Allergologie - MedUni Wien

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Allergologie
Skriptum zum Wahlfach SE 514011 1)
Verwendete Unterlagen/ Bücherempfehlung:
Abbas, Lichtman, Pober: Immunologie
Janeway, Travers: Immunologie
Roitt,Brostoff, Male: Kurzes Lehrbuch der Immunologie
Heppt, Renz, Röcken: Allergologie
zusammengestellt von
Dr. Beatrice Jahn-Schmid
Institut für Pathophysiologie
Zentrum für Physiologie, Pathophysiologie und Immunologie
Juni 2007
1) Die Inhalte dieser Präsentation sind ausschließlich für Lehrzwecke bestimmt
Inhaltsverzeichnis
Seite
1.
Immunologische Mechanismen
3
1.1.
Das Immunsystem
3
1.2.
Zellen des Immunsystems
3
1.3.
Phasen der spezifischen Immunantwort
4
1.4.
Vom Antigen zum Antikörper
4
1.5.
Antikörper / Ig-Subklassen
5
1.6.
Monoklonale Antikörper/ CD Nomenklatur
7
1.7.
T-Zell-Immunantwort
7
1.8.
Antigen-präsentierende Zellen (APC)
10
2.
Allergie
11
2.1.
Hypersensibilität Typ I-IV
11
2.2.
Typ I Allergie
12
2.2.1. Der atopische Formenkreis
12
2.3.
Allergene
13
2.4.
IgE -Rezeptoren
15
2.5.
Pathomechanismus
16
2.5.1. Sensibilisierungsphase
16
2.5.2. Effektorphase
17
2.6.
Nicht-IgE-vermittelte Mastzell-Degranulierung
18
3.
Allergie-Diagnostik
18
3.1.
Pathogenetische Faktoren
18
3.2.
Erscheinungsformen der Allergie
19
3.3
Diagnostik
20
3.3.1 Diagnostik in vivo
20
3.3.2. Diagnostik in vitro
21
4.
Allergie-Therapie
22
3.1.
Anti-allergische und anti-entzündliche Pharmakotherapie
22
3.2.
Kausaltherapie/Spezifische Immuntherapie
25
3.3.
Neue Konzepte in der spezifischen Immuntherapie
26
2
1. Immunologische Mechanismen
1.1. Das Immunsystem
Die Immunabwehr gliedert sich in eine angeborene (natürliche)
Immunität, die eine schnelle Reaktion auf Erreger und Noxen ermöglicht
und eine spezifische (erworbene) Immunität. Die spezifische (erworbene)
Immunantwort stellt erst die zweite Verteidigungslinie dar, hat aber die
Möglichkeit ein spezifisches Gedächtnis auszubilden, das bei einem
erneuten Kontakt mit demselben Erreger eine schnellere und verstärkte
Abwehrreaktion ermöglicht.
Beiden Systemen stehen für die Abwehr humorale (lösliche) als auch
zelluläre Mechanismen zur Verfügung.
Natürliche Immunität:
Epitheliale Barriere, Phagozyten, NK-Zellen; anti-mikrobielle Peptide,
Komplement, Interferone
Spezifische Immunität:
B-Lymphozyten > humorale Antikörper (Immunglobulin)/ T-Lymphozyten
(zelluläre Immunität)
1.2. Zellen des Immunsystems
Alle Zellen des Immunsystems leiten sich
von Stammzellen aus dem Knochenmark
ab. Sie reifen über verschiedene Vorstufen
(Precursor) zunächst in primären
lymphatischen Organen, und differenzieren
dann in sekundären lymphatischen Organen,
wo sie auf fremdes Antigen treffen zu
Effektor-Zellen.
Effektor-Funktionen von Lymphozyten:
B-Zellen: Antikörpersekretion
Reifung im Knochenmark (bone marrow) /
bei Vögeln in der Bursa fabricii
- extrazelluläre Erreger
T-Zellen: Reifung im Thymus
Helfer-T-Zellen: Aktivierung von T- und BZellen (Proliferation und Differenzierung)
- Aktivierung von Makrophagen zur
3
Tötung intrazellulärer Erreger.
Zytotoxische T-Zellen (CTL): Zell-Lyse
NK-Zellen: Zell-Lyse
-Tötung infizierter Zellen/ Tumorzellen
Eliminierung des Infektionsresevoirs
Regulatorische T-Zellen: aktive Immunsuppression
1.3. Phasen der spezifischen Immunantwort
Erkennungsphase:
Aktivierungsphase:
Effektorphase:
Antigene binden an klon-spezifische Rezeptoren
der naiven Lymphozyten.
Mind. zwei Signale sind notwendig. Es kommt zu
einer klonalen Expansion der antigen-spezifischen Lymphozyten und zur Differenzierung in
Effektorzellen oder Gedächtniszellen.
Effektorzellen erfüllen ihre Aufgabe
(Antikörper-, Zytokinproduktion, Lyse)
1.4. Vom Antigen zum Antikörper
Das membranständige Immunglobulin ist
der spezifische Antigen-Rezeptor der BZellen. Extrazelluläres Antigen bindet an den
B-Zell-Rezeptor (BCR) und wird von der BZelle internalisiert und in Lysosomen degradiert zu Peptiden (Antigen-Prozessierung).
Diese Peptide binden an MHC-Klasse II
Moleküle* und werden mit diesen zur
Zelloberfläche zurücktransportiert
(Antigen-Präsentation).
T-Zellen, deren Antigen-Rezeptor (TCR)
spezifisch für diesen MHC-Klasse II/PeptidKomplex sind, können mit der B-Zelle interagieren.
Dabei setzt die T-Helfer-Zelle Zytokine frei,
die zur Aktivierung und zur Differenzierung
der B-Zelle in Plasmazellen und Antikörperproduktion führen.
4
* MHC=major histocompatibility complex / Haupthistokompatibilitätskomplex; im Mensch HLA genannt: human leukocyte antigens;
membranständige HLA-Klasse I (HLA-A, -B, -C) und HLA-Klasse II (
HLA-DR, -DP, -DQ) Moleküle, die für die Transplantatabstoßung eine
wichtige Rolle spielen, da die Genprodukte des MHC polymorph sind
(d.h. versch. Individuen besitzen unterschiedliche MHC-Spezifitäten).
MHC Klasse I: auf allen kernhaltigen Zellen, jedes Klasse I Molekül ist
mit einem 2-Mikroglobulin Molekül assoziiert.
MHC Klasse II: bestehen aus - und -Kette; konstitutiv exprimiert auf
dendritischen Zellen, B-Zellen, Thymusepithelzellen
1.5. Antikörper/ Immunglobulin (Ig)-Klassen
Antikörper: Struktur/Funktion
Antikörper bestehen aus 4 Polypeptidketten, 2 schweren und 2 leichten
Ketten, die durch Disufidbrücken verbunden sind.
Der Fab-Teil (variable Region/enthält hypervariable Regionen) dient der
Antigenerkennung, der Fc-Teil (konstante Region) bestimmt die
biologische Funktion (z.B: Rezeptor-/ Komplement-Bindung).
