Dr. S. Pfeifer, Riehen Diagnostische und therapeutische Aspekte von Angst und Depression Komorbidität von Angst und Depression Der Vogel Angst Der Vogel Angst hat sich ein Nest gebaut in meinem Innern Angst und sitzt nun manchmal da und manchmal ist er lange weg oft kommt er nur für einen Augenblick und fliegt gleich wieder weiter dann aber gibt es Zeiten da hockt er tagelang da drin mit seinem spitzen Schnabel und rührt sich nicht und brütet seine Eier aus. Franz Hohler Angst prägt jedes Zeitalter „Zeitalter der Angst“ (19. Jh., der englische Dichter Auden) „Zeitkrankheit“ „die eigentliche Signatur unserer Epoche“ (Körten 2000) Angst Endzeitangst Gesunde vs. ungesunde Angst Gesunde Angst Ungesunde Angst Realangst (vor echten Gefahren) Gewissensangst Vitalangst als Warnsymptom körperlicher Erkrankung Die Angstreaktion ist der Situation nicht angemessen Angst überdauert Auslöser Keine Erklärung, keine Verminderung, keine Bewältigungsmöglichkeit deutliche Beeinträchtigung der Lebensqualität Symptome der Angst Körperliche Symptome Psychische Symptome Qualvolle Einengung Fixierung auf ängstliche Erwartung innere Unruhe / Anspannung Schlafstörungen Gefühl, ausgeliefert zu sein verminderte Belastbarkeit Gefühl der Unwirklichkeit Beklemmung, Atemnot Herzklopfen Schwindel Zittern / Kribbeln Schweissausbrüche Mundtrockenheit Harndrang Magen-Darm-Symptome Blutdruckanstieg Wie können wir Depression und Angst unterscheiden? Zusammentragen! Symptomüberlappung Major Depression Stimmungstief Freudlosigkeit Gewichtsverlust /-zunahme Interessenverlust Suizidgedanken Angststörung Angst Anspannung Chron. Schmerz GI Symptome Herzklopfen Sorgen Erregung Konzentrationsschwierigkeiten Schlafstörungen Erschöpfung Energiemangel Erwartungsangst Platzangst Zwanghafte Rituale Frage Welches der folgenden Symptome unterscheidet am besten zwischen Depression und Angst? 1. Freudlosigkeit 2. Gewichtsabnahme / zunahme 3. Interessenverlust 4. Suizidgedanken Komorbidität von Angst und Depression Komorbidität von Depression und Angst sind häufig. Komorbidität ist die Regel, nicht die Ausnahme. Eine begleitende Depression verschlechtert den klinischen Outcome von Angststörungen. Gemeinsame Eigenschaften PMDD PTSD Panik störung Zwang OCD Depression Soziale Angststörung Generalisierte Angst (GAD) Spezif. Phobie GAD = generalized anxiety OCD = obsessive-compulsive PTSD = post-traumatic stress PMDD = premenstrual dysphoric disorder disorder disorder disorder Komorbidität in der Hausarztpraxis Angststörungen 5.6% (+ 5.0%) Depression Komorbidität 4.6% (+ 1.3%) (+ sub-threshold Angst) 7.1% (+ 6.5%) (+ sub-threshold Depression) Sartorius et al. Br J Psychiatry 1996; 168(Suppl 30): 38-43. National comorbidity survey 57.7 Secondary MDE 69.3 12.2 Primary MDE 12.1 30.1 Females Pure MDE Males 18.6 0 10 20 30 40 50 60 70 Lifetime Prevalence (%) MDE = Maj. Depressive Episode Kessler et al. Br J Psychiatry 1996; 168 (Suppl 30): 17-30. Implikationen einer Komorbidität Schwerer Krankheitsverlauf und schlechtere Prognose. Erhöhtes Suizidrisiko vermehrte Inanspruchnahme medizinischer Dienste. Grössere Einschränkung der Arbeitsfähigkeit Erhöhte Kosten Pathophysiologische Überlappung Angst und Depression können als unterschiedlicher phänotypischer Ausdruck mit gemeinsamer neurchobiochemischen Ursache betrachtet werden. Depression und Angst werden durch die Balance zwischen Noradrenalin und Serotonin Aktivität bestimmt. Noradrenalin und Serotonin (5-HT) im Frontalhirn. NAD Frontaler Cortex 5-HT DA Cortex non-frontal Limbic system Mood Cognition Attention Mobility Basal ganglia Thalamus Quelle: www.edc.gsph.pitt.edu/stard STAR*D Algorithmus Augmentation des ersten Antidepressivums mit andern Medikamenten oder mit Psychotherapie. Wechsel auf ein anderes Antidepressivum oder Psychotherapie. Hinzufügen einer Psychotherapie mit oder ohne Weiterführung der antidepressiven Therapie. Wechsel auf ein anderes Antidepressivum. Augmentation des ersten Mittels mit einem zweiten. Augmentation oder Wechsel auf ein anderes Antidepressivum. Sequenced Treatment Alternatives to Relieve Depression Der Mensch ist keine Maus Trotz mancher biologischer Befunde bleiben viele Fragen offen. Auch unter einer Behandlung mit Medikamenten bleibt eine Bearbeitung auslösender Belastungen und seelischer Konflikte, sowie das Training von neuen Verhaltensmustern eine wesentliche Hilfe bei der Behandlung von Angststörungen. Multimodale Therapiestrategien Bei akuten Ängsten lindern und beruhigen: aufklären, beruhigen, schnell wirksame Medikamente einsetzen (Benzodiazepine) Besprechen psychischer und sozialer Konflikte Veränderung des Denkens Erlernen von hilfreichen Bewältigungsstrategien Anleitung zur Entspannung Basisbehandlung mit Medikamenten (Antidepressiva) -- psychosoziale Unterstützung 10 Regeln zur Bewältigung der Angst 1. Angstgefühle und dabei auftretende körperliche Symptome sind verstärkte normale Streßreaktionen. 2. Angstreaktionen sind nicht schädlich für die Gesundheit. 3. Verstärken Sie Angstreaktionen nicht durch furchterregende Phantasievorstellungen 4. Bleiben Sie in der Realität; beobachten und beschreiben Sie innerlich, was um Sie herum wirklich geschieht. 5. Bleiben Sie in der Situation bis die Angst vorbeigeht 6. Beobachten Sie, wie die Angst von allein wieder abnimmt. 7. Versuchen Sie nicht, Angstsituationen zu vermeiden 8. Setzen Sie sich allen Situationen bewußt aus, die Ihnen angst machen. 9. Nehmen Sie sich in Angstsituationen Zeit 10. Seien Sie stolz auf kleine Erfolge, auch auf die ganz kleinen! Was ist Ihr bevorzugte medikamentöse Behandlung bei Depression und Angst? 1. Benzodiazepine 2. Trizyklische Antidepressiva 3. SSRIs 4. SNRI (z.B. Venlafaxine) Lang dauernden Störungen Patienten mit chronischen Angststörungen brauchen therapeutische Unterstützung, ihre Grenzen kennenzulernen und anzunehmen. Zudem: Langzeitmedikation. Wesentliches Ziel: Balance zwischen Annahme einer gewissen Grundangst und Sensibilität Wagnis zu Neuem Zusammenfassung Depression und Angst sind unterschiedliche, aber überlappende Zustände Depression und Angst können unterschiedlicher Ausdruck der gleichen neurobiologischen Ursache. Verbindung durch das Zusammenspiel von Noradrenalin und Serotonin Medikation einbetten in ein ganzheitliches biopsycho-soziales Therapiekonzept. Weitere Präsentationen www.seminare-ps.net