5 Elektrizität, Magnetismus und Elektromagnetismus 5.1 Elektrizität 97 5.2 Magnetismus 118 5.3 Elektromagnetismus 124 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Kapitel Klinischer Fall 5 Rettung aus der Steckdose I II III Kammerflimmern: Im EKG ist keine rhythmische Herzaktivität erkennbar. Strom ist in der modernen Welt unverzichtbar – auch im Krankenhaus. Denn nicht nur OP-Lampen und Sterilisatoren funktionieren ohne elektrische Energie nicht. Strom kann auch Leben retten – zum Beispiel bei einer Reanimation. Mit einem Defibrillator werden dabei elektrische Stromimpulse abgegeben, die kreisende Erregungen im Myokard durchbrechen. Die physiologischen Taktgeber des Herzrhythmus können dann wieder ihre normale Funktion aufnehmen. Schreck am Morgen Karin ist aufgeregt. Die Famulantin soll heute zum ersten Mal die Blutentnahmen auf der Station übernehmen. „Wenn es Probleme gibt, sag Bescheid“, hat Assistenzarzt Klaus ihr gesagt. Karin fasst sich ein Herz und betritt das erste Patientenzimmer. Bei Herrn Schulze soll der Troponinwert kontrolliert werden. Er wurde in der letzten Nacht wegen Brustschmerzen aufgenommen. Der Blutwert soll Auskunft über einen eventuellen Herzinfarkt geben. Gerade will Karin dem Mann den Stauschlauch anlegen, als dieser sich an die Brust fasst und die Augen verdreht. „Herr Schulze, was ist los?“, will die Medizinstudentin wissen. Aber der Patient reagiert nicht. Karin tastet nach seinem Puls – vergeblich. Auch Atembewegungen kann sie nicht feststellen. Der angehenden Ärztin wird schnell klar, was sie zu tun hat. Sie drückt den Alarmknopf und beginnt mit den Thoraxkompressionen. Diagnose: Kammerflimmern Kurz darauf stürmt Klaus atemlos ins Zimmer und löst Karin ab, während sie ihm kurz erzählt, was geschehen ist. „Das Reanimations-Team muss gleich da sein“, schnauft er. Ein paar Sekunden später stürmen die Intensivmediziner auch schon herein. Dann geht alles ganz schnell: Herr Schulze wird auf eine harte Unterlage gebettet, ans EKG angeschlossen und über einen Beutel beatmet. „Kammerflimmern“, ruft einer der Mediziner. Er setzt die Kontakte des Defibrillators auf die Brust des Patienten, hält seine Kollegen an, vom Bett wegzubleiben und löst einen Elektroschock mit 360 Joule aus. Alle starren auf den Monitor des EKG-Geräts. Doch noch immer ziehen feine Flimmerwellen über das Display. „Weiter“, sagt der Intensivarzt. Das Team fährt mit der kardiopulmonalen Reanimation fort. Um eine sichere und effektive Beatmung zu ermöglichen, wird der Patient intubiert. Zwei Minuten später ein neuer Versuch: Wieder setzt der Mediziner die Kontakte des Defibrillators auf und gibt einen Schock. „Wir haben ihn“. Das Piepsen von Herrn Schulzes Herzfrequenz und die jetzt wieder wohlgeformten EKG-Kurven zaubern ein erleichtertes Lächeln auf die Gesichter von Karin und Klaus. Engpass Koronargefäß Es dauert ein Weilchen, bis sich Herr Schulze erholt hat. Die Reanimation hat Spuren hinterlassen, zwei Rippen sind gebrochen, die Haut an seiner Brust ist durch die Stromstöße gerötet. Aber – er lebt. Nach zwei Tagen auf der Intensivstation kann der Patient auf die Normalstation verlegt werden. Herr Schulze weiß, dass er Glück gehabt hat. Ein Herzinfarkt hat bei ihm Kammerflimmern ausgelöst. Diese tödliche Herzrhythmusstörung äußert sich durch unkoordinierte Erregungen des Ventrikelmyokards. Der Herzmuskel kann sich nicht mehr richtig zusammenziehen und ein Kreislaufstillstand entsteht. In einer Koronarangiografie haben die Ärzte bei dem Mann erhebliche Verengungen der Herzkranzgefäße festgestellt. Um eine Bypassoperation wird er nicht herumkommen. Dabei schaffen die Chirurgen eine „Umgehungsstraße“ für die schadhaften Gefäße. Über einen künstlichen Kollateralkreislauf wird so die Durchblutung des Herzmuskels gewährleistet. Herr Schulze hat neuen Lebensmut gefasst und ist sich ganz sicher, dass er nach dem Herzinfarkt nun auch die OP gut überstehen wird. Am Tag der Verlegung in die Herzchirurgie kann der Patient schon wieder lachen. Als er sich von Klaus und Karin verabschiedet, schmunzelt er: „Ich hoffe, dass Sie hier nie einen Stromausfall haben werden!“ Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 96 5.1 Elektrizität 97 schen Gesetze. Der tiefere Grund dafür ist zum einen die Massen- bzw. Ladungserhaltung und zum anderen die jeweilig Strömung, die nicht verlustfrei vonstatten geht. Es ist an dieser Stelle nützlich, die Grundgesetze der Strömung noch einmal zu wiederholen. Vergewissern Sie sich auch noch einmal über die Begriffe Energie, Arbeit und Leistung, denn diese werden hier von der Mechanik auf die Elektrizität übertragen. 5 5 Elektrizität, Magnetismus und Elektromagnetismus Elektrizität, Magnetismus und Elektromagnetismus Elektrizität geht auf Elektronen in Atomen zurück. Solange ein Atom neutral ist, gibt es keine Elektrizität. Wenn aber Elektronen losgelöst werden, dann tragen sowohl die negativ geladenen Elektronen wie die positiven Ionenrümpfe zur Entstehung von elektrischen Feldern und zum Ladungstransport bei. Bewegte Ladungen erzeugen zusätzlich magnetische Felder, sodass elektrische und magnetische Felder eng miteinander verknüpft sind. Am deutlichsten ist diese Verknüpfung bei elektromagnetischen Wellen erkennbar, bei der elektrische und magnetische Felder nicht mehr separiert werden können. Im ersten Abschnitt diskutieren wir zunächst die Elektrostatik von Ladungen sowie elektrische Ströme. Nicht nur Ströme in Metallen, sondern auch in Halbleitern, elektrolytischen Leitern und Polarisationsströme werden vorgestellt. Im zweiten Abschnitt erfahren wir, wie Magnetismus durch elektrische Ströme zustande kommt. Im letzten Abschnitt wird gezeigt, wie zeitlich veränderliche Magnetfelder elektrische Spannungen erzeugen. Auf diesem sogenannten Faraday-Gesetz der Induktion beruht die gesamte moderne Elektrotechnik. Zum Schluss werden elektrische und magnetische Felder zu elektromagnetischen Wellen verknüpft, und dies ist dann die Überleitung zur Optik, denn die sichtbare Optik wie auch die für uns nicht sichtbaren Mikrowellen und Röntgenstrahlen beruhen auf der Ausbreitung von elektromagnetischen Wellen. 5.1 Elektrizität Lerncoach In diesem Abschnitt geht es um Kräfte zwischen Ladungen und um Drehmomente auf elektrische Dipole. Zum Verständnis der Notation und der physikalischen Inhalte ist die Vektorrechnung notwendig. Daher wird empfohlen, ggf. aus Kapitel 1 die Vektoraddition, das Skalarprodukt und das Vektorprodukt zu rekapitulieren. Die Statik von elektrischen Ladungen auf der einen Seite und der Strom von Ladungen auf der anderen Seite haben große Ähnlichkeiten mit den bereits diskutierten physikalischen Phänomenen der Hydrostatistik und der Strömung von Flüssigkeiten. Statt Druckausgleich sprechen wir hier von Ladungsausgleich, und anstatt von Druckabfall sprechen wir hier von einem Spannungsabfall. In beiden Fällen gilt das Ohm-Gesetz wie auch die beiden Kirchhoff’- 5.1.1 Überblick Elektrizität hat eine herausragende Bedeutung in der Physiologie des menschlichen Körpers. Jegliche Signalübertragung durch Nervenleitungen ist elektrischen Ursprungs. Das Herzaktionspotenzial erzeugt elektrische Dipolfelder, die im Elektrokardiogramm (EKG) nachgewiesen werden, und Gehirnaktivitäten können im Elektroenzephalogramm (EEG) sichtbar gemacht werden. Dieses Kapitel behandelt ausgehend von statischen Ladungen, elektrische Ströme, elektrolytische Ströme und Polarisationsströme in metallischen Leitern und in Ionenleitern. 