55 GRUNDLAGEN DER ENZYMOLOGIE: AKTIVITÄTS- UND SUBSTRATBESTIMMUNGEN BIOCHEMISCHE GRUNDLAGEN In lebenden Organismen katalysieren Enzyme chemische Stoffumwandlungen. Ein Enzym wird durch seine katalytische Aktivität charakterisiert; d. h. durch seine Fähigkeit, die Umsetzung eines oder mehrerer Substrate in einer spezifischen Reaktion zu definierten Produkten zu beschleunigen. Enzyme sind im Allgemeinen Proteine. Enzymproteine weisen eine spezifische Struktur auf, d. h. eine spezifische Primär-, Sekundär- und Tertiärstruktur sowie, falls das Enzym aus mehreren Untereinheiten zusammengesetzt ist, eine bestimmte Quartärstruktur. Die Anordnung der Atome in einer definierten Struktur wird durch den pH der Lösung, Temperatur, Ionenstärke etc. beeinflusst. Deshalb haben diese Faktoren einen entscheidenden Einfluss auf die katalytische Aktivität eines Enzyms. Mit Hilfe enzymatisch katalysierter Reaktionen kann zum einen die Menge eines Enzyms, zum anderen die Konzentration von Substraten bestimmt werden. Beides wird klinisch zur Diagnose und Charakterisierung von Stoffwechselerkrankungen angewandt. BESTIMMUNG DER KATALYTISCHEN AKTIVITÄT Zur Bestimmung der Aktivität eines Enzyms wird die Menge an verbrauchtem Substrat pro Zeit oder die Menge an entstehendem Produkt pro Zeit gemessen. Die Aktivität eines Enzyms wird in der Regel bei maximaler Geschwindigkeit, d. h. im Bereich der Substratsättigung, bei optimalen Cosubstrat- und Effektorkonzentrationen, bei optimalem pH und bei einer willkürlich festgesetzten Temperatur (meist 37°C) bestimmt. Die Einheit der Aktivität, "Unit" (abgekürzt U), ist definiert als Umsatz von 1 µmol Substrat pro Minute. 1 U = 1 µmol x min-1 Eine andere weniger gebräuchliche Einheit ist das Katal (kat): 1 kat = 1 mol x sec-1; 1 nkat = 1 nmol x sec-1 (n = nano = 10-9) Im klinisch-chemischen Labor ist es üblich, die Aktivität pro Volumen zu bestimmen und in der Einheit U/l anzugeben. Auch die Normalwerte werden meistens in U/l angegeben. 56 Die Einheit U/l ist gleich 1 µmol x l-1 x min-1. Bei der Aktivität pro Volumen handelt es sich also um die Änderung einer Konzentration (µmol/l) pro Zeit (min) oder um die Reaktionsgeschwindigkeit. Entsprechend werden Aktivitäten pro Volumen durch Bestimmungen der Anfangsgeschwindigkeit der katalysierten Reaktion gemessen. Dabei misst man entweder die Abnahme der Konzentration eines Substrates (-d[S]/dt) oder die Zunahme der Konzentration eines Produktes (d[P]/dt) unter genau definierten Testbedingungen (pH, Ionenstärke, Temperatur). Als spezifische Enzymaktivität bezeichnet man die Aktivität bezogen auf eine definierte Menge Enzymprotein: U/mg = µmol x min-1 x mg-1 oder kat/kg = µkat/mg BESTIMMUNG VON SUBSTRATKONZENTRATIONEN Aufgrund der hohen Spezifität eines Enzyms für das Substrat kann dessen Konzentration mittels eines Enzyms auch in einem Gemisch bestimmt werden. In diesem Fall arbeitet man mit hohen Enzymkonzentrationen. Man bestimmt den Anfangszustand des Testsystems und setzt das Enzym dann in so hoher Konzentration zu, das die gewünschte katalysierte Reaktion in kurzer Zeit praktisch vollständig abläuft. Aus der Differenz zwischen