P2 Einfamilienhaus Praktizieren und Wohnen in einem Dass es noch Landärzte gibt, ist bereits eine Erwähnung wert. In Ascholding wurde eine neue Praxis gebaut, die auch als Wohnhaus genutzt werden kann. Praktizieren und Wohnen in einem Steckbrief Fazit: Ein modernes Stück Land 14 18 19 FOTOS: BEHAM P R O J E K T 2 // E I N FA M I L I E N H A U S P2 li or o h h t tz: E i sa n vo g un r i e l l n er e d n un n d e bä u ge b r e we e un dG a u S i s er v b a h n D er traditionell-ländlich geprägte Ort Ascholding im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen zeichnet sich durch sein besonderes Ortsbild aus. Lediglich einen halben Quadratkilometer umfasst die Bebauung, die sich an einem Isar-Zulauf entlang entwickelt hat. Beim Neubau einer Arztpraxis mit Seminarraum entschied sich das Planungsbüro Robert Beham auf Wunsch der Bauherren deshalb für einen Baukörper, der sich in das Ortsbild einfügt und unter den Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit geplant wurde. Als Ersatz für ein altes, marodes Backhäuschen wurde die Lage des Neubaus in der Hofstelle des Bauherren gewählt, um einer weiteren Zersiedelung des Außenbereiches entgegenzuwirken. Der Planer schuf einen visuell und körperlich reduzierten Baukörper mit einer untergeordneten Stellung zum öffentlichen Raum, der Rücksicht auf die Baukultur des Voralpenlandes nimmt, sich aber dennoch als modernes Gebäude präsentiert. 16 mikado 8.2016 Das Gebäude wurde als Arztpraxis geplant, sieht aber durch seine Konstruktion auch die flexible Anpassung als Wohnhaus vor. Im Untergeschoss befinden sich die Praxisräume und im Obergeschoss ein Seminarraum. Als zentrale Entwurfsidee stand die Neuinterpretation der Hülle des alten Backhauses an. Die angepasste Höhe, der knappe Dachüberstand sowie die Materialsprache verbinden das Gebäude mit dem Naturraum des Dorfrandes. ▴ Das Haus in Ascholding ist als Arztpraxis geplant, kann aber auch als Wohnhaus genutzt werden Als der Nachhaltigkeit verpflichtetes Gebäude ist das Haus mit möglichst regionalen und ökologischen Baustoffen ausgeführt worden. Die Konstruktion sah den Einsatz von 115 mm starken Brettsperrholzelementen vor. Diese wurden vor Ort mit dem Kran von den Mitarbeitern der Zimmerei Rothbauer aus Linden auf dem in Sichtbeton ausführten Sockel der Bodenplatte aufgestellt und verschraubt. Dach aus Brettsperrholz Viel Licht im Untergeschoss Trotz ungünstiger Stellung des Gebäudes sahen die Planer im Sinne der Nachhaltigkeit im Untergeschoss große Lichtbereiche vor. So wurde ein optisch und körperlich reduzierter Baukörper möglich, der in der Hofstellenhierarchie eine untergeordnete Stellung einnimmt. Das Gebäude öffnet sich mit seinem eingezogenen Eingangsbereich gestalterisch zur Straße und zeigt durch die offene Gestaltung seine Nutzung als Arztpraxis. Auch das 33 Grad geneigte Dach wurde in Brettsperrholz ausgeführt. So konnten durch die Ausbildung der zwei Dachflächen als Scheiben die Pfetten und Sparren ebenso entfallen wie tragende Innenwände. Somit sind große Teile des Raumes im Obergeschoss zwölf Meter frei überspannt. Die vertikalen Kräfte werden größtenteils über die Außenwände sowie durch zwei Wandscheiben im Treppenhaus aus Brettsperrholz, die auch die Aussteifung in der windrelevanten Achse übernehmen, abgeleitet. Gestalterisch wirkt sich das in einem konstruktiven Minimalismus aus, der den Dachraum von innen besonders erlebnisstark macht. Die zwei Dachscheiben sind innenseitig in Sichtqualität