Molekulare und zellbiologische Mechanismen der

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Antigenpräsentation
Molekulare und zellbiologische
Mechanismen der Kreuzpräsentation
ACHMET IMAM CHASAN, CHRISTIAN KURTS, SVEN BURGDORF
INSTITUTE FÜR MOLEKULARE MEDIZIN UND EXPERIMENTELLE IMMUNOLOGIE
(IMMEI), UNIVERSITÄTSKLINIKUM BONN
Kreuzpräsentation ist erforderlich für eine Immunität gegen Viren und
Tumoren und für Impfungen. Wir konnten erstmals die molekularen und
zellbiologischen Mechanismen der Kreuzpräsentation eines Modellantigens aufklären und damit unser Verständnis des Immunsystems fundamental erweitern.
Cross-presentation is required for immunity against viruses and tumors
and for vaccinations. We have clarified the molecular and cell-biological
mechanisms of cross-presentation of a model antigen, which fundamentally extends our understanding of adaptive immunity.
˚ Abb. 1: Molekulare Mechanismen der Antigenpräsentation. Endogene Antigene werden vom
Proteasom abgebaut (1), durch TAP ins ER transportiert und auf MHC I beladen (2). Pinozytierte
oder SR-aufgenommene Antigene gelangen in Lysosomen (3) zur ausschließlichen Beladung auf
MHC II (4). MR-aufgenommene Antigene gelangen in stabile frühe Endosomen (5), von wo sie zum
proteasomalen Abbau ins Zytoplasma gebracht werden (6). Die so entstandenen Peptide werden
durch endosomales TAP wieder in die Endosomen gebracht (7), um dort auf MHC I beladen zu
werden (8).
Entstehung einer adaptiven
Immunantwort
ó Zur Bekämpfung von Krankheitserregern
und Tumoren bedient sich das Immunsystem
unterschiedlicher Mechanismen. T-Lymphozyten (T-Zellen) spielen bei der Regulation
und Ausführung dieser Prozesse eine wichtige Rolle. Während CD4+-T-Helfer-Zellen die
Funktionen von anderen Immunzellen, wie
z. B. Makrophagen und B-Zellen, regulieren,
können zytotoxische CD8+-T-Zellen infizierte Zellen oder Tumorzellen spezifisch abtöten.
Um ihre Aktivität ausüben zu können, müssen T-Zellen zunächst aktiviert werden. Diese Aufgabe übernehmen die dendritischen
Zellen (DC) [1], die Komponenten von Erregern (Antigene) im Gewebe aufnehmen können. Die Erkennung dieser Erreger löst in den
dendritischen Zellen einen Reifungsprozess
aus, der ihre Migration in den Lymphknoten
initiiert. Dort können die DC die verarbeiteten
Antigene den T-Zellen präsentieren und somit
Antigen-spezifische T-Zellen aktivieren. Da
dies die Hauptfunktion dendritischer Zellen
ist, werden sie auch professionelle Antigenpräsentierende Zellen (APZ) genannt.
Zur Aktivierung von T-Zellen werden die
von den DC aufgenommenen Antigene abgebaut. Die so entstandenen Peptidfragmente
werden anschließend an MHC(major histocompatibility)-Moleküle gebunden. Diese Peptid-MHC-Komplexe werden an die Zelloberfläche befördert, wo sie von T-Zellen erkannt
werden können. Zytotoxische CD8+-T-Zellen
erkennen antigene Peptide, die an MHC-IMoleküle gebunden sind; CD4+-T-Helfer-Zellen erkennen Peptide auf MHC-II-Molekülen.
Neben Antigenen, die extrazellulär aufgenommen werden, können auch endogene
Antigene, das heißt Proteine, die von der präsentierenden Zelle selbst synthetisiert wurden, präsentiert werden. Dies geschieht in
fast jeder Körperzelle und führt dazu, dass
ein Bild des gesamten Zellinhalts auf den Zelloberflächen vorliegt. Sobald eine Veränderung, z. B. aufgrund einer Infektion oder
malignen Entartung, auftritt, kann diese
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durch (APZ-aktivierte) spezifische CD8+-zytotoxische T-Zellen erkannt werden. Diese zytotoxischen T-Zellen können dann in den infizierten oder entarteten Zellen den programmierten Zelltod (Apoptose) auslösen.
Unser Forschungsschwerpunkt ist die Präsentation extrazellulärer Antigene auf MHCI-Molekülen an CD8+-zytotoxische T-Zellen,
auch Kreuzpräsentation genannt. Die Kreuzpräsentation spielt eine zentrale Rolle bei der
Aktivierung von zytotoxischen T-Zellen gegen
Virus-infizierte Zellen oder Tumoren. Zudem
hat sie eine wichtige Bedeutung bei der Aufrechterhaltung der Immuntoleranz gegen körpereigene Proteine [2, 3]. Die Aufklärung der
molekularen und zellbiologischen Mechanismen der Kreuzpräsentation ist von zentralem
Interesse.
