Grundlagen der Enzymkinetik und Enzymologie

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Grundlagen der Enzymkinetik und Enzymologie
1. Tag: Bestimmung der Kenngrößen eines Enzyms
Biochemische Grundlagen
Anfang des 20. Jahrhunderts untersuchte Adrian Brown die Hydrolysegeschwindigkeit von
Saccharose durch das Enzym Invertase (β-Fructofuranosidase). Dabei machte er die
Entdeckung, dass die Reaktionsgeschwindigkeit von der Saccharosekonzentration unabhängig
ist, solange die Konzentration des Substrates die des Enzyms erheblich übersteigt. Er nahm
an, dass die Gesamtreaktion aus zwei Einzelreaktionen besteht, bei denen das Substrat einen
Komplex mit dem Enzym bildet, der später in Enzym und Produkt zerfällt.
k1
k2
E + S ↔ ES → E + P
k −1
Dabei bedeutet:
E:
freies Enzym
S:
Substrat
ES:
Enzym Substrat Komplex
P:
Produkt
k:
Geschwindigkeitskonstante der Reaktion
Das Enzym geht zunächst in einem reversiblen Schritt eine Bindung mit seinem Substrat ein,
wodurch ein Enzym-Substrat-Komplex gebildet wird. Im zweiten Schritt zerfällt der EnzymSubstrat Komplex in das freie Enzym und das Reaktionsprodukt. Unter sättigender
Konzentration an Substrat liegt das Enzym vollständig als Enzym Substrat Komplex vor.
Damit ist der Reaktionsschritt k2 der Geschwindigkeitsbestimmende (Voet, D. und Voet, J.G.,
Biochemie, VCH, 1992).
(Da die Geschwindigkeit der Produktbildung durch die Substratkonzentration [S] beeinflusst
wird, kann eine Bestimmung der Reaktionsgeschwindigkeit lediglich bei annähernd
konstanter [S] erfolgen. Eine konstante [S] ist lediglich direkt zu Beginn der jeweiligen
Reaktion gegeben, da im Laufe der Reaktion immer mehr Substrat zu Produkt umgewandelt
wird. Aus diesem Grund wird die Reaktionsgeschwindigkeit aus der Anfangsgeschwindigkeit
v0 ermittelt.) Untersucht man nun die Anfangsgeschwindigkeiten v0 bei verschiedenen
Substratkonzentrationen [S] in separaten Kinetiken, so zeigt sich, dass die Geschwindigkeit
1
einer enzymatischen Reaktion auch von [S] abhängig ist. In der Regel nimmt die
Anfangsgeschwindigkeit
mit
steigender
Substratkonzentration
zu,
bis
bei
hohen
Konzentrationen ein Sättigungswert (Maximalgeschwindigkeit vmax) erreicht wird. Das
Erreichen dieser Maximalgeschwindigkeit ist ein wesentliches Charakteristikum enzymatisch
katalysierter Reaktionen. Im einfachsten Fall, in welchem nur ein Substrat umgesetzt wird,
lässt sich die Abhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit von der Substratkonzentration mit
Hilfe der von Leonor Michaelis und Maude Menten angegebenen Gleichung beschreiben:
v0 =
v max ⋅ [S]
K m + [S]
Dabei bedeutet:
[S]:
v0 :
vmax :
Km :
Substratkonzentration bei Beginn der Reaktion
Anfangsgeschwindigkeit der Reaktion bei entsprechender [S]
Maximalgeschwindigkeit der Reaktion, die bei Substratsättigung erreicht wird
Michaelis-Konstante; bei dieser Substratkonzentration läuft die Reaktion mit
halbmaximaler Geschwindigkeit ab. Oft ist die Michaelis-Konstante ein Maß für die
Affinität des Enzyms zum Substrat.
Die Herleitung dieser Formel und ihre Voraussetzungen sind in jedem Lehrbuch nachzulesen.