Anfangsund Endzustand wird die umgesetzte Substratmenge bestimmt. Aufgrund des Gleichgewichts zwischen Hin- und Rückreaktion wird ein Teil des Substrats nicht restlos in Produkt umgewandelt. Um eine weitgehend irreversible Umwandlung zu erreichen, muss in der Regel eines der Reaktionsprodukte aus der Testmischung entfernt werden. Das lässt sich zum Beispiel durch eine weitere praktisch irreversible Reaktion, die von einem Hilfsenzym katalysiert wird, oder durch chemische Umsetzung eines Produktes erreichen. Wenn z. B. bei einer Reaktion H+-Ionen entstehen, können diese durch Neutralisation, d. h. indem ein hoher pH-Wert eingestellt wird, entfernt werden. Enzymatische Bestimmungen von Metaboliten sind in der Regel genauer und wesentlich spezifischer als Bestimmungen mit chemischen Methoden. Eine häufig angewandte chemische Methode zur Bestimmung von Pyruvat im Serum beruht auf der Bildung des Hydrazons mit 2,4-Dinitrophenylhydrazin. Aber andere im Serum, physiologisch und pathologisch, vorkommende Ketosäuren (-Ketoglutarat, Acetoacetat und Oxalacetat) reagieren ebenfalls und täuschen eine zu hohe Pyruvatkonzentration vor. Spezifisch kann hingegen Pyruvat mit Hilfe des Enzyms Lactatdehydrogenase (LDH) bestimmt werden. Bevor auf Einzelheiten dieser Bestimmung eingegangen wird, sollen einige generelle Überlegungen angestellt werden. 57 Jede chemische Reaktion erreicht einen Gleichgewichtszustand. In der Schreibweise A+B C+D zeigt der Doppelpfeil an, dass die Reaktion in beiden Richtungen, vorwärts und rückwärts, verläuft. Wenn die Reaktion mit einer Mischung von A und B beginnt, so wird die Bildung von C und D, die Hinreaktion, zunächst relativ schnell verlaufen. Mit der Anhäufung von C und D setzt nun aber auch die Rückreaktion ein, die umso schneller wird, je mehr C und D gebildet sind. Proportional wird die Hinreaktion langsamer werden, je mehr A und B verbraucht sind. Im Gleichgewichtszustand laufen Hin- und Rückreaktion mit gleicher Geschwindigkeit ab. Die Gleichgewichtslage einer Reaktion wird durch das Massenwirkungsgesetz ausgedrückt. Die Geschwindigkeit einer Reaktion ist das dem Produkt der Konzentrationen der Reaktionsteilnehmer proportional, d. h. für die oben genannte Reaktion: vhin = k1 [A] . [B] und vrück = k2 [C] . [D] wobei k1 und k2 die Geschwindigkeitskonstanten und vhin und vrück die Geschwindigkeiten der Vorwärts- und Rückwärts-Reaktion bedeuten. Im Gleichgewichtszustand ist vhin = vrück und damit k [A] . [B] = k [C] . [D] 1 2 Daraus folgt: k1 k2 K C D A B Das Verhältnis der Geschwindigkeitskonstanten wird als Gleichgewichtskonstante K definiert; sie gibt an, in welchem Konzentrationsverhältnis die Reaktanten im Gleichgewichtszustand vorliegen. Als Anwendungsbeispiel soll Pyruvat mit Hilfe der Lactatdehydrogenase (LDH) bestimmt werden. LDH katalysiert die folgende Reaktion: LDH Lactat + NAD+ Pyruvat + NADH + H+ 58 Mit Hilfe des Massenwirkungsgesetzes soll berechnet werden, unter welchen Bedingungen die Reaktion von Pyruvat zu Lactat quantitativ abläuft. Die Gleichgewichtskonstante K' hängt vom pH-Wert und von der Temperatur ab. Bei pH 7.0 und 25°C beträgt sie: