Thieme Onkologie aktuell Integration der Genomsequenzierung in die klinische Hämato-Onkologie – Eine Möglichkeit für „personalisierte“ Therapien Integration of cancer genome sequencing into clinical hematology/ oncology – An opportunity for molecularly targeted, „personalized“ treatment approaches Autoren C. Heining, D. Richter, S. Gröschel, H. Glimm, S. Fröhling Institut Abteilung Translationale Onkologie, Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg Key words Zusammenfassung Abstract Das stetig wachsende Verständnis der molekularen Pathogenese maligner Tumoren – insbesondere die detaillierte Charakterisierung krebstreibender Mutationen und aberrant aktivierter intrazellulärer Signalwege, die sowohl die Entstehung als auch Progression maligner Erkrankungen in erheblichen Maß beeinflussen – führt zur kontinuierlichen Aufdeckung potenzieller Zielstrukturen für diagnostische und therapeutische Interventionen. Dennoch sind bislang nur wenige molekulare Marker wie RAS-Mutationen beim kolorektalen Karzinom, BRAF-Mutationen beim malignen Melanom oder Alterationen im KIT- oder PDGFRA-Gen bei gastrointestinalen Stromatumoren im klinischen Alltag etabliert, wohingegen der Großteil klinischer Entscheidungen weiterhin ausschließlich auf der konventionellen histomorphologischen Diagnose basiert. In einer Reihe von Studien konnte eindrucksvoll gezeigt werden, dass eine umfassende molekulare Untersuchung verschiedener Patienten mittels moderner Verfahren der Genomsequenzierung wichtige Einblicke in die jeweilige Tumorbiologie und damit die Möglichkeit zielgerichteter, „personalisierter“ Therapieentscheidungen geben kann. Allerdings stellt die Integration einer solchen Diagnostik in den klinischen Alltag eine große Herausforderung dar. Das MASTER-Programm (Molecularly Aided Stratification for Tumor Eradication Research) des NCT (Nationales Centrum für Tumorerkrankungen) Heidelberg adressiert als molekular stratifizierte Registerstudie diese Problematik und bietet jüngeren Patienten mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen eine umfassende molekulare Diagnostik im klinischen Kontext, um Angriffspunkte für maßgeschneiderte, an der molekularen Anatomie des jeweiligen Tumors orientierte Behandlungen zu identifizieren. Das langfristige Ziel des Programms besteht darin, auf der Basis eines standardisierten Arbeitsablaufs und einer etablierten Infrastruktur, die klinische Tumorgenomsequenzie- Continuous improvements in our understanding of molecular carcinogenesis, in particular the detailed characterization of cancer-driving mutations and aberrantly activated intracellular signaling pathways, which are critically involved in cancer development and progression, has led to the identification of new potential targets for diagnostic and therapeutic intervention. Thus far, however, only a few molecular markers, such as mutant RAS in colorectal cancer, activating BRAF mutations in melanoma or alterations of the KIT and PDGFRA genes in gastrointestinal stromal tumors, are established in the clinical setting, and most treatment decisions in oncology remain exclusively based on histomorphologic diagnoses. Several studies have highlighted that comprehensive molecular analyses of individual tumors using modern genome sequencing technology can be highly informative regarding the underlying biology and may therefore provide opportunities for molecularly targeted, „personalized“ treatment approaches. However, the integration of comprehensive genomic analyses into clinical routine remains a formidable challenge. The MASTER (Molecularly Aided Stratification for Tumor Eradication Research) program at NCT Heidelberg, a molecularly stratified registry trial, addresses this problem and provides comprehensive molecular diagnostics in a clinical setting to identify entry points for tailored therapeutic intervention in younger patients with advanced-stage cancers. Based on a standardized workflow and an established infrastructure, the program aims to offer clinical cancer genome sequencing to adult patients with advanced-stage malignancies and to systematically evaluate the efficacy of molecularly stratified therapeutic interventions. ●▶ molecular