Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse aus den juxtaglomerulären Zellen in der Niere freigesetzt. Im Blut bildet Renin über Angiotensin das physiologisch inaktive Angiotensin I, das enzymatisch in Angiotensin II umgewandelt wird. Einer der biologischen Effekte von Angiotensin II ist das Einwirken auf die Synthese und Freisetzung von Aldosteron (Abb. 12.1 S. 100). Generell werden die Steroide in der Leber inaktiviert, zwecks Ausscheidung in wasserlösliche Komponenten metabolisiert und über die Nieren ausgeschieden. Zielorgane und Wirkung Die Hauptwirkungen des Aldosterons sind: • Stimulation der Natrium-Rückresorption und der Hydrogen- und Kaliumausscheidung über die Mineralokortikoid-Rezeptoren der distalen Sammelrohre der Niere, der Speichel- und Schweißdrüsen und des Darms • Stimulation der Magnesium- und Ammoniumausscheidung • negative Rückkopplung auf die Freisetzung von Renin aus dem juxtaglomerulären Apparat (S. 100) Die erhöhte Natrium-Rückresorption führt zu einem Anstieg des intravaskulären Flüssigkeitsvolumens und damit zu höherem Blutdruck in den renalen afferenten Arteriolen. Aldosteron ist das stärkste endogene Mineralokortikoid. Es bindet an einen intrazellulär gelegenen Mineralokortikoid-Rezeptor (MR). Die überall im Körper verteilten MRs haben die gleiche Affinität zu Aldosteron, Cortisol und Corticosteron, wobei Aldosteron in weitaus geringerer Konzentration vorliegt. Cortisol kann mit vergleichbarer Affinität an den MR binden, wird aber durch die 11β-Hydroxysteroiddehydrogenase (11β-HSD) schnell zu Cortison metabolisiert, das keine Bindungsaffinität mehr zum MR hat. Dadurch wird bei physiologischer Konzentration von Cortisol die mineralokortikoide Wirksamkeit unterbunden und Aldosteron kann die Rezeptoren besetzen. In pathologischen Zuständen, wie z. B. einem Defekt der 11β-HSD, beim NNR-Tumor oder der kongenitalen adrenalen ­Hyperplasie, können erhöhte Konzentrationen von Cortisol und andere NNR-Steroide wie DOC, Corticosteron, 18-OH-Corticosteron durch mineralokortikoide Wirkungen zu einem scheinbaren Hyperaldosteronismus führen. 9 Caniner Hyperadrenokortizismus Renate Hämmerling, Annett Rotermund und Hans-Otto Hoppen Synonyme Morbus Cushing, Cushing-Syndrom Der Hyperadrenokortizismus wird durch ein Überangebot von sezernierten Glukokortikoiden (GK) hervorgerufen. Das Cushing-Syndrom bezeichnet ein klinisches Bild mit einem Symptomenkomplex, der durch die exzessiven Mengen an GK bedingt ist. Einige Symptome bei der Hündin sind auch Folge von vermehrt sezernierten Androgenen. Rassen, zum Teil in mehreren aufeinanderfolgenden Generationen, legt die Vermutung einer genetischen, hereditären Veranlagung nahe. Hunde im fortpflanzungsfähigen Alter und mit gesicherter Diagnose eines Hyperadrenokortizismus sollten von der Zucht ausgenommen werden. 9.2 Ätiologie und Pathogenese 9.1 Vorkommen Der Hyperadrenokortizismus mit dem Cushing-Syndrom ist die weitaus häufigste Endokrinopathie des Hundes. Die Erkrankung kann bei allen Hunderassen vorkommen, mit einer offensichtlichen Bevorzugung von kleinwüchsigen Rassen wie Pudel, Teckel, Terrier, Chihuahua. Das weibliche Geschlecht ist vermehrt betroffen. Das mittlere Alter liegt bei 8–10 Jahren, es können aber auch sehr junge Hunde erkranken. Das gehäufte Auftreten bei einigen Ätiologisch kommen beim Hund drei spontane Krankheitsformen und eine iatrogene Form des Cushing-Syndroms vor (Abb. 9.1): • adrenaler, primärer Hyperadrenokortizismus (ACTHunabhängig) • hypophysärer, sekundärer Hyperadrenokortizismus (ACTH-abhängig) • ektopes ACTH-Syndrom • iatrogener Hyperkortisolismus (iatrogenes CushingSyndrom) Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 60 Abb. 9.1 Hyperadrenokortizismus. Die Einteilung des Hyperadrenokortizismus erfolgt je nach Lage der Störung: Der primäre, adrenale H. wird durch einen benignen/malignen Tumor in der NNR verursacht, der sekundäre, hypophysäre H. durch Hyperplasien oder Mikro-/Makroadenome der kortikotropen Zellen im HVL. Das ektope ACTH-Syndrom ist ein Hyperadrenokortizismus mit beidseitiger Vergrößerung der NNR durch periphere ACTH-Produktion aus einem neuroendokrinen Tumor, die unabhängig von der hypophysären ACTH-Synthese verläuft. Der iatrogene Hyperkortisolismus (iatrogenes Cushing-Syndrom) kann durch exogen zugeführte Glukokortikoide oder Gestagene entstehen. Das gleichzeitige Vorkommen von adrenalem und hypophysärem Hyperadrenokortizismus bei einem größeren Anteil von an Cushing erkrankten Hunden ist beschrieben (Nothelfer et al. 1993; Thuróczy et al. 1998). Maligne Nebennierenrindentumoren metastasieren lokal und hämatogen, meist in Lunge und Leber. Karzinome tendieren zur Invasion in benachbarte Gewebe wie z. B. Aorta, Vena cava caudalis und Niere mit lebensbedrohlichen Komplikationen durch mögliche Rupturen und Thromboembolien. 9.2.1 Adrenaler Hyperadreno­ kortizismus Etwa 15–20 % der Fälle von spontanem Hyperadrenokortizismus werden hervorgerufen durch benigne oder maligne Nebennierenrindentumoren, die in der Größe variieren können (Abb. 9.2). Adenome und Karzinome kommen gleich häufig vor, linke und rechte Nebenniere sind gleich häufig betroffen. • Adenome: 1–4 cm, kleiner als 75 % der Größe der normalen Niere, können in etwa 10 % bilateral vorkommen • Karzinome: > 4 cm, größer als 50–100 % der Größe der normalen Niere, selten bilateral 9.2.2 Fütterungsabhängiges ­Cushing-Syndrom Neben den adrenokortikalen Tumoren gibt es noch eine weitere, sehr seltene Möglichkeit eines ACTH-unabhängigen Hyperadrenokortizismus. In der NNR können anomale, funktionale Hormon-Rezeptoren wie GIP (Glucose-dependent insulinotropic polypeptide, S. 163; S. 144) exprimiert werden, die nach der Nahrungsaufnahme zu abnorm erhöhten Cortisolsekretionen führen. Beim Menschen sind mehrere Fälle des Food-dependent 61 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 9 Caniner Hyperadrenokortizismus Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse Abb. 9.2 Adrenaler Hyperadrenokortizismus. Die chronisch erhöhte Cortisolproduktion wird durch einen autonom sezernierenden Nebennierenrindentumor (meist einseitig, 10 % bilateral) verursacht. Die hohe periphere Cortisolkonzentration signalisiert der Hypophyse einen niedrigen Bedarf an Cortisol. Die ACTHSynthese wird in Folge reduziert. Resultat der chronisch negativen Rückkopplung ist eine Atrophie der gesunden Nebennierenrinde und der nicht tumorös veränderten Zellen der betroffenen Nebennierenrinde. Die gesteigerte Cortisolsynthese und das tumoröse Größenwachstum der erkrankten Nebenniere bleiben unbeeinflusst von der Hypophysenaktivität (ACTH-unabhängiger Cushing). Cushing’s Syndrome in der Literatur beschrieben (z. B. kopplung der Cortisolkonzentration (S. 77; S. 14), d. h. bei diesen Patienten können selbst hohe Dexamathasondosen (High-dose-Dexamethason-Suppressionstest, HDDST) das Cortisol nur ungenügend unterdrücken (Abb. 9.3). Albiger et al. 2007; de Herder et al. 1996; Noordam et al. 2002). Beim Hund ist kürzlich ein ähnlicher Fall einer Futter-induzierten ACTH-unabhängigen Hyperkortisolämie vorgekommen (Galac et al. 2008). 9.2.3 Hypophysärer Hyperadreno­ kortizismus Bei 80–85 % der spontanen Form liegt ein hypophysärer Hyperadrenokortizismus vor. Die überwiegende Zahl dieser Fälle wird durch Hyperplasien oder Mikro- bzw. Makroadenome der kortikotropen Zellen in der Pars distalis des Hypophysenvorderlappens verursacht. Selten liegen maligne Tumoren vor (Abb. 9.3). Bei Patienten mit Pars-intermedia-Tumoren betreffen die tumorösen Veränderungen sowohl die kortikotropen als auch die melanotropen Zellen. Da die melanotropen Zellen der Pars intermedia keine Glukokortikoid-Rezeptoren exprimieren, unterliegen sie auch nicht der negativen Rück­- 9.2.4 Ektopes ACTH-Syndrom Vorkommen Das ektope ACTH-Syndrom kommt sehr viel seltener vor als das primäre und sekundäre CushingSyndrom. Die meisten Fälle sind in der Humanmedizin veröffentlicht (Oliver et al. 2003; Penezić et al. 2004), beim Hund scheint es sehr selten zu sein (Galac et al. 2005). Wegen der diagnostischen Schwierigkeit (S. 80) könnte es jedoch häufiger unentdeckt bleiben. Pathomechanismen Die cushingoiden Symptome wer- den von einer ACTH-Sekretion durch einen malignen, peripheren Tumor verursacht. Der Tumor ist nicht in der Hypophyse lokalisiert, sondern entsteht aus den APUDZellen des neuroendokrinen Gewebes. Das APUD-System (amine precursor uptake and decarboxylation system) Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 62 Abb. 9.3 Hypophysärer Hyperadrenokortizismus. Die Hypophysentumoren sezernieren vermehrt ACTH unter Beibehaltung der Pulsatilität. Die stetige Überproduktion von ACTH führt zur andauernden Cortisolsynthese mit allmählicher Hyperplasie und Hypertrophie beider Nebennierenrinden (ACTH-abhängiger Hyperadrenokortizismus). Je größer der Hypophysentumor, desto geringer ist der Einfluss der negativen Rückkopplung der peripheren Cortisolkonzentration auf die ACTH-Synthese (Kooistra et al. 1997 b). besteht aus Zellen des Nervensystems und des gastrointestinalen Trakts, die von neuroektodermalen Zellen der undifferenzierten Neuralwulst abstammen. APUD-Zellen können Peptidhormone bilden. Viele nicht hypophysäre Zellen in verschiedenen Organen und Geweben können POMC-Gene exprimieren. Aus POMC entsteht durch Abspaltung ACTH (s. paraneoplastisches endokrines Syn­drom, S. 144). Die unterschiedlich großen malignen Tumoren und Metastasen befinden sich bevorzugt in Lunge, Bronchien und Bauchraum (Leber-, Darm-, Pankreasregion) und können je nach Aggressivität intaktes POMC, ACTH oder kleinere Peptide wie CLIP sezernieren. Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse hemmen. Das Risiko des Auftretens unerwünschter Nebenwirkungen steigt mit der Dauer der Therapie. Es gibt vermutlich auch individuell und rassebedingt unterschiedliche Empfindlichkeiten gegenüber GK. Erfahrungsgemäß wird das iatrogene Cushing-Syndrom durch einen unangemessenen Einsatz von GK hervorgerufen. Unterschätzt wird auch die Tatsache, dass bei Nachlassen der antiphlogistischen oder antipruriginösen Wirkungen der GK die Hemmung der Nebennierenrinde noch anhalten kann (Fall Nr. 5, S. 8). 9.2.5 Iatrogener Hyperkortisolismus (Iatrogenes Cushing-Syndrom) Das iatrogene Cushing-Syndrom kommt weitaus häufiger vor als die spontanen Erkrankungsformen und ist klinisch nicht von diesen zu unterscheiden (Tab. 9.1, Tab. 9.2). Es liegt jedoch eine andere Ätiologie vor (Abb. 9.4). Grundsätzlich kann jede pharmakologische Glukokortikoiddosis, wie niedrig sie auch sein mag, die Hypothalamus- Die äußerliche lokale Behandlung mit Glukokortikoidpräparaten kann abhängig von Konzen­ tration und Therapiedauer gleich der systemischen Therapie zur Hemmung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebenierenrinden-Achse führen. Bei der Auswahl des Glukokortikoids ist neben der Wirkungsstärke vor allem bei chronischen Erkrankungen die Dauer der Hemmung der NNR zu beachten. Das 63 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 9 Caniner Hyperadrenokortizismus Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse Abb. 9.4 Iatrogener Hyperkortisolismus. Stetig verabreichte Glukokortikoide und Depotpräparate signalisieren der Hypophyse einen niedrigen Cortisolbedarf. Die ACTH- und Cortisolsynthese werden daraufhin gedrosselt. Über einen längeren Zeitraum ist ein iatrogener Hypoadrenokortizismus die Folge. Im schwersten Fall kann die gesamte NNR so stark atrophieren, dass die Synthese der Geschlechtshormone, des Cortisols und des Aldosterons voll- ständig aussetzt. Wird in einer solchen Situation das therapeutisch eingesetzte Glukokortikoid abrupt abgesetzt, liegt neben dem klinischen Bild des chronischen Überschusses an Glukokortikoiden (iatrogenes Cushing-Syndrom) eine akute Mangelsituation an Gluko- und Mineralokortikoiden vor (Morbus Addison, S. 93). Zudem wird die Sekretion von AVP gedrosselt mit der Folge von PU/PD durch eine Form des zentralen Diabetes insipidus (S. 131). Glukokortikoid sollte alternierend jeden 2. Tag oral verabreicht werden. Die Hemmung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebenierenrinden-Achse ist bei dieser Form der Therapie wesentlich geringer ausgeprägt (Tab. 9.1; S. 65). Liegt das GK verestert in einer wässrigen Lösung vor (z. B. als Dihydrogenphosphat, Hydrogensuccinat oder Tetrahydrogenphthalat), wird die Hemmung der NNR bei gleicher Dosis geringer ausfallen als bei Gebrauch wässriger Suspensionen (z. B. Kristallsuspensionen, Acetat, Diacetat, Acetonid, Nicotinat). Die orale Zufuhr von 0,5 mg Prednison/kg KGW 2 × tgl. über 5 Wochen hatte eine 2-wöchige Hemmung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebenierenrinden-Achse zur Folge (Moore u. Hoenig 1992). droxyprogesteronacetat, DMPA) z. B. bei Juckreiz und Alopezie bis vor einigen Jahren therapeutisch mit einem vorübergehenden Erfolg eingesetzt. Die glukokortikoiden Eigenschaften der Gestagene verhinderten den Juckreiz. Wiederholt durchgeführte Behandlungen mit MPA, auch zur Läufigkeitsunterdrückung, führen zu monatelang anhaltender Hemmung der Hypothalamus-HypophysenNebenierenrinden-Achse mit Suppression der Cortisolsekretion und ausgeprägter Atrophie der Zonae fasciculata und reticularis (Beijerink et al. 2007; Bhatti 2006 a). Eine steroidinduzierte Hepatopathie ist möglich. Gestagene binden ebenfalls mit hoher Affinität an die Glukokortikoid-Rezeptoren und haben dadurch eine starke glukokortikoide Aktivität. Vermutlich aus Unkenntnis dieser Eigenschaft wurden Medroxyprogesteronacetat (MPA) und Depotpräparate (Depot-Me­ Die klinischen Symptome entstehen allmählich. Einige Tierhalter geben nach ausführlicher Befragung an, erste Anzeichen schon einige Jahre zuvor bemerkt zu haben. Manche Symptome werden irrtümlich dem Alter der Tiere zugeschrieben, wie z. B. zunehmende Müdigkeit, ver- 9.3 Anamnese Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 64 9 Caniner Hyperadrenokortizismus 65 Tab. 9.1 Wirkungscharakteristika verschiedener Glukokortikoide im Vergleich mit Cortisol. Wirkstoff Wirkungsstärke1 Hemmung der H-H-NNR-Achse Eignung für eine Gabe alle 48 Stunden Mineralokortikoide Wirkung2 1 + nein 1 Prednisolon 4 + ja 0,8 Methylprednisolon 5 + ja 0,5 Triamcinolon 5 ++ nein 0 Flumetason 15 +++ nein 0 Betamethason 30 +++ nein 0 Dexamethason 30 +++ nein 0 kurze Wirkungsdauer Cortisol mittlere Wirkungsdauer Bezogen auf 1 mg Äquivalenzdosis Cortisol (= Hydrocortison). Cortisol = 1. + = gering; ++ = mittelgradig; +++ = stark. 