K' Pyruvat NADH 2 , 3 10 5 Lactat NAD K' ist die "scheinbare" Gleichgewichtskonstante, die sich von der pH-unabhängigen thermodynamischen Gleichgewichtskonstante K unterscheidet. Für die LDH-Reaktion ist K Pyruvat NADH H Lactat NAD 2 , 3 10 12 mol / l Um die pH-abhängige Konstante K' für ein gegebenes pH zu berechnen, wird K durch die gegebene Wasserstoffionenkonzentration dividiert. bei pH 7: H 10 7 mol / l ; K ' pH 7 , 0 2 , 3 107 12 2 , 3 10 5 10 12 bei pH 8: H 10 8 mol / l ; K ' pH 8 , 0 2 ,3 10 8 2 , 3 10 4 10 bei pH 9: H 10 9 mol / l ; K ' pH 9 , 0 2 , 3 10 12 10 9 2 , 3 10 3 und so weiter. Da die enzymatische Metabolitbestimmung in gepufferter Lösung ausgeführt wird und die Wasserstoffionenkonzentration praktisch konstant bleibt, genügt K' zur Charakterisierung der Reaktion. Im menschlichen Blut beträgt die Pyruvatkonzentration ungefähr 5·10-5 mol/l. Nachdem Blut enteiweißt und ein aliquoter Teil des Überstandes mit Puffer, NADH und LDH in der Messküvette gemischt worden ist, beträgt die Pyruvatkonzentration 2·10-5 mol/l. Die Lactatkonzentration im Blut beträgt ungefähr 1 10-3 mol/l, d. h. die Konzentration im Bestimmungsansatz beträgt 4 10-4 mol/l. 59 Das Ergebnis der Pyruvatbestimmung wäre zufrieden stellend, wenn 99% des Pyruvats zu Lactat reduziert würden; d. h. die Pyruvatkonzentration sollte von 2.10-5 mol/l auf 0,02 10-5 mol/l oder um 1,98 10-5 mol/l abfallen. Zu Beginn des Tests liegen folgende Konzentrationen vor: Pyruvat = 2 10-5 mol/l NADH = 10 10-5 mol/l Lactat = 40 10-5 mol/l NAD+ = 0 Für jedes mol Pyruvat, das reduziert wird, wird ein mol NADH oxydiert, und es werden 1 mol Lactat und 1 mol NAD+ gebildet. Nachdem 99% oder 1,98 10-5 mol/l Pyruvat reduziert worden sind, sind folgende Konzentrationen im Reaktionsansatz vorhanden: Pyruvat = NADH = 2 10-5 1,98 10-5 = 0,02 10-5 mol/l 10 10-5 1,98 10-5 = 8,02 10-5 mol/l mol/l Lactat = 40 10-5 + 1,98 10-5 = 41,98 10-5 NAD+ = 10- 5+ 1,98 10-5 = 1,98 10-5 mol/l In die Gleichung für das Massenwirkungsgesetz eingesetzt errechnet sich: Pyruvat NADH 0 ,02 10 5 8 ,02 10 5 Lactat NAD 41 ,98 10 5 1 , 98 10 5 1 , 92 10 3 Das Resultat zeigt, dass nach einem Umsatz von 99% der Quotient immer noch größer als -5 K' = 2,3. 10 ist, d. h. die Reaktion wird weiterlaufen, bis nahezu 100% des Pyruvats reduziert worden sind. Diese Berechnung zeigt, dass die Bestimmung von Pyruvat in einem Gemisch mit der LDH möglich ist. ALLGEMEINE FRAGESTELLUNGEN Isoenzyme: Definition, Vorkommen und molekulare Grundlagen der Isoenzymentstehung; LDH, ihre Rolle im Stoffwechsel und in der Klinik; Glykolyse, Gluconeogenese, Cori-Zyklus; Grundbegriffe der enzymatischen Katalyse; Definition der Enzymaktivität, der Enzymaktivität pro Volumen (Reaktionsgeschwindigkeit) und der spezifischen Aktivität; Prinzip der Substratbestimmung und Aktivitätsbestimmung. 