diagnostics ●▶ next-generation sequencing ●▶ NCT MASTER Program ●▶ targeted therapy Erstpublikation DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0041-106400 klinikarzt 2015; 44 (10): 436 – 440 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ∙ New York ∙ ISSN 0341-2350 Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0042-111305 TumorDiagn u Ther 2016; 37: 332–336 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 0722-219X Korrespondenzadresse Prof. Dr. med. Stefan Fröhling Abteilung Translationale Onkologie Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg Im Neuenheimer Feld 460 69120 Heidelberg Fax: 06221/56-5389 [email protected] Dr. med. Christoph Heining Abteilung Translationale Onkologie Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg Im Neuenheimer Feld 460 69120 Heidelberg Fax: 06221/56-5389 [email protected] ▼ Heining C et al. Integration der Genomsequenzierung … TumorDiagn u Ther 2016; 37: 332–336 ▼ Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 332 Thieme Onkologie aktuell 333 rung flächendeckend anbieten zu können und die Wirksamkeit molekular stratifizierter Therapiestrategien systematisch zu untersuchen. forderungen an die klinischen Abläufe und Infrastruktur der Standorte stellt. Wesentliche Herausforderungen sind u.a. die zeitnahe Erstellung medizinisch verwertbarer molekularer Befunde, die in der klinischen Anwendung unverzichtbare Validierung NGS-basierter Daten, die Wertung von Sequenzierungsergebnissen im Hinblick auf deren therapeutische Relevanz sowie nicht zuletzt die klinische Umsetzung von Therapieempfehlungen. Integration NGS-basierter molekularer Diagnostik in die klinische Hämato-Onkologie ▼ In Heidelberg wurden mit dem 2012 initiierten NCT MASTER (Molecularly Aided Stratification for Tumor Eradication Research)-Programm Voraussetzungen und Strukturen für eine klinische Anwendung NGS-basierter molekularer Diagnostik geschaffen. Durch Etablierung eines spezifischen klinischen Ablaufs ●▶ Abb. 1 und vor dem Hintergrund einer gewachsenen Infrastruktur mit enger Zusammenarbeit von Genomics and Proteomics Core Facility des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), bioinformatischem Campus, pathologischem Institut sowie klinischen Abteilungen des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg und des Universitätsklinikums unter dem Dach des DKFZ Heidelberg Center for Personalized Oncology (DKFZ HIPO) und des NCT Precision Oncology Program (NCT POP) gelingt hierbei eine rasche Umsetzung personalisierter Therapiekonzepte auf dem Boden individualisierter molekularer Diagnostik. Die einzelnen Arbeitsschritte beinhalten die Gewebegewinnung im Rahmen operativer Eingriffe oder durch Tumorbiopsie, die histopathologische Begutachtung, die DNA- und RNA-Aufbereitung mit anschließender Sequenzierung und bioinformatischer Analyse, die molekularpathologische Validierung klinisch relevanter Alterationen sowie die klinische Evaluation der Daten mit anschließender interdisziplinärer Besprechung in einem molekularen Tumorboard. Für die Beratung, Betreuung und Behandlung der Patienten wurde zudem eine spezialisierte Ambulanz für personalisierte oder Präzisionsonkologie geschaf- Abb. 1 Ablauf des NCT MASTER-Programms. Im Rahmen einer Beobachtungsstudie werden die Machbarkeit einer breiten molekularen Diagnostik im klinischen Kontext sowie die Wirksamkeit individueller molekular-zielgerichteter Behandlungsstrategien in 6 unterschiedlichen, genetisch definierten Kategorien bewertet. Kategorien oder Baskets, in denen während der Beobachtungsstudie Hinweise auf die Wirksamkeit der jeweiligen Therapiestrategie beobachtet werden, sollen zukünftig im Rahmen interventioneller Therapiestudien bewertet werden. Heining C et al. Integration der Genomsequenzierung … TumorDiagn u Ther 2016; 37: 332–336 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Dank der Verfügbarkeit moderner „next-generation sequencing“ (NGS)-Technologien schreitet die molekulare Charakterisierung von Tumorerkrankungen mit beeindruckender Geschwindigkeit voran. Das stetig wachsende Verständnis um molekulare Prozesse der Karzinogenese sowie die exakte Charakterisierung zahlreicher krebstreibender Mutationen und