Die Ermittlung der Michaelis-Konstante hat eine große praktische Bedeutung für die
Beurteilung der Aktivität eines Enzyms. Die Michaelis-Konstante lässt sich graphisch
ermitteln, wenn man die Anfangsgeschwindigkeit einer Reaktion bei verschiedenen
Substratkonzentrationen unter sonst identischen Bedingungen misst und die Werte v0 gegen
[S] aufträgt. Dabei ergibt sich eine Hyperbel, die bei hohen Substratkonzentrationen der
Maximalgeschwindigkeit vmax zustrebt (Sättigungskurve).
Abb.1 Auftragung der Anfangsgeschwindigkeiten v0
Michaelis Menten Diagramm
gegen die eingesetzten Substratkonzentrationen [S]
0.07
vmax
0.06
konzentration,
0.05
v0
nach Michaelis und Menten. Diejenige Substrat-
0.04
1/2 vmax
0.03
die
zur
halbmaximalen
Geschwindigkeit (vmax/2) korreliert, stellt den KmWert dar.
0.02
0.01
0.00
0
Km 1
2
3
4
5
6
[S]
2
Im Bereich hoher Substratkonzentrationen ist also die Reaktionsgeschwindigkeit praktisch
unabhängig von der Substratkonzentration, im Bereich niedriger Substratkonzentrationen ist
v0 dagegen stark von der Substratkonzentration abhängig. Aus der Kurve lässt sich die
halbmaximale Geschwindigkeit und die zugehörige Substratkonzentration, die der MichaelisKonstante (Km) des Enzyms entspricht, ablesen.
[S ] = K m, wenn
v0 =
vmax
2
Diese Methode zur Bestimmung der Michaelis-Konstante ist jedoch verhältnismäßig ungenau,
da sich vmax nur sehr ungenau graphisch eindeutig festlegen lässt. Die graphische Bestimmung
wird wesentlich vereinfacht durch eine Auftragung nach Lineweaver und Burk, der eine
einfache Umformung der Michaelis-Menten-Gleichung zugrunde liegt:
Km
1
1
=
+
v 0 v max ⋅ [S] v max
Bei einer Auftragung von 1/v0 gegen 1/[S] erhält man eine Gerade, welche die Ordinate im
Punkt 1/vmax und die Abszisse im Punkt -1/Km schneidet. Aus diesen Schnittpunkten lassen
sich sowohl die Maximalgeschwindigkeit als auch die Michaelis-Konstante bestimmen.
Lineweaver Burk Diagramm
1/v0 70
-1/Km
-10
-5
geschwindigkeiten
v0
gegen
die
eingesetzten
Substratkonzentrationen [S] nach Lineweaver und
60
50
40
30
20
10
-10
-20
Abb.2 Doppelt reziproke Auftragung der Anfangs-
Burk. Der Schnittpunkt mit der Ordinate ist 1/vmax, der
Schnittpunkt mit der Abszisse ist -1/Km
5
10
1/[S]
Auf folgender Internet Seite findet man eine sehr schöne und verständliche Animation zum
Verständnis der Michaelis Menten Kinetik und der Bedeutung von Km und Vmax Werten
http://bcs.whfreeman.com/biochem5/
Unter „Chapter 8“, Conceptual Insights, Steady State Enzyme Kinetics
Das Enzym: Die Lactat-Dehydrogenase
Die Lactat-Dehydrogenase (L-Lactat: NAD Oxidoreductase, EC 1.1.1.27) (LDH) katalysiert
den letzten Schritt der anaeroben Glykolyse und kommt praktisch in allen Geweben vor. Hohe
3
Aktivitäten lassen sich im Herzmuskel, in der Leber, im Skelettmuskel, in Erythrozyten und
Thrombozyten nachweisen.
LDH
Pyruvat + NADH + H
+
Lactat + NAD +
Das Gleichgewicht dieser Reaktion liegt auf der Seite der Milchsäureproduktion. Die
Gleichgewichtskonstante beschreibt sich durch:
K 25°C =
[Pyruvat] ⋅ [NADH] ⋅ [H + ]
= 2,7 ⋅ 10 −12
[Lactat] ⋅ [NAD + ]
Wenn NADH in großem Überschuss vorhanden ist, liegt das gesamte Enzym in Form eines
LDH-NADH-Komplexes vor. Die Michaelis-Konstante KM-Wert für Pyruvat beschreibt in
diesem Falle die Wechselwirkung zwischen Pyruvat und dem LDH-NADHKomplex.