60 ZIELSETZUNG DER EXPERIMENTE Eine Reihe von physikalischen und chemischen Methoden steht zur Verfügung, um die Geschwindigkeit enzymkatalysierter Reaktionen zu bestimmen. Besonders günstig sind aber die Methoden, bei denen nicht von außen in die Reaktion eingegriffen werden muss, sondern bei denen z. B. während der Reaktion die Änderung eines optisch messbaren Parameters erfolgt. Auf diesem Prinzip kann die Aktivität von Oxidoreduktasen bestimmt werden, die NAD+ oder NADP+ als Cosubstrat umsetzen. Die entstandenen NADH oder NADPH haben eine zusätzliche Absorptionsbande bei 340 nm; d. h. die Zunahme der Extinktion während der Reaktion ist ein Maß für den Umsatz der Cosubstrate. Die entsprechenden Konzentrationsänderungen werden dann mit Hilfe des Lambert-Beerschen Gesetzes berechnet (für weitere Einzelheiten siehe Versuch "Grundlagen der Enzymkinetik"). Substratbestimmung und Aktivitätsbestimmung werden anhand der von LDH katalysierten Reaktion durchgeführt. CH3 + C = 0 + NADH + H COO Pyruvat LDH CH3 + CH-OH + NAD COO L(+)Lactat LDH kommt praktisch in allen Geweben vor. Hohe Aktivitäten lassen sich im Herzmuskel, in der Leber, im Skelettmuskel, in Erythrozyten und Thrombozyten nachweisen. GEWEBSVERTEILUNG DER LDH-ISOENZYME Viele Enzyme sind aus mehreren identischen oder nicht-identischen Untereinheiten aufgebaut. Vielfach sind diese Enzyme nur aktiv, wenn sie die richtige Quartärstruktur aufweisen. Austausch der Untereinheiten ergibt eine Familie von Enzymen innerhalb eines einzigen Organismus, die alle die gleiche Reaktion katalysieren. Diese so genannten Isoenzyme unterscheiden sich in ihren physikalischen Eigenschaften (Molekulargewicht, isoelektrischer Punkt, Denaturierungstemperatur) wie auch in ihren katalytischen Eigenschaften (KM, pHOptimum, Wechselzahl). Da diese Untereinheiten vielfach Genprodukte von dublizierten Genen sind, die aus einem einzigen Präkursor entstanden sind, haben sie noch viele gemeinsame Eigenschaften. In den vorliegenden Übungen sollen die Isoenzyme der LDH studiert werden. Anschließend wird die Bedeutung der Isoenzyme als diagnostisches Mittel in der Klinik diskutiert. 61 FUNKTIONEN DER LDH-ISOENZYME Isoenzyme werden von Pro- und Eukaryonten produziert, um den metabolischen Fluss zu einer gegebenen Zeit den besonderen Bedingungen der Umgebung anzupassen. Die katalytischen Eigenschaften dieser Isoenzyme können leicht geändert werden, indem ein Typ einer Untereinheit in der Syntheserate verändert wird, was leichter gelingt, als die Synthese eines gesamten neuen Enzyms. In Säugern prädominieren bestimmte Isoenzyme häufig entweder in bestimmten Geweben oder in einem Gewebe zu einer bestimmten Entwicklungszeit. Die LDH ist aus vier Untereinheiten aufgebaut, die entweder dem Typ M (Muskeltyp) oder dem Typ H (Herztyp) entsprechen. Diese Untereinheiten werden durch nicht-kovalente Bindungen zusammengehalten. Die Kombination dieser beiden Untereinheiten zu einem Tetramer in unterschiedlichen Relationen ergibt fünf Isoenzyme: H4, H3M, H2M2, HM3 und M4, die man auch als LDH 1, 2, 3, 4 und 5 bezeichnet. Die Anteile der fünf LDH-Isoenzyme im Cytosol sind von Gewebe zu Gewebe unterschiedlich, innerhalb eines Organs jedoch relativ konstant. Die Verteilung der LDH-Isoenzmye in den verschiedenen Organen weist eine Korrelation zu deren O2-Versorgung auf. Das H4-Isoenzym arbeitet relativ langsam und wird durch einen Überschuss an Pyruvat gehemmt. Das M4-Enzym hat dagegen eine wesentlich höhere Wechselzahl und wird kaum durch Pyruvat gehemmt (Tabelle I). Tabelle I: Eigenschaften der LDH-Isoenzyme Isoenzym Wechselzahl Km(Pyr) Hemmung durch Pyruvat von physiologischen Konzentrationen -1 H4(LDH 1) 45.000 sec M4(LDH 5) 100.000 sec-1 1 . 