Die Energiewende rückwärts der Staatsregierung

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Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien
in Sachsen
Die Energiewende rückwärts der Staatsregierung
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Johannes Lichdi, MdL
energiepolitischer Sprecher
Bernhard-von-Lindenau-Platz 1
01067 Dresden
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Telefax: 0351 / 493 48 09
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Dresden, den 22. April 2013
I. Staatsregierung möchte Windkraft zurückbauen
Im März 2013 hat die Staatsregierung ihre Ziele zum Ausbau der Erneuerbaren Energien in
Sachsen von 33% in 2020 auf 28% des Strombedarfs in 2025 zurückgenommen. Der Experte
Hans-Jürgen Schlegel (VEE) leitet aus der bisherigen Entwicklung ab: Der Anteil von heute 22
% Erneuerbare Energien am Stromverbrauch in Sachsen würde bei Trendentwicklung bis 2025
auf 50-60 Prozent. Die Staatsregierung beabsichtigt also bewusst, diesen Trend abzuwürgen.
Die schwarz-gelbe Koalition möchte insbesondere die stärkste Branche der EE treffen: In den
nächsten Jahren sollen nur noch 20 zusätzliche Windenergieanlagen entstehen, das bedeutet
einen Zubau von ganzen zwei Anlagen im Jahr! Durch Repowering soll zwar die
Gesamtstromerzeugung aus Wind insgesamt um 500 GWh/a steigen. Aber es gibt keinen Plan,
wie Repowering ablaufen soll. Insgesamt soll die Zahl der Windanlagen von heute 850 um 185
auf 665 in 2022 reduziert werden!
Es handelt sich daher nicht um ein Ausbau-, sondern ein Rückbaukonzept.
Im Energiekonzept (Stand März 2013) findet sich folgende Rechnung:
Dabei ist Wind an Land derzeit mit 6-9 Cent/kWh die kostengünstigste Erneuerbare Energie!
Eine aktuelle Studie des Fraunhofer Instituts für Windenergiesysteme IWES Kassel (2011)1
1
Fraunhofer IWES Studie zum Potenzial der Onshore-Windenergie http://www.eeg-aktuell.de/downloads/
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errechnete bei einer Abstandsfläche von 1000 m zu Siedlungen und einer Nutzung von 2
Prozent der Landesfläche außerhalb von Schutzgebieten und Wald ein Potenzial für 10 GW
installierte Windleistung und 20 TWh Ertrag mit ca. 3400 Windenergieanlagen (3 MW). Damit
könnte Sachsen seinen Strombedarf vollständig decken.
II. Klimapolitische Folgen
Sachsen hat bisher schon mit ca. 63 Mio. t Treibhausgasemissionen eine der höchsten
Prokopf-Emissionen Deutschlands und Europas. Sachsen baut seine Emissionen trotz aller
Klimaschutzrhetorik nicht etwa ab, sondern auf, wie die Inbetriebnahme des Kraftwerks
Boxberg R im Herbst 2012 zeigt.
1. Der Klimawandel schreitet schneller voran
Die weltweite Durchschnittstemperatur ist im 20. Jahrhundert um 0,7 K gestiegen. Die globale
Erwärmung ist auch nicht seit 1998 zum Stillstand gekommen, wie Klimaleugner fälschlich
behaupten. Die Wissenschaft erwartet für das 21. Jahrhundert je nach Emissionsszenario eine
Steigerung der globalen Durchschnittstemperatur zwischen 1,1 und 6,4 K. Zum Vergleich: In der
letzten Eiszeit lag die Durchschnittstemperatur ca. 5 K unter der heutigen.
Die letzten drei Zehnjahresperioden waren die jeweils wärmsten im Raum Dresden seit Beginn
der Temperaturaufzeichnungen. Die gemessene Entwicklung schreitet nach Messungen des
Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) schneller voran als die
Prognosen2.
Möglicherweise werden jetzt durch die globale Erwärmung die Kippschalter des Weltklimas
umgelegt – durch die Verringerung der Eisbedeckung der Arktis, das Auftauen der
Permafrostböden und die Verringerung der CO-2-Aufnahmefähigkeit der Weltmeere.
