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Thieme Onkologie aktuell
Integration der Genomsequenzierung in die klinische
Hämato-Onkologie – Eine Möglichkeit für „personalisierte“
Therapien
Integration of cancer genome sequencing into clinical hematology/
oncology – An opportunity for molecularly targeted, „personalized“
treatment approaches
Autoren
C. Heining, D. Richter, S. Gröschel, H. Glimm, S. Fröhling
Institut
Abteilung Translationale Onkologie, Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg
Key words
Zusammenfassung
Abstract
Das stetig wachsende Verständnis der molekularen
Pathogenese maligner Tumoren – insbesondere die
detaillierte Charakterisierung krebstreibender Mutationen und aberrant aktivierter intrazellulärer
Signalwege, die sowohl die Entstehung als auch
Progression maligner Erkrankungen in erheblichen
Maß beeinflussen – führt zur kontinuierlichen Aufdeckung potenzieller Zielstrukturen für diagnostische und therapeutische Interventionen. Dennoch sind bislang nur wenige molekulare Marker
wie RAS-Mutationen beim kolorektalen Karzinom,
BRAF-Mutationen beim malignen Melanom oder
Alterationen im KIT- oder PDGFRA-Gen bei gastrointestinalen Stromatumoren im klinischen Alltag etabliert, wohingegen der Großteil klinischer
Entscheidungen weiterhin ausschließlich auf der
konventionellen histomorphologischen Diagnose
basiert. In einer Reihe von Studien konnte eindrucksvoll gezeigt werden, dass eine umfassende
molekulare Untersuchung verschiedener Patienten
mittels moderner Verfahren der Genomsequenzierung wichtige Einblicke in die jeweilige Tumorbiologie und damit die Möglichkeit zielgerichteter,
„personalisierter“ Therapieentscheidungen geben
kann. Allerdings stellt die Integration einer solchen
Diagnostik in den klinischen Alltag eine große Herausforderung dar. Das MASTER-Programm (Molecularly Aided Stratification for Tumor Eradication
Research) des NCT (Nationales Centrum für Tumorerkrankungen) Heidelberg adressiert als molekular
stratifizierte Registerstudie diese Problematik und
bietet jüngeren Patienten mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen eine umfassende molekulare Diagnostik im klinischen Kontext, um Angriffspunkte
für maßgeschneiderte, an der molekularen Anatomie des jeweiligen Tumors orientierte Behandlungen zu identifizieren. Das langfristige Ziel des
Programms besteht darin, auf der Basis eines standardisierten Arbeitsablaufs und einer etablierten
Infrastruktur, die klinische Tumorgenomsequenzie-
Continuous improvements in our understanding
of molecular carcinogenesis, in particular the detailed characterization of cancer-driving mutations
and aberrantly activated intracellular signaling
pathways, which are critically involved in cancer
development and progression, has led to the identification of new potential targets for diagnostic
and therapeutic intervention. Thus far, however,
only a few molecular markers, such as mutant RAS
in colorectal cancer, activating BRAF mutations in
melanoma or alterations of the KIT and PDGFRA
genes in gastrointestinal stromal tumors, are established in the clinical setting, and most treatment decisions in oncology remain exclusively
based on histomorphologic diagnoses. Several
studies have highlighted that comprehensive molecular analyses of individual tumors using modern genome sequencing technology can be highly
informative regarding the underlying biology and
may therefore provide opportunities for molecularly targeted, „personalized“ treatment approaches. However, the integration of comprehensive
genomic analyses into clinical routine remains a
formidable challenge. The MASTER (Molecularly
Aided Stratification for Tumor Eradication Research) program at NCT Heidelberg, a molecularly
stratified registry trial, addresses this problem
and provides comprehensive molecular diagnostics in a clinical setting to identify entry points for
tailored therapeutic intervention in younger patients with advanced-stage cancers. Based on a
standardized workflow and an established infrastructure, the program aims to offer clinical cancer
genome sequencing to adult patients with advanced-stage malignancies and to systematically
evaluate the efficacy of molecularly stratified therapeutic interventions.
