Institut für Pflegewissenschaft Entwicklung der sexuellen und Geschlechtsrollen-Identität bei Kindern mit Fokus auf Transsexualität Bakkalaureatsarbeit Berger Marie-Christin Mat.Nr.: 0912334 Begutachterin: Mag.a Waltraud Ebermann Institut für Pflegewissenschaften Billrothgasse 6/I, 8010 Graz Titel der Lehrveranstaltung: Gesundheitspsychologie, Geschlechtsspezifisches Gesundheitshandeln Medizinische Universität Graz Jahr der Vorlage: 2013 Datum der Einreichung: 24. Mai 2013 Ehrenwörtliche Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Bakkalaureatsarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die den benutzen Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Weiters erkläre ich, dass ich diese Arbeit in gleicher oder ähnlicher Form noch keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt habe. Graz, am 24. Mai 2013 _____________________________ Unterschrift Zusammenfassung Von Frauen und Männern wird erwartet, die Normen und Rollen, welche von der Gesellschaft vorgegeben werden, zu erfüllen und ihnen zu entsprechen. Die Menschen werden schon von Geburt an mit diesen Rollenbildern konfrontiert und wachsen damit auf. Die psychosexuelle Entwicklung, die Identitätsfindung jedes Kind beitragen. Bei durchlebt, dieser sollte zur Entwicklung biologischen gibt es und psychischen geschlechtsspezifische Unterschiede, welche vor allem den Ödipuskomplex betreffen. Doch manche Personen können sich nicht mit ihrem körperlichen Geschlecht identifizieren und haben das Gefühl, im falschen Körper geboren zu sein. Dies wird als Störung der Geschlechtsidentität bezeichnet und hat meist zur Folge, dass die betroffenen Personen den Wunsch haben, die Rolle des Gegengeschlechts einzunehmen. Leider stoßen diese Menschen, auf Grund der Stereotype und Vorurteile auf wenig Akzeptanz in der Gesellschaft und werden häufig ausgeschlossen. . Abstract Both women and men are expected to fulfill behaviour patterns and roles that are determined by society. Humans are influenced by these norms from birth and are expected to adhere to them. The psychosexual development of children and (young adults) should contribute to their biological and psychological identity. This development differs according to gender. These differences highly affect the Oedipus complex. Some people have problems to identify their physical sex, which creates an identity crisis and leads to the feeling of living in the “wrong body”. This gender identity disorder – as it is called – causes people to assume the role of their opposite sex. Unfortunately, these people are subject to stereotypes and prejudices which may leave them excluded from society. Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung ......................................................................................................................... 1 2 Definitionen...................................................................................................................... 3 2.1 Sex ............................................................................................................................. 3 2.2 Gender ........................................................................................................................ 3 2.3 Geschlechtsidentität.................................................................................................... 3 2.4 Kerngeschlechtsidentität ............................................................................................. 4 2.5 Geschlechtsrollenidentität ........................................................................................... 5 2.6 Geschlechtspartnerorientierung .................................................................................. 5 2.7 Störung der Geschlechtsidentität ................................................................................ 6 3 Entwicklung der Geschlechtsidentität........................................................................... 7 4 Entstehung der Komponenten der Geschlechtsidentität ............................................ 9 4.1 Körperempfindung und psychosexuelle Erfahrung ..................................................... 9 4.2 Interaktion mit Mutter und Vater .................................................................................. 9 4.2.1 Einstellung der Mutter gegenüber sich selbst und der Weiblichkeit ihrer Tochter 9 4.2.2 Einstellung des Vaters gegenüber sich selbst als Mann und der Weiblichkeit seiner Tochter .................................................................................................... 10 4.2.3 Einstellung der Eltern sich gegenüber sich selbst als Paar und der Weiblichkeit ihrer Tochter ....................................................................................................... 10 4.3 Identifikation mit Mutter und Vater ............................................................................ 10 4.4 Lernen der Geschlechtsrolle ..................................................................................... 11 4.5 Selbstkategorisierungsprozess ................................................................................. 11 5 Geschlechtsstereotypen ............................................................................................... 11 6 Psychosexuelle Entwicklung des Kindes ................................................................... 13 6.1 Orale Phase .............................................................................................................. 13 6.2 Anale Phase ............................................................................................................. 14 6.3 Phallische Phase ...................................................................................................... 15 6.4 Latenzzeit ................................................................................................................. 15 6.5 Genitale Phase ......................................................................................................... 16 7 6.5.1 Sexuelle Probleme und Ängste von Jugendlichen ............................................. 17 6.5.2 Selbstbefriedigung – natürlich oder abstoßend .................................................. 19 Ödipuskomplex ............................................................................................................. 21 7.1 Der positive Ödipuskomplex bei Jungen ................................................................... 21 7.2 Der positive Ödipuskomplex bei Mädchen ................................................................ 22 7.3 Der negative weibliche Ödipuskomplex .................................................................... 23 7.4 Der negative männliche Ödipuskomplex................................................................... 22 8 Geschlechtsentwicklung bei Jungen .......................................................................... 24 9 Geschlechtsentwicklung bei Mädchen ........................................................................ 25 10 Transsexualität .............................................................................................................. 26 10.1 Definition ............................................................................................................... 26 10.2 Formen von Transsexualität .................................................................................. 27 10.3 Ursachen ............................................................................................................... 27 10.4 Verlauf ................................................................................................................... 28 10.5 Diagnose ............................................................................................................... 29 10.5.1 International Classification of Diseases .......................................................... 29 10.5.2 Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders ................................... 30 10.5.3 Differentialdiagnose ........................................................................................ 32 10.6 Behandlung ........................................................................................................... 34 10.6.1 Hormonbehandlung ........................................................................................ 35 10.6.2 Geschlechtsangleichende Operation .............................................................. 36 10.6.3 Nachuntersuchung .......................................................................................... 37 11 Diskussion ..................................................................................................................... 38 12 Literaturverzeichnis ...................................................................................................... 41 1 Einleitung Frau oder Mann? Mädchen oder Bub? Um welches Geschlecht es sich bei Menschen handelt, wird unbewusst wahrgenommen, wodurch sich auch Erwartungen entwickeln, wie sich diese weibliche oder männliche Person zu verhalten hat, was sie für Kleider anziehen oder welche Berufsmöglichkeiten sie ergreifen sollte. Unsere Gesellschaft ist von Stereotypen und Vorurteilen geprägt, welche sich meist auf das Geschlecht des Menschen beziehen, obwohl sich niemand aussuchen kann, mit welchen geschlechtlichen Merkmalen er oder sie geboren wird. Wenn Männer oder Frauen nicht ihrem Geschlecht entsprechend aussehen, treffen sie auf soziale Probleme in ihrem Umfeld. Auch die Tatsache, dass manche Menschen nicht exakt so agieren, wie es von ihrer Geschlechtsrolle vorausgesetzt wird, stößt bei der Gesellschaft auf Verachtung und Bestürzung. Es gibt jedoch Menschen, die sich in ihrer zugeschriebenen Geschlechtsrolle nicht wohl fühlen und deren einziger Wunsch es ist, der Gruppe des Gegengeschlechts anzugehören. Des Weiteren gibt es verschiedene Geschlechtsformen, wie zum Beispiel das biologische, soziale und psychische Geschlecht, welche bei der körperlichen und psychosexuellen Entwicklung von Kindern eine wichtige Rolle spielen (vgl. Kunze 2011, S. 3). Die körperliche Entwicklung ist schon von Geburt an relevant, da sich durch körperliche Empfindungen und Berührungen auch die Psyche des Kindes weiterentwickelt (vgl. Wanzeck-Sielert 2003). Bei der geschlechtlichen Entwicklung eines Individuums sind viele verschiedene Faktoren prägend. Angefangen bei der psychosexuellen Entwicklung, die auf dem Entwicklungsmodell von Sigmund Freud basiert, ist auch die Geschlechtsidentitätsentwicklung, die sich aus Kerngeschlechtsidentität, Geschlechtsrollenidentität und Geschlechtspartnerorientierung zusammensetzt, ein wichtiger Bestandteil der Persönlichkeitsmanifestation. In der vorliegenden Arbeit wird die Geschlechtsentwicklung des Kindes, die auf dem Phasenmodell von Freud beruht, näher erläutert. Des Weiteren wird die Entstehung der Komponenten der Geschlechtsidentität beschrieben, da die Interaktion zwischen Eltern und Kind ebenso einen wichtigen Stellenwert bei der Identitätsentwicklung des Kindes einnimmt. Außerdem werden dem/der LeserIn verschiedene Begriffe näher gebracht, welche mit der Thematik einhergehen. Im Zuge dessen werden typische Geschlechtsstereotypen, die in der Gesellschaft verankert sind, erläutert und in Frage gestellt. Zusätzlich dazu wird auf die erste Forschungsfrage eingegangen, welche sich mit den Formen des Ödipuskomplexes beschäftigt. Vertiefend werden die 1 geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Bewältigung des Ödipuskomplexes in der Entwicklung des Kindes behandelt. Des Weiteren wird auf die zweite Forschungsfrage eingegangen, bei der es sich um die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Geschlechtsentwicklung handelt. Anschließend wird die Transsexualität als Beispiel einer Geschlechtsidentitätsstörung näher beschrieben. Dabei werden die Ursachen, der Verlauf, die Formen und die Diagnosestellung erklärt. Schlussendlich wird dem/der LeserIn verdeutlicht, welche verschiedenen Therapiearten bei Transsexualität angewendet werden. 2 2 Definitionen Im Folgenden werden einige Begriffe näher beschrieben, welche für das Thema der vorliegenden Arbeit relevant sind. 2.1 Sex Mit dem Begriff „Sex“ wird das biologische Geschlecht eines Menschen bezeichnet, mit dem zwischen männlich und weiblich unterschieden werden kann. Es handelt sich hierbei um fünf Schritte, durch welche eine Bestimmung des Geschlechts erfolgt. Der erste Schritt umfasst die Bestimmung des chromosomalen Geschlechts, was bedeutet, dass das Baby durch bestimmte Chromosomen weibliche oder männliche Geschlechtsorgane bekommt. Bei dem zweiten Schritt geht es um die Bestimmung des Keimdrüsengeschlechts, welches die Existenz von Hoden oder Eierstöcke am Fötus umfasst. Bei dem dritten Schritt, dem hormonellen Geschlecht, müssen weibliche und männliche Sexualhormone zusammenwirken, um das Geschlecht zu bestimmen. Der vierte Schritt befasst sich mit der Bildung des morphologischen Geschlechts, wo Hormone und Geninformationen zusammenwirken. Der fünfte Schritt betrifft die Bestimmung des hypothalamischen Geschlechts, wo verschiedene Hormone weibliche und männliche Charakteristika im Hirn prägen (vgl. Ant 2000, S. 75ff.). 