DOI:10.1002/biuz.200610314 Inteine – die „Introns“ der Proteine und ihre biotechnologische Anwendung: Proteinspleißen S KANDER E LLEUCHE | S TEFANIE P ÖGGELER Proteinspleißen bezeichnet einen Vorgang, bei dem sich eine intermediäre Sequenz (das Intein) selbst aus der Polypeptidkette eines Vorläuferproteins herausschneidet und die verbleibenden flankierenden Sequenzen (die Exteine) durch eine natürliche Peptidbindung verknüpft. Erst nach dem Spleißen ergeben die verknüpften Exteine ein funktionsfähiges Protein. Die außergewöhnlichen katalytischen Eigenschaften von Inteinen finden Anwendung in der Biotechnologie. ABB. 1 | PROT E I N S PL E I S S E N Die Sequenz eines Inteins (blau) unterbricht die proteincodierenden Regionen (Exteine/schwarz) eines Gens und wird im Zuge der Transkription und Translation zwischen zwei flankierenden Exteinen synthetisiert. Durch die Spleißreaktion wird das Intein aus dem Vorläuferprotein freigesetzt. Die Exteine werden verknüpft und bilden das funktionelle Protein. 294 | Biol. Unserer Zeit | 5/2006 (36) as erste Intein wurde 1990 parallel von zwei Arbeitsgruppen im VMA-Gen der Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae entdeckt [6, 7]. Ein Vergleich der VMA-Gensequenz, die für eine vakuoläre H+-ATPase codiert, mit H+ATPase Genen aus anderen Organismen zeigte, dass eine interne Unterbrechung der natürlichen ATPase-Sequenz vorlag. Die interne Sequenz unterbrach nicht das Leseraster des ATPase Gens, aber die resultierende Aminosäuresequenz wies keinerlei Übereinstimmung mit bekannten H+ATPasen auf. Überraschenderweise entsprach jedoch die Größe des synthetisierten VMA-Proteins der Hefe derjenigen aus anderen Organismen. Es konnte nachgewiesen werden, dass die inserierte Sequenz noch in der mRNA des Gens vorhanden war und zunächst zusammen mit der VMA-Sequenz als so genanntes Vorläuferprotein translatiert wurde. Schließlich wurde gezeigt, dass erst bei einem Reifungsvorgang des Vorläuferproteins, den man als Proteinspleißen bezeichnet, diese Sequenz herausgeschnitten und die verbleibenden Bereiche des VMA-Proteins zu einer funktionsfähigen ATPase verknüpft wurden. Die Peptidsequenz, die sich aus dem so genannten Vorläuferprotein herausschneidet wurde analog zu 䊳 Introns in DNA als Internes Protein (Intein) und die angrenzenden Bereiche, die durch das Spleißen verknüpft werden, als Externe Proteine (Exteine) bezeichnet [10]. Der Ablauf des Proteinspleißens, der ohne Hilfe weiterer Proteine autokatlytisch stattfindet, ist in Abbildung 1 dargestellt. In den folgenden Jahren konnten mehr als 200 weitere Inteine beschrieben werden, die alle in einer Inteinbank katalogisiert werden (InBase: www.neb.com/neb/inteins. html [12]). Inteine wurden in allen drei Reichen des Lebens (Prokaryoten, Archaebakterien und Eukaryoten) entdeckt. Zunächst wurden sie hauptsächlich in einzelligen Organismen, später auch in mehrzelligen Eukaryoten, Bakteriophagen und Viren gefunden [3]. Interessanterweise wurden Inteine bisher ausschließlich in essenziellen Genen nachgewiesen. So kommen mehr als 70 Prozent aller bislang bekannten Inteine in Genen vor, die in einem Zusammenhang mit dem DNA-Metabolismus stehen. Aus diesem Grund wurde für diese intermediären Elemente häufig eine regulatorische Kontrollfunktion postuliert. Es ist allerdings umstritten, ob ein Intein dem Organismus in diesem Zusammenhang von Nutzen sein kann. D © 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim INTEINE Nomenklatur und struktureller Aufbau Die Bezeichnung von Inteinen setzt sich aus zwei aufeinanderfolgenden Buchstabencodes zusammen. Sie enthält den