Vorlesung Immunologie 6. Semester Humanmedizin IMMUNANTWORT, IMMUNREGULATION und IMMUNTOLERANZ 1/7 IMMUNANTWORT, IMMUNREGULATION und IMMUNTOLERANZ Vorlesung 5 Antigenkontakt I. Schritt: Antigen-unabhängige Zellreifung II. Schritt: Klonale Selektion durch Antigen III. Schritt: Entwicklung adaptiver Immunität Phasen der Immunantwort 1. Afferente Phase Die Information über das Eindringen eines Erregers wird in die sekundären lymphatischen Organe getragen und dort den spezifischen Immunzellen vermittelt. 2. Induktionsphase Beim Erkennen der antigenen Struktur werden Lymphozyten in den sekundären lymphatischen Organen aktiviert, zu Effektorzellen differenziert und durch Zellteilung vermehrt. 3. Differenzierung und Expansion 4. Efferente Phase Effektorzellen verlassen die lymphatischen Gewebe lymphogen oder hämatogen und erreichen schließlich über den Blutkreislauf den/die Orte der Infektion. Dort werden Effektormechanismen zur Elimination der Erreger eingesetzt. Verflechtung mit Mechanismen der Angeborenen Immunität Bei dieser Gelegenheit kommt es zu vielfältigen Verflechtungen von Zellen und Molekülen der beiden Abwehrsysteme. 1. Afferente Phase Antigenaufnahme durch DC ¾ Die Antigenaufnahme über die Haut bezieht besondere dendritische Zellen (Langerhans-Zellen) ein. Diese binden Antigen und sind zur Phagozytose befähigt, exprimieren aber kaum kostimulatorische Moleküle für T-Zellen. Durch die Antigenbindung und –aufnahme wandeln sie sich. Emmrich, 2007 Vorlesung Immunologie 6. Semester Humanmedizin IMMUNANTWORT, IMMUNREGULATION und IMMUNTOLERANZ 2/7 Metamorphose der DC ¾ DC sind in der Lage im Gewebe Infektionserreger über TLR und C-Typ Lektine zu binden und zu phagozytieren (1). Die Bindung an TLR aktiviert die Zelle und bewirkt, dass sie sich aus dem Gewebsverband löst und lymphogen in den nächsten Lymphknoten wandert (2). Dabei wandelt sie sich in ihrer Morphologie, ihrem Phänotyp und ihren Funktionen. Sie exprimiert kostimulatorische Moleküle wie B7 und CD40 und verstärkt die Expression von Adhäsionsmoleküle wie DC-SIGN, ICAM-1 und LFA-3 und MHCMolekülen (3). Allerdings verliert sie ihre Fähigkeit zur Phagozytose. Migration der DC in Lymphknoten ¾ Im Lymphknoten wandern die veränderten DC in die paracorticalen Regionen ein und treffen dort auf naive T-Zellen. Sie erscheinen als interdigitierenden dendritische Zellen, perfekt ausgerüstet für die T-Zellstimulation, sofern nur die Peptid/MHC-Konfiguration stimmt. Extravasation der T-Zellen und Meeting mit DC ¾ Naive rezirkulierende T-Zellen bleiben an Adhäsionsmolekülen der EndothelZellen (HEVs) zunächst über L-Selektin locker haften.Danach kommt es zu einer festeren Adhäsion durch LFA-1. ¾ Dadurch wird die transendotheliale Migration eingeleitet. Im lymphatischen Gewebe trifft die T-Zelle auf DCs, an die sie zunächst antigenunabhängig über verschiedene Adhäsionsmoleküle bindet. Diese Bindung kann sich lösen! ¾ Erst wenn die T-Zelle für ihren Rezeptor das passende Peptid/MHC gefunden hat, wird sie aktiviert. 