2.2 Gender Mit dem Wort „Gender“, wird das soziale, psychologische und kulturelle Geschlecht eines Individuums bezeichnet. Es werden zwar auch biologische Faktoren im Hintergrund vermittelt, jedoch sind die Geschlechter Mann und Frau hauptsächlich durch das soziale Umfeld, die Umwelt und die persönlichen Erfahrungen definiert (vgl. Rieder/Lohff 2004, S. 1). Dazu gehören das Auftreten und Benehmen sowie Normen, soziale Werte, Rollen und individuelle Charakteristika. Diese Tätigkeiten und Überzeugungen definieren in der Gesellschaft, wie sich Frauen und Männer zu verhalten haben und welche Werte vertreten werden (vgl. Bundesamt für Gesundheit 2004, S. 2). 2.3 Geschlechtsidentität „Mit dem Begriff der Geschlechtsidentität ist die Empfindung gemeint, sich als Mann bzw. als Frau zu fühlen“ (Kockott 1995, S. 19). 3 Laut Mertens entwickelt jedes Individuum seine Identität anhand bewusster Vorstellungen und unbewusster Phantasien, einer individuellen Kombination von Männlichkeit bzw. Weiblichkeit, die auf Grund von biologischen, sozialen, kulturellen und psychologischen Faktoren zustande gekommen ist. Die subjektive Einschätzung des Menschen bezüglich seines Geschlechts muss, um von einer gelungenen Geschlechtsidentität sprechen zu können, ein kongruentes Selbstbild ergeben (vgl. Stührmann 2008, S. 3). Aus diesem Grund spielen die drei folgenden Komponenten - Kerngeschlechtsidentität, Geschlechtsrolle und Partnerorientierung - bei der Entwicklung der Geschlechtsidentität und damit auch bei der Sozialisation des Menschen, eine wesentliche Rolle (vgl. Pönitzsch 2003, S. 19f.). 2.4 Kerngeschlechtsidentität Die Kerngeschlechtsidentität, welche 1968 von Robert Stoller eingeführt wurde, stellt das grundlegende bewusste und unbewusste Wissen dar, hinsichtlich seines biologischen Geschlechts entweder männlich oder weiblich zu sein. Sie entwickelt sich ab der Geburt eines Kindes unbewusst durch das Verhalten der Eltern, die auf Grund ihrer Geschlechtszuweisung ihr Kind gemäß den Stereotypen als Mädchen oder Jungen behandeln. Die bewusste und unbewusste Einstellung der Eltern gegenüber der kulturell vermittelten Vorstellung der Geschlechterrollen spielt daher eine wesentliche Rolle bei der kerngeschlechtlichen Entwicklung des Kindes (vgl. Pönitzsch 2003, S. 21). Auch die Tatsache, dass der Vater dasselbe Geschlecht besitzt wie sein Sohn, jedoch das konträre Geschlecht seiner Tochter hat, kann einen Grund dafür darstellen, weshalb Väter und Mütter bereits seit dem Zeitpunkt der Geburt unterschiedlich mit ihrem Kind umgehen. Jenes Verhalten kann sich in Folge auch auf die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes auswirken (vgl. Mertens 1994, S. 24). So kann beispielsweise eine Mutter, „die sich in ihrer Rolle als Frau negativ bewertet fühlt (…)“ (Pönitzsch 2003, S. 21), bewusst darauf achten, dass ihrer Tochter viele männliche Eigenschaften vermittelt werden, indem sie ihr Kind nicht zu sehr verzärtelt. Einen weiteren Grund für die Beeinflussung kann auch die Enttäuschung der Eltern darüber, dass ihr Kind nicht mit dem erwünschten Geschlecht zur Welt gekommen ist, sein (vgl. Pönitzsch 2003, S. 21). Laut Mertens kann also angenommen werden, dass die geschlechtsrollenkonformen Erwartungen der Eltern gegenüber dem Kind in den ersten ein bis zwei Lebensjahren die größte Durchschlagskraft bei der Persönlichkeitsentwicklung haben (vgl. Mertens 1994, S. 24). 4 Gegen Ende des zweiten Lebensjahres ist die Entwicklung der Kerngeschlechtsidentität schließlich abgeschlossen, sodass dem Kind bewusst ist, ob es ein Mädchen oder ein Junge ist (vgl. Pönitzsch 2003, S. 21). 2.5 Geschlechtsrollenidentität Die Geschlechtsrollenidentität, die auf der Kerngeschlechtsidentität aufbaut und somit eine weitere Komponente der Geschlechtsidentität darstellt, zeichnet sich laut Rauchfleisch durch ein höheres symbolisch-sprachliches Niveau aus und wird vor allem durch kulturelle Faktoren und soziale Vorstellungen bestimmt. Diese Normen und Erwartungen geben dem Mann bzw. der Frau vor, welche Persönlichkeitsmerkmale hinsichtlich seines/ihres biologischen Geschlechts in verschiedenen Beziehungsmustern und einzelnen Situationen des sozialen Lebens erwünscht und welche unerwünscht sind (vgl. Rauchfleisch 2011, S. 47f.). Im Laufe des primären Sozialisationsprozesses werden dem Kind sowohl männliche als auch weibliche Verhaltensmuster vermittelt, bei deren Auswahl die Kerngeschlechtsidentität eine große Rolle spielt. Nimmt sich ein Kind zum Beispiel selbst als weiblich wahr, so reflektiert es vorwiegend weibliche Rollenmodelle, anhand derer es sich identifiziert (vgl. Pönitzsch 2003, S. 22). Bei der Entwicklung der Geschlechtsrollenidentität spielen jedoch nicht nur die selektive Identifikation des Kindes und das bewusste kognitive Rollenerlernen, sondern auch die subtilen Beeinflussungen der Eltern-Kind-Beziehung eine wichtige Rolle. Des Weiteren ist es für Kinder während des Erlernens der Geschlechtsrolle von enormer Wichtigkeit, sich geschlechtsrollenkonform zu verhalten und sich dadurch gemäß den gesellschaftlich vorgegebenen Geschlechtsnormen zu verhalten (vgl. Cremerius et al. 1998, S. 39f.). Schlussendlich kann die Geschlechtsrollenidentität als ein Zusammenspiel der Verhaltenserwartungen des Interaktionspartners und der persönlichen Erwartungen an das eigene Verhalten verstanden werden – „z.B. ich selbst definiere mich als männlich, deswegen erwarte ich von dir, daß (sic!) du mich auch als männlich einschätzt (…)“ (Mertens 1994, S. 24f.). 2.6 Bei Geschlechtspartnerorientierung der Geschlechtspartnerorientierung, welche die dritte Komponente der Geschlechtsidentität darstellt und auf der Kerngeschlechtsidentität basiert, geht es darum, welches Geschlecht als Liebes- oder Geschlechtspartner bevorzugt wird (vgl. Rauchfleisch 2011, S. 48f.). Laut Mertens erleben Kinder, obwohl sie in ihrer 5 Geschlechtspartnerorientierung zunächst noch bisexuell sind, bereits in der Kindheit erste prägende Eindrücke, weshalb sie sich sowohl mit ihrer Mutter als auch dem Vater eine sinnlich-zärtliche Bindung vorstellen können. Erst nachdem das Kind realisiert hat, dass der Vater keine Kinder zur Welt bringen kann und die Mutter keinen Penis besitzt, können Eltern als Menschen mit verschiedenen Geschlechtern wahrgenommen werden (vgl. Mertens 1994 S. 26). Aus diesem Grund stellt nicht nur die bereits verinnerlichte Geschlechtsrolle, sondern vor allem die Erfahrung des Kindes mit den Eltern und „(…) das Modell, das die Eltern ihm von ihrem Umgang miteinander als Mann und Frau bieten“ (Rauchfleisch 2011, S. 48) eine entscheidende Grundlage für die Wahl des Geschlechtsbzw. Liebespartners dar (vgl. Rauchfleisch 2011, S. 48). „Wenn die Beziehung zwischen Mutter und Vater gestört ist, stehen dem Kind im Sinne des Modellernens keine adäquaten Vorbilder einer Geschlechterbeziehung zur Verfügung“ (Mertens 1994, S. 26). Dieses Zitat veranschaulicht, dass das Kind zu einer gesunden Entwicklung eine männliche und weibliche Bezugsperson benötigt, deren Beziehung intakt sein sollte. Des Weiteren wird die Geschlechtspartnerorientierung ebenso von den sexuellen und erotischen Phantasien der Kinder, die sich im Laufe der späten Jugend und Pubertät entwickeln, beeinflusst (vgl. Rauchfleisch 2011, S. 48f.). Der Großteil der Menschen entwickelt seine zu Beginn noch bisexuelle Geschlechtspartnerorientierung im Laufe des Sozialisationsprozesses schlussendlich zur Heterosexualität, bei der ein Partner des konträren Geschlechts bevorzugt wird. Es gibt jedoch auch einen kleinen Anteil der Menschen, die sich, auf Grund der Tatsache, dass sie sich von beiden Geschlechtern angezogen fühlen, der Ambisexualität zugehörig fühlen und eine noch kleinere Minderheit, die sich durch die deutliche Bevorzugung des eigenen Geschlechts als homosexuell wahrnehmen (vgl. Haeberle 1985, S. 152). 2.7 Störung der Geschlechtsidentität Personen, welche sich in ihrer Rolle des biologischen Geschlechts nicht wohlfühlen und sich dadurch nicht definieren können, leiden an einer Störung der Geschlechtsidentität, die schon in der Kindheit oder Adoleszenz auftreten kann, aber manchmal auch erst im Erwachsenenalter zum Vorschein kommt. Diese Personen haben immer wieder den Wunsch, dem Gegengeschlecht anzugehören. Ein Beispiel dafür ist, dass Jungen darüber fantasieren, Frauenkleider anzuziehen und Aktivitäten auszuüben, welche typisch für Frauen und Mädchen sind. Im Gegensatz dazu haben Menschen mit weiblichem Körper das Bedürfnis, männliche Handlungen auszuüben und sehen sich selbst nicht als feminin 6 sondern maskulin an. Vor allem bei Jugendlichen, die sich in der Pubertät befinden, werden diese Wünsche und Gefühle des Unwohlseins im eigenen Körper ständig stärker, da sich in dieser Zeit die Geschlechtsmerkmale immer weiter entwickeln. Durch das Wachsen dieser Merkmale, welche die Jugendlichen an ihrem Körper verabscheuen, kommt es zu einer fortschreitenden psychischen Belastung, da sie nach außen hin immer mehr dem Geschlecht ähneln, dessen sie nicht angehören wollen (vgl. Rohde/Marneros 2007, S. 233). 3 Entwicklung der Geschlechtsidentität „Unter Geschlechtsidentität verstehen wir die subjektive Einschätzung einer Person von sich selbst im Unterschied zur Beurteilung der eigenen Person durch andere“ (BlankMathieu 2010). Das Kind muss sich in seinem eigenen Körper wohlfühlen und wissen, ob es männlich oder weilblich ist. Wenn dies der Fall ist, wird von einer funktionierenden Geschlechtsidentität gesprochen. Diese Identität ist kein Ablauf, der irgendwann vollendet ist. Es ist eine Entwicklung, welche im Leben immer neu bestimmt und definiert wird, was schon im Mutterleib geschieht. Diese Entwicklung wird vor allem in der Pubertät intensiviert, da sich in dieser Entwicklungsphase auch der Körper der Kinder verändert (vgl. Blank-Mathieu 2010). Es gibt drei Aspekte, welche bei der Entwicklung der Geschlechtsidentität bei Kindern relevant sind. Bei den biologischen Aspekten geht es darum, dass das Kind, auf Grund von Geschlechtsmerkmalen, automatisch einem Geschlecht zugewiesen wird. Dem Baby wird somit vorgeschrieben, ob es sich als Mädchen oder Junge fühlen soll. Dies kann heikel sein, da sich ein Kind mit Penis auch als Mädchen fühlen und ein Kind mit Vagina als Junge identifizieren kann. Dies bedeutet, dass die äußeren Geschlechtsteile nicht mit dem inneren Geschlechtsempfinden des Kindes harmonieren, wodurch eine funktionierende Geschlechtsidentität sehr schwer auszuleben ist (vgl. Blank-Mathieu 2010). Die psychologischen Aspekte umfassen das Wissen der Eltern, welches Geschlecht ihr ungeborenes Baby haben wird, da auch dadurch die Geschlechtsidentität beeinflusst wird. Die Eltern haben Theorien und Vermutungen, wie ihr kleiner Junge oder ihr kleines Mädchen sein wird, welche auch auf den Fötus übertragen werden. Diese positive Erwartungshaltung nimmt auch das ungeborene Kind wahr, was ihm hilft, seine Geschlechtsidentität zu entwickeln. Die sozio-kulturellen Aspekte umfassen die Entwicklung des Kindes in einer gewissen Lebensart, wodurch es natürlich auch 7 bedeutende Unterschiede zwischen Kindern gibt, die aus verschiedenen Kulturen stammen. Die Kinder übernehmen das Verhalten ihrer Eltern schon im Alter von zwei Jahren, wobei häufiger der gleichgeschlechtliche Elternteil imitiert wird. Sieht das Kind, dass alle Handlungen und Aktivitäten der Eltern als bedeutungsvoll angesehen werden, gibt es für das Kind keine nachteiligen Geschlechtsrollen. Diese Idealisierung ist jedoch nicht von Dauer, da die Gesellschaft, in der das Kind früher oder später einen Platz einnimmt, andere Einwirkungen als die Familie hat. Die gewohnten Geschlechtsrollen verändern sich in der Gesellschaft und jedes Verhalten wird beurteilt. Aussagen, wie „ein Junge weint nicht“ oder „warum verhältst du dich wie ein Mädchen“ beeinflussen die Kinder. Des Weiteren nehmen auch Peer-Groups einen Einfluss auf die Sozialisationsrolle der Kinder. Wenn sich Jungen in einer größtenteils weiblichen Gesellschaft entwickeln, hat dies zur Folge, dass diese Jungen vor allem das Verhalten von kräftigen, sehr maskulinen Männern nachahmen und so ihre Geschlechtsidentität beeinflussen. Alle diese Faktoren formen die Identität des Geschlechts der Kinder, wobei sie so viele Möglichkeiten aufgezeigt bekommen, wie sich Frauen und Männer verhalten und benehmen. Dies bewirkt eine Annäherung an ihre eigene Geschlechtsidentität, welche sie akzeptieren müssen, um psychisch gesund zu leben (vgl. Blank-Mathieu 2010). Laut Wolfram (2003) entwickelt sich bei Buben und Mädchen die Geschlechtsidentität nicht simultan, da bei Mädchen schon mit ungefähr sechs Jahren der „Prozess der Geschlechterselbstdarstellung“ (Wolffram 2003, S. 29) nachlässt. Sie wissen in diesem Alter, dass sie weiblich sind und wie sie sich selbst darstellen, wie zum Beispiel eine bestimmte Weise zu gehen oder zu lächeln. Mädchen wissen, welchem Geschlecht sie zugehören und benehmen sich auch dementsprechend. Im Gegensatz dazu ist bei Buben die Geschlechtsselbstdarstellung im Alter des Schuleintritts noch nicht abgeschlossen, obwohl sie wissen, welchem Geschlecht sie angehören. Sie haben das Bedürfnis, anderen Personen ihre Maskulinität zu bestätigen. Dieser Unterschied zwischen Buben und Mädchen wird auf die verschiedenen Bedingungen der Sozialisation zurückgeführt. Es entspricht leider noch immer der Norm, dass Kinder von einer weiblichen Bezugsperson erzogen und betreut, was bedeutet, dass Jungen eine gegengeschlechtliche Bezugsperson haben und Mädchen durch eine gleichgeschlechtliche beaufsichtigt werden. Dadurch können sich Mädchen, nach der Annahme des eigenen Geschlechts, mit der weiblichen Bezugsperson identifizieren und definieren, was laut Wolfram (2003) dazu führt, dass sie ihre Geschlechtsidentität früher annehmen als Buben (vgl. Wolffram 2003, S. 33). 