Entzündung 1 Bakk-Modul Immunologie Prof. Dr. Albert Duschl Immungewebe Es gibt primäre Immungewebe (Knochenmark, Thymus, fetale Leber) in denen Lymphozyten gebildet werden und sekundäre Immungewebe (Lymphknoten, Milz) in denen die Aktivierung der Lymphozyten erfolgt. Vor allem die adaptive Immunität konzentriert sich damit auf einige wichtige Gewebetypen in denen entscheidende Vorgänge stattfinden. Das ist vor allem darum wichtig weil hier unterschiedliche Zelltypen kooperieren müssen. Problem: Man kann ja am ganzen Körper krank werden …. Wie finden die Immunzellen dann die richtige Stelle? © Burmeister/Pezzutto: Taschenatlas der Immunologie Migration Immunzellen müssen zu verletzen oder pathogenbefallenen Geweben migrieren, das betrifft vor allem die Zellen der innate immunity (als first responders). Die Zellen werden im Blut transportiert, assoziieren lose (rolling) mit dem Endothel, dann fest (adhesion) und treten schliesslich durch Diapedese in das Gewebe aus. Im Gewebe entsteht dadurch eine Ansammlung von Zellen und Serunflüssigkeit: Ein Ödem. Dies ist Teil der Entwicklung eines Entzündungsherdes. © Richard J. Evans: Tod in Hamburg Stimulus-Response Ganz grundsätzlich: Die Entzündung ist nicht etwas Schlimmes das das Pathogen mit dem Körper anstellt. Es handelt sich vielmehr um ein vom Körper ausgelöstes Abwehrprogramm zur Beseitigung von Pathogenen. Man kann die Begriffe Inflammation und Innate Immunity oft so ziemlich gleichsetzen. Inflammation ist die Abwehrreaktion gegen non-self, die von der innate immunity getragen wird. Zusätzlich kann die adaptive Immunität ins Spiel kommen, dieser Prozeß dauert aber länger. Wir kommen später darauf zurück. © Wood: Understanding Immunology Systemisch/Lokal Entzündung hat systemische Auswirkungen, vor allem Fieber und Produktion von Akute Phase Proteinen. Sie fühlen diese Reaktion als Fieber und Erschöpfung wenn Sie an einer Infektion leiden. Wesentlich ist die lokale Entzündung. Immunzellen immigrieren in einen Entzündungsherd wo sie Pathogene bekämpfen und sie räumlich lokalisieren. Die räumliche Eindämmung der Pathogene ist essentiell (Sepsis!). Wenn die Beseitigung nicht gelingt, aber die lokale Eindämmung möglich ist, dann entsteht eine mit Bindegewebe verstärkte Entzündungskapsel: Ein Granulom. Damit ist der Schaden wenigstens eingedämmt. © Wood: Understanding Immunology Übersicht Das Bild rechts werden wir so lange wiederholen bis wir es vollständig verstehen. Was wir schon hatten: LPS, Toll-like Receptor, ein bisschen ROS (oder ROI wenn Abbas so möchte). Dazu werden wir aber noch zurückkommen müssen. Als nächstes fällig: Chemokine und sieben -helikale Transmembranrezeptoren. © Abbas: Cellular and Molecular Immunology Chemokine Chemokine sind Chemo-Attraktoren. Effektorzellen wie Granulozyten und Makrophagen wandern in Gewebe ein, indem sie Konzentrationsgradienten verschiedener Cytokine folgen. Daneben sind Chemokine noch an der Aktivierung von Leukozyten und Endothelzellen beteiligt. Die Strukturen der Chemokine sind untereinander homolog, und die Rezeptoren sind alles G-Protein gekoppelte 7-Helix-Rezeptoren. Allerdings ... die Chemokine verwenden ihre Rezeptoren redundant und promiskuitiv, was die Analyse sehr erschwert. © Paul: Fundamental Immunology Chemokine: CC und CXC Es gibt zwei grosse Familien, die CC und die CXC Chemokine. Die Bezeichnung richtet sich nach zwei konservierten Cysteinen die bei CC Chemokinen in der Sequenz direkt benachbart liegen, während bei CXC Chemokinen noch eine Aminosäure dazwischen liegt. CC: MCP1-5, MIP-1, RANTES, Eotaxin 1-3 etc. Moderne Namen: CCL1, CCL2 etc. CXC: IL-8, GRO, NAP-2, SDF-1, IP-10 etc. Moderne Namen: CXCL1, CXCL2 etc. CXC Chemokine binden an Rezeptoren mit der Bezeichnung CXCR, CC binden an eine Reihe von CCR. Man kennt 28 Vertreter. CXC Chemokine wirken hauptsächlich auf Neutrophile, CC Chemokine eher auf Makrophagen und T-Zellen. Diese Regel hat aber viele Ausnahmen. Von den CXC Chemokinen sind 17 Vertreter bekannt. Chemokine sind in ihrer aktiven Form Homodimere. Die Strukturen der Monomere für CC und CXC Chemokine sind sehr ähnlich, aber die Dimerstrukturen unterscheiden sich. Es existieren neben CC und CXC noch zwei Mini-Familien: Es gibt zwei C Chemokine (auch XC genannt - Lymphotactin a und b) und ein C(X)3C Chemokin (Fractalkin). Die Rezeptoren Sie gehören zu der grossen Familie von transmembrane 7- -Helix-Bündel Rezeptoren, der NTerminus liegt aussen (Typ 3 Membranprotein). Die Signalübertragung erfolgt in der Regel über G-Proteine. Repräsentativ ist der ß-Rezeptor für Adrenalin Auch andere chemotaktische Faktoren verwenden solche Rezeptoren, so etwa N-Formyl-Methionin. © Stryer: Biochemistry © Ranganathan, Science 318: 1253-4 (2007) © Cherezov