Die Enzymaktivität der LDH wird mittels einem photometrischen Testverfahrens gemessen,
wobei der Unterschied im Absorptionsmaximum von NAD+ und NADH + H+ wird. (s.
Theorie zu Versuch: Funktionelle Charakterisierung eines Proteininhibitors)
Bestimmung der katalytischen Aktivität
Die Aktivität eines Enzyms entspricht der Anfangsgeschwindigkeit der katalysierten
Reaktion, also dem Substratumsatz pro Zeiteinheit zu Beginn der Reaktion. Man misst
entweder die Abnahme der Konzentration eines Substrates (-d[S]/dt) oder die Zunahme der
Konzentration eines Produktes (d[P]/dt) unter genau definierten Testbedingungen wie pHWert, Temperatur und Ionenkonzentration, welches nur einige Beispiele darstellen.
Die Geschwindigkeit einer Enzym-katalysierten Reaktion ist von der Konzentration des
Substrates
abhängig.
Erhöhung
der
Substratkonzentration
steigert
die
Reaktionsgeschwindigkeit bis zu einem Maximalwert (vmax) (siehe oben: Michaelis-MentenGleichung).
Die Aktivität eines Enzyms wird in der Regel bei maximaler Geschwindigkeit, d. h. im
Bereich der Substratsättigung, bei optimalen Cosubstrat- und Effektorkonzentrationen, bei
optimalem
pH-Wert
und
bei
einer
willkürlich
festgesetzten
Temperatur
(meist
Raumtemperatur RT = 25°C) bestimmt. Die Einheit der katalytischen Aktivität, Katal (kat),
ist definiert als Umsatz von 1 mol Substrat pro Sekunde oder als Bildung von 1 mol Produkt
pro Sekunde.
1 kat = 1 mol/sec; 1 nkat = 1 nmol/sec (n = nano = 10-9)
Besser geeignet ist jedoch die alte Einheit "Unit" (abgekürzt U). Sie ist definiert als Umsatz
von 1 µmol Substrat pro Minute.
4
Als spezifische Enzymaktivität bezeichnet man die Aktivität bezogen auf eine definierte
Menge Enzymprotein: kat/kg = µkat/mg oder µmol min-1 mg-1.
(s. auch Versuch: Funktionelle Charakterisierung eines Proteininhibitors)
5
VERSUCHSDURCHFÜHRUNG UND VERSUCHSPROTOKOLL
Messung der LDH Aktivität in Abhängigkeit von der Pyruvat-Konzentration
1
2
3
4
5
6
7
8
1920
1900
1880
1860
1840
1790
1700
1590
µl NADH
40
40
40
40
40
40
40
40
µl Na-Pyruvat*
20
40
60
80
100
150
240
350
20
20
20
µl HEPES-Puffer
* Die Konzentration der Pyruvat-Lösung beträgt 5 mM.
START DER REAKTION:
µl LDH
20
20
20
20
20
Zuerst wird das Photometer bei 340 nm gegen HEPES Puffer geeicht. Die Komponenten aus
dem obigen Pipettierplan (HEPES Puffer, NADH und Na-Pyruvat) werden in Plastik EinmalKüvette zusammengegeben. Durch dreimaliges Umdrehen der mit Parafilm verschlossenen
Küvette wird der Küvetteninhalt gründlich gemischt und die Anfangsextinktion (E0) bei
340nm gemessen. Für 30 sec wird überprüft, ob E0 unverändert bleibt. Die Küvette aus dem
Photometer nehmen und die Reaktion mit dem Enzym LDH (jeweils 20 µl) starten. Der
Küvetteninhalt wird wieder schnell durch dreimaliges Wenden der Küvette gemischt. In
einem Zeitraum von 1 min wird in Abständen von 15 sec die Extinktion abgelesen.
Aufgaben:
1.
Stellen
Sie
die
Zeitverläufe
der
Extinktionsänderungen
des
Versuches
auf
Millimeterpapier in einem Graphen dar (optional kann auch parallel dazu mit dem
Computer ausgewertet werden).
