Opening Night

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Opening Night
Very british!
Fr, 06.09.2013, 19 Uhr | Hamburg, Laeiszhalle
Thomas Hengelbrock Dirigent
Miah Persson Sopran | Ian Belsey Bariton
Freitag, 6. September 2013, 19 Uhr
Hamburg, Laeiszhalle, Großer Saal
Die Opening Night hören Sie live auf NDR Kultur und danach 90 Tage online
unter www.ndr.de/kultur.
Dirigent:
Thomas Hengelbrock
Das Konzert ist auch im Videolivestream und weitere 90 Tage im Internet bei
ARTE unter www.arteliveweb.com und beim NDR unter www.ndr.de/sinfonieorchester
zu sehen
Georg Friedrich Händel
(1685 – 1759)
Music for the Royal Fireworks
(„Feuerwerksmusik“) HWV 351
(1749)
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
Ouverture
Bourrée
La Paix. Largo alla Siciliana
Le Réjouissance. Allegro
Menuet I
Menuet II
NDR Sinfonieorchester
NDR Jugendsinfonieorchester
Georg Friedrich Händel
„Let the bright Seraphim“
Arie aus dem Oratorium „Samson“ (III. Akt)
(1741)
Moritz Görg
Felix Mendelssohn Bartholdy
(1809 – 1847)
Solo-Trompete
„Infelice“
Scena ed Aria B-Dur op. 94
(Londoner Fassung 1834)
Marc Bouchkov
Solo-Violine
Miah Persson Sopran
NDR Jugendsinfonieorchester
(Einstudierung: Dave Claessen)
Pause
2
Edward Elgar
(1857 – 1934)
Variationen über ein eigenes Thema („Enigma“) op. 36
(1898)
Enigma: Andante
I. (C.A.E.): L’istesso tempo
II. (H.D.S.-P.): Allegro
III. (R.B.T.): Allegretto
IV. (W.M.B.): Allegro di molto
V. (R.P.A.): Moderato
VI. (Ysobel): Andantino
VII. (Troyte): Presto
VIII. (W.N.): Allegretto
IX. (Nimrod): Adagio
X. Intermezzo (Dorabella): Allegretto
XI. (G.R.S.): Allegro di molto
XII. (B.G.N.): Andante
XIII. Romanza (***): Moderato
XIV. Finale (E.D.U.): Allegro – Presto
NDR Sinfonieorchester
Pause
„In Town Tonight“
Von Comic Opera bis Light Music
Werke von Simon Wills (Uraufführung), Igor Strawinsky,
Lionel Monckton, Eric Coates und Arthur Sullivan
Miah Persson Sopran
Ian Belsey Bariton
NDR Sinfonieorchester
Alle Gesangstexte sowie Informationen zum Ablauf des dritten Programmteils
finden Sie im Einleger zum Programmheft.
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BI OG R AFIE N
NDR SINFO NIEO RCHE S T ER
Thomas Hengelbrock
Miah Persson
Dirigent
Sopran
Thomas Hengelbrock ist seit 2011 Chefdirigent
des NDR Sinfonieorchesters. Spannende Werkkombinationen und besondere Dramaturgiekonzepte prägen seine Konzertprogramme.
Glänzende Tourneen durch Deutschland, Europa
und Japan sowie die Eröffnungskonzerte des
Schleswig-Holstein Musik Festivals 2012 und
2013 haben bundesweit und international ein
großes Echo gefunden. Mit dem Programm der
heutigen Opening Night gastieren Hengelbrock
und das NDR Sinfonieorchester am 07.09. auch
beim Beethovenfest Bonn; Ende September
2013 steht dann eine Tournee nach Südamerika
mit Stationen u. a. in São Paulo und Buenos
Aires an. Drei viel gelobte CD-Einspielungen
(zuletzt Schuberts Große C-Dur-Sinfonie) dokumentieren die Zusammenarbeit Hengelbrocks
mit dem NDR Sinfonieorchester.
Die schwedische Sopranistin Miah Persson tritt
in der ganzen Welt gleichermaßen als Recitalund Konzertsängerin wie als Operndarstellerin
auf. Sie hat mit Dirigenten wie Bernard Haitink,
Colin Davis, Daniel Barenboim, Esa-Pekka Salonen, Pierre Boulez, John Eliot Gardiner, Nikolaus
Harnoncourt, Marc Minkowski, Gustavo Dudamel
oder Mariss Jansons zusammengearbeitet.
In Wilhelmshaven geboren, begann Hengelbrock
seine Karriere als Violinist in Würzburg und
Freiburg. Grundlegende Impulse erhielt er durch
seine Assistenztätigkeiten bei Witold Lutosławski,
Mauricio Kagel und Antal Doráti, ebenso durch
seine Mitwirkung in Nikolaus Harnoncourts
Concentus musicus. Neben frühen Begegnungen
mit zeitgenössischer Musik war Hengelbrock
maßgeblich daran beteiligt, das Musizieren mit
Originalinstrumenten in Deutschland dauerhaft
zu etablieren. In den 1990er Jahren gründete er
mit dem Balthasar-Neumann-Chor und -Ensemble Klangkörper, die zu den international erfolgreichsten ihrer Art zählen. Führende Positionen
hatte Hengelbrock daneben bei der Deutschen
Kammerphilharmonie Bremen, dem Feldkirch
Festival und an der Wiener Volksoper inne.