Bsp: IgE
Antigen-
V, variable Region
Bindungsstellen
C, konstante Region
Disulphidbrücken (rot)
Glykosylierungsstellen (grau)
Domänenstruktur
Es gibt 2 Typen von leichten Ketten lambda () und kappa ()
Die Ig-Klasse und damit die Effektorfunktion wird bestimmt durch die
schwere Kette.
Es gibt 5 Ig-Klassen (Isotypen): IgM, IgD, IgG, IgA, IgE.
IgG ist bei weitem die häufigste Ig-Klasse und umfaßt 4 verschiedene
Subklassen (IgG1,2,3 und 4).
5
IgM und IgE besitzen eine zusätzliche konstante Region, aber keine
„Hinge“ Region („Scharnier/Gelenk“/ mobiler Anteil) zwischen Fc- und
Fab-Teil. IgM und IgA bilden Polymere (IgM: Pentamer; IgA: Dimer).
Hauptfunktionen der
Antikörper:
Unschädlich machen
eines fremden
Mikroorganismus oder
Antigens durch:
Neutralisierung
Opsonisierung
Komplement-Aktivierung
Funktionen der verschiedenen Ig-Subklassen:
6
1.6. Monoklonale Antikörper/CD Nomenklatur
Monoklonale Antikörper gegen spezielle Proteine können durch
Immunisierung (z.B. von Mäusen) und Fusion der B-Zellen aus dem
immunisierten Tier mit murinen Myelomzellen und nachfolgender
Selektion der Ak-produzierenden, unsterblichen Zellen gewonnen
werden. Diese sog. Hybridomzellen, werden kloniert und der Zellklon,
der den gewünschten Ak produziert wird expandiert und zur unlimitierten
Antikörperproduktion herangezogen.
Eine neue, schnellere Methode zur Herstellung monoklonaler Antikörper
bzw. von Fab- oder einzelnen variablen Regionen (sFv) bedient sich
rekombinanter cDNA-Banken, die über 10 Milliarden Spezifitäten
enthalten. Diese werden auf der Oberfläche von Bakteriophagen exprimiert („Phage-display“) und gegen die gewünschten Antigene in vitro
getestet. Solche rekombinanten Antikörper machen bereits ca. 30% aller
derzeit in der klinischen Prüfung befindlichen Biopharmazeutika aus.
Die Antikörper dienen der Identifizierung und Phänotypisierung von
Zellen (z.B. CD Antigene, Durchflußzytometrie), der Diagnostik (z.B. dem
Nachweis spezifischer Antigene oder Antikörper (z.B. ELISA) und der
Therapie (z.B. anti-TNF in Rheumatoider Arthritis).
CD Nomenklatur
Oberflächenmoleküle können als Marker für spezielle Zellpopulationen,
die diese exprimieren, verwendet werden. Die internationale Nomenklatur für solche Zellmarker ist das CD (cluster of differentiation)-System.
Die Funktionen dieser Oberflächenmoleküle sind divers und manche
sind für einen bestimmten Zelltyp (z.B. CD4 T Helfer Zellen) oder eine
best. Abstammungslinie spezifisch („lineage-marker“: z.B.: CD3 für TZellen, CD20 für B-Zellen). Monoklonale Antikörper, die spezifisch diese
Oberflächenantigene erkennen, können zur Zellcharakterisierung
eingesetzt werden.
Anwendung:
Diagnostik: Bestimmung der absoluten und relativen Zahl verschiedener
Zelltypen (Durchflußzytometrie/ bes. im hämatologischen Bereich)
Therapie: „targeting“ (Stimulation, Entfernung oder Isolation gewünschter
Zelltypen)
Forschung: Charakterisierung von Zellen und Funktionen, vielfältig
1.7. T-Zell-Immunantwort
Alle T-Zellen exprimieren auf ihrer Oberfläche den CD3/TCR-Komplex.
7
CD3 dient der Signal-Leitung und ist ein „Lineage“-Marker, d.h. ein
Oberflächenmolekül, das ausschließlich auf T-Zellen exprimiert ist.
Expression von CD4: Helfer-T-Zellen (Th) -> B-Zell-Hilfe (Steigerung der
Ig-produktion), Aktivierung der angeborenen Immunität (Makrophagen,
NK-Zellen), Produktion von Entzündungsmediatoren (IFN-, TNF)
Expression von CD8: Zytotoxische T-Zellen (CTL) -> Virenabwehr,
Tumorüberwachung, Transplantatabstoßung
Antigenerkennung: Im Gegensatz zu den B-Zellen, deren spezifische
Rezeptoren natives Antigen binden, erkennt der T-Zell-Rezeptor als
Ligand lineare Peptide, die erst durch Prozessierung des Antigens in
Antigen-präsentierenden Zellen entstehen und eingebettet in MHCKlasse I- (CD8+ T-Zellen) oder MHC-Klasse II (CD4+ T-Zellen) Moleküle
auf der Oberfläche von Antigenpräsentierenden Zellen dargeboten
werden.
Antigen-präsentierende Zellen (APC): Dendritische Zellen,
Makrophagen, B-Zellen
Endogen produzierte Proteine, die ins Zytosol gelangen (z.B. virale
Antigene) landen nach der Prozessierung in Proteasomen im ER
schließlich in MHC-Klasse I-Molekülen. Letztere haben eine besondere
Affinität zu CD8-Molekülen und interagieren deshalb nur mit CD8+ TZellen.
Exogene Antigene dagegen (z.B. Allergene, Bakterien) werden von APC
endozytiert und in Endosomen bei saurem pH enzymatisch zu Peptidfragmenten degradiert. Nach Fusion mit Vesikeln, die MHC-Klasse II
Moleküle enthalten, werden letztere mit den Peptiden beladen und
können dann CD4-Zellen stimulieren.
T-Zell-Aktivierung:
die „Immunologische Synapse“
Für die T-Zell-Aktivierung sind
mindestens 2 Signale notwendig:
CD4 oder CD8
1. TCR-MHC/Peptid-Interaktion
2. Ko-stimulierende Oberflächenmoleküle (z.B.: CD80, CD86,
ICAM-1) auf APC
Ein 3. Signal kann z.B. für die
Differenzierung ausschlaggebend
sein (z.B. Interleukin(IL)-12->Th1)
8
Naive T Zellen werden durch die Interaktion mit Dendritischen Zellen
„geprimed“. Sie proliferieren und produzieren zunächst ein sehr eingeschränktes Spektrum an Zytokinen (Th0; IL-2). Bei weiterer Aktivierung
differenzieren die T-Zellen in Effektor- oder Gedächtniszellen.