8 4 Entstehung der Komponenten der Geschlechtsidentität Bei der Entstehung der einzelnen Komponenten der Geschlechtsidentität kann folglich „eine weitere Differenzierung und Aufteilung der Sozialisierungseinflüsse“ (Mertens 1994, S. 29). stattfinden. Hierbei kommt es zu einer Gliederung in die folgenden fünf Punkte. 4.1 Körperempfindung und psychosexuelle Erfahrung Laut Mertens ist sowohl bei der psychosexuellen Erfahrung als auch bei der Körperempfindung von körperbezogenen Phänomenen in der Eltern-Kind-Beziehung, körpernahen Phantasien und von körperlich genitalen Empfindungen auszugehen. Jungen und Mädchen bauen ihr differenziertes Körperbild daher anhand analer, oraler, urethraler, klitoridal-vaginaler bzw. phallisch-genitaler Erfahrungen auf, die durch die Interaktion mit den Eltern zustande kommen. Durch embryologische Erfahrungen wird darauf verwiesen, dass die Geschlechtsorgane des Embryos in den ersten sechs Wochen einen unverkennbaren femininen Phänotypen besitzen. Erst ab der siebten Woche erfolgt eine Differenzierung zwischen männlich und weiblich, die mit dem dritten Monat beendet wird. Daraus geht hervor, dass die Klitoris von Anfang an zu den weiblichen Genitalien gehört und nicht ein „verkümmerter, männlicher Penis“ ist. Im Gegensatz dazu kann aus embryologischer Sicht vielmehr der Penis als eine „wuchernde Klitoris“ bezeichnet werden (vgl. Mertens 1994, S. 31). 4.2 Interaktion mit Mutter und Vater Im Laufe der Sozialisation werden dem Kind vor allem durch Interaktionsprozesse mit den Eltern, die sowohl verbal als auch nonverbal ablaufen, Erwartungen der Eltern und Geschlechtsrollenstereotype vermittelt (vgl. Mertens 1994, S. 32). 4.2.1 Einstellung der Mutter gegenüber sich selbst als Frau und der Weiblichkeit ihrer Tochter Die Einstellung der Mutter gegenüber sich selbst als Frau und ihre Gefühle bezüglich ihrer Tochter als Mädchen sind laut Mertens eng mit der Weiblichkeit der Tochter verbunden. Das Mädchen beziehungsweise die heranwachsende Frau muss sich allerdings im Laufe der Entwicklung von der Identifikation mit der Mutter lösen. In einem langwierigen Prozess der Ablösung distanziert sich das weibliche Kind folglich von den bewussten und unbewussten Erwartungen und Einstellungen der Mutter (vgl. Mertens 1994, S. 33). 9 4.2.2 Einstellung des Vaters gegenüber sich selbst als Mann und der Weiblichkeit seiner Tochter Im Laufe der letzten Jahre wurde der Mann zusehends mehr in die Kindererziehung integriert, weshalb die Rolle des Vaters, der zuvor meist nur eine Randfigur im Leben des Kindes dargestellte, an Bedeutung zugenommen hat. Oft ist es allerdings der Fall, dass die Mutter in die Rolle einer Vermittlerin schlüpft, da sie beim Großteil der Familien die Hauptbezugsperson der Kinder ist. Aus diesem Grund ist es für die Beziehung zwischen Vater und Kind in manchen Fällen auch ausschlaggebend, was die Mutter in Abwesenheit des Vaters über diesen erzählt und wie sie ihn in den Alltag integriert (vgl. Mertens 1994, S. 34). 4.2.3 Einstellung der Eltern gegenüber sich selbst als Paar und der Weiblichkeit ihrer Tochter Laut Mertens stellt nicht nur die Art und Weise, wie die Mutter bzw. der Vater mit dem Kind jeweils interagiert, sondern auch die Beziehung der Eltern untereinander, die indirekt auf das Mädchen oder den Jungen wirkt, einen entscheidenden Faktor für eine funktionierende Beziehung zwischen Eltern und Kind dar. Besonders wichtig ist hierbei auch, ob die Beziehung der Eltern befriedigend ist, da es bei einer unbefriedigten Paarbeziehung dazu kommen kann, dass sich ein Elternteil im Kind einen Ersatz für den Partner sucht. Des Weiteren ist es für die Liebesfähigkeit eines heranwachsenden Menschen sehr wichtig, dass ein liebevoller Umgang der Eltern miteinander erlebt wird, da dies oft einen Anreiz darstellt, es den Eltern nachzumachen und auch Hoffnung für das zukünftige Liebesleben geben kann. Im Gegensatz dazu können ständige Streitereien der Eltern, hasserfüllte Aussagen und gegenseitige Herabsetzungen die Liebesfähigkeit des Kindes negativ beeinflussen (vgl. Mertens 1994, S. 35). 4.3 Identifikation mit Mutter und Vater Bei der Identifikation mit Mutter und Vater geht es primär darum, dass sich das Kind begehrte Einstellungen und Verhaltensweisen der Eltern, die für die Selbstregulierung von großer Bedeutung sind, aneignet. Durch die Identifikation mit dem Vater wird es dem Kind ermöglicht, sich von der Mutter zu lösen und seine Identität selbstständig zu formen. Väter sind ihren Töchtern gegenüber anfangs weniger bereit, sich ihnen zur Identifizierung zur Verfügung zu stellen. Auf der einen Seite ist es den Mädchen durch diese Identifizierung möglich, gewisse Eigenschaften zu erwerben, die sie benötigen, um sich gegenüber der Mutter abzugrenzen. Auf der anderen Seite wird ihnen auch die Möglichkeit geboten, sich 10 mit der Einstellung des Vaters hinsichtlich der Mutter zu identifizieren. Jene Wert- oder Geringschätzung des Vaters gegenüber der Mutter und der Weiblichkeit kann schlussendlich dazu führen, dass „(…) die Weiblichkeit der Mutter daraufhin entweder erstrebenswert oder Verachtung auslösend“ (Mertens 1994, S. 37) erscheint. 4.4 Lernen der Geschlechtsrolle Das Lernen der Geschlechtsrolle nimmt bereits bei der Geburt, durch die Frage nach dem Geschlecht, seinen Anfang. Auch die Kommunikation der Eltern, ob das Kind die elterlichen Träume vor allem in Bezug auf das Geschlecht erfüllt oder enttäuscht, ist schon lange vor der Geburt ein ausgiebiges Thema. Nach der Geburt kommt es schließlich zur Geschlechtszuweisung, bei der dem Kind viele Erwartungen und Botschaften sowie Verhaltensweisen der Eltern vermittelt werden (vgl. Mertens 1994, S. 38). 4.5 Selbstkategorisierungsprozess Im Laufe des Selbstkategorisierungsprozesses werden vor allem die kognitiven Vorgänge der Identitätsentwicklung in den Mittelpunkt gestellt. Hierbei geht es darum, dass sich das Kind selbst anhand seiner Erfahrung als männlich oder weiblich kategorisiert. Das Kind erreicht schließlich im Alter von drei bis vier Jahren eine stabile kognitive Selbstkategorisierung, bei der es sicher weiß, dass es ein Mädchen oder ein Junge ist. Im Alter von fünf Jahren ist diese Kategorisierung schlussendlich irreversibel, sodass sie sich, auch wenn sich herausstellt, dass das Kind von den Gonaden her eigentlich das konträre Geschlecht besitzt, nicht mehr ändert (vgl. Mertens 1994, S. 39f.). 5 Geschlechtsstereotype „Männer können besser Autofahren als Frauen“ oder „Frauen sind multitaskingfähiger als Männer“, sind Sätze, welche in der heutigen Gesellschaft, auf Grund von sogenannten Stereotypen, oft gehört werden. „Stereotype sind mehr oder weniger sozial geteilte gedankliche Konstruktionen, wobei wir mit der Mitgliedschaft einer Person zu einer bestimmten sozialen Gruppe bestimmte Erwartungen an Eigenschaften und Verhaltensweisen verbinden.“ (Richter 2010). Mit diesem Begriff werden die allgemeinen Vorstellungen bzw. positiven oder negativen Vorurteile, die eine Gesellschaft bezüglich Männern und Frauen hat, beschrieben. Daraus 11 resultiert, dass die Verhaltensweisen und die Eigenschaften von Mann und Frau differenziert betrachtet werden. Der Stereotyp des Mannes, der sich durch Selbstbewusstsein, Rationalität und Kompetenz auszeichnet, wird auf Grund dieser Eigenschaften als positiv bewertet. Im Gegensatz dazu wird der Stereotyp der Frau, welcher durch soziales Sicherheitsbedürfnis, Emotionalität, Personenorientierung und Wärme gekennzeichnet ist, als negativ empfunden (vgl. Kraemer 1998, S. 89f.). Auf Grund der Aufspaltung in zwei dichotome und einspaltige Stereotype, werden Männern und Frauen im Laufe der Sozialisation auch anhand ihrer biologischen Unterschiede gewisse gesellschaftliche Rollen zugeteilt, aus denen sich ihr Verhalten und ihre Einstellung entwickeln. Jedoch können von jeder Gesellschaft noch zusätzliche kulturelle und sozial bestimmte Faktoren, welche die Geschlechter unterscheiden, hinzugefügt werden (vgl. Haeberle 1985, S. 309). Das männliche Geschlecht wird meist rein traditionell in der Rolle des „Brotverdieners“ gesehen, der dafür verantwortlich ist, den Lebensunterhalt der Familie zu sichern, während die Aufgaben der Frau hauptsächlich im Haushalt und der Kindererziehung gesehen werden. In unserer Gesellschaft, in welcher der Mann sich in der Rolle des dominanten Geschlechts befindet, wird den Buben im Laufe ihrer Erziehung vermittelt, sich diese maskuline Rolle anzueignen, um jene soziale Position zu erreichen und sie auszufüllen. Mädchen wiederum werden dazu erzogen, eine feminine Rolle zu übernehmen, die dem Mann sozial untergeordnet ist (vgl. Haeberle 1985, S. 309). Kindern werden außerdem in den unterschiedlichsten Bereichen des Lebens geschlechtliche Rollenunterschiede aufgezeigt. Beim Spielzeug ist es beispielsweise typisch für Mädchen mit Küchen, Puppen oder Kuscheltieren zu spielen, während Autos oder Waffen als Spielzeuge für Jungen gelten. Aus diesem Grund wählen Eltern meist geschlechtsstereotypes Spielzeug für ihre Kinder aus. Vor allem Väter sind oft sehr darauf bedacht, dass ihr Sohn nicht mit einem „Mädchenspielzeug“ spielt (vgl. Woolfolk 2008, S. 222). Des Weiteren wird den Kindern nicht nur von den Eltern, sondern auch von Märchen oder Filmen, in denen hauptsächlich männliche Charaktere die Rolle des Helden übernehmen, ein vorgegebenes Rollenbild vermittelt, welches sich durch die weitere Entwicklung zieht. Auch in der Jugendzeit gibt es bei der Ausbildung gewisse gesellschaftliche Vorstellungen, weshalb beispielsweise der Anteil in hauswirtschaftlichen Schulen überwiegend weiblich ist und im Gegensatz dazu in typisch männlichen Bildungseinrichtungen, wie einer 12 höheren technischen Lehranstalt, nur vereinzelt Mädchen zu finden sind. Darüber hinaus werden im Laufe der Sozialisation ebenso gewisse Rollenbilder in Hinblick auf den Beruf verbreitet. So werden Frauen von der Gesellschaft hauptsächlich in geschlechtsstereotypischen Berufen, wie zum Beispiel Friseurin, Krankenschwester oder Sekretärin gesehen, während es beispielsweise als untypisch für Frauen empfunden wird, beim Bundesheer angestellt zu sein. Männer wiederum werden von der Gesellschaft mit den typisch männlichen Berufen wie Handwerker, Techniker oder Polizist identifiziert, weshalb der männliche Anteil in Bereichen wie der Pflege eher gering ausfällt. Auch heut zu Tage können noch Unterschiede bei der Bezahlung der beruflichen Tätigkeit zwischen Männern und Frauen festgestellt werden. Diese geschlechtsstereotypen Rollenverteilungen haben sich im Laufe der letzten Jahre schon mehrfach gewandelt, jedoch sind diese Vorstellungen bezüglich der Geschlechter noch immer in unserer Gesellschaft verankert. Tatsache ist, dass keine Person den vorgegebenen Stereotypen entsprechen muss, da jeder Mensch die Freiheit hat, den Beruf zu ergreifen, welcher für sie/ihn erfüllend ist. Jede Person ist einzigartig und hat spezielle Vorlieben und Fähigkeiten, die nicht durch gesellschaftlich geprägte Vorurteile verwehrt oder unterdrückt werden sollten. Dennoch haben gesellschaftliche Normen einen großen Einfluss auf die persönliche Entwicklung und Entfaltung. 