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Thomas Hengelbrock ist heute gleichermaßen
als Opern- wie auch als Konzertdirigent international gefragt. Er dirigiert an Opernhäusern wie
der Opéra de Paris, dem Royal Opera House
in London und dem Teatro Real in Madrid. Mit
herausragenden Produktionen ist er im Festspielhaus Baden-Baden zu einem der wichtigsten Protagonisten geworden. Gastdirigate führen
Hengelbrock wiederholt zum Symphonieorchester des BR, zu den Münchner Philharmonikern,
zum Chamber Orchestra of Europe sowie
zum Orchestre de Paris. Mit seinen BalthasarNeumann-Ensembles sorgte er im Januar 2013
mit konzertanten Aufführungen von Wagners
„Parsifal“ auf authentischen Instrumenten für
Aufsehen. Bei den diesjährigen Salzburger Festspielen begeisterte Hengelbrock Publikum und
Presse mit seiner Interpretation von Mozarts
Requiem sowie dem musikalisch-literarischen
A-Capella-Programm „Nachtwache“.
Ihr Debüt an der New Yorker Met gab Persson
2009 als Sophie in „Der Rosenkavalier“. An das
Haus kehrte sie in folgenden Jahren u. a. als
Fiordiligi in „Così fan tutte“ zurück. Nach ihrem
gefeierten Konzert-Debüt bei den Salzburger
Festspielen 2003 war sie dort auch als Sophie
und als Sifare in „Mitridate“ zu erleben. 2006
folgten die Debüts am Royal Opera House Covent Garden und beim Glyndebourne Festival,
wohin sie regelmäßig (u. a. in Strawinskys „The
Rake’s Progress“ oder Brittens „The Turn of the
Screw“) zurückkehrt. Darüber hinaus war sie
u. a. an der Bayerischen Staatsoper, Hamburgischen Staatsoper, Wiener Staatsoper, Berliner
Staatsoper, San Francisco Opera, Königlichen
Oper Stockholm oder dem Festspielhaus BadenBaden engagiert. In der vergangenen Saison
gastierte sie u. a. als Susanna in „Le nozze di
Figaro“ an der Wiener Staatsoper sowie als
Donna Elvira in „Don Giovanni“ am Théâtre des
Champs Elysées und am Liceu Barcelona.
Vom schwedischen König wurde Persson 2011
zur Hofsängerin ernannt.
Mit ihrem breit gefächerten Konzert- und LiedRepertoire tritt Miah Persson regelmäßig in
renommierten Konzertsälen und mit weltweit
bedeutenden Orchestern auf, so etwa bei den
BBC Proms, in der New Yorker Carnegie Hall,
der Londoner Wigmore Hall, im Concertgebouw
Amsterdam, mit dem Los Angeles Philharmonic
und Chicago Symphony Orchestra, dem DSO
Berlin, Budapest Festival Orchestra oder London
Symphony und London Philharmonic Orchestra.
Mit René Jabos und der Akademie für Alte
Musik Berlin ging sie 12/13 als Pamina in konzertanten Aufführungen der „Zauberflöte“ auf
Europa-Tournee. Perssons reiche Diskographie
beinhaltet Händels „Rinaldo“ unter Jacobs,
Haydns „Jahreszeiten“ unter Ivor Bolton, „Die
Schöpfung“ unter Paul McCreesh, Mozarts
„Mitridate“ unter Minkowski und „Le nozze di
Figaro“ unter Antonio Pappano (beide auf DVD)
oder Solo-Programme wie „Soul & Landscape“,
Mozart-Arien oder Lieder von Clara und
Robert Schumann.
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Ian Belsey
NDR Jugendsinfonieorchester
Bariton
Ian Belsey kann auf eine über 40-jährige Karriere
im Show Business zurückblicken und zählt heute
zu den weltweit führenden Interpreten im Bereich der Light Opera. Er gab sein Debüt im
Alter von acht Jahren am Pier Theatre, Bournemouth, in „The Sooty Show“ und trat danach
regelmäßig im Varieté auf. Später studierte er
u. a. an der Royal Academy of Music und am
Royal College of Music. Als All-round-Entertainer
ist Belsey gleichermaßen auf der Musical- wie
auf der Konzertbühne gefragt: als Darsteller,
Regisseur und Choreograph oder als Coach für
Sänger und Schauspieler. Er ist in jedem großen
Theater- und Konzerthaus Großbritanniens aufgetreten und ist regelmäßig auch in Frankreich,
Deutschland, Spanien, New York, im Fernen
Osten oder auf Kreuzfahrtschiffen eingeladen.
Als lyrischer Bariton hat er sich vor allem auf das
Belcanto-Repertoire spezialisiert und verkörpert
Charakterrollen in der Oper sowie vor allem
in sämtlichen Stücken von Gilbert & Sullivan.
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Die Arbeit mit der „nächsten Generation“ ist
ein besonderes Anliegen der 2012 gegründeten
Akademie des NDR Sinfonieorchesters. Neben
der Vergabe von Stipendien an Hochschulabsolventen soll auch noch jüngeren musikalischen Talenten ermöglicht werden, professionelle Erfahrungen in der Orchesterpraxis zu
sammeln. In Zusammenarbeit mit der Education-Redaktion hat die Akademie daher das
NDR Jugendsinfonieorchester gegründet.
Ausgewählte Jugendliche – darunter Akademisten des NDR Sinfonieorchesters, die hier
die Position der Stimmführer übernehmen,
Studenten der norddeutschen Musikhochschulen, erfolgreiche Teilnehmer des Wettbewerbs
„Jugend musiziert“ sowie Mitglieder der führenden Jugendorchester Norddeutschlands –
werden zu Arbeitsphasen eingeladen, in denen
sie unter der Leitung des Chefdirigenten des
NDR Sinfonieorchesters oder eines seiner
Gastdirigenten anspruchsvolle Werke der Orchesterliteratur professionell erarbeiten und
aufführen. Dabei werden sie von Mitgliedern
des NDR Sinfonieorchesters unterstützt, die
die Probenarbeit vorbereiten.