1 2 mehrtes Hecheln oder ausbleibende Läufigkeiten bei der mittelalten Hündin. Das iatrogene Cushing-Syndrom ist klinisch nicht zu unterscheiden von den spontanen Krankheitsformen (Abb. 9.5 und Abb. 9.6). Deshalb sollte ausführlich nach jeder Vorbehandlung der momentanen und zurückliegenden Erkrankungen gefragt werden (z. B. nach zurückliegenden „Aufbau-, Schmerz- oder Juckreizspritzen“, Medikamenten zur Läufigkeitsunterdrückung oder Prostatabehandlung und lokalen Medikamenten wie Ohrenoder Augentropfen). Aus Unkenntnis der Tierhalter wird die direkte Frage nach Glukokortikoiden oft verneint. Die Anamnese ist beim Cushing-Syndrom ein sehr wichtiges Diagnosemittel. Abb. 9.5 Schnauzer, GK wegen Arthrosen. 9.4 Klinische Manifestationen Der chronische Cortisolüberschuss führt zum klinischen Bild des Cushing-Syndroms. Die aufgelisteten Symptome (Tab. 9.2) kommen zwar sehr häufig beim Cushing-Syndrom vor, sind jedoch nicht alle spezifisch. Das Vorliegen eines einzelnes Symptoms rechtfertigt schon den Verdacht auf einen Hyperadrenokortizismus (s. unten: milde Formen des Hyperadrenokortizismus). Abhängig von der Höhe und Dauer des Überangebots können die Symptome sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Im Vollbild des Cushing-Syndroms (Abb. 9.7) stehen die klassischen Symptome mehrfach kombiniert im Vordergrund, allen voran Anzeichen wie Abb. 9.6 Iatrogenes Cushing-Syndrom mit Alopezie, Pyodermie und Hyperpigmentation, GK wegen Juckreiz. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. lange Wirkungsdauer Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse Tab. 9.2 Symptome beim Patienten mit einem Cushing-Syndrom. Klassisches Symptom Weitere Symptome Metabolismus • Polyurie/Polydipsie • Polyphagie • Hepatomegalie • Muskelabbau, Stammfettsucht, Hängebauch • Kurzatmigkeit, vermehrtes Hecheln • Lethargie • arterielle Hypertension und Thromboembolien Haut/Haarkleid • Alopezie, vorwiegend am Stamm • Atrophie der Dermis • Phlebektasien, durchscheinende Venen • Fragilität der Gefäße, Blutungsbereitschaft nach venöser Injektion erhöht • ektopische Kalzifizierungen, z. B. Calcinosis cutis • Pigmentstörungen • Komedonenbildung (cave: Demodikose) • rezidivierende Pyodermie, Juckreiz • Demodikose beim adulten Hund • Dermatophytose beim adulten Hund Reproduktion • Anöstrus, Hodenatrophie • Klitorishypertrophie Immunsystem • Infektionsanfälligkeit erhöht • Wundheilungen verzögert Generalisierte Demodikosen beim adulten Hund kommen weitaus häufiger beim iatrogenen als beim spontanen Cushing-Syndrom vor (Abb. 9.9). Erfahrungsgemäß zeigt der iatrogene Hyperkortisolismus häufiger den klassischen Symptomenkomplex. Die durch topische Dauerbehandlung entstandenen Symptome sind im Vergleich mit systemischer Therapie weniger dramatisch (S. 63). 9.4.1 Metabolische Auswirkungen Polyurie/Polydipsie Es werden mehrere Ursachen der Abb. 9.7 Vollbild des Cushing-Syndroms: Alopezie, Hängebauch, durchhängender Rücken, Pyodermie, Calcinosis cutis. • Polyurie/Polydipsie, • Polyphagie, • Alopezie, • Hängebauch. Recht häufig kommen daneben milde Formen des Hyperadrenokortizismus vor, bei denen oftmals nur dermatologische Anzeichen wie Alopezie, Atrophie der Haut, rezidivierende Pyodermie im Vordergrund stehen. Sie können vereinzelt mit ein oder zwei weiteren klassischen Symp­tomen des Hyperadrenokortizismus kombiniert sein. In den meisten Fällen der milden Formen fehlt das „cushingoide“ Aussehen der Hunde (Abb. 9.8). Wenn auch keine PU/PD und keine Erhöhung der alkalischen Phosphatase vorliegt, werden häufig auch keine NNRFunktionstests unternommen und die Ursache der Alopezie anderweitigen Ätiologien zugeschrieben (Hämmerling 2008). Dermatophytosen beim erwachsenen Hund sollten auf das Vorliegen eines spontanen/iatrogenen Cushing-Syndroms untersucht werden (Fall Nr. 5, S. 8). Polyurie (PU) diskutiert. Glukokortikoide (GK) hemmen die Freisetzung von Argininvasopressin (AVP) (antidiuretisches Hormon, Adiuretin) im Gehirn und führen zum AVP-Mangel mit der Folge einer Form des zentralen Diabetes insipidus (Tab. 24.1, S. 132). Außerdem steigern Glukokortikoide die glomeruläre Filtrationsrate. Die Folge ist eine vermehrte Wasserausscheidung, gefolgt von einer Polydipsie (PD). Die normale Wasseraufnahme beträgt ca. 40–60 ml/kg KGW/Tag, bei Fütterung mit Trockenfutter etwas mehr. Besitzer berichten von einer 2- bis 10-fach erhöhten Wasseraufnahme. Die Hunde urinieren große Mengen und müssen oft auch nachts ausgeführt werden. PU/PD sind ein potenzielles Risiko für eine chronische Blasenüberdehnung mit vermehrter Neigung zu Harnwegsinfektionen (S. 73). Polyphagie Glukokortikoide steigern den Appetit direkt im Hungerzentrum im Gehirn. Vermutlich hemmen sie auch das „Anti-Obesity-Hormon“ Leptin (Risikofakto­ ren bei Typ-2-Diabetes, S. 165). Je weniger Leptin vorhanden ist, desto größer ist die Fresslust. Manche Besitzer ­sehen dies zunächst als gesunden Appetit an, bis er sich zur Polyphagie steigert. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 66 9 Caniner Hyperadrenokortizismus 67 a a b b Proteinkatabolismus GK hemmen generell die DNA- c Abb. 9.8 a Milde Form des Hyperadrenokortizismus. b Dobermann mit beginnendem Hyperadrenokortizismus. c Einjähriger Ridgeback mit Hypothyreose (siehe Ähnlichkeiten mit dem Dobermann in Abb. b). Hepatomegalie Glukokortikoide induzieren die Synthese verschiedener Leberenzyme, die in der Leber die Glukoneogenese und Glykogensynthese steigern. Glykogen wird vermehrt eingelagert. Die Folge ist eine Schwellung der Leberzellen, die sogenannte Steroidleber. Die Abwesenheit von PU/PD, einer alkalischen Phosphatase im Normbereich und eine unauffällige Leber schließen einen Hyperadrenokortizismus nicht aus (S. 72; S. 81). Synthese und in den meisten Geweben (außer der Leber) ebenfalls die RNA- und Proteinsynthese. Der Proteinkatabolismus tritt in 75–80 % aller Fälle mit einem CushingSyndrom auf. Glukokortikoide steigern den Proteinabbau bei gleichzeitiger Erhöhung der Glukoneogenese aus glukoneogenen Aminosäuren in der Leber. Aminosäuren werden vermehrt renal ausgeschieden. In der Muskulatur wird mittels Enzyminduktion die Proteinsynthese verringert. Der Proteinkatabolismus betrifft vor allem Muskulatur, Haare, Haut (S. 68) und Skelett (S. 81), aber auch Sehnen und Bänder (Kollagenfaserabbau). CushingPatienten haben ein erhöhtes Risiko für Bänder- und Sehnenerkrankungen wie Kreuzbandrupturen oder Patellaluxationen. Sehr selten sind Hunde von einer Myotonie betroffen, wie z. B. der histologisch nicht entzündlichen degenerativen Myopathie der Beckenmuskulatur, die beim Hund einen steifen Gang verursacht. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Abb. 9.9 a Generalisierte Demodikose wegen eines spontanen Hyperadrenokortizismus. b Derselbe Pudel nach der Behandlung gegen Demodikose und unter Trilostan. Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse Stammfettsucht Häufig liegt keine echte Erhöhung des Körpergewichts vor, sondern eine durch Glukokortikoide stimulierte Umverteilung des Körperfetts ins Abdomen, genannt Stammfettsucht. Der Abbau der Gliedmaßenmuskulatur fördert den Eindruck des dicken Stammes. Eine partielle Erklärung ist die höhere Enzymaktivität der 11β-Hydroxysteroiddehydrogenase 1 (11β-HSD1) in den Fettzellen des großen und kleinen Netzes im Vergleich zum Unterhautfettgewebe, das eher abnimmt. Dieses Enzym regeneriert aktive Glukokortikoide aus inaktiven Formen (z. B. Cortisol aus Cortison). Die Folge ist eine hohe intrazelluläre Anreicherung von GK im viszeralen Fett. Hängebauch Ein Hängebauch wird in 90–95 % der Fälle bei einem Cushing-Syndrom beobachtet. Er entsteht durch die Atrophie der Bauchmuskulatur und durch Zunahme des viszeralen Fetts, eine vergrößerte Leber und gegebenenfalls durch eine dauernd gefüllte Blase bei Polyurie (Abb. 9.7, Abb. 9.10). Dyspnoe Die abdominale Fettzunahme, eine vergrößerte Leber und der Muskelschwund des Respirationstraktes führen zu einem Zwerchfellhochstand mit Einengung der Lunge. Die Dyspnoe kann auch durch Mineralisation der Bronchien und des Lungeninterstitiums verursacht sein (Röntgen, S. 81). Besteht parallel ein Trachealkollaps (Säbelscheidentrachea) oder eine Herzinsuffizienz, können akute Atemnot und Zyanose auftreten. Pulmonäre Thromboembolien Verschiedene Faktoren wie Adipositas, verminderte Mobilität, parallel verlaufende Kreislaufstörungen, Hypertension, venöse Stase, arteriosklerotische Gefäßschäden, erhöhter Hämatokrit, erhöhte Gerinnungsfaktorkonzentrationen oder Antithrombin-III-Verlust können zu pulmonalen Thromboembolien mit plötzlicher Todesfolge führen. Die Gefahr der Thromboembolien besteht besonders nach Adrenal­ ektomien (S. 89). Abb. 9.10 Typisches „cushingoides“ Aussehen eines Dackels mit Hängebauch, Faltenbildung im Nacken und Alopezie. Lethargie Muskelabbau, Hängebauch, Kurzatmigkeit und andere Beschwerden verringern die Freude an der Bewegung. Etwa 50 % der Menschen mit Cushing-Syndrom zeigen psychische Störungen wie Depressionen und Lethargie sowie veränderte Funktionen von Erinnerung und Wahrnehmung. Hypertension Mehrere Ursachen führen zur Hypertension: • Die Konzentrationen von Fibrinogen, Cholesterin, Tri- glyceriden, Thrombo- und Erythrozyten im Blut sind gewöhnlich erhöht (S. 72). Dies führt zu einer stärkeren Erythrozytenaggregation mit Anstieg der Plasmaviskosität und dadurch Verlangsamung des Blutflusses. • GK steigern den peripheren Gefäßwiderstand durch permissive Wirkung für Katecholamine und Expres­ sion von adrenergen Rezeptoren. Das Herzausstoßvolumen wird gesteigert. • GK steigern die Synthese von Angiotensinogen in der Leber. Die Protease Renin spaltet davon Angiotensin I ab, das seinerseits vom im Blut zirkulierenden Angiotensin-converting-Enzym (ACE) in Angiotensin II umgewandelt wird. Über die Aktivierung von Angiotensin-Rezeptoren (AT1) wirkt Angiotensin II primär stark vasokonstriktorisch mit Erhöhung von arteriellem Blutdruck und glomerulärer Filtrationsrate (RAAS, S. 100). Mit der Blutdruckerhöhung steigt der renale ­Proteinverlust (Proteinurie, S. 73). Komplikationen der Hypertension können sein: • okulare Blutungen, Netzhautablösung • Linksherzhypertrophie und kongestives Herzversagen • Glomerulopathie und Proteinurie • Thromboembolien durch Antithrombin-III-Verlust 9.4.2 Dermatologische Auswirkungen Die Haarfollikel können unter der Glukokortikoid-Wirkung atrophieren. Die Atrophie der Haarfollikel und der Subkutis kann lokal auf die Injektionsstelle des GK begrenzt sein, dasselbe gilt auch für Gestageninjektionen (Abb. 9.11 und Abb. 9.12). Der physiologische Haarwechsel ist gestört. Die ausgewachsenen Haare sind leicht epilierbar, fallen diffus allmählich aus und es wachsen keine Haare nach. Die Alopezie ist früh an den Abriebstellen zu sehen, wie z. B. der Rute (sog. Rattenschwanz). Die Alopezie dehnt sich allmählich über den Stamm aus, meist bilateral symmetrisch. Die distalen Gliedmaßen und der Kopf bleiben meist behaart. Die Ohren sind beim Dackel häufiger haarlos, das kann jedoch auch andere, genetisch bedingte Ursachen haben. Besonders auffällig tritt mangelndes Haarwachstum nach Rasuren zutage. Die atrophierten Haarfollikel füllen sich mit Keratin und Debris und werden dann zu schwarz-braunen ­Komedonen (Abb. 9.13 und Abb. 9.14). Es werden zwei Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 68 Abb. 9.11 Fokale Alopezie und Atrophie der Dermis und Subkutis durch Injektion von GK. Abb. 9.13 Atrophie der Dermis, Alopezie, Hyperpigmentation, Komedonenbildung. Abb. 9.12 Dünne schrumpelige Bauchhaut durch Atrophie der Dermis bei Hyperadrenokortizismus. Abb. 9.14 Komedonen und Pyodermie. Ursachen der Hyperpigmentation der Haut diskutiert: Sie kann Folge einer chronischen Hautentzündung sein (z. B. zu sehen an Hyperpigmentierungen von abgeheilter ­Pyodermie) oder Folge des Überangebots an Mela­ no­zyten-stimulierendem Hormon (MSH) (Physiologie, S. 55). Verfärbungen der Haare – manchmal nur am Haaransatz – sind möglich. hing-Syndrom nicht ungewöhnlich ist. Wird der Juckreiz ­jedoch in diesen Fällen symptomatisch mit Glukokortikoiden therapiert, verbessert sich nicht die rezidivierende Pyodermie, die Cushing-Symptomatik kann sich verschlechtern und die Diagnostik wird behindert (Fall Nr. 5, S. 8). Glukokortikoide vermindern die DNA-Synthese, die ­epidermale Zellteilung und die Synthese von Kollagenfasern. Der Proteinabbau in der Epidermis ist gesteigert (S. 67). Die dünne, trockene, schrumpelige Epidermis ist besonders gut am Bauch sichtbar (Abb. 9.12). Zusätzlich durch die verminderte Immunabwehr haben Hautverletzungen, Operationswunden oder entzündete Liegestellen eine schlechte Wundheilungstendenz (Abb. 9.15). Typisch für ein Cushing-Syndrom sind die Phlebektasien: Am Bauch und an den medialen Oberschenkeln treten durch die dünne Haut die erweiterten Venen sichtbar hervor (Abb. 9.16). Trockene, schuppige Haut und rezidivierende Pyodermie können Juckreiz verursachen, der daher beim Cus- Abb. 9.15 Cushing-Syndrom, nicht heilende Wunde am Oberschenkel. 