5.1.2 Elektrische Stromstärke, elektrische Ladung Elektrischer Strom beruht auf Transport von elektrischer Ladung. Die Ladungsträger des elektrischen Stroms sind üblicherweise negativ geladene Elektronen in Metallen. Die Ladungsträger können aber auch Elektronenlöcher in Halbleitern sein, positiv geladene (Kationen) oder negativ geladene Ionen (Anionen) in Elektrolyten, oder Polarisationszustände in Nervenzellen. Stromstärke Die elektrische Stromstärke ist die transportierte Ladungsmenge ΔQ pro Zeiteinheit Δt: IQ ¼ ΔQ : Δt Die Einheit der Stromstärke ist das Ampere: [I] = A. Das Ampere ist eine Basisgröße, d.h. es lässt sich nicht durch andere Einheiten darstellen. Elektrischer Strom fließt nur, wenn eine elektrische Potenzialdifferenz den Strom antreibt. Darauf wird später in den Kapiteln 5.1.4 (S. 103) und 5.1.5 (S. 106) eingegangen. Hier dient uns die Definition von Stromstärke über einen gewissen Zeitraum nur zur Einführung von elektrischer Ladung. Denn die Ladung ist keine Basisgröße. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 5 5.1 Elektrizität 5 Elektrizität, Magnetismus und Elektromagnetismus MERKE Elektrischer Strom ist Ladung pro Zeit. 5 Elektrischer Strom wird als Gleichstrom bezeichnet, wenn Stromstärke und Stromrichtung zeitlich konstant sind, und als Wechselstrom, wenn Stromstärke und Stromrichtung zeitlich oszillieren. Elektrischer Strom macht sich auf verschiedene Arten bemerkbar: ein stromführender Leiter ist immer von einem Magnetfeld umgeben; zwei stromführende Leiter üben aufeinander Kräfte aus; bei hoher Stromstärke wird ein Leiter heiß, und wenn Strom durch Lösungen geführt wird, dann können chemische Reaktionen ausgelöst werden. Stromdichte Fließt ein elektrischer Strom durch einen Metalldraht mit der Querschnittsfläche A, dann ist die elektrische Stromdichte j definiert als Stromstärke pro Querschnittsfläche: j¼ I A , Einheit: ½ j ¼ 2 . A m (Beachte: in der Definition der Stromdichte steht das Symbol A für die Querschnittsfläche, in der Definition für die Einheit von I hat A die Bedeutung von Ampere). Rechenaufgabe Aufgabe 5.1: Zur Entfernung von Varizen wird bei einer Patientin die Elektrokoagulation angewendet. Dabei fließt ein elektrischer Strom mit der Stromstärke 40 mA von einer feinen Spitze zu einer Gegenelektrode auf dem Rücken der Patientin. Die Gegenelektrode hat eine Länge von 20 cm und eine Breite von 10 cm. Der Strom trifft senkrecht auf diese Fläche auf und verteilt sich gleichmäßig. Wie groß ist die Stromdichte an der Gegenelektrode? (Lösung S. 227) Elektrische Ladung Fließt in einem Leiter der Strom von 1 A für eine Sekunde, dann wird dabei die Ladung von 1 Coulomb (abgekürzt C) durch eine gedachte Querschnittsfläche transportiert: 1 C = 1 A ∙ 1s = 1 As. 1 C ist eine sehr große Einheit. Das Elektron hat eine negative Ladung von 1,6 × 10–19 C. Bei einem Strom von 1 A fließen daher 6,25 × 1018 Elektronen pro Sekunde durch den Leiter. Die Ladung eines Elektrons wird auch Elementarladung genannt, da sie die kleinste Ladungseinheit ist. Der elektrische Strom basiert also auf dem Transport von gequantelten Ladungseinheiten. Da jedoch die Zahl der transportierten Elektronen üblicherweise sehr groß ist, macht sich die gequantelte Natur des Stroms makroskopisch nicht bemerkbar. Coulombkraft Zwei Ladungen, die in einem Abstand r von einander entfernt sind, üben aufeinander eine elektrische Kraft, die sogenannte Coulombkraft aus: ~ FC ¼ 1 Q1 Q2 ~ er : 4πε0 r 2 Die Kraft ist positiv und abstoßend, wenn beide Ladungen das gleiche Vorzeichen haben. Sie ist negativ und anziehend, wenn die Ladungen unterschiedliches Vorzeichen haben. Der Vorfaktor 1=4πε0 ¼ 9 109 Nm2 =C2 wird Coulomb-Konstante genannt und erlaubt, die elektrische Kraft an die mechanischen Einheiten anzubinden. Damit ist die Anziehungskraft zwischen zwei Ladungen mit jeweils 1 C im