2.
Stellen
Sie
die
Abhängigkeit
der
Anfangsgeschwindigkeit
von
den
Substratkonzentrationen in einem Graphen nach Michaelis-Menten und LineweaverBurk handschriftlich dar (optional kann auch parallel dazu mit dem Computer
ausgewertet werden).
3.
Ermitteln Sie für die Reaktion jeweils die Kenngrößen vmax und Km, und beschreiben Sie
unter Zuhilfenahme des Semesterapparates (Bibliothek) die Kenngrößen mit den
Stichworten Affinität, Geschwindigkeit und Effizienz.
4.
Stellen Sie die gesamte Reaktionsgleichung von Seite 3 als Strukturformel
handschriftlich dar.
6
AUSWERTUNG UND FEHLERDISKUSSION
Für jede Küvette sollen die erhaltenen Messwerte in Abhängigkeit von der Zeit graphisch
dargestellt werden. Für jede Kurve müsste eine Tangente in t = 0 angelegt werden. Dies ist
aber nicht möglich, weil die Extinktionswerte für t = 0 nicht verfügbar sind, da sie nicht
gemessen werden können. Die Abweichung vom linearen Verlauf ist aber innerhalb der ersten
Minute so gering, dass die Messpunkte durch eine Gerade verbunden werden können; d.h.
diese Geraden entsprechen den Tangenten. Das Steigungsdreieck wird eingezeichnet.
Die Steigungen der Tangenten sind den Anfangsgeschwindigkeiten v0 proportional. Die
Differenz zwischen E0 (vor Zugabe der LDH ermittelt) und dem Ordinatenschnittpunkt der
Tangente entspricht der Konzentrationsabnahme von NADH durch die Addition von LDH.
Die Anfangsgeschwindigkeiten (NADH Verbrauch pro Zeiteinheit) werden mit Hilfe des
Lambert-Beer Gesetzes errechnet:
E = c ⋅ d ⋅ ε 340 nm
mit
= gemessene Extinktion bei 340nm
= Länge der Messstrecke (Bsp. Schichtdicke der Küvette, 1cm )
E
d
ε 340 nm = molarer Extinktionskoeffizient für NADH bei 340nm
(6,28 ⋅ 10
3
L ⋅ cm −1 ⋅ mol −1
)
(
+
c = NADH + H Konzentration mol ⋅ L−1
)
Für die mit Hilfe des Steigungsdreiecks ermittelte Anfangsgeschwindigkeit der Reaktion, v0 ,
ergibt sich dann:
vo =
Steigung
Δc
ΔE
=
=
mmol ⋅ L−1 ⋅ min −1
Δt ε 340 nm ⋅ d ⋅ Δt
6,28
[
]
7
Abgelesene Extinktion
Zeit [sec] Ansatz 1 Ansatz 2 Ansatz 3 Ansatz 4
Ansatz 5 Ansatz 6
Ansatz 7
Ansatz 8
0
Start der Reaktion mit LDH
15
30
45
60
75
90
Auswertung
Substrat-
Substrat-
Konzentration Konzentration
mM Pyruvat
1
[S]
Extinktionsabnahme Anfangsgeschwindigkeit
pro Minute (aus dem
Steigungsdreieck)
vo =
[
Steigung
mmol ⋅ L−1 ⋅ min −1
6, 28
]
1 ⎡ L ⋅ min ⎤
v 0 ⎢⎣ mmol ⎥⎦
ΔE
min
8
2. Tag: Untersuchungen an LDH-Isoenzymen
Isoenzyme
Enzyme können aus mehreren identischen oder nicht-identischen Untereinheiten aufgebaut
sein. Durch eine unterschiedliche Zusammensetzung der Untereinheiten entsteht eine Familie
von Enzymen innerhalb eines einzigen Organismus, die alle die gleiche Reaktion katalysieren.