Artnamen des Organismus, aus dem das Intein stammt (beispielsweise Sce für S. cerevisiae) und eine Abkürzung für das Wirtsprotein (beispielsweise Sce VMA aus der vakuolären H+ ATPase der Hefe). Des weiteren folgt häufig eine Zahl, wenn mehrere Inteine im selben Protein eines Organismus gefunden wurden. So wird beispielsweise das erste Intein aus der Vent-Polymerase aus Thermococcus litoralis als Tli POL-1 bezeichnet [11]. Inteine können sich in ihrer Größe um hunderte Aminosäuren unterscheiden. Dabei divergiert besonders oft auch das Größenverhältnis zwischen dem Intein und seinem Wirtsprotein: Die drei Inteine des Replikationsfaktors C (RFC) aus dem Archaebakterium Methanococcus jannaschii (Mja RFC-Intein 1-3) sind beispielsweise zusammengenommen 4x so groß wie das Protein; dagegen macht das Intein des PRP8-Proteins aus dem Pilz Filobasidiella neoformans (Fne PRP8-Intein) nur 1/10 der Größe des gesamten Vorläuferproteins aus [5]. Trotz der genannten Größenunterschiede konnten drei grundlegende Regeln aufgestellt werden, die darauf hinweisen, dass ein Intein in einer untersuchten Sequenz vorhanden ist [8]: 1. Ein Intein befindet sich im Leseraster eines Proteins an einer Position, bei der in homologen Proteinen keine Insertion gefunden wurde. 2. Die inserierte Sequenz besitzt am Aminoende (N-Terminus) die Aminosäure Cystein (Cys), Serin (Ser) oder Alanin (Ala). Die erste Aminosäure des darauf folgenden Exteins ist entweder ein Cys-, Ser- oder Threonin (Thr). 3. Es liegen weitere charakteristische Konsensussequenzen vor, wie beispielsweise das Dipeptid Histidin-Asparagin (His-Asn) oder Histidin-Glutamin (His-Gln) am Carboxylende (C-Terminus) des Inteins. Nahezu alle bislang beschriebenen Inteine weisen die oben genannten Gemeinsamkeiten auf. Ihre Struktur ist in ABB. 2 | | M O L E K U L A R B I O LO G I E Abbildung 2 grafisch dargestellt. Drei spleißrelevante Kernregionen wurden in Inteinen identifiziert: die Aminosäuren an der N-terminalen (Cys, Ser oder Ala) und der C-terminalen Spleißstelle (Cys, Ser oder Thr), der das Dipeptid HisAsn oder His-Gln vorausgeht. Daneben liegt meist ein konserviertes Thr-X-X-His-Motiv im Inneren der Inteine. Um die Aminosäuren innerhalb der Extein- und Intein-Sequenzen positionieren zu können, wurden sie durchgezählt und entsprechend ihrer Position benannt. So wird die erste N-terminale Aminosäure innerhalb des Inteins als Cys1, Ser1 oder Ala1 bezeichnet, während die Aminosäuren des N-terminalen Exteins (N-Extein) äquivalent rückwärts durchnummeriert werden, so dass die unmittelbar flankierende Aminosäure den Zusatz –1 erhält (beispielsweise Ala-1). Ebenso wird mit der C-terminalen Flanke (C-Extein) verfahren, deren Startpunkt als Cys+1, Ser+1 beziehungsweise Thr+1 benannt wird. Neben ihrer Funktion, das Proteinspleißen zu katalysieren, besitzen viele Inteine eine weitere Domäne, die als 䊳 Endonukleasedomäne bezeichnet wird (Abbildung 2). Solche Endonukleasen sind auch aus Introns bekannt [14]. Diese Enzyme können DNA-Sequenzen an definierten Basenabfolgen erkennen und schneiden und sind in ihrer Funktion vollkommen unabhängig vom Intein/Intron [2]. Inteine ohne diese Domäne werden als Mini-Inteine bezeichnet, während solche mit einer Endonuklease große Inteine heißen. Circa 80 Prozent aller Inteine sind große Inteine. Die mit einem grünen Pfeil markierten Begriffe werden im Glossar auf Seite 300 erklärt. Der Mechanismus des Proteinspleißens Bei der Spleißreaktion wird in vier Teilschritten das Intein aus dem Vorläuferprotein herausgelöst und eine neue Peptidbindung zwischen den beiden Exteinen geknüpft. Nachdem