6 Psychosexuelle Entwicklung des Kindes Für den Menschen spielt das Thema Sexualität von Geburt an eine wichtige Rolle. Erlebnisse im Kindes- und Jugendalter bezüglich des sexuellen Verhaltens von Kindern und Eltern, prägen die Kinder in ihrer späteren Bindungs- und Beziehungsfähigkeit. Verschiedene Faktoren, wie zum Beispiel der eigene Körper oder die Sexualität, haben einen starken Einfluss auf die sexuelle Entwicklung (vgl. Schmidt/Sielert 2008, S. 363). Bereits im Jahre 1905 entwickelte Sigmund Freud ein Phasenmodell, in welchem die psychosexuelle Entwicklung näher erläutert wurde, was im letzten Jahrhundert von seinen SchülerInnen weiter ausdifferenziert wurde. Auf Grund der Individualität eines Kindes unterscheidet sich die Dauer der folgenden Phasen (vgl. Schmidt/Sielert 2008, S. 363). 6.1 Orale Phase Die orale Phase ist sehr körperbezogen und spielt sich im ersten Lebensjahr des Säuglings ab. In dieser Phase wird der Mund des Kindes als Organ der Lust angesehen, 13 da es dadurch Erregung verspürt. Das Kind erfährt somit auch eine gewisse Vertrautheit und Erfahrung, zum Beispiel, wenn das Baby an der Brust der Mutter nuckelt. Der gleiche Effekt tritt auf, sobald der Säugling beginnt, an der Flasche zu saugen. Wenn das Baby gebadet oder gewickelt wird, spürt es, auf Grund der Berührungen von Mutter und Vater, also den, eine starke Verbindung. Dadurch, dass die Eltern bei diesen Tätigkeiten die Geschlechtsorgane der Säuglinge berühren, nehmen die Babys die Art des Kontaktes wahr. Eine positive oder negative Reaktion der Eltern bei den Berührungen hat Einfluss auf das psychosexuelle Körperbewusstsein des Säuglings. Auch über die Körperkontakt (Haut) kann das Kind viele Empfindungen, wie Zärtlichkeit, Liebe, Geborgenheit und das Gefühl von Akzeptanz aufnehmen. Doch auch negative Gefühle wie Angst, Ablehnung oder Ekel können von dem Säugling aufgenommen werden. Beide Arten von Gefühlen haben positive oder negative Konsequenzen auf die psychische Entwicklung des Kindes. Sehr schwierig in dieser Phase der Entwicklung ist für den Säugling der immer seltener werdende Hautkontakt der Mutter. Durch diese Erkenntnis lernt der Säugling, dass es einen gewissen Bedarf bzw. ein Verlangen gibt, welcher nicht durch den mütterlichen Kontakt gestillt werden kann. Dies zeigt dem Baby wiederum, dass es zunehmendes Vertrauen zu sich entwickeln sollte und auf Menschen, mit denen es nicht vertraut ist, zugehen sollte (vgl. Schmidt/Sielert 2008, S. 365). 6.2 Anale Phase In der analen Phase, welche sich im zweiten Lebensjahr abspielt, ist nicht mehr der Mund das Organ der Erregung, sondern die Lust befindet sich in der Zone des Analbereichs. Die Kleinkinder unterscheiden in dieser Phase zusätzlich, dass der Penis das Geschlechtsorgan des Buben und die Scheide das Geschlechtsorgan des Mädchens ist. Durch dieses Wissen werden natürlich immer mehr Fragen zu den Unterschieden zwischen Mädchen und Jungen gestellt, wobei den Kindern die eigene Identität des Geschlechts noch nicht klar ist. In diesem Lebensjahr können die Kleinkinder selbst über ihre Ausscheidungen entscheiden und sind fasziniert von ihren Sekreten und Genitalien. Durch die Tatsache, dass die Kinder nun ihre Blase und den Stuhlgang kontrollieren können, entwickeln sie ein gewisses Maß an Eigenständigkeit. Es macht ihnen Freude, zu wissen, dass sie den Zeitpunkt des Toilettenganges selbst bestimmen können. Dadurch wird ihnen von den Eltern ein gewisses Maß an zusätzlicher Aufmerksamkeit geschenkt, was den Kindern ein Gefühl von Selbstständigkeit gibt (vgl. Schmidt/Sielert 2008, S. 385f.). 14 6.3 Phallische Phase Kinder zwischen dem dritten und fünften Lebensjahr befinden sich in der phallischen Phase, welche auch „kleine Pubertät“ genannt wird. Während dieser Zeit interessieren sich die Kinder immer mehr für verschiedene Seiten der Sexualität und entwickeln sich körperlich und kognitiv weiter. Zusätzlich werden sie immer neugieriger, was dazu führt, dass sie die unterschiedlichen Geschlechtsorgane ihrer Geschwister, Eltern, oder auch die von anderen Kindern betrachten. Kinder finden in dieser Phase auch heraus, dass der Körperkontakt mit den Geschlechtsorganen eine gewisse Lust mit sich bringt. Indem Mädchen und Jungen die Handlungen und Bewegungen der jeweils gleichgeschlechtlichen Personen beobachten und nachahmen, entdecken sie die Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Dadurch wird ihnen ihre eigene Zuweisung des Geschlechts bewusst. Durch Rollenspiele, wie zum Beispiel VaterMutter-Kind, wird der eigene Körper und der von anderen analysiert (vgl. Schmidt/Siebert 2008, S. 366). In der phallischen Phase entwickeln die Kinder den so genannten Ödipuskomplex, auf welchem im nächsten Kapitel noch näher eingegangen wird. Am Ende der phallischen Phase beginnt für die Kinder eine neue wichtige Zeit: die Grundschulzeit. In diesem neuen Abschnitt ihres Lebens, müssen sie versuchen, soziale Kontakte zu finden und aufzubauen. Auch Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit, Kreativität, Lernen und Planungen werden weiterentwickelt (vgl. Schmidt/Siebert 2008, S. 366f.). 6.4 Latenzzeit Kinder von sechs bis zehn Jahren befinden sich in der Latenzzeit (vgl. Machleidt et al. 2004, S. 86). Während den ersten Jahren dieser Phase spielen sexuelle Dinge eine untergeordnete Rolle. Andere Faktoren stehen im Vordergrund, wie zum Beispiel der Ausgleich von Lernen und Spielen während der Schulzeit. Die Kinder sprechen in dieser Zeit kaum über sexuelle Themen. Mädchen suchen vorwiegend den sozialen Kontakt mit Mädchen, während auch Jungen Freundschaften mit gleichgeschlechtlichen Kindern bevorzugen. In diesen Freundeskreisen können sich die Kinder selbst und auch ihren Körper in einem anderen Blickwinkel sehen und besser verstehen. Sie sprechen mit ihren FreundInnen über das andere Geschlecht und verlieben sich in dieser Zeit das erste Mal. Es kann auch der Fall sein, dass sie sich zu älteren Personen hingezogen fühlen. Augen, Stimme oder Haare sind typische Charakteristika, die auf Kinder in der Latenzzeit begehrenswert und 15 erregend wirken. Verhaltensweisen wie Zettelchen schreiben, schüchternes Händchenhalten oder der erste heimliche Kuss sind typische Zeichen dieser ersten Gefühle. Am Ende der Latenzzeit wird das sexuelle Verlangen wieder wichtiger. Die Masturbation ist hierbei von großer Wichtigkeit. Dutzende Kinder, welche das 14. Lebensjahr noch nicht erreicht haben, beschäftigen sich, bevor sie schlafen gehen, mit ihren Geschlechtsorganen und befriedigen sich selbst. Natürlich haben Kinder in diesem Alter sehr viele Fragen zum Thema Sexualität. Mädchen interessieren sich in erster Linie für Aspekte wie Schwangerschaft, die erste Periode oder gewalttätige sexuelle Übergriffe. Sie denken über Beziehungen und Probleme nach, die Sex mit sich bringt. Bei jungen Buben hingegen liegt der Schwerpunkt auf Themen wie Orgasmus oder auf dem sexuellen Akt selbst. Sie wollen vielmehr über die Lust sprechen, welche mit dem Sex einhergeht. Zur Beantwortung dieser Fragen wenden sich die Kinder an Vertrauenspersonen oder auch an die Medien. In den Fernsehsendungen, die sich die Jugendlichen zu diesem Zeitpunkt am liebsten ansehen, geht es besonders um Liebe, Freundschaft, Schule und Sex. Diese Themen spiegeln hauptsächlich die Probleme wieder, mit welchen sich die Kinder auch im richtigen Leben beschäftigen. Ebenso beliebt sind Zeitschriften, die genau diese Themen behandeln, wie zum Beispiel Bravo oder Yam. Vor allem Kinder, die sich zwischen dem neunten und dreizehnten Lebensjahr befinden, lesen diese Magazine (vgl. Schmidt/Siebert 2008, S. 368). 6.5 Genitale Phase In der genitalen Phase, auch Pubertät oder Adoleszenz genannt, befinden sich Kinder zwischen dem zehnten und sechzehnten Lebensjahr. Bei der Pubertät geht es um die körperliche Entwicklung des Kindes, wobei die Adoleszenz mehr die psychischen Entwicklungsschritte umfasst. Dies ist die letzte Phase der psychosexuellen Entwicklung nach Freud. Während dieser Zeit reift das Kind immer mehr heran und entwickelt sich körperlich weiter. Der Junge oder das Mädchen findet nun zu ihrer jeweiligen Geschlechtsidentität, womit ihre Kindheit endet (vgl. Machleidt et al. 2004, S. 86). Bei Mädchen äußert sich die Pubertät durch das Auftreten der ersten Regelblutung und durch das Wachsen der Brüste. Bei den Jungen kommt es zu einem Peniswachstum und zum ersten Samenerguss (vgl. Fürstler/Hausmann 2000, S. 165). Die Hormone spielen verrückt und die sexuelle Lust steht nun wieder im Zentrum des Interesses der Jugendlichen (vgl. Scheepers et al. 2007, S. 434). 16 In dieser Phase werden die gleichaltrigen Freunde zu einem der Hauptmittelpunkte des Lebens. Mit ihnen zu sprechen fördert das soziale Verhalten der Jugendlichen. Zusätzlich ist die Pflege der sozialen Kontakte ein positiver Aspekt daran. Das Gefühl von Akzeptanz und Zugehörigkeit zu einem Freundeskreis ist auch sehr wichtig. Außerdem wächst der Wunsch von Selbstständigkeit und Autonomie. Die Adoleszenz gliedert sich in folgende drei Arten. Bei der frühen Adoleszenz, in der sich Kinder vom zehnten bis zum vierzehnten Lebensjahr befinden, erleben sie die ersten intrafamiliären Konflikte mit ihren Eltern und müssen mit ihnen gemeinsam nach Lösungen suchen. Dies prägt die Kinder für ihr weiteres Leben, da sie lernen, vernünftig mit Konflikten umzugehen. Es kommt aber dennoch immer mehr zu einer Distanzierung von den Eltern, da die Freunde in dieser Phase eine wichtigere Rolle spielen. Im Zeitraum von 14-17 Jahren befinden sich Kinder in der mittleren Adoleszenz, wo sie ein immer stärker werdendes Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit verspüren. Auch der Freundeskreis spielt eine sehr wichtige Rolle, wobei in dieser Phase der Adoleszenz auch das Näherkommen zwischen Jungen und Mädchen im Vordergrund steht. Bei der späten Adoleszenz, in welcher sich Personen zwischen 17 und 20 Jahren befinden, kommt es meist zur endgültigen Identifikation der eigenen Geschlechterrolle. Die meisten Kinder sind in diesem Alter von zu Hause ausgezogen und leben ihr eigenes Leben, mit individuellen Plänen für ihre private und berufliche Zukunft, wodurch sie Verantwortung übernehmen (vgl. Franzkowiak 1987). Am Ende dieser Phase ist die psychosexuelle Entwicklung abgeschlossen und die Jugendlichen finden sich im Erwachsenenalter wieder (vgl. Fürstler/Hausmann 2000, S. 167). In der genitalen Phase steht die Sexualität für viele Jugendliche im Mittelpunkt, wobei es aber auch Probleme und Ängste gibt, mit welchen sie sich beschäftigen. 6.5.1 Sexuelle Probleme und Ängste von Jugendlichen Die Pubertät ist ein Wechselbad der Gefühle für alle Mädchen und Jungen, woraus sexuelle Schwierigkeiten und Hemmungen resultieren können. Es gibt vier verschiedenen Typen von Jugendlichen die sich in ihrem Verhalten während der Adoleszenz unterscheiden (vgl. Buddeberg 1996, S. 110f.). 17 6.5.1.1 Sexuell Gehemmte Sexuell gehemmte Buben und Mädchen sehen Geschlechtsverkehr und andere sexuelle Tätigkeiten als ein Tabuthema an. Ihnen fällt es schwer, über sexuelle Dinge zu sprechen, sie fühlen sich schuldig, wenn sie unanständige Fantasien mit anderen Personen haben und sehen sich Fotos und Bilder von nackten Personen nur heimlich an, da sie Angst haben, dabei erwischt zu werden. Diese Jugendlichen werden von ihren Eltern nur geringfügig oder gar nicht aufgeklärt, wodurch sie Sexualität als etwas Gewagtes und Riskantes ansehen. Wenn diese Jugendlichen sexuell aktiv sind, haben sie sehr starke Hemmungen gegenüber sich selbst und ihrem/r PartnerIn. Sie fühlen sich in ihrer eigenen Haut unwohl und finden es unangenehm, wenn sie nackt sind und von der/dem PartnerIn gesehen werden. Auch Komplexe zum anderen Körper resultieren aus diesem Hemmungsgefühl, was den sexuellen Akt erschweren kann. Der Druck, der dadurch auf den Jugendlichen lastet, kann möglicherweise zu Vaginismus bei Mädchen oder vorzeitigem Samenerguss bei Buben führen (vgl. Buddeberg 1996, S. 111). 6.5.1.2 Sexuelle MitläuferInnen Jugendliche, die sexuelle MitläuferInnen sind, verhalten sich ähnlich den Personen, die sie während der Adoleszenz als wichtig ansehen. Dies sind für die meisten Jungendlichen ihre Freunde, da sie mit ihnen über ihre sexuellen Ereignisse am besten sprechen können. Männliche Mitläufer passen sich in ihrem Verhalten den anderen Buben im Freundeskreis an. Wenn zum Beispiel ein Junge von den sexuellen Erlebnissen erzählt, die er mit seiner Freundin gemacht hat, denkt sich der Mitläufer, dass auch er bald solche Dinge erleben wird und davon erzählen muss. Wenn ein Mädchen verkündet, dass sie die Pille nimmt, glauben die weiblichen sexuellen Mitläuferinnen, dass auch sie ein Verhütungsmittel einnehmen müssen, auch wenn diese noch gar nicht sexuell aktiv sind. Für sexuelle MitläuferInnen ist es besonders wichtig, auf Grund ihrer sexuellen Tätigkeiten in ihrem eigenen Freundeskreis hoch angesehen und bewundert zu werden. Sie wollen um jeden Preis verhindern, dass sie als prüde, abgestumpft oder langweilig abgestempelt werden, weshalb sie sexuelle Aktivitäten nutzen, um mitreden zu können und nicht ausgegrenzt zu werden. Die Tatsache, dass sie selbst auch manchmal im Mittelpunkt stehen, verleiht ihnen Selbstbewusstsein und ein positives Selbstwertgefühl (vgl. Buddeberg 1996, S. 112). 