●▶ molecular diagnostics
●▶ next-generation sequencing
●▶ NCT MASTER Program
●▶ targeted therapy
Erstpublikation
DOI http://dx.doi.org/
10.1055/s-0041-106400
klinikarzt 2015; 44 (10): 436 –
440 © Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart ∙ New York ∙
ISSN 0341-2350
Bibliografie
DOI http://dx.doi.org/
10.1055/s-0042-111305
TumorDiagn u Ther 2016; 37:
332–336 © Georg Thieme
Verlag KG Stuttgart · New York ·
ISSN 0722-219X
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. med. Stefan Fröhling
Abteilung Translationale
Onkologie Nationales Centrum
für Tumorerkrankungen (NCT)
Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 460
69120 Heidelberg
Fax: 06221/56-5389
[email protected]
Dr. med. Christoph Heining
Abteilung Translationale
Onkologie Nationales Centrum
für Tumorerkrankungen (NCT)
Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 460
69120 Heidelberg
Fax: 06221/56-5389
[email protected]
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rung flächendeckend anbieten zu können und die Wirksamkeit
molekular stratifizierter Therapiestrategien systematisch zu untersuchen.
forderungen an die klinischen Abläufe und Infrastruktur der
Standorte stellt. Wesentliche Herausforderungen sind u.a. die
zeitnahe Erstellung medizinisch verwertbarer molekularer Befunde, die in der klinischen Anwendung unverzichtbare Validierung NGS-basierter Daten, die Wertung von Sequenzierungsergebnissen im Hinblick auf deren therapeutische Relevanz sowie
nicht zuletzt die klinische Umsetzung von Therapieempfehlungen.
Integration NGS-basierter molekularer Diagnostik in
die klinische Hämato-Onkologie
▼
In Heidelberg wurden mit dem 2012 initiierten NCT MASTER
(Molecularly Aided Stratification for Tumor Eradication Research)-Programm Voraussetzungen und Strukturen für eine
klinische Anwendung NGS-basierter molekularer Diagnostik geschaffen. Durch Etablierung eines spezifischen klinischen Ablaufs
●▶ Abb. 1 und vor dem Hintergrund einer gewachsenen Infrastruktur mit enger Zusammenarbeit von Genomics and Proteomics Core Facility des Deutschen Krebsforschungszentrums
(DKFZ), bioinformatischem Campus, pathologischem Institut sowie klinischen Abteilungen des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg und des Universitätsklinikums
unter dem Dach des DKFZ Heidelberg Center for Personalized
Oncology (DKFZ HIPO) und des NCT Precision Oncology Program
(NCT POP) gelingt hierbei eine rasche Umsetzung personalisierter
Therapiekonzepte auf dem Boden individualisierter molekularer
Diagnostik. Die einzelnen Arbeitsschritte beinhalten die Gewebegewinnung im Rahmen operativer Eingriffe oder durch Tumorbiopsie, die histopathologische Begutachtung, die DNA- und
RNA-Aufbereitung mit anschließender Sequenzierung und bioinformatischer Analyse, die molekularpathologische Validierung
klinisch relevanter Alterationen sowie die klinische Evaluation
der Daten mit anschließender interdisziplinärer Besprechung in
einem molekularen Tumorboard. Für die Beratung, Betreuung
und Behandlung der Patienten wurde zudem eine spezialisierte
Ambulanz für personalisierte oder Präzisionsonkologie geschaf-
Abb. 1 Ablauf des NCT MASTER-Programms. Im
Rahmen einer Beobachtungsstudie werden die
Machbarkeit einer breiten molekularen Diagnostik
im klinischen Kontext sowie die Wirksamkeit individueller molekular-zielgerichteter Behandlungsstrategien in 6 unterschiedlichen, genetisch definierten
Kategorien bewertet. Kategorien oder Baskets, in
denen während der Beobachtungsstudie Hinweise
auf die Wirksamkeit der jeweiligen Therapiestrategie
beobachtet werden, sollen zukünftig im Rahmen interventioneller Therapiestudien bewertet werden.
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Dank der Verfügbarkeit moderner „next-generation sequencing“
(NGS)-Technologien schreitet die molekulare Charakterisierung
von Tumorerkrankungen mit beeindruckender Geschwindigkeit
voran. Das stetig wachsende Verständnis um molekulare Prozesse der Karzinogenese sowie die exakte Charakterisierung zahlreicher krebstreibender Mutationen und Signalwege ermöglichen
die Identifikation neuer molekularer Zielstrukturen als Basis innovativer „personalisierter“ Therapiealgorithmen.