verschiedene falsche Reaktionswege für den Ablauf der Reaktion vorgeschlagen wurden, machten vor allem zeitaufgelöste in vitro-Versuche die Charakterisierung der einzelnen Reaktionsschritte möglich [9]. Der in- S T R U K T U R VO N I N T E I N E N Große Inteine weisen eine Endonukleasedomäne auf, MiniInteinen fehlt diese. Hervorgehoben sind die jeweils erste (Cys1, Ser1, oder Ala1) und letzte Aminosäure (Asnn, Glnn) im Intein. Alle Inteine werden von Exteinsequenzen flankiert, von denen nur die Aminosäure+1 im C-terminalen Extein © 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim (Cys+1, Ser+1, oder Thr+1) hoch konserviert ist und in die Spleißreaktion eingreift. Es wurden die gängigen Ein-Buchstaben-Abkürzungen für Aminosäuren verwendet: C = Cys; S = Ser; A = Ala; T = Thr; X = beliebige Aminosäure; H = His; N = Asn; Q = Gln. www.biuz.de 5/2006 (36) | Biol. Unserer Zeit | 295 ABB. 3 | D E R C H E M I S C H E A B L AU F D E S PROT E I N S PL E I S S E N S Die Reaktion ist in vier Schritte unterteilt, die zum Verlust von zwei Peptidbindungen und der Bildung von einer neuen Peptidbindung führen. Über dem Ausgangskonstrukt sind die Namen der vier eingezeichneten Aminosäuren angegeben, wobei das Alanin im N-terminalen Extein variabel ist, da es an keinem Reaktionsschritt beteiligt ist. Die Protein- 296 | Biol. Unserer Zeit | 5/2006 (36) www.biuz.de strukturen, von denen die jeweiligen Reaktionen ausgehen, sind in der Abbildung durch Umrandung hervorgehoben und die Richtung der Reaktionen ist durch Pfeile angedeutet. Als Ergebnis des Proteinspleißens ist im letzten Produkt die neu gebildete Peptidbindung zwischen den beiden Exteinen hervorgehoben. © 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim INTEINE zwischen allgemein akzeptierte chemische Reaktionsweg ist schematisch in Abbildung 3 dargestellt: Die Spleißreaktion beginnt mit einem 䊳 nukleophilen Angriff der 䊳 Thiol- oder Hydroxygruppe von Cys1 oder Ser1 auf die bestehende Peptidbindung zwischen der letzten Aminosäure des N-Exteins und der ersten Aminosäure des Inteins. Wie in Abbildung 3 dargestellt, kommt es zur Bildung einer Thioesterbindung, da am Aminoende des Inteins ein Cys1 vorhanden ist, welches eine Thiolgruppe trägt. Wäre anstelle des Cys1 ein Ser1 vorhanden, käme es zur Ausbildung einer 䊳 Esterbindung. Im zweiten Schritt greift die Hydroxygruppe des Ser+1 des C-Exteins die neu entstandene Thioesterbindung am N-Terminus an. Unter Bildung einer neuen Esterbindung werden dabei das N- und das CExtein verknüpft und es entsteht ein verzweigtes Zwischenprodukt. An dieser Position wäre eine Thioesterbindung ebenfalls denkbar, wenn der nukleophile Angriff im C-Extein von einem Cys+1 ausgehen würde. In Abbildung 3 wird jedoch eine Esterbindung erzeugt, weil in der Darstellung im Extein ein Ser+1 vorhanden ist. Im dritten Schritt bildet die Aminosäure Asnn am Carboxylende des Inteins eine zyklisch geschlossene Form aus. Das so veränderte Intein wird dabei von den verknüpften Exteinen abgespalten. Eine Zyklisierung von Asnn konnte ebenfalls beobachtet werden, wenn spleiß-relevante Aminosäuren am N-Terminus mutiert wurden. Das bedeutet, dass diese Reaktion weitgehend unabhängig von den übrigen Reaktionsschritten abläuft. Diese Tatsache macht man sich bei der Aufreinigung von Proteinen zu Nutze (s. u.). Als abschließender Schritt findet ein nukleophiler Angriff der Aminogruppe des Ser+1 auf die Esterbindung zwischen N-Extein und C-Extein statt und es entsteht eine natürliche Peptidbindung. Diese Reaktion läuft spontan ab, da die stabilisierende Umgebung des aktiven Zentrums des