ausgeführt und haben somit ohne weitere Bearbeitung direkt nach der Verlegung eine fertige Oberfläche. Der hohe Vorfertigungsgrad reduzierte dabei die Bauzeiten wesentlich. Das Dach wurde mit Dämmplatten in je zwei Lagen à 80 mm gedämmt, mit einer diffusionsoffenen Unterdeckbahn abgedeckt und mit Konterlattung 60/60 mm und Traglattung 30/50 mm ausgerüstet. Der relativ ungünstige U-Wert dieser Konstruktion wird durch den Anschluss des Gebäudes an das bestehende Fernwärmenetz mit einer Hackschnitzel-Heizung kompensiert. Die umfangreiche Nachhaltigkeitsbetrachtung ergab einen zu langen Amortisationszeitraum für eine höhere Dämmleistung. Die Ausführung der Unterdeckung erfolgte perforationsgesichert mit Nageldichtung. Für die Dachdeckung kamen in Anlehnung an die ursprüngliche Bedachung des Backhauses Biberschwanzziegel zum Einsatz. Die Planer entschieden sich für eine Doppeldeckung mit dem Braas Biber Opal 18/38 in Naturrot. Mit seinem charakteristischen Rundschnitt und der glatten Oberfläche vereint er historische als auch zeitgemäße Linienführung. Die Entwässerung www.mikado-online.de n vo g un üf r p i k o t ns n ge a n e d . r d o o er w l o w w . w b . g a l un F U E üf s un t L : N . o W e u N n U . i f d t i t e c f L ü u t r ys m e S d s s e e M h f ü t ren ar asm D k w er D s po ea n o Bl n Mi Thema des Monats // Gebäudehülle Dach // Einfamilienhaus ▴ Die Konstruktion von Wänden und Dach besteht aus Brettsperrholz INSERENTEN A Auwärter, Waldershof Beilage B Bauder, Stuttgart U2, Banderole Baustoff + Metall, Ottersweier 7 BlowerDoor, Springe 17 D Dieckmann, Melle Dölker, Horb I IVPU, Stuttgart L Limbach, Solingen M MCH Messe Schweiz, Basel 30 Moser, Salach 25 N Nelskamp, Schermbeck NordBau, Neumünster V Velux, Hamburg 25 25 Beilage 33 25 5 W Weihele, Görisried 25 Z Zip Wall, Düsseldorf 29 17 17 Thema des Monats // Gebäudehülle Dach // Einfamilienhaus P2 DE TAIL ÜBER ST EHENDER ORTGANG Kastenrinne, Blech anthrazit Konstruktionsholz 10/12 a = 75 cm Platte: Dimension nach Statik Ortgangbrett b = ca. 18 cm d = 22 mm Stahlwinkel ROBERT BEHAM PLANUNGSBÜRO Insektenschutzgitter STECK BR IEF OBJEK T: Neubau Arztpraxis D-83623 Ascholding ARCHIT EK T UR: Planungsbüro Robert Beham D-83623 Bairawies www.planungsbuero-beham.de BAUWEISE: Massivholzbau BAUJAHR: 2016 HOL ZBAU: Zimmerei Rothbauer D-83623 Linden www.zimmerei-rothbauer.de DACHDECKUNG: Biber Opal Naturrot sowie Dachsystem von Braas www.braas.de 18 mikado 8.2016 der Dachfläche erfolgt über eine verdeckte, innen liegende Rinne. Hier hat der Planer eine Konstruktion mit einem Sicherheitsüberlauf vorgesehen. So können von unten sichtbare Verstopfungen der Rinne sowie Undichtigkeiten des Hauptdaches schnell erkannt und behoben werden. Sowohl das über die Dachfläche ablaufende Regenwasser sowie möglicherweise unter die Deckung eingedrungene Feuchte wird direkt in die innen liegende Rinne abgeleitet. Die Ortgänge wurden als vertiefte Rinne in Titanzink ausgeführt, wobei die Überdeckung der Rinne mit einem Ortgangbiber erfolgt. Schneefangpfannen eingesetzt Im Bereich des Zuganges ordneten die Zimmerer einen zum Braas-Dachsystem zugehörigen Schneefang an. Dieser besteht aus Schneefangpfannen, die auf der Traglattung mit Schrauben fixiert werden. Darauf können Alpinrohr-Stützen aufgeklipst und die Alpinrohre befestigt werden. Dabei empfiehlt es sich, die endgültige Fixierung der Schneefangpfanne erst nach Montage der Alpinrohre vorzunehmen. Im Ortgangbereich sowie