69 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 9 Caniner Hyperadrenokortizismus Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse Abb. 9.16 Atrophie der Dermis mit Phlebektasien. Abb. 9.18 Fühlbare Kalkplatte im Nacken. Treten bei erwachsenen Hunden Demodikosen oder Dermatophytosen auf, sollte immer auf ein spontanes/iatrogenes Cushing-Syndrom untersucht werden. Weiterhin kann eine Calcinosis cutis auftreten. Der Pathomechanismus der Kalziumablagerungen in der Haut ist nicht vollständig geklärt. Vermutlich wird das Löslichkeitsprodukt von Kalziumsalzen im Extrazellulärraum überschritten. Kalziumphosphat und -karbonat werden in Gefäßwänden der Haut abgelagert. Daraus resultieren Gefäßverschlüsse und ischämische Hautnekrosen. Klinisch zeigen sich gelegentlich schmerzhafte Ulzerationen. Die Calcinosis cutis kann auch mit einer sehr heftigen Fremdkörperreaktion und Juckreiz einhergehen. Bei der Palpation der Haut und Subkutis können harte, z. T. große Platten fühlbar sein (Röntgen, S. 81) (Abb. 9.17 bis Abb. 9.20). Abb. 9.17 Komedonen und vereinzelte Kalkknoten am Bauch. Abb. 9.19 Setter mit Hyperadrenokortizismus und hochgradig ulzerierender Calcinosis cutis. Abb. 9.20 Chinese Crest mit ulzerierender Calcinosis cutis durch Hyperadrenokortizismus. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 70 9 Caniner Hyperadrenokortizismus 71 9.4.3 Endokrinologische Auswirkungen a Verabreichte Glukokortikoide erniedrigen die Konzentrationen von: • Cortisol (iatrogener Cushing, S. 63) • GH/IGF (S. 14) Glukokortikoide sind: • Insulinantagonisten (Diabetes mellitus, S. 163) • Parathormon- und Calcitriolantagonisten (S. 180) Diabetes insipidus Glukokortikoide hemmen die Freisetzung von Argininvasopressin (Adiuretin) und gleichzeitig dessen Wirkung an den renalen Tubuli. So kann sowohl ein zentraler als auch ein nephrogener Diabetes insipidus entstehen. Diabetes mellitus Glukokortikoide setzen die Aktivi- tät des Insulin-Rezeptors herab und hemmen den Glukosetransport in die Zelle. Gleichzeitig steigern sie die Glukoneogenese. Erhöhte Blutglukosespiegel und die Entwicklung einer Insulinresistenz in den Insulin-sensitiven Organen wie Leber, Muskel und Fettgewebe sind die ­Folge. Dennoch ist die Ausbildung eines manifesten Diabetes mellitus beim spontanen Cushing-Syndrom relativ selten (5–10 %). In diesen Fällen kann das CushingSyndrom mit Abmagerung verbunden sein (Abb. 9.21). Sekundäre Hypothyreose Chronisch erhöhtes Gluko- kortikoid hemmt die TSH-Sekretion und erniedrigt das T4, das zu Beginn durch den Rückkopplungsmechanismus noch zu einem kompensatorischen TSH-Anstieg führen kann. Wenn die TSH- und T4-Synthese jedoch über einen längeren Zeitraum gehemmt werden, entwickelt sich eine sekundäre Hypothyreose (S. 22; S. 25). Sekundärer Hyperparathyreoidismus Glukokortikoide hemmen die Osteoblastenproliferation. Außerdem verkleinern sie den extrazellulären Kalziumpool, indem sie die Kalziumabsorption aus dem Darm hemmen und die renale Ausscheidung erhöhen. Parathormon und Calcitriol steigen kompensatorisch an und Kalzium wird aus b Abb. 9.21 a Alopezie durch Cushing-Syndrom. Dieser Pudel hat zeitgleich einen Diabetes mellitus. Die Einstellung des Diabetes mellitus war zu Beginn wegen des Hyperadrenokortizismus schwierig. Die Faltenbildung auf dem Rücken zeigt die Atrophie der Dermis und eine Exsikkose an. b Gleicher Pudel wie bei a unter erfolgreicher Einstellung des Cushing-Syndroms und des Diabetes mellitus. dem Knochen freigesetzt, es kommt zu einem sekundären Hyperparathyreoidismus. Auf Dauer entsteht eine ­Osteoporose (S. 180). Fortpflanzungsstörungen FSH- und LH-Mangel führen beim Rüden zur sinkenden Testosteronsynthese und Spermatogenese mit häufig verringerter Libido und Atrophie beider Hoden (Abb. 9.22, vgl. Kap. 18 und 20) Die adrenale Androgensynthese kann beim Cushing-Syndrom zwar erhöht sein, allerdings ist die Umwandlungsrate von Dehydroepiandrosteron (DHA) zu Testosteron in der Nebennierenrinde vernachlässigbar gering (Abb. 8.2, S. 58). Der Mangel an testikulärem Testosteron beim­ Rüden mit einem Cushing-Syndrom wird durch die adrenale Synthese nicht ausgeglichen. Bei der Hündin sind durch FSH- und LH-Mangel das Follikelwachstum und die Eizellreifung vermindert. Ein verlängerter Anöstrus und später das Ausbleiben der Läu- Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Siehe Tab. 8.3, S. 59. Folgen der Überproduktion von ACTH und Cortisol beim hypophysären Cushing-Syndrom können sein: • Hemmung von CRH und Argininvasopressin (Adiuretin) (Diabetes insipidus, S. 131) • Aufhebung der negativen Rückkopplung von ACTH durch Cortisol (Abb. 9.3, S. 63) • verminderte Ausschüttung von TRH/TSH und Schilddrüsenhormonen (Hypothyreose/NTI, S. 22) • verminderte Ausschüttung von GnRH/FSH und LH mit Androgenüberschuss (S. 14) • verminderte Ausschüttung von GHRH/GH/IGF (S. 14) Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse iatrogenes Cushing-Syndrom (S. 63) bereits in der Wachstumsphase, können infolge von GH- und TSH-Mangel, Proteinkatabolismus und Hemmung des Knochenstoffwechsels irreparable Wachstumsstörungen auftreten (S. 106). 9.4.4 Laborparameter Blut Eine Zusammenfassung der möglichen Veränderungen der Blutparameter zeigt Tab. 9.3. T4-Erniedrigung T4 ist beim Hyperadrenokortizismus Abb. 9.22 Hyperadrenokortizismus bei einem Dackel mit Hodenatrophie, Pyodermie, Phlebektasie und Alopezie. figkeit sind die Folge. Bei der älteren Hündin wird dies von vielen Tierhaltern irrtümlich als normaler Vorgang, vergleichbar der Menopause bei Frauen, interpretiert. Bei der Hündin kann die erhöhte adrenale Androgensynthese zur Klitorisvergrößerung führen (Abb. 9.23). Das gestörte Gleichgewicht zwischen FSH, LH, Östradiol/Progesteron und Androgen kann zystische Ovar- und Uterus­ erkrankungen verursachen. Bei einer intakten Hündin mit Verdacht auf ein Cushing-Syndrom ist die Untersuchung des Genitaltraktes unbedingt empfehlenswert. Wachstumsstörungen Glukokortikoide – Dexamethason stärker als Cortisol und Prednisolon – behindern die enchondrale Ossifikation besonders im wachsenden Knochen und damit das Längenwachstum. Entsteht ein Abb. 9.23 Hündin mit Hyperadrenokortizismus, Klitorishypertrophie. durch die Rückkopplungsmechanismen erniedrigt. Besonders bei milden Formen mit Alopezie werden daher vorerst fälschlicherweise Hypothyreosen diagnostiziert und meist erfolglos behandelt (NTI, Tab. 8.3, S. 59; Fall Nr. 3, S. 6). AP Bei 90–95 % der am Cushing-Syndrom erkrankten Hunde ist die Alkalische Phosphatase (AP) erhöht (bis 40fach). Die Erhöhung der AP ist auf den Serumanstieg des Leberisoenzyms und des steroidinduzierten Isoenzyms der AP (SIAP, nur beim Hund vorhanden) zurückzuführen. Glukokortikoide, auch exogen verabreichte, induzieren die Bildung des SIAP in der kanalikulären Membran des Hepatozyten. Die Erhöhung dieses speziellen hitzestabilen Isoenzyms ist allerdings nicht spezifisch für einen Hyperadrenokortizismus (Teske et al. 1986, 1989). Primäre Hepatopathien, Diabetes mellitus, Hypothyreose, ia­ trogenes Cushing-Syndrom oder die Gabe verschiedener Antikonvulsiva (z. B. Phenobarbital) verursachen ebenfalls eine Erhöhung des SIAP. Daher wird gewöhnlich die Gesamtaktivität aller Isoenzyme bestimmt. Eine differenzialdiagnostische Abgrenzung der Steroidhepatopathie zu anderen Hepatopathien kann eine Leberzytologie durch Feinnadelaspiration oder Leberbiopsie erbringen. Das Ausmaß des Anstiegs der AP lässt keinen Rückschluss auf die Schwere der Erkrankung zu. Einige an Hyperadrenokortizismus erkrankte Hunde haben normale AP-Werte. Tab. 9.3 Laborbefunde beim Patienten mit einem CushingSyndrom. Klassische Veränderungen Weitere häufige Veränderungen • T4 erniedrigt • AP erhöht (oft sehr stark, bei manchen Patienten jedoch im Normbereich) • ALT, GLDH erhöht • Hyperlipidämie • Hyperglykämie • Harnstofferniedrigung • Blutbildveränderungen • Iso- bis Hyposthenurie • Proteinurie ALT = Alaninaminotransferase; AP = alkalische Phosphatase; GLDH = Glutamatdehydrogenase. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 72 9 Caniner Hyperadrenokortizismus Hypercholesterinämie, Hypertriglyzeridämie Gluko- kortikoide fördern die lipolytische Wirkung von Katechol­ aminen und lipolytischen Peptiden des Hypophysenvorderlappens. Dies führt zum Anstieg von freien Fettsäuren und Cholesterin im Blut bei 90 % aller Patienten mit einem Cushing-Syndrom. Hyperglykämie Glukokortikoide verstärken die Glu- koneogenese und hemmen als Insulinantagonisten den peripheren Glukosetransport in die Zellen, die Blutglukosekonzentration steigt (S. 66). Harnstoff Aufgrund der gesteigerten Diurese sind die harnpflichtigen Stoffe normal bis erniedrigt. Erythrozytose, Thrombozytose, Neutrophilie Die An- zahl der zirkulierenden neutrophilen Granulo-, Ery­thround Thrombozyten steigt, da Glukokortikoide deren Bildung im Knochenmark stimulieren. Meist besteht ein Stressleukogramm. Eine deutliche Leukozytose weist auf eine Begleitinfektion hin. GK hemmen gleichzeitig den Abbau der Erythro- und Thrombozyten und die Auswanderung der Neutrophilen aus den Gefäßen. Eosinopenie, Lymphopenie, Monozytose GK können den Zelltod von Lymphozyten induzieren. Besonders sind die T-Lymphozyten betroffen. Dieser Effekt wird beim Einsatz der GK zur Behandlung von immunologischen Störungen wie Allergien und Autoimmunerkrankungen genutzt. Die Anzahl der zirkulierenden Lymphozyten und der eosinophilen und basophilen Granulozyten nimmt ab, die Monozyten nehmen zu (Tab. 8.3, S. 59). Urin Bei jedem Patienten mit PU/PD ist die Untersuchung des Urins notwendig. Da sich während eines Klinikaufenthaltes das Trink- und Harnabsatzverhalten des Hundes ändern kann, sollte die Urinprobe vom Besitzer in der gewohnten Umgebung des Patienten gesammelt werden. Parallel kann die Trinkmenge pro Tag gemessen werden. Der nicht sterile Urin kann genutzt werden für die Bestimmung von: • spezifischem Gewicht (UspG) • Glukose • Urin:Protein/Kreatinin-Ratio Spezifisches Gewicht (UspG) Der Harn der Cushing-Patienten ist meistens verdünnt, Iso- bis Hyposthenurie: UspG 1 008–1 015. Bei Wasserentzug können diese Patienten in der Regel den Urin auf UspG 1 025–1 035 konzentrieren, das Anzeichen einer funktionsfähigen Niere (Tab. 8.3, S. 59; Tab. 24.1, S. 132). Glukosurie Beim Überschreiten der Nierenschwelle für Blutzucker (160–180 mg/dl) entsteht eine Glukosurie mit Hypersthenurie, UspG > 1 030–1 065. Dieser Befund zusammen mit Hyperglykämie und Fructosaminerhöhung spricht für das Vorhandensein eines Diabetes mellitus (S. 71; S. 169). Proteinurie Proteinurie durch Glomerulonephritis mit erhöhter Urin:Protein/Kreatinin-Ratio (UP/C) und Hyper- tension sind häufig vorkommende Befunde beim spontanen Cushing-Syndrom hypophysären und adrenalen Ursprungs. Eine erfolgreiche medikamentöse Behandlung des Cushing-Syndroms führt nicht in allen Fällen zur Verbesserung der Proteinurie und Hypertension (Ortega et al. 1996). Die Langzeitbehandlung mit Prednisolon (Waters et al. 1997) und Cortisol (Schellenberg et al. 2008) führt ebenfalls zu glomerulären Veränderungen mit milder Blutdruckerhöhung und Proteinurie, die nach Absetzen der GK reversibel sind. Proteinurie, chronische Niereninsuffizienz und Hypertension sind mit einer signifikanten Verkürzung der Überlebenszeit verbunden (Wehner et al. 2008) (Hyperaldosteronismus der Katze, S. 101). Beim Vorliegen einer Proteinurie ist die Messung des Blutdrucks empfehlenswert. Infektionen der harnableitenden Wege Eine ge- schwächte Blasenmuskulatur kann die Blase nicht ausreichend entleeren, der verbleibende, chronisch verdünnte Urin ist ein gutes Substrat für Bakterien. Zusammen mit der herabgesetzten Immunabwehr sind Infektionen der Blase und der harnableitenden Wege häufig. Da die erhöhten GK die Entzündungsantwort unterdrücken, fehlen oft Anzeichen wie Strangurie, Pollakisurie und Hämaturie. Die aufsteigende Entzündung kann zur Pyelonephritis führen. Bei der differenzialdiagnostischen Aufarbeitung einer PU/PD, Glukosurie und Proteinurie ist eine kulturelle Erregerbestimmung angezeigt, für die immer Zystozenteseurin benötigt wird. 9.5 Differenzialdiagnosen Siehe Tab. 9.4. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. ALT und GLDH Die Erhöhung (1- bis 3-fach) der Alanin­ aminotransferase (ALT) und der Glutamatdehydrogenase (GLDH) wird sekundär durch Glykogeneinlagerung, den Untergang der geschwollenen Leberzellen und durch eine hepatozelluläre Nekrose hervorgerufen (Hypatomegalie, S. 66). 73 Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse Tab. 9.4 Symptome des Cushing-Syndroms und häufige Differenzialdiagnosen. Symptom Differenzialdiagnose PU/PD Diabetes insipidus, Niereninsuffizienzen, Pyometra PU/PD/Polyphagie, AP ↑, ALT ↑, Cholesterin ↑ Diabetes mellitus PU/PD, Polyphagie, AP ↑, Blutzucker ↑, Muskelschwäche, Hepatomegalie, „dicker Bauch“ Akromegalie PU/PD, chronisch rezidivierende Harnwegsinfektionen Pyelonephritis Alopezie Imbalancen der Sexualsteroide, Hodentumoren, Ovarfunktionsstörungen Alopezie, rezidivierende Pyodermie, Cholesterin ↑, Gewichtszunahme Hypothyreose Hepatomegalie, AP ↑, ALT ↑, abnormale Leberfunktionstests Hepatopathien ALT = Alaninaminotransferase; AP = alkalische Phosphatase; PD = Polydypsie; PU = Polyurie. 9.6 Diagnostik 9.6.1 Screening Cortisol im Blut Beim Hund wird Cortisol mit großen Schwankungen und schneller Folge über 24 Stunden verteilt sezerniert. Daher ist die Messung eines einzelnen Cortisolwertes im Blut zur Diagnose eines Hyperadrenokortizismus ungeeignet. Zwar sind bei Patienten mit Hyperadrenokortizismus die Cortisolbasalwerte im statistischen Mittel gegenüber gesunden Hunden signifikant erhöht, jedoch ermöglichen die intra- und interindividuellen­ Schwankungen innerhalb des Referenzbereiches von 1,5–3,5 µg/dl keine Unterscheidung in kranke oder gesunde Tiere. Einzelmessungen des Cortisols sind zur Diagnose eines Hyperadrenokortizismus nicht geeignet. Cortisol im Urin Im Gegensatz zur einmaligen Messung des Cortisols im Blut berücksichtigt die Messung des Cortisols im 24-Stunden-Sammelurin die Fluktuation der Cortisolsekretion. Als eine Möglichkeit des Screenings zur Unterscheidung zwischen gesunden Hunden und Hunden mit Hyperadrenokortizismus sind die Messungen von Cortisol und Kreatinin im über 24 Stunden gesammelten Urin an 2 aufeinanderfolgenden Tagen und das Verhältnis von Cortisol zu Kreatinin beschrieben (Rijnberk et al. 1988; Stolp et al. 1983) (UCCR, S. 78). Die Sensitivität dieses Tests ist sehr hoch, d. h. bei stark erhöhten Werten wird der Hyperadrenokortizismus fast zu 100 % bestätigt, bei niedrigen Werten ist er fast ausgeschlossen. Bei nur leichter Erhöhung der basalen C:CRatios kann die Unterscheidungsrate zwischen gesunden Hunden und Hunden mit Hyperadrenokortizismus durch Messungen an mehr als 2 aufeinanderfolgenden Tagen erhöht werden (Cerundolo et al. 2007). Dagegen ist die Spezifität der basalen C-C-Ratios sehr gering, d. h ein erhöhter Wert ist noch kein Beweis für einen Hyperadrenokortizismus. Die Spezifität ist vor allem wegen des Kreatinins gering, das nicht nur bei Nierenerkrankungen erhöht sein kann. Es wird physiologisch von Hunden kleiner Rassen in geringeren Mengen ausgeschieden als von großwüchsigen Hunden mit mehr Muskelmasse. Die geringere Kreatininausscheidung kann bei den kleineren Rassen, die häufiger vom Hyperadrenokortizismus betroffen sind, zu höheren C:C-Ratios führen (Cerundolo et al. 2007). 9.6.2 Dexamethason-Suppressions- tests Das Ziel der dynamischen Funktionstests ist die bessere Unterscheidung eines Hyperadrenokortizismus von einem gesunden Tier mit Cortisolfluktuationen. Es gibt jedoch keinen Test, der für sich alleine die absolute Treffsicherheit bieten kann (Peterson 2007). Die verschiedenen Funktionstests unterscheiden sich hinsichtlich Sensitivität, Spezifität, positiver und negativer prädiktiver Werte. Folgende Dexamethason-Suppressionstests sind möglich: • Low-dose-Dexamethason-Suppressionstest (LDDST) • High-dose-Dexamethason-Suppressionstest (HDDST) • Cortisol:Kreatinin-Ratio (C:C-R) nach Rijnberk mit oralem LDDST/oralem HDDST Verdacht auf Hyperadrenokortizismus • Bei klinischem Verdacht auf einen spontanen Hyperadrenokortizismus wird immer zuerst der LDDST oder der C:C-R-Test über 3 Tage durchgeführt. • Zur weiteren Differenzierung zwischen hypophysärem und adrenalem Cushing-Syndrom kann im Anschluss an den LDDST entweder der HDDST oder der C:C-R-Test über 3 Tage durchgeführt werden. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 74 9 Caniner Hyperadrenokortizismus Nicht in allen Fällen des Cushing-Syndroms können klare Ergebnisse mittels der Suppres­ sionstests erzielt werden (Sonografie, S. 81). Prinzip Die Suppressionstests beruhen darauf, dass Dexamethason in einer äußerst geringen Dosierung (Lowdose-Dexamethason-Suppressionstest, LDDST) bei einer physiologisch funktionierenden H-H-NNR-Achse mit intakter Rückkopplung die Sekretion von CRH und ACTH unterdrückt. Als Folge sinkt innerhalb von 2–3 Stunden Cortisol für 12–24 Stunden auf ein Minimum ab. Beim hypophysären Hyperadrenokortizismus ist die Sensitivität der H-H-NNR-Achse auf die supprimierende Wirkung von Dexamethason im LDDST gestört, es findet nur eine geringe Rückkopplung durch die tumorös entarteten kortikotropen Zellen der Hypophyse statt, ACTH wird weiterhin sezerniert. Cortisol wird nur für wenige Stunden supprimiert, steigt schon innerhalb von 8 Stunden wieder an oder die Suppression ist unvollständig. Nach dem Low-dose-Test mit nicht oder nur ungenügend erfolgter Supprimierung wird mit dem High-dose-Dexamethason-Suppressionstest (HDDST) die Supprimierung von Cortisol versucht. Die hohe Dosierung supprimiert in den meisten Fällen des hypophysären Cushing die Corti- solwerte schnell und andauernd, nicht jedoch bei Vorliegen eines adrenalen Cushing-Syndroms aufgrund eines adrenalen Tumors oder eines Tumors der Pars intermedia der Hypophyse. Wird ohne vorangegangenen LDDST sofort ein HDDST durchgeführt (z. B. aus vermeintlichen Kostengründen), kann in den meisten Fällen durch gute Supprimierbarkeit des Cortisols im HDDST ein hypophysärer Cushing nicht von einem gesunden Hund unterschieden werden. Low-dose-Dexamethason-Suppressionstest (LDDST) Indikation Klinischer Verdacht eines spontanen Hyperadrenokortizismus. Werden bei einem spontanen Hyperadrenokortizismus wegen einiger Symptome, wie z. B. juckender Pyodermie, Glukokortikoide über längere Zeit oder als Depotinjektionen verabreicht, wird auch das krankheitsbedingt erhöhte Cortisol unterdrückt (Fall Nr. 5, S. 8). Wenn im LDDST niedrige basale Cortisolwerte gemessen werden, die sich verzögert bis 8 Stunden auf ein noch etwas niedrigeres Niveau supprimieren lassen, aber anamnestisch keine Hinweise zur Glukokortikoidtherapie gegeben werden können (iatrogenes Cushing-Syndrom, S. 63), dann sollte zum Nachweis einer Glukokortikoidtherapie ein ACTH-Stimulationstest (S. 78) durchgeführt oder der LDDST nach etwa 8 Wochen wiederholt werden. Abb. 9.24 Low-dose-Dexamethason-Suppressionstest. Bei einem gesunden Hund (grüne Linie) erfolgt bei einem LDDST der Abfall des Cortisols innerhalb weniger Stunden auf sehr niedrige Werte unter den Diskriminierungslevel von 0,5 µg/dl. Bei einem milden hypophysären Hyperadrenokortizismus erfolgt der Abfall wesentlich langsamer und nicht genügend tief. Der 4-StundenWert kann zur Diskriminierung zwischen adrenalem und hypophysärem Hyperadrenokortizismus herangezogen werden, ist jedoch unsicher. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. • Liegt dagegen ein Verdacht auf ein iatrogenes Cushing-Syndrom vor, wird zunächst der ACTHStimulationstest durchgeführt. Zur Diagnostik eines spontanen Hyperadrenokortizismus wird der ACTH-Stimulationstest nicht mehr empfohlen (siehe unten). 75 76 Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse Durchführung fahr der Verkeimung mit der Folge fehlerhafter Resultate. 0,02 mg/kg KGW (modifizierter LDDST; Hämmerling u. Hoppen 2004) (Tab. 9.5) • zweite Blutentnahme 4 Stunden nach Injektion • dritte Blutentnahme 8 Stunden nach Injektion Am Tag zuvor verabreichtes Prednisolon wird bei der Messung von Cortisol mitgemessen, es kommt zu falsch erhöhten Werten. • erste Blutentnahme zur Messung des basalen Cortisols • sofort im Anschluss Dexamethason i. v. Injektion von Die Vorteile der Dosierung von 0,02 mg/kg sind: • weniger Dosierungsfehler bei kleinen Hunderassen < 10 kg KGW • weniger falsch positive Ergebnisse Für vergleichbare Ergebnisse sollte das Prozedere der Testdurchführung möglichst immer gleich sein. Fehlerquellen • Bei Zwergrassen erfordert die Dosierung des Dexame- thason ein sehr genaues Abmessen. Das z. T. äußerst geringe Volumen darf nicht in der Kanüle oder im Venenkatheter verbleiben. Durch sofortiges Nachinjizieren von physiologischer NaCl-Lösung kann dies vermieden werden. • Um mehr Volumen zu erhalten, kann die benötigte Menge Dexamethason mit physiologischer NaCl-Lösung verdünnt werden. Es ist jedoch zu beachten, dass die Verdünnung nur kurz zuvor vorgenommen werden darf, da sie nicht haltbar ist, auch nicht im Kühlschrank. • Dexamethason muss im Kühlschrank gelagert werden. • Eine baldige Zentrifugation der Blutprobe nach der Blutentnahme verhindert eine Hämolyse und die Ge- Interpretation Die Sensitivität des LDDST liegt bei 97 %, die Spezifität bei 70 %. Die Testergebnisse müssen immer im Zusammenhang mit Anamnese, klinischer Symptomatik und allen anderen Laborbefunden interpretiert werden (Tab. 9.4, S. 74). Bei der Durchführung mit 0,01 mg/kg KGW Dexamethason liegt zur Unterscheidung zwischen gesunden Hunden und Hunden mit Hyperadrenokortizismus der Diskriminationslevel 8 Stunden später bei einem Cortisolspiegel von 1,4 µg/dl (Feldman u. Nelson 1996). Bei diesem Cortisolspiegel werden sicherlich die meisten Hunde mit Cushing-Syndrom erfasst, jedoch nicht immer die Hunde mit einer milden Form des Hyperadrenokortizismus (Abb. 9.24). • Beim Abfall der Cortisolwerte auf < 0,2 µg/dl nach 4 und 8 Stunden ist ein Hyperadrenokortizismus ausgeschlossen. • In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle eines hypophysären Hyperadrenokortizismus ist der 4-StundenWert niedriger als der Basal- und der 8-Stunden-Wert (Feldman u. Nelson 1996). • In etwa 80 % der Fälle eines adrenalen Hyperadreno­ kortizismus erfolgt keine nennenswerte Erniedrigung des 4-Stunden-Wertes (Rijnberk et al. 1988) (Abb. 9.24). • Die Erniedrigung des Cortisol-Diskriminationslevels von 1,4 µg/dl auf 0,5 µg/dl erlaubt eine bessere Erfassung auch der milden Fälle eines Hyperadrenokortizismus (s. auch Kap. 17, S. 114). Im LDDST ist Cortisol nicht zu supprimieren bei: • adrenalem Hyperadrenokortizismus durch Nebennierentumor (autonome Cortisolsekretion) (S. 61) Tab. 9.5 Protokoll LDDST 0,02 mg/kg KGW.1 1 Zeitpunkt Maßnahme Bemerkungen 0 Blutentnahme für ersten Cortisolwert (Basalwert) • Testbeginn möglichst morgens • Probenversand generell zentrifugiert (Serum oder Heparin-Plasma) i. v. Injektion von 0,02 mg/kg KM wässrigem ­Dexamethasondihydrogenphosphat • Dexamethason muss im Kühlschrank aufbewahrt werden! • keine gelagerten Verdünnungen verwenden nach 4 Stunden Blutentnahme für zweiten Cortisolwert nach 8 Stunden Blutentnahme für dritten Cortisolwert • baldige Zentrifugation der Probe verhindert ­Hämolyse In der Literatur ist auch die Dosierung 0,01 mg/kg Dexamethason beschrieben. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Modifizierter LDDST Nach 0,01 mg/kg Dexamethason kann auch bei gesunden Hunden das supprimierte Cortisol bereits 6 Stunden später wieder ansteigen. Dieser zu frühe Anstieg kann zu falsch positiven Interpretationen führen: Der Hyperadrenokortizismus wird überdiagnostiziert. Nach 0,02 mg/kg KGW Dexamethason hält bei gesunden Hunden die Suppression deutlich länger als 8 Stunden an. Gesunde und kranke Tiere können klarer abgegrenzt werden (Hämmerling u. Hoppen 2004; Prinzip der Suppression, S. 75). 