2. Staatsregierung im Klimaleugner-Lager
Zwar halten Fachbehörden des Freistaates wie das Umweltministerium und das Landesamt für
Umwelt, Landwirtschaft und Geologie mit der wissenschaftlich eindeutig herrschenden Meinung
daran fest, dass der Klimawandel durch den Treibhauseffekt aufgrund der Verbrennung fossiler
Brennstoffe wie Kohle, Öl und Gas verursacht wird. Aber schon bisher hat sich die Politik des
Freistaates auf die Anpassung an Klimafolgen beschränkt.
Mittlerweile ist die FDP eindeutig ins Lager der Klimaleugner gewechselt. So hat der FDPVorsitzende Holger Zastrow letzte Woche im Landtag erklärt, dass die wissenschaftlichen
Grundlagen der Energiewende wie diese selbst falsch seien. Vertreter der CDU haben das nicht
zurückgewiesen. Die Staatsregierung hat sich damit von einer ethisch vertretbaren
Energiepolitik verabschiedet.
Schreitet der Klimawandel weiter voran, werden die Lebensmöglichkeiten auf der Erde radikal
in Frage gestellt. Daher muss eine ethisch verantwortbare Energiepolitik unsere Energiebasis
möglichst schnell auf Treibhausgasfreiheit, also die Erneuerbaren Energien, umstellen.
Es ist schlicht verantwortungslos, jetzt den Umbau der Energieversorgung zu stoppen!
2
SMUL 2011: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/download/Mellentin_Impuls_151211.pdf
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III. Finanzielle Nachteile für die sächsische Wirtschaft
Das Abwürgen des Ausbaus der Erneuerbaren Energien führt zu direkten Verlusten in der
sächsischen Wirtschaft. Aufgrund des geringen Ausbaustands in Sachsen zahlen sächsische
Stromkunden rechnerisch 116 Mio. € im Jahr mehr in die EEG-Umlage ein, als sie
zurückerhalten. Während Sachsen-Anhalt (+308 Mio.), Brandenburg (+408 Mio.) und
Mecklenburg-Vorpommern (+228 Mio.) stark von der Energiewende profitieren, ist Sachsen seit
Jahren Nettozahler3.
Die Staatsregierung folgert daraus nicht etwa den Ausbaustand der Erneuerbaren Energien zu
erhöhen, sondern das EEG abzuschaffen. Die ehrgeizigen Ausbauziele großer Bundesländer
wie Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg wird die Schieflage zu Lasten Sachsens aber
schnell weiter erhöhen, ohne dass die Staatsregierung dies verhindern könnte.
Der Ausbaustopp schadet also unmittelbar der sächsischen Wirtschaft und den
sächsischen Stromkunden!
3
BDEW 2013: Erneuerbare Energien in Zahlen. http://www.bdew.de/internet.nsf/id/DE_Erneuerbare-Energien
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IV. Senkung der Strompreise
Die Staatsregierung macht die EEG-Umlage für die steigenden Strompreise verantwortlich. Dies
ist falsch, da die EEG-Umlage immer noch den kleineren Teil der Kostensteigerungen ausmacht
und die EEG-Umlage erst durch die schwarz-gelbe Bundesregierung seit 2009 in die Höhe
getrieben wurde.
1. Schwarz-gelbe Industrieprivilegien zu Lasten der Haushaltskunden
Einen Gutteil der Mehrkosten verursacht die „Besondere Ausgleichsregelung“ (BesAR), die
ursprünglich als Schutz der stromintensiven Industrien gedacht ist. Mittlerweile ist dieser
Tatbestand aber so weit ausgeweitet worden, dass die Zielsetzung der Regelung verfehlt wird.
In Sachsen zahlen weder Müllermilch noch der Braunkohlebergbau. Ähnlich fragwürdig sind
Ausnahmetatbestände bei der industriellen Eigenstromerzeugung. Hinzu kommen noch die neu
geschaffene „Liquiditätsprämie“ und die „Managementprämie“, die die Kosten für die EEGUmlage in die Höhe treiben, aber nichts mit dem Ausbau der Erneuerbaren zu tun haben.
