top Ackerbau In pfälzischen Frühkartoffeln traten solche Symptome der Krautfäule in den letzten Jahren vermehrt auf, obwohl die Pflanzknollen und die unterirdischen Pflanzenteile befallsfrei waren. Fotos: Boerderij, Krauthausen Pflanzkartoffeln erfolgte. Damit kann der vollständige Entwicklungskreislauf des Erregers auch außerhalb seiner ursprünglichen Heimat ablaufen. Die aus den neuen Typen entstandene Erreger-Population hat in kurzer Zeit die alte Population in Europa völlig verdrängt. Diese neuen Typen besitzen eine deutlich höhere Virulenz (= höhere Aggressivität). Der Anteil des A2-Paarungstyps schwankt je nach Untersuchung erheblich. Während er vor einigen Jahren nur selten zu finden war, liegt sein Anteil mittlerweile meist zwischen 10 und 50 %. Veränderte Symptome Krautfäule immer schwerer bekämpfbar? Die Krautfäule sorgt immer wieder für Überraschungen. Über neue Erkenntnisse zum Befallsverlauf informieren Dr. Krauthausen und Dr. Flier. S schon seit mehreren Jahren verursachen heftige Krautfäule-Epidemien in vielen Teilen Mitteleuropas erhebliche Probleme. Bei uns reichte die Befallsskala je nach Region von sehr gering über extrem stark bis zu „so stark wie nie zuvor“. Daneben sorgen Berichte über Veränderungen des Krautfäule-Erregers und über aggressivere Stämme für Verunsicherung. Sind das nun Themen, die nur in wissenschaftliche Zirkel gehören oder haben 60 top agrar 5/2005 sie auch praktische Bedeutung für den Kartoffelanbauer? Was hat es auf sich mit neuen Rassen und Oosporen (Dauersporen)? Wird der Krautfäule-Erreger tatsächlich immer aggressiver? Die alten Regeln gelten nicht mehr Der Phytophthora-Pilz kann sich geschlechtlich nur vermehren, wenn unterschiedliche Paarungstypen (A1 und A2Stämme) vorhanden sind. Erst dann kön- nen sich die Oosporen bilden. Dies war bis vor einigen Jahren nur in der Heimat des Pilzes, in Zentralmexiko, möglich. Außerhalb dieser Region trat bisher nur der A1-Paarungstyp auf, so dass als einzige Sporenform die asexuellen Sporangien gebildet werden konnte. Diese Sporangien, die sich massenhaft an befallenem Pflanzengewebe bilden, sind für die epidemieartige Ausbreitung der Krankheit verantwortlich. Die Autoren Dr. Krauthausen, Dienstleistungszentrum Ländl. Raum, Abt. Phytomedizin, Neustadt/Weinstr. Dr. Flier, Plant Research International, Wageningen, Niederlande Die Krautfäule überdauerte bislang in Europa (und auch andernorts außerhalb Mexikos) nur als Myzel in befallenen Knollen (Pflanzgut, Ausfallkartoffeln, Abfallhaufen). Der Epidemiestart ging von befallenen Knollen bzw. deren Aufwuchs aus. Die Zeitspanne zwischen Infektion und ersten Symtomen (die Inkubationszeit) betrug je nach Temperatur- und Feuchtigkeitsverhältnissen etwa fünf bis sieben Tage. 1984 wurde bekannt, dass in zwei Kartoffelfeldern in der Schweiz erstmals außerhalb Zentralmexikos der A2Paarungstyp gefunden wurde. Aufgrund intensiver Untersuchungen, hauptsächlich von Forschergruppen aus den Niederlanden, Israel und USA, geht man heute davon aus, dass mit infizierten Konsumkartoffeln zahlreiche neue Typen (A1- und A2-Paarungstypen) von Mexiko nach Europa gelangten und von hier ab Beginn der 80er Jahre eine weltweite Verbreitung dieser neuen Typen durch Zeitgleich mit der Verdrängung der alten Typen veränderte sich auch das Erscheinungsbild der Krautfäule im Feld, an das sich der Anbauer schon längst gewöhnt hat. Während in Lehrbüchern noch der Blattbefall und die großen Befallsnester als typische Symptome beschrieben werden, dominiert seit einem Jahrzehnt vielfach der Stängelbefall. Auffällig ist außerdem die gleichmäßige Verteilung der Krautfäule im gesamten Bestand. Ob dies auf die neuen PhytophthoraTypen allein zurückzuführen ist, oder ob auch veränderte Anbauverhältnisse einen Einfluss haben, ist noch nicht abschließend geklärt. Da jetzt beide Paarungstypen auftreten, kann es zur Bildung von Oosporen kommen. Diese Sporenform kann unabhängig vom Wirtsgewebe mehrere Jahre im Boden überdauern und eine zusätzliche, langlebige Infektionsquelle darstellen. Jüngste Untersuchungen in Holland zeigen, dass sie tatsächlich in einigen Fällen als Quelle für den Primärbefall anzusehen waren. Die Oosporenbildung ermöglicht eine breite genetische Variation und beschleunigt damit die Anpassung des Pilzes. Mit einem speziellen Untersuchungsverfahren, dem genetischen Fingerab- top agrar 5/2005 61 top Ackerbau mit empfindlichsten Nachweismethoden der Phytophthora-Erreger an den unterirdischen Stängelteilen oder der noch intakten Mutterknolle nachgewiesen werden. Die Bildung von Oosporen kann die genetische Anpassung des Erregers erheblich beschleunigen und aggressivere Typen hervorbringen. Erregertypen mit erhöhter Sporenbildung und verkürzter Latenz (Zeit zwischen