Signalwege ermöglichen die Identifikation neuer molekularer Zielstrukturen als Basis innovativer „personalisierter“ Therapiealgorithmen. Das Potenzial einer molekularen Subtypisierung histologisch nicht exakter aufzuschlüsselnder Entitäten lässt sich an zahlreichen Beispielen wie dem EGFR-mutierten Adenokarzinom der Lunge oder dem BRAF-mutierten Melanom, die äußerst erfolgreich durch Kinaseinhibitoren therapiert werden können, anschaulich illustrieren [1, 2]. Der Großteil der Daten zu therapeutisch oder prognostisch relevanten genetischen Alterationen wie EGFR- oder BRAF-Mutationen stammt aus der systemischen Untersuchung umfangreicher, auf der Basis konventioneller histologischer Kriterien definierter Patientenkohorten. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt darüber hinaus, dass auch die molekulare Diagnostik individueller Tumorerkrankungen zu wegweisenden Erkenntnissen im molekularen Verständnis führen und damit als Grundlage für molekular stratifizierte klinische Studien und Therapiealgorithmen dienen kann. Stellvertretend seien hier die Entdeckung inaktivierender TSC1-Mutationen als Rationale für die erfolgreiche Therapie derart mutierter Urothelkarzinome mit mTOR-Inhibitoren oder die Identifizierung medikamentös adressierbarer FGFR-Fusionen bei verschiedenen soliden Tumorentitäten genannt [3, 4]. Grundsätzlich ermöglicht die exakte molekulare Charakterisierung der Erkrankung individueller Patienten sowohl eine detaillierte Analyse aktivierter Signalwege als auch die Aufdeckung bereits angelegter Resistenzmechanismen und damit eine auf molekularen Eigenschaften basierende Möglichkeit zur Prädiktion der Ansprechwahrscheinlichkeit oder Resistenz gegenüber zielgerichteten Therapien. Die Anwendung umfangreicher, NGS-basierter molekularer Untersuchungen wie Ganzgenom-, Exom- und Transkriptomsequenzierung im klinischen Kontext bringt allerdings eine Reihe logistischer und technischer Herausforderungen mit sich, die erhebliche An- Thieme Onkologie aktuell fen. Komplettiert wird die Infrastruktur durch eine leistungsfähige Biobank und eine Studienzentrale. Schrittweiser Ausbau des Programms ▼ Langfristiges Ziel des NCT MASTER-Programms ist es, jedem NCTPatienten eine umfassende molekulare Diagnostik des Tumors sowie ggf. eine individualisierte Krebstherapie anbieten zu können. Angesichts der erheblichen finanziellen und personellen Ressourcen, die vor dem Hintergrund des aufwendigen Ablaufs für jeden einzelnen Patienten aufgewendet werden müssen, kann eine Umsetzung dieses Ziels nur schrittweise erfolgen. Das Programm in seiner jetzigen Form ermöglicht den Einschluss von Patienten, die bestimmte Kriterien wie z.B. junges Alter oder das Vorliegen einer ▶ Tab. 1. Die Aufklärung der sehr seltenen Tumorentität erfüllen ● Patienten über die geplante genomische Diagnostik, die Speicherung und Verwertung der erhobenen Daten sowie die Kontaktaufnahme im Falle klinischer Konsequenzen, z.B. verfügbarer Therapien oder Studien, erfolgt auf der Basis einer zentrumsweit etablierten und unter ausführlicher Berücksichtigung ethischer Gesichtspunkte entwickelten Einverständniserklärung. Materialgewinnung und Probenverarbeitung ▼ Aufgrund der hohen Anforderungen, die im Rahmen der NGS-basierten molekularen Diagnostik an die DNA- und RNA-Qualität gestellt werden müssen, ist die Gewinnung von Frischgewebe notwendig, sofern nicht auf gefrorenes Material zurückgegriffen werden kann. Da sich das Mutationsspektrum von Tumoren durch Therapien und im Rahmen einer Erkrankungsprogression erheblich verändern kann, sollte der Zeitpunkt einer Biopsie zudem zeitnah vor einer evtl. zielgerichteten Therapie gewählt werden. Die Vermeidung von Qualitätsverlusten durch lange Lagerungs- und Transportzeiten bei Raumlufttemperatur nach Operation oder Biopsieentnahme erfordert hierbei eine sorgfältige logistische Planung, insbesondere bei längeren Transportwegen in der Zusammenarbeit mit externen Kooperationspartnern. Durch pathologische Begutachtung von Kryoschnitten wird im Anschluss an die Materialgewinnung das Vorhandensein von Tumorzellen verifiziert und deren prozentualer Anteil dokumentiert. Proben, die einen Tumorzellgehalt von unter 20% aufweisen, sind