Die Art der Antigenaufnahme
entscheidet über die Art der Antigenpräsentation
Der erste Schritt der Antigenpräsentation ist
die Antigenaufnahme. Die Aufnahme von lös-
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lichen Antigenen durch APZ erfolgt über
unterschiedliche Mechanismen. Unspezifische Aufnahme geschieht durch Pinozytose,
wobei kleine Mengen an extrazellulärer Flüssigkeit mitsamt den darin gelösten Stoffen
nach Ausstülpung der Zellmembran aufgenommen werden können. Zudem können
über Rezeptor-vermittelte Endozytose bestimmte Antigene, die von einem bestimmten Rezeptor erkannt werden, von der APZ
internalisiert werden.
In früheren Studien konnten wir zeigen,
dass der Weg, über den das Antigen von der
DC aufgenommen wird, die Art der Präsentation bestimmt [4, 5]. So wurde das Modellantigen Ovalbumin (OVA), wenn es über den
Mannose-Rezeptor (MR) aufgenommen wurde, ausschließlich auf MHC I an CD8+-T-Zellen präsentiert, wohingegen OVA, welches von
Scavenger-Rezeptoren (SR) bzw. über Pinozytose aufgenommen wurde, auf MHC II an
CD4+-T-Zellen präsentiert wurde.
Zudem konnten wir zeigen, dass beide
Wege der Antigenpräsentation räumlich von-
einander abgegrenzt sind und in unterschiedlichen Zellorganellen stattfinden. Während ein Antigen, das für die Präsentation an
CD4+-T-Zellen bestimmt ist, rasch in Lysosomen vorliegt, gelangt ein Antigen, das an
CD8+-T-Zellen präsentiert und vom MR zur
Kreuzpräsentation aufgenommen wird, in
eine separate Population von Endosomen, den
sogenannten stabilen frühen Endosomen (stable early endosomes, SEE). Diese verharren
im Stadium eines frühen Endosoms und reifen nicht zum Lysosom aus.
Molekulare Mechanismen der Antigenpräsentation im stabilen frühen
Endosom
In einer aktuellen Studie haben wir die Mechanismen der Antigenverarbeitung zur Kreuzpräsentation im stabilen frühen Endosom
untersucht [6]. Mehrere Arbeitsgruppen konnten bereits zeigen, dass im Rahmen der Kreuzpräsentation die Antigene nach deren Internalisierung aus den Endosomen in das Zytoplasma transportiert werden müssen [5, 7, 8].
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Dort werden diese Antigene anschließend
vom zytoplasmatischen Proteasom abgebaut.
Lange wurde angenommen, dass die so entstandenen Peptidfragmente in dem MHC-IPräsentationsweg für endogene Antigene
weiterprozessiert werden. Endogene Antigene werden nach proteasomalem Abbau von
einem Transporter namens TAP in das endoplasmatische Retikulum (ER) gebracht, wo
die Peptide auf MHC-I-Moleküle beladen werden [9]. Anschließend gelangen die MHC-IPeptid-Komplexe über den sekretorischen
Weg zur Zelloberfläche.
Wir konnten erstmals für ein Modellantigen zeigen, dass aus Antigenen entstandene
Peptide für die Kreuzpräsentation nicht in
das ER zur Beladung auf MHC I transportiert
werden, sondern dass die Beladung in den
Endosomen selbst stattfindet [6]. Bei der
Untersuchung der oben erwähnten stabilen
frühen Endosomen konnten wir den TAPTransporter in der endosomalen Membran
detektieren, was eine Unabhängigkeit von der
Antigenbeladung im ER vermuten ließ.
Um zwischen Peptidbeladung im ER und
in den Endosomen zu unterscheiden, haben
wir in enger Zusammenarbeit mit der Gruppe von Prof. Tampé der Universität Frankfurt
versucht, den TAP-Transporter Endosomenspezifisch zu inhibieren. Dies gelang uns
durch die Kopplung von dem spezifischen
TAP-Inhibitor US6 an Transferrin. Die Kopplung an Transferrin bewirkte, dass US6 spezifisch in die frühen Endosomen gebracht
wurde und somit TAP ausschließlich in den
Endosomen, nicht aber im ER inhibierte. Der
Einsatz dieser US6-Transferrin-Komplexe in
Kreuzpräsentationsversuchen zeigte, dass
endosomales TAP für die Kreuzpräsentation
essenziell ist und die Peptide zur Beladung
in die Endosomen gebracht werden [6].
Außerdem konnten wir erstmals Peptidbeladene MHC-I-Moleküle mittels Immunfluoreszenz in diesen Endosomen nachweisen. Hierzu verwendeten wir den Antikörper
25-D1.16 [10], welcher das kreuzpräsentierte
OVA-Peptid (SIINFEKL) gebunden an MHC I
erkennt.