18 6.5.1.3 Sexuelle LeistungssportlerInnen Jugendliche, welche sich unter enormen Druck setzen, sexuell immer alles richtig zu machen, gehören zu der Gruppe der sexuellen LeistungssportlerInnen. Sie wollen sich selbst beweisen, wie gut sie in sexuellen Aktivitäten sind und probieren auch alles aus, wie zum Beispiel Sex in verschiedenen Positionen, an verschiedenen Orten und mit verschiedenen PartnerInnen. Ihre größte Angst ist es, sexuelle Misserfolge zu erleben und zu versagen, wie zum Beispiel eine zu frühe Ejakulation bei Buben. Diese Jugendlichen leiten ihr Selbstbewusstsein von ihren sexuellen Erfolgen oder Misserfolgen ab und wollen sich sexuell mit anderen Personen in ihrem Alter messen. Wenn sich diese Jugendlichen in einer Beziehung befinden, stehen sie unter hohem Leistungsdruck. Möglicherweise haben sie große Angst von ihren PartnerInnen verlassen zu werden, wenn sie sexuell nicht auf dem höchsten Niveau sind und ihre/n FreundIn nicht befriedigen können (vgl. Buddeberg 1996, S. 112f.). 6.5.1.4 Sexuelle IdealistInnen Für sexuelle IdealistInnen sind Dinge wie Vertrauen, Liebe, Treue, Gleichberechtigung der beiden Partner und das Eingehen auf die sexuellen Bedürfnisse des/der PartnerIn das wichtigste in einer Beziehung. Die Jungendlichen, die diesem Bild der perfekten Partnerschaft nachgehen, müssen häufig erfahren, dass es im Alltag sehr schnell zu Streit und Differenzen in der Beziehung kommen kann und eine gewisse Disharmonie entsteht. Diese Tatsachen wollen die sexuellen IdealistInnen aber nicht wahrhaben und glauben, mit ihren PartnerInnen alles schaffen zu können. Sie lassen sich von ihrer idealistischen Sichtweise nicht abbringen, weswegen es die Jugendlichen noch härter trifft, wenn ihre Beziehungen tatsächlich in die Brüche gehen, was im Jugendalter oft der Fall ist (vgl. Buddeberg 1996, S. 113). 6.5.2 Selbstbefriedigung – natürlich oder abstoßend Selbstbefriedigung ist ein Thema, mit dem sich Jugendliche und schon Kinder beschäftigen. Dennoch ist diese Thematik in der heutigen Gesellschaft, noch immer ein Tabu. Jugendliche gehen möglicherweise etwas ungehemmter mit dem Thema um als Erwachsene. Obwohl viele die Tatsache, dass sie sich selbst befriedigen, geheim halten, da sie Angst haben, ausgelacht zu werden und Schuldgefühle entwickeln (vgl. Buddeberg 1996, S. 107). 19 Selbstbefriedigung spielt in unterschiedlichen Lebensphasen eine verschiedene Rolle. Die Masturbation im frühen Kindesalter konzentriert sich primär auf das Kennenlernen des eigenen Körpers und die Erfahrungen, die damit gewonnen werden können, zum Beispiel wie sich die Haut der Geschlechtsorgane anfühlt. Obwohl die Lust bei dieser Art der Selbstbefriedigung an zweiter Stelle steht, ist es sehr wichtig für die Entwicklung des Kleinkindes. Wenn sich Kinder im Alter zwischen drei und sechs Jahren befinden, spüren sie, wie ihr Körper auch sexuell immer mehr heranreift. Sie nehmen die Empfindungen ihres Körpers besser wahr. Die Selbstbefriedigung findet in diesem Alter absichtlich und wissentlich statt, um lustvolle Gefühle zu erzeugen, was auch zu einer gesunden geistigen Entwicklung des Kindes beiträgt (vgl. Buddeberg 1996, S. 107). Während der Pubertät kommt es bei allen Jugendlichen zum Wachstum und Entwicklung der Geschlechtsorgane. Sie spüren den Drang nach Geschlechtsverkehr, aber viele sind in diesem Alter emotional nicht in der Lage und überfordert, sich auf seine solche Erfahrung mit anderen Menschen einzulassen. Somit bleibt den Jugendlichen nur die Möglichkeit, sich selbst zu befriedigen. Dies kommt sehr häufig vor, da das Ziel der Masturbation in dieser Entwicklungsphase ein Orgasmus ist. Die Jugendlichen entwickeln auch sexuelle Phantasien und finden heraus, an welchen Körperstellen sie besonders sexuelle Erregung verspüren. Der erste Geschlechtsverkehr findet häufig bereits in der Pubertät statt, wodurch die Jugendlichen sexuelle Erfahrungen sammeln. Wenn jedoch die Eltern Sex für etwas Schmutziges und Böses halten, kann es vorkommen, dass sich die Jugendlichen für ihre sexuellen Bedürfnisse schämen. Dies könnte später zu Schäden im Sexualleben führen (vgl. Buddeberg 1996, S. 107f.). Die Selbstbefriedigung spielt auch bei manchen Gruppen von Erwachsenen eine wesentliche Rolle. Die Masturbation entsteht häufig auf Grund der Tatsache, dass die Erwachsenen aus emotionalen und sozialen Gründen keine sexuelle Verbindung zum anderen Geschlecht herstellen können, wie zum Beispiel bei Personen, die sich im Gefängnis befinden oder sozial isoliert sind. Die Notwendigkeit der Selbstbefriedigung bei diesen Erwachsenen ist hoch, da sie dadurch eine gewisse Art der Flucht aus ihrer derzeitigen Situation gewinnen und sich somit kurz entspannen können. Es gibt aber noch andere Gruppen von Erwachsenen, welche sozial integriert sind und keine Probleme haben, sich dem anderen Geschlecht sexuell zu nähern. Diese Personen nutzen die Selbstbefriedigung um die Angst vor Nähe, Gefühlen und emotionalen Bindungen zu kaschieren und sich somit selbst sozial auszuschließen. Dieses Verhalten resultiert häufig daraus, dass diese Menschen Eltern haben, welche den Geschlechtsverkehr als etwas 20 Schlimmes ansehen (vgl. Buddeberg 1996, S. 108). Die Personen nutzen die Selbstbefriedigung, um sich einerseits, selbst, unabhängig von dem/der PartnerIn sexuell zu erforschen, andererseits, Beziehungsängste, Ängste von Nähe und so weiter zu vermeiden. 7 Ödipuskomplex Der Ödipuskomplex „geht von der Dreieckssituation von Vater-Mutter-Kind aus“ (Werner/Langenmayr 2006, S. 57). Es gibt zwei Arten, wie sich der Ödipuskomplex darstellen kann, welcher in der phallischen Phase stattfindet. Bei der positiven Form, welche stärker bei Kindern vertreten ist, empfindet das Kind Hass und Abneigung gegenüber dem gleichgeschlechtlichen Elternteil und Liebe und sexuelle Zuneigung gegenüber dem Elternteil, welches dem anderen Geschlecht entspricht. In der negativen Form, charakterisiert sich der Ödipuskomplex dadurch, dass das Kind Leidenschaft und Verbundenheit dem Elternteil gegenüber empfindet, welcher das gleiche Geschlecht hat, wie das Kind selbst. Dem gegengeschlechtlichen Elternteil hingegen, hegt das Kind Gefühle wie Eifersucht, Missgunst und Feindseligkeit. Diese beiden Formen vervollständigen den gesamten Ödipuskomplex, was für eine gesunde Entwicklung des Kindes wichtig ist. Dieser Komplex tritt in der phallischen Phase, zwischen drei und fünf Jahren auf und verschwindet meist wieder, wenn sich die Kinder in der Latenzzeit befinden. Er ist essenziell für die Bildung der Persönlichkeit und des Charakters und ist prägend für die sexuelle Orientierung des Kindes (vgl. Werner/Langenmayer 2006, S. 57f.). In Bezeichnung „positiv“ oder „negativ“, bildet sich eine Bewertung ab, die Heterosexualität als das Normative bestätigen soll. 7.1 Der positive männliche Ödipuskomplex Bei Jungen zeigt sich der positive Ödipuskomplex dadurch, dass die Bindung zu der Mutter verstärkt wird. Der Sohn entwickelt dem weiblichen Elternteil gegenüber sexuelle Phantasien und Gefühle und verspürt Erregungen, wenn sie ihn anfasst. Seinem Vater gegenüber verspürt der Junge allerdings nur negative Gefühle, weil er ihn als Rivalen sieht, der die Mutter befriedigen und glücklich machen kann. Dieses Konkurrenzgefühl vermischt sich mit der Erkenntnis, dass weibliche Personen keinen Penis besitzen, woraus der Kastrationskomplex resultiert. Durch Interaktion mit seinem männlichen Elternteil eignet sich der Bub dessen Normen und Werte an. Dadurch kann der Junge seine sexuellen Gefühle auf andere Mädchen oder Frauen konzentrieren, als nur auf den 21 weiblichen Elternteil. Dies dauert jedoch seine Zeit, doch wenn der Junge verstanden hat, dass es auch andere weibliche Objekte gibt, die er sexuell fixieren kann, wird die positive Form des Ödipuskomplexes beendet (vgl. Werner/Langenmayr 2006, S. 58). 7.2 Der negative männliche Ödipuskomplex Diese Form verläuft so ähnlich wie der weibliche negative Ödipuskomplex. Die Jungen sehen ihren Vater als stark und männlich an, wodurch sie sich zu ihm hingezogen fühlen. Die Mutter hingegen wird als Feindin betrachtet, welche sich zwischen Vater und Sohn stellt. Buben haben das Bedürfnis, allein mit ihrem Vater ein Leben aufzubauen, ohne(,) dass der weibliche Elternteil darin eine Rolle spielt. Auch hier müssen die Jungen, um diesen Ödipuskomplex auflösen zu können, erkennen, dass sie nie die Rolle der Mutter ersetzen können. Die Tatsache, dass nur die Mutter die sexuellen Bedürfnisse des Vaters befriedigen kann und nicht sie selbst, wird für die Jungen verständlich. Dadurch entwickeln sie Respekt gegenüber dem Vater, wodurch die Gefühle der Erregung und sexuellen Anziehung verschwinden (vgl. Schäfer 1999, S. 97f.). 7.3 Der positive weibliche Ödipuskomplex Mädchen empfinden zuerst der Mutter gegenüber positive Gefühle. Sie bewundern und lieben den weiblichen Elternteil und wollen die emotionale Verbindung zu diesem intensivieren. Diese Gefühle verschwinden aber, sobald das Mädchen herausfindet, dass andere Menschen ein männliches Geschlechtsorgan besitzen. Dadurch empfindet das Mädchen Neid, da es davon überzeugt ist, kastriert worden zu sein, woraus der Penisneid hervorgeht. Sie entwickeln Gefühle wie Minderwertigkeit, Wertlosigkeit und Halbwertigkeit, da sie „nur“ eine Klitoris haben und keinen Penis besitzen. Für diesen Zustand wird die Mutter verantwortlich gemacht, wodurch sich das Mädchen von ihr zurückzieht und somit alle positiven Gefühle auf den Vater produziert (vgl. Köhler 2000, S. 332). Das Mädchen bewundert ihren Vater wegen seines Geschlechtsorgans und dafür, dass er in den Augen der Tochter der stärkere und dominantere Elternteil ist. In der phallischen Entwicklungsphase überkommt das Mädchen auch der Wunsch, mit dem Vater zu schlafen und dadurch schwanger zu werden. Bei dieser Fantasie, steht nicht mehr die Klitoris im Mittelpunkt, sondern die Vagina selbst, wodurch sich das Mädchen selbst als feminin wahrnimmt. Somit stellt sich das Mädchen, wie bei dem männlichen Ödipuskomplex, gegen den gleichgeschlechtlichen Elternteil und wendet sich dem gegengeschlechtlichen zu (vgl. Werner/Langenmayr 2006, S. 58f.). Die Auflösung des 22 weiblichen Ödipuskomplexes ist nicht so einfach wie bei den Jungen, da Mädchen, im Gegensatz zu Buben, ihrer Meinung nach schon kastriert worden sind. Nach Freud gibt es drei Möglichkeiten, um den Ödipuskomplex aufzulösen. Die erste Möglichkeit ist, dass das Mädchen seine Weiblichkeit akzeptiert und lernt, auf ein männliches Geschlechtsteil zu verzichten. Die zweite Möglichkeit besteht darin, dass das Mädchen Abneigung gegenüber der gegenwärtigen Entwicklungsphase empfindet und sich selbst als feminin wahrnimmt. Die Möglichkeit, den Ödipuskomplex aufzulösen besteht für das Mädchen in der Akzeptanz ihres eigenen weiblichen Geschlechts. Somit akzeptieren sie ihr eigenes Geschlecht und ihre Weiblichkeit. Damit verringert sich gleichermaßen die Angst vor Liebensentzug und der weibliche positive Ödipuskomplex wird aufgelöst (vgl. Brech et al. 1999, S. 52). Der Ödipuskomplex kann aber nur vervollständigt werden, wenn nicht nur die positive Form ausgelebt wird, sondern auch die negative Form. „Eingehendere Untersuchungen decken zumeist den vollständigeren Ödipuskomplex auf, der ein zweifacher ist, ein positiver und ein negativer, abhängig von der ursprünglichen Bisexualität des Kindes (…)“ (Werner/Langenmayr 2006, S. 60). Dies bedeutet, dass Kinder mehrdeutige und wechselhafte Gefühle gegenüber dem Vater hegen. Sie bewundern den Vater und eifern ihm nach, hegen aber auch negative Gefühle, wie Eifersucht, für ihn. Dieselben Gefühle bringen sie dem weiblichen Elternteil gegenüber hervor (vgl. Werner/Langenmayr 2006, S. 60). 7.4 Der negative weibliche Ödipuskomplex Beim negativen Ödipuskomplex sehen Mädchen die eigene Mutter als vorbildlich und begehrenswert an. Sie haben Fantasien, in denen sie mit der Mutter zusammen Kinder aufziehen, zusammen wohnen und ein Leben aufbauen. Alle Tätigkeiten, die sie verrichten, sind für den weiblichen Elternteil, wie zum Beispiel sich hübsch anzuziehen. Das Mädchen wünscht sich, die Mutter genau so glücklich zu machen und zu lieben wie der Vater, woraus eine Rivalität zum männlichen Elternteil resultiert. Während des weiblichen negativen Ödipuskomplexes hat das Mädchen den Wunsch, auf die Mutter attraktiv und reizvoll zu wirken. Wenn die Mutter das Kind streichelt oder umarmt, bekommt es diese Zärtlichkeit von der Tochter zurück, in der Hoffnung, die Mutter sexuell zu erregen. Dabei wächst die Rivalität zum Vater immer mehr, weil er der dritte, störende Faktor in der Beziehung ist. Um den negativen weiblichen Ödipuskomplex auflösen zu können, muss das Mädchen verstehen, dass es die Rolle des Vaters nie einnehmen kann 23 und seine Person unersetzbar ist. Entscheidend für die Auflösung ist auch, dass die Tochter die sexuelle Bindung zur Mutter aufgibt, in dem sie sich mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil identifiziert, in ihrer Weiblichkeit gleichsetzt und nicht mehr begehrt (vgl. Schäfer 1999, S. 95f.). 