Zirkulierende NMDA-Rezeptor Autoantikörper - Max-Planck

Werbung
Gemeinsame Pressemitteilung von CNMPB und MPIEM, 20.09.2013
Tickende Zeitbombe: Zirkulierende NMDA-Rezeptor Autoantikörper
Wissenschaftler des CNMPB und des Max-Planck-Instituts für Experimentelle Medizin
weisen bei 10% aller untersuchten Probanden NMDAR-Autoantikörper im Blut nach, die
bei einer Schädigung der Blut-Hirn-Schranke neuropsychiatrische Störungen hervorrufen
können.
(cnmpb/mpiem) Als 'NMDAR-Autoantikörper Enzephalitis' wurde eine
akute Erkrankung des Gehirns bezeichnet, deren mögliche Ursachen und
Behandlung in einer Vielzahl neuerer Publikationen beschrieben werden.
Auf molekularer Ebene geht sie mit einer Unterfunktion von GlutamatRezeptoren (NMDAR) einher, welche ausgelöst wird durch im Gehirn
anwesende Autoantikörper gegen diese Rezeptoren. Symptome der
Erkrankung können Psychosen, Bewegungsstörungen, epileptische
Anfälle, oder geistiger Leistungsabbau in verschiedener Ausprägung
sein. Basierend auf meist nur kleinen Gruppen von Patienten, beleuchten
die bisherigen Arbeiten jedoch weder die Relevanz von NMDARAutoantikörpern im Blut für die Krankheitsentstehung, noch existieren
belastbare Daten über ihre Vorkommenshäufigkeit bei gesunden
Menschen.
Prof. Dr. Dr. Ehrenreich
Senior-Autor und
Leiterin der Studie
Quelle: mpiem
Erstautor
Dr. C. Hammer
Quelle: mpiem
Bemerkenswerte neue Erkenntnisse liefert eine aktuelle Studie von Frau
Prof. Hannelore Ehrenreich und ihrem Team vom Max-Planck-Institut für
Experimentelle Medizin und vom Göttinger DFG-Forschungszentrum und
Exzellenzcluster Mikroskopie im Nanometerbereich und Molekularphysiologie des Gehirns (CNMPB). Die Studie belegt erstmals, dass im
Blutserum von über 10% der insgesamt fast 3000 untersuchten
Probanden NMDAR-Autoantikörper zu finden sind, und zwar völlig
unabhängig davon, ob es sich um Gesunde oder Kranke handelt.
Erstautor Dr. Hammer
Quelle: mpiem
Erstaunlicherweise sind Antikörpertiter, Antikörperklassen und Antikörperwirksamkeit bei gesunden Menschen und neuropsychiatrisch Erkrankten vergleichbar. Deshalb
stellten die Autoren der Studie sich die logische zentrale Frage: Wenn diese Autoantikörper
irgendeine pathologische Rolle spielen, warum bleiben dann gesunde Autoantikörperträger gesund?
In einer Serie von gezielten Tierexperimenten konnten die Wissenschaftler zeigen, dass
Voraussetzung für die Auslösung von Symptomen durch diese Autoantikörper und damit für die
Krankheitsentstehung eine Störung der Blut-Hirn-Schranke ist. Diese physiologische Barriere grenzt
im gesunden Organismus das zentrale Nervensystem wie eine Art Filter vom allgemeinen
Blutkreislauf ab und schützt so das Gehirn vor zirkulierenden Erregern und Giften. Eine Störung ihrer
natürlichen Barrierefunktion ermöglicht den im Blut zirkulierenden Autoantikörpern den Übertritt in
das Gehirngewebe. Auf diese Weise erreichen sie die im Hirn lokalisierten NMDA-Rezeptoren und
können durch entsprechende Wechselwirkungen eine Beeinträchtigung der Hirnfunktion erzielen, in
deren Folge psychoseähnliche Symptome, epileptische Anfälle oder kognitive Störungen ausgelöst
werden.
