Psychiatrisches Kolloquium Zürich 23. 5. 2014 Psychoneuroimmunologie- Zur Rolle des Immunsystems bei psychischen Störungen Norbert Müller Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Ludwig-Maximilians-Universität München Disclosures N.M. received support for research and/or honoraria from: Abbott Laboratories, Affectis Pharmaceuticals, Amgen Inc., Astra-Zeneca Deutschland, Boehringer-Ingelheim, Cerbomed, Ironwood Pharmaceuticals, Janssen Deutschland, Lilly Deutschland, Lundbeck Deutschland, Pfizer Deutschland, Servier Deutschland, Takeda Pharmaceuticals. Das Immunsystem als 6. Sinn des Menschen Das Immunsystem erkennt Moleküle (unterscheidet z.B. ‘selbst’ und ‘nicht-selbst’) die kann man nicht: schmecken riechen hören sehen fühlen Das unspezifische „angeborene“ und das spezifische „adaptive“ Immunsystem beim Menschen Komponente Angeboren Adaptiv Monozyten Makrophagen zellulär T- & B-Zellen Granulozyten NK-Zellen g/d-Zellen humoral Komplement, APP, Mannose Bindung Lectin (MBL) Antikörper Elemente des zellulären und humoralen Immunsystems Adaptives Immunsystem Angeborenes Immunsystem Interaction CNS, Endocrine System, Immune System Mechanismen der Immun-ZNS Kommunikation Aktiver Transport von Zytokinen in das ZNS (Banks & Kastin, 1992) Permanent zirkulierende Immun-Zellen (einschließlich Makrophagen) im ZNS Interaktionen von Zytokinen im ZNS und am Zircumventrikulär-Organ ohne Blut-Hirn-Schranke (Dantzer et al, 2001) Aktivierung von Zytokinen durch afferente Neurone des Vagus Nervs (Konsman et al, 2000) Produktion von Zytokinen durch ZNS-Zellen (Astrozyten, Mikroglia) nach neuronalen oder Immun-Signalen (Lieberman et al, 1989) Invasion von Zellen und Zytokinen in das ZNS durch die gestörte Blut-Hirn-Schranke (Müller & Ackenheil, 1995) Einfluß von akutem Stress auf das Immunsystem: IgA im Speichel von Fussball-Trainern während des Spiels Reintjes et al, 1997 Killer-Zellen und akuter Stress 1. Fallschirmsprung Benschop and Schedlowski, 1996 Einfluß von chronischem Stress auf das Immunsystem: IgA Sekretion bei Zahnmedizin Studenten Jemmott et al, 1983 Veränderungen der Zytokin-Homöostase im ZNS Infektiöse Pathogene (Virus, Bakterium) In peripheren Organens Im ZNS Immunstimulierung, z.B. durch Lipopolysaccharide Therapeutische Application von Zytokinen, z.B. Interferone Antipsychotika, Antidepressiva Stress und Virus-Infektion Physischer und psychischer Stress determiniert die klinische Virulenz und die Neurotropie von Viruserkrankungen (Ben-Nathan et al, 1989) Stress beeinflußt die Antikörper-Titer neurotroper Viren (Glaser et al, 1985) Stress beeinflußt die Exazerbation und den Verlauf von Herpes simplex Infektionen (Kiecolt-Glaser, 1987; Laudenslager, 1987) Stress und Immunsuppression: Klinische Beispiele: Stress beeinflusst Exazerbation und Verlauf von Virusinfektionen (Kiecolt-Glaser, 1987; Laudenslager, 1987) Antikörper-Titer neurotroper Viren (Glaser et al, 1985) Exazerbation und Verlauf von AutoimmunErkrankungen (Salomon, 1981) Stress: Wichtige Faktoren bei Stress und Stress-Management Eustress Disstress Akuter Stress Chronischer Stress Psychischer Stress Somatischer Stress Persönlichkeit Coping Mechanismen Entzündung und Stress: Proinflammatorische Zytokine stimulieren Neurotransmitter-Freisetzung IL-6 Noradrenalin Frontal cortex Dopamin Serotonin Hippocampus Dopamin Serotonin Astrocyte IL-6 IL-6 Neuron Dopamin Norris & Benveniste, 1993; Hama et al., 1991 Zalcman et al., 1994 Annals New York Academy of Science 1998; 840:123-127 T-Zell-System und Kognition