Einführung in die Biochemie Enzyme • Wirkungsweise von Enzymen • Nomenklatur • Enzymaktivität und Hemmung • Koenzyme 1 Einführung in die Biochemie Überblick: Stoffwechsel und Biokatalyse Stoff und Energiewechsel Dissimilation Assimilation heterotrophe Assimilation Fotosynthese autotrophe Assimilation Atmung Gärung Chemosynthese Assimilation und Dissimilation laufen bei allen Organismen gleichzeitig ab 2 Einführung in die Biochemie Einleitung Die Biochemie befasst sich mit den chemischen Vorgängen in lebenden Organismen. Diese Vorgänge müssen aber nicht zwingend in vivo, also im Körper von Lebewesen, ablaufen, sondern lassen sich auch außerhalb des lebenden Organismus im Glas, in vitro, durchführen. Die chemisch-physikalischen Gesetzmäßigkeiten besitzen grundsätzlich auch für den biologischen Bereich Gültigkeit. Grundvoraussetzungen für lebenserhaltende Vorgänge ist das Vorhandensein von Energie. Der Energievorrat muss aufgebaut werden (Energiebindung), er muss dauerhaft gespeichert werden und er muss bei Bedarf schnell verfügbar sein (Energiefreisetzung). Um diese Prozesse auf molekularer Ebene zu verstehen, muss man sich mit den Werkzeugen befassen, die den Energiehaushalt biochemischer Vorgänge steuern. Diese Werkzeuge sind die Enzyme. 3 Einführung in die Biochemie Wirkungsweise von Enzymen Biokatalyse durch Enzyme Enzyme (oder Fermente) sind Proteine (Eiweißstoffe), die eine spezifische dreidimensionale Struktur besitzen und eine Molekülmasse zwischen 10000 und 1000000 aufweisen. Durch Absenkung der Aktivierungsenergie laufen biochemische Reaktionen schneller ab. Enzyme werden bei der Reaktion nicht verbraucht, d. h. sie wirken wie Katalysatoren. Sie gehören neben den Vitaminen und Hormonen zu den Biokatalysatoren die alle chemischen Umsetzungen in lebenden Organismen steuern. ÜZ ohne Enzym E Enzyme beschleunigen Stoffwechselvorgänge und Reizleitungsprozesse um das EA ohne milliardenfache. Sie senken die Enzym Aktivierungsenergie so, dass biochemische Edukte EA mit Reaktionen bei 37°C ablaufen. Enzyme sind Enzym hoch spezialisiert und besitzen ein aktives Zentren, dass aus räumlich benachbarten Produkte Aminosäureresten der Proteinstruktur gebildet wird. 4 Reaktionsverlauf Einführung in die Biochemie Wirkungsweise von Enzymen Die Wirkungsweise von Enzymen wird durch den Schlüssel-SchlossMechanismus sehr gut beschrieben und ist in zweifacher Weise hochspezifisch. Dieser Mechanismus führt am aktiven Zentrum zur Bildung eines Enzym-Substrat-Komplexes. Die mithilfe von Enzymen umgesetzten Stoffe werden als Substrate bezeichnet. •Enzyme reagieren nur mit einem ganz bestimmten Substrat (Substratspezifität)! •Enzyme katalysieren nur einen ganz bestimmten Reaktionsablauf (Wirkungsspezifität)! aktives Zentrum Substrat Enzym – Substrat – Komplex Produkte 5 Einführung in die Biochemie Wirkungsweise von Enzymen Am Aktiven Zentrum kann ein Substrat nur in einer ganz bestimmten Orientierung anlegen, wie ein Schlüssel zum Schloss. Dieses Prinzip ist die Ursache der Substratspezifität von Enzymen. Dies resultiert aus dem chemischen Aufbau der Enzyme und der daraus hergehenden räumlichen Struktur. Enzyme sind Kettenmoleküle aus Aminosäuren deren Kettenglieder durch eine Vielzahl verschiedener Bindungen in einer charakteristischen Struktur (Konformation) stabilisiert werden. Als Bindungsarten treten kovalente Bindungen, H – Brückenbindungen und elektrostatische Wechselwirkungen zwischen geladenen Gruppen auf. Am aktiven Zentrum werden außerdem nur bestimmte Reaktionen katalysiert. Diese Eigenschaft wird Wirkungsspezifität genannt. Jede mögliche Reaktion eines Substrats benötigt einen anderen aktivierten Übergangszustand. Das aktive Zentrum eines Enzyms kann aber nur einen bestimmten Übergangszustand