CD4+ T-Helferzellen (Th) können in
verschiedene funktionelle „Subsets“ eingeteilt
werden:
Th1 (Leit-Zytokin: IFN-) : -> Inflammation
Aktivierung von Makrophagen , CD8-, NK-Zellen
->Zelluläre Immunabwehr
Th2 (IL-4, IL-5, IL-13): -> humorale Abwehr
Wurmabwehr, Allergie
IL-4, IL-13 -> B-Zell-Switch zur IgE-produktion
IL-4 ->Wachstums-/Differenzierungsfaktor für Th2
IL-5-> Eosinophilen-Rekrutierung und Aktivierung
Th17 (IL-17): v.a. relevant in der Autoimmunität
Rekrutierung von Neutophilen
Außerdem gibt es verschiedene regulatorisch wirkende CD4+
Suppressor-Zellen die ihre Funktion über Zell-Zell-Kontakt oder
suppressive Mediatoren ausüben, z.B. : CD4+CD25+ Treg (IL-10/TGF-),
Tr1 (IL-10),Th3 (TGF-) -> orale Toleranz von Nahrungsmitteln,
Verhinderung von Autoimmunität und überschießenden
Immunreaktionen, d.h. Abdrehen der normalen Immunantwort
Die Differenzierung von T-Zellen involviert sowohl mehrmalige Zellteilung
als auch den Einfluß des jeweiligen ‚Microenvironments’.
Eine Rolle spielen z.B. Dosis, Route des Antigens, Eigenschaften der
APC oder des Antigens (z.B. partikulär vs. löslich).
Eine Differenzierung in verschiedene Effektor-Subpopulationen wird
durch bestimmte Zytokine bewirkt, die aus den APC oder von anderen
Zellen in der Umgebung stammen:
Th1: IFN-, IL-12
Th2: IL-4
Th17: IL-6, TGF-
Treg: IL-10
z.B.: Th1/Th2Differenzierung
9
Bei der T-Zell-Differenzierung wird die Expression von Genen (z.B. für
bestimmte Zytokine) induziert oder reprimiert. Verschiedene Transkriptionsfaktoren sind für die unterschiedliche Differenzierung von CD4-TZellen verantwortlich bzw. kennzeichnend, z.B.:
für
Th1: T-bet, STAT-4
Th2: GATA-3, STAT-6
Treg: Foxp3
Im Laufe der Differenzierung kommt es zu epigenetischen Umstrukturierungen am Chromatin wie Hyperacetylierung von Histonen und Demethylierung von DNA, so dass relativ stabile T-Zell-Phänotypen entstehen.
1.8. Antigen-präsentierende Zellen (APC)
Professionelle APC:
Diese Zellen exprimieren MHC-Klasse I/II Antigene (Antigenpräsentation) und sind in der Lage, gleichzeitig Ko-stimulierende Signale zu
liefern, um naive T-Zellen zu aktivieren:
Dendritische Zellen (DC) (in Milz, Lymphknoten); Langerhans-Zellen (in
der Haut), B-Zellen (potent in der Präsentation von Antigen, das vom
eigenen Antikörper erkannt wird) und Monozyten/Makrophagen
(ähnlich: Mikroglia-Zellen im Gehirn, Kupffer-Zellen /Leber).
Reife DC sind bei weitem die potentesten APC in der Aktivierung naiver
T-Zellen (Priming). Unreife dendritische Zellen (MHC und Kostimuli
schwach exprimiert; stark phagozytisch) nehmen das Antigen an der
Infektionsstelle im Gewebe auf, werden dabei aktiviert, wandern zu den
lokalen Lymphknoten, wo sie als reife DC (MHC, Ko-Stimuli wie CD80,
CD86 etc. und Adhäsionsmoleküle stark exprimiert) mit naiven T Zellen
interagieren.
Nicht professionelle APC:
z.B.: Endothelzellen, Epithelzellen, Fibroblasten: sie exprimieren
normalerweise keine MHC Klasse II- Antigene können diese aber
fakultativ exprimieren (z.B. nach Stimulation durch IFN-) und Antigene
präsentieren.
Antigen-Aufnahme in die APC
Partikuläre oder lösliche Antigene können per Phagozytose oder
Pinozytose aufgenommen werden.
Wesentlich effizienter ist hingegen die Rezeptor-vermittelte Aufnahme
von Antigenen über:
– „Pattern Recognition“ Rezeptoren z.B.: CD14 für LPS (Monozyten)
10
– membrangebundenes Ig (B-Zellen)
– Komplementrezeptoren: C3bR=CD35 (Monozyten, B-Zellen)
– Fc Rezeptoren:
Fc 
CD64
DC, Monozyten/Makrophagen
Fc
CD32
Monozyten/Makrophagen, B-Zellen
Fc 
CD16
Makrophagen, B-Zellen
- FcRI:
- FcRII:
2.
DC, Monozyten/Makrophagen
CD23
B-Zellen, akt. Makrophagen, follikuläre DC
Allergie
2.1. Hypersensibilität vom Typ I-IV
Einteilung der allergischen Reaktionen nach Coombs und Gell
(1963):
Die Überempfindlichkeitsreaktionen vom Typ I-III sind Antikörpervermittelt. In der Pathogenese der Typ IV-Reaktionen spielen TLymphozyten die entscheidende Rolle (z.B.: Tuberkulin-Reaktion).
Obige Abbildung zeigt eine Zusammenfassung der verschiedenen
pathologischen Immunreaktionen.
11
2.2. Typ I Allergie
Der Begriff Allergie wurde von
Clemens von Pirquet (1906-Ordinarius der
Kinderklinik in Wien) geprägt:
grch. allos (anders, verändert); ergos (Arbeit),) Aktion
Definition :
Allergie= Veränderte Reaktivität des Immunsystems; sie ist nicht
protektiv sondern überschießend und für den Körper schädlich.
d.h. –>Allergie ist eine sog. Überempfindlichkeitsreaktion, bei der eine
per se nicht schädliche Substanz in prädisponierten Individuen eine
Immunantwort auslöst und damit zu Krankheitserscheinungen führen
kann.
Bereits vor 4000 Jahren starb Pharao Menses an einer BienengiftAllergie. Die Zahl der Allergiker steigt ständig an. Epidemiologische
Studien zwischen 1926 und 1995 haben z.B. den enormen Anstieg der
Prevalenz an Pollenallergien von 1.2% auf 16.3% gezeigt.
2.2.1. Der atopische Formenkreis:
Atopische Dermatitis - Allergische Rhinitis/Konjunktivitis - Allergisches
Asthma bronchiale
Bei der Atopie handelt es sich um eine typische Überreaktion der Th2Immunantwort. Die Zahl der IL-4 produzierenden T-Zellen im Blut von
Atopikern ist höher als die von normalen Kontrollpersonen. Daher findet
man praktisch immer erhöhte Gesamt-IgE-Spiegel, 2-10x über dem
Normalwert von 50ng/ml (= 0.001%Ig), allergen-spezifisches IgE und
Eosinophilie.
Es gibt im englischen Sprachgebrauch den Begriff „atopy“, der mit Typ I
Allergie gleichgesetzt wird. Es gibt aber Typ I-Allergie ohne Atopie oder
auch Atopische Dermatitis ohne Typ I Allergie.
Prävalenz atopischer Erkrankungen:
Positiver Hauttest:
Tatsächliche atopische Erkrankung:
30%
15-20%
Aeroallergene:
max. Prävalenzrate zwischen 15-30 Jahren
Atopische Dermatitis: 50% der Betroffenen im 1. Lebensjahr
90% im Alter von 1-3 Jahren
12
Asthma bronchiale: 5-10% Prevalenz, ist damit die häufigste chronische
Kinderkrankheit!