T-Zell-defiziente SCID Mäuse lernten schlechter als WildtypMäuse T-Zell-defiziente SCID Mäuse vergaßen das Gelernte schneller als Wildtyp-Mäuse T-Zell-Substitution verbessert die Leistungen bei SCID Mäusen Gabe von NMDA-Antagonist MK 801 oder AMPH verschlechtern die kognitiven Leistungen T-Zell Stimulierung mit Copaxone (Cop-1) gleichzeitig mit MK 801 oder AMPH führt zu Leistungen wie bei Wildtyp-Mäusen, nicht jedoch Plazebo bei räumlichem Lernen/Gedächtnis und PPI. Intakte T-Zell Immunantwort wahrscheinlich für intakte kognitive Leistungen erforderlich ‘Altern’ der T-zellulären Immunantwort ab ca. 55 Jahren Kipnis et al, 2004 Kognition und Entzündungsmarker I Maastricht Aging Study 92 Gesunde Probanden (Alter: 57 SD 11 Jahre) Kognitive Tests: Auditory Verbal Learning Test Letter-Digit Coding Test Stroop Color-Word Test Entzündungsmarker: sInterleukin-6 R im Serum CRP Haptoglobin Albumin Teunissen et al, 2003 Kognition und Entzündungsmarker II Maastricht Aging Study Nachuntersuchung nach 3 und 6 Jahren Hohes Haptoglobin korrelierte signifikant negativ mit der kognitiven Leistung (Stroop Test, Auditory Verbal Learning Test) im Verlauf Hohes CRP i. S. korrelierte signifikant negativ mit der kognitiven Leistung (Auditory Verbal Learning Test) im Verlauf Schlechtere kognitive Leistung bei höheren Konzentrationen von CRP und Haptoglobin Teunissen et al, 2003 Inflammatory markers and cognitive function in middle aged adults: The white hall II study • Prospective occupational cohort study in 4200 persons (London) • CRP and IL-6 measured prospectively as inflammatory markers, cognitive tests around 7 and 12 years later • CRP and IL-6 significantly associated with cognitive performance, stronger in men than in women • Raised levels of inflammatory markers in midlife are (moderately) associated with lower cognitive status, little with cognitive decline (which takes place primarily in older age) Infektionsbelastung und Kognitive Funktion 3298 multi-ethnische Teilnehmer zwischen 1993 und 2001 aus Manhattan, NY Alter ≥ 40 Jahre bei Studieneinschluss „Infektionsbelastung“ bei 1625 gesunden Personen: Chlamydia Pneumoniae (IgA), Helicobacter Pylori (IgG), Cytomegalovirus (IgG), Herpes-Virus-1 und -2 (IgG) Kognitiver Status bei Baseline mittels Mini Mental Status Examination (MMSE) und jährlichem Telefoninterview durch Cognitive Status (TICS-M) Höherer „Infektionsbelastungs-Index” assoziiert mit niedrigerem MMSE (p ≤ 0.0001), nach Adjustierung für vaskuläre Risikofaktoren und demographische Faktoren p ≤0.06 bei Baseline Signifikante Assoziation von Infektionsbelastung und kognitivem Status (Telefoninterviews) auch nach Korrektur für interferierende Faktoren bei Baseline (p ≤ 0.0001) Vor allem die virale (nicht bakterielle) Belastung trägt zu dem Befund bei. Katan et al, 2013 Neurology 2013; 80:1182-1183 Nat. Rev. Neurol. 2013; 9:301-302 Microbiomics – Herausforderung des 21. Jahrhunderts Microbiomics: Effekte des Mikroben (Genoms) und deren Interaktion mit Umweltfaktoren Spielt eine Rolle nicht nur bei „klassischen“ Infektionskrankheiten sondern auch bei der Pathologie und Resilienz z.B. von Hauterkrankungen, Autoimmunprozessen - und psychiatrischen Störungen? Diese Interaktionen zu verstehen ist eine der Herausforderungen des 21. Jahthunderts. Entzündung, Prostaglandin E2 und Depression IL-6 (PGE2) und TNF-a (COX-2 Expression) erhöht zumindest bei einer Subgruppe depressiver Patienten Speichelkonzentration von PGE2 erhöht bei depressiven Patienten (Ohishi et al, 1987; Nishino et al, 1988) Konzentration