Weitere Informationen zur Akademie des NDR Sinfonieorchesters erhalten Sie heute Abend am Infostand im
Eingangsfoyer oder im Internet unter
www.ndrorchesterakademie.de
Das nächste Konzert des NDR Jugendsinfonieorchesters:
07.03.2014
Dirigent: Matthias Pintscher
César Franck
Sinfonie d-Moll
Interessierte junge Instrumentalisten schicken ihre
Bewerbung bitte an [email protected].
P RO G R A MM
NDR SINFO NIEO RCHE S T ER
Very british!
Zum Programm der Opening Night
„England, das Land ohne Musik“ – so pfeifen
es noch heute vielerorts die Spatzen von den
Dächern. Vorurteile sind eben hartnäckig. Die
von Millionen begeisterter Briten und in aller
Welt auf den Fernsehbildschirmen verfolgte
„Last Night of the Proms“ oder MonumentalKonzerte wie kürzlich zum Thronjubiläum der
Queen lassen indes den Eindruck entstehen,
kein europäisches Land sei derzeit so stolz auf
seine Musik wie England. Und auch die Opening
Night soll am heutigen Abend beweisen: In
England hat es natürlich immer Musik auf
hohem Niveau gegeben. Dabei spielt es keine
Rolle, ob die Werke von einheimischen oder
fremdländischen Komponisten geschrieben
wurden. Denn auch „Importe“ hätten ohne die
Anregung, Begeisterungsfähigkeit und Infrastruktur der britischen Musikszene keine
Chance auf Erfolg gehabt.
Das Bonmot vom „Land ohne Musik“ aber quält
die Engländer offensichtlich bis in unsere Tage.
So äußerte sich noch im Jahr 1992 Timothy
Renton, der damalige britische Minister for the
Arts, anlässlich der Pläne zur Einrichtung eines
„National Music Day“: „We should blow our own
trumpet. The Germans used to refer to us as
‚the land without music‘, but now I suspect we
have more music than anywhere else in Europe“.
Ein Satz, der mit Blick nicht nur auf die PopMusik durchaus Berechtigung hat – und der als
späte Vergeltung für Ansichten deutscher Musikpublizisten wie Oskar A. H. Schmitz verstanden
werden mag. Letzterer veröffentlichte im Jahr
1904 ein Buch mit dem provokanten Titel
„Das Land ohne Musik. Englische Gesellschafts8
probleme“. Zwar mag es uns heutigentags
begrüßenswert erscheinen, wenn das mutmaßliche Fehlen einer ausgeprägten Musikkultur
als „Gesellschaftsproblem“ überhaupt ernst
genommen wird. Weniger „amused“ liest man
dann aber so befremdend geringschätzige Zeilen wie diese: „Die Engländer sind das einzige
Kulturvolk ohne eigene Musik (Gassenhauer
ausgenommen). Das heißt nicht bloß, daß sie
weniger feine Ohren haben, sondern daß ihr
ganzes Leben ärmer ist. Musik gibt Flügel und
läßt alles Wunderbare begreiflich erscheinen.“
Von der Import-Kultur zur
„English Musical Renaissance“
das nationale Musikleben. Man zog es bequemlich vor, ausländische Musik zu importieren – ein
Umstand den Arthur Sullivan im Rückblick krass
auf den Punkt brachte: „Wir gaben uns damit
zufrieden, Musik zu kaufen, während wir Kirchen,
Dampfmaschinen, Eisenbahnen, Baumwollspinnereien, Verfassungen, Ligen gegen Getreidezölle und Parteiausschüsse machten.“
Das Prinzip, sich talentierte Musiker einfach ins
Land zu holen anstatt die Ausbildung einheimischer Komponisten zu fördern, hatte in England
seit den Tagen Georg Friedrich Händels gute
Tradition. Den „Great Saxon“, der seit 1711
beinahe nur noch für England komponierte,
betrachteten die Londoner freilich schnell als
einen der Ihren – wie es sich nicht nur in der
auch bei uns verbreiteten Schreibweise seines
Namens ohne Umlaut („Handel“) manifestierte.
Später stand dann die Musik von Joseph Haydn,
Felix Mendelssohn Bartholdy, Louis Spohr oder
Antonín Dvořák so hoch im Kurs, dass die Stagnation einheimischer Musikproduktion gar
nicht weiter auffiel. Doch wo war sie hin, die
glorreiche Elisabethanische Ära mit Komponisten wie Orlando Gibbons oder John Dowland?
Wer hätte seit Henry Purcell den Ruf eines
„Orpheus Britannicus“ für sich beanspruchen
dürfen? Der Wunsch, dieses nun bald 200 Jahre
andauernde Vakuum zu beseitigen, wurde ab
den 1860er Jahren immer dringlicher. Es begann eine Phase, für die sich heute der Begriff
Als Oskar A. H. Schmitz diese chauvinistisch
vernichtenden Sätze niederschrieb, war Großbritanniens Musikleben schon lange nicht mehr
so „arm“ wie man dachte. Als das Verdikt vom
„Land ohne Musik“ in der Mitte des 19. Jahrhunderts, angestoßen von Carl Engel, erstmals
die Runde machte, herrschte in England ebenso
wenig Armut. Allerdings war der Reichtum
damals in der Tat in anderen Gebieten als der
Musik zu suchen. Ganz aus der Luft gegriffen
war die Polemik nämlich nicht: Das von der industriellen Revolution erfasste Viktorianische
England war utilitaristisch ausgerichtet und vor
allem am wirtschaftlichen Nutzen interessiert.
Musik galt allenfalls als dekoratives Luxusgut,
man hielt sie für intellektuell minderwertig und
fürchtete sogar ihren unmoralischen Einfluss
auf die Gesellschaft. Weder die Regierung noch
die Anglikanische Kirche investierten daher in
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NDR SINFO NIEO RCHE S T ER
der „English Musical Renaissance“ etabliert hat.