Altersabhängige Inzidenzrate (erstes Auftreten) von Symptomen:
Inzidenz
Nahrungsmittelallergie
Atopische Dermatitis
Asthma
Allergische Rhinitis
0 0.5
1
3
7
15
Alter (Jahre)
Im frühen Kindesalter überwiegen Nahrungsmittelallergie und Atopische
Dermatitis, während allergische Rhinitis und Asthma bronchiale erst im
Schulalter auftreten. Etwa 25% der Patienten mit Rhinitis entwickeln
später mit Fortbestehen der Allergie eine Asthma-Symptomatik
(„Etagenwechsel“). Obwohl es Unterschiede zwischen Rhinitis und
Astma gibt, legen pathophysiologische Studien nahe, dass obere und
untere Atemwege von einem gemeinsamen, wahrscheinlich fortschreitendem Entzündungsprozess betroffen werden.
2.3. Allergene
Definition: Ein Allergen ist ein Antigen, das potentiell zu einer
Sensibilisierung mit dem nachfolgendem Zustand der Überempfindlichkeit führen kann.
Eine Allergenquelle (z.B.: Pollen, Tierhaare, Schimmelpilze) kann eine
Reihe von Allergenen enthalten. Diese werden definiert über ihre
Fähigkeit, IgE aus sensibilisierten Individuen zu binden und aus Effektorzellen Histamin freizusetzen.
Diese Proteine oder Glycoproteine werden nach ihrer Relevanz in
Hauptallergene (Protein gegen das > 50% aller gegen diese Allergenquelle allergischen Patienten spezifische IgE-Antikörper besitzen; z.B.:
13
Bet v 1- 95% der Birkenpollenallergiker sind auf Bet v 1 sensibilisiert)
und Nebenallergene (<50% Prävalenz; z.B. Bet v 2) unterteilt.
Sog. Panallergene sind Allergene, deren Homologe ubiquitär in vielen,
eigentlich nicht verwandten Spezies vorkommen und deshalb oft zu
Kreuzreaktivität führen (z.B. Bet v 2= Profilin).
Häufige Allergenquellen:
inhalative Allergene:
saisonal: Pollen (Gräser, Bäume, Unkräuter); Symptome nur während
der entprechenden Blühperiode
perennial: Hausstaubmilben-Ausscheidungen (nicht Staub!),
Tierhaare/-epithelien, Schimmelpilzsporen
sind oft Ursache für Asthma bronchiale
Nahrungsmittelallergene:
Die häufigsten Nahrungsmittel, die im Kleinkinderalter eine Typ-I-Allergie
auslösen sind: Kuhmilch, Hühnerei, Weizen, Nüsse. Diese Form der
Allergie verschwindet normalerweise wieder.
In Erwachsenen sind Nahrungsmittelallergien seltener und sind häufig
gegen Gemüse, Obst, Gewürze, Milch/-produkte, Fisch, Krebstiere,
Muscheln, Nüsse oder Getreide gerichtet.
In Folge einer Pollen-Allergie kann es auch zu Kreuzreaktionen von
Pollen-spezifischem IgE mit Nahrungsmittelbestandteilen kommen.
Diese Kreuzreaktion basiert auf Homologien von Proteinen in den
Nahrungsmitteln mit Pollenallergenen, z.B. mit dem BirkenpollenHauptallergen Bet v 1 (Kreuzallergien: Apfel, Pfirsich, Haselnuß, Kirsche,
Sellerie, etc.). Beifußpollen-Allergiker sind oft auch allergisch auf Sellerie
und verschiedene Gewürze, oder Ragweed-Allergiker auf Melone.
„Non-atopische“ Allergene: d.h. Substanzen, die auch in nicht atopisch
prädisponierten Individuen Allergien auslösen sind z.B.:
Insektengifte: besonders aus Biene und Wespe oder
Medikamente: Penicillin, andere Antibiotika, Analgetika (Haptene, die an
Serumproteine gebunden als Vollallergen wirken)
Charakteristika von Allergenen:
Mit wenigen Ausnahmen sind Allergene Proteine oder Glykoproteine mit
5-100 kDa molekularer Masse. Meist sind sie wasserlöslich (d.h. sie
lösen sich z.B. im Sekret der Schleimhäute). Sie müssen von Lymphozyten des spez. Immunsystems als Fremdantigen erkannt werden. Für
14
die Sensibilisierung notwendige Allergendosen sind nicht genau bekannt,
aber sehr niedrig (µg-Bereich).
Die physikalischen und chemischen Eigenschaften von Allergenen
treffen auch auf viele Moleküle zu, die keine allergene Potenz besitzen.
Die bekannten Allergene lassen sich zwar grob in bestimmte StrukturKlassen einteilen, aber die Allergenizität eines Proteins lässt sich nicht a
priori aus seiner Struktur vorhersagen. Allergen-Homologe, d.h. sehr
verwandte, struktur-ähnliche Proteine aus anderen Spezies können
allerdings Kreuzallergene darstellen (s.o. z.B. viele Nahrungsmittelallergene) und allergische Symptome auslösen.
Nomenklatur: Allergene werden entsprechend ihrer biolog. Taxonomie
benannt z.B.: Bet v 1 aus Betula vulgaris (Birke), Phl p 1 aus Phleum
pratense (Lieschgras).
Die ersten 3 Buchstaben der Gattung, erster Buchstabe der Art, und eine
arabische Zahl, die in der Reihenfolge ihrer Identifikation erteilt wird und
nicht immer die Relevanz des betreffenden Allergens widerspiegelt.
2.4. IgE-Rezeptoren
FcRI: =hoch-affiner IgE-Rezeptor
Tetrameraus  (extrazellulär; Bindung von IgE)und2-Ketten
(trans-membranös bzw.intrazellulär; Signalübertragung). Expression
insbesondere auf Mastzellen und Basophilen, aber auch auf
Eosinophilen und Langerhans-Zellen der Haut, Monozyten und
Makrophagen.
Die Interaktion von IgE mit dem FcRI führt zu einer Erhöhung seiner
Expression. Deshalb ist die Rezeptorzahl auf den Effektorzellen bei
Allergikern erhöht.
Eine lange Verweildauer des Rezeptor-gebundenen IgE erhöht die
Halbwertszeit des IgE (T1/2: 3 Wochen vs. Serum T1/2: 2-3 Tage)
beträchtlich.
FcRII: =niedrig-affiner IgE-Rezeptor (CD23)
auf Lymphozyten, Eosinophilen, Makrophagen, Langerhanszellen,
Thrombozyten
-> Aktivierung der Immunantwort durch IgE-Immunkomplexe/ Verstärkte,
spezifische, IgE-vermittelte Allergenaufnahme in APC.