10-4 M ja 3 . 10-5 M nein Die Zelle gewinnt viel mehr ATP durch die Verstoffwechselung des Pyruvats im Citronensäurezyklus als durch Umsetzung zu Lactat. Dazu ist allerdings Sauerstoff nötig, um das produzierte NADH reoxydieren zu können und damit in der Atmungskettenphosphorylierung ATP zu synthetisieren. In einem aeroben Gewebe, wie im Herzen, steht Sauerstoff immer in genügenden Mengen zur Verfügung, so dass jede Umwandlung von Pyruvat zu Lactat, d. h. Abzug dieses Metaboliten vom Citronensäurezyklus, einen Energieverlust darstellen würde. Deshalb dominieren in diesem Gewebe die Isoenzyme H4 und H3M, deren Aktivität Pyruvat bei physiologischen Konzentrationen hemmt. Dementsprechend wird Pyruvat nicht zu Lactat umgesetzt, sondern im Citronensäurezyklus verstoffwechselt. In anaeroben Geweben mit limitiertem Sauerstoffangebot, wie z. B. in kontrahierenden 62 Skelettmuskeln, wird ATP unabhängig von der Verfügbarkeit von Sauerstoff während der Umwandlung von Glucose in Pyruvat produziert. Wenn die ATP-Konzentration sinkt, steigt der Fluss der Glykolyse um ein vielfaches an, um die notwendige Menge ATP zu + synthetisieren. Unter diesen Bedingungen muss NADH schnell in NAD überführt werden, + weil es sonst zum Stopp der Glykolyse kommen würde. NAD kann aber durch die LDHReaktion schnell regeneriert werden. Deshalb herrscht in solchen anaeroben Geweben das 4 Isoenzym M mit hoher Wechselzahl vor, dessen Aktivität Pyruvat nicht hemmt. Als Produkt der Reaktion akkumuliert Lactat, was schließlich im Cori-Zyklus zur Gluconeogenese benutzt werden kann. Die metabolische Funktion der LDH ist in der nächsten Abbildung zusammengefasst: NACHWEIS VON LDH-ISOENZYMEN Aufgrund der hohen Proteinkonzentrationen des Serums ist der Nachweis der LDH-Isoenzyme im Serum nicht einfach. Mit Hilfe einer spezifischen Färbemethode, die die Substratspezifität der LDH-Isoenzyme ausnutzt, können die einzelnen Isoenzyme dargestellt werden. Dazu ist eine Trennung der LDH-Isoenzyme aus verschiedenen Gewebeextrakten durch Elektrophorese auf Zelluloseacetat notwendig. Nach der elektrophoretischen Trennung werden die Zellulose-Acetatstreifen in einer alkalischen Färbelösung inkubiert, die NAD, das Lactat und zwei Redox-Farbstoffe enthält. An den Stellen, an denen sich LDH-Isoenzyme + + befinden, werden von Lactat und NAD Pyruvat, NADH und H gebildet. Der Wasserstoff des NADH wird über Phenacin-Methosulfat (PMS) durch zwei Redoxsysteme auf farbloses Tetrazoliumchlorid übertragen. Das durch die Reduktion des Tetrazoliumsalzes entstandene blauviolette Formazan lokalisiert die Stellen mit LDH-Aktivität auf der Folie. 