in der Regel nicht für eine Sequenzierung im klinischen Kontext geeignet. Als Kontrolle dienen bei soliden Tumoren in der Regel Leukozyten aus peripherem Blut, bei leukämisch verlaufenden Hämatoneoplasien werden meistens Mundschleimhautabstriche verwendet. Pathologisch begutachtete Tumorbiopsien werden anschließend in einem Tab. 1 spezialisierten Sample Processing Laboratory weiter bearbeitet. Nach der standardisierten DNA- und RNA-Extraktion und abschließenden Qualitätskontrollen erfolgt in den meisten Fällen eine Exom- und Transkriptomsequenzierung. Hierdurch lassen sich auf DNA-Ebene Punktmutationen, kleine Insertionen/Deletionen, Kopienzahlveränderungen und in gewissem Umfang Genfusionen, auf RNA-Ebene in erster Linie die Expression betroffener Gene darstellen. Eine wesentliche Stärke einer solchen breiten molekularen Diagnostik ist die weitgehend ergebnisoffene Suche nach genomischen Veränderungen. Hierdurch können bislang nicht beschriebene, oder im jeweiligen Erkrankungszusammenhang unerwartete Alterationen mit möglicher klinischer Relevanz detektiert werden. Bioinformatische Analyse und Evaluation von Sequenzierungsergebnissen ▼ Die bioinformatische Analyse der DNA-Sequenzierungsdaten umfasst zunächst die Identifizierung von Punktmutationen, kleinen Insertionen/Deletionen sowie Kopienzahlveränderungen. Für die Detektion erworbener, tumorspezifischer Mutationen ist der Vergleich von Tumor-DNA und normaler „Keimbahn“-DNA desselben Patienten ausschlaggebend. Im Weiteren werden mittels RNAAnalyse Expressionsdaten gewonnen, mithilfe derer abgeschätzt werden kann, inwieweit sich Mutationen, Amplifikationen oder Deletionen in der Expression der entsprechenden Gene widerspiegeln. Entscheidend für die klinische Verwendung von NGS-Daten ist ihre Beurteilung im Hinblick auf medizinische Relevanz. Bei den meisten Tumorerkrankungen können nur in vergleichsweise geringem Umfang Mutationen identifiziert werden, deren therapeutische Relevanz in der betreffenden Entität belegt ist. In einem Großteil der Fälle basiert die therapeutische Hypothesenbildung und Entscheidungsfindung daher auf dem Nachweis genetischer Veränderungen, deren prädiktive Bedeutung und therapeutische Relevanz von anderen Tumorentitäten bekannt ist, oder der Einschätzung von Auswirkungen einer genetischen Alteration auf den Aktivierungszustand medikamentös adressierbarer intrazellulärer Signalwege auf der Basis von präklinischen Erkenntnissen oder theoretischen Erwägungen. Zur Strukturierung und Einordnung der erhobenen Befunde erfolgt eine Gruppierung in verschie▶ Tab. 2 einerseits sowie dene therapeutisch relevante Kategorien ● eine Zuordnung von klinischen oder wissenschaftlichen Evidenz▶ Abb. 2 anderseits. Die Kategorisierung gemäß untergraden ● schiedlicher therapeutischer Interventionen berücksichtigt Mutationen in Tyrosinkinasen sowie Komponenten häufig betroffener Signalkaskaden wie dem PI3K-AKT-mTOR-, dem RAF-MEK-ERKund dem Hedgehog-Signalweg. Zudem werden Defekte in wichtigen Effektoren der DNA-Reparatur und hypermutierte Tumoren, Ein- und Ausschlusskriterien des NCT MASTER-Programms. Einschlusskriterien Ausschlusskriterien Alter ≥ 18 Jahre und ≤ 50 Jahre und/oder sehr seltene Tumorentität (Inzidenz < 1/100 000 pro Jahr) Keine aktuelle/absehbare systemische Therapieindikation Fehlende Einverständniserklärung Fehlende Möglichkeit einer adäquaten Biopsiegewinnung Lebenserwartung < 6 Monate oder Karnofsky-Index ≤ 70 % Fehlen einer messbaren Erkrankungsaktivität Etablierte kurative Therapie verfügbar Tab. 2 Kategorien therapeutisch adressierbarer Alterationen. Kategorie Mögliche therapeutische Konsequenz Tyrosinkinasen Small Molecule Inhibitoren, Antikörper PI3K-AKT-mTOR Small Molecule Inhibitoren RAF-MEK-ERK Small Molecule Inhibitoren Developmental Pathways (z. B. Hedgehog) Small Molecule Inhibitoren DNA-Reparatur Platinhaltige Chemotherapie, PARP-Inhibitoren Hypermutation Immuncheckpoint-Inhibitoren Heining C et al. Integration der Genomsequenzierung … TumorDiagn u Ther 2016; 37: 332–336 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 334 Thieme Onkologie aktuell High 335 Level 1 A: Drug is approved for the same tumor type harboring the specific