Spektrum | Marketingmanagement Ein Blick in fremde Branchen lohnt sich Die Bildung inventiver Analogien ist wichtig, wenn Lösungen zwischen Branchen transferiert werden (Cross-Industry-Innovationen). Doch der Zugang zu wertvollen Analogiequellen ist eine Herausforderung. Die Resultate zweier empirischer Studien zeigen auf, wie Unternehmen während eines Innovationsprojekts und organisatorisch die Identifikation analoger Lösungen fördern können, um Innovationen entstehen zu lassen. Marc Schulthess 98 Marketing Review St. Gallen 1 | 2013 Spektrum | Marketingmanagement Cross-Industry-Innovationen sind für Unternehmen besonders wertvoll, weil sie sich in der Regel deutlich vom Bisherigen abheben und einen hohen Neuigkeitsgrad aufweisen. Demzufolge erhalten solche Innovationen, bei denen die Problemlösung aus einer fremden Branche stammt, seit einigen Jahren in Wissenschaft und Praxis eine hohe Aufmerksamkeit. Damit Cross-Industry-Innovationen entstehen können, ist es notwendig, eine Ähnlichkeitsbeziehung zwischen zwei Elementen herzustellen und eine inventive Analogie zu bilden. Der inventive Analogietransfer als zentrales Element beinhaltet die Nutzung existierender Lösungsprinzipien in einem bestimmten Bereich (Analogiequelle) zur Lösung eines Problems in einem anderen Bereich (Analogieziel). Dabei findet ein Transfer von Wissen aus der Analogiequelle auf das -ziel statt. Dieser Transfer kann Funktionsprinzipien, Technologien/technische Komponenten, Materialien oder auch Formen beinhalten. Dr. Marc Schulthess ist Senior Berater bei der Input Consulting AG in Bern E-Mail: [email protected] Inventive Analogien als Treiber der Produktentwicklung So hat die Fischer Group mittels inventiver Analogien ein neuartiges Produkt entwickelt. Als Herstellerin von Skiern war sie mit dem Problem konfrontiert, dass die Skier ab einer bestimmten Geschwindigkeit während des Gebrauchs schwierig zu kontrollieren waren. Während einer intensiven Recherche realisierte das F&E-Team, dass Mechanismen zur Vibrationsdämpfung im Bereich von Musikinstrumenten auch bei Skiern implementiert werden können (Enkel/Gassmann 2010). Die Nutzung inventiver Analogien ist nicht auf eine Branche beschränkt, sondern kann als universelles Phänomen bezeichnet werden (siehe Abbildung 1). So belegen empirische Studien, dass während der Ideenphase routinemäßig inventive Analogien für die Entwicklung innovativer Produkte verwendet werden. Die Analogiebildung basiert jedoch häufig auf einem eher informellen, unsystematischen Prozess, dessen Ergebnis oftmals vom Zufall abhängt (Gassmann/Zeschky 2008; Kalogerakis/Lüthje/Herstatt 2010). Die häufige Nutzung inventiver Analogien liegt darin begründet, dass die Anwendung von bestehendem Wissen in einem neuen Kontext zu sehr neuartigen Problemlösungen und somit zu innovativen Produkten führt (Hargadon 2003). Inventive Analogien können insbesondere dann einen hohen Neuartigkeitsgrad haben, wenn Analogiequelle und -ziel aus unterschiedlichen Bereichen stammen und in hoher Distanz zueinander stehen (Dahl/ Moreau 2002). Herausforderungen bei der Identifikation analoger Problemlösungen Auch mit inventiven Analogien ist die Generierung innovativer Produkte keine einfache Angelegenheit. So muss bei fernen inventiven Analogien und Cross-Industry-Innovationen Wissen aus unterschiedlichen Bereichen vorhanden sein. Das Vorhandensein von vielfältigem Wissen ist