Diese so genannten Isoenzyme unterscheiden sich in ihren physikalischen Eigenschaften
(Molekulargewicht, isoelektrischer Punkt, Denaturierungstemperatur) wie auch in ihren
katalytischen Eigenschaften (Km-Wert, pH-Optimum, Wechselzahl). Isoenzyme werden
sowohl von Pro- als auch Eukaryonten eingesetzt, um den Metabolismus mit geringem
Aufwand besonderen Bedingungen der Umgebung anzupassen. Die katalytischen
Eigenschaften dieser Isoenzyme können leicht modifiziert werden, indem die Synthese einer
Untereinheit erhöht und einer anderen erniedrigt wird. Dies ist mit deutlich weniger
Syntheseaufwand verbunden, als die Synthese eines neuen Enzyms. In Säugern
prädominieren bestimmte Isoenzyme häufig in bestimmten Geweben und zu bestimmten
Entwicklungszeiten. Isoenzyme sind vielfach Produkte dublizierter Gene, die aus einem
einzigen ursprünglichen Genort entstanden sind. (Alloenzyme katalysieren auch die gleiche
Reaktion, werden aber durch unterschiedliche Allele desselben Genorts kodiert). (Stryer,
Lubert et al., Biochemie, 5. Auflage, 2003, Spektrum Akademischer Verlag)
Funktionen der LDH-Isoenzyme
In den vorliegenden Übungen sollen die vier Isoenzyme der LDH studiert werden. Die LDH
ist aus vier Untereinheiten aufgebaut, die entweder dem Typ M (Muskeltyp) oder dem Typ H
(Herztyp) entsprechen. Diese Untereinheiten werden durch nicht-kovalente Bindungen
zusammengehalten. Die Kombination dieser beiden Untereinheiten zu einem Tetramer in
unterschiedlichen Relationen ergibt fünf Isoenzyme: H4, H3M, H2M2, HM3 und M4, die
auch als LDH 1, 2, 3, 4 und 5 bezeichnet werden. Die Anteile der fünf LDH-Isoenzyme im
Cytosol sind von Gewebe zu Gewebe unterschiedlich, innerhalb eines Organs jedoch relativ
konstant.
Die Verteilung der LDH-Isoenzyme in den verschiedenen Organen weist eine Korrelation zu
deren O2-Versorgung auf. Das H4-Isoenzym arbeitet relativ langsam und wird durch einen
Überschuss an Pyruvat gehemmt. Das M4-Enzym hat dagegen eine wesentlich höhere
Wechselzahl und wird kaum durch Pyruvat gehemmt.
9
Eigenschaften der LDH-Isoenzyme
Isoenzym
Wechselzahl
Km(Pyr)
Hemmung durch Pyruvat in
physiologischen Konzentrationen
H4(LDH 1)
45.000 sec-1
1 · 10-4 M
ja
M4(LDH 5)
100.000 sec-1
3 · 10-5 M
nein
Eine Zelle gewinnt viel mehr ATP durch die Verstoffwechselung des Pyruvats im
Citratzyklus als durch Umsetzung zu Lactat. Dazu ist allerdings Sauerstoff nötig, um das
produzierte NADH reoxydieren zu können und damit in der Atmungskettenphosphorylierung
ATP zu synthetisieren. In einem aeroben Gewebe wie im Herzen steht Sauerstoff immer in
genügenden Mengen zur Verfügung, so dass jede Umwandlung von Pyruvat zu Lactat, d. h.
Abzug dieses Metaboliten vom Citratzyklus, einen Energieverlust darstellen würde. Deshalb
dominieren in diesem Gewebe die Isoenzyme H4 und H3M, deren Aktivität von Pyruvat bei
physiologischen Konzentrationen gehemmt wird. Dementsprechend wird Pyruvat nicht zu
Lactat umgesetzt, sondern im Citratzyklus verstoffwechselt. In anaeroben Geweben mit
limitiertem Sauerstoffangebot, wie z. B. in kontrahierenden Skelettmuskeln, wird ATP
unabhängig von der Verfügbarkeit von Sauerstoff während der Umwandlung von Glucose in
Pyruvat produziert. Wenn die ATP-Konzentration sinkt, steigt der Fluss der Glykolyse um ein
Vielfaches an, um die notwendige Menge ATP zu synthetisieren. Unter diesen Bedingungen
muss NADH schnell in NAD+ überführt werden, weil es sonst zum Stopp der Glykolyse
kommen würde. NAD+ kann aber durch die LDH-Reaktion schnell regeneriert werden.