15
2.5. Pathomechanismus
Prausnitz und Küstner: 1921 Selbstversuch / gegenseitige Übertragung
der Allergie durch Serum (PCA / passive cutaneous anaphylaxis)
3 Komponenten sind nötig:
1. Allergene
2. Spezifische Serumfaktoren von allergischen Individuen
(Allergen-spezifische IgE Antikörper)
3. Gewebekomponenten in allen Individuen (Effektorzellen =
Mastzellen)
Die Grundlage einer jeden Allergie ist eine spezifische Immunreaktion,
wobei eine Phase der Sensibilisierung von der Effektor-Phase zu
unterscheiden ist. Die Effektormechanismen verursachen erst die
eigentlichen Allergie-Symptome.
2.5.1. Sensibilisierungsphase
Die Sensibilisierung kann über verschiedene Routen führen: häufig
inhalativ, oral). Normale Allergene (z.B. aus Pollen) lösen präferentiell in
Atopikern Typ I Allergien aus. Sog. „nicht-atopische“ Allergene wie z.B.
Insektengift oder Penizillin, können bei mehrmaliger Injektion in
16
bestimmter Zeitfolge auch in nicht-disponierten Individuen zu einer
allergischen Sensibilisierung führen.
Das Allergen kommt bei seinem Eintritt in die Mukosa zunächst mit
Antigen-präsentierenden Zellen (dendritische Zellen; Langerhanszellen)
in Kontakt. Diese nehmen das Protein auf, prozessieren es und
präsentieren Peptid-Epitope an Th Zellen. In Allergikern entsteht bei
dieser Immunantwort ein Übergewicht an Zellen der Th2-Subpopulation,
die neben anderen Zytokinen große Mengen an IL-4, IL-13 und IL-5
produzieren. IL-4 und IL-13 induzieren in B-Lymphozyten einen Ig-Switch
und die Produktion von IgE. IL-5 rekrutiert und aktiviert eosinophile
Granulozyten. IgE Antikörper binden über ihren Fc-Teil an hoch affine
FcRI von Basophilen und Mastzellen (Effektorzellen). Die Zellen sind
damit „sensibillisiert“ und können aufgrund der Stabilität dieses IgERezeptor-Komplexes über lange Zeit, bei erneutem Allergenkontakt, eine
allergische Situation auslösen.
2.5.2. Effektorphase
Die Effektorphase gliedert sich in 2 Phasen, eine Sofort- und eine
Spätreaktion.
Soforttypreaktion:
Sie tritt typischerweise innerhalb von 5-15 Minuten nach Antigenkontakt
ein und kann sowohl lokal als auch systemisch auftreten.
Es werden aus den Mastzellen, bereits in Granula gespeicherte
Substanzen (Entzündungsmediatoren und Spasmogene) freigesetzt:
Histamin, Tryptase, Kininogenase.
V.a. Histamin löst eine akute Entzündung aus. Histamin erweitert kleine
Blutgefäße (große werden kontrahiert) und erhöht deren Permeabilität,
Es verursacht Juckreiz, Schmerz und Kontraktion lokaler glatter Muskulatur (z.B.: in den Bronchien). Die typische Hauteffloreszenz der Typ I
Allergie ist die Quaddel-Erythem Reaktion (engl. wheal and flare) wie sie
z.B. im Pricktest zu beobachten ist.
Auch die Symptome der Inhalationsallergien (Rhinitis, Konjunktivitis) sind
v.a. Histaminwirkungen und können daher gut mit Histaminrezeptorantagonisten (Antihistaminika, H1-Rezeptorenblockern) bekämpft
werden.
Spätphasenreaktion
Im Rahmen der Mastzelldegranulation werden auch verschiedene
chemotaktische Faktoren (z.B. ECF-A eosinophilic chemotactic factor,
17
NCF neutophilic chemotactic factor) und Zytokine freigesetzt (TNF, IL-3,
IL-4, IL-5, IL-8), die auf Entzündungszellen und Endothel wirken.
Innerhalb von 6-8 Stunden entsteht ein Infiltrat von Granulozyten (viele
Eosinophile) und Lymphozyten (v.a. Th2). Über Aktivierung von
Phospholipase A wird aus der Membran Arachidonsäure freigesetzt, das
in potente Entzündungsmediatoren metabolisiert wird (Leukotriene,
Prostaglandine, Thromboxan).
In der Haut präsentiert sich die Spätphasenreaktion als eine histologisch
dicht infiltrierte Effloreszenz.
Besonders bedeutend ist die Spätphasenreaktion für das allergische
Asthma bronchiale.
2.6. Nicht-IgE-vermittelte Mastzelldegranulation
Mastzellen spielen nicht nur bei der Typ I Allergie eine wichtige Rolle,
sondern sind auch im Rahmen normaler Entzündungs- und Abwehrvorgänge von Bedeutung.
Mastzellen werden degranuliert durch:
- physikalische Reize (Traumen): es kommt zu einer akuten Entzündung,
wobei Immunzellen rekrutiert werden, die -falls nötig- eine Immunantwort
ermöglichen
- Anaphylatoxine (Spaltprodukte des Komplementsystems: C5a, C3a)
- Tachykinine: z.B. Substanz P, Neurokinin A,B
- Medikamente: Opiate, Röntgenkontrastmittel, Insektengifte
- Lektine (Proteine oder Glykoproteine die an Kohlehydrate binden)
Nicht-IgE-vermittelte Mastzelldegranulation mit Anaphylaxie-ähnlichen
Symptomen heißen „anaphylaktoide Reaktionen“. Diese können
gelegentlich durch Medikamente (z.B. Röntgenkontrastmittel) oder bei
massiver Komplementaktivierung durch Anaphylatoxine ausgelöst
werden.
3. Allergie-Diagnostik
3.1. Pathogenetische Faktoren
- Genetische Prädisposition: multiple „Atopie-Gene“ -> Struktur- und
Promoter-Varianten verschiedener Gene sind mit Atopie assoziiert,
z.B.: auf Chromosom 11: FcRI;
auf Chromosom 5: IL-4-Promoter, IL-4R
TIM/T-Zell-Oberflächenantigene, IL-12 p 40;
18
Polymorphismus in Gen ADAM33 =bronchiale Metalloproteinase
->Assoziation mit Asthma
Das Kind erbt Veranlagung zur Atopie (Ausnahmen: Penizillin,
Bienengift), Schweregrad und Art der Organbeteiligung, jedoch nicht
die Allergiespezifität!
Man geht davon aus, dass Allergien das Resultat überlappender
Genkonstellationen sind und zusätzlich durch unterschiedliche
Umweltfaktoren beeinflusst werden.
Generell ist eine Zunahme der Allergien mit dem sog. „Westlichen
Lebensstil“ verbunden. So geht etwa die „Hygienehypothese“ davon aus,
dass die heutige geringere bakterielle und parasitäre Exposition der
Bevölkerung (hoher Hygiene-Status; Durchimpfung der Population) die
Entgleisung des Immunsystems bewirkt. Adjuvante Faktoren spielen
ebenso eine Rolle (z.B.: Luftverschmutzung: Ruß/Diesel-Exposition,
Raucherkinder -> Asthmarisiko stark erhöht).