2. Induktionsphase Antigenspezifische Th-Zellen ¾ Kommt es zur kompletten Passform, so erhält die T-Zelle ein 1.Signal und fährt IL-2R und CD40L hoch, bei der DC wird B7 aufreguliert. Über B7/CD28 oder kostimulatorische Zytokine erhält die T-Zelle ein 2.Signal, durch das sie zur autokrinen IL-2 Sekretion befähigt wird und sich zu vermehren beginnt. Antigenspezifische Tc-Zellen ¾ CD8+ T-Zellen benötigen sehr starke Aktivierungssignale und daher Hilfe durch CD4+ T-Zellen, die (a) die B7-Expression an DC nicht nur für sich selbst, sondern auch für CD8+ Zellen erhöhen und damit das Zweitsignal verstärken und (b) durch parakrines IL-2 den CD8+ Zellen helfen. Th-B-Interaktion ¾ Die antigene Struktur, die vom BCR erkannt wird, ist nicht identisch mit dem Antigenpeptid, welches der TCR erkennt. Antigenspezifische B-Zellen ¾ Naive extravasierte B-Zellen treffen in den paracortikalen Zonen der Lymphknoten auf T-Zellen und Antigen/DC und bilden einen Primärfokus mit Zellteilungen. Einige der B-Zellen wandern mit ihren Helferzellen in die BZellfollikel ein und formen ein Keimzentrum, in dem massive Zellteilungen und Differenzierungen zu Plasmazellen einsetzen. Emmrich, 2007 Vorlesung Immunologie 6. Semester Humanmedizin IMMUNANTWORT, IMMUNREGULATION und IMMUNTOLERANZ 3/7 ¾ Dies ist das zellbiologische Korrelat der T-Zellhilfe für Vermehrung und Differenzierung antigen-spezifischer B-Zellen im Lymphknoten. ¾ Centroblasten teilen sich heftig. In der Randzone des hellen Bereiches treffen sie auf FDC und werden zu Centrozyten mit viel BCR. Dort wird die „Passprobe“ für den BCR vorgenommen. Fällt sie positiv aus, so kommt es unter dem Einfluss von Th-Zytokinen (IL-4) zu Umschaltungen der IgKlassen und im Laufe der Zeit zu somatischen Hypermutationen im Ig-VTeil. Auf diese Weise realisieren die T-Zellen ihre „Hilfe“. Aus den proliferierenden B-Zellen werden Plasmazellen oder/und Gedächtnis (memory)Zellen. 3. Differenzierung und Expansion Klassenumschaltung (switch) ¾ Nach Antigenstimulation einer B-Zelle kann es Genumlagerungen beim HKetten Gen geben. Die Ig-Klassen werden in der Reihenfolge der C-Gene umgeschaltet. Der V-Teil bleibt dabei erhalten! Die Umschaltung wird durch Th-Zytokine gesteuert. Beispiel : Il-4 induzierte sequenzielle Klassenumschaltung bei einem Ig-H-Ketten Gen von Cμ über Cγ1 zu Cε. Affinitätsreifung / Somatische Hypermutation ¾ Bei wiederholter antigener Stimulation häufen sich Mutationen in den hypervariablen Regionen der Ig-V-Teile. Nur die effektiven Verbesserungen (höhere Affinität!) bleiben erhalten (B-Zell-Klon überlebt durch Stimulation). 4. Efferente Phase B-Effektorzellen und Plasmazellen ¾ Zu Beginn der efferenten Phase verfügt das adaptive Immunsystem über (a) Antikörper unterschiedlicher Ig-Klassen (biologischer Funktionen !) mit (b) hoher Bindungsstärke zum Antigen (Affinität). Sowie perfekte (c) Produktionsmaschinen für Antikörper in Form der Plasmazellen und (d) Erinnerungsvermögen für erneuten Antigenkontakt. Eigenschaft B-LinienZelle OberflächenIg OberflächenMHC-Klasse-IIMoleküle Wachstum somatische Hypermutation Isotypwechsel starke IgSekretion ruhende BZelle ja ja ja ja ja nein Plasmazelle nein nein nein nein nein ja Th1-Effektorzellen – Makrophagenaktivierung ¾ Effektor-Th1-Zellen wandern zurück („homing“) zum Eintrittsort des Erregers und intiieren und steuern dort eine Vielzahl von Abwehrmechanismen (auch der angeborenen Immunität) Im Rahmen einer Entzündung. Emmrich, 2007 Vorlesung Immunologie 6. Semester Humanmedizin IMMUNANTWORT, IMMUNREGULATION und IMMUNTOLERANZ 4/7 Th2-Effektorzellen – B-Zellaktivierung ¾ Effektor-Th2-Zellen wirken im Wesentlichen auf B-Zellen durch direkten Kontakt oder durch Zytokine z.B. indem sie den Isotyp-switch (IL-4) einleiten oder IgA-Produktion verstärken (IL-5). Tc-Effektorzellen - Zytolyse ¾ T-Killer-Zellen (Tc) töten virusinfizierte Zielzellen durch Einleitung von Apoptose innerhalb weniger Minuten. Sie wandern dann zur nächsten Zelle weiter. Apoptose und DNA-Fragmentierung (auch für virale DNA!) werden über FasL/Fas-Interaktionen oder durch Perforine (Porenbildung) und Granzyme (Fragmentine) eingeleit. ¾ Perforine bilden Poren in den Zielzellen, Granzyme werden als Serinproteasen durch die Poren eingeschleust. Die Abtötung der Zelle erfolgt gezielt durch Polarisierung der Maschinerie. CAVE : Allzuviel ist ungesund ! Überschießende Gewebeschäden bei Virusabwehr möglich ! Immuntoleranz 1. Definition ¾ Immuntoleranz ist die selektive Unfähigkeit des spezifischen Immunsystems, d. h. von B-Lymphozyten und / oder T-Lymphozyten, ein oder mehrere Antigene zu erkennen und / oder mit einer spezifischen Immunantwort darauf zu antworten. Eine allgemeine, z. B. medikamentös hervorgerufene Immunsuppression ist davon abzugrenzen! ¾ Immuntoleranz gegenüber „Selbst“-Epitopen (den potenziellen Autoantigenen) verhindert Autoaggression. Sie ist nicht angeboren, sondern wird während der Lymphozytenentwicklung erworben. Dadurch entstehen „Löcher“ im RezeptorRepertoire „Schweizer Käe“. ¾ Immuntoleranz kann unter gewissen Umständen auch gegenüber „Fremd“Epitopen erzeugt werden. Dies ist bei Organtransplantationen erwünscht und gilt als eine er großen therapeutischen Visionen. 2. Zentrale Toleranz ¾ Zentrale Toleranz wird während der Individualentwicklung (Ontogenese) von B- und T-Lymphozyten in zentralen lymphatischen Organen erzeugt. Hierbei handelt es sich zumeist um klonale Deletion, d.h. Zellen mit bestimmten Antigenrezeptoren sterben ab und sind nicht mehr nachweisbar. Die Toleranz hält lebenslang. 3. Periphere Toleranz ¾ Periphere Toleranz kann bei reifen, ausdifferenzierten Lymphozyten ausgelöst werden, nachdem sie die zentralen lymphatischen Organe verlassen haben und ebenfalls lebenslang anhalten, sofern das Antigen (Tolerogen) anwesend ist. Dabei kommt es zur klonalen Anergie oder gar zur Apoptose. Bei klonaler Anergie kann die Toleranz noch gebrochen werden. ¾ Die periphere Toleranz ist erst vor wenigen Jahren erkannt und beschrieben worden. Sie ist von großer Bedeutung für neue Pathogenesekonzepte bei Autoimmunkrankheiten, Tumoren und Organtransplantationen und viele Labors arbeiten zur Zeit an der Entwicklung von therapeutischen Strategien, die sich diese Phänomen zunutze machen. ¾ Unreife, sich entwickelnde Lymphozyten sind empfänglicher gegenüber Toleranzinduktion als reife Zelle. Emmrich, 2007 Vorlesung Immunologie 6. Semester Humanmedizin IMMUNANTWORT, IMMUNREGULATION und IMMUNTOLERANZ 5/7 4. B- und T-Zelltoleranz ¾ T-Zellen sind empfindlicher gegenüber Toleranzinduktion als B-Zellen. Regulation der