Deshalb herrscht in solchen, kurzzeitig anaerob arbeitenden, Geweben das Isoenzym M4 mit
hoher Wechselzahl vor, dessen Aktivität von Pyruvat nicht gehemmt wird. Als Produkt der
Reaktion akkumuliert Lactat, was schließlich im Cori-Zyklus zur Gluconeogenese benutzt
werden kann.
10
Die metabolische Funktion der LDH ist in der nächsten Abbildung zusammengefasst:
Abb.3: Die metabolische Funktion der LDH schließt sich an die Glykolyse an. Während dieser wird
ATP gebildet und dabei NAD+ zu NADH+H+ reduziert. Unter oxidativen Umständen folgt nach der
Bildung von Pyruvat der Citratzyklus, und im weiteren Verlauf wird NAD+ regeneriert. Ist die
Zelle/das Gewebe mit Sauerstoff unterversorgt, stockt der Citratzyklus. In diesem Fall wird alle
Energie aus der Glykolyse gezogen. Damit diese weiterläuft, wird über die anaerobe Glykolyse mit
LDH NAD+ regeneriert und wieder in die Glykolyse eingeschleust. Als weiteres Produkt entsteht dabei
Lactat, welches im Cori-Zyklus verwertet wird.
Nachweis von LDH-Isoenzymen
Aufgrund der allgemein hohen Proteinkonzentration in Blutserum ist der Nachweis der LDHIsoenzyme im diesem nicht einfach. Eine Methode zur Bestimmung der Isoenzymmenge an
M4 ist die Denaturierung durch Harnstoff. Die H-Untereinheit ist gegen Denaturierung durch
Harnstoff oder Hitze stabiler als die M-Untereinheit. M4 kann deshalb durch Inkubation in
Harnstoff oder durch Erhitzen auf 60°C inaktiviert werden. Danach wird die Menge an H4 im
Serum gemessen und anschließend berechnet.
Eine weitere Technik ist die elektrophoretische Trennung mit anschließender spezifischer
Färbung. Dieses Verfahren ist die Basis für verschiedene klinische Anwendungen, die sowohl
die Gewebeart als auch deren Zerstörungsgrad definieren können. Dazu wird sehr häufig das
Isoenzymmuster der LDH in Serum bestimmt. Normalerweise ist der LDH-Aktivitätsspiegel
in Serum sehr niedrig. Im pathologischen Fall werden die Zellmembranen des geschädigten
Organs meist permeabel für Enzyme und andere Makromoleküle, die dann in den
extrazellulären Raum austreten können. Gelangen sie in ausreichender Konzentration in Blut
und Lymphgefäße, so können sie quantitativ im Blutplasma bestimmt werden, was
Rückschlüsse auf Ausmaß und Umfang der Beschädigung zulässt.
11
Die im Serum messbare LDH-Aktivität stellt eine Summe der aus verschiedenen Organen
stammenden Isoenzyme dar. Deswegen kann aus einer einfachen Aktivitätsmessung nicht
unbedingt auf die Organherkunft des Enzyms geschlossen werden. Da aber im Falle der LDH
das Verhältnis der einzelnen Isoenzyme von Organ zu Organ unterschiedlich ist, spiegelt sich
die Schädigung eines bestimmten Gewebes auch als typisches Isoenzymmuster im Serum
wider. Eine solche Differenzierung der LDH-Isoenzyme nach Organen ist mit Elektrophorese
möglich. Auf diese Weise lässt sich z. B. unterscheiden, ob eine Erhöhung der LDH-Aktivität
im Serum auf eine Schädigung des Herzmuskels oder der Leberzelle zurückzuführen ist.
LDH-Isoenzymprofile aus menschlichen Seren
Abb. 3: Isoenzymprofile, welche im menschlichen Blutserum bei Auftreten
verschiedener Krankheiten auftreten und nachgewiesen werden können. Je
nach Auftreten des nekrotischen Gewebes werden unterschiedliche Isoenzyme
im Blut nachgewiesen. Die Verteilung aller fünf Isoenzyme ist für viele Organe
charakteristisch.