biomarker. B: Predictive value of the biomarker or clinical effectiveness of the corresponding drug in a molecularly stratified cohort was demonstrated in an adequately powered prospective study or a meta-analysis. ______________________________________________________________________ Level 2 A: Predictive value of the biomarker or clinical effectiveness of the drug in a molecularly C: Case study or single unusual responder indicates the biomarker is associated with response to the drug, supported by scientific rationale. ______________________________________________________________________ Level 3 Preclinical data (in vitro or in vivo models and functional genomics) demonstrate that the biomarker predicts response of cells to drug treatment. ______________________________________________________________________ Level 4 Biological rationale exists that links the drug to the altered signaling pathway or relevant basket. No reported clinical or preclinical data on the response to the drug. Low Adapted from: MD Anderson Cancer Center Institute for Personalized Cancer Therapy https://pct.mdanderson.org Abb. 2 Priorisierung klinisch relevanter genomischer Alterationen hinsichtlich ihrer Assoziation mit dem Ansprechen auf eine bestimmte Therapie durch Zuordnung zu 4 unterschiedlichen Evidenzniveaus. die durch eine Vielzahl von Punktmutationen und/oder Insertionen/Deletionen in verschiedenen Signalwegen charakterisiert sind, berücksichtigt. Letztere scheinen vor dem Hintergrund zuletzt publizierter Daten ein vergleichsweise gutes Ansprechen auf die sog. Immuncheckpoint-Inhibitoren zu zeigen [5, 6, 7]. Klinisch relevante Ergebnisse werden zunächst molekularpathologisch validiert. Die hierzu eingesetzten Methoden umfassen z.B. den immunhistochemischen Nachweis von Zielstrukturen wie ERBB2 (HER2/neu) und molekularpathologische Techniken wie die Validierung annotierter Mutationen mittels Sanger-Sequenzierung oder den Nachweis von Translokationen und Amplifikationen durch Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung. Vor allem bei unbekannten Mutationen, die therapeutisch möglicherweise relevante Genregionen betreffen, ist oftmals keine abschließende Aussage über eine aktivierende oder inhibierende Funktion der vorliegenden Alteration möglich. In selektierten Fällen erfolgt daher eine funktionelle Validierung detektierter Veränderungen, die eine nähere Charakterisierung evtl. wachstumsfördernder Impulse sowie Aussagen über die Sinnhaftigkeit einer zielgerichteten Therapie erlaubt. Strukturen für die klinische Implementierung personalisierter Onkologie ▼ Die Diskussion des jeweiligen klinischen Falls, der erhobenen molekularen Befunde sowie daraus ableitbarer Therapieempfehlungen erfolgt in einem wöchentlich stattfindenden interdisziplinären Tumorboard für „personalisierte“ oder Präzisionsonkologie, in dem alle an der molekularen Diagnostik und klinischen Versorgung beteiligten Fachdisziplinen vertreten sind. Dies umfasst Mitarbeiter des Sample Processing Laboratory, der Molekularpathologie und Bioinformatik ebenso wie translationale Onkologen und Kollegen weiterer fachspezifischer klinischer Abteilungen. Die therapierelevanten Ergebnisse der molekularen Diagnostik werden ebenso wie hieraus abgeleitete Therapieempfehlungen analog zum Vorgehen in entitätenspezifischen Tumorboards im klinischen Kontext dokumentiert. Die anschließende Kommunikation und Besprechung der Ergebnisse mit dem Patienten erfolgt in einer eigens eingerichteten Spezialambulanz, in der Patienten von der Planung der Materialgewinnung und Aufklärung über die molekulare Diagnostik bis hin zur Besprechung der therapeutischen Optionen und zielgerichteten Therapie betreut werden. Bei stetig steigenden Fallzahlen wurde innerhalb des Programms bislang bei 239 Patienten eine molekulare Diagnostik durchgeführt. Basierend Heining C et al. Integration der Genomsequenzierung … TumorDiagn u Ther 2016; 37: 332–336 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. stratified cohort was demonstrated in a prospective trial with biomarkers as a secondary objective or an adequately powered retrospective cohort or case-control study in the same tumor type. B: Predictive value of