„Mit anderen Worten, über 10% aller Menschen trägt eine ’tickende Zeitbombe’ in sich, die nur durch
eine intakte Blut-Hirn-Schranke unterdrückt wird“, so Ehrenreich. Eine Störung der Blut-HirnSchranke kann beispielsweise durch einen Schlaganfall, ein Schädelhirntrauma, oder auch eine
einfache Virusinfektion hervorgerufen werden. In diesem Zusammenhang zeigen die Wissenschaftler
in einer weiteren, retrospektiven Erhebung an einem großen Kollektiv, dass der Schweregrad der
neurologischen Symptomatik bei Patienten mit durchgemachter Hirnverletzung, und damit einer
vorübergehenden oder anhaltenden Störung der Blut-Hirn-Schranke, erhöht ist, wenn ihr Blutserum
NMDAR-Autoantikörper aufweist.
Erstmals stellten sich die Autoren der Studie auch die Frage, welche Faktoren überhaupt auslösend
für die Bildung solcher NMDAR-Autoantikörper sein könnten: Warum erwirbt man solche
Autoantikörper? Sie fanden einerseits vergangene Influenza-Infektionen vom Typ A oder B mit dem
Auftreten dieser Autoantikörper assoziiert, andererseits identifizierten sie mittels einer genomweiten
Assoziationsstudie auch einen genetischen Risikofaktor, der mit der NMDAR Biologie in Zusammenhang steht.
Die unter Erstautor Christian Hammer veröffentlichte Studie ist nicht nur konzeptionell neu, sie liefert
zudem bedeutende Erkenntnisse über einen pathophysiologischen Mechanismus, der für die
Neuropsychiatrie wie auch für andere klinische Disziplinen von entscheidender Relevanz ist. Die
Empfehlung der Wissenschaftler: „Patienten mit akuter oder chronischer Beeinträchtigung der BlutHirn-Schranke, etwa nach Hirnverletzung, Schlaganfall, entzündlicher Hirnerkrankung einschließlich
Multipler Sklerose, sollten auf die Präsenz von Autoantikörpern gegen NMDA-Rezeptoren im Blut
untersucht werden“. Dies könnte dazu beitragen, mittels geeigneter Therapieverfahren den
Krankheitsverlauf zu verbessern und langfristigen Komplikationen vorzubeugen.
Originalpublikation:
Christian Hammer, Beata Stepniak, Anja Schneider, Sergi Papiol, Martesa Tantra, Martin Begemann,
Anna-Leena Sirén, Luis A. Pardo, Swetlana Sperling, Suhaidah Mohd Jofrry, Artem Gurvich, Niels
Jensen, Katrin Ostmeier, Fred Lühder, Christian Probst, Henrik Martens, Meyke Gillis, Gesine Saher,
Francesca Assogna, Gianfranco Spalletta, Winfried Stöcker, Thomas F. Schulz, Klaus-Armin Nave,
Hannelore Ehrenreich (2013) Neuropsychiatric disease relevance of circulating anti-NMDA receptor
autoantibodies depends on blood brain barrier integrity. Molecular Psychiatry (2013), Sep 3. doi:
10.1038/mp.2013.110. [Epub ahead of print]. Link: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23999527
Weitere Informationen:
Max-PIanck-Institut für Experimentelle Medizin: http://www.em.mpg.de/index.php
CNMPB – Exzellenzcluster & DFG-Forschungszentrum: http://www.cnmpb.de
Frau Prof. Dr. Dr. Ehrenreich: http://www.em.mpg.de/index.php?id=36&tx_jppageteaser_pi1[backId]=16
Kontakt:
Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin
Klinische Neurowissenschaften
Prof. Dr. Dr. Hannelore Ehrenreich ([email protected])
Telefon 0551 / 39-3899615
Hermann-Rein-Str. 3, 37075 Göttingen
Herunterladen