9 Caniner Hyperadrenokortizismus 77 Basalwert 4-Stunden-Wert 8-Stunden-Wert Diagnose großer Schwankungsbereich (Referenzbereich: 1,5–3,5 µg/dl) < 0,2 µg/dl < 0,2 µg/dl kein spontaner Hyperadrenokortizismus 0,2–0,5 µg/dl 0,2–0,5 µg/dl Verdacht auf Hyperadrenokortizismus > 0,5 µg/dl > 0,5 µg/dl milder Hyperadrenokortizismus, CushingSyndrom • Tumor der melanotropen Zellen der Pars intermedia (Dexamethason-resistent) • ektopem ACTH-Syndrom Bei zweifelhaftem Testergebnis sollte nach Ausschluss anderer Erkrankungen mit gleicher Symptomatik der LDDST nach 8–12 Wochen wiederholt werden. High-dose-Dexamethason-Suppressionstest (HDDST) Indikation zismus gelingen. Im Idealfall kann die hohe Dosis Dexamethason das vom Nebennierenrinden-Tumor autonom sezernierte Cortisol auch nicht oder nur ungenügend supprimieren. Der HDDST wird in der Praxis nur noch äußerst selten angewendet, da die Differenzierung nicht ausreichend sicher erfolgt. Die sonografische Untersuchung ergibt eine größere Sicherheit im Auffinden eines adrenalen Tumors. Selbst bei einem positiven Befund des HDDST auf einen adrenalen Tumor sollten vor einer Adrenalektomie immer zusätzlich eine Sonografie des Abdomens und eine Röntgenuntersuchung des Thorax durchgeführt werden (S. 81). Durchführung Hinsichtlich der Durchführung und Pro- Der HDDST wird nur nach vorangegangenem LDDST durchgeführt. Nach einem LDDST ohne eindeutige Erniedrigung der Cortisolwerte kann mit dem HDDST die Differenzierung von hypophysärem und adrenalem Hyperadrenokorti- bengewinnung gelten die gleichen Grundsätze wie für den LDDST. Die Dosierung von Dexamethason beträgt beim HDDST 0,1 mg/kg KGW i. v. (Tab. 9.7). Interpretation Siehe Tab. 9.8. Tab. 9.7 Protokoll HDDST 0,1 mg/kg KGW i. v. Zeitpunkt Maßnahme Bemerkungen 0 Blutentnahme für ersten Cortisolwert (Basalwert) • Testbeginn möglichst morgens • Probenversand generell zentrifugiert (Serum oder HeparinPlasma) i. v. Injektion von 0,1 mg/kg KM wässrigem Dexa­ methasondihydrogenphosphat • Dexamethason muss im Kühlschrank aufbewahrt werden! • keine gelagerten Verdünnungen verwenden nach 4 Stunden Blutentnahme für zweiten Cortisolwert • baldige Zentrifugation der Probe verhindert Hämolyse nach 8 Stunden Blutentnahme für dritten Cortisolwert Tab. 9.8 Auswertung HDDST-Protokoll mit 0,1 mg/kg KGW i. v. Basalwert 4-Stunden-Wert 8-Stunden-Wert Diagnose großer Schwankungs­ bereich (Referenzbereich: 1,5–3,5 µg/dl) Suppression über 50 % zum Basalwert oder < 1,4 µg/dl Suppression über 50 % zum Basalwert oder < 1,4 µg/dl Bestätigung des hypophysären Hyperadrenokortizismus in 80 % der Fälle Suppression unter 50 % zum Basalwert oder > 1,4 µg/dl Suppression unter 50 % zum Basalwert oder > 1,4 µg/dl adrenaler Hyperadrenokortizismus oder Tumor der melanotropen Zellen der Pars intermedia oder ektopes ACTH-Syndrom Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Tab. 9.6 Auswertung LDDST-Protokoll mit 0,02 mg/kg (Werte Endokrinologie TiHo Hannover). Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse Cortisol:Kreatinin-Ratio (C:C-Ratio) nach Rijnberk Synonym Urinary Corticoid:Creatinin Ratio (UCCR) Indikation Verdacht auf ein Cushing-Syndrom und Differenzierung zwischen hypophysärem und adrenalem Cushing-Syndrom. Prinzip Im Gegensatz zum herkömmlichen Dexamethason-Suppressionstest wird das Dexamethason oral als Tabletten verabreicht und nachfolgend das Cortisol in Rela­tion zum Kreatinin im Urin (UCCR) gemessen (S. 74). Das Sammeln des Urins durch den Besitzer in der gewohnten Umgebung des Hundes kann im Gegensatz zur dreimaligen Blutentnahme weniger Stress für den Hund bedeuten und damit einer stressbedingten Erhöhung des Cortisols entgegenwirken. Die Messung des Cortisols im Urin hat den Vorteil, den Durchschnittswert der pulsatilen Sekretion während der Sammelperiode zu reflektieren. Beim Menschen ist die Messung des ausgeschiedenen Cortisols im Harn über 24 Stunden wegen der im Gegensatz zum Hund zirkadianen Rhythmik der Cortisolsekretion eine zuverlässigere Methode bezüglich der Cortisolproduktion als eine einmalige Messung des Cortisols im Blut. Da das mehrmalige Auffangen des Harns über 24 Stunden beim Hund nicht gut durchführbar ist, wird das sezernierte Cortisol über 2 Tage im zur gleichen Zeit gesammelten Morgenurin „gepoolt“ und in Relation zum ausgeschiedenen Kreatinin gesetzt. Die basalen Cortisol:Kreatinin-Ratios (C:C-Ratios) der Hunde mit Hyperadrenokortizismus sind höher als die der gesunden Hunde. Die erhöhte basale C:C-Ratio erlaubt jedoch keine sichere Differenzierung zwischen hypophysärem und adrenalem Hyperadrenokortizismus (Galac et al. 1997). Die dreimalige orale Dexamethason-Suppression mit 0,01–0,02 mg/ kg Dexamethason (LDDST mit UCCR) am 2. Tag gewährleistet bei gesunden Hunden eine Suppression des Cortisols über 24 Stunden (Vaessen et al. 2004). Der Wert des 3. Tages wird mit den Mittelwerten der 2 vorangegangenen Tage verglichen (Rijnberk et al. 1988). Mit diesem Test kann eine Diskriminierung zwischen gesund und Vorliegen eines Hyperadrenokortizismus erfolgen. Nach einer dreimaligen oralen Gabe von 0,1 mg Dexamethason/kg (HDDST mit UCCR) kann anhand der Suppression eine Unterscheidung zwischen hypophysärem und adrenalem Cushing-Syndrom getroffen werden (Galac et al. 1997). Untersuchung versendet werden. Die Sensitivität dieses Tests bezüglich des Ausschlusses eines spontanen Cushing-Syndroms liegt bei 99 %, ein negativer Befund < 10 × 10–6 der ersten 2 Tage schließt ein Cushing-Syndrom ziemlich sicher aus. Bei Unsicherheit durch leichte Abweichungen zum gesunden Tier können Messungen über mehrere aufeinanderfolgende Tage eine bessere Diskriminierung ergeben. Die Spezifität dieses Tests ist jedoch geringer, da Hunde und Katzen mit verschiedenen Krankheiten (z. B. Hyperthyreose, nephrogene Erkankungen) und unter Stress vermehrt Cortisol produzieren bzw. unterschiedlich metabolisch verstoffwechseln können. Daher ist vor der Durchführung des Tests eine gute Selektion der verdächtigen Patienten durch Ausschließen aller Differenzialdiagnosen notwendig. Durchführung Der Morgenurin von 3 aufeinanderfol- genden Tagen wird getrennt gesammelt, der Hund sollte abends jeweils zu etwa der gleichen Zeit die Blase entleert haben. Nach dem Auffangen des Harns am Morgen des 2. Tages erfolgt die dreimalige Eingabe der Dexamethason-Tabletten im Abstand von 8 Stunden (Tab. 9.9). Interpretation Zur Interpretation der Ergebnisse nach der Testdurchführung über 3 Tage und mit dem Analyseverfahren von Rijnberk siehe Tab. 9.10. C:C-Ratio-Mittelwert beim gesunden Hund: 8,3 × 10–6. 9.6.3 ACTH-Stimulationstest Indikation • Diagnose eines iatrogenen Hyperkortisolismus (S. 63) • Diagnose einer primären Nebenniereninsuffizienz (S. 93) • Therapiekontrolle des Hyperadrenokortizismus (S. 85) In Abhängigkeit von der Dauer und der Art der verabreichten GK können niedrige und kaum stimulierbare Tab. 9.9 Protokoll C:C-Ratio-Test. Zeitpunkt Maßnahme Bemerkungen 1. Tag Morgenurin sammeln für C:C-Ratio 2. Tag Morgenurin sammeln für C:C-Ratio gleicher Zeitpunkt (auch des Abendspaziergangs) Vor- und Nachteile Für den Hund ist die Testdurchfüh- rung weniger invasiv durch den Wegfall der dreimaligen intravenösen Probennahme. Jedoch sind das pünktliche Sammeln von Morgenurin und die genaue Testdurchführung über 3 Tage durch den Besitzer erforderlich. Der gesammelte Urin muss bei +4 °C gelagert und sofort zur 3. Tag nach der zweiten Morgen­ urinprobe: • 0, 01 mg/kg KM Dexamethason p.o. (LDDST) oder • 0,1 mg/kg KM Dexamethason p.o. (HDDST) 3 × im Abstand von 8 Stunden (z. B. 6, 14, 22 Uhr) – Morgenurinprobe sammeln für C:C-Ratio s. o. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 78 9 Caniner Hyperadrenokortizismus Tab. 9.11 Protokoll ACTH-Stimulationstest. Zeitpunkt Wert Diagnose Zeitpunkt Maßnahme Bemerkungen Tag 1 und 2 < 10 × 10–6 gesunder Hund 0 10–16 × 10–6 Verdacht Tag 3 LDDST > 16 × 10–6 Hyperadrenokortizismus Blutentnahme für ersten Cortisolwert (Basalwert) Serum oder HeparinPlasma, Probenversand generell zentrifugiert Tag 3 HDDST Erniedrigung von hypophysärer Cushing > 50 % gegenüber dem Mittel der ersten zwei Tageswerte Erniedrigung von < 50 % gegenüber dem Mittel der ersten zwei Tageswerte adrenaler Tumor oder Dexamethasonresistenter Tumor der Pars intermedia Werte gemessen werden (Tab. 9.1, s. iatrogenes CushingSyndrom, S. 63, S. 65). Aufgrund der unterschiedlichen ­klinischen Symptome besteht meistens kein Zweifel, ob es sich um einen Morbus Addison oder ein iatrogenes Cushing-Syndrom handelt. Zur labordiagnostischen Unterscheidung zwischen spontanem Morbus Addison und iatrogenem Cushing-Syndrom kann das endogene ACTH gemessen werden (S. 93). Prinzip Synthetisches ACTH regt die Nebenniere sehr schnell zur vermehrten Cortisolsynthese an. Die Dosierung erfolgt unabhängig vom Körpergewicht. Vorteile Der Test ist innerhalb von 1 Stunde durchführbar. Nachteile Wesentlich geringere Sensitivität als der LDDST. Das injizierte ACTH kann in vielen Fällen des spontanen Cushing-Syndroms zu keiner weiteren Steigerung des Cortisols führen. Es ist keine Differenzierung zwischen hypophy­ särem und adrenalem Cushing-Syndrom möglich. Daher wird der ACTH-Stimulationstest nicht mehr zur Diagnose eines spontanen Hyperadrenokortizismus empfohlen (Feldman 2005). Durchführung Das ACTH (Synacthen®, 1 Amp. 25 IE = 0,25 mg Tetracosactid) sollte immer intravenös verabreicht werden (Tab. 9.11). Interpretation Siehe Tab. 9.12. 9.6.4 Messung des endogenen ACTH Prinzip Über das endogene ACTH können Rückschlüsse auf die NNR-Funktion und die Hypothalamus-Hypophysen-Nebenierenrinden-Achse gezogen werden (iatro­ge­nes Cushing-Syndrom, S. 63). Da das endogene ACTH i. v. Injektion von Synacthen® muss im Kühlschrank aufbe1 Am­pulle (0,25 mg) wahrt werden! synthetisches ACTH (Synacthen® Injektionslösung) nach 1 Stunde Blutentnahme für zwei- s. o. ten Cortisolwert Tab. 9.12 Auswertung ACTH-Stimulationstest (vgl. Morbus Addison, S. 93). Basalwert 1-Stunden-Wert großer Schwan- < 0,2–< 2,0 µg/dl kungsbereich, 1,5–3,5 µg/dl Diagnose iatrogenes CushingSyndrom oder Morbus Addison 6,0–17 µg/dl, physiologisch spontanes Cushing-Syndrom möglich iatrogenes Cushing-Syndrom ausgeschlossen > 17–21 µg/dl, zweifelhaft Verdacht auf ein spontanes Cushing-Syndrom > 22 µg/dl, positiv spontanes Cushing-Syndrom wahrscheinlich in Blut und Plasma gegenüber proteolytischen Enzymen instabil ist, sind die gemessenen Werte abhängig von Probenentnahme und Testverfahren. Die hier beschriebenen Werte sind in EDTA-Plasma mit Aprotininzusatz mittels Chemilumineszenz (DPC Biermann GmbH in der Endokrinologie Hannover) gemessen worden. Indikation Endogenes ACTH wird nur im Zusammenhang mit Dexamethason-Suppressionstests gemessen und kann zur Differenzierung und Unterscheidungshilfe dienen zwischen • hypophysärem und adrenalem Hyperadrenokortizismus (Sonografie, S. 81), • hypophysärem und iatrogenem Cushing-Syndrom, • iatrogenem Cushing-Syndrom und Morbus Addison, • ektopem ACTH-Syndrom. Durchführung und Nachteile Das canine ACTH wird in Serum und Plasma durch Enzyme sehr schnell abgebaut, sodass eine Bestimmung nach Lagerung bei Raumtemperatur über wenige Stunden keine verwertbaren Ergebnisse mehr bringt. Das EDTA-Plasma muss daher sofort bei – 20 °C tiefgefroren und auf Trockeneis verschickt werden oder es kann durch Zusatz von ProteaseInhibitoren, z. B. Aprotininzusatz (Trasylol®), stabilisiert Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Tab. 9.10 Auswertung C:C-Ratio-Test nach Rijnberk. 79 Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse werden; dann sinkt bei normalem Postversand innerhalb von 24 Stunden die ACTH-Konzentration höchstens um 10 %. Tab. 9.13 Auswertung der Messung des endogenen ACTH (TiHo Hannover, Endokrinologie) (siehe auch Tab. 11.2, S. 98). Das endogene ACTH variiert in einem großen Bereich, der klare diagnostische Aussagen erschwert. Interpretation Theoretisch müsste das endogene ACTH beim hypophysären Cushing-Syndrom über dem Normbereich, beim adrenalen Tumor darunter liegen (Physiologie, S. 14). In einer großen Zahl der Fälle von unbehandeltem hypophysärem Hyperadrenokortizismus liegt das endogene ACTH jedoch im Referenzbereich oder bei einigen Hunden nur wenig darüber. Eine mögliche Erklärung für diesen Widerspruch liegt in der Charakteristik der modernen ACTH-Assays begründet: Üblicherweise werden heute Sandwich-Assays mit jeweils einem monoklonalen Antikörper eingesetzt, der gegen den N-terminalen Teil des ACTH gerichtet ist, und einem zweiten Antikörper, der gegen den C-terminalen Teil gerichtet ist. Dadurch erhält das Messverfahren eine hohe Spezifität für das intakte Hormon, während größere oder kleinere POMC-Fragmente nicht miterfasst werden. Diese Fragmente werden jedoch vermehrt von Hypophysenadenomen sezerniert (Physiologie, S. 14) und besitzen teilweise adrenokortikotrope Eigenschaften, die für die CushingSymptomatik letztlich verantwortlich sind. Beim adrenalen Tumor dagegen liegt ACTH klar unterhalb des Messbereichs (Gould et al. 2001; Reusch u. Feldman 1991). Beim spontanen Morbus Addison ist das endogene ACTH sehr hoch, beim iatrogenen Cushing-Syndrom liegt es immer unter der Nachweisgrenze. Wird durch Sonografie ein adrenaler Tumor bestätigt und das endogene ACTH ist nicht unter den Normbereich erniedrigt, kann gleichzeitig ein hypophysärer Tumor vorliegen (van Sluijs et al. 1995). Unter der Therapie mit Mitotan und Trilostan (S. 85) kommt es ebenfalls zur Erhöhung des endogenen ACTH (Witt et al. 2004) (Tab. 9.13). 