12
Versuchsdurchführung und Versuchsprotokoll
Bestimmung der Aktivität von H4 und M4 bzw. der LDH im Normalserum und im
Serum von Herzinfarktpatienten
H4
µl HEPES Puffer
µl NADH
µl H4
µl M4
µl Normalserum
µl Herzinfarkserum
µl Pyruvat
M4
2250
2250
50
50
100
100
START DER REAKTION
100
100
Normal
Serum
1950
50
400
-
Infarktserum
100
100
2250
50
100
Zuerst wird das Photometer bei 340nm gegen HEPES Puffer geeicht. Die Komponenten aus
dem obigen Pipettierplan (HEPES Puffer, NADH und Enzym) werden in Plastik EinmalKüvette zusammengegeben. Der Küvetteninhalt wird gründlich durchgemischt Extinktion
abgelesen und nach 30 sec noch einmal überprüft.
Im weiteren Verlauf sollen die Ansätze einzeln nacheinander weiterbehandelt werden, um
exakte Zeitabstände zwischen den Extinktionsablesungen einhalten zu können.
Die Reaktion wird durch Zugabe von 100 µl Pyruvatlösung (0,01 mol/l) pro Küvette gestartet.
Nach Zugabe von Pyruvat wird gründlich gemischt. Die Extinktion soll in genau 15 sec
Abständen nach dem Mischen abgelesen werden.
13
abgelesene Extinktion
sec
H4
M4
Normal- Infarktserum
serum
0
30
Start durch Zugabe von Pyruvat (100 µl/Küvette)
15
30
45
60
75
90
105
120
135
150
165
180
195
210
225
14
Abschätzung der Menge H4 in Normal und Herzinfarkt-Serum mittels
Harnstoff-Stabilitätstest
µl HEPES Puffer +
Harnstoff
µl NADH
µl H4
µl M4
µl Normalserum
µl Herzinfarkserum
µl Pyruvat
H4
M4
2250
2250
50
100
-
50
100
START der Reaktion
100
100
Normal
Serum
1950
Infarktserum
50
400
-
50
100
100
100
2250
Hierbei wird der erste Ansatz (H4) zusammen gegeben, gut gemischt und bei Raumtemperatur
für genau 1,5 Minuten stehen gelassen (in dieser Zeit erfolgt die Bestimmung des 0 und 30
Sekunden Wertes vor Pyruvat Zugabe!). Anschließend wird die LDH-Aktivität, wie in Teil 1
beschrieben, bestimmt. Genauso verfährt man mit den Ansätzen M4, Normalserum,
Infarktserum.
15
abgelesene Extinktion
sec
H4
M4
Normal- Infarktserum
serum
0
30
Start durch Zugabe von Pyruvat (100 µl/Küvette)
15
30
45
60
75
90
105
120
135
150
165
180
195
210
225
Aufgaben
Für jede Küvette sollen die gemessenen Extinktionswerte in Abhängigkeit von der Zeit
graphisch dargestellt werden. Aus dem linearen Teil der Darstellung sollen die
Reaktionsgeschwindigkeiten (ΔE/min) pro Ansatz ermittelt werden und daraus die
Aktivitäten der LDH (µmol · min-1 · ml-1) berechnet werden. (Das erstellte Bild bitte
einkleben.)
Aktivität =
Diese
Berechnung
erfolgt
nach
der
Formel:
ΔE340nm / min• Vtotal
U
μmol
=
=
εNADH · d ·VEinsatz
min• ml ml
16
Besser: Bestimmen Sie unter Zuhilfenahme der errechneten Restaktivität der
verschiedenen Proben die Anteile an H in den Seren. Diskutieren im Protokoll Sie ihr
Ergebnis.
Auswertung
LDH-Aktivität
Probe
Prozentuale Verteilung
Vor
Nach
Restaktivität
Verlust
Harnstoffbehandlung
Harnstoffbehandlung
%
%
U/ml
U/ml
H4
M4
Normalserum
Infarktserum
Anteile in %
H
nicht H
Normalserum
Herzinfarktserum
17
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