Sonntag, 5. März 2006 1. Vortrag ENTZÜNDUNGSMEDIATORENRHEUMATOLOGISCHE DIAGNOSTIK Univ.-Doz. Dr. Werner KULLICH Ludwig Boltzmann-Institut für Rehabilitation interner Erkrankungen Thorer Straße 26, 5760 Saalfelden Tel: 06582/790-295 E-Mail: [email protected] Entzündung ist eine schützende Antwort des Organismus auf Traumen, Infektionen, Gewebezerstörung, etc. mit dem Ziel der Wiederherstellung in Form der Heilung. Entgleisungen des Regelsystems der Entzündungsmechanismen können zu unterschiedlichsten Erkrankungen führen und Morbidität und Mortalität bewirken. Aktivierte Entzündungsvorgänge bei rheumatischen Erkrankungen treten sehr häufig auf. So vielschichtig wie das klinische Bild der entzündlichen Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises sind die zugrunde liegenden biochemischen Entzündungsmechanismen. Es werden die Vielschichtigkeit der Entzündungsprozesse dargestellt und einige Beispiele der komplexen Entzündungsmechanismen und -mediatoren dargestellt. Nachdem jahrzehntelang nach Fehlfunktionen einzelner zellulärer und molekularer Komponenten gesucht wurde, erkennt man zunehmend, dass gerade die entzündlich rheumatischen Erkrankungen auf Ebene der komplexen, biologischen Organisation von entzündlicher Immunantwort und gewebsspezifischen Entzündungsmediatoren zur Manifestation gelangen. Die sich laufend entwickelnden modernen Methoden zur Charakterisierung komplexer, biologischer Systeme lassen die Hoffnung aufkommen, die Zusammenhänge der Pathogenese entzündlicher Erkrankungen immer besser verstehen und therapieren zu können. Grundsätzlich verläuft eine entzündliche Reaktion in verschiedenen Phasen (vasoaktive Phase, Granulozyten- und Makrophagenphase, Mediatorproduktion, Fibroblastenaktivierung, Heilung). T-Zellen und mononukleäre Phagozyten sind nach heutigem Wissen treibende Kräfte der entzündlichen Aktivität im entzündeten Gelenk. Neutrophile Granulozyten, Endothelzellen und Adhäsionsmoleküle kennzeichnen den chemotaktischen zellulären Einstrom. Zytokine und eine Reihe von Wachstumsfaktoren sind Proteine und Glykoproteine, die meistens dazu dienen, Zellsignale zwischen Zellen unterschiedlichsten Typs zu übertragen und sie spielen mit dieser Funktion eine sehr große Rolle bei den Entzündungsmechanismen. Der Wissenszuwachs um die Zytokine führte in den letzten Jahren zur Entdeckung komplexer Zytokinnetzwerke. Im proliferierenden, entzündeten Synovium sind vor allem Fibroblasten und Makrophagen die Hauptproduzenten von proinflammatorischen Zytokinen, die derzeit wichtige Zielmoleküle der neu eingeführten Therapiestrategien sind. Eine zunehmende Bedeutung in der Pathophysiologie entzündlich rheumatischer Erkrankungen gewinnen in jüngster Zeit auch Moleküle der wachsenden Familie der Chemokine, das sind chemotaktische Botenstoffe des Immunsystems mit einer wichtigen Rolle in der Entwicklung von Entzündungen, aber auch bei der synovialen Proliferation. Chemokin-Hemmstoffe sind daher äußerst interessante Ansätze für zukünftige antirheumatische Arzneistoffe. Die Chemokine werden als ein Beispiel für Mediatoren der Entzündung und die zellulären Mechanismen der Chemotaxis bei Entzündungsprozessen dargestellt. Bereits in frühen Phasen, in der die entzündliche Exsudation das klinische Bild dominiert, beginnt die Zerstörung der Gelenksstrukturen mit Knorpelabbau und Knochenerosionen. Die wichtigsten Mediatoren der entzündlichen Gelenksdestruktion sind eine Gruppe zinkhältiger Enzyme, die Matrixmetalloproteinasen, die von Wachstumsfaktoren, Zytokinen und Chemokinen kontrolliert werden. Dazu gehören die Kollagenasen (z.B. MMP-1) und die Gelatinasen (z.B. MMP-9). Latente MMPs werden durch proteolytische Abspaltung aktiviert und können Komponenten der extrazellulären Matrix spalten und nur durch entsprechende Inhibitoren (TIMPs) gehemmt werden. Sie sind wesentlich am Knorpelabbau bei Rheumatoider Arthritis (RA) und der Arthrose, die ja auch entzündliche Prozesse beinhaltet, beteiligt. Die Erfassung und das wachsende Verständnis von Akute-Phase-Reaktionen bzw. Entzündungsvorgängen bei entzündlichen Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises erleichtert letztendlich die Diagnosestellung und die therapeutische Modulation der Entzündung.