9.6.5 Desmopressin-Stimulationstest Indikation Diagnostik des hypophysären Hyperadrenokortizismus mit Ausschluss eines adrenalen Hyperadrenokortizismus. Prinzip Die ACTH-Sekretion wird von CRH und Arginin- vasopressin (AVP) stimuliert. Desmopressin ist ein synthetisches Analog des hypophysären AVP. Die Injektion von Desmopressin führt zu einer Steigerung von ACTH und Cortisol bei Patienten mit hypophysärem Hyper- Wert1 Diagnose 5–> 40 pg/ml hypophysäres CushingSyndrom < 5 pg/ml (unterhalb der Nachweisgrenze) iatrogenes Cushing-Syndrom, Nebennierenrindentumor > 100 pg/ml iatrogener Morbus Addison unter Trilostan- bzw. MitotanTherapie, spontaner Morbus Addison Normalwert: 5–40 pg/ml, Graubereich: bis 100 pg/ml (TiHo Hannover, Endokrinologie). 1 adrenokortizismus, nicht jedoch mit adrenalem Tumor. Desmopressin bindet an hypophysäre Vasopressin-Rezeptoren (V2R, V3R), die sowohl von hypophysären Tumoren als auch von Tumoren mit ektoper ACTH-Sekre­ tion vermehrt exprimiert werden (Tsagarakis et al. 2002). In der Humanmedizin wird der Desmopressin-Test seit einigen Jahren in der Cushing-Diagnostik eingesetzt, sowohl alleine als auch in Kombination mit CRH-Stimulation und Low-dose-Dexamethason-Suppression (Pecori Giraldi et al. 2007). Durchführung In einer prospektiven Studie wurde an Hunden mit Verdacht auf ein Cushing-Syndrom Desmopressin im Hinblick auf Sensitivität und Spezifität zur Diskriminierung eines adrenalen Tumors getestet. Desmopressin wurde als Bolus mit 4 µg/Hund i. v. injiziert. Blutproben wurden davor sowie 30, 60 und 90 Minuten danach genommen. Ergebnis Cortisol stieg bei Hunden mit hypophysärem Cushing signifikant an (Mittel 51 %), nicht jedoch bei Hunden mit adrenalem Tumor (Mittel – 12 %) oder anderweitig erkrankten Hunden (Mittel + 7 %). Bei einem Cut-Off von 10 % Anstieg über dem Basalwert konnte ein adrenaler Tumor bei 75 % der Patienten ausgeschlossen werden (Zeugswetter et al. 2008). Weitere Studien sind jedoch erforderlich, bevor der Test als praxistauglich empfohlen werden kann. 9.6.6 Diagnostik des ektopen ACTH-Syndroms Das ektope ACTH-Syndrom ist gekennzeichnet durch (Galac et al. 2005): • Unempfindlichkeit des Cortisols auf LDDST und HDDST, • hohe endogene ACTH-Werte, • keine weitere Erhöhung von ACTH und Cortisol durch Stimulation der Hypophyse mit CRH. Die Sonografie zeigt beidseitig vergrößerte Nebennieren, vergleichbar mit einem hypophysären Cushing, eine Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 80 9 Caniner Hyperadrenokortizismus CT- oder MRT-Untersuchung der Hypophyse zeigt jedoch keine tumorösen Veränderungen. Zur Diagnostik der ektopen Tumoren sind Sonografie, CT oder MRT der Lungen und des Abdominalbereichs notwendig. Adrenale Karzinome können in die Lunge metastasieren, ektope Tumoren mit ACTH-Sekretion können in der Lunge lokalisiert sein. Thoraxaufnahmen in mehreren Ebenen sind daher bei Verdacht auf ein Cushing-Syndrom immer ratsam. Weiterhin können Mineralisierungen der Bronchien, der Trachealringe und der überlagernden Haut bei Calcinosis cutis sichtbar sein. Herdförmige Verschattungen können auf eine pulmonale Thromboembolie hinweisen. Das weitere Vorgehen mit Beratung zur Prognose, Diagnostik und Therapie ist bei Lungenmetastasen und Tumoren komplex zu überdenken. Abdomen Die Lebervergrößerung kann gering bis sehr stark ausgebildet sein. 80–90 % aller Cushing-Patienten zeigen röntgenologisch eine Hepatomegalie. Mineralisierungen in der Leber deuten auf eine tumoröse Erkrankung. Eine große Harnblase ist bei PU/PD erkennbar. Eine verdickte Blasenwand ist Zeichen einer chronischen Entzündung. Eine Adrenomegalie ist röntgenologisch nur bei Ver­ kalkung sichtbar. Ein NNR-Tumor muss groß und mineralisiert sein, um als röntgendichte Masse kraniomedial der Nieren sichtbar zu sein. Die Größe und Mineralisierung sagt nichts über seine Dignität aus. Bei der Katze können verkalkte Nebennieren physiologisch sein. Durch Fettumverlagerung ins Omentum stellt sich die Wirbelsäule klarer dar. Dadurch kann der Eindruck einer Entmineralisierung der Wirbelkörper verstärkt sein. Die verminderte Knochendichte durch Entkalkung ist röntgenologisch jedoch erst sichtbar, wenn sie um ein Drittel abgenommen hat. 9.6.8 Sonografie Nebennieren Indikationen Cush­ Interpretation (gesunde Tiere) Die NN liegen beidseits neben den kraniomedialen Nierenpolen. Die Nieren sind lagevariabel. Die Nebennieren sind dorsoventral abgeflacht und von variabler Länge (2–3 cm). Die Dicke beträgt 4–8 mm (Hund) bzw. 4–5 mm (Katze) (Messung in der Mitte). Es bestehen Unterschiede hinsichtlich Gestalt mit individueller Varianz. Die linke NN besitzt Erdnuss-ähnliche Form und liegt ventrolateral zur Aorta, zwischen dem Ursprung der linken Arteria renalis und der kranialen Arteria mesenterica. Sie ist bei manchen Patienten leichter zu finden als die rechte Nebenniere. Die rechte NN ist bohnenförmig. Sie liegt mehr kranial als die linke NN, dorsolateral der Vena cava caudalis angelehnt, zwischen kranialem Nierenpol und kaudalem Leberfortsatz. Rippen und Darmgase können die Sicht erschweren. Die V. abdominale cranialis verläuft direkt über die Mitte der jeweiligen NN. Das Parenchym der gesunden NN ist homogen und hypoechogen, die Kapsel klar vom umliegenden Gewebe abgrenzbar. NN-Rinde und -Mark sind voneinander zu unterscheiden. Häufige Befunde beim Nebennierenrindentumor (NNR-Tumor) Bei NNR-Tumoren besteht eine große Variationsbreite hinsichtlich der sonografischen Bilder. Die Sonografie erlaubt keine Unterscheidung zwischen benignem/ malignem Tumor, einem nicht Cortisol-sezernierenden adrenalen Tumor (evtl. mit vermehrter Sekretion von adrenalen Geschlechtshormonen) und einem Phäochromozytom (S. 155). Je größer der Durchmesser der Umfangsvermehrung (> 2 cm), desto wahrscheinlicher ist ihre Malignität, Tumoren mit Umfängen von > 4 cm sind nahezu immer maligne. Aber auch kleine Tumoren können bösartig sein. Die kontralaterale, gesunde Nebenniere ist entweder unauffällig, sehr schmal oder nicht darstellbar. NNR-Tumoren treten in der Mehrzahl unilateral auf, sie können aber auch beidseitig vorkommen. Sie sind sonografisch kaum von einer irregulären, nodulären Hyper- Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Thorax ing-Syndrom • Metastasensuche Technik Linearer Schallkopf; bei Hunden > 20 kg: 7,5 MHz; bei Hunden < 20 kg: 7,5–10 MHz; bei Katzen: > 10 MHz. Die Lagerung erfolgt für die linke Nebenniere (NN) in Rückenlage, für die rechte NN in linker Seitenlage. Die Sonografie der NN sollte nicht als alleinige Methode zum Nachweis eines Cushing-Syndroms genutzt werden. 9.6.7 Röntgenuntersuchung • immer zusätzlich zur Funktionsdiagnostik • Unterscheidungshilfe adrenales/hypophysäres 81 Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse plasie durch hypophysären Hyperadrenokortizismus zu unterscheiden. NNR-Tumoren können eine fokale (Knoten) oder eine diffuse Zunahme der Breite (> 8 mm) und eventuell auch der Länge, hervorrufen (Abb. 9.25). Das Parenchym zeigt sich homogen oder heterogen, bei großen Tumoren stellt es sich häufig mit anechogenen Läsionen dar (evtl. adrenale Nekrose oder Hämorrhagien bei schnellem Tumorwachstum). Die Mineralisation der NN kann sowohl bei benignen/malignen Tumoren als auch in hyperplastischen NN vorkommen. Die Invasion in die umliegenden Gefäße meist von Vena cava caudalis und V. renalis ist spezifisch für maligne Tumoren (Abb. 9.26). Eine vaskuläre Invasion ist eventuell nicht von einer Kompression der Gefäße oder von Blutpfropfen zu unterscheiden. Häufige Befunde bei hypophysärem Hyperadrenokortizismus In 30 % der Fälle mit hypophysärem Hyperadrenokortizismus (milde Form/kurze Dauer) findet sich eine normale Breite der NNR, meist ist sie jedoch erhöht. Hyperplasien sind primär mit einer Dickenzunahme verbunden. Die typische Erdnussform ist erhalten, dabei wirkt die NN aber plump oder klobig aufgetrieben. Bei einigen Patienten finden sich ungleich vergrößerte NN, an einen Tumor erinnernd. Das Parenchym ist meist homogen und hypoechogen. Gelegentlich sind fokale Areale mit inhomogener echoreicher Textur vermutlich als Hinweis auf noduläre Hyperplasie darstellbar, die aber nicht zu unterscheiden sind von NNR-Tumoren oder anderen NN-Läsionen (Abb. 9.27). Deshalb sind zusätzlich zur Sonografie Funktionsteste notwendig. Häufige Befunde beim iatrogenen Cushing-Syndrom Die NN beim iatrogenen Cushing-Syndrom sind verkleinert oder normal groß. Form und Textur sind unauffällig. Andere Organe Abb. 9.25 NNR-Tumor, sehr groß, mit Kontakt zu der darunter gelegenen V. cava candalis. (Foto: J. Kresken, Duisburg) Indikation Differenzialdiagnostik bei PU/PD, Hepathopatien und Alopezie (Tab. 9.4, S. 74): • Leber: ultraschallgeführte Feinnadelaspiration der Leber, Metastasensuche • Nieren: PU/PD, Größenvergleich von NNR-Tumor zu Nieren (benigne/maligne) • Keimdrüsen: Alopezie durch ovarielle Dysfunktionen oder Hodentumoren (S. 122) • Uterus: PU/PD durch Pyometra • Schilddrüsen: Alopezie durch Hypothyreose (S. 25) Die Steroidleber kann vielfältige unspezifische Veränderungen zeigen. Sie ist meistens stumpfrandig vergrößert und echoreicher. Die Textur kann homogen, fokal inhomogen, generalisiert diffus inhomogen oder „mottenfraßlöchrig“ sein. Die Veränderungen scheinen bisweilen so dramatisch, dass sie fälschlich einem Lebertumor oder NN-Metastasen zugeordnet werden. Die Schwere der Lebertexturveränderungen korreliert nicht mit der Schwere des Cushing-Syndroms (S. 44, Hepatomegalie). Zur Abgrenzung von primären Lebererkrankungen oder Metastasen ist eine Feinnadelaspiration der Leber sehr hilfreich. Abb. 9.26 Maligner NNR-Tumor mit Einbruch in die V. cava candalis. (Foto: J. Kresken, Duisburg) Das histologische Bild der Steroidhepatopathie mit nicht fettiger, vakuoliger Degeneration und Schwellung der Hepatozyten ist spezifisch für ein iatrogenes und spontanes Cushing-Syndrom. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 82 a c b d Abb. 9.27 Häufige Befunde bei hypophysärem Hyperadrenokortizismus. a Vergrößerte linke Nebenniere in typischer Erdnussform. Sichtbar die zentralen echogenen (weißen) Areale des NN-Marks. Am vorderen Pol (Kreis) Hinweise auf Fibrose, vermutlich infolge Gewebsnekrose. b Vergrößerte rechte Nebenniere in typischer Bohnenform. c Lage der vergrößerten linken Nebenniere zur Niere mit Schallkopf 6,6 Mhz. d Lage der vergrößerten rechten Nebeniere zur Niere mit Schallkopf 6,6 Mhz. (Bilder: J. Kresken, Diusburg) 9.7 Therapie Die Therapieformen sind abhängig von der Ätiologie des Cushing-Syndroms. Beim iatrogenen Cushing-Syndrom ist das Ziel die Beseitigung der cushingoiden Symptome und die Erholung der atrophierten NNR. Dazu ist keine spezielle Therapie möglich und auch nicht erforderlich, sondern ein allmähliches Absetzen der vorangegangenen GK-Verabreichung. Die Dauer des Ausschleichens ist abhängig von der Schwere der NNR-Atrophie, die anhand der Stimulierbarkeit des Cortisols im ACTH-Stimulationstest (S. 78) einschätzbar ist. Ein zu schnelles Absetzen der Glukokortikoide kann zum klinischen Bild eines Morbus Addison führen (S. 93). Nach mehreren Wochen Wartezeit kann ein ACTH-Test mittels gut stimulierbarer Cortisolwerte über die Erholung der NNR-Atrophie Auskunft geben. Je nach vorliegenden Erkrankungen und Bedarf an entzündungshemmenden oder immunsupprimierenden Medikamenten ist eventuell ein Wechsel von Glukokortikoiden zu nichtsteroidalen Antiphlogistika, Antihistaminika, Cyclosporin A oder anderen Immunsuppressiva möglich. Bei den spontanen Formen des Hyperadrenokortizismus ist das Behandlungsziel eine Reduktion der pathologisch erhöhten Cortisolsynthese und damit die Verbesserung der Lebensqualität. Zur Wahl stehen medikamentöse und chirurgische Therapien. Die geeignete Therapieform und die Prognose sind abhängig von • der Ätiologie, • dem Vorhandensein maligner Tumoren und Metastasen, 83 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 