Virologie - Einführung U.G. Liebert Institut für Virologie E-mail: [email protected] Definition Viren • keine echten Lebewesen • replikationsfähige Nukleoproteinkomplexe • angewiesen auf eine Wirtszelle • kein eigener Stoffwechsel • Virus-Gift Prinzipieller Virusaufbau Ordnungsprinzipien • Familie (-viridae) Herpesviridae • Subfamilie (-virinae) Alphaherpesvirinae • Genus (-virus) Simplexvirus • Spezies- HSV Typ 1 • Stamm- HSV Typ 1 Kos, Angelotti etc. Kriterien der Taxonomie • Genomstruktur • Replikation • Proteine • Physikalische Eigenschaften • Biologische Eigenschaften Kleine Viren • geringes Molekulargewicht • geringe Kodierungskapazität • angewiesen auf zelluläre Enzyme für die Replikation Große Viren • hochmolekulare Nukleinsäure • kodieren für viele Proteine • kodieren für Proteine, die an der Replikation beteiligt sind Infektiosität • Im Falle der meisten Viren ist gereinigte Nukleinsäure infektiös, wenn sie direkt in die Zelle verabreicht wird und kann einen kompletten Infektionszyklus initiieren • Virusgenome, die eine Transkriptase enthalten, sind nichtinfektiös, da keine mRNA gebildet wird Genompolarität von RNA Viren Beispiele • Polioviren • Parainfluenzaviren • Influenzaviren • Reoviren • Retroviren • Herpesviren • HBV …………. Einstrang+RNA-Viren • Polioviren • es gibt kein Transkriptionsstadium, die genomische RNA selbst ist mRNA • Translation in ein langes Polyprotein, das in 4 kleinere Proteine gespalten wird • Kapsidprotein, RNA-abhängige RNS- Polymerase, Protease und ein Regulationsprotein Einstrang-RNA-Viren • Beispiel Parainfluenzaviren • die Virus mRNA wird vom elterlichen (Negativ-Strang) RNA-Genom unter Verwendung von RNA-abhängiger RNA Polymerase transkribiert • es werden für jedes unterschiedliche Virusprotein verschiedene Virusproteine hergestellt Influenzaviren • Sie besitzen ein segmentiertes Genom und jedes dieser kodiert für verschiedene Virusproteine • die neue virale RNA wird im Zellkern synthetisiert • die viralen Proteine werden im Zytoplasma synthetisiert und wandern zur Plasmamembran und erhalten dort die Hülle Doppelstrang-RNS-Viren • Reoviren • alle doppelsträngigen RNA-Viren besitzen ein segmentiertes Genom, jedes dieser Segmente kodiert für verschiedene Proteine und jedes ist mit einem Transkriptasemolekül assoziiert (RNA abhängige RNA Polymerase) RETROVIREN • z.B: HIV • viele Retroviren, jedoch nicht alle, sind Tumorviren und können sich in der Zelle vermehren, ohne sie zu zerstören. • Sie können demzufolge normale Zellen in Tumorzellen umwandeln • der Vermehrungszyklus beinhaltet die Integration in das Zellgenom Retroviren • Das Retrovirusgenom ist ein einzelsträngige dimere RNA mit 3 wesentlichen Genen und einer langen terminal repeat Region (LTR), die den Einbau proviraler DNA in das Wirtszellgenom ermöglicht. • 3 Gene: Gag für die Hüllproteine, Pol für die Polymerase (reverse Transkriptase), Env für die Hüllproteine • mehrere (akzessorische) Gene für regulatorische Proteine Retroviren • 1. Schritt: Transkription durch die im Virion enthaltene reverse Transkriptase um die DNA/RNA Genomheteroduplexe zu erzeugen • Umwandlung der DNA/RNA Heteroduplexe in Doppelstrang DNA • Integration der Doppelstrang Virus DNA in das zelluläre Chromosom (Provirus) Retroviren • 2. Schritt: die provirale (integrierte) DNA wird durch Zellenzyme transkribiert • die RNA-Transkripte haben zwei Funktionen: • mRNA für die Translation in Virusproteine • neue Proteine Retroviren • Virusproteinsynthese: die Virusproteine werden an Zellribosomen synthetisiert durch Translation der mRNA • der Zusammenbau erfolgt aus RNA und Proteinen an der Zelloberfläche • Prozessierung von viralen Proteinen durch virale Protease • der Virusaustritt erfolgt durch Budding an der Zellplasmamembran Doppelstrang-DNS-Viren • Beispiele dafür sind Herpesviren, Adenoviren, Papillomviren • zwei Typen von mRNA werden produziert: frühe mRNA, bevor