jedoch keine Marketing Review St. Gallen 1 | 2013 99 Spektrum | Marketingmanagement Garantie für die Nutzung ferner Analogien. Denn auch die Relevanz dieses branchenfremden Wissens für eine vorliegende Problemstellung muss erkannt werden. Der Abruf von relevantem, fernem Wissen, das primär strukturelle Ähnlichkeiten mit dem Zielproblem aufweist, wird aufgrund kognitiver Einschränkungen behindert: •Einerseits ist es für Menschen schwierig, sich von bekannten Denkschemata zu entfernen, wodurch diese unreflektiert bei der Lösung eines neuen Problems angewandt werden („Einstellungseffekt“). Dadurch beschränkt sich der Suchraum für Analogien auf Lösungsprinzipien, die den bisherigen ähnlich sind und das Problem nicht auf wirklich neuartige Weise lösen (Luchins 1942). •Andererseits fällt es Menschen ebenfalls schwer, Wissen, das in einer Situation erlernt wurde, in einer anderen Situation anzuwenden („Funktionale Fixierung“). Somit werden Lösungsansätze aus fremden Bereichen nicht abgerufen, da diese nicht von der ursprünglichen Funktion und ihrem Anwendungskontext gelöst werden können (Duncker 1945). Beiden Fixierungseffekten ist gemeinsam, dass analoge Lösungen, obwohl sie vorhanden sind, nicht bedacht werden und somit das Generieren inventiver Analogien behindert wird. Die Ubiquität der Analogienutzung und deren positive Auswirkungen auf die Innovativität von Produkten, verbunden mit den aufgezeigten Herausforderungen, lassen erkennen, dass die Identifikation ferner Analogien gezielt unterstützt werden muss. Im Folgenden wird aufgezeigt, mit welchen Maßnahmen Cross-Industry-Innovationen gefördert werden können. Abb. 1 Beispiele inventiver Analogien Analogie-Art Quelle und Ziel aus demselben Produktbereich Skier Quelle und Ziel aus unterschiedlichen Produktbereichen Rennwagen Quelle und Ziel aus unterschiedlichen Produktbereichen Handy Quelle aus der Natur 100 Quellbereich Hai Transferelemente Snowboard Material des Belags Material und Struktur der Stoßdämpfer Technologie des Mikromotors Struktur der Haut Zielbereich Sportschuhe Elektronische Zahnbürste Schwimmanzug Marketing Review St. Gallen 1 | 2013 Spektrum | Marketingmanagement Stimulierung der Analogienutzung während eines Innovationsprojekts Grundsätzlich kann bei der Nutzung inventiver Analogien während früher Phasen eines Innovationsprojekts die gleiche Prozesslogik angewandt werden wie bei anderen Innovationen. Auf aggregierter Ebene sind dies die folgenden Phasen (Input Consulting 2012): Phase 1: „Getting Ready“ (Ausgangslage klären, Zielsetzungen und Vorgehen definieren) Phase 2: „Getting Far“ (Denkmuster aufbrechen, viele analoge Wissensquellen identifizieren) Phase 3: „Getting Done“ (Bewertung, Auslese und Priorisierung der generierten Lösungsideen) In der ersten Studie wurde untersucht, wie während der frühen Phasen die Nutzung inventiver Analogien gefördert werden kann. Dazu wurden drei unterschiedliche Mechanismen entlang des Problemlösungsprozesses betrachtet und deren Einfluss auf die Identifikation von Analogien analysiert. Es sind dies: 1. die Problemabstraktion, 2. die Sammlung unterschiedlicher Marktinformationen und 3. die Konfrontation mit visuellen Stimuli (vgl. Abbildung 2). Die Effekte der drei Einflussgrößen auf die Analogiebildung wurden in drei Experimenten mit insgesamt 450 Studierenden der Ingenieurwissenschaften und des Produktdesigns untersucht. Die Probanden