Doch noch fehlte eine Komponistenpersönlichkeit, die Stolz und Identität der Nation auf sich
vereinen konnte.
Für einige Jahre hatte Arthur Sullivan diese
Rolle eingenommen. Ausgebildet in Mendelssohns Wirkungsstätte Leipzig, positionierte er
sich mit sinfonischer Musik und Oratorien als
direkter Fortsetzer der in England so beliebten
Händel- und Mendelssohn-Tradition; 1883 folgte
der Ritterschlag zum Sir. Zum Verdruss des
Establishments jedoch wandte er sich zunehmend dem lukrativen komischen Musiktheater
zu und schrieb mit seinem Librettisten William
Schwenck Gilbert bissige „Kaufhaus-Balladen“,
mit denen sich ein Sir lieber nicht „die Hände
schmutzig machen“ sollte, wie ein Kritiker im
„Musical Review“ schrieb. Ein Komponist, der
nicht nur Politik und Gesellschaft auf den Arm
nahm, sondern in seinen Werken auch Händelsche Chorsätze und italienische Opernarien
parodierte, taugte freilich kaum noch als Aushängeschild der „Musical Renaissance“. Das
Auftreten Edward Elgars glich daher geradezu
einer Rettung der englischen Musik. Ab seinem
Durchbruch 1899 mit den „Enigma-Variationen“
erreichte Elgar den Status einer nationalen
Ikone wie Shakespeare. Seine Musik lenkte die
Aufmerksamkeit der ganzen Welt nach langer
Zeit erstmals auf die Insel. Richard Strauss
begrüßte den „ersten englischen Progressiven,
Meister Edward Elgar“; dieser selbst proklamierte eine musikalische Zukunft „out of our
own soil“. England war nicht länger das
„Land ohne Musik“.
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Ein Englishman aus Sachsen –
Georg Friedrich Händel
lassen. Wie heutzutage durfte bei einer solchen
Open-Air-Veranstaltung aber natürlich auch die
Musik nicht fehlen. So wurde also Händel mit
einer „Music for the Royal Fireworks“ beauftragt.
„In Händels Charakter ist etwas ausdrücklich
Englisches. Seine Körpergröße, sein großer
Appetit, seine großartige Handschrift, sein tyrannisches Temperament, sein Humor, seine
Geschäftstüchtigkeit – all das ist uns eigen.
Tatsächlich gehört er vor allem zu England und
ist im Ausland nur wenig bekannt“. Mit diesen
Worten reflektierte George Grove 1890 über
die Bedeutung Georg Friedrich Händels, die der
längst zum archetypischen „Victorian Englishman“ stilisierte Komponist noch immer auf der
Insel besaß. Noch 1859 hatte man ein großes
Händel-Festival gegründet, und bis heute finden
sich Klavierauszüge seiner Oratorien in den
Notenschränken vieler englischer Haushalte.
„In Italien und Frankreich ist was zu hören
und zu lernen, in England was zu verdienen.“
Ganz nach dieser Devise Johann Matthesons
hatte sich der freiheitsliebende Händel von
seinen Pflichten als Hofkapellmeister in Hannover immer wieder beurlauben lassen, um in
London ehrgeizige Opernprojekte aufzuführen
oder feierliche Musik für das Königshaus zu
komponieren. King George I., sein früherer
Hannoveraner Dienstherr, verlieh ihm später die
englische Staatsbürgerschaft und ernannte
ihn zum „Composer of Musick for his Majesty’s
Chapel Royal“ – eine Ehrenstellung, die ihm
freilich genügend Raum ließ, sich weiterhin als
unabhängiger Opern- und Oratorienkomponist
zu betätigen. Eine solche staatstragende Position brachte es indessen auch mit sich, dass
Georg Friedrich Händel: „Music for the Royal Fireworks“,
erste Seite der Partitur
Händel zur Stelle sein musste, wenn politische
Anlässe eine entsprechende musikalische Begleitung erforderten. So war es im Jahr 1749,
als das Ende des österreichischen Erbfolgekrieges mit dem Frieden von Aachen (1748) auch
in London nachgefeiert werden sollte. Dazu organisierte das Königshaus im St. James’s Park
(Green Park) ein gewaltiges, mehrere Stunden
andauerndes Feuerwerk mit 10.000 Raketen
samt in die Luft gemaltem Schriftzug „Vivat Rex“.
Für dieses Spektakel hatte man berühmte
Pyrotechniker eigens aus Bologna kommen
In der Presse kündigte man schon bald eine
Aufführung mit 750 Musikern an, u. a. war von
40 Trompeten, 20 Hörnern, 16 Fagotten und
8 Kesselpauken zu lesen – eine maßlos übertriebene Besetzung, die schon aus Gründen
der akustischen Balance irrsinnig erscheint.
Ohnehin wollte Händel trotz der Rücksichtnahme auf eine Freiluftveranstaltung sein Werk
durchaus in adäquater Weise präsentieren,
weshalb er – um Intonationsproblemen bei
einer allzu zahlreichen Vervielfachung gleicher
Blasinstrumente vorzubeugen – einen großen
Streicherapparat mit einplante. King George II.
jedoch, der schon im Voraus gehofft hatte,
„dass es keine Fiedeln gäbe“, und der dem
Anlass entsprechend „so viele Trompeten und
andere Militärinstrumente als möglich“ dabei
haben wollte, konnte sich am Ende durchsetzen,
so dass die Feuerwerksmusik schließlich mit
einer immer noch großen Bläserbesetzung aus
mindestens 58 Musikern uraufgeführt wurde.
Dazu kamen etliche improvisierende Trommler
sowie Kanonenschüsse, die im Adagio-Einschub
der zum repräsentativen Auftritt des Königs
gespielten Ouvertüre abgefeuert wurden.