von PGE2 im Liquor Cerebrospinalis erhöht bei depressiven Patienten (Nishino et al, 1988) Erhöhte PGE2 Produktion von Lymphozyten depressiver Patienten (Song et al, 1998) PGE2 reduziert die Noradrenalin-Ausschüttung im ZNS und stimuliert die HPA-Achse (Song & Leonard, 2000) Erhöhtes C-Reaktives Protein als Entzündungsmarker bei Major Depression Signifikant erhöhte CRP-Spiegel bei schwer depressiven Patienten, Abfall bei antidepressiver Behandlung (Lanquillon et al, 2000) Signifikant erhöhte CRP-Spiegel bei Männern mit einer abgelaufenen (6 Monate) Episode einer Depression (OR 2.77) (n = 6149), schwache Assoziation bei Frauen (Danner et al, 2003) Signifikant erhöhte CRP-Spiegel bei Personen mit der Vorgeschichte einer Depression (OR 1.64), besonders bei Männern mit einer kürzlichen (OR 3.00) oder rezidivierenden (≥2) Episode (OR3.55) unter Berücksichtigung von Alter,Ethnik, BMI, Cholesterin, Triglyceride, Alkohol, Rauchen, RR usw. (Ford und Erlinger, 2004) Signifikante Korrelation von erhöhten CRP-Spiegeln und der Schwere der Depression (Häfner et al, 2008) CRP und IL-6 prädiktiv für kognitive Symptome der Depression 12 Jahre später (Whitehall II study; Gimeno et al, 2009) Signifikante Korrelation zwischen depressiven Symptomen und CRP- Spiegeln bei US Army Personal (n=696) vor Berücksichtigung von intervenierender Variablen (Douglas et al, 2004) DUNEDIN-Studie: Zusammenhang von Stressanfälligkeit, Depression und negativen Kindheitserfahrungen Erfassung von Entzündungsmarkern (hs-CRP, Fibrinogen, Leukozyten = ‘inflammation factor’), Depressivität, Kindheitserfahrungen Repräsentative, prospektive Geburtskohorte untersucht über 32 Jahre (n=1000) Schwache Assoziation von hsCRP und Depression Starke Assoziation von erhöhtem CRP und erhöhtem ‘Inflammation factor’ insbesondere mit der Kombination einer aktuellen Depression und negativen Kindheitserfahrungen, nicht erklärt durch co-Variablen, z.B. Rauchen Negative Kindheitserfahrungen tragen zur Assoziation von Depression und Entzündungsmarkern bei – möglicherweise Resultat kindlicher Immunkonditionierung Danese et al, Arch Gen Psych 2008 Frühkindlicher Stress ist assoziiert mit gesteigerter proinflammatorischer Zytokin-Antwort und erhöhtem Risiko für Depression Frühkindliche Separation ist im Tiermodell verbunden mit erhöhten Zytokin-Spiegeln und passivem Verhalten (Hennessy et al, 2007) Frühkindlicher Stress beeinträchtigt die Regulierung der angeborenen Immunabwehr gegen ein Stimulanz (LPS, Virusinfektion) und resultiert in gesteigerter Immunantwort und Verhaltensauffälligkeiten im Tiermodell (Avitsur & Sheridan, 2009) Gesteigerte proinflammatorische Immunantwort auf Stress bei depressiven Patienten mit frühkindlichem Stress (Pace et al, 2006) Assoziation von frühkindlichem Stress, Entzündungsmarkern und Depression bei erwachsenen Patienten (Zeugmann et al, 2009) Inflammation als Risikofaktor für Affektive Erkrankungen: Zum Einfluß von Infektion und Auto-Immunprozessen - I Dänische populationsbasierte prospektive Kohortenstudie 78 Millionen Personen – Jahre 3,6 Millionen Personen registriert (geboren zwischen 1945 und 1996), Nachuntersuchung von 1977 bis 2010 Diagnosen affektive Störungen nach ICD-8, ICD-9, ICD-10 Hospital Kontakt (stationär oder ambulant) wegen affektiver Störung (einschließlich bipolar) Hospital Kontakt wegen Autoimmunerkrankung oder Infektion (nicht HIV/AIDS) vor der psychiatrischen Diagnose > 91 000 Fälle von affektiver Störung in stationärer Behandlung, ~ 30 000 davon Infektionsdiagnose (stationär), > 