wurden aufgefordert, Lösungen auf der Basis inventiver Analogien für das Problem „Schutz für Sub-Notebooks, damit eine Krafteinwirkung bei Stößen und Aufprall abgedämpft wird“ zu generieren. Das Ergebnis der Generierung inventiver Abb. 2 Maßnahmen zur Förderung der Nutzung ­inventiver Analogien während eines ­Innovationsprozesses Getting Far Getting Ready Getting Done Visuelle Konfrontation Verständnis der ­ Ausgangslage TRIZ Problemdefinition Sammlung marktrelevanter Informationen Pyramiding Bewertung, Auslese und Piorisierung Crowdsourcing Methoden auswählen Bionik In der Studie 1 untersucht Marketing Review St. Gallen 1 | 2013 101 Spektrum | Marketingmanagement Abb. 3 Ergebnis-Überblick der drei Experimente aus Studie 1 n Gruppe Problemabstraktion 134 3 3.82* 9.53** 4.03* Sammlung marktrelevanter Informationen Anwendungssituationen Existierende Lösungen 216 4 4.27* 4.73* 14.54** 0.28 6.29* 11.68** Präsentation visueller Stimuli 100 3 3.64* 7.69** 6.67** Kontrollvariablen: Alter, Geschlecht und Erfahrung mit Analogien Anzahl der ­Analogien F-Wert *p < 0.05; Heterogenität der Innovativität der Analogien Analogien F-Wert F-Wert **p < 0.01 Messung der abhängigen Variablen Anzahl: Zählung der identifizierten Analogien pro Partizipant. Heterogenität: Herfindahl-Hirschmann Index basierend auf generellen Lösungsprinzipien, welchen die generierten Analogien zugeordnet wurden. Definition der Lösungsprinzipien und Zuordnung der Analogien erfolgten durch zwei externe Kodierer. Innovativität: Selbstbewertung der Studierenden auf einer 5-Punkte Likert-Skala und Validierung eines Samples durch PC-Experten. Die Bewertung der Studierenden und der Experten war nicht signifikant unterschiedlich (Wilcoxon Rangsummen-Test). Analogien wurde anhand der Gesamtanzahl und Heterogenität sowie der Innovativität der identifizierten Analogien gemessen. Um die Effekte der Experimentalvariablen auf die abhängigen Variablen zu untersuchen, wurde das statistische Verfahren MANCOVA (multivariate Kovarianzanalyse) verwendet. Abbildung 3 zeigt den Einfluss der Experimentalvariablen auf die drei unabhängigen Variablen. Da die Experimentalvariablen über mehr als zwei Ausprägungen verfügen, wurden zusätzlich Kontrasttests eingesetzt, um Vergleiche zwischen einzelnen Experimentalgruppen zu untersuchen. Die Stabilität der Resultate wurde durch zusätzliche Regressionsanalysen gewährleistet, welche die Ergebnisse der MANCOVA stützen. Mittels Pre-Tests wurden Unterschiede bzgl. der Motivation und des Problem-Involvements kontrolliert. Erstes Experiment: Problemabstraktion Die Problemabstraktion wurde definiert als das Entfernen des Problems von der spezifischen Produktkategorie und dem Anwendungsfeld, für die eine Lösung gefunden werden soll. Verglichen mit einer konkreten Formulierung, die den Kontext des Produkts und das Anwendungsfeld der Problemlösung spezifiziert, führte eine abstrakte Problemformulierung im Experiment dazu, dass Problemlöser, die eine abstrakte Formulierung sowohl mit als auch ohne Kenntnis der konkreten Formulierung vorgelegt bekamen, sowohl eine höhere Gesamtzahl und Heterogenität als auch neuartigere Analogien generierten. Abstrakte Problemformulierungen, die sich auf die zentralen Funktionen einer Problemlösung fokussieren, initiierten Suchprozesse mit wenigen mentalen und selbst auferlegten Einschränkungen. 