AKEU_Memorandum Klimaexzellentes

Werbung
Hamburg, 05.12. 2009
Universität Hamburg:
Klimaexzellenz auch für Gebäude
Senat und Bürgerschaft werden in den nächsten Monaten über größere
Investitionen in die Bauten der Universität zu entscheiden haben. Die
„Grasbrook-Debatte“ hat den Bedarf auch in der Öffentlichkeit klar gemacht. Es
gilt, diese Chance für klimaexzellentes Bauen zu nutzen, um Klimaschutz in die
Tat umzusetzen.
Der bekannt hohe internationale Rang der Klimaforschung im Exzellenzcluster
„Integrated Climate System Analysis and Prediction (CliSAP)“ der Universität
Hamburg verpflichtet zum Handeln und damit auch zu exzellenter Praxis im
Bereich aller Gebäude der Universität. Eine solche Praxis wird gleichzeitig
Forschung und Lehre in der Universität stärken und die Rolle der Universität für
die Metropolregion steigern.
Die Hansestadt hat mit Pilotprojekten wie dem Passivhausförderprogramm, dem
Standard Hafencity Gold für nachhaltiges Bauen sowie den Neubauplänen für
die HafenCity Universität und die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt
wichtige Impulse gesetzt. Jetzt ist es Zeit, solche fortschrittlichen Klimaschutzund Baustandards weiter zu entwickeln und auf alle anstehenden Neubau- und
Sanierungsvorhaben der Universität anzuwenden.
Maßstab sind eine Anlehnung an die Energiebedarfswerte des
Passivhausstandards und CO2-neutraler Betrieb. Dabei kommt der Senkung
des Strombedarfs der Gebäude und der Ausstattung für Lehre und Forschung
z.B. durch grüne IT, wie Laptopstandard für Bürorechner, und – falls
erforderlich – der intelligenten natürlichen Kühlung eine Schlüsselrolle zu. Der
verbleibende Strombedarf sollte aus regenerativen Energien gedeckt werden.
Gleichzeitig muss, über die bisherige Praxis hinaus, der stadtklimatische Effekt
der Baumassnahmen regelmäßig in die Entscheidungen einbezogen werden.
Wesentliche Voraussetzung für herausragende Architektur ist heute neben den
zeitlosen Qualitätsmerkmalen die Balance zwischen hohem Nutzerkomfort und
minimaler CO2-Belastung. Die Mitarbeiter/innen und Studierenden sollen wegen
des bekannt guten Raumklimas in Niedrigenergiehäusern mit fortschrittlicher
Lüftung und ansprechender Architektur gerne in diesen Gebäuden arbeiten,
studieren, lehren und forschen. Nachhaltiges Bauen fördert zudem den Einsatz
umweltschonender, wieder verwertbarer Baustoffe.
Ein solches Vorgehen erfordert – wie bei exzellenter interdisziplinärer
Forschung – ein integriertes Vorgehen: Entscheidend ist die Einbeziehung von
Expertise für Energietechnik, Bauphysik und Stadtklima in allen Phasen
des Planungs- und Bauprozesses,
- bei der Formulierung der Wettbewerbsanforderungen mit klaren
Vorgaben
- bei der Erarbeitung von Wettbewerbsbeiträgen durch Architekturbüros
- im Preisgericht. Der Energieexperte sollte eine Stimme bekommen.
Wenn von seiner Empfehlung abgewichen wird, sind die Gründe zu
dokumentieren.
- bei der Baudetailplanung
- bei der Qualitätsüberwachung der Bauausführung (insbesondere
Winddichtigkeit, Vermeidung von Wärmebrücken)
- bei der Verbrauchsmessung, der Nutzerberatung
und der
Qualitätskontrolle in den ersten Betriebsjahren.
Für viele Architekturbüros fehlten bisher Anreize, Expertise für Energietechnik,
Bauphysik und Stadtklima schon bei der Erarbeitung von Wettbewerbsbeiträgen
zu integrieren. Daher sollte eine Kostenerstattung für eine planungsbegleitende
Beratung und für den rechnerischen Nachweis der Energie- und Klimabilanz des
Gebäudeentwurfs in der Endphase von Wettbewerben ermöglicht werden.
Der Aufwand lohnt sich, wenn die Mehraufwendungen für integrierte Planung
und Ausführung mit den Einsparungen beim Betrieb verrechnet werden.
Exzellenz in der Klimaforschung verpflichtet die Universität und die Stadt zum
Handeln im eigenen Bereich. Wir bitten Senat, Bürgerschaft und das Präsidium
der Universität, sich bei Entscheidungen zu allen Neubau- und
Sanierungsmaßnahmen in der Universität für ein nachhaltiges Bauen zu
entscheiden und die oben genannte Ziele und Maßstäbe zum Bestandteil der
Investitionsplanung zu machen.
