2 Generalisierte Angststörung

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Generalisierte Angststörung
2.1
Angststörungen im Überblick
In der Regel werden Diagnosen im ambulanten und stationären Bereich mittels der
International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems klassifiziert, die mittlerweile in der 10. Revision als ICD-10 vorliegt. Neben diesem Verschlüsselungssystem, das für alle Fachgruppen gültig ist, wird in der Psychiatrie auch
die 4. Auflage des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-IV)
verwendet. Angststörungen sind in der ICD-10 anders gruppiert als im DSM-IV, und
finden sich mit anderen Störungen im Abschnitt F4 »Neurotische-, Belastungs- und
somatoforme Störungen« (s. Abb. 2-1). Gemeinsames Kennzeichen der in diesem
Abschnitt zusammengefassten Störungen ist die Annahme einer starken Beteiligung
psychologischer Faktoren an der Entwicklung der Störungen. Die Subdifferenzierungen erfolgen dann anhand der im Vordergrund stehenden Phänomenologie oder
der Beteiligung externer Faktoren (z. B. Belastungen, Traumata) an der Entstehung.
Zu den spezifischen Angststörungen im engeren Sinn zählen in der ICD-10 (s.
Tab. 2-1) die phobischen Störungen (F40) und sonstige Angststörungen (F41). Da,
wie bei den meisten Angststörungen, bisher meist nur Studien zum DSM-IV (und
Nachweis eines hohen Anteils psychischer Verursachung
Untergliederung nach phänomenologischen Syndromen/äußerer Belastung
Ängste
auslösendes Objekt
oder Situation
erkennbar
ja
nein
phobische
Störung
F40
sonstige
Angststörung
F41
Zwänge schwere äußere
Belastung
(als Auslöser)
erkennbar
Zwangsstörung
F42
Reaktion auf
schwere
Belastungen
und
Anpassungsstörungen
F43
vornehmlich
körperliche
Beschwerden
ohne organisches
Korrelat
dissoziative
Störungen
F44
somatoforme
Störungen
F45
sonstige
neurotische
Störungen
F48
Abb. 2-1 Gruppierung der Angststörungen in der ICD-10 (nach Malchow et al. 2001)
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2 Generalisierte Angststörung
Vorgängern) vorliegen, soll dieses Klassifikationssystem auch hier mit als Referenz
dienen. Auf nachfolgende Angststörungen wird in diesem Kapitel näher eingegangen:
쐌 Panikstörung mit und ohne Agoraphobie
쐌 Soziale Phobie
쐌 Generalisierte Angststörung (GAS)
Im DSM-IV werden zu den Angststörungen zusätzlich auch die Posttraumatische
Belastungsstörung (PTBS) und die Zwangsstörungen gerechnet, auf die hier jedoch
nicht näher eingegangen werden soll (s. hierzu Volz u. Stieglitz 1999).
Zur Differenzierung der verschiedenen Angststörungen hat sich der in Abbildung 2-2
aufgeführte diagnostische Algorithmus als hilfreich erwiesen. Im ersten Schritt gilt
es Angst als allgemeines Hauptsymptom zu differenzieren, sowie dann zu entscheiden, ob es situationsgebunden ist oder nicht. Wenn ja, wäre weiter zu klären, um
welche Situationen es sich handelt. Ist die Symptomatik nicht situationsgebunden,
wäre anhand der Phänomenologie, vor allem des Verlaufs, zu prüfen, ob die Symptomatik episodisch oder eher überdauernd auftritt (Panik vs. GAS).
2.1.1 Panikstörung mit oder ohne Agoraphobie
Eine Panikattacke ist eine klar abgrenzbare Episode ausgeprägter Angst, die innerhalb von 10 Minuten ihren Höhepunkt erreicht und mit einer Reihe von Symptomen verbunden ist (z. B. Schwitzen, Übelkeit, Angst zu sterben). Eine Panikstörung
ist gekennzeichnet durch wiederholt auftretende, meist schwer verlaufende sogenannte Panikattacken, die sich nicht auf spezifische Situationen oder besondere
Umstände beschränken und für den Patienten in der Regel auch nicht antizipierbar
sind. Bei der Agoraphobie handelt es sich um eine Spezifische Phobie, bei der man
Tab. 2-1 Spezifische Angststörungen in der ICD-10
F40 Phobische Störungen
쐌
F40.0
– F40.00
– F40.01
Agoraphobie
ohne Panikstörung
mit Panikstörung
쐌
F40.1
Soziale Phobien
쐌
F40.2
Spezifische (isolierte) Phobien
F41 Sonstige Angststörungen
쐌
F41.0
– F41.00
– F41.01
Panikstörung (episodische paroxysmale Angst)
mittelgradig
schwer
쐌
F41.1
Generalisierte Angststörung
쐌
F41.2
Angst und depressive Störung gemischt
2.1 Angststörungen im Überblick
9
Angst als
Leitsymptomatik
Hauptsymptom Angst?
zusätzliche Symptome:
l Depression (F41.2)
l Angst und Depression
gemischt (F41.2)
l Zwang (F42)
l Trauma vorhanden (F43.1)
l sonst andere Abschnitte
des ICD-10 (F0, F1 usw.)
Angst situationsbezogen?
ja
Phobien
(F40)
Agoraphobie
(F40.0)
Soziale
Phobie
(F40.1)
nein
Panikstörung
(F41.0)
Generalisierte
Angststörung
(F41.1)
Spezifische
Phobie
(F40.2)
Schweregrad
mit
ohne
Panikstörung
Abb. 2-2 Systematik der Angststörungen in der ICD-10 (nach Volz u. Stieglitz 1999)
Angst hat, das Haus zu verlassen, Geschäfte zu betreten, sich in Menschenmengen
oder auf öffentlichen Plätzen aufzuhalten oder alleine Verkehrsmittel zu benutzen.
Wenn Panikstörung und Agoraphobie gemeinsam auftreten, herrschen hinsichtlich
der Gewichtung Unterschiede zwischen ICD-10 und DSM-IV. In der ICD-10 spricht
man von einer Agoraphobie mit Panikstörung (F40.01), im DSM-IV von einer Panikstörung mit Agoraphobie, das heißt im ersten Fall wird die Panikstörung als zusätzlicher Schweregradindikator angenommen, im zweiten Fall die Agoraphobie.
2.1.2 Soziale Phobie
Die Soziale Phobie wurde erstmalig 1980 (wie die PTBS) in die 3. Auflage des DSM
(DSM-III) aufgenommen. Während sie anfänglich als eine relativ eng umschriebene
Spezifische Phobie konzipiert war, hat sie sich seit Einführung der Revision (DSM-
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