Das Potenzial einer molekularen Subtypisierung histologisch
nicht exakter aufzuschlüsselnder Entitäten lässt sich an zahlreichen Beispielen wie dem EGFR-mutierten Adenokarzinom der
Lunge oder dem BRAF-mutierten Melanom, die äußerst erfolgreich durch Kinaseinhibitoren therapiert werden können, anschaulich illustrieren [1, 2]. Der Großteil der Daten zu therapeutisch oder prognostisch relevanten genetischen Alterationen wie
EGFR- oder BRAF-Mutationen stammt aus der systemischen Untersuchung umfangreicher, auf der Basis konventioneller histologischer Kriterien definierter Patientenkohorten. Die Erfahrung
der letzten Jahre zeigt darüber hinaus, dass auch die molekulare
Diagnostik individueller Tumorerkrankungen zu wegweisenden
Erkenntnissen im molekularen Verständnis führen und damit
als Grundlage für molekular stratifizierte klinische Studien und
Therapiealgorithmen dienen kann. Stellvertretend seien hier die
Entdeckung inaktivierender TSC1-Mutationen als Rationale für
die erfolgreiche Therapie derart mutierter Urothelkarzinome
mit mTOR-Inhibitoren oder die Identifizierung medikamentös
adressierbarer FGFR-Fusionen bei verschiedenen soliden Tumorentitäten genannt [3, 4]. Grundsätzlich ermöglicht die exakte
molekulare Charakterisierung der Erkrankung individueller Patienten sowohl eine detaillierte Analyse aktivierter Signalwege
als auch die Aufdeckung bereits angelegter Resistenzmechanismen und damit eine auf molekularen Eigenschaften basierende Möglichkeit zur Prädiktion der Ansprechwahrscheinlichkeit
oder Resistenz gegenüber zielgerichteten Therapien. Die Anwendung umfangreicher, NGS-basierter molekularer Untersuchungen wie Ganzgenom-, Exom- und Transkriptomsequenzierung
im klinischen Kontext bringt allerdings eine Reihe logistischer
und technischer Herausforderungen mit sich, die erhebliche An-
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fen. Komplettiert wird die Infrastruktur durch eine leistungsfähige Biobank und eine Studienzentrale.
Schrittweiser Ausbau des Programms
▼
Langfristiges Ziel des NCT MASTER-Programms ist es, jedem NCTPatienten eine umfassende molekulare Diagnostik des Tumors sowie ggf. eine individualisierte Krebstherapie anbieten zu können.
Angesichts der erheblichen finanziellen und personellen Ressourcen, die vor dem Hintergrund des aufwendigen Ablaufs für jeden
einzelnen Patienten aufgewendet werden müssen, kann eine Umsetzung dieses Ziels nur schrittweise erfolgen. Das Programm in
seiner jetzigen Form ermöglicht den Einschluss von Patienten, die
bestimmte Kriterien wie z.B. junges Alter oder das Vorliegen einer
▶ Tab. 1. Die Aufklärung der
sehr seltenen Tumorentität erfüllen ●
Patienten über die geplante genomische Diagnostik, die Speicherung und Verwertung der erhobenen Daten sowie die Kontaktaufnahme im Falle klinischer Konsequenzen, z.B. verfügbarer Therapien oder Studien, erfolgt auf der Basis einer zentrumsweit
etablierten und unter ausführlicher Berücksichtigung ethischer
Gesichtspunkte entwickelten Einverständniserklärung.