8 Geschlechtsentwicklung bei Jungen Während der ersten Lebensmonate hat der Junge noch kein Interesse an seinem Penis oder den Hoden. Dennoch entwickelt er durch Berührungen seines Geschlechtsteils, von Erziehungsberechtigten und auch von sich selbst, ein gewisses Lustgefühl. Wie oft diese Berührungen und Stimulationen auftreten, ist repräsentativ für den Lustfaktor des Jungen. Auf Grund der Tatsache, dass es für Jungen einfacher ist, mit ihrem Genital zu spielen und sich selbst zu erregen, fangen sie mit der Stimulation früher damit an als Mädchen. Während des zweiten Lebensjahres lernt der Bub langsam Dinge, wie selbständig auf die Toilette zu gehen und somit auch, dass er selbst bestimmen kann, zu welchem Zeitpunkt er uriniert. Dies gibt ihm ein Gefühl der Macht und Kontrolle, welches ihn gleichzeitig mit Stolz erfüllt. Das Wissen, dass er nun die Funktion seines Körpers im Griff hat, macht ihn glücklich. Da der Bub nun immer mehr lernt, Dinge selbst zu bewältigen, entfernt er sich automatisch von seiner Mutter. Der Bub versteht in dieser Zeit, dass seine Eltern eine sexuelle Bindung haben, welche ihn nicht mit einschließt. Er interessiert sich aber dennoch für die geschlechtliche Beziehung seiner Erziehungsberechtigten. In unserer patriarchalen Kultur symbolisiert der Penis (Phallus) Macht und Stolz des Mannes. Für den Jungen wird sein Geschlechtsteil während dem vierten und fünften Lebensjahr immer wichtiger. Durch das Zeigen des Penis lernt der Bub schon früh sich selbst und seinen Körper anzunehmen bzw. Stolz auf den bevorzugten Körper zu sein. Auch das Beobachten des Geschlechts des Mädchens ist typisch für dieses Alter. Die Jungen sind wissbegierig und zeigen Interesse an den anderen Geschlechtsteilen, welche sie später in ihren Rollenspielen verdeutlichen. Zusätzlich vergleichen Buben ihren Penis mit dem des Vaters und sehen, wie der eigene erst in vielen Jahren aussehen könnte. Es treten Gefühle wie Unvollkommenheit oder Mangelhaftigkeit auf. Auch die Kastrationsangst entwickelt sich bei dem Jungen, welche bedeutet, dass er Angst hat, seinen Penis zu verlieren, da er feststellt, dass es Menschen gibt die keinen besitzen – nämlich Frauen. Diese Angst müssen die Buben überwinden, da es ansonsten, bei Lustempfindungen, zu übermäßiger Selbstbefriedigung kommen könnte. Wenn dies der Fall ist, entwickelt der Junge zusätzlich die Angst, dass sein Penis vom zu 24 vielen Masturbieren Schaden davon tragen könnte, weshalb das häufige Selbstbefriedigen, sukzessive aufgegeben wird. Neben dieser Angst sind Buben neidisch auf die Geschlechtsteile von Mädchen, wie zum Beispiel die Brüste oder die Vagina. In diesen Lebensjahren entwickelt der Junge den schon bereits beschriebenen Ödipuskomplex. Von großer Bedeutung dabei ist, dass sich der Bub wirklich mit seinem Vater messen und konkurrieren kann, was sowohl in der Fantasie als auch in der Realität der Fall sein sollte. Reale Auseinandersetzungen mit dem Vater sind wichtig für den Jungen und seine weitere Entwicklung. Diese psychosexuellen Entwicklungsschritte benötigen die Basis einer intakten Familie, welche aus mindestens drei Personen besteht. In Zeiten steigender Scheidungsraten und mit dem Zunehmen von Ein-Eltern-Familien, machen viele Jungen alltäglich nicht die Erfahrung aus der ZweiPersonen-Beziehung der Eltern ausgeschlossen zu sein, was jedoch wichtig für ihre Entwicklung ist. Diese Jungen müssen, für ihre spätere Bindungsfähigkeit, ihre Reifungsschritte anders machen (vgl. Sigusch 2007, S. 147f.). 9 Geschlechtsentwicklung bei Mädchen Nach Freud erlangen Mädchen ihre weibliche Identität frühestens nach dem Ödipuskomplex. Andere ExpertInnen sind jedoch der Meinung, dass die Mädchen schon vor dem Ödipuskomplex zu ihrer Identität finden würden. Nachdem die Mädchen verstehen lernen, ohne Penis zu leben und ein Teil der Menschen einen besitzen, kommt es zum Penisneid. Sie fühlen sich mangelhaft, weil sie unten „nichts“ haben. Diese Aussage negiert und entwertet aber das weibliche Genital. Zusätzlich haben Mädchen Angst, dass ihre eigenen Geschlechtsorgane, zum Beispiel durch sexuelle Gewalttaten, beschädigt werden können (vgl. Sigusch 2007, S. 148f.). Die Meinung, dass die Klitoris ein wichtiges Organ der Lustempfindung und des Orgasmus von Frauen ist, teilen noch nicht alle ExpertInnen. Freud war noch der Ansicht, dass es bei Frauen zwei Arten von Orgasmen gibt. Den so genannten reifen vaginalen Orgasmus erleben sie durch Geschlechtsverkehr mit einem Mann. Der andere der Orgasmus, der durch Stimulation der Klitoris auftritt, wurde jedoch als unreif bezeichnet (vgl. Sigusch 2007, S. 148f.). Inzwischen wissen wir, dass die Nervenstränge der Klitoris die gesamte Scheide umfassen, wodurch die Trennung des vaginalen und klitoralen Orgasmus, nicht mehr der Wahrheit entspricht. Im Pubertätsalter spielt die Masturbation für Mädchen eine wichtige Rolle, weil sie dadurch ihren eigenen Körper und die Geschlechtsorgane kennen lernen. Die Häufigkeit der 25 Selbstbefriedigung bei Frauen steigt. Masturbation ist jedoch kein Ersatz für Geschlechtsverkehr mit einem PartnerIn (vgl. Sigusch 2007, S. 148f.). 10 Transsexualität Als Beispiel einer Störung der Geschlechtsidentität wird im Folgenden die Transsexualität näher beschrieben. 10.1 Definition Menschen, die transsexuell sind, haben keine körperlichen oder geistigen Defizite und verfügen über normale weibliche oder männliche Geschlechtsorgane. Bei diesen Personen ist es häufig schon von Beginn der Kindheit an der Fall, dass sie sich in ihrer Rolle des biologischen Geschlechts nicht wohlfühlen und sich besser mit dem gegensätzlichen Geschlecht identifizieren können. „Mit anderen Worten: das seelische Geschlecht ist dem körperlichen entgegengesetzt“ (Fink 2001, S. 3). Dabei kommt es zu Unstimmigkeiten zwischen Körper und Seele, was auch zu Differenzen zwischen dem/der Transsexuellen und seiner/ihrer Umwelt führt. Die Betroffenen können sich in ihrem eigenen Körper nicht wohl fühlen, woraus ein Gefühl der Abscheu und Antipathie gegen den eigenen Körper resultiert. Das Gefühl der Zugehörigkeit zum anderen Geschlecht überwiegt bei transsexuellen Personen, wodurch sie alle Folgen und Konsequenzen in Kauf nehmen würden, um dem Gegengeschlecht anzugehören. Viele erfüllen sich ihren Wunsch mittels Operationen und hormonellen Therapien, welche zur Umwandlung ihrer Geschlechtsorgane und Geschlechtsmerkmale führen, sodass sie dem ersehnten Gegengeschlecht so gut wie möglich gleichen. Diese Geschlechtsangleichung kann sich meistens positiv auf das Sozialleben der Betroffenen auswirken, da es ihnen leichter fällt, als umgewandelte/r Mann/Frau mit anderen Menschen, der Gesellschaft und Öffentlichkeit zu kommunizieren, was vor der Geschlechtsangleichung häufig nicht der Fall war. Diese Störung der Kommunikationsfähigkeit ist bei transsexuellen Männern und Frauen feststellbar, wobei Männer, die sich weiblich fühlen, schwerwiegendere Probleme aufweisen. Tatsache ist, dass Transsexuelle nicht krank, behindert oder pervers sind, sondern sich einfach nicht mit ihrem Geschlecht identifizieren können (vgl. Fink 2001, S. 3f.). 26 10.2 Formen von Transsexualität Im Allgemeinen werden zwei Formen der Transsexualität unterschieden. Die primäre Transsexualität wird dadurch charakterisiert, dass sich die männlichen und weiblichen Betroffenen schon im frühen Kindesalter unwohl und unbehaglich in ihrem Körper fühlen. Diese Transsexuellen haben das Gefühl, im falschen Körper homosexuell oder lesbisch geboren zu sein, was sich sehr früh bemerkbar macht (vgl. Hofmann 2009, S. 18). Bei der sekundären Transsexualität geht es hauptsächlich darum, dass Transsexuelle ihren Wunsch, der gegengeschlechtlichen Gruppe anzugehören, erst im späteren Jugendalter oder Erwachsenenleben verspüren. Diese Personen sind meist homosexuell oder haben zuerst nur transvestitische Neigungen. Manche Betroffene berichten, dass bei ihnen bereits in der Kindheit Gefühle des Unbehagens aufgetreten sind, sie diese aber unterdrückt und sich mit ihrem biologischen Geschlecht abgefunden haben (vgl. Hofmann 2009, S. 18). 10.3 Ursachen Auf der Suche nach den Ursachen und Zusammenhänge bezüglich Transsexualität begegnen wir noch vielen ungeklärten Fragen. Es werden verschiedene Ursachen von Transsexualität vermutet, doch es kann bis dato keine einzelne wissenschaftlich oder medizinisch bestätigt werden. Eine Theorie, wieso Menschen unter Transsexualität leiden, ist ein Gendeffekt. Hierbei ist ein fremdes Gen, welches für die Gleichheit und den Einklang des biologischen und seelischen Geschlechtes sorgt, fehlerhaft. Eine weitere Theorie umfasst den vorgeburtlichen Stress. Wenn die Mutter während der Schwangerschaft unter enormen Stress, wie zum Beispiel Alkohol,- oder Drogenmissbrauch, Misshandlung oder Angstzuständen, leidet, wird ein Schritt der Entwicklung übersprungen, welcher für die Bestimmung des Geschlechts zuständig ist. Auch eine Virusinfektion oder ein gestörter Hormonhaushalt werden als Ursache für eine mögliche Transsexualität angesehen. Eine psychologische Ursache könnte die Erziehung des Kindes sein. Wird zum Beispiel ein Mädchen geboren während der Vater jedoch den Wunsch nach einem Sohn hatte, kann es vorkommen, dass er das Kind mit männlichen Phantasien besetzt und nach männlichen Leitbildern erzogen wird. Ein weiteres Beispiel könnte sein, dass alleinerziehende Mütter ihre Söhne überwiegend beschützen und sie dadurch eine engere Mutter-Sohn-Bindung haben als andere. Dadurch könnte der Junge Teile einer femininen 27 Identität entwickeln. Des Weiteren wird in Krankheitsgeschichten auch oft festgestellt, dass die Familien der Betroffenen zerstritten sind (vgl. Hofmann 2009, S. 19). Es gibt noch viele unbewusste und bewusste Zusammenhänge aufzuspüren, um stichhaltige Antworten auf die Frage nach Ursachen auf Transsexualität zu finden. 10.4 Verlauf Die Entwicklung der Transsexualität erfolgt wie jede Entwicklung individuell von Person zu Person. Bei manchen beginnt das Gefühl, im falschen Körper aufzuwachsen, schon in der frühen Kindheit, sodass sich diese Transsexuellen gar nicht daran erinnern können, wie es ist, sich im biologischen Körper wohl zu fühlen. Bei anderen ist es der Fall, dass sie erst mit 30 oder 40 Jahren den Wunsch verspüren, sich dem anderen Geschlecht anzugleichen und dazu zu gehören. Des Weiteren ist das Bedürfnis, transsexuell zu sein, unterschiedlich. Es ist möglich, dass es nur immer wiederkehrende Gedanken und Wünsche sind, in einem anderen Körper zu sein, oder es umfasst das dringende Verlangen der Gesellschaft akzeptiert zu werden und mit dieser kommunizieren zu können, ohne sofort eine Geschlechtsumwandlung in Betracht zu ziehen. Wenn der Wunsch nach einer Geschlechtsangleichung sehr stark ist, ist es manchmal der Fall, dass Betroffene nur das sichtbare Geschlechtsteil operativ entfernen lassen wollen, wie zum Beispiel die Brüste oder den Penis. Eine geschlechtsangleichende Operation entspricht nicht dem Wunsch aller Transsexuellen (vgl. Clement/Senf 1996, S. 1f.). Wie bereits erwähnt sind die meisten Transsexuellen schon im Kindesalter unzufrieden mit ihrem biologischen Geschlecht und fühlen sich unbehaglich und unwohl. Diese Gefühle verstärken sich in der Pubertät, wenn die Geschlechtsreife ihren Lauf nimmt und sich die biologischen Geschlechtsmerkmale nach außen hin zeigen. Der erste Samenerguss und die erste Monatsblutung sind dafür ausschlaggebend. In der Zeit während der Adoleszenz haben die meisten Betroffenen öfter und stärker das Gefühl, sich nicht im richtigen Körper zu befinden. Sie wollen in allen Lebenslagen dem anderem Geschlecht zugehören, egal ob beruflich, sozial oder privat. Meist ist der erste Schritt dazu, sich wie das Gegengeschlecht zu kleiden und den Vornamen zu ändern. Der zweite Schritt umfasst eine hormonelle Behandlung, um die ungewünschten Geschlechtsmerkmale zu vermindern und die gewünschten herbei zu führen. Die operative Geschlechtsangleichung ist der dritte und radikalste Schritt, den sich Transsexuelle wünschen, wobei nicht alle das Bedürfnis haben, sich ihrer Geschlechtsteile zu entledigen. Dies bedeutet aber nicht, dass diese Personen weniger transsexuell sind (vgl. Clement/Senf 1996, S. 1f.). 