aktivieren. D. h. für jede Substratreaktion wird ein anderes Enzym benötigt. Ein Beispiel ist der Abbau von Glucose, in dessen Verlauf Brenztraubensäure enzymatisch entweder in Milchsäure oder in Essigsäure umgesetzt wird 6 Einführung in die Biochemie Wirkungsweise von Enzymen Die Struktur von Enzymen wird durch vier unterschiedliche Bindungstypen gewährleistet: Asn Cys CH2 CH2 Ile S S CH3 H CH3 CH H−N Cys Disulfidbindung kovalente Bind. H3C Val O CH2 N−H CH2 H H H +H N O C CH2 CH2 Van-der-WaalsKräfte CH2 C CH H3C CH2 CH2 Lys Gln Wasserstoffbrücken bindungen O O C CH2 Asp Ionenbindung 7 Einführung in die Biochemie Nomenklatur von Enzymen Da bei Enzymen nicht immer der genaue Aufbau jedoch aber die Wirkung im Organismus bekannt sind, werden eindeutige Kennzeichen, wie die Substrat- und Wirkungsspezifität für die Benennung herangezogen. Der systematische Name ist dreiteilig: 1. Substratkennzeichnung 2. Wirkungskennzeichnung 3. Endung –ase Beispiele: Glukose │ oxid │ ase Lactat-Dehydrogen │ ase Pyruvat-Decarboxyl │ ase oxidiert Glucose oxidiert Milchsäure zu Brenztraubensäure spaltet CO2 von der Brenztraubensäure Teilweise wird aber auf die Wirkungskennzeichnung im Namen verzichtet: Ure │ ase Lip │ ase Amyl │ ase spaltet Harnstoff spaltet Fette unter Bildung freier Fettsäuren spaltet Stärke 8 Einführung in die Biochemie Nomenklatur von Enzymen Teilweise werden auch noch Trivialnamen verwendet: Pepsin Trypsin Katalase (Hydrogenperoxidoxidoreduktase) spaltet Eiweiß im Magen spaltet Eiweiß im Darm reduziert Wasserstoffperoxid zu Wasser Aufgrund der Vielzahl von Enzymen (vermutlich > 10000) werden diese in sechs Hauptklassen zusammengefasst: 1. Oxidoreduktasen Katalysieren p+ oder e- Übertragungen bei Redoxreaktionen. Bei Übertragungen auf organische Akzeptoren spricht man von Dehydrogenasen, bei Übertragungen auf Sauerstoff von Oxidasen. Letztere sind vor allem für den Abbau von Nährstoffen wichtig. 2. Transferasen Bewirken die Übertragung von Molekülgruppen, wie z. B. Amin- oder Methylgruppen. Wichtiger sind jedoch die Übertragung von Phosphatgruppen (Phosphotransferasen) und Acylgruppen (Acyltransferasen). 9 Einführung in die Biochemie Nomenklatur von Enzymen 3. Hydrolasen Katalysatoren für Hydrolytische Spaltungen von C-O oder C-N Bindungen, wie z. B. Fett spaltenden Lipasen im Verdauungstrakt. 4. Lyasen Katalysieren über Eliminierungsreaktionen nichthydrolytische Bindungsspaltungen an C-C oder C-O Bindungen. Dazu gehört die PyruvatDecarboxylase 5. Isomerasen Katalysiert intramolekulare Umlagerungen wie cis-trans-Isomerisierung oder die Umwandlung optisch aktiver Verbindungen in ihr Racemat. 6. Ligasen Knüpft neue chemische Bindungen zwischen Molekülen. Sie werden auch als Syntheasen bezeichnet. 10 Einführung in die Biochemie Enzymaktivität Die Aktivität eines Enzyms, d. h. die Wirksamkeit als Katalysator, wird durch die konkreten Bedingungen der biochemischen Reaktion beeinflusst. Da Enzyme bei Reaktionen nicht verbraucht werden, kann bei der Wirksamkeit von Enzymen nicht die Reaktionsgeschwindigkeit gemessen werden. Man bestimmt die Menge des pro Zeiteinheit umgesetzten Substrats. Einige Umgebungsbedingungen haben einen starken Einfluss auf die Effektivität der enzymatischen Wirkung. Dazu zählen Temperatur, pH-Wert und Substratkonzentration sowie Mineralstoffe und Spurenelemente. Temperatur: Steigende Temperaturen beeinflussen die Reaktionsgeschwindigkeit positiv, weil sich die Enzym- Substratmoleküle schneller bewegen. Bis ca. 30 °C folgt die Aktivitätszunahme der Reaktionsgeschwindigkeit-Temperatur-Regel (RGT-Regel) Dabei erreicht die Aktivität ein Maximum. Bei weiter zunehmender Temperatur denaturieren die Enzyme jedoch wie alle Proteine, so dass jedes Enzym ein Temperaturoptimum besitzt. Bei dieser Denaturierung (Gerinnung) werden die Sekundär- und Tertiärstrukturen der Proteine und somit auch der Funktionsmechanismus zerstört. 