Materialgewinnung und Probenverarbeitung
▼
Aufgrund der hohen Anforderungen, die im Rahmen der NGS-basierten molekularen Diagnostik an die DNA- und RNA-Qualität
gestellt werden müssen, ist die Gewinnung von Frischgewebe notwendig, sofern nicht auf gefrorenes Material zurückgegriffen werden kann. Da sich das Mutationsspektrum von Tumoren durch
Therapien und im Rahmen einer Erkrankungsprogression erheblich verändern kann, sollte der Zeitpunkt einer Biopsie zudem zeitnah vor einer evtl. zielgerichteten Therapie gewählt werden. Die
Vermeidung von Qualitätsverlusten durch lange Lagerungs- und
Transportzeiten bei Raumlufttemperatur nach Operation oder
Biopsieentnahme erfordert hierbei eine sorgfältige logistische Planung, insbesondere bei längeren Transportwegen in der Zusammenarbeit mit externen Kooperationspartnern. Durch pathologische Begutachtung von Kryoschnitten wird im Anschluss an die
Materialgewinnung das Vorhandensein von Tumorzellen verifiziert und deren prozentualer Anteil dokumentiert. Proben, die einen Tumorzellgehalt von unter 20% aufweisen, sind in der Regel
nicht für eine Sequenzierung im klinischen Kontext geeignet. Als
Kontrolle dienen bei soliden Tumoren in der Regel Leukozyten aus
peripherem Blut, bei leukämisch verlaufenden Hämatoneoplasien
werden meistens Mundschleimhautabstriche verwendet. Pathologisch begutachtete Tumorbiopsien werden anschließend in einem
Tab. 1
spezialisierten Sample Processing Laboratory weiter bearbeitet.
Nach der standardisierten DNA- und RNA-Extraktion und abschließenden Qualitätskontrollen erfolgt in den meisten Fällen
eine Exom- und Transkriptomsequenzierung. Hierdurch lassen
sich auf DNA-Ebene Punktmutationen, kleine Insertionen/Deletionen, Kopienzahlveränderungen und in gewissem Umfang Genfusionen, auf RNA-Ebene in erster Linie die Expression betroffener
Gene darstellen. Eine wesentliche Stärke einer solchen breiten molekularen Diagnostik ist die weitgehend ergebnisoffene Suche nach
genomischen Veränderungen. Hierdurch können bislang nicht beschriebene, oder im jeweiligen Erkrankungszusammenhang unerwartete Alterationen mit möglicher klinischer Relevanz detektiert
werden.
Bioinformatische Analyse und Evaluation von
Sequenzierungsergebnissen
▼
Die bioinformatische Analyse der DNA-Sequenzierungsdaten umfasst zunächst die Identifizierung von Punktmutationen, kleinen
Insertionen/Deletionen sowie Kopienzahlveränderungen. Für die
Detektion erworbener, tumorspezifischer Mutationen ist der Vergleich von Tumor-DNA und normaler „Keimbahn“-DNA desselben
Patienten ausschlaggebend. Im Weiteren werden mittels RNAAnalyse Expressionsdaten gewonnen, mithilfe derer abgeschätzt
werden kann, inwieweit sich Mutationen, Amplifikationen oder
Deletionen in der Expression der entsprechenden Gene widerspiegeln. Entscheidend für die klinische Verwendung von NGS-Daten
ist ihre Beurteilung im Hinblick auf medizinische Relevanz. Bei
den meisten Tumorerkrankungen können nur in vergleichsweise
geringem Umfang Mutationen identifiziert werden, deren therapeutische Relevanz in der betreffenden Entität belegt ist. In einem
Großteil der Fälle basiert die therapeutische Hypothesenbildung
und Entscheidungsfindung daher auf dem Nachweis genetischer
Veränderungen, deren prädiktive Bedeutung und therapeutische
Relevanz von anderen Tumorentitäten bekannt ist, oder der Einschätzung von Auswirkungen einer genetischen Alteration auf
den Aktivierungszustand medikamentös adressierbarer intrazellulärer Signalwege auf der Basis von präklinischen Erkenntnissen
oder theoretischen Erwägungen. Zur Strukturierung und Einordnung der erhobenen Befunde erfolgt eine Gruppierung in verschie▶ Tab. 2 einerseits sowie
dene therapeutisch relevante Kategorien ●
eine Zuordnung von klinischen oder wissenschaftlichen Evidenz▶ Abb. 2 anderseits. Die Kategorisierung gemäß untergraden ●
schiedlicher therapeutischer Interventionen berücksichtigt Mutationen in Tyrosinkinasen sowie Komponenten häufig betroffener
Signalkaskaden wie dem PI3K-AKT-mTOR-, dem RAF-MEK-ERKund dem Hedgehog-Signalweg. Zudem werden Defekte in wichtigen Effektoren der DNA-Reparatur und hypermutierte Tumoren,
Ein- und Ausschlusskriterien des NCT MASTER-Programms.