Infektion und Symptomausbildung) von drei Tagen sind bereits beschrieben. Außerdem gibt es Hinweise auf Isolate mit erweiterten Temperaturansprüchen. Bei unseren Untersuchungen betrug die benötigte Zeit für die Sporenproduktion (Sporulation) bei 64 untersuchten Feldisolaten durchschnittlich 64,5 Stunden. Die erste Sporulation wurde bei zehn Herkünften aber schon nach 48 Std. beobachtet. Diese wenigen Beispiele zeigen, dass der Phytophthora-Erreger im Vergleich zu früher derzeit dramatische Veränderungen durchmacht. Die Praxis hat sich mittlerweile an die veränderten Symptome gewöhnt. Neben dem Stängelbefall ist das gleichmäßige Auftreten der Krautfäule im Bestand typisch druck, konnte inzwischen in Westeuropa eine große Anzahl von Genotypen festgestellt werden. Zwar sind längst nicht alle neuen Genkombinationen aggressiver als ihre Eltern, aber die Wahrscheinlichkeit, dass neue Kombinationen mit erhöhter Virulenz oder verändertem Resistenzverhalten gegenüber Fungiziden entstehen, nimmt wesentlich zu. Situation im Frühkartoffelanbau Sind diese Beobachtungen und wissenschaftlichen Ergebnisse nun auch von praktischer Bedeutung? Zwar weiß man inzwischen, dass in Deutschland praktisch keine Vertreter der alten Erreger-Population mehr zu finden sind. Detaillierte Untersuchungen zur Struktur der Phytophthora-Populationen gibt es bei uns aber bisher nicht. Solche Untersuchungen wurden in den Jahren 2002 und 2003 in Primärbefallsherden pfälzischen Frühkartoffelanbaugebiet durchgeführt. Die Ergebnisse bestätigen bzw. übertreffen zum Teil noch die Befürchtungen, die man aufgrund der andernorts gefundenen Fakten haben musste: ■ In 12 bis 23 % der Blattproben von Ausfallkartoffeln wurden im Herbst Oosporen in großer Zahl gefunden. ■ Bei den Paarungstypen wiesen die untersuchten Isolate aus Frühkartoffeln ein Verteilungsverhältnis von jeweils 1 :1 (A1 : A2) auf. Diese gleichmäßige Verteilung, die die Oosporenbildung stark begünstigt, zeigte sich sowohl über die ganze Anbauregion als auch in einzelnen primären Befallsherden. 62 top agrar 5/2005 ■ Alle Isolate sind Vertreter der neuen Population. Die 74 untersuchten Einzelisolate ließen sich insgesamt 59 Genotypen zuordnen. 2003 wurden wiederholt mehrere unterschiedliche Genotypen in einem Primärherd gefunden, in einem Fall waren sogar alle 8 Isolate genetisch unterschiedlich. Außerdem waren in den drei Untersuchungsjahren die Genotypen eines Jahres weder im Vorjahr noch im Folgejahr wiederzufinden. Das heißt: Es fand zwischen den Jahren offenbar eine vollständige genetische „Durchmischung“ statt. Diese hohe genetische Variabilität, die bis in einzelne Primärherde hinein nachweisbar ist, lässt sich durch die bisher übliche ungeschlechtliche Vermehrung des Pilzes nur schwer erklären. Auch der Sporenzuflug aus anderen Regionen scheidet aus, da zur Zeit der Probenahmen im Mai die Kartoffelentwicklung in anderen Anbauregionen generell deutlich zurück ist. Folglich spricht alles dafür, dass neben der bisherigen Erregerform im Rheintal jetzt auch die Vermehrung und Ausbreitung der Phytophthora über Oosporen erfolgt. Konsequenzen Die neue Situation hat erhebliche Folgen. Neben den bekannten Infektionsquellen ist jetzt mit den Dauersporen eine weitere Quelle hinzugekommen. Dies bestätigen Untersuchungen an einzelnen primären Stängelsymptomen in der Nähe der Bodenoberfläche. Solche Stängelsymptome in der Nähe der Bodenoberfläche wurden 2003 insgesamt 12-mal gefunden. In keinem dieser Fälle konnte selbst Fazit für die Praxis S ind die Ergebnisse aus der Pfalz auf andere Regionen übertragbar? Sicherlich bietet das Frühkartoffelgebiet der Vorderpfalz aufgrund seiner speziellen Anbauverhältnisse schon immer günstige Entwicklungsmöglichkeiten für Phytophthora. Dennoch stehen die Ergebnisse nicht isoliert und passen sehr gut in das Bild, das in westeuropäischen Anbauregionen inzwischen gewonnen wurde. Solange aus anderen Anbaugebieten aber keine Daten vorliegen, bleibt dies wohl ein Expertenstreit. Dennoch bleibt festzuhalten: ■ Aufgrund der kürzeren Generationszeiten und aggressiverer Stämme sind schnellere Befallsverläufe möglich. ■ Die Infektionsbedingungen können sich durch das Auftreten von Dauersporen (auch in Ausfallkartoffeln) verändern. ■ Die Beregnung fördert die Bildung von Dauersporen. ■ Die Entwicklung neuer Fungizidresistenzen ist zu beobachten und gegebenenfalls zu überprüfen. Der Anteil Metalaxyl-resistenter Isolate in der Pfalz betrug in den einzelnen Jahren 57%, 0 % und 21%. Eine verringerte Sensitivität gegenüber Dimethomorph wurde aber bei keinem der getesteten Isolate festgestellt. ■ Situationsangepasste Strategien gegen Krautfäule werden immer wichtiger. Denn: Einmal begangene Bekämpfungsfehler sind nicht mehr wettzumachen!“