63 Durch Hybridisierung von M4 und H4 können alle Isoenzyme erzeugt werden. Diese Hybridisierung kann durch langsames Einfrieren und Wiederauftauen erreicht werden, da die Quartärstruktur der LDH im Eisgitter nicht stabil ist. Bei der Renaturierung zum quartären Enzym bilden sich dann alle fünf Isoenzyme. Nach Trennung und Färbung können die gebildeten Mengen der fünf Isoenzyme durch Densitometrie ermittelt werden, wenn man annimmt, dass die Intensität der Färbung der Enzymaktivität proportional ist. Alternativ kann die Isoenzymmenge an M4 auch durch milde Denaturierung ermittelt werden. Die H-Untereinheit ist gegen Denaturierung in Harnstoff oder Hitze stabiler als die MUntereinheit. M4 kann deshalb durch Inkubation in Harnstoff oder durch Erhitzen auf 60°C inaktiviert werden, wonach die Menge an H4 im Serum gemessen und anschließend berechnet werden kann. KLINISCHE ANWENDUNG Die Identifizierung von Isoenzymen der LDH beruht auf ihrer schnellen elektrophoretischen Trennung und bildet damit die Basis für verschiedene klinische Anwendungen, die sowohl die Gewebeart als auch deren Zerstörungsgrad definieren können. Dazu wird sehr häufig das Isoenzymmuster der LDH in Serum bestimmt. Normalerweise ist der LDH-Aktivitätsspiegel in Serum sehr niedrig. Im pathologischen Fall werden die Zellmembranen des geschädigten Organs meist permeabel für Enzyme und andere Makromoleküle, die dann in den extrazellulären Raum austreten können. Gelangen sie in ausreichender Konzentration in den Intravasalraum, so können sie quantitativ im Blutplasma bestimmt werden, was Rückschlüsse auf Ausmaß und Umfang der Beschädigung zulässt. Die im Serum messbare LDH-Aktivität stellt eine Summe der aus verschiedenen Organen stammenden Isoenzyme dar. Deswegen kann aus einer einfachen Aktivitätsmessung nicht unbedingt auf die Organherkunft des Enzyms geschlossen werden. Da aber im Falle der LDH das Verhältnis der einzelnen Isoenzyme von Organ zu Organ unterschiedlich ist, spiegelt sich die Schädigung eines bestimmten Gewebes auch als typisches Isoenzymmuster im Serum wider. Eine solche Differenzierung der LDH-Isoenzyme nach Organen ist mit Elektrophorese möglich. Auf diese Weise lässt sich z. B. unterscheiden, ob eine Erhöhung der LDH-Aktivität im Serum auf eine Schädigung des Herzmuskels oder der Leberzelle zurückzuführen ist. 64 Elektrophoretische Auftrennung von LDH-Isoenzymen aus menschlichen Seren 65 VERSUCHSDURCHFÜHRUNG UND VERSUCHSPROTOKOLL Hilfsmittel die mitzubringen sind: - Kittel - Lineal - Taschenrechner ALLGEMEINE HINWEISE: - die Proben/Reagenzien müssen vor dem Einsatz komplett aufgetaut sein - die Proben/Reagenzien müssen vor dem Pipettieren durchmischt werden - Enzyme sind während des Versuchs auf Eis zu lagern - pro Versuch soll nur eine Person pipettieren (Ausschluss von Pipettierfehlern) - die Ansätze werden grundsätzlich nacheinander pipettiert und gemessen - Auswertung Versuch 2: das Steigungsdreieck nicht innerhalb der ersten 15 Sek einzeichnen 66 BESTIMMUNG VON PYRUVAT IM OPTISCHEN TEST NACH WARBURG MIT LDH ALS BEISPIEL EINER SUBSTRATKONZENTRATIONSBESTIMMUNG Drei Küvetten werden wie im Pipettierplan angegeben angesetzt. Die Abnahme der Extinktion bei 366 nm wird nach Zugabe der LDH bis zu einem konstanten Wert verfolgt. Vor Beginn der Messung wird das Photometer bei 366 nm gegen eine mit Phosphatpuffer gefüllte Küvette geeicht. Diese Eichung wird von Zeit zu Zeit