B-Zellen und Antikörper Monika Raulf-Heimsoth Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der Ruhr-Universität Bochum (IPA) Vorlesung 11.05.2011 Themenkomplexe Antikörper 1) Aufbau 2) Entstehung 3) Funktion 2 Was sind Antikörper? Ein Antikörper ist ein Protein, das spezifisch an eine bestimmte Substanz binden kann, d.h. an sein Antigen. Aufgrund seiner einzigartigen Struktur kann jedes Antikörpermolekül das entsprechende Antigen spezifisch binden. Alle Antikörper haben jedoch dieselbe Gesamtstruktur, und man fasst sie unter der Bezeichnung Immunglobuline (Ig) zusammen. Antikörper werden als Reaktion auf eine Infektion oder Immunisierung von Plasmazellen erzeugt. Sie binden und neutralisieren Krankheitserreger oder bereiten sie für die Aufnahme und Zerstörung durch Phagozyten vor. 3 Die Struktur eines typischen Antikörpermoleküls I 2 Schwere Ketten (CH), 4-5 Domänen 2 leichte Ketten (CL), 2 Domänen Die Ketten sind untereinander (CH-CH und CHCL) durch Disulfid-Brücken verbunden. Jede Kette besitzt eine variable (N-terminal) und 1-4 konstante (C-terminal) Domäne. Die variablen Domänen bilden die Antigenbindungsstelle aus (2 pro Ak). Die konstanten Domänen vermitteln die Antikörperfunktion (z.B. Rezeptorbindung) 4 Die Struktur eines typischen Antikörpermoleküls II Die einzelnen Domänen können zusätzlich Kohlenhydratstrukturen tragen Die einzelnen Domänen und Ketten sind umeinander verdrillt. 5 Die Bindung eines Antigens I Antikörperbindung immer zwischen Epitop (Antigen) und Paratop (Antikörper) 6 Die Bindung eines Antigens II Die Bindung eines Antigens durch einen Antikörper ist nie kovalent. 7 Entstehung der Antikörpervielfalt I Möglichkeiten: 1) Keimbahntheorie: Für jeden Antikörper gibt es ein eigenes Gen Aber: es gibt 1x1011 verschiedene Antikörper Der menschliche Körper besteht aus ca. 1x1014 (100 Billionen) Zellen, davon sind 3,5x1013 Gewebszellen (u.a. 1010 Neurone (Nervenzellen), Rest Blutzellen 2) Somatische Diversifikation: Wenige vorhandene Gensequenzen verändern sich und schaffen dadurch die notwendige Vielfalt 8 Entstehung der Antikörpervielfalt II C J D V 9 Somatische Rekombination I Kombinatorische Vielfalt: Leichte Kette κ: 40 VL-Segmente 5 JL-Segmente 40 x 5 = 200 Leichte Kette λ: 29 VL-Segmente 4 JL-Segmente 29 x 4 = 116 = 316 leichte Ketten 10 Somatische Rekombination II Kombinatorische Vielfalt: Schwere Kette: 51 VH-Segmente 27 DH-Segmente 6 JH-Segmente 51 x 27 x 6 = 8262 8262 schwere Ketten 11 Somatische Rekombination III 316 leichte Ketten x 8.262 schwere Ketten = 2,5 x 106 12 Junktionale Vielfalt An den Verbindungsstellen der Gensegmente werden weitere Nucleotide eingefügt oder entfernt (P- und N-Nucleotide). 2/3 der Nucleotid-Einschübe sind unproduktiv. 13 Somatische Hypermutation Affinitätsreifung der Antigen-Bindungsstellen findet in den sekundären lymphatischen Organen statt (nur in aktivierten BZellen, die bereits ein Antigen gebunden haben). Mutationen treten in der gesamten variablen Region des Antikörpers auf . Mutationen treten in bestimmten Regionen gehäuft auf (hot spots). Antikörper-produzierende Zellen, deren Antikörper durch die Mutationen negativ verändert werden, sterben durch Apoptose. Der Mechanismus der somatischen Hypermutation ist weitestgehend unbekannt. 