die DNA-Synthese beginnt: hauptsächlich Enzyme für die DNA-Synthese späte mRNA, nach der DNS-Synthese: hauptsächlich für die Strukturproteine Virus-DNS-Synthese • Es sind mehrere Enzyme einbezogen: das Haupt-DNA-Replikationsenzym ist die DNA-abhängige DNA-Polymerase • große Viren (z. B. Herpesviren) kodieren ihre eigenen Enzyme • kleine Viren (z. B. Adeno- und Papillomviren) nutzen die DNA-Polymerase der Wirtszelle Replikationsstrategien von DNA-Viren • integriert in genomische DNA (Polyomaviren) nutzt zelluläre Transkription (HSV) • bringen eigene Transkriptions-und Translationsfaktoren mit (Pockenvirus) • Transkription des DNA-Genoms in „prägenomische mRNA als Matrize für die Synthese neuer DNA-Stränge (Hepatitis B) Hepatitis-B-Viren • ungewöhnlicher, komplexer Vermehrungszyklus • die infektiösen Partikel besitzen ein inkomplettes doppelsträngiges DNA-Molekül und eine DNAPolymerase, die das inkomplette durch Produktion eines kompletten Doppelstranges komplettieren kann Hepatitis-B-Viren • Die Polymerase weist außerdem Reverse Transkriptase-Aktivität auf • es werden RNA/DNA-Intermediäre Strukturen geschaffen, die in doppelsträngige DNA umgewandelt werden können. • Die Gene für die Oberflächen und Core-Proteine sind mit den Genen der DNA-Polymerase überlappend Parvoviren • Haben ein Einstrang DNA-Genom und einige sind autonom in der Replikation • andere sind defekt und benötigen ein Helfervirus für die Replikation • bei Parvovirus B19 werden zu fast gleichen Teilen Positiv- und Negativ-Strang DNS in die Viren verpackt, dies ist in verschiedenen Partikeln unterschiedlich Replikation des viralen Genoms von DNA-Viren DNS-Viren: im Zellkern (außer Pockenviren) Polymerase kann zellulär oder viral kodiert sein Adenoviren HBV Virusproteinsynthese bei DNS-Viren • Ist ein zweistufiger Prozess • 1. Produktion von frühen Proteinen (z.B. DNS- abhängige DNS-Polymerase und Thymidinkinase) • 2. Produktion von späten Proteinen • werden nach der DNS-Synthese produziert • sind meist die Kapsidproteine für die neuen Partikel Replikation des viralen Genoms von RNA-Viren RNA-Viren: im Zytoplasma und ausschließlich mit viraler Replikase Rotaviren HIV Replikation nackter und umhüllter Viren 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. Attachment Penetration Uncoating Replication Transkription Translation Assembly Release Maturation Viruseffekt auf Zellen • Zelltod: die Infektion ist letal, der zythopathische Effekt führt zum Zelltod • Transformation: die Zellen werden nicht getötet, ändern jedoch ihre Eigenschaften in Richtung Tumorzelle • Latente Infektion: das Virus liegt in der Zelle in einem potentiell aktiven Zustand vor, es werden keine sichtbaren Effekte auf die Wirtszelle deutlich • Hämadsorption: einige Viren besitzen Hüllproteine, die an Erythrozyten adhärieren • Transformation: Immortalisierung, Tumorentstehung Wirkung von physikalischen und chemischen Noxen • Hitzeinaktivierung: 56°/ 30 min oder einige Sekunden bei 100 °C werden die Mehrzahl der Viren. • Kälte- und Hitze wirken sich nachteilig auf Viren aus • UV-Strahlen • Lösungmittel, Alkohol, Seife Rezeptoren • Viren binden an verschiedene Typen von Rezeptormolekülen • niedrig-affine Primärrezeptoren • Co- oder Sekundärrezeptoren • existieren als Mittler zwischen Zelle (negativ geladen) und Virus HIV: Rezeptorvermitteltes Attachment Eintritt des Virus in die Targetzelle • Die Plasmamembran, die eine Zelle umgibt, ist eine (sehr) mobile und aktive Struktur • Zellen nehmen ständig Material aus der umgebenden Schicht auf (Endozytose) • die Membran stülpt sich aus Uncoating • Die Interaktion mit dem Rezeptor bereitet die Viren für das Uncoating und den Eintritt des viralen Genoms in das Zytoplasma vor • HIV und andere behüllte Viren vollziehen den Prozess durch Fusion mit dem Lipidlayer der Plasmamembran • andere Viren durch rezeptorbedingte Endozytose Uncoating • Eintritt des