An alle pharmazeutischen Unternehmer von zellulären

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Paul-Ehrlich-Institut · Postfach · D-63207 Langen
An alle pharmazeutischen Unternehmer von
zellulären Blutzubereitungen, gefrorenem
oder lyophilisiertem Frischplasma und
Gewebezubereitungen
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+49 6103 77- 3115
Telefax-Durchwahl
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Datum
16.07.2010
Betreff
Abwehr von Arzneimittelrisiken
Verhinderung einer Coxiella burnetii- Infektion (Q-Fieber) durch die Rückstellung von
Spendern, die während eines Aufenthaltes in den Niederlanden Kontakt mit Schafen
und/ oder Ziegen hatten
Sehr geehrte Damen und Herren,
Das Paul-Ehrlich-Institut beabsichtigt die nachfolgende Auflage zur Zulassung
anzuordnen:
1.
Es wird angeordnet, dass zur Herstellung von zellulären Blutzubereitungen,
gefrorenen oder lyophilisierten Frischplasmen und Gewebezubereitungen, die
keinem gegen Coxiella burnetii wirksamen Verfahren zur Pathogeninaktivierung
unterworfen wurden, kein Ausgangsmaterial aus Spenden verwendet werden
darf, deren Spender sich während eines Zeitraums von sechs Wochen vor der
Blut-, Plasma- oder Gewebespende auf niederländischen Schaf- und/ oder
Ziegenfarmen aufgehalten haben oder in den Niederlanden sonstigen direkten
Kontakt mit Schafen oder Ziegen hatten.
2.
Eine Entscheidung über die Kosten ergeht durch gesonderten Bescheid.
Paul-Ehrlich-Institut
Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel
Federal Institute for Vaccines and Biomedicines
Paul-Ehrlich-Straße 51-59
D-63225 Langen
Postfach D-63207 Langen
Telefon 0 61 03/77-0
Telefax 0 61 03/77-1234
www.pei.de
Das Paul-Ehrlich-Institut ist eine Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit ..2
Paul-Ehrlich-Institut
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Begründung
Die Auflage beruht auf den Bestimmungen von § 28 Abs. 3 c Satz 1 Nr. 1 des
Arzneimittelgesetzes (AMG). Sie ist geboten, um vorsorglich Übertragungen von QFieber durch Transfusion der o. g. Arzneimittel zu verhindern.
Q-Fieber (Query-Fieber, Erstbeschreibung im Jahr 1937) ist eine durch Coxiella
burnetii
(C.burnetti)
übertragene,
bakterielle
Infektionserkrankung,
die
einen
chronischen Verlauf nehmen kann. Ca. 50% der Infektionen mit C. burnetii verlaufen
klinisch inapparent. Bei der Mehrzahl der erkrankenden Infizierten treten nach einer
Inkubationszeit von 3-30 Tagen grippeähnliche Symptome auf. Bei weniger als 2% der
akut Erkrankten kann es zu einer C. burnetii bedingten Pneumonie bzw. Hepatitis
kommen. Bei über 5 % der akuten Krankheitsfälle kommt es zu chronischen
Verläufen, die mit Endokarditis, Osteomyelitis, Hepatitis, interstitieller Lungenfibrose
oder lang andauernden Fieberepisoden einhergehen können.
Bei Personen mit akuter Infektion wird C. burnetii im Blut, Liquor cerebrospinalis und
Urin nachgewiesen. Daher ist von einer temporären Bakteriämie auszugehen. Die
Vermehrung des Bakteriums findet vorwiegend in Monozyten/ Makrophagen statt.
Coxiella burnetii ist weltweit verbreitet und wird besonders von infizierten Schafen und
Ziegen auf den Menschen übertragen (Zoonose). Das Bakterium ist hoch kontagiös; 110 Coxiellen können zur Übertragung der Infektion führen. Typischerweise wird C.
burnetii durch den direkten Kontakt mit kontaminiertem Gewebe bzw. Sekret, wie z. B.
Schafplazenta oder kontaminierte Milch(-produkte), oder durch indirekten Kontakt (z.
B. Zeckenkot, Insektenstiche) übertragen. Bei den Meldungen von Q-Fieber-Fällen an
das Robert-Koch-Institut zeigt sich meistens eine zeitliche und regionale Häufung. In
der Regel erfolgt die primäre Übertragung auf den Menschen nach dem Kontakt mit
trächtigen Tieren oder im Rahmen der Tierverarbeitung (a. Hellenbrand W, Breuer T,
Peterson L (2001) Changing epidemiology of Q fever in Germany, 1947-1999. Emerg
Infect Dis 7:789-796. b. Stellungnahme des Arbeitskreises Blut (2005) Coxiella
burnetii. Erreger des Q- (query) Fiebers. Bundesgesundheitsblatt 48:814-821).