11 Einführung in die Biochemie Enzymaktivität pH - Wert: Jedes Enzym ist bei einem bestimmten pH – Wert am aktivsten. Bei den meisten liegt der optimale Wert im neutralen Bereich zwischen 6 und 8. Pepsin allerdings zeigt sein Optimum im sauren Bereich bei pH 2. Der räumliche Bau ist von der Aminosäuresequenz und den Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen ionischen Gruppen der Aminosäuren vorgegeben. Aminosäuren haben auch in der Peptidverknüpfung saure und basische Reste. Die Veränderung des pH-Wertes führt zu einer Änderung der Raumstruktur – Substrate können nicht mehr oder nicht mehr optimal gebunden werden. Temperaturoptimum für ein thermophiles Bakterienenzym Temperaturoptimum für ein Enzym beim Menschen 0 20 pH-Wertoptimum von Pepsin und Trypsin Reaktionsgeschwindigkeit Reaktionsgeschwindigkeit Temperaturoptimum von Enzymen 40 60 80 100 Temperatur [°C] optimaler pH-Wert von Pepsinn 0 2 optimaler pH-Wert von Trypsin 4 6 8 pH 12 10 Einführung in die Biochemie Enzymaktivität Konzentration des Substrats: Jede Enzymreaktion kann durch Erhöhung der Konzentration des Substrates beschleunigt werden. Wenn alle Enzymmoleküle besetzt sind hat die Reaktionsgeschwindigkeit ihr Maximum erreicht und steigt nicht weiter an. Der Kurvenverlauf ist für jedes Enzym-SubstratPaar spezifisch; je nach Affinität des Enzyms zum Substrat strebt die Reaktionsgeschwindigkeit in den Sättigungsbereich. Als Maß für die Enzymaffinität verwendet man die maximale Reaktionsgeschwindigkeit Vmax und wählt den halbmaximalen Wert Vmax/2. Der dazu gehörende Konzentrationswert ist KM (Michaelis-Konzentration) 13 Einführung in die Biochemie Enzymaktivität Konzentration des Substrats: Jede Enzymreaktion kann durch Erhöhung der Konzentration des Substrates beschleunigt werden. Anfangs nimmt die Reaktionsgeschwindigkeit proportional zur Substratkonzentration zu und flacht dann ab. Wenn alle Enzymmoleküle besetzt sind hat die Reaktionsgeschwindigkeit ihr Maximum erreicht und steigt nicht weiter an. Vmax Reaktionsgeschwindigkeit Die Kinetik enzymkatalysierter Reaktionen kann durch die Michaelis-Menten-Gleichung beschrieben werden. Vmax/2 14 KM Konzentration des Substrats Einführung in die Biochemie Enzymaktivität Vmax Konzentration des Enzyms: Reaktionsgeschwindigkeit Ermittelt man Sättigungskurven für verschiedene Konzentrationen desselben Enzyms, so erhält man eine Schar von Kurven, deren Vmax zur Enzymkonzentration proportional ist. Dies bedeutet, dass die Michaelis-Konstante KM für alle Enzymkonzentrationen gleich ist. Mineralstoffe und Spurenelemente [E]C Vmax [E]B Vmax/2 Vmax/2 Vmax [E]A Vmax/2 KM Konzentration des Substrats Weitere Einflussgrößen aus der chemischen Umgebung auf die Enzymaktivität sind insbesondere anorganische Ionen, hauptsächlich Mg2+ und Ca2+. Für diese Mineralstoffe gibt es Optimumskurven der Konzentrationen, die denen des pHWertes im Prinzip vergleichbar sind. 15 Einführung in die Biochemie Hemmung der Enzymaktivität Die Enzymwirkung kann durch Hemmstoffe oder Inhibitoren herab gesetzt werden. Dies erfolgt auf zwei verschiedenen Wege: Kompetitive Hemmung Ein Hemmstoffmolekül besitzt eine Ähnlichkeit mit dem Substrat, lagert sich am aktiven Zentrum an und behindert den weiteren Substratabbau. Ist diese Bindung sehr fest wird das Enzym dauerhaft blockiert. Antibiotika blockieren so die Vermehrung von Bakterien. Schwermetallionen, wie Cd2+, Pb2+ und Hg2+ wirken als kompetitive Hemmstoffe in vielen Organismen giftig; sie passen chemisch oft ins aktive Zentrum. allosterisches Zentrum b Su a str t Enzym b u S a str t Enzym kompetitiver Hemmstoff