et al., Science 318: 1258-65 (2007) Die Liganden IL-8 (oder CXC8) ist ein wichtiges Chemokin das vor allem neutrophile Granulozyten anlockt („Neutrophile“ und „neutrophile Granulozyten“ sind Synonyme). Die Struktur ist für Chemokine repräsentativ. Es wird bei Pathogenexposition und/oder Verletzung innerhalb weniger Stunden in problemlos meßbaren Mengen (etwa durch ELISA) produziert und ist damit gut als Alarmsignal verfolgbar. Als spezifischer Marker ist es weniger gut geeignet, Bakterien sind ja sowohl kausal also auch als Bystander denkbar. IL-8 Monomerstruktur © Wikipedia Update Chemokine sind für die Migration an zwei Stellen zentral: Für die Adhäsion an das Endothel, und dann für die weitere Migration innerhalb des Gewebes. Da die Rezeptoren unterschiedlich reguliert werden können (und es auch Antagonisten gibt) erreichen nur die jeweils passenden Zellen den Entzündungsherd. Die Reaktion entspricht dem Stimulus. Schon recht übel: Die doppelte Nomenklatur. © Abbas: Cellular and Molecular Immunology © Schall and Proudfoot, Nat Rev Immunol 11:355-63 (2011) Anwendungen? Das rechts ist kein U-Bahn Plan sondern eine Darstellung welche Chemokinrezeptoren für die Migration in welches Gewebe verantwortlich sind. Gewebespezifsche Expression von irgendwas ist immer einer Überlegung wert ob es eine Anwendung für die Therapie gibt. Sagen Sie mir welchen Immunparameter sie spezifisch hemmen oder aktivieren können und dann suchen wir die Krankheit bei der genau das gebraucht wird. Doch, auch so kann man Beiträge zur medizinischen Anwendung leisten. © Schall and Proudfoot, Nat Rev Immunol 11:355-63 (2011) Chemokinrezeptoren und AIDS Trotz der Redundanz von Liganden und Rezeptoren gibt es auch in diesem System sehr spezifische Wirkungen. Mit der Mutation CCR5Δ bekommen Sie z.B. bei HIV-Exposition mit geringerer Wahrscheinlichkeit AIDS. HIV muß sehr schnell in Zellen gelangen, da das Virus an sich sehr unstabil ist. Primärer Rezeptor ist das CD4 Antigen auf T-HelferZellen und Makrophagen. Als Co-Rezeptor dienen dabei verschiedene Chemokinrezeptoren. Man kennt mehrere Mutationen in Chemokinen oder ihren Rezeptoren die HIV-Infektion von Zellen blockieren. Evolution? Pest? Oder eher Pocken? Inzidenz von CCR5Δ in Österreich: Knapp 10% Heterozygote, <1% Homozygote. © Paul: Fundamental Immunology © DK World History Atlas, Dorling Kindersley, London Was ist ein Cytokin? "Cytokines are soluble proteins or glycoproteins produced by leukocytes, and in many cases other cell types, which act as chemical communicators between cells, but are not effector molecules in their own right. ... Most cytokines are growth and/or differentiation factors and they generally act on cells within the haematopoietic system." Robin Callard/Andy Gearing: The Cytokine FactsBook Chemokine sind eine Unterfamilie der Cytokine. Sie sind durch homologe Strukturen und die Verwendung der G-Protein gekoppelten Rezeptoren gut definiert. IL-8 ist ein Chemokin. © Mantovani/Dinarello/Ghezzi: Pharmacology of Cytokines Bezeichnungen der Cytokine Die Namen haben historische Gründe und sind nur teilweise informativ. Chemokine sind strukturell alle eng verwandt, CSF haben ähnliche Funktionen, aber Interleukin IL-1 bis IL-37 (sic) sind eine heterogene Gruppe. IL-1 und IL-8 hatten wir jetzt schon! Cytokine wirken endokrin (Syntheseund Wirkungsort getrennt), parakrin (im umgebenden Gewebe) oder autokrin (auf die produzierende Zelle selbst). Ein einzelnes Cytokin kann auch all diese Wege verwenden. © Wood: Understanding Immunology Hämatopoiese Die Hämatopoiese (Blutbildung) findet im Knochenmark statt, bis auf Ausnahmen wie die Differenzierung von T-Zellen (Thymus) und Mastzellen (peripheres Gewebe). Sie wird von Cytokinen reguliert. Alle Stammzellen sehen gleich aus, mit speziellen Cytokinen konnte man aber Kolonien von Zellen mit differenzierter Morphologie gewinnen. Daher stammt der Name Colony Forming Unit (CFU) oder gelegentlich Blast Forming Unit (BFU). SCF heisst Stem Cell factor, die CSF sind Colony Stimulating Factors (CSF). GM-CSF induziert beipielsweise Granulozyten und Monozyten. © Schmidt/Thews/Lang: Physiologie des Menschen Der Sinn der Heuristik Die einzelnen Teile des Immunsystems sind evolutionär unterschiedlich alt. Ihre Wechselwirkung ist durch ad-hoc Entscheidungen in der Evolution geprägt worden. Es gibt keinen rational durchdachten Master Plan der Immunität. Es ist von daher nicht möglich, die Wirkung etwa eines Chemokins oder die Folgen seiner Hemmung einfach auszurechnen. Manchmal bleibt in komplexen Systeme nichts anderes übrig als zu probieren was passiert. Das ist Heuristik. Mit Hermeneutik allein kommen Sie halt nicht immer weiter. © Kyarten Poskitt & Steven Appleby: Die 99 Lassedasse