4000 Diagnose einer Autoimmunerkrankung (stationär) Benros et al, 2013 Inzidenzraten von Affektiven Erkrankungen nach Autoimmunerkrankungen und/oder Infektionen in Dänemark 1977 - 2010 Vulnerability-Stress-InflammationHypothesis of Depression Pro-inflammatory Immune activation Prostaglandine ↑ Pro-inflammatorische Zytokine IL-1, TNF-a Stress Immune conditioning Immune sensitization (Infection) Separation stress 1 Genetic Disposition Stress in early childhood2 1 Hennessy et al, 2007 2 Avitsur & Sheridan, 2009 Serotonergic lack Quinolinic acidIncrease NMDA-Agonismus Depression Infection, cytokine release Microglia-Activation Celecoxib und Reboxetin bei Major Depression Reboxetin 4 – 8 mg Celecoxib 400 mg/day, n = 20 Reboxetin 4 – 8 mg Placebo, n = 20 6 weeks treatment period screening wash out Double-blind, prospective, randomised, add-on, parallel group study in Depression without psychotic features (DSM IV) Celecoxib und Reboxetin bei Major Depression: Eine randomisierte, Plazebo-kontrollierte Studie (ANOVA) - Hamilton-Depressions-Skala 25 Geschätztes Randmittel Reboxetine + Celecoxib n = 20 Reboxetine + Placebo n = 20 20 15 Last Observation Carried Foreward (LOCF) * ANOVA p < 0.015 10 0 1 2 3 4 weeks 5 6 Klinische Studien mit selektiven COX-2 Inhibitoren bei affektiven Störungen Authors Diagnosis Duration of trial N Study design Concomitant drug COX-2 inhibitor Outcome Collantes-Estevez and FernandezPerez, 2003 depressive syndrome, comorbid to osteoarthritis mean 33 days 343 open not specified Rofecoxib 12,5 or 25 mg/day significant reduction of self-reported depression Müller et al, 2006 major depression 6 weeks randomized doubleblind, placebocontrolled add-on Reboxetine (flexible dose) Celecoxib 400 mg/day significant superiority of the COX-2 inhibitor Akhondzadeh et al, 2008 major depression 6 weeks 50 randomized, doubleblind, placebocontrolled add-on Fluoxetine (flexible dose) Celecoxib 400 mg/day significant superiority of celecoxib Abbasi et al, 2012 major depression 6 weeks 40 randomized, doubleblind, placebocontrolled Sertralin 200 mg/day Celecoxib 400 mg/day Significant superiority and more responders in celecoxib group IL-6 levels predict response and remission Nery et al, 2008 bipolar disorder, depressive or mixed episode 6 weeks 28 randomized, doubleblind, placebocontrolled mood stabilizer or atypical antipsychotics Celecoxib 400 mg/day Significant superiority after 1 weeks, no difference at end-point Begemann et al, 2008 bipolar depression, rapid cycling > 5 months 1 open not specified Celecoxib 400 mg/day Significant improvement of depressed and manic symptoms major depression 6 weeks 66 (30) randomized, double blind, placebo controlled Sertraline (100 – 150 mg) Cimicoxib 50 mg Müller et al, in preparation no difference in total group, significant superiority in severly depressed (HamD ≥ 25) Der Tryptophan/Kynurenin Metabolismus und Immunaktivierung: Implikationen für psychische Störungen Tryptophan COX-2 inhibition Modulating cytokine production IDO Kynurenin Säure KAT = NMDA-Antagonist (↑ in schizophrenia CNS) Kynurenine KMO PGE2 Serotonin (Depletion in Depression) Pro-inflammatory cytokines (e.g. IFN-g, TNF-a, IL-6) IDO Anti-inflammatory cytokines (e.g. IL-4) 3-OH-Kynurenin (neurotoxisch) Quinolinic acid = NMDA-R agonist (↑ in Depression) Melatonin f50HKYM IDO f5MoHKYM Neurodegeneration + Apoptose Kynurenin/Tryptophan Ratio als Prädiktor für die Therapieresponse bei Celecoxib & Reboxetine Behandlung T = 2.344; p = .034 Significantly higher Ratio Quinolinic