14 Zusammenfassung Antikörper können gegen fast jede beliebige Substanz hergestellt werden Um die dafür notwendige Antikörpervielfalt bereitzustellen, gibt es drei Mechanismen: 1) Kombinatorische Vielfalt (Somatische Rekombination) 2) Junktionale Vielfalt (ungenaue Verknüpfung) 3) Somatische Hypermutation (Affinitätsreifung in Keimzentren) 15 Antikörperklassen - Isotypen I Immunglobuline unterscheiden sich • in der Anzahl der konstanten Domänen • in Position und Anzahl der Disulfidbrücken • in Anzahl und Lage der Kohlenhydrat-Seitenketten • im Vorhandensein einer Gelenkregion 16 Antikörperklassen - Isotypen II IgM bildet Pentamere • Erhöhung der Affinität Æ Avidität 17 Affinität - Avidität IgM gleicht eine niedrige Affinität durch hohe Avidität aus. Affinität = Bindungsstärke zwischen einer Antigenbindungsstelle und dem Antigen. Avidität = Bindungsstärke zwischen mehreren Antigenbindungsstellen und einem multivalenten Antigen. Assoziation Dissoziation Dissoziation Assoziation Avidität Affinität 18 Antikörperklassen - Isotypen III IgA bildet Dimere • Sekretion des Antikörpers (Garland Science 2005) 19 Antikörperklassen - Isotypen IV cμ = IgM, cδ = IgD, cγ = IgG, cε = IgE, cα = IgA Ψ = Pseudogen Die Expression der Gene der konstanten Region wechselt während der Reifung der B-Zelle = Klassenwechsel (Isotyp-Switch). 20 Antikörperklassen - Isotypen V Beim Switch werden die zwischen den Schalterregionen liegenden Genabschnitte herausgenommen Æ Reifung nur in eine Richtung 21 Antikörperklassen - Isotypen VI • Spezifische DNA-Sequenzen (Switch-Regionen) regulieren die Rekombination • Der Isotyp-Switch findet im Lymphknoten (Keimzentrum) statt • Er erfordert ein spezifisches Milieu aus Zytokinen, die ihrerseits die Switchfaktoren (Transkriptionsfaktoren) aktivieren 22 Isotyp-Switch Schwere Kette JH1-6 Cμ Cδ Cγ 3 Cγ1 ωCε Cα1 Cγ2 Cγ4 Cε Cα2 IL-4 IL-5 IFN-γ TGF-β = induziert = steigert Synthese = hemmt 23 Isotyp-Switch Im Laufe jeder B-Zell-Entwicklung findet ein Isotyp-Switch statt. Primär wird IgM gebildet, später weitere Ig-Klassen, die dann auch eine Affinitätsreifung durchmachen. 24 Verlauf von Antikörpertitern Kontakt Inkubationszeit Krankheitsbeginn Akute Phase Rekonvaleszenz Frühe Antikörper Spät- bzw. Schutz-Antikörper IgG IgM IgA Die Inkubationszeit von Erregern ist unterschiedlich. Sie kann zwischen 2 und 6 Tagen (Influenza) und 60-180 Tagen (Hepatitis B) betragen. 25 Antikörperklassen - Funktion I 1) Neutralisierung (Viren, Bakterien, Toxine): IgG und IgA 26 Antikörperklassen - Funktion II 2) Opsonierung (unterstützt Phagozytose): IgG1 und IgG3 27 Antikörperklassen - Funktion III 3) Komplement-Aktivierung (klassischer Weg): IgG und IgM 28 Antikörperklassen - Funktion IV Die Verteilung der Antikörperrezeptoren auf den verschiedenen Zellen des Immunsystems/der Gewebe bestimmt den Ort der Wirkung des Antikörpers. Funktion IgM IgD IgG IgA IgE Neutralisierung + - ++ ++ - Opsonierung - - ++ + - MastzellSensibilisierung - - - - +++ +++ - + + - Transport durch Epithelien + - - +++ - Transport durch Plazenta - - +++ - - Diffusion ins Gewebe +/- - +++ ++ + Serumspiegel [mg/ml] 1,5 0,04 13,5 2,1 0,005 KomplementAktivierung 29 Antikörperklassen - Funktion V • IgG kann durch die Plazenta an den Embryo weitergegeben werden • IgG und IgM sind die dominierenden Ak-Klassen im Plasma • IgA wird in allen Schleimhäuten sezerniert (Æ Schutzbarriere) • IgA kann mit der Muttermilch an den Säugling weitergegeben werden • IgE findet man auf Zellen in der Haut und den Schleimhäuten 30 Antikörperklassen - Funktion VI Vorübergehender Immundefekt (Immunglobulinmangel) nach der Geburt Æ hohe Infektanfälligkeit von Säuglingen 31 Antikörper-Rezeptoren I Die Rezeptorfunktion bestimmt ebenfalls die Antikörper-Wirkung 32 Antikörper-Rezeptoren II Die Rezeptorfunktion bestimmt ebenfalls die Antikörper-Wirkung 33 Cytolytische Mechanismen von NK-Zellen IV ADCC (antibody-dependent cellular cytotoxicity): Lyse