Anhand von Untersuchungen mit dem Arzneimittel Primaquin konnten wir weiterhin
zeigen, dass ohne Zugabe von Primaquin die
Peptid-MHC-I-Komplexe nach der Beladung
in den Endosomen auf direktem Wege zur
Zelloberfläche transportiert wurden, wo sie
von CD8+-T-Zellen erkannt werden konnten.
Primaquin inhibiert den Transport von Endosomen zur Zelloberfläche und verhinderte
demzufolge bei dessen Zugabe die Kreuzprä-
sentation [6]. Die Präsentation von endogenen Antigenen, deren Beladung im ER stattfindet, blieb dagegen unverändert durch Zugabe von Primaquin. Auch dies schließt eine
Beladung im ER für die Kreuzpräsentation
aus.
Zusammenfassend konnten wir zeigen,
dass die MHC-I-vermittelte Präsentation von
endogenen Antigenen, die Kreuzpräsentation
und die MHC-II-vermittelte Präsentation in
unterschiedlichen Zellkompartimenten stattfindet (Abb. 1). Die Beobachtung, dass die
Mechanismen der Antigenaufnahme entscheiden, welche Art der Immunantwort induziert wird, könnte wichtige Implikationen für
die Entwicklung von Impfstoffen gegen Viren
oder Tumoren haben, die ja darauf abzielen,
zytotoxische T-Zellen zu aktivieren. So könnte man, wenn man einen Impfstoff derart
modifiziert, dass er über den MR in die APZ
gelangt, eine erhöhte Kreuzpräsentation
bewirken, die eine verbesserte Aktivierung
von zytotoxischen T-Zellen ermöglicht, welche Tumor- oder Viren-infizierte Zellen abtöten.
ó
Literatur
[1] Mellman I, Steinman RM (2001) Dendritic cells: specialized and regulated antigen processing machines. Cell
106:255–258
[2] Kurts C, Heath WR, Carbone FR et al. (1996) Constitutive
class I-restricted exogenous presentation of self antigens in
vivo. J Exp Med 184:923–930
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CD8(–) dendritic cells cross-prime cytotoxic T cells in vivo. J
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[4] Burgdorf S, Lukacs-Kornek V, Kurts C (2006) The mannose
receptor mediates uptake of soluble but not of cell-associated
antigen for cross-presentation. J Immunol 176:6770–6776
[5] Burgdorf S, Kautz A, Bohnert V, Knolle PA et al. (2007)
Distinct pathways of antigen uptake and intracellular routing
in CD4 and CD8 T cell activation. Science 316:612–616
[6] Burgdorf S, Scholz C, Kautz A et al. (2008) Spatial and
mechanistic separation of cross-presentation and endogenous
antigen presentation. Nat Immunol 9:558–566
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Constitutive macropinocytosis allows TAP-dependent major
histocompatibility complex class I presentation of exogenous
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endoplasmic reticulum protein retrotranslocation machinery
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[9] Abele R, Tampe R (2004) The ABCs of immunology: structure and function of TAP, the transporter associated with antigen processing. Physiology 19:216–224.
[10] Song R, Porgador A, Harding CV (1999) Peptide-receptive
class I major histocompatibility complex molecules on TAPdeficient and wild-type cells and their roles in the processing
of exogenous antigens. Immunology 97:316–324
Korrespondenzadresse:
Dr. Sven Burgdorf
Prof. Dr. Christian Kurts
Institute für Molekulare Medizin und
Experimentelle Immunologie (IMMEI)
Sigmund-Freud-Straße 25
D-53105 Bonn
Tel.: 0228-28711038
Fax: 0228-28711052
[email protected]
[email protected]
www.ukb.uni-bonn.de/IMMEI
AUTOREN
Sven Burgdorf
Achmet Imam Chasan
Jahrgang 1976. 1993–1998 Bio-Ingenieur-Studium in Leuven, Belgien.
1998–2000 Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Max-Planck-Institut für
Züchtungsforschung, Köln und MPB
Cologne GmbH. 2000–2003 Doktorarbeit im Institut für Genetik,
Bonn bei Prof. Dr. Scheidtmann.
2004–2008 Postdoc im IMMEI,
Bonn bei Prof. Dr. Kurts. Seit 2008
Arbeitsgruppenleiter im IMMEI,
Bonn.
Jahrgang 1980. 2001–
2007 Biologiestudium an
der Universität Bonn. Seit
2007 Promotion am IMMEI,
Bonn.
Christian Kurts
Jahrgang 1964. 1985–1991 Medizin- und Physikstudium in Göttingen, Promotion in
Immunologie. 1991–1995 und 1998–2000 Assistenzarzt und wissenschaftlicher Mitarbeiter, medizinische Hochschule Hannover. 1995–1998 Wissenschaftlicher Mitarbeiter
am WEHI, Melbourne, Australien. 2000–2003 AG-Leiter am Uniklinikum der RWTH
Aachen. 2003–2009 Professur für Molekulare Immunologie, Uniklinikum Bonn. 2009
Direktor des dortigen Instituts für experimentelle Immunologie.
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