A. Peptide und Proteine 1. Allgemeines 1.1 Einleitung Peptide und Proteine sind ubiquitär in allen Organismen vorhanden. Sie sind die Moleküle des Lebens. Oft werden sie als Funktionsreagenzien in den Zellen bezeichnet, die verantwortlich sind für: 1. Katalyse chemischer Reaktionen 2. Struktur 3. Regulation / Signalübertragung 4. Transport 5. Abwehr Der Name Protein wurde vom holländischen Chemiker Gerardus Mulder 1838 geprägt. Das Wort Protein (griechisch) steht für: Von zentraler Bedeutung. Die moderne Biotechnologie hat als zentrales Ziel, Proteine und Peptide für den Menschen nutzbar zu machen. → Antikörperfragmente, Interferone 1.2 Aufbau Peptide und Proteine sind lineare Oligomere (2-40) und Polymere (>30), die aus Aminosäuren aufgebaut sind. Proteine sind Polypeptide mit einer Funktion und vor allem mit einer definierten dreidimensionalen Gestalt. Man sagt sie sind gefaltet. Enzyme sind Proteine, die chemische Reaktionen katalysieren. → Chaperone 1.3 Aminosäuren Aminosäuren sind chirale Moleküle mit einem H, einer Aminogruppe und einer Carboxgruppe sowie meistens einer Seitengruppe verknüpft über ein zentrales Kohlenstoffatom. Dieses bezeichnet man als α-C-Atom. Die natürlichen Aminosäuremoleküle sind L-konfiguriert nach E. Fischer was „meistens“ S entspricht in der CIP Nomenklatur. Es gibt aber auch Aminosäuren die nach Fischer Lkonfiguriert sind aber nach der CIP Nomenklatur die absolute Konfiguration R haben, z.B. Cystein oder Selenocystein. Das hängt mit den Prioritätsregeln zusammen, die in diesem Fall das S-Atom vor dem O-Atom platzieren. Die Aminosäuren unterscheiden sich alle bezüglich der Seitenkette. Diese kann sauer, basisch, hydrophil oder hydrophob sein. Es gibt 20 proteinogene Aminosäuren. Hinzu kommen Selenocystein und Pyrrolysin als 21. und 22. Aminosäure. Zu der Frage wie die durch Amber-Stopp-Codon (UAG) Suppression kodiert werden, siehe weiterführende Literatur. P. G. Schultz: Nat. Biotechnol. 2002, 20, 1044-48; J. Chin: J. Am. Chem. Soc. 2009, 131, 8720-8721. Struktur einer L-Aminosäure und Strukturen von Threose und Erythrose nach E. Fischer. H2N C R CHO OH H OH HO H OH HO H H OH HO H OH OH OH OH (-)-D-Threose (+)-L-Threose H HO H L-Aminosäure CHO CHO CHO COOH H H (-)-D-Erythrose (+)-L-Erythose 2 Darstellung aller 20 proteinogenen Aminosäuren. Alle Aminosäuren bis auf Glycin haben ein Chiralitätszentrum. Isoleucin und Threonin haben zwei Chiralitätszentren. H2N O H C C OH CH2 CH2 CH2 O H2N C CH3 NH2 O H C C OH H2N NH H C C OH Alanine Argenin H2N CH2 CH2 C O C O OH NH2 Glutamin O CH2 HC CH3 O H C C OH CH2 C O C O NH2 OH SH Asparagin Asparaginsäure Cystein H2N H2N H C C OH H2N O H C C OH CH2 CH2 CH2 CH2 CH2 S CH3 NH2 CH3 Leucin Lysin Methionin H2N CH2 H2N CH3 CH2 CH3 NH Histidin H2N O H C C OH HC N H Glycin O H C C OH CH2 O O H C C OH CH2 H H2N C C OH O H H2N C C OH O H C C OH CH2 H2N O H C C OH CH2 NH CH2 Glutaminsäure H2N Isoleucin O H C C OH O CH2 C OH HN Phenylalanin Prolin O H2N O O H2N H C C OH CH2 OH Serin H2N O H C C OH H2N H C C OH CH2 CH2 H C C OH H2N HC OH CH3 Threonin O H C C OH HC HN Thryptophan OH Tyrosin CH3 CH3 Valin Abb. 1: Darstellung aller Aminosäuren. Selenocystein und Pyrrolysin sind weitere Aminosäuren, die kodiert werden. 3 Abb. 2: Selenocystein und Pyrrolysin. 4 In der Biochemie werden die Aminosäuren entweder durch einen EinbuchstabenCode oder durch einen Dreibuchstaben-Code dargestellt. Aminosäure Alanin Arginin Asparagin Asparaginsäure Cystein Glutamin Glutaminsäure Glycin Histidin Isoleucin Leucin Lysin Methionin Phenylalanin Prolin Serin Threonin Tryptophan Tyrosin Valin Dreibuchstabencode Einbuchstabencode Ala Arg Asn Asp Cys Gln Glu Gly His Ile Leu Lys Met Phe Pro Ser Thr Trp Tyr Val A R N D C Q E G H I L K M F P S T W Y V Tab. 1: Ein- und Dreibuchstaben-Code für Aminosäuren. Proteine enthalten neben den 20 (bzw. 22) kodierten Aminosäuren oft auch phosphorylierte (Tyr, Ser, Thr) oder acetylierte oder methylierte (Lys) Derivate. Die Phosphorylierungen regulieren oft die Funktion der Proteine. Phosphorylierungen und Dephosphorylierungen werden von spezifischen Enzymen (Kinasen und Phosphatasen) an definierten Stellen durchgeführt. Darüberhinaus sind einige Aminosäuren mit Zuckern derivatisiert. Gerade die Proteine höherer Organismen sind sehr häufig mit linearen oder verzweigten Zuckerstrukturen versehen. Hierbei werden die Zucker entweder mit Asn verknüpft (N-Glycoside) oder es handelt sich um O-Glycoside der Aminosäuren Thr und Ser. Manche Proteine werden auch nahe dem Carboxyterminus mit Lipiden ausgestattet. Diese Modifikation lokalisiert das Protein in der Zellmembran. Alle diese Modifikationen werden posttranslational eingeführt. Die chemische Synthese glycosylierter und lipidierter Peptide und 5 Proteine ist eine große Herausforderung. Davis: Angew. Chem. Int. Ed. 2009, 48, 4674-4678. Aminosäuren können über den Ninhydrintest sehr einfach nachgewiesen werden (funktioniert allgemein für Amine). 