im Traufbereich erfolgte die Windsogsicherung durch Teilgewindeschrauben. Der First wurde als Trockenfirst ausgebildet, um die Entlüftung des durch Lattung und Konterlattung gebildeten Lüftungsraumes sicherzustellen. Die Zimmerer führten die Traufreihe mit normalen Flächenbibern auf einem großzügigen Lüftungsgitter aus. Die Anforderungen der BayBO an die Rettungswege der Arztpraxis im Erdgeschoss sind durch die Raumkonzeption erfüllt. Erhöhte Brandschutzanforderungen gab es durch die zu erwartende größere Anzahl an Personen (bis zu 30 Personen) im Obergeschoss mit dem Seminarraum. Die tragenden Bauteile wie Wände, Decken und Dach sowie deren Öffnungen mussten alle in F30 ausgeführt werden. Das hierauf dimensionierte, unbekleidete Brettsperrholz leistet diese Vorgabe. Die Eingangstür in den Seminarraum wurde in T30 vollwandig und rauchdicht ausgeführt. Die Planer legten besonderen Wert auf die Nachhaltigkeit des Gebäudes. So wurden sämtliche der Witterung ausgesetzten Bauteile so geplant, dass jederzeit ein einfacher Austausch möglich ist. Die Fassade besteht aus naturbelassenem Holz. Die Rahmenteile der Holzfenster werden an der Fassadenseite durch Massivholzrahmen aus Brettschichtholz geschützt. Diese bilden gleichzeitig den Ersatz für energieintensives Blech zur Ableitung von Regenwasser und sind ebenfalls nach Ende ihres Lebenszyklus mit geringem Aufwand erneuerbar. Im Außenwandaufbau kamen naturbelassene, regionale Materialien mit geringem Energieeinsatz sowie recyclinggerechte Konstruktionen zum Einsatz. Die Planer verzichteten weitestgehend auf den Einsatz von Verbundstoffen. Nach Ablauf der Nutzungsdauer können die einzelnen Ebenen von Dach und Fassade sortenrein abgebaut und erneuert werden. Elemente wie die Dachziegel können wiederverwendet werden. Außenwandaufbau (von außen nach innen): ▸ Holzbekleidung, Fichte, Natur, senkrecht, stumpf gestoßen, 20 mm ▸ Traglattung, Fichte, 30/50 mm ▸ Konterlattung, Fichte, 60/60 mm ▸ Fassadenbahn, regensicher, UV-beständig, diffusionsoffen ▴ Der Ortgang wurde mit einer tief liegenden Rinne ausgeführt; den Abschluss bilden die OrtgangziegeI ▸ Holzfaser-Dämmplatte, 2 × d = 80 mm ▸ Brettsperrholz, Fichte, d = 115 mm Dachaufbau (von außen nach innen): ▸ Biber Opal, Naturrot in Doppeldeckung ▸ Traglattung, Fichte, 30/50 mm ▸ Konterlattung, Fichte, 60/60 mm ▸ Unterdeckbahn, regensicher, UV-beständig, diffusionsoffen ▸ Holzfaser-Dämmplatte, 2 × d = 80 mm ▸ Brettsperrholz, Fichte, d = 115 mm Biber zeigen die gestalterische Kraft des geneigten Daches Wie das Beispiel der Arztpraxis in Ascholding zeigt, können moderne Gebäude mit regionalen Baustoffen unter ökologischen und nachhaltigen Gesichtspunkten geplant und umgesetzt werden. Mit seinem modern interpretierten Biberdach ist das Gebäude ein gelungenes Beispiel für nachhaltige Architektur und außerdem ein Beleg für die gestalterische Kraft des geneigten Daches. Horst Pavel, Oberursel ▪ FA Z I T Ein modernes Stück Land Ärzte werden auf dem Land inzwischen händeringend gesucht. Daher kann sich die Gemeinde Ascholding glücklich schätzen, nun eine neue Praxis hinzubekommen zu haben. Deren Räume wiederum sind innovativ geplant: So wird das Objekt zunächst als Arztpraxis genutzt. Das Haus würde sich aber auch zum Wohnen eignen. Die Umsetzung in Brettsperrholz-Bauweise überzeugt ebenso. Hier wurden sogar nicht nur die Wände, sondern auch das Dach aus Brettsperrholz gefertigt. Im Ergebnis ein modernes Stück Land in Ascholding. 19