Risikofaktoren für Allergie-Entwicklung:
- Allergiker in der Blutsverwandtschaft;
- Frühe Entwicklung von allergischen Symptomen bei AllergenExposition in Nahrung u. Luft (z.B.: Kuhmilch, Milbenallergene)
- Kleinfamilie, hohes soziales Niveau; wenig durchgemachte Infektionen;
Tabakrauch der Eltern;
Schutzfaktoren:
- Großfamilie mit mehreren Geschwistern und Tieren im Haushalt,
- Früher Kontakt mit Stall-Tieren (Bauernhof/ 1. Lebensjahr ist relevant)
- Früher Besuch einer Kinderkrippe
3.2. Erscheinungsformen der Allergie
Symptomatik: von lokal (d.h. am Ort des Kontaktes mit dem Allergen) bis
systemisch; Maximalvariante: anaphylaktischer Schock
Allergische Rhinokonjunktivitis:
unangenehmer Schnupfen, Niesanfälle („Heuschnupfen“),
Bindehautentzündung bei Inhalation des Allergens oder Auftreffen des
Allergens über den Luftweg.
Allergisches Asthma bronchiale:
Asthma =grch. „Atemnot“
Oft Folge einer unbehandelten Rhinitis („Etagenwechsel“).
Definition: Variable und reversible Bronchialobstruktion infolge
entzündlicher Veränderungen der Bronchialschleimhaut (vermehrte
19
Schleimbildung; Ödeme) und Hyperreaktivität der Atemwege
(Verkrampfung der Bronchialmuskulatur).
Typischer zwei-phasiger Verlauf mit Soforttypreaktion innerhalb von
Minuten mit anschließender Besserung der Bronchialobstruktion, dann
lang andauerende Obstruktion aufgrund der Spätphasenreaktion.
Nahrungsmittelallergie:
Orales Allergie-Syndrom: lokale Reaktionen an der Mundschleimhaut
(Jucken, Bläschenbildung, Schwellung im Rachenraum und der Zunge),
Erbrechen, Durchfall. Systemische Symptome: Urtikaria, Angioödem
(Quincke Ödem), Asthma bronchiale, anaphylaktischer Schock.
Insektengiftallergie:
Symptome: über das normale Maß hinaus verstärkte Lokalreaktionen
(Schwellung > handtellergroß), über leichte-mittlere systemische
Reaktion mit Asthma bronchiale, Urtikaria, Schwindel, Diarrhoe etc. bis
zum anaphylaktischer Schock.
Medikamentenallergie:
Urtikaria, Arzneimittelexantheme bis hin zum anaphylaktischer Schock.
3.3. Diagnostik der Typ I Allergie
genaue Anamnese; vor allem zu beachten: Familiengeschichte,
Auftreten der Symptome: Seit wann? Ob perennial/saisonal? Mögliche
Allergenexposition (zuhause/ beruflich)?
Probleme beim Verzehr von bestimmten Nahrungsmitteln?
3.3.1. In vivo-Diagnostik:
Der Prick-Test ist ein Test bei dem flüssige Allergenextrakte an der
Innenseite der Unterarme eingeritzt (“geprickt”) werden. Falls eine
Überempfindlichkeit besteht, entsteht nach einigen Minuten eine
Quaddel/Erythem-Reaktion.
Der Intrakutan-Hauttest ist sensitiver als der Prick-Test und wird z.B. bei
Verdacht auf Insektengift angewendet: intrakutane Injektion von 50µl
Allergenlösung ausgehend von 1% der im Prick-Test negativen Lösung.
Provokationstests: Es kann notwendig sein, den Patienten mit dem
Allergen direkt zu provozieren: inhalativ- nasal/ bronchial (Rhinomano20
metrie / Provokationskammer); bei Verdacht auf Asthma:
Lungenfunktionstest und Bestätigung der Reversibilität,
oder oral (z.B.: Nahrungsmittel: doppel-blind-Plazebo-kontrolliert, d.h.
weder Patient noch Arzt wissen die Abfolge von Verum und Plazebo)
Spezielle Tests:
Prick-to-Prick-Test z.B.: bei Verdacht auf Nahrungsmittelallergie; zuerst
wird mit der Lanzette das Allergen (z.B. Apfel) und dann sofort mit
derselben Lanzette die Haut des Patienten geprickt.
Epikutantest (Atopy-Patch-Test) bei Verdacht auf allergisches KontaktEkzem / Typ IV Allergie oder Atopische Dermatitis:
Auf eine Ekzem-freie Hautstelle am Rücken werden Teststreifen
aufgeklebt, die kleine Kammern mit Allergenen in Vaseline oder in
Wasser gelöst enthalten. Die Teststreifen werden nach 48 Stunden
abgenommen und die Haut nach 48 und 72 Stunden auf Ekzeme mit
diskreten Papeln untersucht.
3.3.2. In vitro Diagnostik:
Bestimmung des Gesamt-IgE-Spiegels z.B: mit PRIST (paper radio
immuno sorbent test) -> Aussage über allergische Disposition
Bestimmung der Allergen-spezifischen IgE-Antikörper z.B. mit CAP-FEIA
(Fluoreszenz-Enzym-Immun-Assay).
Der Spiegel des allergen-spezifischen IgE korreliert nicht mit dem
schweregrad der Symptomatik.
Wichtig ist die Relation von allergen-spezifischem IgE zum Gesamt-IgE!
Die Besetzung der IgE-Rezeptoren auf den Effektorzellen ist
ausschlaggebend für die allergische Reaktion.
Gesamt IgE: altersspeziifsche Referenzwerte
kU/L (1kU= 2.4mg)
newborn
<5
3 months < 11
1 Jahr
< 29
5 Jahre
< 52
10 Jahre < 63
Erwachs. < 81
“Atopiker“ >120
21
Allergen-Microarrays: Sog. „Allergen-Chips“ befinden sich im
Entwicklungsstatus. Mit deren Hilfe sollte IgE
gegen eine Vielzahl von Allergenen in einem Test und in einer minimalen
Serummenge bestimmbar sein.
Weitere indikative Marker:
Bestimmung von ECP (eosinophiles kationisches Protein) im Serum
Basophile Granulozyten-Aktivierung:
Bestimmung von Histaminfreisetzung (Histamin-Nachweis) oder von
Aktivierungsmarkern nach Zugabe von Allergen (CD63 /nach 20-40 min.;
CD203c/ nach 5-15 min. mittels Durchflußzytometrie).
4.
Allergie-Therapie
Literatur:
Leitfaden Management der allergischen Rhinitis und ihr Einfluß auf das Asthma:
Allergologie 25: (1) 7-18 (2002)
In Abhängigkeit vom Schweregrad der allergischen Rhinitis (leicht/
mäßig-schwer bzw. intermittierend/persistierend) wird ein schrittweises
therapeutisches Vorgehen vorgeschlagen:
Kombination von - Allergenkarenz (falls möglich)
- Pharmakotherapie
- Immuntherapie
Bei persistierender allergischer Rhinitis sollte auf gleichzeitiges Vorliegen
von Asthma bronchiale untersucht werden, um eine geeignete
Kombinationstherapie zu finden.