1.4. Struktur des Polypeptids R1 R2 O H3N O R1 O H3N O -H2O H3N O R1 O H N O R2 O H N H3N O O R2 Abb. 3: Die Peptid-(Amid)bindung. Die Kondensation zweier Aminosäuren ergibt eine Amidbindung. Diese Amidbindung ist nicht frei drehbar, sondern hat erheblichen Doppelbindungscharakter. Peptide werden immer so notiert, dass der Aminoterminus links und der Carboxyterminus rechts liegt. Die meisten Peptide und Proteine werden nach Gewicht charakterisiert, z. B. 33,000 Da oder 33 kDa. Man kann die Anzahl der verknüpften Aminosäuren leicht abschätzen, da im Durchschnitt eine Aminosäure mit 110 Da zum Gesamtgewicht beiträgt. (1 Da = 1 Masseneinheit. 1 kDa = Molekulargewicht 1000) 6 Die Aminosäuresequenz nennt man auch die Primärstruktur eines Proteins. Diese legt die Reihenfolge fest, in der die einzelnen Aminosäuren miteinander verknüpft sind. Aminosäuresequenzen falten sich lokal zu Sekundärstrukturen. Diese werden durch nicht-kovalente Wechselwirkungen zusammengehalten. Es kommt zur Ausbildung zentraler H-Brückenverbindungen. Man unterscheidet als Sekundärstrukturelemente die α-Helix, das β-Faltblatt (parallel und antiparallel) und die verschiedenen Schleifen (α, β, γ turns). 1.4.1 Die α-Helix Alle Sekundärstrukturen, wie auch die α-Helix, können sich nur ausbilden, weil die Peptidbindung auf Grund des Doppelbindungscharakters planar und in der Regel trans (anti) konfiguriert ist. Die Delokalisierungsenergie beträgt ca. 75-88 kJ/mol. Außerdem existiert ein großes Dipolmoment von 3.5 D. Was die Konfiguration der Amidbindung betrifft, ist die Aminosäure Prolin eine Ausnahme. In Lösung findet man bei dieser Aminosäure auch 20-30% des cisIsomers. Spezielle Enzyme, die Prolin-cis/trans-Isomerasen, können die Prolinaminisäure im Protein isomerisieren. Für alle anderen Aminosäuren sind es hingegen nur <0,1%. Die starke Bevorzugung der trans-Amidbindung hat sterische Gründe. Die α-Helix ist eine rechtsgängige Helix. 7 Abb. 4: Die α-Helix ist eine 3,613 Helix. Sie hat 3,6 Aminosäuren in einer Windung (360°). Die sich ausbildende H-Brücke bildet einen 13-gliederigen Ring. Jede Amidgruppe bildet eine H-Brücke aus zu einer weiteren Amidgruppe, die in der Primärstruktur drei Aminosäuren entfernt ist. Die C=O Gruppen liegen parallel zur Helixachse, die Seitenketten stehen nahezu senkrecht zur Helixachse. 3.6 Aminosäuren bilden eine Helixwindung von 360°. Die Höhendifferenz (Pitch) beträgt 5.4 Å pro 360° Windung. 8 Abb. 5: α-Helix (Blickrichtung auf die Helix-Achse). 1.4.2 Das β-Faltblatt Eine gestreckte Polypeptidkette kann mit einer zweiten Polypeptidkette eine dimere Struktur bilden. Hierbei können sich die beiden Peptide parallel oder antiparallel anordnen. Abb. 6: Paralleles und antiparalleles β-Faltblatt. 9 Antiparallele β-Faltblätter finden sich oft als Domänen in Proteinen oder sie sind Bestandteil fibrillärer, d. h. ausgestreckter, fibrillenhafter und fibrillenbildender Proteine. Viele dieser Proteine sind sehr schwer löslich. Das parallele β-Faltblatt findet sich hingegen nicht in solchen fibrillären Proteinen, sondern ausschließlich in Proteinen mit globulärer Struktur. 4.3 Schleifen Schleifen sind in Proteinen nichtrepetitive Sekundärstrukturen, die die Richtung einer Polypeptidkette umkehren. In einer Schleife gibt es immer eine H-Brücke von einem Akzeptor (C=O)i zu einer Donorgruppe (N-H)i+n. Diese Donorgruppe ist nAminosäureeinheiten entfernt. Man kennt α-, β- und γ-Schleifen je nach Größe der Schleife, d. h. je nach Größe von n. α-Schleife 5→1 Ringgröße = 13 n=4 β-Schleife 4→1 Ringgröße = 10 n=3 γ-Schleife 3→1 Ringgröße = 7 n=2 Man unterscheidet noch verschiedene Typen von β-Schleifen: β , β und β , bei denen Ι ΙΙ ΙΙΙ die Aminosäuren andere spezifische Winkel einnehmen (Ramachandran-Plot). Abb. 7: β , β und β -Schleifen. Ι ΙΙ ΙΙΙ 10 Der β -Typ benötigt aus sterischen Gründen ein Gly an der dritten Position. Der Typ ΙΙ ΙΙΙ kann beliebig wiederholt werden. Man erhält dann eine reguläre 3.010 Helix. Das ist eine typische Oligoprolin-Helix. Zum Vergleich: die α-Helix ist eine 3.613-Helix. (3.6 = 3. 6 Aminosäuren pro volle Drehung). Die H-Brücken der α-Helix schließen jeweils einen 13 gliedrigen Ring ein. 1.4.4 Charakterisierung von Peptiden und Proteinen Peptide können über unterschiedliche Verfahren analysiert werden: 1. Totalabbau in die einzelnen Aminosäuren durch saure Hydrolyse mit 6 N HCl bei 100ºC für 24 Stunden. Die Charakterisierung der einzelnen Aminosäuren beinhaltet so vor allem die Mengenbestimmung erfolgt über HPLC. 2. Edman Sequenzierung N C S R1 O H N H2N R1 HN R2 O N H S O H N O HF HN R2 N S R1 H N O O R 2 H HN N O R1 HCl H2N S O R2 R1 O HN N S Phenylthiohydantion Jede Aminosäure ergibt hierbei ein anderes Phenylthiohydantoin, welches spezifisch nachgewiesen werden kann. So kann man von einem Protein die Nständige Aminosäure ermitteln. Die Sequenzierung kann wiederholt werden, so dass ganze Peptidsequenzen bestimmt werden können. 