überprüft. Pipettierplan Ansatz 1 Ansatz 2 Ansatz 3 ml Na-Phosphat-Puffer (0,1 mol/l, pH 7.4) 1,50 1,50 1,50 ml NADH (0,01 mol/l) 0,05 0,05 0,05 ml Na-Pyruvat 0,05 0,10 0,15 ml H2O 0,38 0,33 0,28 Der Küvetteninhalt wird durch dreimaliges Umdrehen der Küvette (bitte vorher mit Parafilm verschließen) gründlich gemischt und die Anfangsextinktion (E0) gemessen. Nach 30 sec wird überprüft, ob E0 unverändert bleibt. Die Küvette wird aus dem Photometer herausgenommen. Das Enzym (jeweils 0,02 ml) wird in die Küvette pipettiert. Der Küvetteninhalt wird sofort mit Parafilm verschlossen und erneut gemischt. Nach Entfernen des Parafilms wird die Küvette in das Photometer eingesetzt. In Abständen von 1 min wird die Extinktion abgelesen, bis keine Änderung mehr registriert wird. Messplan abgeleseneExtinktion Zeit Ansatz 1 Ansatz 2 Eo 30 sek Start durch Zugabe von LDH (0,02 ml/Küvette; mischen) 1 min 2 min 3 min 4 min 5 min 6 min Ansatz 3 67 AUSWERTUNG UND FEHLERDISKUSSION Zu Versuch 1 – Lambert-Beer’sche Gesetz Berechnen Sie aus der Differenz der Anfangsextinktion und der Extinktion nach Ende der Reaktion mit Hilfe des Lambert-Beer'schen Gesetzes die Konzentration der Pyruvat-Lösung. 68 2A Bestimmung der Aktivität pro Volumen von H4 und M4 bzw. der LDH im Normalserum und im Serum von Herzinfarktpatienten Vier Küvetten werden wie im Pipettierplan angegeben nacheinander angesetzt und nacheinander gemessen. Die Abnahme der Extinktion bei 366 nm wird nach Zugabe der LDH bis zu einem konstanten Wert verfolgt. Vor Beginn der Messung wird das Photometer bei 366 nm gegen eine mit Phosphatpuffer gefüllte Küvette geeicht. Diese Eichung wird von Zeit zu Zeit überprüft. Pipettierplan – 2A H4 M4 Normal- Infarkt- Serum Serum ml Phosphatpuffer (0,1 mol/l, pH 7.4) 1,50 1,50 1,50 1,50 ml NADH (0,01 mol/l) 0,05 0,05 0,05 0,05 ml H 2O 1,30 1,30 0,95 1,25 ml H4 (20 µg/ml) 0,05 0 0 0 ml M4 (12,5 µg/ml) 0 0,05 0 0 ml Normalserum 0 0 0,40 0 ml Herzinfarktserum 0 0 0 0,10 Der Küvetteninhalt wird wie im Versuch 1 durchgemischt und die Anfangsextinktion (E0) abgelesen. Nach 30 sec wird überprüft, ob E0 unverändert bleibt. Im weiteren Verlauf muss darauf geachtet werden, dass die exakten Zeitabstände zwischen den Extinktionsablesungen einhalten werden. Die Reaktion wird durch Zugabe von 0,1 ml Pyruvatlösung (0,01 mol/l) pro Küvette gestartet. Nach Zugabe von Pyruvat wird gründlich gemischt. Die Extinktion soll 15 sec nach dem Mischen und danach in den angegebenen Abständen (genau!) abgelesen werden. Die Daten werden im Messplan 2A notiert. 69 Messplan – 2A abgelesene Extinktion Zeit in sek H4 Eo 30 Start durch Zugabe von Pyruvat (0,1 ml/Küvette) 15 30 60 90 120 150 180 210 240 270 300 M4 Normal- Infarkt- Serum Serum 70 2B Abschätzung der Menge H4 in normal und Herzinfarkt-Seren durch HarnstoffStabilitätstest Vier Küvetten werden wie im Pipettierplan angegeben nacheinander angesetzt und nacheinander gemessen. Die Abnahme der Extinktion bei 366 nm wird nach Zugabe der LDH bis zu einem konstanten Wert verfolgt. Vor Beginn der Messung wird das Photometer bei 366 nm gegen eine mit Harnstoffpuffer gefüllte Küvette geeicht. Diese