kompetitiver Hemmstoff 16 Einführung in die Biochemie Hemmung der Enzymaktivität Allosterische Hemmung Enzyme haben nur ein aktives Zentrum. Aufgrund ihrer hochkomplexen Struktur können andere Moleküle als das Substrat Andockstationen finden. Diese allosterischen Zentren sind für das Substrat nicht geeignet. Dockt aber ein anderes Molekül dort an, kann die Raumstruktur des Enzyms so verändert werden, dass sich am aktiven Zentrum kein Enzym-Substrat mehr bilden kann. Allosterische Hemmstoffe können nur von außen, nicht durch das Substrat, beeinflusst werden. Sie sind aber nicht immer eine Bedrohung für die Zelle, sondern können auch zur Steuerung biochemischer Prozesse beitragen. allosterischer Hemmstoff allosterisches Zentrum enzymatische b Su str at Enzym Katalyse Enzym b Su ts ra t b Su a str t Enzym 17 Einführung in die Biochemie Koenzyme Bei Transferasen, Phosphotransferasen und anderen Enzymen beobachtet man, dass das Einsetzten der enzymatisch katalysierten Reaktion einen Reaktionspartner voraussetzt. Da ohne diese Reaktionspartner keine Enzymreaktionen zustande kommen können, hat man sie als notwendige Bestandteile der Enzyme aufgefasst und sie Koenzyme genannt. Substrat Koenzym Enzym-SubstratKomplex Enzym Produkt verändertes Koenzym 18 Einführung in die Biochemie Koenzyme Nicotinamidnucleotide Hilfestellung bei der Übertragung von Wasserstoffdurch Oxidoreduktasen leistet das Koenzym NAD+ (Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid) und NADP+ (NAD-phosphat). Die reduzierten Formen sind NADH2 und NADPH2. NH2 O Nicotinamid-adenin-dinukleotid NAD N N NH2 - N N Adenin HO O O O II I CH2 – O – P – O – P – O – H2C I I II O O OH N+ O Nicotinamid OH OH O I P Nicotinamid-adenin-dinukleotid-phosphat NADP 19 Einführung in die Biochemie Koenzyme Bei der Reduktion der Koenzyme, also der Wasserstoffaufnahme, werden zwei Elektronen in Form eines Hydridions H- übertragen. Das zweite H-Atom wird als Folge einer Protonierung angelagert. NAD + H- + H+ Red NADH2 Ox. H H O O NH2 NH2 + 2H N+ R oxidierte Form des Nicotinamids (NAD+) - 2H + H+ N+ R reduzierte Form des Nicotinamids (NADH) NAD/NADH2 ist das Koenzym für die abbauenden Stoffwechselprozesse. NADP/NADP2 ist das Koenzym für die aufbauenden Stoffwechselprozesse 20 Einführung in die Biochemie Koenzyme Adenosinphosphate Abhängig von der Anzahl der Phosohatgruppen unterscheidet man Mono-, Di- oder Triphosphorsäure; AMP, ADP, ATP ATP dient den Zellen aller Lebewesen als universeller Transport und Speicherstoff für Energie. In den chemischen Bindungen der Triphosphateinheit ist Energie gespeichert, die bei der hydrolytischen Spaltung der Bindung freigesetzt wird. Adenosintriphosphat wird unter der Freisetzung von 30 kj/mol hydrolytisch in Adenosindiphosphat und Phosphat gespalten. 21 Einführung in die Biochemie Koenzyme Koenzym A (Acylierung) Enzym mund Koenzym bilden funktionell eine Einheit (Holoenzym). Die katalytisch wirksame Komponente ist immer ein Protein, das im Holoenzym als Apoenzym bezeichnet wird. NH2 N N O H CH3 \\ I I O C – C – C – CH2 – O – P – P – O – H2C \\ / I I I C – CH2 – CH2 – NH HO CH 3 / O – CH2 – CH2 – NH / β-Alanin Pantoinsäure P N N O OH Pantothensäure Pantethin 22 Einführung in die Biochemie Koenzyme Nutzung von Enzymen durch den Menschen •Nachweis von D-Glucose im Urin mithilfe von Teststäbchen zur Kontrolle und Erkennung von Diabetes (Diagnostik) •Lipasen zur Fettverdauung in verdauungsunterstützenden Medikamenten (Pharmazie) •Herausschneiden von DNS Stückchen (Genetik) •Analyse der Aminosäuresequenz eines Polypeptids (Analytik) •Beseitigung von Trübung in Fruchtsäften (Lebensmittelchemie) •Herstellung von Joghurt •Zusatz von Proteasen in Waschmittel gegen eiweißhaltige Verunreinigungen (Reinigungsmittel) 23