Inteins verloren geht, so dass die thermodynamisch stabilere Peptidbindung eingegangen wird. Die dargestellte Reaktion läuft 䊳 autokatalytisch ab. An der vollständigen Reaktion sind nur Aminosäuren beteiligt, die innerhalb des Inteins lokalisiert sind. Daneben greift die erste Aminosäure des C-Exteins in die Reaktion ein. Aus diesem Grund wird das Intein zusammen mit der ersten Aminosäure des C-Exteins auch als „proteinspleißendes Element” bezeichnet [10]. Die Spleißreaktion von Inteinen kann durch verschiedene Einflüsse wie pH-Wert, Temperatur und chemische Agenzien an den einzelnen Reaktionsschritten reguliert werden. Dadurch werden vielfältige biotechnologische Anwendungen möglich. © 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim ABB. 4 | M O L E K U L A R B I O LO G I E E N D O N U K L E A S E-V E R M I T T E LT E AU S B R E I T U N G VO N I N T E I N E N ( „ I N T E I N - H O M I N G “ ) Ein Gen X codiert für ein Protein und ist von einer Inteinsequenz mit Endonukleasedomäne unterbrochen. Einem Allel von Gen X’ fehlt dieses Intein. Es enthält eine Erkennungssequenz für die Endonuklease und wird durch diese hydrolysiert. Der entstehende Doppelstrangbruch wird durch homologe Rekombination repariert. Die Inteinsequenz dient dabei als Matrize, so dass die Inteinsequenz in das inteinfreie Allel kopiert wird. www.biuz.de 5/2006 (36) | Biol. Unserer Zeit | 297 Die Rolle der Endonuklease und die Evolution von Inteinen Die Endonukleasen aus großen Inteinen können in einem Prozess, der als „homing“ bezeichnet wird, für einen gerichteten 䊳 horizontalen Gentransfer von Inteinen sorgen, welcher der Verbreitung dieser Elemente in der Evolution dient [13]. Der Ablauf dieses Prozesses ist schematisch in Abbildung 4 dargestellt. Wenn ein für ein Intein codierendes Gen durch sexuelle Fortpflanzung, Infektion, Konjugation, Transduktion o. ä. in eine Zelle gelangt, die dieses Intein nicht aufweist, kann die Endonuklease eine Erkennungssequenz in einem inteinfreien Allel schneiden und an dieser Stelle einen Doppelstrangbruch einfügen. Der Transfer des Inteins erfolgt auf der DNA-Ebene nach dem klassischen Modell der Genkonversion durch einen Doppelstrangbruch-Reparaturmechanismus. Dabei wandern nach dem Doppelstrangbruch die einzelsträngigen 3’-DNA Enden des geschnittenen, inteinfreien Gens in die Exteinsequenzen des inteinhaltigen Gens ein und dienen als Primer für eine Reparatursynthese. Bei der Reparatur wird das inteinhaltige Gen als Matrize genutzt. Auf diese Weise kommt es zu einem Verlust des inteinfreien Alles und zu einer Duplikation des inteinhaltigen Gens. Während ein bloßes Verschließen des Doppelstrang-Bruches lediglich dazu führen würde, dass die Erkennungssequenz erhalten bliebe und die Endonuklease im gleichen Bereich erneut schneiden könnte, zerstört das Einfügen des für das Intein codierenden Genbereiches die Erkennungssequenz der Intein- Endonuklease [4]. Diese Art der Genkonversion konnte früher schon bei für Endonukleasen codierenden Introns, so genannten „ho- ming-Introns“ nachgewiesen werden. Inteine breiten sich jedoch schlechter als homing-Introns aus: Sie können nur an hoch konservierten Stellen im Genom inserieren [1], denn sie dürfen nach der Insertion den Leserahmen des Zielproteins nicht unterbrechen. Da Endonukleasen nur für die Verbreitung von Inteinen und Introns zuständig sind, kann es sein, dass sie im Laufe der Evolution ihre Aktivität verlieren. Die Aktivität der Inteine wird durch einen Verlust der Endonuklease nicht beeinflusst. Deshalb können die Endonuklease-Domänen auch verloren gehen. Die Verbreitung der