4.1. Anti-allergische und anti-inflammatorische
Pharmakotherapie
Symptomatische Therapie: erfolgt unter Berücksichtigung der Art der zu
behandelnden allergischen Reaktionen und des Manifestationsorgans
Die Arzneimittel haben keine langanhaltende Wirkung nach Absetzen,
d.h. bei persistierender Erkrankung ist eine Dauertherapie nötig. Die
Wirkung der Medikamente nimmt üblicherweise nicht mit Dauer der
Anwendung ab.
22
Allgemeine Therapiestrategie: Im Falle einer Verbesserung Step-down;
im Falle einer Verschlechterung Step-up
- Antihistaminika
H1-Rezeptorblocker (oral, intranasal)
Erste Generation (ZNS-gängig), Zweite Generation (nicht ZNS-gängig,
nicht sedativ), Dritte Generation (ähnlich 2. Generation; aktive Enantiomere)
Anwendung:
Rhinokonjunktivitis/ bei Bedarf als Antihistamin-Tropfen oder –Sprays;
sind die ideale Behandlung wenn nur leichte Beschwerden vorwiegend
an einer Stelle auftreten, z.B. wenn nur eine Bindehautentzündung
vorliegt. Die Therapie ist ausgezeichnet verträglich. Die Wirkung tritt
schnell ein (oral:<1 Stunde, topisch: < 30 min). Wenig wirksam gegen
Nasenverstopfung.
Beachte: H2-Rezeptorblocker >> H2-Rez. an Magenschleimhaut, Herz, Blutgefäßen
- Mastzellstabilisatoren: Cromone / Hemmer der Mediatorfreisetzung
z.B.: Cromoglycinsäure / Nedocromil
Schwächere Wirkung als Anti-Histaminika und Kortison; Anwendung bei
Kleinkindern, bei Rhinokonjunktivitis (sehr wirksam intraokulär),
schwachem Asthma, Bronchitis. Die Wirkung tritt erst verzögert ein,
muss daher z.B. schon eine Woche vor Pollensaison eingenommen
werden. Wirkungsmechanismus kaum verstanden.
- Anti-inflammatorische Medikamente:
Kortikosteroide: (intranasal, oral)
Kortisonhältige Medikamente sind die stärksten Mittel gegen Allergie. In
Tropfen- oder Sprayform wirken sie ausgezeichnet bei blockierter Nase
und stärkeren Beschwerden durch Schnupfen.
Die Substanzen die inhalativ an den Schleimhäuten angewendet werden
wirken nur lokal und werden praktisch nicht in den Organismus aufgenommen; die problematischen Nebenwirkungen einer systemischen
(Tabletten, Injektion) Kortisontherapie treten daher nicht auf.
Aufgrund des Wirkungsmechanismus (Genregulation) keine Sofortwirkung möglich (Wirkung setzt nach 6-12h ein; max. erst nach wenigen
Tagen)!
- Dekongestiva: (intranasal, oral) Sympathomimetika
23
Als Nasenspray-/tropfen wirksam bei nasaler Obstruktion, zum
Abschwellen der Nasenschleimhaut sehr effektiv; Bedarfsmediktation.
Stimulieren das vegetative Nervensystem/ Nervus symphaticus
-Sympathomimetika: primär Vasokonstriktion, verringerte Durchblutung
ohne Bronchodilatation oder Tachykardie
Bei Anaphylaktischem Schock:
Sofortbehandlung mit Adrenalin: i.v. (stimuliert 1-Rezeptoren an
Gefäßen -> vasokonstriktorisch, antiödematös und 2-Rezeptoren an
Herz/glatter Muskulatur -> Bronchodilatation in Kombination mit
Antihistaminika.
Die Therapie des Asthma bronchiale oder atopischer Dermatitis ist sehr
komplex. Deshalb hier nur Beispiele anderer medikamentöser Ansätze,
die auch mit den oben genannten Medikamenten kombiniert werden
können:
- Theophyllin (Asthma bronchiale)
Hemmt die Phosphodiesterase II und blockiert vermutlich Adenosin-A1Rezeptoren -> cAMP-Erhöhung, bewirkt Abnahme des
Bronchospasmus.
- Leukotrien-Rezeptor-Antagonisten (z.B. Montelukast, Pranlukast)
werden bei leichtem bis mittel-schwerem Asthma bronchiale eingesetzt;
binden an LTD4-Rezeptoren; sind anti-inflammatorisch, indem sie die
PAF-induzierte chemotaktische Migration der eosinophilen Granulozyten
von Endothelzellen reduziert.
- anti-IgE-Antikörper (Omalizumab)
humanisierter anti-IgE-Antikörper bindet C3-Domäne und fängt IgE ab
bevor es an FcRI binden kann; wird eingesetzt bei schwerem, therapieresistentem allergischem Asthma bronchiale.
-2-Sympathomimetika:
wirken auf Adrenorezeptoren, imitieren die Catecholamine
(Adrenalin/Noradrenalin) und wirken bronchienerweiternd und spasmolytisch; rasche Wirkung bei Asthma bronchiale.
24
- Kortikosteroide:
Topische Anwendung bei Neurodermitis/atopischem Ekzem v.a. bei allen
akuten Formen. Kortisonhältige Cremes müssen gezielt und nicht zu
lange eingesetzt werden, sind aber in bestimmten Situationen
unumgänglich.
- Cyclosporin, Tacrolimus:
bei Neurodermitis, chronischer Urtikaria
Tacrolimus/Pimecrolimus: eine neue Generation von Medikamenten, die
eine entzündungshemmende Wirkung wie Kortison haben, ohne jedoch
ähnliche Nebeneffekte zu bewirken.
4.2. Kausaltherapie / Spezifische Immuntherapie
Allergenkarenz:
Vermeidung des Kontakts mit dem Allergen soweit wie möglich z.B.:
Wohnungssanierung (Maßnahmen gegen Hausstaubmilben, Schimmelpilz), Arbeitsplatzwahl, Vermeidung bestimmter Nahrungsmittel
Spezifische Immuntherapie (SIT) (Hyposensibilisierung):
SIT ist indiziert bei Patienten,
- deren Symptomatik durch konventionelle Pharmakotherapie nur
unzureichend zu kontrollieren ist,
- bei denen orale H1-Antihistaminika und intranasale Pharmakotherapie
die Symptome nur unzureichend kontrollieren,
- die (Langzeit-) Pharmakotherapie ablehnen,
- bei denen Pharmakotherapie unerwünschte Nebeneffekte auslöst.
Im Grunde gibt es die SIT bereits seit 1911 (Noon, Lancet)
Versuch der Standardisierung im WHO-position paper 1998 (Allergy)
Ziel der SIT ist eine Umorientierung des Immunsystems, wobei versucht
wird, über die Applikation von möglichst hohen Allergenkonzentrationen
über einen langen Zeitraum die allergen-spezifische Immunantwort auf
verschiedenen Ebenen der Regulation zu beeinflussen.
Um IgE-mediierte Nebenwirkungen zu vermeiden, wird die Allergenkonzentration in der Steigerungsphase schrittweise (wöchentliche
Applikation) bis zur Erreichung der Erhaltungsphase (etwa 3 Monate)
erhöht und dann Zeitdauer von bis zu 3 Jahren bei konstante Dosierung
fortgesetzt (evtl. Reduktion während Pollensaison). SIT wird erst ab
einem Alter von 5 Jahren empfohlen.