von Antikörper-markierten Zellen durch Apoptose und Nekrose (Granzyme und Perforin). NK-Zellen tragen den Fcγ-Rezeptor (CD16) 34 Antikörper-Rezeptoren III Die Rezeptorfunktion bestimmt ebenfalls die Antikörper-Wirkung 35 Themenkomplexe B-Zellen • Entstehung • Aktivierung 36 B-Zell-Entstehung I • B-Zellen entstehen laufend im Knochenmark (bone marrow) aus lymphatischen Vorläuferzellen • Die Umgebung (Stroma-Zellen des Knochenmarks) liefern das notwendige Milieu (Oberflächenmoleküle und Cytokine) für die Entwicklung • Die Immunglobulingene werden umgeordnet; dieser Prozess läuft unabhängig von Antigenen ab 37 B-Zell-Entstehung II • Die gebildete schwere Kette wird mit einer Ersatz-L-Kette z.T. an der Oberfläche der großen Prä-B-Zelle exprimiert (Prä-B-Zell-Rezeptor). • Nach der erfolgreichen Expression der schweren Kette teilt sich die große Prä-BZelle aktiv, bevor die Umlagerung der leichten Kette beginnt 38 B-Zell-Entstehung III • Beginn der V-J-Umlagerung am • κ-Locus, später folgt bei Bedarf der λ-Locus Die Entwicklung zur reifen B-Zelle findet außerhalb des KM statt 39 B-Zell-Entstehung – Zusammenfassung I-III 40 B-Zell-Defekte I, XLA Angeborene Immunschwächekrankheiten beruhen auf rezessiven Gendefekten Viele der häufigsten Immunschwächekrankheiten beruhen auf defekten Genen auf dem X-Chromosom. Männer erkranken, Frauen bleiben meistens gesund. Beispiele: X-gekoppelte Agammaglobulinämie (XLA): keine B-Zellen 41 B-Zell-Defekte II, XLA Niedrige Antikörperkonzentrationen führen zu häufigen Infektionen mit extrazellulären Bakterien XLA (X-linked Agammaglobulinämie) = defekte Tyrosinkinase (btk), auf dem X-Chromosom codiert. btk überträgt Signale des PräB-Zell-Rezeptors (B-ZellReifung). 42 B-Zell-Entstehung IV Im Knochenmark: Selektion auf Selbst-Toleranz • Kontakt zu Antigenen in der Umgebung. • Unreife B-Zellen, die stark an diese Antigene binden, sterben ab (Apoptose), binden sie nur schwach, werden sie inaktiviert (Anergie). • Eine Möglichkeit, der Deletion zu entkommen, ist „Rezeptor-Editing“. 43 B-Zell-Entwicklung • Selbst-tolerante, naive B-Zellen wandern aus dem Knochenmark aus. • Naive B-Zellen zirkulieren durch das Blut in die sekundären lymphatischen Organe. • Treffen die B-Zellen in den sek. Lymphorganen auf ihr passendes Antigen, werden sie aktiviert (Umwandlung zur Antikörper-sezernierenden Plasmazelle). • Ohne Antigenkontakt zirkulieren sie wieder zurück mit der Lymphe in die Blutbahn. • Lebensdauer einer nicht-aktivierten B-Zelle: ca. 3 Tage. 44 Themenkomplexe B-Zellen • Entstehung • Aktivierung 45 B-Zell-Aktivierung I Naive B-Zellen benötigen 2 Signale zur Aktivierung: Das erste Signal liefert die Bindung eines passenden Antigens an den B-Zell-Rezeptor (BCR) = OberflächenImmunglobulin Das zweite Signal kann auf zwei Wegen geliefert werden: 1) Thymus-abhängig (durch bereits aktivierte T-HelferZellen) = TD-Antigene (thymus dependent) 2) Thymus-unabhängig (nur durch Antigen aktiviert) = TI- Antigene (thymus independent) 46 TI-B-Zell-Aktivierung I TI-1-Antigene aktivieren neben dem BCR einen weiteren Rezeptor auf der Oberfläche, z.B. CD14 gegen LPS oder einen Komplementrezeptor = co-stimulatorisches Signal TI-2-Antigene aktivieren die BZelle über gleichzeitige Vernetzung des BCR über viele gleichförmige Antigene, keine CoStimulation 47 TI-B-Zell-Aktivierung II TI (1+2) -Aktivierung : B-Zelle Æ Plasmazelle ¾ kein Keimzentrum ¾ keine Gedächtniszellen ¾ keine Affinitätsreifung ¾ switch bis IgG3, IgG2 (wodurch?) 