102 Marketing Review St. Gallen 1 | 2013 Spektrum | Marketingmanagement Somit zeigen die Ergebnisse, dass das Abstrahieren eines Problems das Suchfeld für Analogiequellen öffnet und dadurch ein Problemlöser vermehrt Wissen mit hoher Distanz zur Problemlösung als potenzielle Analogiequelle betrachtet. Im Gegenzug förderte die konkrete Problemformulierung das Aktivieren von mentalen Bildern. Das führte zu impliziten Einschränkungen in Bezug auf mögliche Lösungen und reduzierte somit die Menge an Quelldomänen, die für mögliche analoge Problemlösungen in Betracht gezogen wurden. Daher sollten Problemstellungen abstrahiert werden, wenn eine große Menge innovativer Problemlösungsideen angestrebt wird. Zweites Experiment: Sammlung marktrelevanter ­Informationen Das zweite Experiment betrachtete das Zusammentragen von marktrelevanten Informationen im Vorfeld der Ideengenerierung. Einerseits wurden Informationen über Anwendungssituationen gesammelt, indem Personen bei der Nutzung eines Notebooks in unterschiedlichen Kontexten gefilmt wurden. Andererseits wurde ein Überblick zu existierenden Produkten und somit Problemlösungen mittels einer Internetrecherche zusammengetragen. Das Bewusstmachen vieler unterschiedlicher realer Nutzungssituationen eines Produktes gibt dem Problemlöser zusätzliche Anknüpfungspunkte (z. B. die Interaktionen mit der Umwelt und verborgene Bedürfnisse). Darauf aufbauend können analoge Lösungen identifiziert werden. Dadurch erkennt ein Problemlöser mehr Ähnlichkeiten zwischen seinem Wissen und dem Zielproblem und stuft das eigene Wissen häufiger als relevant für die Problemlösung ein. So generierten Probanden, die im Vorfeld der Ideensammlung Informationen zu unterschiedlichen Nutzungssituationen präsentiert bekamen, unterschiedlichere und innovativere Lösungen. Die Ergebnisse zeigen einerseits, dass im Rahmen der Analogiebildung die Integration von Kunden in den frühen Phasen des Neuentwicklungsprojektes eines Produktes die Innovativität der resultierenden Produkte positiv beeinflussen kann. Andererseits wirkt das Präsentieren existierender Produkte eher kreativitätshemmend. Problemlöser orientierten sich stark an den bestehenden Lösungsansätzen, wodurch sie diese primär weiterentwickelten und nicht nach radikal neuen Prinzipien für die Problemlösung suchten. So generierten Probanden, denen existierende Lösungen gezeigt wurden, weniger neuartige Lösungen basierend auf analogem Wissen. Insgesamt zeigen die Daten, dass es für die Identifikation neuartiger analoger Problemlösungen sinnvoller ist, Informationen über Kunden zu sammeln, anstatt aufwendige Recherchen über Konkurrenzprodukte durchzuführen. Die Ergebnisse fordern die Empfehlung heraus, zu Beginn eine saubere Recherche über den Status quo am Markt durchzuführen (Kelley 2002), da genau die Orientierung an diesen Informationen dazu führt, dass die existierenden Lösungen nur weiterentwickelt werden und nicht nach radikal Marketing Review St. Gallen 1 | 2013 Zusammenfassung •Die Ergebnisse der quantitativen Stu- die zur Analogienutzung auf Unternehmensebene zeigen, dass sich die Nutzung ferner Analogien positiv auf die Innovativität des gesamtes Neuproduktentwicklungs-Portfolio auswirkt. •Die Abstraktion einer Problemstellung hilft bei der Identifikation ferner Analogien und unterstützt somit die Generierung innovativer Produktideen. •Das Bewusstmachen vieler unterschiedlicher realer Nutzungssituationen eines Produktes gibt dem Problemlöser zusätzliche Anknüpfungspunkte (z. B. die Interaktionen mit der Umwelt und verborgene Bedürf­nisse). Darauf aufbauend können analoge Lösungen für den Innovationsprozess identifiziert werden. 