3. Abspaltung der einzelnen Aminosäuren mit Exo- oder Endopeptidasen. So spaltet Trypsin ein Peptid nach den basischen Aminosäuren Lysin, Arginin. Chymotrysin spaltet nach einer aromatischen Aminosäure (Tyrosin-, Tryptophanoder Phenylalanin), sowie Leucin. Trypsin: H2N-Hy-Arg-Ala-Ser-Phe-Gly-Asn-Lsy-Trp-Glu-Val-COOH Chymotrypsin: H2N-Gly-Arg-Ala-Ser-Phe-Gly-Asn-Lys-Trp-Glu-Val-COOH 11 4. Nachweis der N-terminalen Aminosäure eines Peptides lässt sich durch eine nukleophile Substitutionsreaktion mit DNB (1-Fluor-2,4-dinitrobenzol, Sangers Reagenz) bestimmen. F H2N N H R1 NO2 NO2 R2 O H N R1 O2N R2 O NO2 N H O OH R3 HF NO2 OH R3 6 M HCl, 110 °C N H O H N O OH R3 R2 O H N OH R1 O2N R2 O H N R1 O2N O H N O NO2 O H N O OH H3N H3N O OH R3 1.5. Grundsätzliches zur Konformation von Peptiden Die Hauptkette eines Peptids wird aus den Atomen Ni, C i und Ci gebildet. α Die Konformation der Kette wird durch zwei Winkel bestimmt: Φ (Phi), Ψ (Psi). Es gibt für jede Winkelkombination, erlaubte (günstig) und solche, die verboten (ungünstig) sind. Die möglichen (Φ, Ψ)-Winkelkombinationen werden in sogenannten Ramachandran-Plots dargestellt. O Ψ H N Ni N H Ci Ciα Φ O Abb. 8: Ramachandran-Plot eines kleinen Peptids. Zur Abschätzung, welche Winkelkonfigurationen günstig und welche ungünstig sind, gelten die „Spielregeln“ der Konformationsanalyse. ⇒ Vermeiden von Newman- und Pitzer-Spannung. 12 Pitzer-Spannung: Gestaffelte und nicht ekliptische Anordnung von Atomen entlang der Hauptkette. (σ-σ* Wechselwirkung). Torsionsspannung Newman-Spannung: 1,5 Repulsion von nicht-H-Atomen. H3C CH3 CH3 CH3 1,5-Repulsion Bayer-Spannung: Valenzwinkel-Deformation wie im Cyclobutan. Zusätzlich kommt bei Peptiden hinzu: - Möglichst geringe 1,3-Allylspannung - Optimale Anordnung zur Bildung von H-Brücken Abb. 9: Verbindungen mit 1.3 Allylspannung nach F. Johnson und R.W. Hoffmann. Chem. Rev. 1989, 89, 1841-1860. 13 1.6. Tertiärstruktur von Proteinen Die Sekundärstrukturen eines Polypeptids falten in eine definierte dreidimensionale Gestalt, die Tertiärstruktur. Diese Struktur wird durch H-Brücken, ionische Wechselwirkungen und hydrophobe Interaktionen stabilisiert. Auch Disulfidbrücken können gebildet werden. Die Struktur vieler Proteine lässt sich oft in Bereiche unterschiedlicher physikalischer Eigenschaften unterteilen. Diese Bereiche nennt man Domänen. Wenn ein Protein aus unterschiedlichen Polypeptidketten besteht, spricht man von Untereinheiten des Proteins. Untereinheiten lagern sich zur Quartärstruktur eines Proteins zusammen. Hat ein Protein nur eine Untereinheit, ist es ein Monomer, sonst ein Dimer, Trimer, Tetramer etc. Homo und Hetero beschreibt, ob die gleichen Oligopeptide oder ob unterschiedliche Peptidstränge beteiligt sind. Es gibt auch im Reich der Tertiärstrukturen stabile sich wiederholende Strukturmerkmale. Eines der wichtigsten Faltungsmotive ist das coiled-coil. Es lässt sich leicht künstlich konstruieren und wird daher gerne für die Synthese künstlicher, stabil gefalteter Proteine verwendet. 1.6.1 Das coiled-coil Motif Zwei parallele α-Helices ordnen sich in einem Winkel von ca. 18° zueinander an. Die Helices winden sich dabei leicht umeinander. Die Helices verzahnen sich dabei. In einer α-Helix befindet sich die Seitenkette an jeder 3.5-ten und an jeder siebten Stelle auf der gleichen Seite. Wenn zwei Helices sich verzahnen sollen, wird an jeder siebten Stelle in einer α-Helix eine hydrophobe Aminosäure eingebaut (z.B. Leucin). Dann lagern sich die Helices zusammen. Wie ein Reißverschluss stapeln sich die Leucine. Es bildet sich ein Leucin-Zipper Motif aus. Der Abstand zwischen jeder siebten Aminosäure beträgt ca. 10 Å. Nur wenn die zwei Reste hydrophob sind z. B. Leucin, kann eine zweite Helix mit dem gleichen Motiv ineinander einrasten. Man 14 spricht von repetitiven Heptadwiederholungen. (Heptade repeats). Leucin-Zipper gibt es parallel und antiparallel. Abb. 10: Paralleles Leucin-Zipper Motiv. 15 1.6.2 Der Rossmann-Dinukleotid-Bindungsfold Parallele β-Faltblätter können sich nicht ohne ein dazwischen liegendes anderes Sekundärstrukturelement wie z. B. eine α-Helix ausbilden. Liegt eine α-Helix zwischen zwei parallelen β-Faltblättern spricht man von einem β-α-β-fold. Abb. 11: Beispiele für ein paralleles β-Faltblatt mit dazwischenliegender α-Helix ( = β-α-β-Fold). Die Pfeile markieren die β-Faltblätter. Sehr häufig treten zwei β-α-β-folds gleichzeitig auf. Die beiden Einheiten sind häufig 180° zueinander angeordnet. Die beiden Einheiten bilden eine rechtshändige Anordnung. Proteine, die dieses Strukturmotiv enthalten, binden meistens Purinenthaltende Dinukleotide wie ATP, NAD oder auch aktivierte Aminosäuren. Viele tRNA Synthetasen enthalten daher einen sogenannten Rossmann-Fold. 16 Abb. 12: Der Rossmann-Fold. Zwei β-α-β-Motife bilden einen Crossover, in dessen Mitte die Bindungstelle für Dinukleotide liegt. Allgemein lassen sich Proteine in 4 Klassen einteilen: α = nur α-Helices β = nur β-Sheets (Faltblätter) α/β = abwechselnd α und β Domänen α + β = separierte α und β Domänen 17 1.6.3 Einige ausgewählte Proteinstrukturen Abb. 13: Proteine, die nur aus α-Helices bestehen: Myohemerythrin (links), Bakteriorhodopsin (rechts). Abb. 14: Proteine, die nur aus β-Sheets bestehen: Streptavidin-Biotin Komplex (links), Superoxiddismutase (rechts). 