Eichung wird von Zeit zu Zeit überprüft. Pipettierplan – 2B H4 ml Harnstoff (6 mol/l) in Phosphatpuffer (0,1 mol/l, pH 7.4) M4 Normal- Infarkt- Serum Serum 1,50 1,50 1,50 1,50 ml NADH (0,01 mol/l) 0,05 0,05 0,05 0,05 ml H2O 1,30 1,30 0,95 1,25 ml H4 (20 µg/ml) 0,05 0 0 0 ml M4 (12,5 µg/ml) 0 0,05 0 0 ml Normalserum 0 0 0,40 0 ml Herzinfarktserum 0 0 0 0,10 Die Proben werden gut gemischt und bei Raumtemperatur für 1,5 Minuten stehen gelassen. Anschließend wird die LDH-Aktivität pro Volumen, wie im Teil A beschrieben, bestimmt. Im weiteren Verlauf muss darauf geachtet werden, dass die exakten Zeitabstände zwischen den Extinktionsablesungen einhalten werden. Die Reaktion wird durch Zugabe von 0,1 ml Pyruvatlösung (0,01 mol/l) pro Küvette gestartet. Nach Zugabe von Pyruvat wird gründlich gemischt. Die Extinktion soll 15 sec nach dem Mischen und danach in den angegebenen Abständen (genau!) abgelesen werden. Die Daten werden im Messplan 2B notiert. 71 Messplan – 2B abgelesene Extinktion Zeit in sek H4 Eo 30 Start durch Zugabe von Pyruvat (0,1 ml/Küvette) 15 30 60 90 120 150 180 210 240 270 300 M4 Normal- Infarkt- Serum Serum 72 AUSWERTUNG UND FEHLERDISKUSSION Allgemeines zu den Grafiken Es sollen 2 getrennte Grafiken der Extinktionswerte auf Millimeterpapier (im Querformat) erstellt werden. 1. Grafik: H4, M4 (aus 2A) und H4 + Harnstoff, M4 + Harnstoff (aus 2B) 2. Grafik: Normalserum, Infarktserum (aus 2A) und Normalserum + Harnstoff, Infarktserum + Harnstoff (aus 2B) Wichtig: das Steigungsdreieck nicht innerhalb der ersten 15 Sek. einzeichnen. Zu Versuch 2A/B Für jede Küvette (A und B) soll der gemessene Extinktionswert in Abhängigkeit von der Zeit graphisch dargestellt werden. Für jeden Ansatz soll aus dem linearen Teil der Darstellung die Abnahme der Extinktion pro Zeit (E/min) ermittelt werden und daraus die Aktivitäten der -1 LDH pro Volumen (µmol . min . ml-1) in den einzelnen Ansätzen berechnet werden. 73 Übersichtstabelle der berechneten Daten – 2A/B Probe ∆E/min F* Aktivität (U/ml) H4 M4 Normalserum Herzinfarktserum H4 + Harnstoff M4 + Harnstoff Normalserum + Harnstoff Herzinfarktserum + Harnstoff *F = Verdünnungsfaktor Aus den berechneten Aktivitätswerten soll der Anteil an denaturierter H4 in der gereinigten H4-Probe errechnet werden. M4 dürfte vollständig denaturiert worden sein. So kann angenommen werden, dass die verbleibende Aktivität im Harnstoff behandelter Seren ausschließlich auf H4-Aktivität zurückzuführen ist. Übersichtstabelle der berechneten Daten LDH-Aktivität pro Volumen Probe H4 M4 Normalserum Herzinfarktserum mit Harnstoff (U/ml) ohne Harnstoff (U/ml) Verlust % 74 Rechenhilfe Verlust (in%) = Akt. ohne Harnstoff – Akt. mit Harnstoff • 100 Akt. ohne Harnstoff Der Verlust an H4-Aktivität wird mit dem oben bestimmten Anteil an H4-Denaturierung korrigiert. Bei der Berechnung der Aktivitätswerte der Seren wird dieser prozentuale H4-Verlust während der Harnstoffbehandlung berücksichtigt. Anteile in % H4 nicht H4 Normalserum Herzinfarktserum Rechenhilfe % H4/Serum = Akt. H4 (ohne Harnstoff) • Akt. Serum mit Harnstoff • 1 00 Akt. Serum (ohne Harnstoff) • Akt. H4 (mit Harnstoff)