Acid/Kynurenine in Major Depression: Higher Degradation to Quinolinic Acid Höherer TNF-a Spiegel bei Depression (Beispiele) TNF-a Gabe führt zu Somnolenz und Gewichtsverlust im Tierversuch (Dantzer, 2001) und beim Menschen (Reichenberg et al, 2002) Höhere TNF-a-Spiegel bei depressiven Patienten (Lanquillon et al, 2000; Mikova et al, 2001) Abfall höherer TNF-a-Spiegel bei Respondern auf antidepressive Pharmacotherapie (Lanquillon et al, 2000) Höhere TNF-a-Spiegel fallen nach EKT (Hestad et al, 2004) Eternacept in der Therapie von Psoriasis: Effekte auf komorbide Depression über 12 Wochen versus Plazebo Infliximab (Eternacept®) in der Therapie der Therapieresistenten Depression Drei Infusionen von Infliximab oder Plazebo in einer 12Wochen-Studie (n=60) bei teilweise Medikations-freien (n=23) non-Respondern auf antidepressive Therapie Insgesamt kein signifikanter Unterschied zwischen Infliximab und Plazebo Signifikante Interaktion von Behandlungsarm, Zeit und Baseline-CRP (≤ 5mg/L) Patienten mit höherem Baseline-CRP (≤ 5mg/L) zeigten eine höhere Responserate auf Infliximab (62%) vs. Plazebo (33%) Baseline Konzentrationen von TNF-a, TNFR1, und TNFR2 waren bei Infliximab-Respondern signifikant höher (p≤ .01) Infliximab-Responder zeigten einen signifikant höheren Abfall von CRP (p≤ .01) im Vergleich zu non-Respondern Drop-outs und Nebenwirkungen waren gering und unterschieden sich nicht zwischen den Gruppen. (Raison et al, 2012) Bernhard von Gudden 1824 - 1886 1851 – 1855 Irrenanstalt Illenau (Ch.F.W. Roller) 1855 – 1869 Direktor Kreisirrenanstalt Werneck 1869 – 1872 Professor für Psychiatrie, Universität Zürich Direktor „Burghölzli“ 1872 – 1886 Professor für Psychiatrie, Universität München Direktor Oberbayerische Kreisirrenanstalt Hirnanatomisches Laboratorium Neuroanatomische Vergleichsstudien Schizophrenie als entzündliche Erkrankung Starke Evidenz für immungenetische Risikofaktoren bei Schizophrenie: Gemeinsame Varianten auf Chromosom 6p22.1 Höhere Spiegel des proinflammatorischen Zytokins IL-8 während des 2. Trimenons der Schwangerschaft sind ein Prädiktor für ein erhöhtes Schizophrenie-Risiko bei Abkömmlingen (Brown et al, 2004) Erhöhtes Schizophrenie-Risiko bei Abkömmlingen nach Infektion während der Schwangerschaft (2. Trimenon) (Mednick et al, 1988; Buka et al, 2001) Eine Immunaktivierung im 2. Trimenon sind ein Prädiktor für ein erhöhtes Schizophrenie-Risiko bei Abkömmlingen im Tiermodell (Meyer et al, 2012) Kindliche ZNS-Infektion geht mit einem 5-fachen Risiko für Schizophrenie einher (Rantakallio et al, 1997; Gattaz et al, 2003) Schwere (infektiöse) entzündliche Erkrankungen und Autoimmunerkrankungen sind mit einem erhöhten Risiko für eine spätere Schizophrenie verbunden (Benros et al, 2012) Significant Relationship between Maternal IL-8 Levels in Pregnancy and decreased Brain Volume in Schizophrenic Offsprings (Ellman et al, 2010) Titer gegen verschiedene Pathogene bei Schizophrenie: ‚Suszeptibilitäts-Index‘ „Suszeptibilitäts-Index“: Tendenz zu mehr positiven Titern (gegen unterschiedliche Pathogene) bei Schizophrenie (p = 0,07). (Krause et al, 2010) Kein bestimmtes infektiöses Agens sondern die mütterliche Immunantwort steigern das Risiko für Schizophrenie bei den Nachkommen Die Aktivierung einer mütterlichen Immunantwort mit poly I:C – das eine virale Infektion imitiert – im 2. Trimenon führt postpubertär zu schizophrenietypischem Verhalten im Tiermodell. Dies Verhalten wird durch den NMDA Antagonist MK-801 gesteigert und durch Clozapin gebessert (Zuckerman & Weiner, 2005) Die Aktivierung einer mütterlichen Immunantwort mit poly I:C im 2. Trimenon führt zu Defiziten in Kognition, ‘prepulse inhibition’ und ängstlicherem Verhalten, sowie erhöhter Amphetamin-Sensitivität und erhöhtem Dopamin Stoffwechsel bei Erwachsenen – nicht jugendlichen – Nachkommen. Kognitive Defizite besserten sich unter Clozapin (nicht Haloperidol) (Ozawa et al, 2006) Die Aktivierung einer mütterlichen Immunantwort mit LPS - das eine bakterielle Infektion imitiert – führt zu Defizit bei ‘prepulse inhibition’ und erhöhter Amphetamin-Sensitivität im Erwachsenenalter (Fortier et al, 2004) Die Aktivierung einer mütterlichen Immunantwort mit LPS [IL-1, IL-6, TNFa] führt zum Anstieg von IL-1 im fötalen Serum (Ashdown et al, 2006) Bei Patienten: erhöhte IL-8 Spiegel von Müttern im 2. Trimenon sind ein Prädiktor für erhöhtes Schizophrenie-Risiko bei den Kindern (Brown et al, 2004) Pränatale Immunaktivierung und späterer Stress bewirken ‚schizophrene‘ Auffälligkeiten im Tiermodell Pränatale Immunaktivierung ist mit erhöhtem Risiko für eine spätere Schizophrenie verbunden Stress in der Adoleszenz in Verbindung mit pränataler Immunaktivierung induzieren synergistisch im Tiermodell der Schizophrenie Verhaltensauffälligkeiten und neurochemische Veränderungen. Pränatale Immunaktivierung erhöht die Vulnerabilität für Veränderungen der ZNS-Immunantwort auf Stress während der Pubertät. Giovanoli et al, 2013, Science Inzidenzraten Ratios bei Schizophrenie assoziiert mit Infektion und Autoimmunerkrankung Benros et al, 2012 Risiko-Lokus für Schizophrenie auf Chr. 6p22.1 (HLA-Region) 14 000 Fälle 36 000 Kontrollen Nature, 2009 Monozyten Aktivierungs-Marker sCD14 Kruskal-Wallis:______ X² = 85.002 p < 0.0001 Mann-Whitney-U:_____ SCH vs. CON SCH vs. RA Z = 3.886 Z = 5.564 p = 0.0001 p < 0.0001 n= 53 87 88 (de la Fontaine et al, submitted) Monozyten bei Schizophrenie Monozyten-Zahl bei unbehandelten schizophrenen Patienten höher im Vergleich zu Kontrollen (eigene unpublizierte Ergebnisse) Monozyten-Zahl bei unbehandelten schizophrenen Patienten signifikant erhöht gegenüber Kontrollen (Wilke et al, 1996, Rothermund et al, 1998) Phagozytose-Aktivität von Monozyten bei unbehandelten schizophrenen Patienten geringer als bei Kontrollen (Koliaskina et al, 2004) Monozytäre Zytokine (IL-6, TNF-a) werden durch antipsychotische Behandlung herunterreguliert (Mitogenstimulation) (Na & Kim, 2007) Anstieg von IL-1 in-vitro unter Therapie mit Antipsychotika (Koliaskina et al, 2007) Decreased Stimulation of Toll-likeReceptor-4 by LPS in Schizophrenia Schizophrene Kontrollen p < 0,004 Müller et al, 2012 Neopterin bei Schizophrenie Neopterin wird von aktivierten Makrophagen sezerniert, Marker für Makrophagen-Aktivierung Erniedrigte Neopterin-Spiegel bei unbehandelten schizophrenen Patienten in Urin und Plasma. Normalisierung durch Behandlung (Sperner-Unterweger et al, 1992) obwohl Befunde nicht einheitlich sind (Chittiprol et al, 2009) Höhere Neopterin-Spiegel bei antipsychotisch behandelten Schizophrenen, weiterer Anstieg unter antipsychotischer Therapie (Korte et al, 1998) Bei akut Schizophrenen gestörte Makrophagen-Aktivierung Mikroglia: Residente Immunzellen des Gehirns TLR ↑ TLR ↑ TNF-a IL-6 IL-1 Monozyt Makrophage TNF-a IL-6 IL-1 TLR ↑ TLR ↑ Residenter Makrophage Mikroglia-Zelle (variable Morphologie abhängig von Funktion) Mikroglia bei Schizophrenie Ausgeprägtere Exprimierung des Entzündungsmarkers - PET Mikroglia-Aktivierungsmarkers - PK 11195 bei schizophrenen Patienten (van Berckel et al, 