18 Abb. 15: Proteine, die aus separierten α-Helix und β-Sheet Domänen aufgebaut sind: Serine-Threonine-Kinase-10 in Komplex mit Bosutinib (links), b. SRC (rechts). Abb. 16: Proteine mit abwechselnden α-Helix und β-Sheet Domänen: Triosephosphatisomerase (links), Tryptophanyl-tRNA Synthetase (rechts). 19 2. Chemische Synthese von Peptiden Heute ist die chemische Synthese von Peptiden und Proteinen mit Molekulargewichten von 3.000 – 10.000 Da möglich. Zwei Entwicklungen machten dieses im Wesentlichen möglich - Kupplungsausbeuten von > 99,5% - Razemisierungsfreiheit der Kupplung Heute werden Peptide und Peptidomimetika auf zwei Wegen synthetisch erschlossen. 1) Flüssigphasenchemie 2) Festphasenchemie Beide Methoden beruhen auf einer ausgeklügelten Schutzgruppenchemie. So müssen die Seitenketten der Aminosäure permanent geschützt werden. Die αAminogruppe wird temporär geschützt und die Carbonsäurefunktion wird zur Kupplung aktiviert. 2.1 Die N -Schutzgruppe α Für die Kupplung muss die Aminogruppe der Aminosäure geschützt werden, da sonst nach Aktivierung der Säure die Aminosäure mit sich selber reagieren würde. Nach der Kupplung muss diese Schutzgruppe schnell und mild abspaltbar sein, damit eine weitere Kupplung erfolgen kann. Die Synthese von Peptiden wird vom C → N Terminus durchgeführt. Als temporäre α-Aminoschutzgruppe sind heute zwei Urethan-Schutzgruppen gebräuchlich. 1) tert-Butoxycarbonyl (Boc) abspaltbar mit H+ 2) Fluorenylmethoxycarbonyl (Fmoc) abspaltbar mit sek. Aminen Die Fmoc-Schutzgruppe wird nach einem E1cb-Mechanismus abgespalten unter Bildung einer Carbanion Zwischenstufe. Die Boc-Schutzgruppe eliminiert nach E1 über eine Carbokation-Zwischenstufe. 20 Seitenketten-Schutzgruppen Abb. 1: Entschützung der Boc-Schutzgruppe (links) nach E1 und der Fmoc-Schutzgruppe (rechts) nach E1cb (aus R. Brückner, Reaktionsmechanismen). 21 2.2 Seitenketten-Schutzgruppen Orthogonale permanente Schutzgruppen, die während der Entschützung der N α Schutzgruppen (Boc oder Fmoc) stabil sind, aber am Ende der Synthese leicht abspaltbar sind, sind nötig. 2.2.1 Ser, Thr, Tyr Für die Boc- und Fmoc-Synthesestrategie schützt man die OH-Gruppen meist als Ether. Im Fall der Boc-Chemie wird das Peptid am Ende mit HF entschützt und vom Harz abgespalten. Im Fall eines Fmoc-Syntheseprotokolls wird zum Schluss mit Trifluoressigsäure TFA (90%) abgespalten. Im Boc-Syntheseprotokoll werden daher Schutzgruppen verwendet die bedingt säurestabil sind. Sie überleben die temporäre Entschützung der Boc-Schutzgruppe mit TFA nach jedem Kupplungsschritt, werden aber mit HF abgespalten. Es wird die Benzyl (Bn)-Schutzgruppe im Boc-Protokoll eingesetzt. Im Fmoc-Syntheseprotokoll wird der tert-Butylether verwendet. Dieser überlebt die temporäre Entschützung mit Piperidin, wird aber am Ende mit TFA gespalten. Für die Aminosäure Tyr wechselt man gerne auf die 2,6-Dichlorbenzylschutzgruppe. 2.2.2 Asp und Glu Hier werden im Fall der Boc-Chemie die Benzylester verwendet. Für die FmocChemie kommt der tert-Butylester zum Einsatz. Nebenreaktion ist häufig die Bildung von Aspartimid. 22 2.2.3 Lys Die ε-Aminogruppe von Lysin muss unbedingt geschützt werden. Im BocSyntheseprotokoll wird hierzu die Fmoc-Gruppe verwendet. Alternativ kann die 2Chlorbenzyloxycarbonylschutzgruppe (2ClZ) eingesetzt werden. Diese ist labiler als die klassische Z (= Benzyloxycarbonyl)-Schutzgruppe. Wird Fmoc-Chemie betrieben, so verwendet man meistens die Boc-Schutzgruppe. 2.2.4 Arg Die Guanidiniumgruppe muss mit ihrem pKa-Wert von 12.5 nicht unbedingt geschützt werden. Allerdings ist dann die Löslichkeit der Aminosäure schlecht. Praktisch werden meistens Phenylsulfonylschutzgruppen verwendet. Innerhalb der BocChemie ist die 4-Toluolsulfonyl (Tos) und die Mesitylen-2-sulfonyl-Gruppe (Mts) beliebt. 23 Betreibt man Fmoc-Chemie, so werden die Mtr-Schutzgruppe oder die PmcSchutzgruppe verwendet. Die Säureempfindlichkeit dieser Schutzgruppen nimmt in der Reihe wie folgt ab: Pmc > Mtr >> Mts > Tos Somit lassen sich Pmc und Mtr mit TFA und Mts und Tos mit HF abspalten. 2.2.5 His Im Fall des Histidins wird entweder N oder N geschützt. So kann das N einfach τ π τ Tosyl geschützt werden. Im Boc-Syntheseprotokoll wird hingegen meistens die 2,4-Dinitrophenylschutzgruppe eingesetzt (DNP). Im Fall der Fmoc-Strategie wird N häufig Boc oder einfach Trt geschützt. Für N wird τ π häufig die Bom-Schutzgruppe (= Benzyloxymethyl) oder die Bum-Schutzgruppe 24 (= tert-Butoxymethyl) verwendet. Die Verwendung von N Schutzgruppen reduziert π das Razemisierungsrisiko. 2.2.6 Asn, Gln Diese Seitengruppen werden meist ungeschützt gelassen. Allerdings kann es zu Dehydratisierung kommen, was zu Nitrilen führt. 