103 Spektrum | Marketingmanagement neuen Lösungsansätzen gesucht wird. Vielmehr sollten die Kunden im Vorfeld der Ideengenerierung bei der Benutzung des zu verbessernden Produktes beobachtet werden. Demzufolge versprechen Ansätze der ethnografischen Forschung im Hinblick auf die Verwendung von Analogien positive Effekte. Drittes Experiment: Präsentation visueller Stimuli Mit dem dritten Experiment wurde untersucht, wie sich die Nutzung inventiver Analogien mittels visueller Stimuli unterstützen lässt. Die visuelle Konfrontation mit Stimuli setzt während der Ideengenerierung an, z. B. im Rahmen von Kreativitätsworkshops. So wurden den Probanden während der Erarbeitung von Problemlösungen Beispiele ferner Analogiequellen, d. h. außerhalb des Zielbereichs Notebooks, präsentiert. Dabei wurde nach Analogiequellen unterschieden, die rasch zugänglich und somit naheliegend sind (z. B. die Crash-Zone eines Autos), und solchen, die ungewöhnlich und schwer zugänglich sind (z. B. das Gehirn eines Spechts). Die Resultate zeigten auf, dass ungewöhnliche und schwer zugängliche analoge Stimuli im Gegensatz zu typischen und naheliegenden Stimuli zu besseren Problemlösungen führen. Somit stützen die Befunde den Türöffner- und Inspirationseffekt von nicht naheliegenden analogen Stimuli und den eher „Wenn Mitarbeiter ihr Wissen mit einer hohen Intensität austauschen und anderen Personen zugänglich machen, führt dies zu einer ­vermehrten Anwendung ferner Analogien.“ einengenden und fixierenden Effekt typischer und offensichtlicher Analogiebeispiele. Dies impliziert, dass es aussichtsreicher ist, keine analogen Stimuli zu verwenden, es sei denn, die Analogien beinhalten kein dem Problemlöser bereits zugängliches und leicht abrufbares Wissen. Nur wenn die analogen Stimuli nicht naheliegend und inspirierend sind, werden Problemlöser in der Lage sein, große mentale Sprünge in unterschiedliche Richtungen zu machen und so innovative Wissensquellen aus dem Gedächtnis abzurufen. Kreativitätsworkshops können mittels visueller Analogien unterstützt werden, jedoch ist die Auswahl der analogen Stimuli eine sehr sensitive Angelegenheit und ist mit viel Sorgfalt durchzuführen, da Analogiequellen außerhalb der Zieldomäne nicht notwendigerweise einen positiven Effekt haben. Weitere Methoden zur Analogieidentifikation Neben den untersuchten Ansatzpunkten existieren weitere Methoden, die für die Identifikation analoger Lösungsprinzipien geeignet sind. So ist aus der Empirie bekannt, dass beim Crowdsourcing mittels Online-Ideenplattformen die dabei generierten Ideen häufig auf einer Rekombination von Wissen aus 104 Marketing Review St. Gallen 1 | 2013 Spektrum | Marketingmanagement unterschiedlichen Bereichen basieren (Jeppesen/Lakhani 2010). Da den Community-Mitgliedern nur die publizierte Problemstellung zur Verfügung steht, um analoges Wissen zu identifizieren, muss die Problemstellung so formuliert sein, dass Communities möglichst viel von ihrem Wissen auf einen Wissenstransfer hin überprüfen. Aufgrund der Resultate des ersten Experiments empfiehlt sich, solche öffentlich ausgeschriebenen Problemstellungen auf funktionale Aspekte zu fokussieren und den konkreten Anwendungskontext