PHARMA CHECKPOINT-INHIBITION BEI FORTGESCHRITTENEN TUMOREN Effektivität korreliert mit Biomarker Der PD-L1-Antikörper Atezolizumab ist Phase-1- und -2-Studien zufolge wirksam bei fortgeschrittenen Harnblasen- und Lungenkarzinomen, das Ansprechen korreliert mit der PD-L1-Expression. Das eröffnet die Perspektive, Patienten zu stratifizieren. umore können über verschiedene Mechanismen Immunreaktionen ihrer Umgebung unterdrücken. Die Strategie, Bremsen des Immunsystems zu lösen, gehören zu den vielversprechendsten und intensiv beforschten Neuentwicklungen in der Onkologie. Beim Unternehmen Roche sind Immuntherapien zu einem der wichtigsten Entwicklungs- und Forschungsschwerpunkte geworden. Zehn von elf Phase-3-Studien, die Roche in diesem Jahr im Bereich der Onkologie gestartet hat, sind Immuntherapien, teilte das Unternehmen bei einer Medienveranstaltung in Basel mit. Atezolizumab gehört zu den am weitesten entwickelten Substanzen für die Immuntherapie bei Roche. Der Checkpoint-Inhibitor wird als Mono- und/oder Kombinationstherapie gegen Harnblasen- und Nierenzellkarzinom, aber auch NSCLC und triplenegativem Mammakarzinom in der Phase 3 geprüft. Es ist ein Antikörper gegen PD-L1. T Günstiges Toxizitätsprofil Das Protein wird von verschiedenen Immunzellpopulationen, Endothel-, aber auch Tumorzellen exprimiert und ist Teil immunhemmender Signalwege. „Es hat mehrere Gründe, warum wir uns mit Atezolizumab auf PD-L1 als Zielstruktur der Checkpoint-Inhibition konzentrieren“, sagte Dr. med. William Pao, verantwortlich für das internationale Programm der Forschung und frühen Entwicklung onkologischer Medikamente, dem DÄ. Ein Grund sei die Toxizität. Es seien weniger immunologische Nebenwirkungen zu erwarten als bei CTLA-4 als Target der CheckpointInhibition oder bei Anti-PD-1-Antikörpern, die sowohl PD-L1 als auch PD-L2 antagonisieren. Atezolizumab binde nur an PD-L1, was das A 1956 Risiko für Autoimmuneffekte mindere. Auch ist der Fc-Teil des humanisierten IgG1-Antikörpers so modifiziert, dass er keine antikörperabhängige zelluläre Zytotoxizität hervorruft. Dies mindert das Risiko für eine Depletion aktivierter T-Zellen und damit für schwere Infektionen. Die Substanz werde bisherigen klinischen Daten nach im Allgemeinen gut vertragen und habe keine unerwarteten Nebenwirkungen, sagte Pao. „Mithilfe eines diagnostischen Tests auf diesen prädiktiven Biomarker möchten wir die Patientenpopulationen selektieren, die am ehesten profitieren.“ Auch korreliert Studien zufolge die PD-L1-Expression auf Tumorund vor allem auf tumorinfiltrierenden Immunzellen mit dem Ansprechen auf Atezolizumab (Herbst RS, et al., Nature 2014; 515: 563–7; Horn L, et al.: JCO 2015; 33 Suppl: Abstr. 8029). Diese Korrelation eröffnet die Perspektive der biomarkerbasierten Anwendung. So hatte die beim Kongress der ASCO in Chicago präsentierte Interimsanalyse einer randomisierten Phase-2-Studie mit vorbehandelten NSCLC-Patienten in fortgeschrittenen Tumorstadien (n = 287; POPLAR-Studie) ergeben, dass die Monotherapie mit Atezolizumab gegenüber einer Docetaxelbehandlung das Gesamtüberleben fast verdoppelte, wenn PD-L1 auf Tumoroder Immunzellen stark exprimiert war (T/I-Expressionsstatus 2–3), beim Expressionsstatus T/I 0 gab es keine Unterschiede im Gesamtüberleben zwischen den Substanzen (Spira AI, et al.: JCO 2015; 33 Suppl: Abstr. 8010). Beim europäischen Krebskongress in Wien wurden die Daten aktualisiert (ECC 2015; Abstr. 14LBA), der Vorteil von Atezolizumab für selektierte Patienten bestätigt: Das Gesamt- überleben lag bei median 15,1–15,5 Monaten bei starker PD-L1-Expression unter Atezolizumab und bei 9,7 Monaten beim Status T/I 0, ähnlich wie für Docetaxel (median 9,2–11,1 Monate). In die BIRCHStudie, eine einarmige Phase-2-Untersuchung mit 667 NSCLC-Patienten im Stadium IIIB/IV, wurden nur Patienten mit dem Expressionsstatus T/I 2–3 eingeschlossen (ECC 2015, Abstr. 16LBA). Ob Erst- oder Drittlinientherapie: Das Sechsmonatsgesamtüberleben lag zwischen 71–82 Prozent, vor allem bei mehrfach Vorbehandelten ein sehr gutes Ergebnis, so der Tenor beim ECC. Immunologische Subtypen In den beim ASCO vorgestellten Daten einer Phase-1a-Studie mit intensiv vorbehandelten Patienten mit metastasiertem Urothelkarzinom (n = 92), die Atezolizumab erhielten, betrug die Ansprechrate bei moderater bis hoher PD-L1-Expression auf tumorinfiltrierenden Immunzellen 50 Prozent (9 komplette Remissionen), 17 Prozent betrug das Ansprechen bei niedriger oder keiner nachweisbaren PDL1-Expression. Das mediane progressionsfreie Überleben lag bei 24 versus 4 Wochen (hohe vs. niedrige Expression; Petrylak DP, et al.: JCO 2015; 33 Suppl: Abstr. 4501). Atezolizumab könnte wirken, indem es frühere, unterdrückte Immunantworten auf den Tumor reaktiviert, ist eine aus den Daten abgeleitete These. Und: Möglicherweise ließen sich bestimmte Tumoren wie NSCLC auf Basis der Expression immunrelevanter Proteine wie ▄ PD-L1 weiter subtypisieren. Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze Quellen: Oncology Media Day von HoffmannLa Roche in Basel. 51st Annual Meeting American Society of Clinical Oncology (ASCO) 2015 in Chicago; European Cancer Congress (ECC) 2015 in Wien Deutsches Ärzteblatt | Jg. 112 | Heft 46 | 13. November 2015