2.2.7 Trp, Met Diese Seitenketten werden in der Regel nicht geschützt. 2.2.8 Cys Es handelt sich um eine sehr problematische Aminosäure, deren Schützung unbedingt angezeigt ist. Für die Boc-Chemie bietet sich die AcetamidomethylSchutzgruppe (Acm) an. Kompatibel mit der Fmoc-Chemie ist ebenfalls die AcmSchutzgruppe. Die Acm-Schutzgruppe wird mit Hg2+- oder Ag+-Salzen gespalten. Auch die mit Säure abspaltbare Trt-Gruppe wird für Cys sehr gerne verwendet. 25 2.3 Acylierungen Um eine Peptidbindung bilden zu können, muss die Carboxylatfunktion aktiviert werden. Die unterschiedlichen Carboxylatderivate weisen eine unterschiedliche Resonanzstabilisierung auf, welche die Reaktivität herabsetzt. Das Carboxylat selber mit ca. 30 kcal/mol, das Amid mit 22 kcal/mol und der Ester mit 14 kcal/mol „Resonanzenergie“ sind relativ unreaktiv. Anhydrid und Säurechlorid haben kaum Resonanzstabilisierung und sind aus diesem Grund sehr reaktiv. Ziel der Carbonsäureaktivierung muss es also sein, Derivate zu erzeugen, in denen die Resonanzstabilisierung nur minimal ist. O O O < < NH2 O < OR O O O < O Cl Reaktivität nimmt zu Der Angriff des Nukleophils ergibt eine Tetraederzwischenstufe, in der die Resonanzstabilisierung nicht mehr existiert. Je größer der Verlust an Resonanzenergie während der Reaktion ist, umso höher liegt der Übergangszustand der Reaktion und umso unreaktiver ist das Derivat (später Übergangszustand). Abb. 2: Energieprofil (mit Mesomeriestabilisierung) zur Bildung der Tetraederzwischenstufe aus einem Carbonsäurederivat. 26 Ein weiterer Punkt, der die Reaktivität beeinflusst, ist die Stabilisierung der tetraedrischen Zwischenstufe. Je stärker die Stabilisierung, umso energetisch tiefer liegt der Übergangszustand und umso schneller ist die Reaktion. Da die tetraedrischen Zwischenprodukte Übergangszustand partiell oft bereits negativ geladen bemerkbar sind, macht, was wirken sich sich im sehr elektronenziehende Substituenten (z.B das Cl im Säurechlorid) stabilisierend und damit ratenbeschleunigend aus. Auch der anomere Effekt stabilisiert die Tetraederzwischenstufe sehr stark. Der anomere Effekt ist in Strukturelementen Het-C-Het (Het = Heteroatom) bedeutsam. Es handelt sich um eine n-σ*-Wechselwirkung, wie unten gezeigt ist. Abb. 3: Darstellung des anomeren Effektes. Carbonsäuren werden für die Amidbindungsbildung daher zunächst in reaktive Derivate überführt. Sehr bekannt sind die Anhydride, die Pentafluorphenylester, Thioester (aktiviert wegen der geringen Neigung des Schwefels Doppelbindungen zu bilden), Imidazolide und natürlich ist die Aktivierung mit Hilfe des Steglich-Reagenzes Dimethylaminopyridin ein stark aktivierender Weg. Beim Steglich-Reagenz würde eine Resonanz zu einer doppelt positiv geladenen Teilstruktur führen, was energetisch sehr ungünstig ist O F F O F O O O O S N N N N F F N N 27 Eine bekannte Methode zur Aktivierung von Carbonsäuren bietet das MukaiyamaVerfahren. Hier entsteht über Meisenheimer-ähnliche Zwischenstufen (nukleophile aromatische Substitution) ein Aktivester, der leicht mit Nukleophilen reagiert. Die Aktivierung findet hier in situ statt. Abb. 4: Mukaiyama-Verfahren zur Aktivierung von Carbonsäuren. Der Mechanismus der Carbonsäureaktivierung soll am Beispiel der Imidazolide dargestellt werden. Hier wird ausgehend von der Carbonsäure mit Carbonyldiimidazol das Imidazolid erzeugt. Abb. 5: Carbonsäureaktivierung mit Carbonyldiimidazol. 28 Weitere Möglichkeiten zur Aktivierung von Carbonsäuren unter Bildung von Säurechloriden sind z.B. Thionylchlorid und Oxalyldichlorid. Man informiere sich über den Bildungsmechanismus, sowie über die Frage, warum DMF die Bildung eines Säurechlorids aus einer Carbonsäure und Thionylchlorid katalysiert. 2.4 Kupplungsmethoden 2.4.1 Aktivierung mit DCC In der Peptidchemie wird nur selten ein stabiles aktiviertes Carbonsäurederivat in Substanz eingesetzt. Meist wird die N - und Seitenketten-geschützte Aminosäure α direkt in situ vor der Kupplung aktiviert. Hierzu wird häufig ganz klassisch ein Gemisch aus DCC + HOBt eingesetzt. Das DCC aktiviert die Carbonsäure unter Bildung eines sehr reaktiven Acylisoharnstoffes. Dieser reagiert mit dem HOBt zu einem Reaktivester, indem ein sehr großer Teil der anfänglichen Reaktivität konserviert ist. Dieser Reaktivester reagiert dann mit dem Nukleophil, z.B. mit der zweiten Aminosäure mit einer freien Aminogruppe. Eine direkte Umsetzung des Acylisoharnstoffs ist wenig ratsam, da die Reaktivität so hoch ist, dass Razemisierung der Aminosäure eintritt. Außerdem erfolgt ein, wenn auch langsamer, [1,3]-Acylshift, der zu einem unreaktiven Acylharnstoff (E) führt. 29 Abb. 6: In situ-Aktivierung der Carbonsäure. Alternativ zum DCC wird häufig Diisopropylcarbodiimid (DIPCDI) verwendet, da der sich bildende Harnstoff löslicher ist und leichter abgetrennt werden kann. Das HOBt formt den Aktivester dadurch ermöglicht es die Reaktion. Gleichzeitig unterdrückt es die Razemisierung und hilft, dass die Asn- und Gln-Seitengruppen nicht dehydratisieren. Mit Hilfe von DCC lassen sich also die Aminosäuren in situ in relativ stabile Aktivester überführen wie Pentafluorphenyl oder eben HOBt-Ester. Diese Aktivester können auch isoliert und chromatographiert werden. 