28 Frau-zu-Mann Transsexuelle, auch Transmänner genannt, belastet die transsexuelle Entwicklung mehr, als Mann-zu-Frau Transsexuelle. Transfrauen ergreifen typische männliche Berufe, da sie noch Probleme damit haben, charakteristische Frauenberufe auszuüben. Sie heiraten öfter als Transmänner und werden häufiger Eltern, was sie in ihrer neuen Identität stärkt. Transmänner hingegen üben eher Berufe aus, welche geschlechtsneutral oder typisch für Männer sind, setzen seltener Kinder in die Welt als Transfrauen und schließen weniger oft den Bund der Ehe. Sie wissen am Anfang oft nicht genau, wie sie sich als Mann verhalten sollen und versuchen, diese Unsicherheiten mittels maskulinem Verhalten zu kompensieren, da sie glauben, dass die Gesellschaft sie durch diese Handlungsweisen eher akzeptiert und sie dem Geschlecht zuordnet, dem sie angehören wollen (vgl. Hofmann 2010, 22f.). 10.5 Diagnose Um die Transsexualität zu diagnostizieren, gibt es zwei Klassifikationssysteme, International Classification of Diseases (ICD) und Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM), die sich nicht ganz gleichen (vgl. Clement/Senf 1996, S. 2). 10.5.1 International Classification of Diseases Die International Classification of Diseases, welche im Folgenden als ICD bezeichnet wird, wird in fast allen europäischen Ländern verwendet und wurde durch die World Health Organisation als Klassifikationssystem für die Diagnose von Transsexualität herausgegeben. Dabei wird diese Transsexualität unter Störungen der Persönlichkeit und des Verhaltens eingeteilt. Somit gehört die Transsexualität teils zu der Gruppe der spezifischen Persönlichkeitsstörungen, aber auch teils zu der Gruppe der Sexualpräferenzstörungen und physischen und Verhaltensstörungen in Zusammenhang mit sexueller Orientierung und Entwicklung (Clement/Senf 1996, S. 2). Laut ICD-10, welches die neueste Version des ICD darstellt, ist Transsexualität der „Wunsch, als Angehöriger des anderen anatomischen Geschlechtes zu leben und anerkannt zu werden. (…) Es besteht der Wunsch nach hormoneller und chirurgischer Behandlung, um den eigenen Körper dem bevorzugten Geschlecht soweit wie möglich anzugleichen.“ (Clement/Senf 1996, S. 2). Des Weiteren fühlen sich laut ICD die betroffenen Personen unwohl und identifizieren sich nicht mit ihrem biologischen Geschlecht. Um als transsexuell diagnostiziert zu werden, müssen dem ICD zufolge die Betroffenen mit ihrer transsexuellen Identität mindestens zwei Jahre leben. Es darf kein 29 Anzeichen oder Auswirkung einer anderen Störung oder Krankheit sein, wie zum Beispiel Schizophrenie. Des Weiteren dürfen Transsexuelle nicht unter Intersexualität leiden, oder Abweichungen haben welche genetisch oder geschlechtschromosomal sind (vgl. Clement/Senf 1996, S. 2f.). 10.5.2 Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders Das Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, welches im Folgenden als DSM bezeichnet wird, weist Transsexualität, mittels der neuesten Version DSM-IV, der Gruppe der Sexuellen- und Geschlechtsidentitätsstörungen zu. Dieses Klassifikationssystem ist in Nordamerika anerkannt und wurde von der American Psychiatric Association veröffentlicht. Laut DSM ist der Begriff Transsexualität begrenzt, womit gefordert wird, einen anderen Begriff der Störung der Geschlechtsidentität zu verwenden, da die Faktoren wie Kontinuität, Verlauf und Schweregrad damit nicht gänzlich abgedeckt werden (vgl. Clement/Senf 1996, S. 3). Um als transsexuell diagnostiziert zu werden, müssen bestimmte Kriterien von den Betroffenen abgedeckt werden, auf welche im Folgenden näher eingegangen wird. 10.5.2.1 Erstes Kriterium zur Diagnose nach DSM Bei dem ersten Kriterium müssen sich Betroffene wirklich mit dem Gegengeschlecht identifizieren können und nicht nur die Fantasie entwickeln, eine Frau oder ein Mann zu sein, weil dies gewisse Vorteile mit sich bringen würde. Wenn Kinder als transsexuell diagnostiziert werden, müssen sie zumindest vier der nachfolgenden Merkmale erfüllen. 1. Kinder wollen sich gegengeschlechtlichen unbedingt immer Gleichaltrigen mit beschäftigen den und Spielzeugen sind besser von in Freizeitspielen des anderen Geschlechts. 2. Sie haben das Bedürfnis die Kleidung des Gegengeschlechts zu tragen und wollen auch so artikulieren und sich körperlich verhalten. Bei Wiedergabe der angeführten Kriterien wird deutlich, wie die Einengung auf einseitige Geschlechtsrollen und deren Erfüllung psychisches Leid schaffen kann, durch den Wunsch sein/ihr Leben ganzheitlicher zu gestalten. Transsexualität ist ein psychosoziales und kulturelles Thema, das auch jenseits der Pathologisierung vor allem durch Reflexion und Infragestellung normativer einseitiger Frauen- und 30 Männerrollen zu begegnen ist. Psychotherapie, als Erkenntnisinstrument dieser Thematik wird noch immer zu wenig angeboten bzw. gefördert. 3. Die Kinder bestehen darauf dem anderen Geschlecht anzugehören und sprechen dies sehr oft aus. 4. Bei Rollenspielen oder Theaterstücken äußern die Kinder immer den Wunsch eine Rolle zu spielen, welche nicht ihrem Geschlecht entspricht. 5. Die Kinder haben vermehrt den Wunsch mit gegengeschlechtlichen Kindern zu spielen und ihre Freizeit zu verbringen (vgl. Clement/Senf 1996, S. 3). Erwachsene und Jugendliche müssen folgende Faktoren aufweisen. 1. Die Betroffenen haben nur einen Wunsch und zwar zur Gruppe des Gegengeschlechts zu gehören. 2. Sie werden häufig von fremden Personen oder der Gesellschaft für zum anderen Geschlecht zugehörig gehalten. 3. Sie äußern immer wieder das Bedürfnis von anderen Personen so wahrgenommen zu werden als würden sie der gegengeschlechtlichen Gruppe angehören. 4. Die Jugendlichen und Erwachsenen wünschen sich so zu leben wie das andere Geschlecht sowie die gleichen Emotionen und Gefühle zu besitzen (vgl. Clement/Senf 1996, S. 3). 10.5.2.2 Zweites Kriterium zur Diagnose nach DSM Das zweite Kriterium umfasst die andauernde Unzufriedenheit, das Missbehagen mit dem biologischen Geschlecht und das Gefühl von Unzufriedenheit in der zugewiesenen Geschlechterrolle. Kinder die für transsexuell gehalten werden, müssen bei diesem Kriterium folgende Merkmale aufweisen: 1. Jungen sind der Meinung, dass es viel schöner wäre, wenn sie keinen Penis besitzen würden. 2. Buben halten ihre Geschlechtsteile für ekelhaft und widerlich. 3. Jungen haben keine Lust auf grobes Spielen und wollen nicht mit Spielzeug spielen, was gesellschaftlich typisch für Buben ist. 4. Buben wollen auch keine Spiele in ihrer Freizeit spielen oder Aktivitäten ausüben welche spezifisch für männliche Kinder sind. 31 5. Mädchen weigern sich, sich zu setzen wenn sie auf die Toilette gehen. 6. Weibliche Kinder äußern immer wieder, dass sie es schade finden keinen Penis zu besitzen und unbedingt einen haben wollen. 7. Mädchen entwickeln auch Abneigung gegenüber dem Tragen von typischen Frauenkleidern. 8. Des Weiteren wollen Mädchen auch nicht, dass ihre Brüste wachsen und sie ihre Menstruation bekommen (vgl. Clement/Senf 1996, S. 3f.). Folgende Merkmale kommen bei transsexuellen Jugendlichen und Erwachsenen bei diesem Kriterium zum Vorschein. 1. Jugendliche und Erwachsene verbringen sehr viel Zeit damit, ihre äußeren Geschlechtsmerkmale zu vertuschen. Auch nach Geschlechtsangleichung und Hormontherapie wird gefragt, um so ähnlich wie möglich auszusehen wie das Gegengeschlecht. 2. Sie sind der festen Überzeugung, dass sich ihre Seele im falschen Körper befindet (vgl. Clement/Senf 1996, S. 4). 10.5.2.3 Drittes Kriterium zur Diagnose nach DSM Menschen, die transsexuell sind, haben Probleme, sich im Beruf-, Privat-, sowie Sozialleben richtig einzugliedern, was zu einer Störung dieser wichtigen Lebensbereiche führt. Des Weiteren hängt die Transsexualität nicht mit der Tatsache zusammen, dass die Betroffenen intersexuell sind (vgl. Clement/Senf 1996, S. 4). 10.5.3 Differentialdiagnose Eine Differentialdiagnose hat den Sinn, die Krankheit oder Störung von anderen Erkrankungen, welche ähnliche oder annähernd dieselben Symptome aufweisen, abzugrenzen. Die Transsexualität muss, auf Grund der beinah übereinstimmenden Symptome von Transvestismus, effeminierten homosexuellem Verhalten und Intersexualität abgegrenzt werden, welche näher beschrieben werden (vgl. Clement/Senf 1996, S. 4). 10.5.3.1 Fetischistischer Transvestismus Menschen, die von fetischistischem Transvestismus betroffen sind, haben das Bedürfnis sich Schuhe, Kleidung und Perücken, welche typisch für das Gegengeschlecht sind, anzuziehen. Diese Tätigkeiten führen dazu, dass die Personen sexuell erregt werden, 32 wobei dies nichts mit der Tatsache zu tun hat, dass fetischistische Transvestiten der Gruppe des Gegengeschlechts angehören wollen. Bei Transsexuellen spiegelt das Tragen der Kleider vom anderen Geschlecht nämlich den Wunsch wieder, unbedingt zu dieser gegengeschlechtlichen Gemeinschaft zu gehören, was aus dem Unbehagen im eigenen Körper resultiert. „Anders ausgedrückt, ist für den Transvestiten die Kleidung das Objekt der Lust, für den Transsexuellen Teil des Selbst“ (Clement/Senf 1996, S. 4). Diese feinen Unterschiede sind meist schwer zu erkennen, wenn es um die individuelle Diagnose eines/einer Transsexuellen geht. Denn auch sie äußern sich dazu, während ihrer Transsexualität transvestitische Phasen durchlebt zu haben (vgl. Clement/Senf 1996, S. 4). 10.5.3.2 Effeminiertes homosexuelles Verhalten Dieses Verhalten beschreibt Männer, die sich wie Frauen anziehen, agieren und kommunizieren, um auf ihren auserwählten männlichen Partner attraktiv und anziehend zu wirken. Dies ist eine Störung der Geschlechtsidentität, da das Verhalten von der Homosexualität der Männer ausgeht. Sie haben kein Bedürfnis danach, der Gruppe des Gegengeschlechts anzugehören und fühlen sich in ihrem eigenen Körper wohl (vgl. Clement/Senf 1996, S. 4f.). 10.5.3.3 Intersexualität Von Intersexualität wird gesprochen, wenn ein Mensch anatomisch, hormonell und genetisch nicht bestimmt einem Geschlecht zugeteilt werden kann. Auf Grund dieser Tatsache wissen die Personen nicht, ob sie sich männlich oder weiblich verhalten sollen. Im frühen Kindesalter gibt es zwar die Möglichkeit, eine Operation durchzuführen, welche das Entfernen von weiblichen oder männlichen Geschlechtsorganen zum Ziel hat, doch ist nie sicher, ob diese neue Geschlechtsidentität mit der Psyche des Kindes harmoniert. Die Diagnose Intersexualität kann nur erfolgen, wenn gewissen Untersuchungen, wie zum Beispiel eine Analyse der Chromosomen, durchgeführt wird. Transsexuelle Menschen werden im Gegensatz dazu mit einem einzigen Geschlecht geboren und können sich nicht damit identifizieren (vgl. Clement/Senf 1996, S. 5). 10.5.4 Psychotherapeutische Untersuchung Bei dieser Untersuchung, welche sich über mehrere Monate hinzieht, werden die Betroffenen psychologisch und therapeutisch betreut. Dabei wird die Vorgeschichte der Transsexuellen, mit Fokus auf die psychosexuelle Entwicklung und Störungen der 33 Geschlechtsidentität, erhoben. Bei dieser Untersuchung ist es wichtig, regelmäßige Termine bei den ÄrztInnen festzulegen, damit festgestellt werden kann, wie sich das psychische und soziale Wohlbefinden der Transsexuellen entwickelt. Des Weiteren wird den Betroffenen vermittelt, welche Faktoren und Konsequenzen es gibt, wenn sie sich für ein Leben entscheiden, in dem sie die Rolle des Gegengeschlechts einnehmen. Auch die Risiken der Behandlungen, etwa einer Hormonbehandlung und Geschlechtsangleichung, sollen den Transsexuellen näher gebracht werden, da manche Personen nicht genau wissen, auf was sie sich dabei einlassen. Den Betroffenen werden klar und deutlich die positiven und negativen Aspekte ihrer Entscheidung mitgeteilt und außerdem werden sie über die Konsequenzen im sozialen, beruflichen und private Lebensbereich aufgeklärt (vgl. Hofmann 2009, S. 27). 10.5.5 Körperliche Untersuchung Bei der körperlichen Untersuchung von Transsexuellen muss darauf geachtet werden, dass es ihnen, auf Grund ihrer Abneigung gegen ihren Körper, sehr unangenehm ist, angefasst und untersucht zu werden. Auf Grund dessen sollte die Prozedur sehr diskret und feinfühlig durchgeführt werden, was deswegen oft von dem/der PsychotherapeutIn erfolgt, um die PatientInnen-ÄrztInnen-Beziehung zu stärken. Diese Untersuchung wird durchgeführt, da der körperliche Allgemeinzustand der Betroffenen ermittelt werden muss, was endokrinologische Untersuchungen, Analyse von Chromosomen und einen Genitalbefund beinhaltet (vgl. Clement/Senf 1996, S. 6). 