EndonukleaseDomäne unterliegt also keinem besonders starken Selektionsdruck [5]. Eine Integration von Inteinen in „neue“ Gene konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Im Normalfall ähneln sich Inteine homologer Gene in unterschiedlichen Organismen stärker, als verschiedene Inteine im selben Organismus. Nur sehr selten konnten sequenzähnliche Inteine in verschiedenen Genen unterschiedlicher Organismen gefunden werden. So ähneln sich die Inteine eines DNA-Topoisomerase-Gens aus dem Archaebakterium Pyrococcus furiosus und das Intein eines Gyrase-Gens aus M. jannaschii stark. Dies legt die Vermutung nahe, dass die Verbreitung eines Inteins in ein „neues“ Gen doch möglich sein könnte [5]. Geteilte Inteine spleißen in trans Inteine, die in 䊳 trans spleißen können, liegen zweigeteilt vor. Beide Hälften des Inteins werden zusammen mit jeweils einem Extein an unterschiedlichen Positionen des Genoms codiert. Nach der Transkription dieser beiden Genombereiche entstehen durch die Translation zwei Protein-Fragmente, von denen das ABB. 5 S Y N T H E S E D E R D n a E- U N T E R E I N H E I T D E R P O LY M E R A S E I I I eine das N-Extein und den N-Terminus des AU S S Y N E C H O C Y S T I S S P. Inteins und das andere den C-Terminus des Inteins und das C-Extein enthält. Eine Zusammenlagerung beider Proteinfragmente ermöglicht eine Re-Assoziierung des Inteins und somit die Durchführung der Spleißreaktion. Das erste in trans-spleißende Intein wurde im Jahr 1998 in dem Cyanobakterium Synechocystis sp. beschrieben. Alle Bakterien enthalten eine DNA-Polymerase, die der Escherichia coli eigenen DNA-Polymerase III ähnlich ist. Bei diesem großen und komplexen Protein handelt es sich um ein Multimer, dessen Polymerasefunktion von der DnaE-Untereinheit übernommen wird. Diese Untereinheit wird von dem so genannten dnaE-Gen codiert. In Synechocystis sp. ist die entsprechende Sequenz dieser Das dnaE-Gen liegt im Genom zweigeteilt vor. An die codierende Region des N-terminalen Exteins ist die codierende Region des N-terminalen Inteins angefügt, während der 3’-Bereich des Untereinheit zweigeteilt und befindet sich Gens mit dem codierenden Bereich des C-terminalen Exteins fusioniert ist. Beide Gensequenzen auf verschiedenen DNA-Strängen in über sind ca. 745 kb voneinander entfernt. Durch eine trans-Spleißreaktion des Inteins wird die 700 kb Entfernung, d. h. beide Hälften werfunktionelle DNA Polymerase-Untereinheit gebildet. den jeweils mit einem komplementären Teil 298 | Biol. Unserer Zeit | 5/2006 (36) www.biuz.de © 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim INTEINE | M O L E K U L A R B I O LO G I E Eine weitere wichtige Voraussetzung für die Systeme eines Inteins (N-terminales und C-terminales Intein) aus zur Synthese heterologer Proteine ist, dass die Inteine nicht verschiedenen Richtungen transkribiert. Ein Schema dieser von selbst hydrolysieren dürfen. Die eingesetzten Inteine, Reaktion ist in Abbildung 5 zu sehen. Nach der Translation beispielsweise das Sce VMA-Intein aus S. cerevisiae, wurdes N- und des C-terminalen Fragmentes interagieren beide den durch Mutagenese so verändert, das erst durch induExteine miteinander und es kommt zu einem Spleißen des zierende Bedingungen, beispielsweise durch eine pH-WertInteins, wodurch das DnaE-Protein funktionell verknüpft Reduktion oder eine Temperaturänderung, die Spleißwird. reaktion am C-Terminus ausgelöst werden kann. In Cyanobakterien konnten weitere in trans-spleiEs ist ebenfalls möglich, Inteine zu verwenden, deren ßende Inteine gefunden werden, die alle keine EndonukHydrolysereaktion am