2.4.2 Aktivierung mit BOP Sehr modern und beliebt ist neben der DCC-Methode die Kupplung mit einem Gemisch aus HBTU/HOBt oder BOP. HBTU liegt sowohl in der O-Form, als auch in der weniger reaktiven N-Form vor. HBTU = 2-(1H-Benzotriazol-1-yl)-1,1,3,3-tetramethyluroniumhexafluorophosphat. BOP = Benzotriazolyloxytris[dimethylamino]phosphoniumhexafluorophosphat. BOP ist auch bekannt als Castro’s Reagenz. In jedem Fall liegen die Reagenzien mit dem sehr wenig nukleophilen Gegenion PF6- vor. N N O C N N N N N N O- N N PF6 HBTU N-Form PF6 HBTU O-Form N N P O N N N N PF6 BOP Das BOP-Reagenz ist stabil, nicht hygroskopisch und sehr gut löslich in organischen Lösungsmitteln. Generell ist das BOP-Reagenz wesentliche effizienter als die Kombination DCC/HOBt. In Abb. 7 ist die Synthese des BOP-Reagenzes gezeigt. 30 Abb. 7: Synthese des BOP-Reagenzes. Ein Nachteil ist, dass während der Reaktion Hexamethylphosphorsäuretriamid entsteht, das wegen seiner Carcinogenität gefürchtet wird. Das neue Reagenz PyBop schafft hier Abhilfe. Dieses Reagenz besitzt statt Methylgruppen Pyrrolidineinheiten. Andere neue Reagenzien enthalten überhaupt keine Oxybenzotriazole mehr. Hierzu gehören BroP oder auch PyBroP. Diese Reagenzien kuppeln vor allem sekundäre Amide wie N-Methylaminosäuren sehr effizient. N N O P N N Br Br N P N N P N N N N N PF6 PF6 PF6 PyBOP PyBroP BroP Weitere Reagenzien, die sehr beliebt sind, sind einfach die Carbonsäurechloride oder Carbonsäurefluoride und das besonders aktive neue Reagenz HATU (L. A. Carpino et al., Angew. Chem. Int. Ed. 2002, 41(3), 441-445). N N PF6 F N N N N N N O C N N HATU O-Form N N N N O PF6 O R N O F R OH HATU N-Form F F Carbonsäurefluorid 31 Der Reaktionsmechanismus zur Aktivierung der Carbonsäure verläuft wie dargestellt an den Beispielen HBTU, bzw. BroP: HBTU: BroP: 32 Manchmal ist es nötig, während der Peptidsynthese gezielt die ε-Aminogruppe einer Lys-Seitenkette freizusetzen um z.B. eine Zyklisierung einzuleiten. Hierzu benötigt man eine weitere orthogonale Schutzgruppe. In der Regel wird hierfür die Allyloxycarbonylgruppe verwendet, die mit Pd0 orthogonal zu den bislang diskutierten Schutzgruppen abgespalten werden kann. 2.5 Festphasensynthese Bei der Festphasensynthese wird das Peptid an einem Polymer hergestellt. Durch die Immobilisierung können die verwendeten Reagenzien sehr schnell weggewaschen werden. Ferner können sie in einen großen Überschuss zugesetzt werden, wodurch die Kupplungsausbeute sehr stark gesteigert werden kann. Die Immobilisierung erlaubt es die Peptidsynthese sehr stark zu automatisieren. So gibt es heute kommerzielle Peptidsynthesegeräte, mit denen Peptide bis zu einer Länge von 100 Aminosäuren (praktisch 50 Aminosäuren) hergestellt werden können. Die Peptidsynthese wird an der festen Phase in einer repetitiven Arbeitsweise von Kupplung, Entschützen der temporären Schutzgruppe und erneutem Kuppeln durchgeführt. 33 Abb. 8: Peptidsynthese an der Festphase. Besondere Beachtung muss dem Harz-Polymer und dem Linker geschenkt werden. Der Linker ist das Bindeglied zwischen dem polymeren Träger und dem Peptid. Dieser Linker muss am Ende ebenso wie die permanenten Schutzgruppen abspaltbar sein um das Peptid freisetzen zu können. Im Fall der Boc-Chemie muss die Spaltung demnach mit HF möglich sein. Im Fall der Fmoc-Chemie muss die Spaltung mit ca. 80%-iger TFA realisierbar sein. Der Linker legt fest, ob nach der Abspaltung eine C-terminale Carbonsäure oder eine andere Gruppe wie z.B. ein Amid erhalten wird. Im Fall des Harzes, also des Polymers, sind die Quell-Eigenschaften bedeutsam, sowie die Beladung und die Inertheit gegenüber den Reagenzien. Das Harz muss gut quellen, damit die Reagenzien leicht an die Synthesestelle kommen können. Man muss sich das Polymer als ein eng geknüpftes Maschennetzwerk vorstelle, in dem das Peptid hergestellt wird. 34 2.5.1 Die feste Phase In der Regel handelt es sich bei dem Festphasenmaterial um Polystyrol das mit 1% m-Divinylbenzol versetzt (crosslinking) wurde. Die Funktionalisierung geschieht meist über eine Chlormethylierung. Zwischen die Chlormethylgruppe und die erste Aminosäure wird meist ein Linker gesetzt, der die Abspaltung des fertigen Peptides vom Harz am Ende der Synthese erlaubt. In der Fmoc-Chemie kommen zum Einsatz: Wang-Harze, nennt man Harze, die einen Wang Linker zwischen dem Polystyrol und dem Peptid besitzen. Diese Harze werden im Rahmen der Fmoc-Peptidsynthese eingesetzt und erlauben die Synthese von C-terminalen Carbonsäuren. Wang-Harze enthalten einen p-Alkoxybenzylesterlinker. Man erhält die Wang-Harze durch Umsetzung der Chlormethylpolystyrole mit 4-Hydroxybenzylalkohol. Die Abspaltung des fertigen Peptids geschieht mit TFA. Rink-Harze (4-(2’,4’-Dimethoxyphenylhydroxymethyl-phenoxy-Harze) sind entweder als Amid- oder Säure-Harze erhältlich. Das Amidharz liefert C-terminale Amide und wird, ebenso wie das Säure-Harz, das Carbonsäuren liefert, für die Fmoc-Synthese eingesetzt. Der Rink-Säure-Linker ist, ebenso wie der Chlortrityl-Linker, so säurelabil, dass die Peptide mit z.B. verdünnter TFA vollgeschützt vom Harz abgespalten werden können. Diese Fragmente können dann in die Fragmentkondensation eingesetzt werden. In der Bob-Chemie kommen zum Einsatz: MBHA-, PAM- und Oxim-Harze (Boc-Strategie) MBHA (= p-Methylbenzhydrylamin)- oder PAM (= Phenalacetamidomethyl)-Harze werden ebenso wie das klassische Merrifield-Harz im Rahmen der BocPeptidsynthese verwendet. Die Abspaltung der fertigen Peptide vom Träger erfolgt mit HF. Mit den MBHA-Harzen werden nach der Synthese die Peptidamide erhalten. Die PAM-Harze liefern die Carbonsäuren. Will man mit Hilfe der Boc-Strategie voll geschützte Peptide erhalten so kann dies mit den Oxim-Harzen erreicht werden. Hier findet die Spaltung mit NH3 oder H2N-NH2 statt. 35 O OH O O O O NHFmoc Wang Linker OH Rink Amid Linker Rink Säure Linker Cl Cl Cl NH 2 Chlortrityl-Harz Merrif ield Harz MBHA Amid Linker NO2 O NH O N OH Oxim Linker PAM Linker OH Neben diesen Linkern, die mit unterschiedlich starken Säuren die Abspaltung des Peptides ermöglichen, gibt es eine große Auswahl anderer Linker. Diese können ein völlig orthogonal abgespalten werden, wie z.B. mit Licht (Nitrobenzyl-Harze) oder Pd(0) (Allyl-Harze). Die Allyl-Harze bezeichnet man auch als Hycram-Harze. O O O HN O O HN NO2 OH Br Br Nitrobenzyl-Linker Allyl-Linker 2.5.2 Die Entschützung • Man kann das Peptid so abspalten, dass die permanenten SeitenkettenSchutzgruppen erhalten bleiben, wenn z. B. eine spätere Fragmentkondensation geplant ist. • Möglich ist auch, zunächst wenige orthogonale Schutzgruppen am Peptid abzuspalten, um z. B. zunächst eine Zyklisierung am Harz durchzuführen. 36 • In den meisten Fällen wird das Peptid jedoch komplett am Harz entschützt und gleichzeitig vom Harz abgespalten. Die Entschützung erfolgt im Falle der Boc-Strategie mit flüssigem HF (spezielle Ausrüstung!) oder Trifluormethansulfonsäure (TFMSA) in TFA oder HBr in HOAc. Im Fall der Fmoc-Strategie wird TFA (ca. 80%-ig) in CH2Cl2 verwendet. Als Beispiel ist die Abspaltung eines Peptids im vollgeschützten Zustand nach dem Fmoc-Protokoll an einem Sasrin-Harz gezeigt. Sasrin-Harze sind den Wang-Harzen sehr ähnlich. Abb. 9: Abspaltung eines Peptids im vollgeschützten Zustand. Die Synthese erfolgte nach dem Fmoc-Protokoll an einem Sasrin-Harz, welches dem Wang-Harz sehr ähnlich ist. In der Regel werden Abfangreagenzien (Scavengers) zugesetzt, um reaktive Intermediate abzufangen, die das Peptid schädigen könnten. Hier kommen Anisol, Ethandithiol, Dimethylsulfid, u. a. zum Einsatz. Synthese eines zyklischen Peptides direkt am Harz Das Peptid wird mit Hilfe der Boc-Strategie an einem Oxim-Harz synthetisiert. Eine Asparaginsäure und ein Lysin-Rest werden Fmoc geschützt. Diese Schutzgruppen werden nach der kompletten Peptidsynthese selektiv entschützt. Dann erfolgt die Zyklisierung mit dem Reagenz BOP direkt am Harz. Ganz zum Schluss wird vollständig entschützt und vom Harz abgespalten. 37 Abb. 10: Synthese eines zyklischen Peptides. 2.6 Synthese von langen Peptiden und Proteinen Zur Synthese sehr langer Peptide oder Proteine mit auch unnatürlichen Aminosäuren in der Primärstruktur stehen derzeit 4 Methoden zur Verfügung. 2.6.1 Fragmentkondensation Durch die normale Peptidsynthese sind Peptide mit einer Länge von 30 – 40 Aminosäuren herstellbar. (Optimale Bedingungen ergeben bis zu 100 Aminosäuren). Längere Peptide neigen am Harz zur Aggregation, was die Syntheseausbeute sehr deutlich reduziert. Man erhält dann uneinheitliche Produkte. Die Kupplungsausbeute lässt sich mit Hilfe von Detektoren (Abspaltung der Fmoc-Gruppe) oder mit Hilfe von Ninhydrintests überwachen. Bei der Segmentkondensation werden die Peptide vollgeschützt isoliert. Dann werden die zwei Fragmente gekuppelt. Die Limitierungen liegen in der Regel in 38 schlechten Ausbeuten bedingt vor allem durch eine schlechte Löslichkeit. Auch Razemisierung der aktiven Aminosäure ist ein Problem. 