25
Konventionell werden Allergenextrakte subkutan verabreicht. Bei der SIT
-Impfung wird in Europa i.d.R. Aluminiumhydroxid als Adjuvans
verwendet (dagegen kein Adjuvans in den USA).
Die mukosale Gabe des Allergens sublingual (SLIT; wässrige Lösung/
kein Adjuvans) in Tropfen oder Tablettenform mit täglicher Applikation
scheint ebenfalls einen ähnlichen Therapieerfolg zuzulassen. Hier ist die
Allergenkonzentration allerdingssehr viel höher als in der SIT (50-100x).
Grundsätzlich ist der Therapieerfolg einer SIT höher, wenn das
Sensibilisationsspektrum eng ist, d.h. wenn nur wenige Allergene für die
klinische Symptomatik des Patienten verantwortlich sind, und je jünger
diese sind.
Insektengift-Allergie: Therapieerfolg bei SIT ist 85-98%; es gibt für diese
Form der Allergie auch eine wirksame, sehr beschleunigte Rush- und
Ultra-Rush SIT, die in der Klinik durchgeführt wird.
Ebenfalls erfolgreich ist die SIT bei Patienten mit Pollen-, Hausstaubmilben- und Tierhaar-Allergie.
4.3. Immunologische Veränderungen während der SIT
B-Zell-Immunantwort/Serum-Antikörper:
allergen-spezifisches IgE: zunächst Anstieg, im späteren Verlauf Abfall
allergen-spezifisches IgG: Anstieg, insbesondere IgG4
Anstieg des IgG4/IgE-Ratios
Eigenschaften von IgG4: keine Komplement-Aktivierung
vermittelt keine Entzündungsreaktion
Theorie der „blockierenden Antikörper“, d.h. IgG4 erkennt dieselben
Epitope wie IgE und kann durch Absättigung dieser Epitope eine
Bindung von IgE an das Allergen verhindern. Damit verbunden ist somit
auch eine Blockierung der IgE-mediierten Histaminfreisetzung aus
Effektorzellen (Mastzellen und Basophilen).
Zusätzlich verhindern die IgG4-Antikörper auch eine IgE-vermittelte
Aufnahme von Allergen in APC und deren Antigenpräsentation an TZellen
Cave: Der Anstieg von IgG4 per se kann nicht als Marker für einen
Therapieerfolg genommen werden. IgG4 steigt auch bei ‚nonrespondern’ an und es ist kein bestimmter Schwellenwert definierbar.
26
T-Zell-Immunantwort:
Die allergen-spezifische T-Zellantwort ist bereits in früher Phase der SIT
signifikant reduziert.
Immundeviation: IL-4-Produktion istreduziert, IFN--Produktion steigt an
Th2-> Th0/1
IL-10 wird induziert/ aktive Suppression (Treg cells)
Eine klonale Anergie oder Deletion von allergen-spezifischen T-Zellen ist
möglich, aber bisher nicht nachweisbar.
Anti-allergische Wirkung von IL-10
IL-10 induziert IgG4-> blockierende Antikörper verhindern IgE-Bindung
an das Allergen
IL-10 inhibiert IgE-mediierte Aktivierung von Mastzellen (durch Reduktion
von FcR)
IL-10 hemmt das Wachstum und Aktivierung von Eosinophilen (durch
Reduktion von IL-5)
IL-10 induziert regulatorische CD4+ T-Zellen
Frühe und späte Wirkungsmechanismen induziert durch SIT
Bousquet, J.; Allergy 60 (1), 1-3 (2005)
4.4. Neue Konzepte für die spezifische Immuntherapie
Ziel: Effektivitätssteigerung und Reduktion von IgE-vermittelten
Nebenwirkungen unter Erhaltung der T-Zellreaktivität
- Allergoide = Glutaraldehyd-modifizierte Pollenextrakte mit reduzierter
IgE-Bindung
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- gentechnisch hergestellte rekombinante Allergene:
im Gegensatz zu Allergenextrakten definierte Proteine; bessere
Standardisierbarkeit der Vakzine.
- rekombinante Hypoallergene: nicht-IgE-bindendene Allergenkonstrukte
Gentechnologische Veränderungen von rekombinanten
Allergenen -> Veränderung der Tertiärstruktur z.B.:
Punktmutationen, Fragmentierung, Oligomerisierung
- synthetische Allergen-Peptide, die T-Zell-Epitope enthalten
Immunstimulatorische Strategien:
- Adjuvantien:
Sie sollen die Immunmodulation/ Förderung von Th1 und regulatorischer
T-Zell-Immunantwort (Treg, IL-10, TGF-) unterstützen.
Elemente des nativen Immunsystems werden dabei gezielt aktiviert z.B.
mit folgenden Th1-induzierende Substanzen bakteriellen Ursprungs:
MPL monophosporyl lipid A (LPS-Anteil; aktiviert Toll like-Rezeptor 4
(TLR4) ist bereits seit 1999 in klinischer Testung als Zusatz zu PollenAllergoiden mit L-tyrosin als Depotträger; ermöglicht eine
Kurzzeitimmuntherapie: Injektionen nur 4x präsaisonal /Jahr
Oligo-Desoxynucleotide mit CpG-Motiven: bakterielle DNA besitzt
erhöhten Anteil an nicht methylierten “CpG-motiven”, d.h.Sequenzen mit
direkter Abfolge von Cytosin/Guanidin; die von TLR9 erkannt werden.
Eine Phase I Studie in Ragweed-Allergikern mit Amb a 1/CpGKonjugaten zeigte bei wesentlich kürzerer Anwendung als in der
konventionellen SIT (6x/Jahr) Wirkung.
- DNA-Vakzine:
Werden noch nicht im Humansystem eingesetzt; im Tiermodell:
Immunisierung mit bakterieller Plasmid-DNA (enthält CpG-Motive,
geeignete Promotoren und Gene für Allergene), die zur Expression des
Allergens im Wirt führt und dort eine Immunreaktion auslöst.
Diese Methode bietet große Variationsmöglichkeiten z.B.: humane
Kodon-Optimimierung von Allergen-Genen, CpG-Anreicherung von
Plasmidvektoren, hypoallergene DNA-Vakzine durch Fragmentierung
oder forcierte Ubiquitinierung.
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Replikase-Vakzine: Alphavirus-Vakzine mit erhöhter Effizienz/Stabilität;
Insbesondere die Selbst-Vernichtung durch Apoptose der transfizierten
Zellen könnte eventuelle Sicherheitsrisiken sehr einschränken.
- neue Antigenrouten
Oral/intranasal: Eine Immunmodulation durch probiotische Laktobazillen
wird angestrebt. Milchsäurebakterien (wichtige Vertreter der
menschlichen Darmflora) werden im Tiermodell als Allergenträger
getestet.
Topisch: Eine topische Behandlung von Mäusen mit CpG/CholeratoxinB/Erdnuss-Extrakt verhindert eine nachfolgende Allergisierung
gegen Erdnuß.
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