Nachdem die Suite mit ihren typischen Tanzsätzen wohl gleich dreimal hintereinander
erklungen war, gab man das Signal zum Feuerwerk, das dann weniger glänzend ausfiel, geriet
der Kulissen-Pavillon doch in Brand und wurde
doch deswegen der „Comptroller of his Majesty’s
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NDR SINFO NIEO RCHE S T ER
Fireworks“ attackiert ... Im Gegensatz zum
misslungenen und längst verloschenen Feuerwerk wurde Händels Musik, deren Premiere
vor über 12.000 Menschen wie eine heutige
Massenveranstaltung im Hyde Park vonstatten
gegangen sein muss, zu einem echten Dauerbrenner. Und der Komponist behielt gegenüber
dem König schließlich sogar das letzte Wort:
Die Erstausgabe von 1749 sah dann eben doch
noch Streicherstimmen vor! Selten aber hört
man das Werk in einer der Uraufführungssituation nahe kommenden Riesenbesetzung
wie am heutigen Abend.
Die „Music for the Royal Fireworks“ ist nicht nur
mit Blick auf ihren außenpolitischen Anlass und
ihre monumentale Premiere ein Ausnahmefall
in Händels Schaffen. Denn sein eigentliches
Metier war in London nicht die Instrumentalmusik, sondern die italienische Oper. Und auch
nachdem diese aus verschiedensten Gründen
Ende der 1730er Jahre in eine unaufhaltsame
Krise geraten war, verlagerte Händel seine kompositorische Produktion nicht etwa auf Suiten
oder Concerti, sondern auf eine andere Gattung
der Vokalmusik: das Oratorium. Aufgrund der
Verbundenheit des Publikums mit der englischen Sprache sowie einer der Oper kaum
nachstehenden theatralischen Dramatik wurden
die Londoner Aufführungen von Händel-Oratorien wahre Erfolgsserien. Gleich nach Fertigstellung des „Messiah“ nahm Händel 1741 die
Partitur des „Samson“ in Angriff. Das biblische
Oratorium dreht sich um den von den Philistern
versklavten und geblendeten Samson, der in
seinem Opfertod für das israelitische Volk zum
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letzten Mal seine unbezwingbare Stärke unter
Beweis stellt: Er bringt den Dagontempel zum
Einsturz, der die Philister und Samson selbst
unter sich vergräbt. Die Arie „Let the bright
Seraphim“ wird nach einer großen Trauerfeier
zum krönenden Abschluss des Oratoriums von
einer israelitischen Frau gesungen, die mit
diesem Lobpreis Jehovas zugleich auf Samsons
über Zeit und Tod triumphierende Tat hinweist.
Die im Arientext angerufenen „Engelstrompeten“
finden dabei in einem strahlenden, mit der
Sängerin duettierenden Trompetensolo ihre
musikalische Entsprechung.
Der „Adoptivsohn Englands“ –
Felix Mendelssohn Bartholdy
In seinem viel verkauften Buch „Music and
Morals“ trat Hugh Reginald Haweis 1871 nicht
nur für die Aufwertung der Musik in England
zu einem unverzichtbaren sozialen Gut ein. Er
legte den potentiellen Hoffnungsträgern einer
englischen Nationalmusik vielmehr gleich ein
konkretes Vorbild nahe: Felix Mendelssohn
Bartholdy. Dieser Komponist habe intensive
Emotion und höchste Kontrolle zu einem moralisch und philosophisch aufrichtigen Werk
verbunden. Und Haweis war beileibe nicht der
einzige, der diese Ansicht vertrat. Vielmehr
galt Mendelssohn im 19. Jahrhundert in ganz
England als ein „Lighthouse of true art“, ja man
hielt ihn gar für den „Adoptivsohn Englands“
(Musical Times, 1848). Spätestens seitdem
Mendelssohn mit seinen Oratorien „Paulus“ und
„Elias“ bei den nach wie vor Händel-begeisterten
Felix Mendelssohns eigenhändige Zeichnung von London (1840)
Briten reüssiert hatte, nahm er die Stellung
eines Propheten der neuen Musik ein, der als
Fortsetzer barocker Traditionen eine moralisch
einwandfreie (d. h. nicht allzu sinnliche) Version
der Romantik nach England gebracht habe.
Seine Klavier-Miniaturen wurden von jeder
„höheren Tochter“ gespielt; Prince Albert sah
in ihm „another Elijah of true art“, und als
Mendelssohn starb, war man über diesen
Verlust in England erschütterter als irgendwo
sonst in Europa.
Umgekehrt machte auch Mendelssohn aus
seiner Anglophilie nie einen Hehl. Als er 1829
und 1832 im Rahmen seiner großen Bildungsreise erstmals auf die Insel kam, faszinierte er
sich nicht nur für die schottische Landschaft
und britische Literatur, sondern auch für die
Hauptstadt: „Es ist entsetzlich! Es ist toll! Ich
bin konfuz und verdreht! London ist das grandioseste und komplizierteste Ungeheuer, das die
Welt trägt.“ Natürlich ließ es sich die London
Philharmonic Society nicht nehmen, den prominenten Gast in einem ihrer Konzerte auftreten
zu lassen – und kurze Zeit später war Mendelssohn bereits deren Ehrenmitglied. 1832 folgten
drei Kompositionsaufträge der Philharmonic
Society, die Mendelssohn in eine große Ahnenreihe rückten, hatte die Konzertvereinigung
1817 doch nichts Geringeres als die Neunte
Sinfonie von Beethoven bestellt. Ergebnis der
drei gut bezahlten Aufträge bei Mendelssohn
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NDR SINFO NIEO RCHE S T ER
waren dessen „Italienische Sinfonie“, die
„Trompeten-Ouvertüre“ sowie die Konzertarie
„Infelice“. Letztere komponierte Mendelssohn
1834 auf Texte, die er aus vier Libretti von
Metastasio, dem großen Dichter der italienischen Opera seria, zusammengeklaubt hatte,
damit es den „allerschönsten Unsinn“ ergebe.