gezeichnet
Prof. Dr. Hartmut Graßl
Univ. Hamburg, Meteorologisches Institut
und Max-Planck-Institut für Meteorologie
Prof. Dr. Hartwig Spitzer
Univ. Hamburg, Dept. Physik und
Arbeitskreis Energie und Umwelt
Prof. Dr. Martin Claussen
Univ. Hamburg, Meteorologisches Institut
Direktor, Max-Planck-Institut für Meteorologie
Sprecher, Klimaexzellenzcluster CliSAP
Prof. Dr. Anita Engels
Univ. Hamburg,
Institut für Soziologie
Principal Investigator CliSAP
Prof. Dr. Michael Froeba
Univ. Hamburg, Dept. Chemie
Beauftragter für Energieforschung
der Universität
Prof. Dr. Kornelius Nielsch
Univ. Hamburg, Dept. Physik
Koordinator des DFG Schwerpunktprogramms Thermoelektrika
Prof. Dr.Jürgen Oßenbrügge
Univ. Hamburg, Dept. Geowissenschaften,
Wirtschaftsgeographie
Principal Investigator CliSAP
Prof. Dr. Heinke Schlünzen
Univ. Hamburg, Meteorologisches Institut
Koord. Urbane Systeme bei CliSAP
Projektleiterin bei Klimzug Nord
Mit fachlichen Beiträgen von
Prof. Peter O. Braun
HafenCity Universität Hamburg,
Gebäudetechnik und Solares Bauen
Prof. Sabine Busching
HafenCity Universität Hamburg,
Gebäudetechnik
Anlage: Hintergrundinformationen
1. Der Standard Hafencity Gold für nachhaltiges Bauen begrenzt den
Primärenergieeinsatz im Betrieb für Wärme, Kühlung, Beleuchtung und
weitere Haustechnik auf 100 kWh pro qm und Jahr. Durch die
Orientierung am Primärenergieeinsatz wird ganzheitlich bilanziert und es
werden Anreize zur Senkung des Stromeinsatzes bzw. zum Strombezug
aus regenerativen Quellen gegeben.
2. Der Passivhausstandard begrenzt den Endenergieeinsatz zum Heizen
auf maximal 15 kWh pro qm und Jahr entsprechend 1,5 l Heizöl pro qm
und Jahr (sog. 1,5 Literhaus). Das größte Einsparpotential von CO2 Emissionen und damit für den Klimaschutz eröffnet sich bei Sanierungen
im Bestand in Anlehnung an den Passivhausstandard.
3. Die Neufassung der EU Gebäuderichtlinie vom November 2009 sieht
für öffentliche Neubauten ab 2019 den Passivhausstandard vor. Der
restliche Energieverbrauch für Wärme soll durch Sonnenenergie und
Biomasse abgedeckt werden.
4. Die Stadt Amsterdam schreibt schon ab 2015 für alle Neubauten CO2
freien Betrieb vor.
5. Die Mehrkosten für integrierte Planung und Bauausführung nach
dem Passivhausstandard werden mit 5-10% angegeben, wenn Planung
und Bau von ausgewiesenen Firmen durchgeführt werden, die
entsprechende Expertise nachweisen können.
6. Zement und Treibhauseffekt: Die Herstellung von Zement trägt 5-7%
zur weltweiten CO2 -Emission bei. Denn Zement wird heute bei sehr
hohen Temperaturen von 1450 Grad unter Einsatz von Kohle, Öl oder
Gas gebrannt. Mit Blick auf die erforderliche Minderung der
Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80 % in den Industrieländern und
50 % weltweit muss Beton – wo immer möglich – durch andere Baustoffe
mit kleinerem „CO2 Rucksack“ ersetzt werden, z.B. durch
Holzverbundstoffe.
7. Historisch wurde Holz erfolgreich für tragende Bauteile eingesetzt. Holz
feiert heute – auch im Passivhausbau – eine Renaissance. So wurde in
Berlin ein siebenstöckiges Passivhaus in Holzbauweise fertig gestellt. Die
Konstruktion besteht aus dicken verleimten Pfosten, schalldämpfenden
Holzbetonverbunddecken und Außenwandelementen aus 21 cm dickem
Massivholz mit einer zusätzlichen Wärmedämmschicht. Die
Außenwandelemente sind in Gipsfaserplatten eingefasst, so dass ein hoch
Feuer hemmender Aufbau entsteht. (Quelle: ÖKO-TEST 11/2009)
8. Verfahrensfragen: Bei den meisten Ausschreibungen für Bauprojekte
der Internationalen Bauausstellung (IBA) gab es keinen Energieexperten
mit Vetorecht im Preisgericht. Durch eine Änderung dieser Praxis sollte
sichergestellt werden, dass künftige Hochschulbauten und Sanierungen
auch nach Kriterien der Klimaexzellenz bewertet und ausgewählt werden.
9. Das zukünftige Klima und das aus Klima und lokaler Nutzung
entstehende Stadtklima mit Parametern wie Windkomfort und
thermischem Komfort tragen maßgeblich dazu bei, wie ein Stadtteil von
den Nutzern angenommen wird. Windige Ecken oder hohe thermische
Belastungen entwerten Gebäudekomplexe selbst bei ansonsten
hervorragender Architektur. In Stuttgart werden stadtklimatische Aspekte
seit über 100 Jahren beachtet (http://www.stadtklima-stuttgart.de/).
Hamburg greift hier nur zögerlich die Auswirkungen von Bebauungen
auf Wind, Temperatur, Feuchte und Luftbelastung in der Stadt auf.
Stadtklimatische Besonderheiten beeinflussen auch den Energieverbrauch
von Gebäuden (z.B. erhöhter Energieverbrauch im Sommer für Kühlung
in thermisch überhöhten dicht bebauten Bereichen, erhöhter
Energieverbrauch im Winter von Gebäuden in Windschneisen). In
Hamburg sind gegenwärtig die nächtlichen Sommertemperaturen in St.
Pauli etwa 3 Grad höher als im Umland (Schlünzen et al., 2009).
Veränderungen der Bebauung können solche Temperaturüberhöhungen
weiter verstärken oder auch vermindern.
Herunterladen