2.6.2 Ligation von ungeschützten Peptidsegmenten Eine typische funktionelle Proteindomäne enthält 130 ± 40 Aminosäuren. Nur ca. 70 lassen sich heute am Harz routinemäßig kuppeln und schon das erfordert einige Übung. Die chemische Ligation ermöglicht es uns zwei ungeschützte Peptidsegmente zu addieren. Man benötigt allerdings einen N-terminalen Cysteinrest an der Kupplungsstelle und einen Thioester am C-Terminus des N-terminalen Fragments. Abb. 11: Ligation zweier Peptidsegmente. Man synthetisiert für die Ligation zunächst ein Peptid mit einem C-terminalen Thioester. Das zweite Fragment enthält N-terminal ein Cystein. Werden beide Fragmente zusammengegeben, so setzt ein Thiolaustausch ein. Dessen Folge ist die Bildung des Thioesters über den beide Peptide verknüpft werden im Gleichgewicht. Eine schnelle Umlagerung führt zum Trapping von diesem Intermediat unter Ausbildung einer Peptidbindung. • Es gibt mittlerweile auch Methoden, die es ermöglichen Peptide zu ligieren ohne dass ein Cys-Rest anwesend sein muss. • Ein Problem ist immer die Synthese des Thioesters vom Fragment 1. Hier wird zumeist das Peptid durch Boc-Chemie assembliert, welches per Thioester mit dem Harz verbunden ist. Dann wird das Peptid schrittweise aufgebaut und am Ende abgespalten. Der Thioester „überlebt“ diese Schritte gut. Problematischer ist 39 die Synthese der Thioester basierend auf der Fmoc-Chemie, da der Thioester den regelmäßigen Fmoc-Abspaltungen nicht standhält. Die Fmoc-Chemie muss unbedingt angewendet werden, wenn zum Beispiel glykosylierte Peptide ligiert werden sollen. Die Thioesterherstellung ist möglich mit Hilfe der Säure und Base stabilen „Safety-Catch“-Linker von J. Ellman. Abb. 12: Einsatz von „Safety-Catch“-Linker in der Peptidsynthese; f: i) BrCH2CN, CH2Cl2, NEt3, ii) Ph-CH2-SH, TFA, H2O. Das Peptid wird am „Safety-Catch“-Linker mittels Fmoc-Chemie assembliert. Die letzte Aminosäure ist Boc geschützt. Das ist wichtig, da diese erst nach der Thioesterbildung entschützt werden kann. Das Harz wird dann mit ICH2CN behandelt und so der Linker aktiviert. Die Abspaltung vom Harz unter Ausbildung des Thioesters erfolgt mit Thiobenzylalkohol. Dann werden alle Schutzgruppen mit TFA abgespalten und das Peptid gereinigt. Die Ligation wird per HPLC verfolgt. Die endgültige Charakterisierung erfolgt durch MS (ESI-MS). 40 Abb. 13: Darstellung der HPLC-Spektren und der ESI-Spektren einer Ligationsreaktion. 2.7 Expressed Protein Ligation (EPL) Auch rekombinante Peptid- und Proteinfragmente können mit synthetischen Peptiden im völlig ungeschützten Zustand ligiert werden. 2.7.1 Über Thioester Rekombinant wird ein Peptid/Protein erzeugt, welches am C-Terminus einen Thioester besitzt. Das synthetische Fragment enthält am N-Terminus ein Cystein. Diese Kombination ermöglicht die Ligation. Wie wird molekularbiologisch ein Thioester erzeugt? Inteine sind Proteine, die eine Selbstspleißung von Proteinen katalysieren. Hierbei werden die Proteinfragmente links und rechts vom Intein, die sogenannten Exteine, ligiert und das Intein herausgeschnitten. 41 Der Mechanismus beinhaltet zunächst die Bildung eines Thioesters. Dann folgt eine Transthioveresterung unter Bildung eines Intermediates, in dem die Exteine über einen Thioester verknüpft sind. Im letzten Schritt schließt sich die Exzision des Inteins unter Bildung von Asparaginsäureamid an (Chem. Soc. Rev. 2004, 33, 422430.) Abb. 14: Darstellung der Selbstspleißung von Proteinen mit Inteinen und Exteinen in der Natur. Inteine spleißen immer zusammen, wenn N- und C-Termini aufeinander treffen. Diese Reaktion wird nun im Rahmen der EPL ausgenutzt. Hierzu wird das zu ligierende Peptid/Protein-Fragment an ein Intein fusioniert, welches so modifiziert wurde, dass die Spleißreaktion nicht stattfinden kann. Dieses Fusionsprotein wird rekombinant erzeugt. Es erfolgt daraufhin der Acylshift. In Gegenwart eines externen Thiols findet eine Transthioveresterung zum Thioester statt. In der Regel werden Alkylthioester oder Phenylthioester erzeugt. 42 Abb. 15: Darstellung der Selbstspleißung von Proteinen mit mutierten Inteinen und Exteinen. 2.7.2 Über N-terminale Cysteine Natürlich ist es auch möglich, ein molekularbiologisch erzeugtes Protein mit einem Nterminalen Cystein an einen synthetischen Peptid-Thioester zu ligieren. Die Nterminal Cystein enthaltenden Peptide und Proteine können leicht aus Zelllysaten abgetrennt werden. Hierzu werden Aldehyd Säulen verwendet, die mit den Cysteinen zu Thiozolidinen reagieren (resin capture). Die Spaltung erfolgt mit Methylhydroxylamin. Eine Einschränkung des Ligationsverfahrens ist, dass immer ein Cystein vorhanden sein muss. Heute können auch auxilliare Gruppen eingesetzt werden. Eine Alternative ist die direkte Entfernung der SH-Gruppe unter Bildung von Alanin mit Pd0 (Entschwefelung). Man kann auch Selenocysteine statt Cysteine verwenden. Chemoselektive, oxidative Eliminierung ergibt Dehydroalanin, welches dann mit einem Nukleophil 43 funktionalisiert werden kann. So kann z. B. farnisylthioliert oder thioglykosyliert werden (Curr. Op. Biotechn. 2002, 13, 297-303). Abb. 16: Natürliche chemische Ligation mit einem a) Thioester, b) N −2-diylmercaptoethyl, α und c) Selenocystein. Staudinger Ligation: Die Staudinger Ligation ist eine weitere Möglichkeit, die es erlaubt, auf das Cystein zu verzichten. Für die Reaktion wird ein Thioester benötigt, welcher allerdings ein Thiarylphosphin beinhaltet. Das zweite zu ligierende Fragment besitzt statt eines Cysteins ein N-terminales Azid (Chem. Bio Chem. 2004, 5, 1176-1179). 44 Abb. 18:Schematische Darstellung der Staudinger Ligation. Während der Reaktion wird ein reaktives Intermediat gebildet, das den Thioester nukleophil angreift. 45