Inhaltlich wird dabei eine aus zahlreichen
„Abbandonata“-Arien wohlbekannte Situation
aufgegriffen: Eine Frau ist von ihrem Geliebten
verlassen worden und beklagt nun in einem
aufgebrachten Rezitativ ihr Schicksal. In einer
berührenden Andante-Arie lässt sie die Erinnerung an jene „goldene Zeit“ wieder aufleben,
um dann in einem rasanten Schlussteil wieder
auf die gegenwärtige verzweifelte Lage zurückzukommen. Diese eigentlich anonym gehaltene
Hommage an eine Standard-Situation der Opera
seria verband sich für Mendelssohn aber zugleich mit dem Gedanken an eine konkrete
Person: Er rechnete mit der weltberühmten
spanischen Diva Maria Malibran als Solistin der
Uraufführung – eine höchst emanzipierte Frau,
die ihren Ehemann verlassen hatte, um mit dem
herausragenden Geigenvirtuosen CharlesAuguste de Bériot eine offene Beziehung einzugehen. Dieses besondere Verhältnis erklärt das
große Violin-Solo, mit dem die Sängerin (es war
bei der Londoner Uraufführung dann allerdings
nicht die Malibran) in der Arie in Dialog tritt.
Zwar wurde Maria Malibran im wirklichen Leben
nicht von ihrem Geliebten verlassen – im Gegenteil: 1836 konnte die Hochzeit mit Bériot
gefeiert werden –, doch starb sie kurz darauf,
was Mendelssohn dazu bewog, seine Arie zurückzuziehen. Als er 1843 eine gänzlich neue
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Bearbeitung von „Infelice“ herausgab, war das
Violinsolo verschwunden ... Erst im 20. Jahrhundert entdeckte man die am heutigen Abend
gespielte Londoner Urfassung wieder.
dann mit jenem anderen Thema auf sich, von
dem Elgar sagte, es sei das eigentliche, immer
anwesende Hauptthema des gesamten Zyklus’,
wenngleich es nie erklinge? Angeblich sei es
ein Kontrapunkt zum Eingangsthema, und so
mutmaßten die Freunde und Forscher seitdem,
ob damit etwa „Auld Lang Syne“ oder „Rule
Britannia“ gemeint sein könnte. Zum Glück
aber hat Elgar dieses Geheimnis mit ins Grab
genommen, und so kann man noch heute
eifrig weiter über das „Enigma“ rätseln ...
„H.D.S.-P.“, die sich überschlagende Stimme
von „R.B.T.“, die neckischen Kommentare von
„R.P.A.“ (in den Bläsern), eine schwierige Übung
für die Laien-Bratschistin Ysobel, die vergeblichen Versuche Elgars, Troytes chaotisches
Klavierspiel zu ordnen, die lieblich-idyllische,
mit barocker Stilistik angereicherte Atmosphäre
des alten Hauses von „W.N.“, die reizend-elegante Attitüde von Dorabella, der ins Wasser
plumpsende Hund von „G.R.S.“ und die wunderschöne Reverenz an den Amateur-Cellisten
„B.G.N.“. Berühmt geworden ist die Würdigung
des besten Freundes Elgars in der zentralen,
tief bewegenden Variation („Nimrod“), die laut
Elgar eine Antwort auf die These August Jaegers
ist, die Kunst von Beethovens langsamen Sätzen
sei unerreicht. Die vage, von ferne drohende
Episode in der „Romanza“ soll vordergründig
die Maschinen des Schiffes, mit dem eine
Freundin Elgars auf Australienreise ging, darstellen (ein Zitat aus Mendelssohns „Meeresstille und glückliche Fahrt“ legt dies doppelt
nahe). Die wahre Identität der verschwiegenen
Widmung bleibt jedoch ein weiteres „Enigma“.
In Elgars Selbstporträt („E.D.U.“) überwiegt der
zusammenfassende Finalcharakter, doch auch
hier gibt es ein amüsantes Detail: Die Pfeife,
mit der Elgar seiner Frau Alice gewöhnlich seine
Heimkehr ankündigte, ruft hier ein Zitat der
ersten „C.A.E.“ (= Alice)-Variation hervor.
Die Namenskürzel über den einzelnen Variationen waren dafür rasch entschlüsselt. Dies erlaubt uns, konkrete Hinweise auf die beschriebenen Personen in der Musik zu finden: die
Einspielübungen des Kammermusikpartners
Während ein Kritiker der „Times“ nach der
Uraufführung noch bemängelte, die Musik sei
wegen der mysteriösen Dedikationen leider
nur etwas für Eingeweihte, ist eine solche
Einschätzung zurückzuweisen. Elgars Meister-
Internationaler Durchbruch –
Elgars „Enigma-Variationen“
Als sich der herausragende deutsche Dirigent
Hans Richter 1899 für die Uraufführung von
Edward Elgars „Enigma-Variationen“ einsetze,
brachte das für den Komponisten nach einer
entmutigenden Zeit endlich die erhoffte internationale Reputation. Es war nicht zuletzt
die originelle Konzeption der „Variations to
my friends pictured within“, die ihren Erfolg
beim Publikum ausmachte. Seit Schumanns
„Carnaval“ hatte es so etwas nicht gegeben:
einen Zyklus von Musikstücken, die als Porträts
real existierender Personen angelegt waren.