9 Caniner Hyperadrenokortizismus Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse • dem Alter der Tiere, • der gesamten klinischen Situation (ermittelt durch ­Laboruntersuchungen und bildgebende Verfahren). Entscheidend sind ebenfalls die finanzielle Bereitschaft und Zuverlässigkeit der Besitzer bei der medikamentösen Therapie und der notwendigen Kontrollen. Vor Therapiebeginn sollte daher eine möglichst verständliche Aufklärung der Besitzer über die Erkrankung und die Risiken der Therapie erfolgen. Schriftliche Therapie­pläne (Abb. 9.28) erleichtern den Umgang mit der Erkrankung. Beim hypophysären Cushing-Syndrom ist die beste Behandlungsmethode die transphenoidale Hypophy­ sektomie (Meij u. Björn 2001) (S. 90). Da diese Operation eine vorherige Untersuchung mit dynamischem CT erfordert (van der Vlugt-Meijer et al. 2003) und bislang nur in Utrecht vorgenommen wird, werden die meisten Fälle medikamentös behandelt. Das Wachstum der Adenome bzw. der malignen Tumoren in der Hypophyse wird durch die medikamentöse Therapie nicht aufgehalten. Beim adrenalen Cushing-Syndrom ist bei einem unilateralen NN-Tumor eine Adrenalektomie indiziert und eine Heilung potenziell möglich (S. 89). Es ist jedoch eine Behandlung der Nebennierenrindenüberfunktion (Cushing-Syndrom) Bei Ihrem Hund ist eine vermehrte Produktion von Cortisol durch eine Überfunktion der Nebennierenrinde festgestellt worden. Zur Therapie werden Ihnen Vetoryl-Kapseln mit 60 mg (Wirkstoff Trilostan) mitgegeben. Dosierung Die Dosierung der Tabletten richtet sich zunächst nach dem Gewicht Ihres Hundes: • < 5 kg: 10 mg 1 × tgl. • ≥ 5 kg und < 10 kg: 30 mg 1 × tgl. • ≥ 10 kg und < 20 kg KM: 60 mg 1 × tgl. • ≥ 20 kg und < 40 kg KM: 120 mg 1 × tgl. • ≥ 40 kg KM: 120–240 mg 1 × tgl. Ihr Hund erhält zunächst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dieses Medikament blockiert die Cortisolsynthese in der Nebennierenrinde reversibel für etwa 12–24 Stunden, danach wird das Cortisol wieder produziert. Bitte kontrollieren Sie genau den Appetit, die Trinkmenge und das Wasserlassen Ihres Hundes, alles sollte weniger werden. Bitte achten Sie darauf, ob auch in der Nacht die Wirkung noch anhält. Besonders während der Anfangsbehandlung müssen vermehrt Blutkontrollen und ACTH-Tests durchgeführt werden, um die optimale Dosierung für Ihren Hund zu ermitteln, die individuell sehr unterschiedlich sein kann. Wenn die klinischen Symptome und Beschwerden des Hundes über 24 Stunden anhaltend weniger werden, werden die Tests nach 10 Tagen, 4 Wochen, 12 Wochen und danach alle 3 Monate durchgeführt. Die ACTH-Tests müssen 3–4 Stunden nach der morgendlichen Tablettengabe durchgeführt werden! Sollte Ihr Hund Nebenwirkungen zeigen wie Apathie, Erbrechen oder sollte er nicht mehr fressen und trinken, ­ eben Sie ihm bitte ein Rectodelt®-Zäpfchen, das Sie sich vor Beginn der Therapie aus der Apotheke mit beiliegeng dem Rezept holen. Bitte telefonieren Sie mit uns bei Veränderungen Ihres Hundes! Abb. 9.28 Handzettel Trilostan (Vetoryl®). Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 84 9 Caniner Hyperadrenokortizismus Beim fütterungsabhängigen Cushing-Syndrom können die klinischen Anzeichen durch Verabreichung von Trilostan kurz vor der Fütterung vermieden werden (Galac et al. 2008). Das ektope ACTH-Syndrom reagiert auf die medi­ kamentöse Therapie durch Trilostan mit einer Cortisolerniedrigung. Jedoch sind bei festgestellter Lokalisation des Tumors zunächst Versuche einer chirurgischen Exstirpation angezeigt, auch wenn die Prognose wegen der Metastasierungsneigung eher ungünstig ist. Das ektope Tumorwachstum wird durch Trilostan nicht aufgehalten. Die hormonelle Aktivität der Tumorzellen ist dynamisch. Eine Änderung der ACTH- und Cortisolsynthese kann jederzeit eintreten und durch Funktionsteste überprüft werden. 9.7.1 Medikamentöse Therapie Die medikamentösen Therapien zur Reduktion der Cortisolsynthese erfolgen in der Regel lebenslang. Das Ziel ist, Cortisol nur soweit zu reduzieren, dass die physiologischen Wirkungen der Glukokortikoide erhalten bleiben und ein iatrogener Morbus Addison vermieden wird. Trilostan (Vetoryl®) Wirkungsweise Vetoryl® Kapseln enthalten 4α,5epoxysteroid-Trilostan in Pulverform und sind aktuell zugelassen für die Therapie des hypophysären und adrenalen Hyperadrenokortizismus beim Hund. Trilostan ist ein synthetisches, hormonell inaktives Steroidanalogon mit kompetitiv hemmender Wirkung auf die Aktionen des 3β-Hydroxysteroidhydrogenase-Systems (3β-HSD) (Abb. 9.29). Die Vetoryl® Kapseln sollten wegen der besseren Resorption immer mit etwas Futter gegeben werden. Trilostan wird schnell vom Gastrointestinaltrakt resorbiert. Trilostan und sein 1,7-fach aktiver Metabolit Ketotrilostan sind nach 1,5–3 Stunden im Plasma am höchsten, nach 12 Stunden sind sie im Blut nicht mehr nachweisbar. Die durch Trilostan bedingten Effekte verschwinden nach 8–9 Stunden (Vaughan et al. 2008). Weil die Wirkung re- versibel ist, muss die Medikation täglich erfolgen. Beim Stopp der Medikation erfolgt eine schnelle Rückkehr der Hyperkortisolämie innerhalb von 12–24 Stunden. Vetoryl® wird über die Leber verstoffwechselt und über die Nieren ausgeschieden, daher sollten vor der Therapie Leber- und Nierenwerte (Urea und Kreatinin) kontrolliert werden, um schon bestehende Primärerkrankungen zu erkennen. Trilostan wirkt embryotoxisch und darf trächtigen Hündinnen nicht verabreicht werden. Trilostan wird auch über die Haut resorbiert, deshalb sollten schwangere Frauen wegen Abortgefahr mit dem Pulver der Kapseln nicht in Berührung kommen. Auswirkungen von Trilostan Cortisol ist nach 2–6 Stun­ den signifikant erniedrigt mit einem maximalen Tiefstand nach 3–4 Stunden. Der ACTH-Test zur Kontrolle der Therapie sollte 4 Stunden nach Kapselgabe erfolgen. Der signifikante Abfall der Cortisolkonzentration bleibt in den meisten Fällen länger bestehen, als Trilostan im Blut nachweisbar ist. Bei einigen wenigen Hunden ist die Cortisolsuppression besonders kurz. Bei ihnen ist eine zweimalige Dosierung mit Vetoryl® erforderlich (Bell et al. 2006). Das endogene ACTH wird während der kurzzeitigen Blockade der Cortisolsynthese durch die negative Rückkopplung für wenige Stunden stark vermehrt sezerniert und kann während der Langzeittherapie signifikant ansteigen (Sieber-Ruckstuhl et al. 2006; Witt u. Neiger 2004). Das beim hypophysären Cushing-Syndrom chronisch erhöhte endogene ACTH senkt die Aldosteronspiegel im Gegensatz zu den Verhältnissen beim gesunden Hund (Javadi et al. 2004). Unter der Langzeittherapie mit Trilostan sinken die Aldosteronkonzentrationen nach ACTH-Stimulation kontinuierlich ab (Sieber-Ruckstuhl et al. 2006; Wenger et al. 2004). Aldosteron wird jedoch geringer erniedrigt als Cortisol. Die mittleren Kaliumwerte steigen leicht an (RAAS, S. 100). Der Referenzbereich von Aldosteron ist stark abhängig von der Testmethode (hier Javadi et al. 2003): • Kontrollhunde: 118 ± 14 pmol/l • Hunde mit hypophysär bedingtem Hyperadrenokortizismus: 75 ± 9 pmol/l • Hunde mit adrenalem Tumor: 205 ± 109 pmol/l Die basale Reninaktivität ist zwischen gesunden Hunden, Hunden mit adrenalen Tumoren und hypophysärem Cushing-Syndrom nicht signifikant verändert (Javadi et al. 2003; siehe Kap. RAAS, ACTH). Unter der Trilostan- Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. umfassende Aufklärung der Besitzer über die Risiken erforderlich, besonders seit eine medikamentöse Therapie mit Trilostan auch für die Indikation des adrenalen Cushing-Syndroms zugelassen ist. Falls der NN-Tumor inoperabel ist, kann die Therapie mit Lysodren® in hoher Dosierung (75 mg/kg) und vollständiger Zerstörung der NNR Erfolg versprechend sein (Reusch 2007) (S. 88). Die medikamentöse Therapie mit Vetoryl® kann die Symptomatik verbessern, jedoch das Tumorwachstum nicht aufhalten (s. u.). 85 Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse Abb. 9.29 Wirkungsweise von Trilostan. Durch die Blockade der 3β-HSD wird die Steroidbiosynthese in der NNR, den Gonaden und der Plazenta reversibel für etwa 12 Stunden gehemmt. Unter dem hemmenden Effekt von Trilostan steigen die Konzentratio­nen von Pregnenolon, 17α-OH-Pregnenolon und Dehydroepiandrosteron (DHA) signifikant an, während 17α-OH-Progesteron und Andros- tendion sich nicht verändern. Durch die Erniedrigung des Cortisols steigt ACTH an mit vermehrter Umwandlung von Cholesterol zu Pregnenolon und damit zu 17α-OH-Pregnenolon und DHA (siehe auch Kap. Sexualsteroide). Letztere sind die 2 Substrate für das blockierte Enzymsystem, die wiederum kompetitiv gegen Trilostan wirken. Therapie steigt die Plasma-Renin-Aktivität an und bleibt 12 Stunden konstant erhöht, um 20 Stunden später wieder abzufallen (Lehnert 2007). der Therapie atrophierten, kollateralen NNR mit nodulärer Hyperplasie kommen (Reusch et al. 2007). Die wegen des erhöhten Cortisols vorher erniedrigten TSH- und T4-Werte (sekundäre Hypothyreose) steigen unter der erfolgreichen Therapie mit Trilostan wieder an (Kenefick u. Neiger 2008). Das beim hypophysären Cushing-Syndrom vorher erhöhte Parathormon (PTH) und Serum-Phosphat (sekundärer Hyperparathyreoidismus) sinken unter der TrilostanTherapie ab, Kalzium steigt an (Tebb et al. 2005) (S. 180). Die beim hypophysären Hyperadrenokortizismus beidseitig vergrößerten NN nehmen unter der Therapie mit Trilostan weiter an Größe zu mit diffuser oder nodulärer Hyperplasie der NNR (Mantis et al. 2003; Reusch et al. 2007) (Sonografie, S. 81). Bei einem unilateralen Tumor kann es unter Trilostan sowohl zu einer Vergrößerung des Tumors als auch der vor Die histologischen Veränderungen der NNR sind unspezifische Befunde, die durch Trilostan und seine Metaboliten direkt, durch den ACTH-Exzess oder durch andere parallel verlaufende Erkrankungen verursacht sein können. Nekrosen/Apoptosen der NNR mit reaktiver Entzündung, Blutungen und Fibrosierung unter der Therapie mit Trilostan können vereinzelt vorkommen (Chapman et al. 2004; Reusch et al. 2007). Ein adrenaler Zelltod kann für einen klinisch manifesten Hypoadrenokortizismus verantwortlich sein. Dosierung Die Dosierung liegt bei Hunden • bis 10 kg: 2–10 mg/kg KGW, • größerer Rassen: 3,5–5 mg/kg. Die Mehrzahl der Hunde benötigt Vetoryl® nur einmal am Tag, selten ist eine zweimalige Gabe notwendig. Diese Fälle können durch zweimalige ACTH-Stimula­ tionstests nach 4 und 24 Stunden anhand der Cortisol- Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 86 9 Caniner Hyperadrenokortizismus 87 suppression herausgefunden werden (Bell et al. 2006). Bei einer zweimaligen Gabe könnte die Tagesdosis etwas niedriger sein als bei der einmaligen Applikation (Alenza et al. 2006). Wegen der möglichen Nebenwirkungen von Trilostan sollte zunächst eine niedrigere Dosis 2 × tgl. mit ACTH-Tests individuell evaluiert werden (Vaughan et al. 2008). Bei der Anfangsdosierung kann sich zunächst nach dem Gewicht des Hundes gerichtet werden (Tab. 9.14). a nischen Symptome. Der beste Zeitpunkt für den ACTHTest liegt 3–4 Stunden nach Gabe von Vetoryl®, da dann die niedrigsten Cortisolwerte zu erwarten sind. Die erste Kontrolle mit ACTH-Test sollte selbst bei problemlosem Verhalten des Hundes nach Beginn der Therapie wegen der individuellen Varianz der benötigten Dosis schon nach 10–14 Tagen stattfinden. Wiederholte Tests sind wegen eventuell erforderlicher Dosisanpassungen nach weiteren 4 Wochen und dann alle 3 Monate empfehlenswert. In den meisten Fällen geht die vorher erhöhte Trinkmenge sehr schnell innerhalb der ersten 10 Tage zurück, während andere Symptome, wie Haarkleid- und Hautverbesserungen, bis zu 3 Monate dauern können (Abb. 9.30). Die Trinkmenge ist ein guter Parameter bei der Überwachung durch die Tierhalter: Kommt es z. B. bei einer morgendlichen Kapseleingabe und guter Reduktion des Cortisols post ACTH nachts schon wieder zu vermehrter Wasseraufnahme, sollte zunächst die Tagesdosis auf morgens und abends verteilt werden. Die Beurteilung der Klinik und des Verhaltens der Patienten sind ebenso wichtige Kriterien für die Abwägung der Dosierung wie die Cortisolwerte post ACTH (Tab. 9.15). Grundsätzlich gilt: Es werden keine einzelnen Laborparameter behandelt, sondern der Patient. b Abb. 9.30 a Briard, Alopezie durch Morbus Cushing. b Derselbe Hund 6 Monate nach Beginn der Trilostan-Therapie. Tab. 9.15 Dosisanpassungen von Vetoryl® ja nach Klinik und Cortisolwerten post ACTH. Klinik Cortisol post ACTH Maßnahme besser bis gut < 1,2 µg/dl Dosis senken 1,2–5 µg/dl mit gleicher Dosis fortfahren > 5 µg/dl abwarten, evtl. nach nächster Kontrolle Dosis erhöhen nicht besser bis einigermaßen gut 1,2–5 µg/dl abwarten, evtl. nach nächster Kontrolle Dosis erhöhen > 5 µg/dl Dosis erhöhen nicht besser < 1,2 µg/dl Trilostan stoppen, gründliche Untersuchung Tab. 9.14 Anfangsdosierung von Vetoryl®. Körpermasse Dosierung < 5 kg 10 mg 1 × tgl. ≥ 5 kg und < 10 kg 30 mg 1 × tgl. ≥ 10 kg und < 20 kg 60 mg 1 × tgl. ≥ 20 kg und < 40 kg 120 mg 1 × tgl. > 40 kg 120–240 mg 1 × tgl. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Verlaufskontrolle Die Cortisolhemmung wird mit dem ACTH-Stimulationstest (S. 78) beurteilt. Das angestrebte Ziel ist ein Abfall des Cortisols post ACTH auf Werte von 1,2–5 µg/dl mit gleichzeitiger Verbesserung der kli- Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse Durch die Abnahme der Cortisol- und eventuell Aldosteronspiegel kann Kalium leicht zunehmen. Während ein Na/K-Quotient < 27 verdächtig ist für einen spontanen primären Morbus Addison und eine Addison-Krise bei Na/K < 25 auftreten kann (S. 93), kann bei der Therapie mit Vetoryl® ein Na/K-Quotient < 25 noch ohne klinische Symptomatik verlaufen. Bei gleichzeitig sehr niedrigen Cortisolwerten post ACTH (< 1 µg/dl) sollte die Dosierung sicherheitshalber verringert oder für ein paar Tage gestoppt werden. Eine gute Überwachung des Patienten sollte bei niedrigem Na/K-Quotienten immer gewährleistet sein. Symptome eines Morbus Addison sind in der Regel sehr schnell unter Reduktion bzw. Stopp von Vetoryl® reversibel. Ein plötzlicher sehr starker Abfall von Cortisol und Aldosteron kann dennoch zu einem iatrogenen Morbus Addison führen, der ohne sofortige Therapiemaßnahmen tödlich verlaufen kann. Es ist wichtig, bei den Kontrollen auch Natrium und Kalium zu messen, um anhand des Na/KQuotienten einen eventuellen Hypoadrenokortizismus (iatrogenen Morbus Addison) rechtzeitig zu erkennen. Die vor Beginn der Therapie oftmals stark erhöhte alkalische Phosphatase sinkt in den meisten Fällen unter ­Vetoryl® signifikant ab durch erniedrigtes Cortisol. Harnstoff und Kreatinin können unter Vetoryl® wegen der zurückgehenden Polyurie leicht zunehmen, bleiben aber meist innerhalb des Referenzbereichs. Nebenwirkungen Vetoryl® ist sehr gut verträglich. „Entzugserscheinungen“ durch den sehr schnellen Abfall des Cortisols können in einigen Fällen besonders innerhalb der ersten 10 Tage der Behandlung auftreten. Mögliche Nebenwirkungen wie Blähungen, Erbrechen und Anorexie sind sehr selten. Bei Müdigkeit, Taumeln oder schwankendem Gang kurz nach der Eingabe der Kapseln durch eventuell zu schnellen Abfall des Cortisols sollte die Tagesdosis auf zweimalige Gaben verteilt werden. Die Therapie kann auch für ein paar Tage gestoppt werden, um zunächst mit einer geringeren Tagesdosis wieder zu beginnen. Wechselwirkungen ACE-Hemmer senken Aldosteron, daher ist eine Umstellung auf Vetmedin® angezeigt. Kalium-sparende Diuretika erhöhen die Gefahr einer Hyperkaliämie (iatrogener Morbus Addision, S. 95). Prognose Es existieren bislang nur wenige Langzeit- studien, da das Präparat erst seit kurzer Zeit zur Verwendung beim Hund zur Verfügung steht. Die mittlere Überlebenszeit liegt (ähnlich wie bei Lysodren®) bei rund 2 Jahren. Mitotan, o,p’-DDD (Lysodren®) Jeder Hund mit einem Cushing-Syndrom muss zunächst mit Vetoryl® behandelt werden. Wirkungsweise Im Falle von Verschlechterungen der Symptomatik und der Laborbefunde, z. B. durch Fibrosen oder Nekrosen der NNR, oder im Fall eines inoperablen NN-Tumors kann ein Wechsel auf Lysodren® gerechtfertigt sein. Lysodren® 500 mg (HRA Pharma) ist in Deutschland nach Umwidmung für die Therapie beim Hund im Therapienotstand zugelassen. Lysodren® ist ein nur auf die NNR selektiv wirkendes Zytotoxikum. Es zerstört dosisabhängig progressiv die Zonae fasciculata und reticularis (Glukokortikoid- und Geschlechtshormonsynthese). Erst in hoher Dosierung ist auch die Zona glomerulosa (Aldosteronsynthese) betroffen (S. 14). Dosierung Je höher die Dosierung, umso schneller und umfassender wird die NNR zerstört (Tab. 9.16). Unter einer hochdosierten Lysodren®-Therapie mit Zerstörung der NNR kann es zum Verschwinden des NN-Tumors kommen (Reusch 2007). Bei einer bewussten Zerstörung der NNR durch hohe Dosierung (50–75 mg/kg/d) muss der iatrogene Morbus Addison gezielt behandelt werden (S. 98). Die Lysodren®-Therapie erfordert ein individuelles Behandlungsprotokoll (Abb. 9.31). Bei niedriger Anfangsdosierung (20–25 mg/kg/d) ist meist eine längere Initialbehandlung nötig. Der Vorteil liegt darin, dass unerwünschte Nebenwirkungen nur selten auftreten. Die Bereitschaft der Besitzer, die Therapie durchzuführen, steigt. Die Wirkung muss durch Verlaufskontrollen (s. u.) überprüft werden. In der Erhaltungsphase erfolgt eine Dosisreduktion auf 15–25 mg/kg KM, verteilt auf 2–3 Gaben pro Woche. Je nach Symptomatik und Ausfall der ACTH-Stimulation sollte eine individuelle Anpassung der wöchentlichen Dosierung um ca. 25–50 % nach oben oder unten erfolgen. Die Erhaltungstherapie wird lebenslang durchgeführt bei drei bis vier Kontrollen pro Jahr mit ACTH-Stimulation. Während der Erhaltungstherapie über viele Monate kann es zu einem Wiederanstieg der Cortisolproduktion kommen, was sich in der Verschlechterung der Symptomatik und im ACTH-Test zeigt. Dann ist wieder eine kurze Phase der täglichen Dosierung notwendig. Verlaufskontrolle Die Verlaufskontrollen erfolgen durch ACTH-Stimulationstest (S. 78): • bei hoher Dosierung: erste Kontrolle nach 4 Tagen • bei niedriger Dosierung: erste Kontrolle nach 7–14 Tagen, je nach klinischer Entwicklung Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 88 9 Caniner Hyperadrenokortizismus 89 stieg der endogenen ACTH-Konzentrationen gegenüber vorher. Wegen der Gefahr eines iatrogenen Morbus Addison sollte zur Sicherheit das endogene ACTH bei den Verlaufskontrollen mitbestimmt werden. Das Lysodren® muss daher sofort für etwa 1–2 Wochen abgesetzt werden. Die Messung der basalen ACTH-Werte ist als Anzeige eines iatrogenen Hypoadrenokortizismus durch Mitotan ein sensiblerer Parameter als die Messung von Natrium und Kalium, die durch Mitotan bei geringerer Dosierung selten beeinflusst werden. a Nebenwirkungen Erbrechen, Lethargie, Apathie, Verweigerung von Fressen und Trinken treten meist bei höherer Dosierung zu Beginn der Therapie auf. Die Tagesdosis sollte dann auf 2–3 Gaben pro Tag verteilt werden. Wechsel zu Vetoryl® Bei einem Wechsel von Lysodren® b Abb. 9.31 a Alopezie durch Hyperadrenokortizismus. b Derselbe Hund unter Lysodren®. Auf die Erhaltungsdosis kann reduziert werden bei • einem Cortisolbasalwert von 1–4 µg/dl, • einer 1,5- bis 3-fachen Stimulation post ACTH, • Besserung der Symptomatik. Bei Werten darüber oder nicht ausreichender Besserung sollte die gleiche Dosis für etwa 1 Woche weiter gegeben werden. Unter der Behandlung mit Lysodren® kommt es bei befriedigendem klinischem Erfolg zu einem deutlichen An- Tab. 9.16 Dosierungsempfehlungen für Lysodren®. Therapiephase Dosierung Therapiebeginn 20–25 (50–75) mg/kg KM/Tag auf 2- bis 3-mal verteilt für die Dauer von 4–14 Tagen Erhaltungsdosis 15–25 mg/kg KM/Woche auf 1–3 Tage verteilt zu Vetoryl® muss mit einer Wartezeit von ca. 4 Wochen gerechnet werden, da das verabreichte Lysodren® die NNR progressiv destruiert hat. Je nach noch vorhandener Leistung der zerstörten NNR könnte eine sofortige, zusätzliche Blockade der Steroidbiosynthese durch Vetoryl® zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit eines iatrogenen Morbus Addison mit plötzlichem Tod führen. Das Ergebnis des ACTH-Stimulationstests bestimmt den Beginn der Vetoryl®-Therapie. 9.7.2 Chirurgische Therapie Adrenales Cushing-Syndrom Die Adrenalektomie setzt profunde anatomisch-chirurgische Erfahrungen voraus. Sie hat eine sehr gute Prognose mit einer langen Überlebenszeit im Mittel von 690 Tagen (Schwartz et al. 2008), wenn der Tumor gut exstirpierbar ist, die ersten 2 Wochen post operationem überlebt werden und keine Metastasen vorhanden sind. Auch bei erfahrenen Chirurgen und gut ausgestatteten Kliniken kann die intra- und postoperative Letalitätsrate bis zu 30 % betragen. Beispielsweise sind Pankreasnekrose mit Peritonitis, Thrombozytopenien, erhöhte partiale Thromboplastinzeit (PTT), intraoperative Blutungen, Hypokaliämie und Nierenversagen die häufigsten Todesursachen (Schwartz et al. 2008; van Sluijs et al. 1995). Metastasen in Lunge und Leber, Invasionen in benachbarte Gefäße und Niere schließen wegen hoher Mortalitätsraten eine Adrenalektomie aus. In einer retrospektiven Studie von Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Bei einem Anstieg des endogenen ACTH auf > 100 pg/ml (S. 79) bei sehr niedrigem Cortisol, das sich nicht mehr als 1,5-fach stimulieren lässt, ist das Auftreten eines iatrogenen Morbus Addison bei Beibehaltung der Lysodren®-Konzentration sehr wahrscheinlich. Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse 40 Hunden mit adrenalen Tumoren hatten 25 % Tumor­ thromben in der Vena cava caudalis, allerdings waren auch Phäochromozytome (S. 155) dabei (Kyles et al. 2003). Vor der Adrenalektomie sollten Gefäßinvasion und Metastasen durch bildgebende Untersuchungen weitgehend visualisiert werden (S. 81). Unbehandelte Patienten haben ein stark erhöhtes operatives Risiko hinsichtlich Anästhesie (schlechte Respirations- und Leberfunktion), verstärkter Koagulopathie (erhöhte Gefahr von pulmonalen Thromboembolien) und schlechtem Gefäßtonus (erhöhte Blutungsbereitschaft). Wegen der meist atrophierten kollateralen NNR ist postoperativ eine intensive medizinische Betreuung erforderlich: • präoperativ: – Fentanyl®-Pflaster – eventuell NaCl- oder Ringer-Lösungs-Infusionen • intraoperativ: – Infusionen (NaCl oder Ringer-Lösung) – gegebenenfalls Plasmainfusion (Antithrombin-IIIQuelle), Heparin per Plasmainfusion 35 U/kg als Thromboembolieprophylaxe – nach der Tumorauffindung 0,05–0,1 mg/kg Dexamethason per NaCl-Infusion über 6 Stunden • postoperativ: – sehr individuell, ggf. am Tag der OP noch einmal Dexamethason – ACTH-Stimulationstest am Morgen nach der OP vor erneuter Glukokortikoidgabe – zunächst engmaschige Kontrollen von Na+, K+, Harnstoff, Kreatinin, Glukose, Blutdruck Ist die Post-ACTH-Konzentration < 1µg/dl, wird die weitere Gabe von Glukokortikoiden notwendig. Sobald der Patient Nahrung aufnehmen kann, wird auf die orale Gabe von Prednisolon (0,5 mg/kg KM 2 × tgl.) umgestellt. Da sich die kontralaterale Nebenniere auch noch 5–6 Monate nach der Operation erholen kann, wird die Dosis gewöhnlich über einen langen Zeitraum ausgeschlichen. Optimal ist die Gabe von Prednisolon an jedem zweiten Tag. Solange der Patient Appetit hat und weder durch Erbrechen oder Durchfall auffällt, kann die Dosis weiter langsam herabgesetzt werden. Vor der Gabe des morgendlichen Prednisolon kann in Abständen ein ACTHStimulationstest durchgeführt werden. Dann kann im Vergleich mit den Werten direkt nach der Operation eine Tendenz abgesehen werden. Die Gabe von Mineralokortikoiden (Fludrocortison 0,01 mg/kg KM 2 × tgl.) wird notwendig, wenn leichte Verschiebungen im Na+/K+-Haushalt länger als 72 Stunden andauern oder die Konzentrationen von K+ > 6,5 mmol/l und Na+ <135 mmol/l erreichen. Gewöhnlich wird Fludrocortison nach 2–7 Tagen abgesetzt. Treten die Elektrolytveränderungen wieder auf, wird die Fludrocortisongabe von Neuem begonnen. Nach einer beidseitigen Adrenalektomie ist die lebenslange Substitutionstherapie mit Gluko- und Mineralokortikoiden erforderlich. Hypophysäres Cushing-Syndrom Die transphenoidale Hypophysektomie wird nach vorherigen Untersuchungen im MRT oder im dynamischen CT nur in sehr wenigen Spezialkliniken (wie z. B. in Utrecht) durchgeführt. Die Prognosen sind gut: 86 %ige Erfolgsquote mit einer Überlebensrate von 1 Jahr bei 84 % der durchgeführten Operationen, von 2 Jahren bei 80 % (Meij u. Björn 2001). 10 Felines Cushing-Syndrom Renate Hämmerling, Annett Rotermund und Hans-Otto Hoppen 10.1 Vorkommen Der spontane Hyperadrenokortizismus (spontanes Cushing-Syndrom) wird bei der Katze relativ selten diagnostiziert. Es erkranken vornehmlich weibliche Katzen im durchschnittlichen Alter zwischen 6 und 15 Jah­ren. 10.2 Ätiologie und Pathogenese Die Pathogenese gleicht der des Hundes (S. 60). In 80 % der Fälle liegen dem Hyperadrenokortizismus der Katze Adenome der Hypophyse mit beidseitiger Hyperplasie der NNR zugrunde. Bei einer 13 Jahre alten Katze mit ­ iabetes mellitus führte ein Tumor der Pars intermedia D zu einem hypophysären Cushing mit ACTH-unabhängiger Cortisolproduktion bei stark erhöhten α-MSHWerten (Meij et al. 2005). NNR-Tumoren mit autonomer Cortisolproduktion machen 20 % der Fälle aus mit gleichen prozentualen Anteilen benigner und maligner Tumoren. Ein iatrogenes Cushing-Syndrom tritt bei Katzen wesentlich seltener als beim Hund auf. Katzen scheinen resistenter gegenüber GK zu sein. Dennoch können sie auf langfristige parenterale, enterale und topikale Anwendungen mit GK und Gestagenen mit einem iatrogenen Cushing-Syndrom reagieren (S. 55). Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 90