Einschlusskriterien
Ausschlusskriterien
Alter ≥ 18 Jahre und ≤ 50
Jahre
und/oder
sehr seltene Tumorentität
(Inzidenz < 1/100 000 pro
Jahr)
Keine aktuelle/absehbare systemische
Therapieindikation
Fehlende Einverständniserklärung
Fehlende Möglichkeit einer adäquaten
Biopsiegewinnung
Lebenserwartung < 6 Monate oder
Karnofsky-Index ≤ 70 %
Fehlen einer messbaren Erkrankungsaktivität
Etablierte kurative Therapie verfügbar
Tab. 2
Kategorien therapeutisch adressierbarer Alterationen.
Kategorie
Mögliche therapeutische Konsequenz
Tyrosinkinasen
Small Molecule Inhibitoren, Antikörper
PI3K-AKT-mTOR
Small Molecule Inhibitoren
RAF-MEK-ERK
Small Molecule Inhibitoren
Developmental Pathways
(z. B. Hedgehog)
Small Molecule Inhibitoren
DNA-Reparatur
Platinhaltige Chemotherapie, PARP-Inhibitoren
Hypermutation
Immuncheckpoint-Inhibitoren
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High
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Level 1
A: Drug is approved for the same tumor type harboring the specific biomarker.
B: Predictive value of the biomarker or clinical effectiveness of the corresponding drug
in a molecularly stratified cohort was demonstrated in an adequately powered
prospective study or a meta-analysis.
______________________________________________________________________
Level 2
A: Predictive value of the biomarker or clinical effectiveness of the drug in a molecularly
C: Case study or single unusual responder indicates the biomarker is associated with
response to the drug, supported by scientific rationale.
______________________________________________________________________
Level 3
Preclinical data (in vitro or in vivo models and functional genomics) demonstrate that the
biomarker predicts response of cells to drug treatment.
______________________________________________________________________
Level 4
Biological rationale exists that links the drug to the altered signaling pathway or relevant
basket. No reported clinical or preclinical data on the response to the drug.
Low
Adapted from:
MD Anderson Cancer Center Institute for Personalized Cancer Therapy
https://pct.mdanderson.org
Abb. 2 Priorisierung klinisch relevanter genomischer Alterationen hinsichtlich ihrer Assoziation mit dem Ansprechen auf eine bestimmte Therapie durch Zuordnung zu 4 unterschiedlichen Evidenzniveaus.
die durch eine Vielzahl von Punktmutationen und/oder Insertionen/Deletionen in verschiedenen Signalwegen charakterisiert
sind, berücksichtigt. Letztere scheinen vor dem Hintergrund zuletzt publizierter Daten ein vergleichsweise gutes Ansprechen auf
die sog. Immuncheckpoint-Inhibitoren zu zeigen [5, 6, 7].
Klinisch relevante Ergebnisse werden zunächst molekularpathologisch validiert. Die hierzu eingesetzten Methoden umfassen
z.B. den immunhistochemischen Nachweis von Zielstrukturen
wie ERBB2 (HER2/neu) und molekularpathologische Techniken
wie die Validierung annotierter Mutationen mittels Sanger-Sequenzierung oder den Nachweis von Translokationen und Amplifikationen durch Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung. Vor allem
bei unbekannten Mutationen, die therapeutisch möglicherweise
relevante Genregionen betreffen, ist oftmals keine abschließende
Aussage über eine aktivierende oder inhibierende Funktion der
vorliegenden Alteration möglich. In selektierten Fällen erfolgt
daher eine funktionelle Validierung detektierter Veränderungen,
die eine nähere Charakterisierung evtl. wachstumsfördernder
Impulse sowie Aussagen über die Sinnhaftigkeit einer zielgerichteten Therapie erlaubt.