Verständlicherweise hatte Elgar großen Spaß
bei der Arbeit, indem er sich vorstellte, was
wohl die Widmungsträger aus dem ursprünglichen Thema gemacht hätten, oder wenn er
seine Freunde am Klavier raten ließ, wer gemeint sein könnte. Noch größere Aufmerksamkeit und ausufernde Spekulationen wurden
jedoch vom Titel „Enigma“ (= Rätsel) hervorgerufen, der gleich zwei unaufgelöste Geheimnisse beinhaltet. Wieso wurde in der Partitur
über dem Originalthema später das Wort
„Enigma“ hinzugefügt? Soll es Elgar selbst als
„einsamen Künstler“ darstellen? Zu seinem
Rhythmus lässt sich immerhin gut der Name
„Edward Elgar“ skandieren ... Aber was hat es
Edward Elgar, Hoffnungsträger der englischen Musik
(anonyme Illustration mit Nennung einiger bekannter Werke
des Komponisten)
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NDR SINFO NIEO RCHE S T ER
schaft liegt gerade darin, dass dieser wohlproportionierte, erzählfreudige, raffiniert
orchestrierte Variationszyklus durchaus auch
in Unkenntnis der obigen Anmerkungen
genossen werden kann.
„In Town Tonight“ –
Von Comic Opera bis Light Music
„London ist wie eine Zeitung. Hier gibt es alles,
aber alles erscheint ohne Zusammenhang.“
Mit diesen Worten versuchte der Journalist
Walter Bagehot ein urbanes Ungeheuer zu
umschreiben, das auf dem Kontinent seinesgleichen suchte. Mit über 2,6 Millionen Einwohnern war London um 1850 die größte Stadt
Europas. Das wirtschaftliche und industrielle
Zentrum der Welt zeigte dabei alle Licht- und
Schattenseiten einer anonymen Großstadt:
Prosperität auf der einen Seite, Verelendung
auf der anderen; Macht und Luxus, moralischer
Verfall, Armut und Kriminalität – das alles prallte
in der Metropole aufeinander. Einer der ersten
Künstler, der den Londonern diese gesellschaftlichen Realitäten satirisch vor Augen führte,
war im frühen 18. Jahrhundert der Maler William
Hogarth. Sein Kupferstichzyklus „A Rake’s Progress“ zeigt den Fall des zu großem Reichtum
gekommenen Kaufmannserben Tom Rakewell,
der sich durch verschwenderische Exzesse
verschuldet und sein Ende im Irrenhaus findet.
Igor Strawinsky schuf über 200 Jahre später
mit seiner englischsprachigen Oper „The Rake’s
Progress“ eine kongeniale Bühnenadaption
dieser Vorlage, die – wenngleich in Venedig
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uraufgeführt – eine große Aufführungstradition
in Großbritannien entwickelte. In der dritten
Szene dieser Oper beklagt Tom Rakewells
Verlobte Anne – ähnlich wie in Mendelssohns
„Infelice“ – ihr Schicksal einer „Abbandonata“.
Und auch Strawinsky nimmt sich dafür dem
aus der Belcanto-Oper wohlbekannten Modell
der „Scena ed Aria“ an, das hier freilich in
neoklassischer Verpackung daherkommt.
Was Hogarth in zahlreichen Bildwerken intendiert hatte, darauf verstand sich dann im
19. Jahrhundert das Dreamteam Arthur Sullivan
& W. S. Gilbert aufs Beste in Ton und Wort: die
Absurditäten der moralisch ach so gewissenhaften Viktorianischen Mittel- und Oberschicht
schonungslos zu offenbaren. In ihren Comic
Operas mit Seitenhieben auf Politik und Gesellschaft zeigten sie die versteckte Seite des
Viktorianischen England, eine auf den Kopf gestellte Welt. Gilberts witzigen Wortspielen und
Sullivans Melodien, die stets so wirkten, als ob
man sie schon lange kenne, lag in den 1880er
Jahren ganz London zu Füßen. Noch Anfang
des 20. Jahrhunderts waren ihre Comic Operas
international so berühmt, dass selbst der
deutsche Kaiser und Nietzsche daraus zitieren
konnten … „The Pirates of Penzance“, eine
Polizei- und Armee-Satire, die 1880 sowohl in
London als auch New York herauskam, leitete
dabei gleich noch eine Erfolgsserie am Broadway ein, wo die Songs schnell zu Schlagern
wurden. Im Gegenzug schwappte nach der Glanzzeit von Gilbert & Sullivan die Musical-Welle
aus New York über den Atlantik nach London.
Hier kamen jetzt vermehrt Produktionen im
Gilbert & Sullivan: „The Pirates of Penzance“, Poster für eine
Produktion der Londoner D’Oyly Carte Opera Company
Broadway-Stil heraus, die oft in Gemeinschaftsarbeit mehrerer Komponisten entstanden. Einer
davon war Lionel Monckton, Wagnerianer und
Sullivan-Fan zugleich. Zusammen mit Howard
Talbot schrieb er 1909 die Musik zu „The Arcadians“, der vielleicht ersten britischen Musical
Comedy, in der Handlung, Musik und Charaktere eine perfekte Synthese eingehen.
Fand Arthur Sullivan im Bereich des Musiktheaters nichtsdestotrotz nur wenige würdige
Nachfolger, so legte er in England doch zugleich
den Grundstein für eine enorme Produktion an
so genannter Light Music, mit der in Quantität
und Qualität zwischen 1870 und 1950 wohl kein
anderes europäisches Land mithalten konnte.