der angestrebten Lösung in den Hintergrund zu rücken. Pyramiding, TRIZ und Bionik Externes Wissen für inventive Analogien kann ebenfalls durch die Anwendung der „Pyramiding“-Methode erworben werden (von Hippel/Thomke/ Sonnack 1999). Pyramiding ist geeignet, um Lead-User aus weit entfernten analogen Märkten zu identifizieren, die ihrerseits besonders häufig innovative Lösungen generieren (Hienerth/Pötz/von Hippel 2007). Weiter eignet sich die Datenbank-basierte Methode TRIZ, bei der sehr systematisch nach analogen Lösungen gesucht wird (Terninko et al. 1998). Soll gezielt analoges Wissen aus der Natur identifiziert werden, können die Systematiken der Bionik angewandt werden (Hill 1999). Feste Installation der Analogienutzung im Unternehmen Damit die Analogienutzung kein Einzelfall bleibt, sondern routinemäßig in einem Innovationsprojekt angewendet wird, genügen die hier beschriebenen Maßnahmen auf Projektebene nicht. Um Cross-Industry-Innovationen im Unternehmen zu verankern, müssen zusätzlich auf übergeordneter Ebene gezielte Maßnahmen ergriffen werden. So wurden in einer zweiten Untersuchung organisatorische Rahmenbedingungen identifiziert, mittels derer die Nutzung ferner Analogien gefördert werden kann. Anhand einer Fragebogenuntersuchung bei Industriedesignunternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz wurden dazu Antworten von 160 Unternehmen analysiert. Als zentrale Einflussfaktoren wurden •die Vielfalt des internen Wissens, •die unterschiedlichen Beschaffungswege für Analogiequellen und •der Wissenstransfer zwischen den Mitarbeitern betrachtet. Dabei wurde untersucht, welchen Einfluss diese unabhängigen Variablen auf die Nutzung ferner Analogien haben, die als Grundlage für innovative Produkte dienen. Zur Operationalisierung der drei reflektiven und fünf formativen latenten Variablen wurden mehrheitlich bestehende Konstrukte verwendet und adaptiert. Die kausalen Beziehungen zwischen den latenten Variablen wurden anhand eines Strukturgleichungsmodells getestet. Darauf basierend erfolgte die Datenauswertung mittels der Software smartPLS. Damit kann der Einfluss von unabhängigen auf abhängige Variablen über mehrere Stufen in einem Modell ermittelt werden. Das Strukturgleichungsmodell und die Resultate sind in Abbildung 4 dargestellt. Marketing Review St. Gallen 1 | 2013 Kernthesen •Damit Cross-Industry-Innovationen entstehen können, muss eine Ähnlichkeitsbeziehung zwischen zwei Elementen hergestellt und eine inventive Analogie gebildet werden. •Um Cross-Industry-Innovationen im Unternehmen zu verankern, müssen sowohl auf Projektebene als auch auf übergeordneter Ebene gezielte Maßnahmen ergriffen werden. •Die Wissensvielfalt in einem Unternehmen begünstigt die Verwendung von fernen Analogien. •Der Informationsaustausch mit unterschiedlichen externen Partnern (z. B. Universitäten) wirkt sich positiv auf die Nutzung ferner Analogien aus. 105 Spektrum | Marketingmanagement In Bezug auf die Effekte zeigen die Daten, dass die Nutzung ferner Analogien die Innovativität der erbrachten Leistungen erhöht und dadurch der Unternehmenserfolg positiv beeinflusst wird. Die Ergebnisse dieser quantitativen Studie zur Analogienutzung auf Unternehmensebene zeigen, dass die Erkenntnis aus Fallstudien, wonach sich die Nutzung ferner Analogien positiv auf die Innovativität eines Produkts auswirkt, auch für ein gesamtes Neuproduktentwicklungs-Portfolio