Virusgenoms in die Zelle durch Fusion von viraler und Wirtszellmembran bei neutralem pH-Wert Sekundäres Uncoating • nackte Nukleinsäure oder komplexes Nukleoprotein dringt in die Zelle ein • in Assoziation mit zellulären Strukturen wie Polymerasen oder Ribosomen als Vorbereitung auf die nächste Phase der Virusvermehrung- sekundäres Uncoating Ineffektivität des Infektionsprozesses • Bei Poliovirusinfektionen ist die Mehrzahl der RNA des infizierenden Virus degradiert als Resultat der Interaktion mit den Zellen • zwischen den infizierenden und infizierenden Partikeln gibt es Unterschiede, die sich elektronenmikroskopisch nicht erfassen lassen. Verhinderung von frühen Schritten der Infektion • Immunisierung mit neutralisierenden Antikörpern • beim Auftreten von klinischen Symptomen ist die Infektion schon in vollem Gange Assembly cap NSP - ORF SPORF AAAAAAA Precursor-Proteine NS1 NS2 C E2 E1 • Intrazelluläre Formierung von (Poly-) Proteinen, post- oder kotranslationelle Prozessierung in ER und Golgi • Einbau der Proteine in innere und äußere Membran Budding Ausschleusung reifer Viren (häufig = Zelltod) Virologische Diagnostik Virologische Diagnostik dient der Beantwortung ganz verschiedener Fragen: • Besteht Immunität? • Liegt eine aktive Infektion vor? • Besteht Infektiosität? • Besteht eine Therapieindikation? • Zeigt sich virologisch ein Therapieerfolg? • Liegt eine Resistenzmutation gegenüber antiviralen Substanzen vor? Wichtig ist, die optimalen diagnostischen Methoden einzusetzen. In manchen Fällen muss versucht werden den Infektionszeitraum einzugrenzen (z.B. Röteln und CMV in der Schwangerschaft) Untersuchungsmaterial – Formen- Blut Serum • enthält keine Gerinnungsfaktoren • beinhaltet zelluläre Bestandteile und metabolitische Produkte Plasma • fast zellfreien Überstand nach Zentrifugation des Vollbluts • durch Zugabe von Heparin nach Blutentnahme wird die Gerinnung verhindert EDTA • Salz der Ethylendiamintetraessigsäure • bindet Kalziumionen und unterbricht Gerinnungskaskade Erythrozyten, Leukozyten und Thrombozyten sind bis zu 24 h stabil Untersuchungsmaterial Abstriche Gewebe (Biopsie): Haut/ Schleimhaut Herzmuskel, Magen/DarmWand, etc. Manifestationen Hals, Nase, Ohren Manifestationsort Viren Erkrankungen Oropharyngeale Karzinome (Tonsillen) HPV- Typen 7, 11, 16, 33 Pharyngitis Adeno- , Parainfluenza, Rhino-, Entero-, Hanta-, Masern-, Marburg-, Ebola-, Influenza-, Röteln-, Lassavirus Pharyngitis Manifestationen Parotitis (Speicheldrüse) Manifestationsort Viren Erkrankungen Parotitis Mumpsvirus, CMV, Enteroviren Weitere Manifestationen • Gastraintestinaltrakt • Geschlechtsorgane • Haut- und Schleimhaut • Herz und Gefäße • Nervensystem • Niere, Harnwege, Nebenniere • Respirationstrakt Diagnostische Verfahren - Übersicht - Virusnachweis oder Antikörpernachweis HPV, EM Antigentest Diagnostische Verfahren • Elektronenmikroskopie • Nachweis von Einschlusskörpern • Virusisolierung/ Viruscharakterisierung • Phänotypische Resistenzbestimmung • Virusantigennachweis in Zellkultur • Virusantigennachweis im Patientenmaterial • Gewebe/ Zellen • Sekrete/ Exkrete • Nachweis viraler m-RNA Diagnostische Verfahren • Neutralisationstest (Cytomegalievirus) • Komplimentbindungsreaktion (Influenza A/B) • Hämagglutinations-Hemmtest (Röteln) • Antikörperbindungstest • Immunfluoreszenztest (Influenza) • Radioimmunoassay • ELISA Virusnachweis mittels CPE Humane Lungenfibroblasten CMV (AD 169) mock infiziert Affen-Nierenzellen Rötelnvirus mock infiziert Diagnostische Verfahren • Virusgenomnachweis/ Genomanalyse • In situ • nach Extraktion durch PCR • Resistenzbestimmung Diagnostische Verfahren • Westernblot (HIV 1 & 2) • Nachweis spezifischer Antikörper der verschiedenen Ig- Klassen • Nachweis von Antikörpern gegen verschiedene Antigene eines Virus • Nachweis spezifischer Antikörper unterschiedlicher Advidität • Nachweis virusspezifischer T- Zellen