Immunantwort 1. Regulationsebenen Antigenerkennung Antigenpräsentation Zellaktivierung, Proliferation und Differenzierung Effektorfunktionen - Antigenkonzentration - Wechselwirkung zwischen Rezeptorrepertoire und MHC (Genetischer Einfluss, Löcher im Repertoire) - Idiotypische Regelkreise - Anzahl der MHC-Moleküle - Ort und Zelltyp der Expression - Art und Stärke der kostimulatorischen Signale und Differenzierung (Akzessorische Moleküle, Zytokine) - Regulatorische T-Zellen - Neuroendokrine Regelkreise - Rückkopplung durch Antikörper (IgM, IgG) - Idiotypische Regelkreise 2. Primär- und Sekundärantwort Primärantwort Anteil spezifischer BZellen Isotyp der produzierten Antikörper Affinität der Antikörper Somatische Hypermutationen Dichte der MHC-IIMoleküle auf B-Zellen Sekundärantwort 1 / 104 1 / 103 nimmt zu IgM > IgG niedrig IgM > IgG > IgA (> IgE) hoch schaltet von IgM auf andere Klassen um nimmt zu niedrig hoch nehmen zu niedrig höher nimmt zu Klassenumschaltung bewirkt eine individuell angepasste Bereitstellung von Antikörpern mit gleicher Spezifität und unterschiedlichen Funktionen. Auf diese Weise können bei einer Sekundärantwort schneller und mehr IgG-Antikörper produziert werden. Emmrich, 2007 Vorlesung Immunologie 6. Semester Humanmedizin IMMUNANTWORT, IMMUNREGULATION und IMMUNTOLERANZ 6/7 3. Immunologisches Gedächtnis ¾ Erfahrungsgemäß ist das immunologische Gedächtnis langlebig und begründet einen spezifischen Schutz, den man sich bei Impfungen zunutze macht. ¾ Unter immunologischem Gedächtnis versteht man die Fähigkeit des Immunsystems, bei wiederholtem Kontakt (Sekundärantwort, Tertiärantwort usw.) schneller und effektiver auf einen Krankheitserreger zu reagieren als zuvor bei der Primärantwort. ¾ Träger des immunologischen Gedächtnisses sind B- bzw. T-Gedächtniszellen („memory“-Zellen). T-Gedächtniszellen benötigen ca. 1 Woche, B-Gedächtniszellen ca. 4 Wochen zur kompletten Ausbildung. 4. Rückkopplungsphänomene ¾ IgM-Antikörper bewirken eine positive Rückkopplung auf die AntikörperProduktion, IgG-Antikörper bewirken negative Rückkopplung. 5. Regulatorische T-Zellen ¾ CD4+-Helfer-T-Zellen können z. B. die Differenzierung von CD8+-Killer-T-Zellen zu voll funktionstüchtigen Effektorzellen steuern. ¾ CD8+-Suppressor-T-Zellen sind als antigenspezifische inhibitorische Zellen in verschiedenen Systemen beschrieben worden, obwohl die Art der Antigenerkennung und der Wirkungsmechanismus weitgehend unklar sind. ¾ CD4+CD25+-Regulatorzellen Inhibieren Immunantworten 6. Idiotypische Netzwerke ¾ Die Theorie nimmt an, dass individuelle Erkennungsregionen von Antikörpern (Idiotypen) selbst als Antigen wirken können und anti-idiotypische Antikörper generieren, die ein ausbalanciertes Netzwerk bilden. Es wird u.a. ein „internes Abbild“ aller „Fremd“ – Antigene postuliert. 7. Neuro-endokrine Regelkreise ¾ Nervensystem, Immunsystem und endokrine Regelkreise sind miteinander verbunden. Für die Zukunft werden wichtige Erkenntnisse mit Nutzen für die Medizin erwartet. Emmrich, 2007 Vorlesung Immunologie 6. Semester Humanmedizin IMMUNANTWORT, IMMUNREGULATION und IMMUNTOLERANZ Immunsystem in der Jugend 1. Frühkindliche Antikörperspiegel Emmrich, 2007 7/7