2008; Doorduin et al, 2009) Minocyclin (Tetrazyclin-Antibiotikum) – hemmt die MikrogliaAktivierung. Verbesserung der Kognition im Tierversuch (Mizoguchi et al, 2008), effektive add-on Therapie bei Schizophrenie (kontrollierte Studie) (Chaves et al, 2009); positive Fallberichte bei Schizophrenie (Ahuya and Caroll, 2007) Positive Korrelation von schizophrenen Positivsymptomen und der Expression des Aktivierungsmarkers DAA1106, sowie der Erkrankungsdauer und der Expression des Aktivierungsmarkers DAA1106 (Takano et al, 2010) Minocyclin (Tetracyclin-Antibiotikum) – hemmt die MikrogliaAktivierung. Verbesserung der Kognition im Tierversuch (Mizoguchi et al, 2008), und als add-on Therapie bei Schizophrenie (kontrollierte Studie) (Levkovitz et al., 2010; Chaves et al, 2009); positive Kasuistiken bei Schizophrenie (Ahuya and Caroll, 2007) Sensitivierung von Zytokinen, Immunzellen und Mikroglia Immunsensitivierung bzw. -konditionierung führt zu verstärkter Zytokinausschüttung bei Reexposition oder –infektion (Furukawa et al, 1998; Johnson et al, 2002) Stress-assoziierte IL-6 Ausschüttung kann pränatale konditionierte Prozesse reaktivieren (Zhou et al, 1993) Ein zweiter Stimulus (z.B. systemische Inflammation, Stress) führt zu Mikroglia-Proliferation, erhöhter Produktion und Ausschüttung pro-inflammatorischer Zytokine bei Gesunden (Frank et al, 2006) Frühe Immunkonditionierung ist mit Überaktivität verschiedener Komponenten des Immunsystems assoziiert und führt zu mangelnder Flexibilität der Immunantwort im Fall des ‚second hit‘, z.B. Infektion, Stress. Dysbalance des Immunsystems bei Schizophrenie Zeichen einer chronischen (proinflammatorischen) Immunaktivierung, z.B.: Blunted response of the (cellular) type-1 immunity, e.g.: • • • blunted skin response lower circulating sICAM-1 levels Niedrigere NeopterinSpiegel • • • Höhere CD4+-Zellzahlen Höhere CD19+-Zellzahlen Höhere IL-6 Serumspiegel COX-2 Expression im ZNS COX-2 expression in the brain Hippocampus CA3 Amygdala Feng L., et al. (1993) Arch Biochem Biophys. 307:361-8 Affectis, data on file Celecoxib add-on in Schizophrenia: PANSS - Total Score (LOCF) 85 Risperidone & Celecoxib Risperidone & Placebo 80 * Total Score 75 ANCOVA p < 0.05 70 65 60 *p < 0.05 **p < 0.01 55 50 t-test week 0 week 1 * ** ** week 2 week 3 week 4 week 5 Müller et al, Am J Psychiatry 2002 Celecoxib add-on zu Amisulprid bei schizophrener Erstmanifestation Doppel-blinde, Plazebo-kontrollierte, randomisierte Studie bei 50 schizophrenen Patienten (30 m, 20 w) über 6 Wochen 400 mg Celecoxib add-on zu einer flexiblen Dosis (Mittel = 575 mg) Amisulprid bei 25 Patienten, 25 bekamen Plazebo Kein Unterschied in den Dosen von Amisulprid oder Begleitmedikation (Lorazepam, Biperiden) und in der drop-out Rate bzw. Nebenwirkungen Analyse von ‘available cases’ (drop-out 13 Patienten) PANS-Negativ Skala unter Therapie mit Amisulprid und Celecoxib (Verum) oder Plazebo. Signifikant besserer Effekt von Celecoxib *p = 0.03 (Müller et al, 2010) PANS-Global Skala unter Therapie mit Amisulprid und Celecoxib (Verum) oder Plazebo. Signifikant besserer Effekt von Celecoxib *: p = 0.05 (Müller et al, 2010) PANS-Total Skala unter Therapie mit Amisulprid und Celecoxib (Verum) oder Plazebo. Signifikant besserer Effekt von Celecoxib *: p = 0.02 (Müller et al, 2010) Der gemischte COX-1/COX-2 Inhibitor Acetylsalicylsäure (ASS) als add-on Therapie bei Schizophrenie 1 Metaanalysis of COX-Inhibitors in Schizophrenia: Significant Effects on Total, Positive and Negative Symptoms J Clin Psychiatry 2012