Strukturen für die klinische Implementierung
personalisierter Onkologie
▼
Die Diskussion des jeweiligen klinischen Falls, der erhobenen molekularen Befunde sowie daraus ableitbarer Therapieempfehlungen erfolgt in einem wöchentlich stattfindenden interdisziplinären
Tumorboard für „personalisierte“ oder Präzisionsonkologie, in
dem alle an der molekularen Diagnostik und klinischen Versorgung beteiligten Fachdisziplinen vertreten sind. Dies umfasst Mitarbeiter des Sample Processing Laboratory, der Molekularpathologie und Bioinformatik ebenso wie translationale Onkologen und
Kollegen weiterer fachspezifischer klinischer Abteilungen. Die
therapierelevanten Ergebnisse der molekularen Diagnostik werden ebenso wie hieraus abgeleitete Therapieempfehlungen analog
zum Vorgehen in entitätenspezifischen Tumorboards im klinischen
Kontext dokumentiert. Die anschließende Kommunikation und
Besprechung der Ergebnisse mit dem Patienten erfolgt in einer
eigens eingerichteten Spezialambulanz, in der Patienten von der
Planung der Materialgewinnung und Aufklärung über die molekulare Diagnostik bis hin zur Besprechung der therapeutischen Optionen und zielgerichteten Therapie betreut werden. Bei stetig steigenden Fallzahlen wurde innerhalb des Programms bislang bei
239 Patienten eine molekulare Diagnostik durchgeführt. Basierend
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stratified cohort was demonstrated in a prospective trial with biomarkers as a secondary
objective or an adequately powered retrospective cohort or case-control study in the
same tumor type.
B: Predictive value of the biomarker or clinical effectiveness of the drug in a molecularly
stratified cohort was demonstrated by clinical data in a different tumor type.
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auf den molekularen Daten konnte bei 53% der Patienten eine zielgerichtete Therapieempfehlung ausgesprochen werden.
Ausblick
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Der Erfolg zielgerichteter Medikamente und immunologischer
Therapieansätze hat die Hämato-Onkologie in den letzten Jahren
in erheblichem Maß beeinflusst und bereichert. Initiativen wie
das NCT MASTER-Programm zeigen die Durchführbarkeit NGSbasierter molekularer Diagnostik und individualisierter Therapiekonzepte im klinischen Kontext. Eine wesentliche praktische
Herausforderung im klinischen Alltag stellt allerdings die in vielen Fällen begrenzte Verfügbarkeit zielgerichteter Therapeutika
dar. Dies gilt insbesondere für Situationen, in denen die molekulare Diagnostik eine klare Rationale für die Wirksamkeit einer
spezifischen Therapie erbringt, die entweder für die vorliegende
Indikation nicht zugelassen oder nur innerhalb klinischer Studien verfügbar ist. Ein wesentliches Problem stellt in diesem Kontext dar, dass zahlreiche Studien den Einschluss nur einer oder
weniger – histologisch definierter – Tumorentitäten erlauben.
Grundsätzlich ergeben sich mehrere Möglichkeiten, geeigneten
Patienten eine bislang nicht zugelassene Therapie zugänglich zu
machen. Ist der Einschluss in eine Studie nicht möglich, bleibt die
Kontaktaufnahme mit Arzneimittelherstellern, die eine entsprechende Substanz indikationsfremd innerhalb klinischer Studien
prüfen. Im Falle einer bereits vorhandenen, wenn auch indikationsfremden Zulassung kann zudem die Prüfung einer Kostenübernahme für einen Off-Label-Gebrauch durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen forciert werden. In vielen
Fällen begünstigt die berechtigte und auf dem Boden molekularer Befunde begründbare Hoffnung auf ein Therapieansprechen
hierbei eine positive Entscheidung vonseiten der Kostenträger.
Weitaus wünschenswerter ist aus wissenschaftlicher wie auch
klinischer Sicht eine Behandlung im Studienkontext. Mittelfristiges Ziel des NCT MASTER-Programms ist es daher, eine möglichst große Anzahl von Patienten innerhalb klinischer Prüfungen
zu behandeln. Zur Umsetzung dieses Vorhabens erfolgt derzeit
eine Stratifizierung und Behandlung von Patienten innerhalb der
▶ Tab. 2 definierten Kategorien molekularer Alterationen, an
6 in ●
die sich – abhängig vom Therapieerfolg innerhalb der einzelnen
Kategorien – interventionelle klinische Studien mit großen, molekular stratifizierten Patientenkollektiven anschließen.
Durch schrittweisen Ausbau der oben skizzierten Strukturen und
die fortgesetzt enge Kooperationen mit Arzneimittelherstellern
und kooperierenden onkologischen Zentren ist es das langfristige
Ziel des NCT, möglichst allen Patienten eine NGS-basierte molekulare Diagnostik und Therapie anbieten zu können.
Autorenerklärung: Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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