Eine Alternative ist die direkte Entfernung der SH-Gruppe unter Bildung von Alanin
mit Pd0 (Entschwefelung).
Man kann auch Selenocysteine statt Cysteine verwenden. Chemoselektive, oxidative
Eliminierung
ergibt
Dehydroalanin,
welches
dann
mit
einem
Nukleophil
43
funktionalisiert werden kann. So kann z. B. farnisylthioliert oder thioglykosyliert
werden (Curr. Op. Biotechn. 2002, 13, 297-303).
Abb. 16: Natürliche chemische Ligation mit einem a) Thioester, b) N −2-diylmercaptoethyl,
α
und c) Selenocystein.
Staudinger Ligation:
Die Staudinger Ligation ist eine weitere Möglichkeit, die es erlaubt, auf das
Cystein zu verzichten. Für die Reaktion wird ein Thioester benötigt, welcher
allerdings ein Thiarylphosphin beinhaltet. Das zweite zu ligierende Fragment
besitzt statt eines Cysteins ein N-terminales Azid (Chem. Bio Chem. 2004, 5,
1176-1179).
44
Abb. 18:Schematische Darstellung der Staudinger Ligation.
Während der Reaktion wird ein reaktives Intermediat gebildet, das den
Thioester nukleophil angreift.
45
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