Infektionskrankheiten während der Schwangerschaft Dr. med. Peter Böhi Facharzt FMH für Gynäkologie und Geburtshilfe Chefarzt am Kantonalen Spital Altstätten TORCH “TORCH” ist ein Akronym für: • Toxoplasmose • Others (andere dh. Lues, Hepatitis B/C, HIV) • Röteln • Cytomegalievirus (CMV) • Herpes simplex TORCH “TORCH”- Infektionen gefährden das Ungeborene bzw. verursachen beim betroffenen Neugeborenen Symptome wie: - Fieber - Trinkschwäche - Petechiale Hautblutungen - Hepatosplenomegalie - Ikterus - Taubheit - Augensymptome u.a. Toxoplasmose Erreger: Toxoplasma gondii (Protozoon) Bei warmblütigen Tieren weit verbreiter Parasit, auf den Menschen übertragbar Oozysten im Katzenstuhl Toxoplasmose Der Erreger tritt in 3 Formen auf: Tachyzoit: während der akuten Phase der Infektion, intrazelluläre Vermehrung Bradyzoit: während latenter Phase der Infektion, als Gewebezyste vorhanden Sporozoit: In Oozysten vorkommende Form, resistent gegenüber Umweltnoxen. Tachyzoiten Die Tachyzoiten entsprechen der Form von T. gondii, welche im Rahmen einer akuten Infektion sich intrazellulär vermehren und auch für die kongenitale Infektion verantwortlich sind. Befallene Gewebe umfassen Muskel (inkl. Herz), Leber, Milz, Lymphknoten und ZNS. Befallen Zellen gehen im Rahmen einer Entzündungsreaktion zugrunde. Wirt = Katze Definitive Wirte von T. gondii sind Katzen, welche Oozysten im Stuhl ausscheiden. Initial sind diese nicht infektiös, nach Tagen bis Wochen (je nach klimatischen Verhältnissen) bilden sich infektiöse Sporen. Unter günstigen Bedingungen (warme, feuchte Erde) können Sporen bis zu 1 Jahr infektiös bleiben. Übertragungswege Die Toxoplasmose kann auf 3 Wegen auf den Menschen übertragen werden: • Rohes oder zu wenig gebratenes Fleisch • Katzenkot (Katzenkiste, Gartenerde bzw. kontaminiertes Gemüse) • Transplazentare Infektion Übertragung T. gondii Gartenerde Gemüse Katzenkiste Rohes Fleisch Inkubationszeit • Rohes Fleisch: 10-23 Tage • Katzenkot: 5-20 Tage Mindestens 50% aller Infektionen durch rohes bzw. zu wenig gekochtes Fleisch übertragen Infektion in der SS Die Rate an Infektion des Feten hängt vom Zeitpunkt in der SS ab: vor Konzeption Keine fetale Infektion 1. Trimenon Kongenitale Infektionsrate 10-25% 3. Trimenon Kongenitale Infektionsrate 60-90% Infektion in der SS Aber: Der Schweregrad der Infektion ist umso grösser, je früher diese im Verlauf der SS stattfindet. Risiko einer fetalen Infektion bei Toxoplasmose der Mutter in SS ca. 20-50% Kongenitale Toxoplasmose “Klassische Trias” • Chorioretinitis • Intrakraniale Verkalkungen • Hydrozephalus Viele sind bei Geburt klinisch unauffällig, aber bis zu 80% zeigen im späteren Leben Chorioretinitis und mentale Retardierung. Verlauf bei Erwachsenen Eine Toxoplasmose-Infektion beim Erwachsenen verläuft idR. symptomlos. Selten Symptome wie: • Lymphknotenvergrösserung • Fieber • Müdigkeit / Krankheitsgefühl • Muskel- / Gliederschmerzen u.a. Spontane Abheilung innert Wochen-Monaten. Risikofaktoren • Halten von Katzen • Seropositive Katzen in Landwirtschaft • Reinigung der Katzenkiste • Genuss von rohem oder wenig gebratenem Fleisch • Gartenarbeit • Genuss von rohem u/o schlecht gewaschenem Gemüse • Kontakt mit Erde • Schlechte Handhygiene • Reisen ausserhalb Nordamerika und Europa Protektive Faktoren • Vegetarische (fleischlose) Ernährung • Leben in grossen Höhen und trockenen Klimata • Leben in Klimata mit häufigem Gefrieren / Auftauen Zum Thema “Katzen” Katzenbesitz alleine ist kein eindeutiger Risikofaktor. Katzen, welche v.a. im Haus sind, nicht jagen und nicht mit rohem Fleisch gefüttert werden infizieren sich nicht mit T. gondii. Bei normalem Stuhlgang lässt sich kein Stuhl im Fell und der Perianalregion finden dh. das Berühren von Katzen ist ungefährlich. Zum Thema “Katzen” Risiko nur dann, wenn Katzen Oozysten im Stuhl ausscheiden und Kontakt zu diesem Stuhl besteht. Der direkte Kontakt mit Katzen macht nichts. Risiko, falls Nachbars- bzw. wilde Katzen in Gärten u/o Sandkästen infektiösen Stuhl hinterlassen. Häufigkeit in CH Im Zeitraum 1995-2000 insgesamt 35 Fälle an neonataler Toxoplasmose gemeldet, wovon 17 Fälle sicher, 4 möglicherweise eine angeborene Toxoplasmose waren (3-4 Fälle/Jahr). Sero-Prävalenz in CH: 52% (dh. positiver IgGNachweis bzw. Immunität). Risiko einer Ansteckung in SS: 1.21% Diagnose einer Toxoplasmose in der SS Antikörper-Nachweis = Methode der Wahl zur Diagnostik der Toxoplasmose. Bei akuter Infektion Anstieg von IgG und IgM innert 1-2 Wochen Abfall der IgM (Persistenz bis 18 Monate), IgG bleiben erhöht (”Seronarbe”) und zeigen Immunität an. Toxoplasmose-Serologie IgG und IgM negativ Keine Immunität IgG positiv, IgM negativ “Seronarbe”, immun IgG und IgM positiv Akuter Infekt möglich, weitere Abklärungen (IgGAvidität u.a.) Toxoplasmose-Serologie Sero-Konversion: Eine zu Beginn der SS nichtimmune Frau (IgG/IgM negativ) zeigt im Verlauf der SS serologisch einen akuten Infekt (IgG/IgM positiv). IgG-Avidität: Mass der Bindungsstärke zwischen Antikörper und Antigen, zu Beginn schwach, später stark. Hohe Avidität = Infektion vor ≥ 4 Monaten. Nachweis Ansteckung Kind: PCR Nachweis von T. gondii aus Fruchtwasser. Screening während SS Zu Beginn der SS Bestimmung des ToxoplasmoseStatus bei allen Schwangeren; Identifikation der seronegativen (”nicht-immunen”) Frauen. Erteilen von Verhaltensmassregeln. Wiederholte Testung (IgG/IgM) im Verlaufe der SS. Bei Serokonversion Antibiotika-Therapie. Therapie bei Serokonversion ® Spiramycin (Rovamycine ):Vermeidung der Transmission von T. gondii von der Mutter auf den Feten. Sulfonamide: Bei Nachweis einer Infektion des Feten (PCR aus Fruchtwasser, Chordozentese), da Spiramycin nicht plazentagängig ist. Empfehlungen an seronegative Schwangere • Gut gekochtes Essen, insbesondere vollständiges Braten von Fleisch* Erhitzen >50° bzw. Kühlen auf -20° (für mindestens 2h) tötet Erreger ab. • Früchte und Gemüse waschen / schälen • Küchen- und Händehygiene * Vermeiden von rohem oder haltbar gemachtem Fleisch (Mettwurst, Tartar, Rohwurst, Pökelfleisch, Rohschinken, Salami etc.) Empfehlungen (2) • Kein Kontakt mit Katzenkot (Katzenklo Reinigung delegieren, falls nicht möglich dann täglich reinigen, da Oozysten mehrere Tage brauchen, um infektiös zu werden) • Katzenbesitzer: Katze im Haus halten, Büchsenfutter geben. • Kein Kontakt zu streunenden Katzen Empfehlungen (3) • Tragen von Handschuhen bei Gartenarbeit • Achtung vor Sandkästen auf Spielplätzen: Diese sind oft mit Katzenkot verschmutzt. PS: Geflügel, Fisch, pasteurisierte Milch und Eier kommen als Ansteckungsquelle praktisch nicht in Betracht.