10.6 Behandlung Bei Transsexualität gibt es verschiedene Behandlungsformen. Bevor diese durchgeführt werden, müssen die Transsexuellen zuerst einen Alltagstest absolvieren. Beim Alltagstest geht es darum, dass die Betroffenen mindestens ein Jahr in ihrer gewünschten Geschlechterrolle leben. Dies bedeutet, sie müssen in dieser Rolle arbeiten, ihre Freizeit gestalten und ihr Privatleben regeln. Es wird somit von ihnen gefordert offen ihren Familien, Freunden, Arbeitskollegen und der Gesellschaft gegenüberzutreten, was vielen nicht leicht fällt. Durch diesen Test lernen Transsexuelle, welche Konsequenzen auf sie zukommen könnten, wenn sie ihr Leben dem anderen Geschlecht zuwenden. Sie können dadurch erfahren, ob sie trotzdem von ihren Freunden und der Familie akzeptiert werden und ob sie mit möglichen Diskriminierungen umgehen könnten. Des Weiteren prüft 34 der Alltagstest durch die lange Dauer auch, wie stark der Wunsch wirklich ist, dem anderen Geschlecht anzugehören (vgl. Hofmann 2009, S. 28). 10.6.1 Hormonbehandlung Transsexuelle haben das Verlangen, ihrem Wunschgeschlecht so ähnlich wie möglich zu sein. Der erste Schritt dazu ist eine Hormonbehandlung, die aber nur dann durchgeführt wird, wenn die Diagnose Transsexualität definitiv feststeht. Für diese Behandlung müssen die folgenden vier Kriterien erfüllt werden, wobei diese Behandlung auch Nebenwirkungen haben kann. 1. Transsexualität muss die endgültige Diagnose sein. 2. Die Betroffenen müssen davon überzeugt sein, dass ein Geschlechtswechsel ihr Wunsch ist. 3. Die Transsexuellen müssen die Risiken, Konsequenzen und Grenzen kennen, welche sich durch den Geschlechterwechsel ergeben könnten, wobei sie therapeutisch unterstützt werden. 4. Die Betroffenen müssen den Alltagstest positiv absolviert haben (vgl. Hofmann 2009, S. 28). Natürlich kann es bei der Hormonbehandlung auch zu Nebenwirkungen und Risiken kommen. Dazu gehören neben einer Leberbelastung auch ein Gefäßverschluss und Brustkrebs. Bei Frau-zu-Mann Transsexuellen bewirkt die Gabe von Testosteron eine Vergrößerung der Stimmbänder, wodurch ein Stimmbruch resultiert. Die Hormontherapie führt auch noch dazu, dass die Menstruation aussetzt und die Eierstöcke ruhiggestellt werden. Die Gebärmutterschleimhaut bildet sich zurück und es kommt zu einem Gewebeschwund der Vagina. Außerdem gleicht sich die Körperbehaarung der eines Mannes an. Des Weiteren bewirken die Hormone, dass die Muskelmasse der Behandelten zunimmt, wodurch die Behandelten männlicher und stärker aussehen (vgl. Ant 2000, S. 32f.). Mann-zu-Frau Transsexuelle werden während ihrer Hormontherapie mit Östrogen behandelt. Dies bewirkt das Wachstum von Brüsten und eine Verminderung der Körperbehaarung. Darüber hinaus nehmen die Betroffenen an der Hüfte zu, womit sie eine weiblichere Figur erhalten. Das Östrogen führt auch zu einer weiblicheren Stimmlage und in manchen Fällen zu einer Verkleinerung des Geschlechtsorgans. Es wird auch ein Potenzverlust herbeigeführt, durch die Reduktion von Erektion und Ejakulation (vgl. Ant 2000, S. 32). 35 10.6.2 Geschlechtsangleichende Operation Um sich einer geschlechtsangleichenden Operation unterziehen zu können, müssen die Betroffenen die fünf folgenden Kriterien erfüllen. 1. Psychologische Betreuung durch Fachleute über mindestens ein Jahr. 2. Der Alltagstest muss positiv abgeschlossen sein. 3. Sie müssen die Rolle ihres Wunschgeschlechts schon kontinuierlich ausleben. 4. Die Betroffenen müssen ein positives Guthaben über ihre Diagnose und Befindlichkeit vorweisen 5. Sie müssen sich einer Hormontherapie unterzogen haben (vgl. Ant 2000, S. 33). Bei Frau-zu-Mann Transsexuellen kommt es bei einer Geschlechtsangleichung zu einer Amputation der Brüste und zur Verkleinerung der Brustwarzen. Bei den Betroffenen werden noch dazu die Gebärmutter, die Eileiter und die Eierstöcke entfernt. Anzumerken ist, dass dies in der Medizin und in der Psychotherapie zunehmend hinterfragt wird. Durch die Einführung von Prothesen in die Haut, wodurch sich Hoden bilden und die Verlängerung der Harnröhre, wird es Betroffenen möglich, im Stehen zu urinieren. Leider ist es heute noch nicht möglich, den Betroffenen ein Leben mit einem männlichen Geschlechtsorgan zu realisieren, mit welchem sie ejakulieren können. Bei der geschlechtsangleichenden Operation von Frau-zu-Mann Transsexuellen kann es zu Infektionen, Blutergüssen, Anämie und Abstoßungen kommen. Wenn sich Mann-zu-Frau Transsexuelle einer geschlechtsangleichenden Operation unterziehen, werden sie zuerst kastriert. Danach kommt es zu einer Amputation des Gliedes, um eine neue Vagina zu schaffen. Die Klitoris wird durch eine Operation der Penisspitze herbeigeführt und die Öffnung der Harnröhre so verlegt, wie es beim weiblichen Körper üblich ist. Des Weiteren wird der Kehlkopf der Betroffenen verkleinert und die Brüste, je nach individuellem Wunsch der Transsexuellen, vergrößert. Bei den Transfrauen gibt es Risiken bei der Operation, welche Nekrosen, Infektionen, Gefäßverschlüsse, Anämie und Verengung der Harnröhre miteinschließen. Auch bei der Brustoperation kann es zu Infektionen, Blutergüssen und Abstoßung der Brüste kommen (vgl. Ant 2000, S. 34f.). Eine Geschlechtsumwandlung ist eine enorme psychische und körperliche Veränderung, die unbedingt eine psychotherapeutische Begleitung bräuchte, die gesetzliche auch empfohlen wird. 36 10.6.3 Nachuntersuchung Alle Transsexuellen stehen nach der Operation unter einer psychotherapeutischen Behandlung und es werden auch laufende Untersuchungen durchgeführt. Aktuelle Studien zeigen, dass 90 Prozent aller Transsexuellen, welche sich einer Operation unterzogen haben, sehr zufrieden mit dem Ergebnis sind und nur selten Reue über den operativen Eingriff empfinden. Dennoch müssen sie regelmäßig zu PsychotherapeutInnen um über ihre Befindlichkeiten und ihr verändertes Leben zu sprechen. Dabei lernen sie, sich mit sich selbst auseinander zu setzen, um ihren Wunsch nach einer Geschlechtsumwandlung von der Wurzel her zu verstehen. Die Häufigkeit der Gesprächstermine hängt vom Zustand der Transsexuellen ab. Auch ärztliche Nachuntersuchungen sind im Normalfall immer wieder nötig, um mögliche Nebenwirkungen und Risiken der Operation oder Hormonbehandlung auszuschließen. Wenn sich die Transsexuellen an alle Vorschriften der ÄrztInnen und TherapeutInnen halten, steht ihnen nichts im Weg, ein normales Leben zu führen (vgl. Ant 2000, S. 35f.). 37 11 Diskussion Es gibt viele Faktoren, welche die Entwicklung der Geschlechtsidentität bei Kindern beeinflussen. Angefangen bei der Kerngeschlechtsidentität, welche das Wissen umfasst, weiblich oder männlich zu sein, bis hin zur Geschlechtsrollenidentität, die dafür sorgt, dass Kinder ihr eigenes psychisches Geschlecht akzeptieren und sich damit identifizieren. Es spielt keine Rolle, ob sich dieses psychische Geschlecht dem biologischen gleicht. Des Weiteren ist auch die Geschlechtspartnerorientierung relevant für die Identitätsentwicklung des Geschlechts, da es darum geht, welches Geschlecht als lustvoll und erregend erlebt wird. Hierbei ist die Beziehung der Eltern von großer Bedeutung, da sich Kinder an deren Beziehung, ob intakt oder zerbrechlich, orientieren und diese eine Vorbildfunktion für Kinder darstellt. Auch bei der psychosexuellen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen gibt es eine Vielzahl von Faktoren, welche sich auf die Identitätsbildung auswirken. Neben dem Einfluss der Eltern spielen auch die sozialen und kulturellen Vorgaben der Gesellschaft eine entscheidende Rolle. Es gibt aber auch Kinder und Jugendliche, welche eine Störung ihrer Geschlechtsidentität aufweisen, was als Transsexualität beschrieben wird. Sie sind der Meinung, dass ihr biologisches und psychisches Geschlecht nicht zusammenpassen und haben das Gefühl, im falschen Körper gefangen zu sein. Diese Störung kann so ausgeprägt sein, dass die Kinder transsexuell werden. Es gibt zwei Formen von Transsexualität, wobei die primäre Form schon im Kindesalter Gefühle von Unwohlsein und Unbehagen im eigenen Körper verursacht. Die sekundäre Transsexualität kommt hingegen erst im Jungendlichen- oder Erwachsenenalter zum Vorschein. Bis heute wurde keine der vermuteten Ursachen, wie zum Beispiel ein Gendeffekt, wissenschaftlich bestätigt, wodurch der Entstehungsgrund weiterhin unbekannt bleibt. Die Betroffenen haben das Bedürfnis, ihre biologischen Geschlechtsmerkmale zu verstecken und wollen ihrem Wunschgeschlecht gleichen. Dies kann bis zur Hormonbehandlung und einer geschlechtsangleichenden Operation führen. Für diese radikalen Schritte müssen die Betroffenen jedoch einige Kriterien erfüllen, wie zum Beispiel mindestens ein Jahr in der Rolle des Gegengeschlechts leben und sich somit ihren Familien, Freunden und der Gesellschaft präsentieren. Wenn die Transsexuellen alle vorgegebenen Kriterien erfüllen und sich der Behandlung unterzogen haben, steht ihnen nichts mehr im Weg, von außen ein normales Leben im Körper ihres Wunschgeschlechts zu führen. Im Rahmen der Bakkalaureatsarbeit konnte die erste Forschungsfrage, welche sich mit den Formen des Ödipuskomplexes und den geschlechtsspezifischen Unterschieden 38 beschäftigt, beantwortet werden. Es gibt zwei Arten, in welchen sich der Ödipuskomplex zu erkennen gibt. Bei der positiven Form hegen Kinder negative Gefühle, wie Eifersucht und Abneigung gegenüber ihrem gleichgeschlechtlichen Elternteil. Gegenüber dem Elternteil mit dem Gegengeschlecht empfinden sie hingegen Gefühle wie Erregung und Zuneigung. Der negative Ödipuskomplex äußert sich dadurch, dass Kinder ihrem gleichgeschlechtlichen Elternteil die positiven Gefühle näher bringen und negative Emotionen gegenüber dem gegengeschlechtlichen Elternteil empfinden. Der positive weibliche Ödipuskomplex kennzeichnet sich bei Mädchen durch das Bemerken, dass sie selbst kein männliches Geschlechtsorgan besitzen, was als Penisneid bezeichnet wird. Dabei machen die Mädchen die Mutter für diese Tatsache verantwortlich und hegen Gefühle wie Abneigung und Hass für sie. Alle positiven Emotionen konzentrieren die Mädchen auf den Vater, auch sexuell fühlen sie sich zu ihm hingezogen. Bei dem positiven männlichen Ödipuskomplex geht es für den Jungen um die Individualität mit dem Vater, der die Mutter sexuell befriedigen kann. Die Jungen können sich durch die Berührungen der Mutter sexuell erregt fühlen und die Phantasie haben sie zu beglücken, ohne dass der Vater involviert ist. Nach einiger Zeit bemerken die Jungen aber, dass Frauen keinen Penis haben, was als Kastrationskomplex bezeichnet wird. Bei der Bewältigung dieses Komplexes werden die Hassgefühle gegenüber dem Vater zugunsten einer Identifikation mit ihm aufgegeben. Der negative weibliche Ödipuskomplex ist dadurch gekennzeichnet, dass Mädchen ihre Mutter als Vorbild ansehen. Sie verspüren sexuelle Erregungen, wenn sie von der Mutter gestreichelt und umarmt werden und wollen auf keinen Fall, dass der Vater diese Intimität stört. Der negative männliche Ödipuskomplex äußert sich dadurch, dass die Buben ihren Vater als männlich und vorbildlich wahrnehmen. Die Mutter wird als störend empfunden, da sie die Fähigkeit hat, den Vater glücklich zu machen, weshalb die Jungen dem weiblichen Elternteil gegenüber nur negative Gefühle empfinden. Wobei zu erwähnen ist, dass sich durch „positiv“ und „negativ“ eine Bewertung abbildet, welche Heterosexualität als normativ bestätigt. Auch die zweite Forschungsfrage, welche die Unterschiede zwischen Buben und Mädchen bei der Geschlechtsentwicklung behandelt, konnte beantwortet werden. Bei Jungen ist es der Fall, dass sie, früher als Mädchen, damit anfangen, mit ihrem Geschlechtsorgan zu spielen und es zu berühren. Die Tatsache, dass sie einen Penis besitzen, erfüllt die Jungen mit Stolz und Selbstbewusstsein, während bei Mädchen ein Gefühl der Frustration auftritt, weil sie „nichts“ haben. Sie verdrängen das Wissen über ihre Vagina im frühen 39 Kindesalter und haben gemäß der frühen psychoanalytischen Theorie das große Bedürfnis, die gleichen Geschlechtsorgane zu besitzen wie Männer. Des Weiteren durchleben Mädchen und Buben während der Geschlechtsentwicklung den Ödipuskomplex, welcher sich, wie bereits beschrieben, bei den Geschlechtern erheblich unterscheidet. Es geht auch hervor, dass Reaktionen der Erziehungsberechtigten während der Entwicklung prägend für die spätere Beziehungs- und Bindungsfähigkeit des Kindes sind. So können positive oder negative Verhaltensweisen der Erziehungsberechtigen bedeutende Folgen für das Kind haben. Des Weiteren spielt auch die Selbstbefriedigung in der Zeit der Geschlechtsentwicklung eine wichtige Rolle, wobei sie bei Buben ausgeprägter ist, weil sie erlaubter erscheint als bei Mädchen. Auch wenn es viele Einflussfaktoren bei der Identitätsentwicklung gibt, sollte sich jedes Kind beziehungsweise jede/r Jugendliche/r individuell entwickeln können. Des Weiteren wäre es wichtig, dass die Eltern unterstützend hinter ihrem Kind stehen, egal für welche Lebensweise es sich im Laufe seiner Entwicklung entscheidet. . 40 12 Literaturverzeichnis Bücher: Ant, C. (2000): Transsexualität und menschliche Identität: Herausforderung sexualethischer Konzeptionen. Münster, Hamburg und London: LIT Verlag. 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