48 TD-B-Zell-Aktivierung I 49 TD-B-Zell-Aktivierung II Linked recognition = T-Zelle und B-Zelle erkennen das gleiche Antigen CD4 T-Zell-Rezeptor Peptid MHC II 50 TD-B-Zell-Aktivierung II CD4 T-Zell-Rezeptor Peptid MHC II Eine T-Zelle exprimiert die co-stimulatorischen Signale erst, wenn sie ihrerseits durch eine professionelle Antigen-präsentierende Zelle (APC) spezifisch aktiviert worden ist (dendritische Zellen, Makrophagen). 51 TD-B-Zell-Aktivierung II Linked recognition = T-Zelle und B-Zelle erkennen das gleiche Antigen 52 Zusammenfassung: TD-B-Zell-Aktivierung Signale für die B-Zell-Aktivierung: 1) Bindung eines Antigens über den BCR (B-Zell-Rezeptor = membranständiges Immunglobulin) 2) Signale der T-Zelle, die das MHC-II-präsentierte Peptid mittels TCR und Corezeptor CD4 erkennt: • Stimulation des CD40 (B-Zelle) durch CD40-Ligand (T-Zelle) • Cytokine • Weitere co-stimulatorische Signale 53 TD-B-Zell-Aktivierung III Cytokine aus der Th-Zelle bewirken • Die Proliferation der B-Zelle (v.a. IL-5, IL-6) • Den Isotyp-Switch (z.B. IFN-γ zum IgG-switch, IL-4) B-Zellen werden nach der Aktivierung zu • B-Gedächtniszellen • Antikörper-sezernierenden Plasmazellen 54 Primäre humorale Immunantwort I T-Zellen werden von dendritischen Zellen in Lymphknoten gelockt und aktiviert, wenn sie das präsentierte Antigen erkennen. © Nature Immunology 7(2006), 329-332 grün = dendritische Zellen rot = T-Zellen 55 Primäre humorale Immunantwort II Die primäre Aktivierung der naiven B-Zelle durch eine aktivierte Th-Zelle geschieht ebenfalls in den sekundären Lymphorganen. B-Zellen wandern über Venolen mit hohem Epithel (HEV) in die Lymphorgane ein und verlassen sie, wenn sie auf kein spezifisches Antigen treffen. 56 Primäre humorale Immunantwort III B-Zellen, die ein spezifisches Antigen treffen und in der T-Zell-Zone auf passende aktivierte T-Zellen treffen bilden zusammen mit diesen TZellen einen sog. Primärfocus, in dem beide Zelltypen proliferieren. grün = T-Zellen rot = B-Zellen © Nature Immunology 7(2006), 329-332 57 Primäre humorale Immunantwort III Die B-Zellen wandern z.T. aus dem Primärfocus in die Markstränge Æ Plasmazellen (Antikörperproduktion, Isotyp-Switch). 58 Sekundäre humorale Immunantwort I Einige B- und T-Zellen verlassen die Primär-Foci und wandern in einen primären Lymph-Follikel, wo sie Keimzentren bilden. Die B-Zellen proliferieren rasch (Centroblasten) und durchlaufen die somatische Hypermutation. 59 Zusammenfassung: sek. Lymphorgane I Aktivierung der BZelle durch T-Zelle Primäre Foci 3 Tage Lymphfollikel, Keimzentrum 6 Tage Markstränge Plasmazellen Hypermutation, Affinitätsreifung Ak-Freisetzung, switch Rezirkulation Apoptose Plasmazellen Ak-Freisetzung Gedächtniszellen Langlebige Plasmazellen Sek. lymph. Organe Knochenmark 60 Zusammenfassung: sek. Lymphorgane II Gedächtniszellen B-Gedächtniszellen (Memory B-Zellen) zirkulieren. Sie benötigen Antigen zur Antikörperproduktion und teilen sich stetig in geringer Frequenz. langlebige Plasmazellen Langlebige Plasmazellen entstehen v.a. nach einem 2. Antigenkontakt Sie wandern ins Knochenmark (Nische, die das Überleben garantiert). Sie benötigen kein Antigen zur Antikörperproduktion. Evtl. überleben sie Jahre/Jahrzehnte. 61 Zusammenfassung: sek. Lymphorgane III B-Zellen benötigen bei der Affinitätsreifung unbedingt 2 positive Signale (sonst Æ Apoptose) Signal 1: Antigen erkannt Signal 2: T-Zell-Interaktion 62 Woher stammen die Antigene in den Keimzentren? 1) FDC = Follikulär Dendritische Zellen • FDCs sind in den Keimzentren und locken die B-Zellen über Chemokine dort hin. • FDCs präsentieren Antigene nicht über MHC sondern Fc- und Komplement-Rezeptoren. Sie können keine T-Zellen aktivieren. 63