zutrifft. Einflussfaktoren auf die Nutzung ferner Analogien In Bezug auf die Einflussfaktoren zeigen die Resultate, dass die Wissensvielfalt in einem Unternehmen die Verwendung von fernen Analogien begünstigt. So unterstützen eine hohe Ausbildungsheterogenität der Mitarbeiter und eine starke Diversität durchgeführter Projekte die Rekombination von Wissen aus unterschiedlichen Bereichen. Daraus kann gefolgert werden, dass eine Rekrutierung von Mitarbeitern mit unterschiedlichem und bisher im Unternehmen nicht verfügbarem Wissen für die Nutzung ferner Analogien sinnvoll ist. Weiter sollte den Mitarbeitern die Möglichkeit gegeben werden, in unterschiedlichen Bereichen Projekte durchzuführen, um so vielfältige Erfahrungen aufzubauen. Die Analyse unterschiedlicher Beschaffungswege für Analogiequellen zeigt, dass sich der Informationsaustausch mit unterschiedlichen externen Partnern (z. B. Universitäten) positiv auf die Nutzung ferner Analogien auswirkt. So empfiehlt sich beispielsweise der Austausch mit unternehmense- Abb. 4 Strukturgleichungsmodell Analogienutzung auf Unternehmensebene* Verwendung von Analogien Einflussfaktoren Effekte Wissensheterogenität Ausbildungshintergründe der Mitarbeiter Diversität des Projektportfolios 0.14* 0.34** Beschaffungswege für Analogiequellen Unternehmensexterner ­Informationsaustausch 0.24* Berücksichtigung von lokalem Wissen 0.13* Wissensaustausch 0.22* R2 = 0.30 Nutzung ­ferner ­Analogien R2 = 0.20 0.45* Innovativität der Produkte R2 = 0.14 0.38* Unter­nehmens­ erfolg Wissenstransfer zwischen Mitarbeitern *: p < 0.05; **: p < 0.01 Quelle: Studie 2 106 Marketing Review St. Gallen 1 | 2013 Spektrum | Marketingmanagement xternen Stakeholdern zur Förderung der Nutzung ferner Analogien und insgesamt eine Öffnung des Innovationsprozesses, um dadurch die Wahrscheinlichkeit für die Einbeziehung ferner Analogien zu erhöhen. Weiter unterstützt die Orientierung an vergangenen Projekten die Verwendung ferner Analogien. So können das Portfolio durchgeführter Projekte und die darin generierten Erkenntnisse eine wertvolle Quelle für innovative Lösungen in aktuellen Projekten darstellen. Der Umgang mit dem in einem Unternehmen verfügbaren Wissen wurde anhand des Wissensaustauschs zwischen den Mitarbeitern analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass eine hohe Intensität, mit der die Mitarbeiter ihr Wissen austauschen und anderen Personen zugänglich machen, zu einer vermehrten Anwendung ferner Analogien führt. Somit sollten Unternehmen den internen Wissenstransfer über Bereiche und Projekte hinweg fördern und Wert darauf legen, dass sich Mitarbeiter austauschen. Literatur Handlungsempfehlungen Roadmap zur Analogie­ nutzung für Cross-IndustryInnovationen Die beiden durchgeführten empirischen Studien haben gezeigt, dass sowohl auf Projektebene während eines Innovationsprozesses als auch auf Unternehmensebene mittels organisatorischer Rahmenbedingungen Potenziale bestehen, welche die Nutzung inventiver Analogien begünstigen. Unternehmen wird dazu empfohlen, folgende vier Schritte zu vollziehen: Dahl, D. W./Moreau, P. (2002): The influence and value of analogical thinking during new product ideation, in: Journal of Marketing Research, 34, 1, pp. 47-60. 