N-terminalen Ende reguliert werden lease aufweisen, aber sonst hoch konserviert sind. Die kann. Größen dieser Inteine sind ebenfalls nahezu identisch und Der gravierende Vorteil dieser Art der Aufarbeitung ist, belaufen sich auf 109 – 123 Aminosäuren für das N-termidass keine weiteren Chemikalien, wie 䊳 thiolische Agennale Inteinfragment und 35 – 36 Aminosäuren für das C-terminale Inteinfragment. Sie sind vermutlich so hoch konserzien, auf die Säule gegeben werden müssen, um ein Zielviert, da ihr Verlust, aufgrund ihrer Lokalisation im essenziprotein aus der Matrix herauszulösen. So treten keine ellen dnaE-Gen, von dem Wirtsorganismus nur schwer kompensiert werABB. 6 I N T E I N -V E R M I T T E LT E PROT E I N AU F R E I N I G U N G den könnte [10]. | Anwendungsmöglichkeiten von Inteinen Aufgrund ihrer ungewöhnlichen autokatalytischen Aktivität werden Inteine in der Biotechnologie eingesetzt. Von großem biochemischen Interesse sind chromatographische Aufarbeitungsmethoden von heterolog synthetisierten Proteinen, in denen mutierte Inteine zum Einsatz kommen (beispielsweise das IMPACTTM-System: Intein Mediated Purification with an Affinity Chitin binding Tag; New England Biolabs GmbH, Frankfurt am Main). Das Prinzip ist in Abbildung 6 dargestellt. Mit Hilfe dieses Systems kann ein Zielprotein an ein Intein gekoppelt werden. Meistens nimmt das Zielprotein die Position des C-Exteins ein. Auf der N-terminalen Seite wird das Intein mit einem Protein oder einer Domäne fusioniert, welche die spätere Aufreinigung des Zielproteins unterstützt. Eine solche Domäne ist beispielsweise die in kommerziellen Systemen verwendete Chitin-Binde-Domäne, die spezifisch an eine Chitin-Matrix bindet. Das verwendete Intein ist in diesem System spleißinaktiv, und kann nur die Hydrolysereaktion am C-Extein (Zielprotein, siehe auch Abbildung 2) durchführen. Zur Verhinderung einer N-terminalen Hydrolysereaktion wird die für das Spleißen essenzielle Aminosäure Cys1 oder Ser1 zu Ala1 mutiert. Ein spleißinaktives Intein (Mutation der ersten Aminosäure des Inteins Cys1oder Ser1 zu Ala1 (A) verhindert die N-terminale Hydrolyse) wird N-terminal von einer Chitin-Bindedomäne (CBD) und C-terminal von einem Zielprotein flankiert. Nach erfolgter Bindung an eine Chitin-Matrix und anschließenden Waschschritten wird die C-terminale Proteolyse (Asparagin-Zyklisierung) durch Veränderung bestimmter Parameter induziert und das Zielprotein herausgelöst. © 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.biuz.de 5/2006 (36) | Biol. Unserer Zeit | 299 Nebenreaktionen auf, die zu unerwünschten Modifikationen des Zielproteins führen könnten [15]. Neben ihrem Einsatz bei der Aufreinigung von Proteinen können Inteine durch eine gezielte Regulation der Spleißreaktion auch zur Synthese von sehr großen Proteinen verwendet werden. Sehr große komplexe Proteine können meist nicht in einem Wirtsorganismus wie E. coli erzeugt werden, da sie aufgrund der artfremden Bedingungen häufig instabil sind oder abgebaut werden. Eine Methode zur Proteinsynthese, bei der Teilfragmente eines Proteins mit Hilfe des durch Inteine vermittelten Proteinspleißens verknüpft werden, wird auch als Intein-vermittelte Proteinligation bezeichnet (IPL). Bei der IPL werden Proteine synthetisiert, die aktivierte Reste an einem ihrer Enden tragen. Mit dem in Abbildung 6 dargestellten IMPACT-System entstehen beispielsweise Proteine mit einem aktivierten Rest am N-Terminus, da das Intein an dieser Stelle abgespalten wird. Ebenso könnte ein Protein synthetisiert werden, welches aus einer N-terminalen proteolytischen Inteinreaktion