Der allgemeine wirtschaftliche Aufschwung
führte zu einem erheblichen Bedarf an Musik
für alle Gelegenheiten – sei es für Promenadenkonzerte und Theaterpausen oder sei es für die
vielen Orchester, die in den Pavillons der Kurbäder, in den Parks und Esplanaden oder den
Resort Hotels spielten. Neben vielen anderen
sonst auch im Bereich der „seriösen Musik“
tätigen Komponisten (Elgar, Walton, Vaughan
Williams, Holst etc.) schwang sich bald Eric
Coates zum ungekrönten König der Light Music
auf. Er spielte als Bratscher lange Zeit in den
Orchestergräben der vielen Unterhaltungstheater, bevor er im Jahr 1919 die Viola aus den
Händen legte und sich ganz der Komposition
von Light Music widmete. Wie ehemals Händel
verfügte er über das besondere Geschick, aktuellen Moden und Trends zu folgen, ohne dabei
Kompromisse mit den eigenen Ansprüchen
eingehen zu müssen. Ein Vertrag mit seinem
Verleger sah vor, dass jedes Jahr u. a. eine neue
15-minütige Orchestersuite auf Schallplatte
erschien. 1932 kam auf diese Weise die „London
Suite“ heraus, deren Knightsbridge-March
von der BBC sogleich als Jingle für die wöchentliche Sendung „In Town Tonight“ verwendet
wurde – kein Wunder, ist es doch nicht zuletzt
Musik, die die Essenz einer Epoche und das
Lebensgefühl einer Stadt in Klängen ganz
unmittelbar beschwört.
Julius Heile
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VO RS C H AU
NDR SINFO NIEO RCHE S T ER
Die nächsten Konzerte des NDR Sinfonieorchesters
B1 | Do, 12.09.2013 | 20 Uhr
A1 | So, 15.09.2013 | 11 Uhr
Hamburg, Laeiszhalle
Thomas Hengelbrock Dirigent
Hélène Grimaud Klavier
Johannes Brahms
Klavierkonzert Nr. 1 d-Moll op. 15
Béla Bartók
Konzert für Orchester
Einführungsveranstaltungen
mit Thomas Hengelbrock:
12.09.2013 | 19 Uhr
15.09.2013 | 10 Uhr
B2 | Do, 17.10.2013 | 20 Uhr
A2 | So, 20.10.2013 | 11 Uhr
Hamburg, Laeiszhalle
Yutaka Sado Dirigent
Roland Greutter Violine
Leonard Bernstein
Sinfonische Tänze aus
„West Side Story”
Igor Strawinsky
Violinkonzert in D
Sergej Prokofjew
Romeo und Julia –
Auszüge aus den Ballettsuiten
Einführungsveranstaltung:
17.10.2013 | 19 Uhr
Familienmusik: „Lausbubenmusik“ parallel zum Konzert (für
Kinder ab 3 bzw. 5 Jahre):
20.10.2013 | 11 Uhr
Hélène Grimaud
Yutaka Sado
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NDR SINFO NIEO RCHE S T ER
Sonderkonzerte | Saison 2013/2014
Eröffnungskonzert des Internationalen
Musikfests Hamburg
SK2 | Fr, 09.05.2014 | 20 Uhr
Hamburg, Laeiszhalle
Thomas Hengelbrock Dirigent
Maria João Pires Klavier
Ludwig van Beethoven
Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur op. 19
Gustav Mahler
„Titan“, eine Tondichtung in Symphonieform
(Erstaufführung der 5-sätzigen Hamburger
Fassung der Sinfonie Nr. 1 D-Dur nach der
Neuen kritischen Gesamtausgabe)
Im Rahmen des Internationalen Musikfests Hamburg
SK3 | So, 15.06.2014 | 19 Uhr
Hamburg, Laeiszhalle
Thomas Hengelbrock Dirigent
Charles Castronovo Faust
Anna Netrebko Marguerite
Erwin Schrott Méphistophélès
Jacques Imbrailo Valentin
Angela Brower Siébel
Jane Henschel Marthe Schwertlein
Philharmonia Chor Wien
Charles Gounod
Faust
Oper in fünf Akten
(konzertante Aufführung)
Gesungen in französischer Sprache mit
deutschen Übertiteln
Einführungsveranstaltung mit
Thomas Hengelbrock: 18 Uhr
Im Rahmen des Internationalen
Musikfests Hamburg und in Kooperation
mit dem Festspielhaus Baden-Baden
Maria João Pires
Anna Netrebko & Erwin Schrott
Karten im NDR Ticketshop im Levantehaus,
Tel. (040) 44 192 192, online unter ndrticketshop.de
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Foto: © [M] Stockbyte, Stefano Stefani | Photodisc, ccvision
Frequenzen unter
ndr.de/ndrkultur
Impressum
Saison 2013 / 2014
Herausgegeben vom
NORDDEUTSCHEN RUNDFUNK
PROGRAMMDIREKTION HÖRFUNK
BEREICH ORCHESTER UND CHOR
Leitung: Rolf Beck
Redaktion Sinfonieorchester:
Achim Dobschall
NDR | Markendesign
Gestaltung: Klasse 3b, Hamburg
Litho: Otterbach Medien KG GmbH & Co.
Druck: Nehr & Co. GmbH
Nachdruck, auch auszugsweise,
nur mit Genehmigung des NDR gestattet.
Redaktion des Programmheftes:
Julius Heile
Der Einführungstext von Julius Heile
ist ein Originalbeitrag für den NDR.
Fotos:
Philipp von Hessen | NDR (S. 4)
Monika Rittershaus (S. 5)
Jonathan Faint (S. 7)
akg-images | Richard Booth (S. 9)
culture-images/Lebrecht (S. 11, S. 13, S. 15)
akg-images | Erich Lessing (S. 17)
Mat Hennek (S. 19 links)
Yuji Hori (S. 19 rechts)
Eduardo Gageiro (S. 21 links)
Nicolas Guerin (S. 21 rechts)
Die Konzerte des NDR Sinfonieorchesters
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