1. Anwendung der Praxis zur Analo- Duncker, K. (1945): On Problem Solving, in: Psychological Monographs, 58, 5, pp. 1-110. tionsprojekten zur Gewinnung von Enkel, E./Gassmann, O. (2010): Creative imitation: Exploring the case of cross-industry innovation, in: R&D Management, 40, 3, pp. 256-270. gienutzung in einigen wenigen InnovaVertrauen und Überzeugung in den Ansatz der inventiven Analogien. Gassmann, O./Zeschky, M. (2008): Opening up the solution space: The role of analogical thinking for breakthrough product innovation, in: Creativity and Innovation Management, 17, 2, pp. 97-106. 2. Aufbau eines oder Einbau in ein be- Hargadon, A. (2003): How breakthroughs happen: the surprising truth about how companies innovate, Boston, MA. zierenden Grundprinzipien in Innova- Hienert, C./Pötz, M./von Hippel, E. (2007): Exploring key characteristics of lead user workshop participants: Who contributes best to the generation of truly novel solutions?, Konferenzpapier, DRUID Sommer Conference 2007, Copenhagen Business School. stehendes Innovations-Framework, das die in einem Unternehmen zu praktitionsprojekten beschreibt. 3. Anwendung der Erfolgsfaktoren wie Wissensvielfalt, Co-Creation, Einbeziehung von externem Wissen etc. auf die Hill, B. (1999): Naturorientierte Lösungsfindung: Entwickeln und Konstruieren von biologischen Vorbildern, Renningen-Malmsheim. gesamte Regelorganisation innerhalb Input Consulting (2012): 360-Grad Innovation, http://www.input-consulting.ch/leistungen/innovation/360-grad-innovation/, (letzter Abruf: 26.11.2012). bezogen). Jeppesen, L. B./Lakhani, K. R. (2010): Marginality and Problem Solving Effectiveness in Broadcast Search, in: Organization Science, 21, 5, pp. 1016-1033. und Handels in Analogien in der (Inno- Kalogerakis, K./Lüthje, C./Herstatt, C. (2010): Developing Innovations Based on Analogies: Experience from Design and Engineering Consultants, in: Journal of Product Innovation Management, 27, 3, pp. 418-436. eines Unternehmens (nicht nur projekt4. Verankerung des Denkens, Planens vations-)Kultur der Organisation. Durch die Anwendung der beschriebenen Roadmap und Berücksichtigung Kelley, T. (2002): Das IDEO Innovationsbuch: wie Unternehmen auf neue Ideen kommen, München. der empirisch identifizierten Erfolgs- Luchins, A. S. (1942): Mechanization in problem solving: The Effect of Einstellung, in: Psychology Monographs, 54, 6, p. 248. mensebene zur Nutzung inventiver Terninko, J. et al. (1998): TRIZ – der Weg zum konkurrenzlosen Erfolgsprodukt: Ideen produzieren, Nischen besetzen, Märkte gewinnen, Landsberg/Lech. nen wichtigen Beitrag leisten, um ihre Von Hippel, E./Thomke, S./Sonnack, M. (1999): Creating breakthroughs at 3M, in: Harvard Business Review, 77, 5, pp. 47-57. steigern. Marketing Review St. Gallen 1 | 2013 faktoren auf Projekt- und UnternehAnalogien können Unternehmen eiInnovationsfähigkeit nachhaltig zu 107 Spektrum | Marketingmanagement Springer gabler jetzt auf facebook Kommen Sie ruhig näher, schauen Sie sich um und entdecken Sie die kompetente Wirtschaftswelt von Springer Gabler auf Facebook. Treten Sie ein und erleben Sie spannende Hintergrundberichte aus unserem Verlag und der Arbeit unserer Autoren, holen Sie sich Karrieretipps und teilen Sie mit uns (un)nützliches Wissen aus der Welt der Wirtschaft. WiSSen, WAS WiSSen iST: Wir freuen uns auf Sie! Freuen Sie Sich auF unSere Spannenden Jetzt Fan von Springer Gabler werden www.facebook.com/springer-gabler GewinnSpiele exkluSiv auF Facebook! WISSEN, WAS WISSEN IST. 108 Marketing Review St. Gallen 1 | 2013