Ohne diese Sonderkosten hätte die EEG-Umlage in den letzten zwei Jahren kaum steigen
müssen.
Wir haben als GRÜNE Landtagsfraktion einen Antrag4 zur Reform des EEG und zum
Verbot von Stromsperren vorgelegt.
4 Drs. 5/11683 http://www.gruene-fraktion-sachsen.de/fileadmin/user_upload/Antraege/5_Drs_11683_1_1_12_.pdf
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2. Das Quotenmodell
Die Staatsregierung will das EEG durch ein sogenanntes „Quotenmodell“ ersetzen. Die
Regierung legt fest, wie viel Leistung an Erneuerbaren Energien jährlich neu ans Netz gehen
soll. So sollen sich die günstigsten Erzeugungsarten durchsetzen und die Kosten insgesamt
sinken. Weil aber die Nachfrage feststeht, kommt es zu folgendem Effekt: Der Hersteller der
letzten zur Erfüllung der Quote benötigten Anlage bestimmt mit seinen Grenzkosten den Preis
für alle. Denn warum sollten die kostengünstigeren weniger verlangen?
Das Quotenmodell ist aufgrund der Risiken, ob man als Anlagenbetreiber zum Zuge kommt, ein
Modell für die Großen und gegen die Energiewende von unten gerichtet. Innovationen werden
dadurch ausgebremst. Es handelt sich um ein ineffektives planwirtschaftliches Modell. In
Großbritannien kann das Ergebnis besichtigt werden. Die Energiewende wird teurer und dauert
länger. England hat daher das Quotenmodell wieder abgeschafft. Im Übrigen hat das
Quotenmodell aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat keine Chance.
3. Ein neues dezentrales Marktdesign zur Integration der Erneuerbaren Energien
Wir brauchen ein modernes dezentrales Marktdesign mit einem steigendem Anteil Erneuerbarer
Energien, die auf Dauer ohne die Umlagefinanzierung des EEG auskommen. Dieser Markt
muss durch einen funktionierenden Zertifikatehandel die Kosten der Klimaschäden durch
Treibhausgase einpreisen. Versteckte und direkte Subventionen für Kohle- und Atomkraftwerke
müssen abgeschafft werden! Dann wird der Markt auch Anreize setzen für gasbetriebene
Regelkraftwerke, Lastmanagement und Speicher, die wir flexibel zu- und abschalten können,
um Schwankungen bei der Erzeugung von Erneuerbaren Energien auszugleichen. Stadtwerke
werden in diesem neuen Markt, der ohne Oligopole erstmals wirklich frei sein kann, eine
wichtige Rolle spielen.
Die Versorgung mit Gas, Wärme und Strom muss zu einem Gesamtsystem verschmelzen. Studien vom Fraunhofer ISE5 und der Fachzeitschrift photon6 deuten derzeit folgendes Szenario
an: Mit 70 Prozent Wind und 30 Prozent Photovoltaik dezentral verteilt, könnten in Deutschland
schon ein erheblicher Teil der Schwankungen bei der Einspeisung ausgeglichen werden.
Dazu käme noch die Power-to-Gas-Technologie als aussichtsreiche Innovation mit dem Gasnetz als riesigem Speicher und Energietransportnetz. Ergänzt durch dezentrale Speicher und
eine flexiblere Nachfrage, bekämen wir ein System mit hoher Versorgungssicherheit, langfristig
stabilen Preisen, das zudem klima- und umweltverträglich ist.
V. Ausbau der Braunkohle beabsichtigt
Die Sächsische Staatsregierung stoppt den Ausbau der Erneuerbaren Energien, um die
Braunkohleverstromung, die klimaschädlichste Form der Energieumwandlung, langfristig zu
schützen. Perverserweise begründet sie dies auch mit dem Schutz der Landschaft!