the biomarker or clinical effectiveness of the drug in a molecularly stratified cohort was demonstrated by clinical data in a different tumor type. Thieme Onkologie aktuell auf den molekularen Daten konnte bei 53% der Patienten eine zielgerichtete Therapieempfehlung ausgesprochen werden. Ausblick ▼ Der Erfolg zielgerichteter Medikamente und immunologischer Therapieansätze hat die Hämato-Onkologie in den letzten Jahren in erheblichem Maß beeinflusst und bereichert. Initiativen wie das NCT MASTER-Programm zeigen die Durchführbarkeit NGSbasierter molekularer Diagnostik und individualisierter Therapiekonzepte im klinischen Kontext. Eine wesentliche praktische Herausforderung im klinischen Alltag stellt allerdings die in vielen Fällen begrenzte Verfügbarkeit zielgerichteter Therapeutika dar. Dies gilt insbesondere für Situationen, in denen die molekulare Diagnostik eine klare Rationale für die Wirksamkeit einer spezifischen Therapie erbringt, die entweder für die vorliegende Indikation nicht zugelassen oder nur innerhalb klinischer Studien verfügbar ist. Ein wesentliches Problem stellt in diesem Kontext dar, dass zahlreiche Studien den Einschluss nur einer oder weniger – histologisch definierter – Tumorentitäten erlauben. Grundsätzlich ergeben sich mehrere Möglichkeiten, geeigneten Patienten eine bislang nicht zugelassene Therapie zugänglich zu machen. Ist der Einschluss in eine Studie nicht möglich, bleibt die Kontaktaufnahme mit Arzneimittelherstellern, die eine entsprechende Substanz indikationsfremd innerhalb klinischer Studien prüfen. Im Falle einer bereits vorhandenen, wenn auch indikationsfremden Zulassung kann zudem die Prüfung einer Kostenübernahme für einen Off-Label-Gebrauch durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen forciert werden. In vielen Fällen begünstigt die berechtigte und auf dem Boden molekularer Befunde begründbare Hoffnung auf ein Therapieansprechen hierbei eine positive Entscheidung vonseiten der Kostenträger. Weitaus wünschenswerter ist aus wissenschaftlicher wie auch klinischer Sicht eine Behandlung im Studienkontext. Mittelfristiges Ziel des NCT MASTER-Programms ist es daher, eine möglichst große Anzahl von Patienten innerhalb klinischer Prüfungen zu behandeln. Zur Umsetzung dieses Vorhabens erfolgt derzeit eine Stratifizierung und Behandlung von Patienten innerhalb der ▶ Tab. 2 definierten Kategorien molekularer Alterationen, an 6 in ● die sich – abhängig vom Therapieerfolg innerhalb der einzelnen Kategorien – interventionelle klinische Studien mit großen, molekular stratifizierten Patientenkollektiven anschließen. Durch schrittweisen Ausbau der oben skizzierten Strukturen und die fortgesetzt enge Kooperationen mit Arzneimittelherstellern und kooperierenden onkologischen Zentren ist es das langfristige Ziel des NCT, möglichst allen Patienten eine NGS-basierte molekulare Diagnostik und Therapie anbieten zu können. Autorenerklärung: Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Literatur 01 Sharma SV, Bell DW, Settleman J, Haber DA. Epidermal growth factor mutations in lung cancer. Nat Rev Cancer 2007; 7: 169 – 181 02 Bollag G, Tsai J, Zhang J et al. Vemurafenib: the first drug approved for BRAF-mutant cancer. Nat Rev Drug Discov 2012; 11: 873 – 886 03 Iyer G, Hanrahan AJ, Milowsky MI et al. Genome sequencing identifies a basis for everolimus sensitivity. Science 2012; 338: 221 – 221 04 Borad MJ, Champion MD, Egan JB et al. Integrated genomic characterization reveals novel, therapeutically relevant drug targets in FGFR and EGFR pathways in sporadic intrahepatic cholangiocarcinoma. PLoS Genet 2014; 10 05 Snyder A, Makarov V, Merghoub T et al. Genetic basis for clinical response to CTLA-4 blockade in melanoma. N Engl J Med 2014; 371: 2189 – 2199 06 Rizvi NA, Hellmann MD, Snyder A et al. Cancer immunology. Mutational landscape determines sensitivity to PD-1 blockade in non-small cell lung cancer. Science 2015; 348: 124 – 128 07 Le DT, Uram JN, Wang H et al. PD-1 blockade in tumors with mismatchrepair deficiency. N Engl J Med 2015; 372: 2509 – 2520 Heining C et al. Integration der Genomsequenzierung … TumorDiagn u Ther 2016; 37: 332–336 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 336