entstanden ist, in diesem Fall wäre der C-Terminus des Proteins aktiviert. Wenn nun diese beiden Produkte anschließend in einer Lösung zusammen gebracht werden, kommt es spontan zur Bildung einer Peptidbindung zwischen ihnen. Diese Reaktion G LOSSA R | autokatalytisch: chemische Reaktion, die ohne Co-Faktoren abläuft und bei der ein Endprodukt katalytische Wirkung auf die Reaktion selbst hat. Endonuklease: Enzym, das eine spezifische Basenabfolge innerhalb einer Nukleotidkette erkennt und die Phosphodiesterbindungen spaltet. Häufig werden Endonukleasen von Introns codiert oder kommen innerhalb von Inteinen vor. Esterbindungen: Entstehen durch die Kondensationsreaktion zwischen einer organischen oder anorganischen Säure und der Hydroxylgruppe eines Alkohols. Thioesterbindungen entstehen durch die Kondensation zwischen einer Säure und einer Thiolgruppe. homologe Rekombination: Rekombination zwischen zwei DNA-Molekülen, die in ihrer Sequenz sehr ähnlich sind. horizontaler Gentransfer: Weitergabe genetischen Materials ohne sexuelle Fortpflanzung und unabhängig von bestehenden Artgrenzen. Intron: Nichtcodierender Bereich einer Gensequenz zwischen zwei Exons, der nicht in eine Proteinsequenz übersetzt wird. nukleophiler Angriff: Bei einem nukleophilen Angriff greift ein Atom mit einem freien Elektronenpaar ein (partiell) positives Atom unter Ausbildung einer kovalenten Bindung an. Thiole (Alkanthiole): Thiole sind organische Moleküle, die als funktionelle Gruppen so genannte Thiolgruppen aufweisen (-SH). Sie sind vergleichbar mit Alkoholen, bei denen die Position des Schwefels durch ein Sauerstoffatom besetzt ist (-OH). Ebenso wie die Alkohole können Thiolgruppen zu Estergruppen reagieren und werden dann Thioestergruppen genannt. trans-spleißende Inteine: Geteilte Inteine, bei denen der N-Terminus (N-Intein) und der C-Terminus (C-Intein) des Inteins an verschiedenen Stellen des Genoms codiert wird. Erst bei direktem Kontakt des N-Inteins und des C-Inteins wird Aktivität entwickelt und es folgt eine Verknüpfung der Exteine zu einem funktionsfähigen Protein. 300 | Biol. Unserer Zeit | 5/2006 (36) www.biuz.de führt zu einem neuen, größeren Protein. Indem ein drittes Produkt, welches von zwei Inteinen flankiert wurde, in die Reaktion eingebracht wird, können auch noch größere Proteine hergestellt werden. Im Experiment werden dazu die aktivierten Proteinfragmente nacheinander in die Reaktion eingebracht, so dass sich die an einer Matrix assoziierte Proteinkette von Reaktion zu Reaktion verlängert. Im Reagenzglas können auf diesem Wege auch Proteine erzeugt werden, die für ein Bakterium toxisch wären, indem nichttoxische Teilfragmente erstellt und diese anschließend miteinander verknüpft werden. Zusammenfassung Ein Intein ist eine Sequenz, die sich posttranslational und autokatalytisch aus einem Vorläuferprotein herausgespleißt. Inteine kommen in allen drei Bereichen des Lebens (Prokaryoten, Eukaryoten, Archaea) vor und werden auch als „Proteinintrons“ bezeichnet. Im Gegensatz zu Introns, bei denen die Spleißreaktion auf RNA-Ebene stattfindet, schneiden sich Inteine aus Proteinen heraus und verknüpfen die flankierenden Proteinbereiche (Exteine) über eine neue Peptidbindung. Viele Inteine besitzen außerdem noch eine Endonuklease, die sie nutzen, um sich durch horizontalen Gentransfer zu verbreiten. Das Intein-Spleißen kann an verschiedenen Reaktionsschritten beeinflusst und reguliert werden. Dies macht Inteine zu einem vielseitig einsetzbaren Werkzeug in der molekularen Biotechnologie und ermöglicht die Zusammensetzung verschiedener Proteinfragmente in vitro. Literatur [1] B. S. Chevalier, B. L. Stoddard, Homing endonucleases; structural and functional insight into the catalysts of intron/intein mobility, Nucleic Acids Research 2001, 29, 3757 – 3774. [2] F. K. Chu, G. F. Maley, F. Maley, M. Belfort, Intervening sequence in the thymidylate synthase gene of bacteriophage T4, Proc. Natl. Acad. Sci. 1984, 83, 3049 – 3053. [3] S. Elleuche, N. Nolting, S. Pöggeler, Protein splicing of PRP8 miniinteins from species of the genus Penicillium. Appl. Microbiol. Biotechnol. 