1. Vertreibungen durch die Tagebaue
Mehr als 78.000 Menschen in der Lausitz und im Mitteldeutschen Revier verloren in den
vergangenen 80 Jahren durch den Braunkohletagebau ihre Heimat. 261 Orte verschwanden
ganz oder teilweise. Weitere Abbaggerungen von 20 Dörfern mit 4300 Einwohnern sind bereits
geplant. In Sachsen sollen dem Tagebau Nochten die Dörfer Rohne, Mulkwitz, Mühlrose und
Klein-Trebendorf mit insgesamt 1300 Einwohnern weichen. Außerdem hat die MIBRAG die
5
Fraunhofer ISE 2012: 100 % ERNEUERBARE ENERGIEN FÜR STROM UND WÄRME IN DEUTSCHLAND.
http://www.ise.fraunhofer.de/de/veroeffentlichungen/veroeffentlichungen-pdf-dateien/studien-und-konzeptpapiere/studie-100erneuerbare-energien-in-deutschland.pdf
6 Welter, P. 2012: Herr Altmaier, so geht’s! In Photon 10/2012) S.14-34.
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Erweiterung ihres Tagebaus Vereinigtes Schleenhain beantragt, wodurch die Existenz des
Ortes Kieritzsch mit 300 Einwohnern auf dem Spiel steht. Wenn Menschen Tagebauen
weichen müssen, verlieren sie ihre Heimat.
Wir fordern daher ein Ende der Vertreibungen und ein Verbot neuer Tagebaue.
2. Braunkohle zerstört Landschaft vollständig
Bisher wurde in Deutschland eine Fläche von 1700 km² von der Braunkohleindustrie in
Anspruch genommen, davon etwa 1007 km² im Verantwortungsbereich der LMBV7 in Sachsen
und Brandenburg. Diese 1000 Quadratkilometer entsprechen der Fläche Rügens (920 km²).
Darauf befanden sich bisher 32 Tagebaue mit 207 Restlöchern und 44 Kraftwerke, 1230
Altlastenverdachtsflächen, 440 Kilometer gekippte Böschungen. 12 Mio. Kubikmeter
Abbruchmasse mussten bisher entsorgt werden- das entspricht 10.600 Sattelschleppern.
In Sachsen wurden bisher (Leipzig Nord/Süd 166 km² und Lausitz 210 km²) 376 km² oder 2%
der Landesfläche von der Kohle (IHK Leipzig) ruiniert. Das ist mehr Fläche als die Städte
Chemnitz und Zwickau oder Dresden und Pirna zusammengenommen. Aktuell kommen mit
Nochten I/II (107 km²), Reichwalde (55 km²) und Vereinigtes Schleenhain (2.500 ha) noch
einmal 187 km² dazu. Insgesamt sind bis zum heutigen Tag also 563 km² betroffen, eine
Fläche, die der von Dresden, Chemnitz, Zwickau und Plauen zusammen entspricht.
Mit nur zwei Dritteln dieser Fläche könnte Sachsens Stromverbrauch dauerhaft zu 100
Prozent mit klimafreundlicher Windenergie gedeckt werden. Die Windflächen können
aber gleichzeitig zu 90 Prozent landwirtschaftlich genutzt werden.
3. Die Braunkohle zerstört Landschaft langfristig
Die Braunkohlelobby verspricht, die abgebaggerten Landschaften wieder herzustellen. Es
sollen Seen und Naturschutzgebiete entstehen. Doch hat die Braunkohle besonders
einschneidend und nachhaltig in den Wasserhaushalt der Bergbaugebiete eingegriffen.
Dadurch ist bis 1990 ein rund 32 km² großer Grundwasserabsenkungstrichter entstanden, der
teilweise in bis zu 80 Meter Tiefe reichte.8 Die Rutschungen der letzten Jahre im Lausitzer
Seenland haben die Betretbarkeit weiter Landschaften in Frage gestellt. Niemand kann
abschätzen, wie lange diese Gebiete gesperrt bleiben müssen. Auch die Verschmutzung der
Oberflächengewässer – Stichwort „Braune Spree“ - ist derzeit kaum beherrschbar.
Der Braunkohletagebau ist ein unabsehbares Risiko für
Lebensgrundlagen und muss möglichst schnell beendet werden.
7
8
die
menschlichen
LMBV 2012: Einblicke. http://www.lmbv.de/tl_files/LMBV/Publikationen/Publikationen%20Zentrale/Publikationen
%20Diverse/LMBV_Einblicke_2011_2012.pdf
LMBV Zwischenbericht 2010.
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