Bisher wurde in der wissenschaftlichen Literatur nur ein Fall einer Übertragung der
Infektion durch Blutkomponenten beschrieben (Anonymous. Q fever transmitted by
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Paul-Ehrlich-Institut
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blood transfusion - United States. Canadian Disease; Weekly Report, 1977; 3: 210).
Prinzipiell besteht das Risiko einer Transmission durch Plasma, Blut- und
Gewebezubereitungen;
die Wahrscheinlichkeit wird allerdings als sehr gering
eingeschätzt.
Mit kommerziell verfügbaren Antikörper-Tests lässt sich eine Serokonversion ca. 21
Tage nach erfolgter Infektion nachweisen. Ein kommerzieller NAT-Test, der im
Rahmen eines Spender-Screenings eingesetzt werden könnte, ist derzeit nicht
erhältlich.
In den vergangenen Jahren berichteten die niederländischen Behörden von einer
kontinuierlichen Zunahme der Neuinfektionen mit C. burnetii bei Ziegen und Schafen
in so genannten Hochprävalenz - Regionen (im Süden gelegene Provinzen). Die
Berichte des niederländischen Gesundheitsministeriums belegen einen zeitgleichen
Anstieg von humanen Q-Fieber-Fällen seit 2008. Während 2007 insgesamt 168 Fälle
registriert wurden, stieg die Zahl 2008 auf 1000 Fälle und 2009 auf 2356 Fälle an. Im
ersten Quartal 2010 wurden über 265 Fälle berichtet. Da der Erkrankungsgipfel in den
Vorjahren zwischen der 17. und 45. Kalenderwoche lag, kann für das Jahr 2010 mit
den bisher vorliegenden Angaben noch keine Aussage zur aktuellen Entwicklung
getroffen werden. Parallel mit der Zunahme der Erkrankungsfälle kam es zu einer
Zunahme von tödlichen Verläufen nach C. burnetii-Infektionen (insgesamt 6 Fälle in
2009, 3 Fälle im ersten Quartal 2010). Aufgrund der vorliegenden Daten wurden in
den Niederlanden umfangreiche Präventivmaßnahmen eingeführt (Impfung der
Tierherden, Verbesserung des Hygienestandards bei der Tierhaltung, etc.), deren
Erfolg bisher jedoch noch nicht bewertet werden kann.
In dem gleichen Zeitraum ist es nach Angaben des Robert-Koch-Institutes in
Deutschland nicht zu einem Anstieg von humanen Q-Fieberfällen gekommen (2008:
370 Fälle, 2009: 191 Fälle, 01/2010-07/2010: 128 Fälle).
Aufgrund der niederländischen Daten hält es das Paul-Ehrlich-Institut für geboten,
Vorkehrungen zu treffen, um eine Übertragung des Erregers durch einen infizierten
Spender während der Inkubationszeit zu verhindern. Von der geplanten Maßnahme
sind ausschließlich Blut-, Plasma- und Gewebespender betroffen, die sich während
eines Zeitraums von sechs Wochen vor dem Spendetermin in den Niederlanden
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Feldfunk
Paul-Ehrlich-Institut
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aufgehalten haben und dort Kontakt zu Schafen und/ oder Ziegen hatten
(Tierhaltungseinrichtungen, Tiermärkte etc.). Eine Rückstellungsfrist von 6 Wochen
nach Rückkehr aus dem Endemiegebiet wird für erforderlich gehalten, um
außergewöhnlich lange Inkubationszeiten zu erfassen. Die
Spenderrückstellung
bezieht sich nur auf Spenden für zelluläre Blutzubereitungen, gefrorenes oder
lyophilisiertes
Frischplasma,
die
keinem
wirksamen
Inaktivierungsverfahren
unterworfen werden.
Nach Einschätzung des Paul-Ehrlich-Institutes stellen die Befragung und ggf. die
Rückstellung der genannten Spender einen relativ geringen Aufwand dar. Zudem ist
zu erwarten, dass die Anzahl der auszuschließenden Spender gering sein wird. Die
Maßnahme zur Gefahrenabwehr ist somit aus Sicht des Paul-Ehrlich-Institutes
verhältnismäßig.
Das Paul-Ehrlich-Institut bittet Sie, innerhalb von 4 Wochen nach Zugang dieses
Schreibens Stellung zu nehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Dr. med. M. Funk
Fachgebietsleiter Pharmakovigilanz II, Paul-Ehrlich-Institut
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