2006, (im Druck). [4] T. S. Gimble J. Thorner, Homing of a DNA endonuclease gene by meiotic conversion in Saccharomyces cerevisiae, Nature 1992, 357, 301 – 306. [5] J. P. Gogarten, A. G. Senejani, O. Zhaxybayeva, L. Olendzenski, E. Hilario, Inteins: Structure, function and evolution, Annu. Rev. Microbiol. 2002, 56, 263 – 287. [6] R. Hirata, Y. Ohsmi, A. Nakano, H. Kawasaki, K. Suzuki, Y. Anraku, Molecular structure of a gene, vma1, encoding the catalytic subunit of H+-adenosine triphosphatase from vacuolar membranes of Saccharomyces cerevisiae, J. Biol. Chem. 1990, 205, 6726 – 6733. [7] P. M. Kane, C. T. Yamashiro, D. F. Wolczyk, N. Neff, M. Goebl, T. H. Stevens, Protein splicing converts the yeast TFP1 gene product to the 69 kd subunit of the vascuolar H+-adenosine triphosphatase, Science 1990, 250, 651 – 657. [8] X. Q. Liu, Protein-splicing intein: Genetic mobility, origin, and evolution. Annu. Rev. Gen. 2000, 34, 61 – 76. [9] C. J. Noren, J. Wang, F. B. Perler, Dissecting the chemistry of protein splicing and its applications, Angew. Chem. Int. Ed. Engl. 2000, 39, 450 – 466. [10] H. Paulus, Protein splicing and related forms of protein autoprocessing, Annu. Rev. Biochem. 2000, 69, 447 – 496. © 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim INTEINE [11] F. B. Perler, E. O. Davis, G. E. Dean, F. S. Gimble, W. E. Jack, N. Neff, C. J. Noren, J. Thorner, M. Belfort, Protein splicing elements: inteins and exteins – a definition of terms and recommended nomenclature, Nucleic Acids Research 1994, 22, 1125 – 1127. [12] F. B. Perler, InBase: the intein database. Nucleic Acids Research 2002, 30(1): 383 – 384. [13] S. Pöggeler, Fungal intervening sequences. In: D. Arora, G. G. Khachatourians (Hrsg.), Applied Mycology and Biotechnology, Elsevier Science, Oxford, 2005. [14] S. Pöggeler, F. Kempken, Mobile genetic elements in mycelial fungi. In: U. Kück (Hrsg.) The Mycota II; Genetics and Biotechnology, Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg, 2004. [15] D. W. Wood, W. Wu, G. Belfort, V. Derbyshire, M. Belfort, A genetic system yields self-cleaving inteins for bioseperations. Nature Biotechnology 1999, 17, 889 – 892. | M O L E K U L A R B I O LO G I E Die Autoren Skander Elleuche, geboren 1981 in Essen. 2001-2006 Studium der Biologie in Bochum. Diplomarbeit über Inteine in der Gattung Penicillium. Seit 2006 mit einer Dissertation zur Funktion des Bicarbonatstoffwechsels in filamentösen Hyphenpilzen beschäftigt. Stefanie Pöggeler, geboren 1963 in Bochum. Studium der Biologie in Bochum. Promotion 1993 und im Jahr 2000 Habilitation für das Fachgebiet Botanik in Bochum. Arbeitet am Lehrstuhl für Allgemeine und Molekulare Botanik der Ruhr-Universität Bochum. Forschungsgebiete: sexuelle Reproduktion und Entwicklung von filamentösen Hyphenpilzen, pilzliche Introns und Inteine. Korrespondenz: Dr. Stefanie Pöggeler Ruhr-Universität Bochum Lehrstuhl für Allgemeine und Molekulare Botanik Gebäude ND 6/161 44780 Bochum Email: [email protected] © 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.biuz.de 5/2006 (36) | Biol. Unserer Zeit | 301