Abstand von 1 m gleich 9 × 109 N. Solche hohe elektrische Kräfte kommen im Alltag üblicherweise nicht vor, da die freie Ladung, mit der wir es normalweise zu tun haben, um Größenordnungen kleiner ist. ε0 ist die elektrische Feldkonstante des Vakuums. Diese Naturkonstante hat den Wert: ε0 ¼ 8; 854 1012 As : Vm Die Coulombkraft hat wie alle Kräfte Vektoreigenschaft. Der Vektor zeigt in die Richtung der kürzesten Verbindung zwischen den beiden Ladungen im Abstand r, und zwar von der positiven Ladung weg zur negativen Ladung hin. Die Kraftrichtung wird durch den Einheitsvektor ~ er im Kraftgesetz beschrieben (Abb. 5.1). Ein Einheitsvektor ist dimensionslos, hat den Betrag 1 und gibt ausschließlich die Richtung des Vektors an. Der Vorfaktor 1=4πε0 Q1 Q2 =r 2 ist ein Skalar. Beachten Sie, dass die Kraft quadratisch mit dem Abstand zwischen den Ladungen abnimmt. MERKE Ladungen gleichen Vorzeichens stoßen sich ab, Ladungen verschiedenen Vorzeichens ziehen sich an. Elektrischer Dipol Ein elektrischer Dipol besteht aus zwei engegengesetzten und gleich großen Ladungen in einem kon- Q1 Q2 er r Abb. 5.1 Coulombkraft zwischen zwei Ladungen im Abstand r. Der Einheitsvektor ~ er zeigt in die Kraftrichtung von der positiven zur negativen Ladung. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 98 5 Elektrizität, Magnetismus und Elektromagnetismus Q2 → Fc → l → p Abb. 5.2 Definition des elektrischen Dipolmoments. stanten Abstand ~l. Das Dipolmoment ist definiert als Ladung mal Abstand zwischen den beiden Ladungen: ~ p ¼ Q ~l (Abb. 5.2). In der Definition des Dipolmoments kommt nur eine der beiden Ladungen vor. Das Dipolmoment ~ p ist ein Vektor, der auf die positive Ladung gerichtet ist (beachte, dass die Richtung von Coulombkraft und Dipolmoment engegengesetzt sind). Die Einheit des Dipolmoments ist ½~ p ¼ C m. Die Dipole richten sich im elektrischen Feld parallel zur Feldrichtung aus (S. 102). Die Wechselwirkung von Dipolen mit elektrischen Feldern ist daher besonders wichtig. Elektrische Felder werden im nächsten Abschnitt eingeführt. Klinischer Bezug Auch Zellmembranen können als Dipol betrachtet werden. Im Ruhezustand ist der extrazelluläre Raum durch K+-Mangel leicht positiv in Bezug auf den intrazellulären Raum (Cytoplasma) geladen. Damit zeigt das Dipolmoment im Ruhezustand von innen nach außen. Im aktivierten Zustand findet K+-Ausgleich durch Diffusion von Na+-Ionen nach innen statt. Damit drehen sich die Ladungsverhältnisse und auch das Dipolmoment über der Zellmembran um (Abb. 5.4). + → p – intrazellulär aktivierter Zustand – Ein elektrischer Dipol besteht aus zwei getrennten Ladungen unterschiedlichen Vorzeichens. Elektrischer Dipol ist definiert als Ladung mal Abstand. Polare Bindungen und polare Moleküle haben ein Dipolmoment, da die positiven und negativen Ladungsschwerpunkte der Ladungsverteilung in einem Molekül nicht zusammenfallen. Bekanntestes Beispiel ist Wasser H2O (Abb. 5.3). Hier ist der negative Ladungsschwerpunkt beim Sauerstoffatom und der positive Ladungsschwerpunkt in der Mitte zwischen den beiden Wasserstoffatomen. Damit ist das Dipolmoment vom Sauerstoffatom auf die Wasserstoffatome hin gerichtet. Das Dipolmoment des Wassermoleküls ist besonders groß. Daher kann es Ionenbindungen von Salzen leicht aufbrechen. Wasser ist daher ein gutes Lösungsmittel für ionische Moleküle. → p + intrazellulär Abb. 5.4 Änderung des Dipolmoments einer Zellmembran während der Depolarisation. 5.1.3 Elektrisches Feld Das elektrische Feld ~ E definiert man durch die Größe und Richtung der Coulombkraft, die von einer Punktladung Q0 ausgeht und auf eine kleine Probeladung QP (auch Testladung genannt) wirkt, gemäß der Definition: ~ F ~ E¼ QP : Das elektrische Feld der Punktladung ist: ~ E0 ¼ + → p 1 Q0 ~ er : 4πε0 r2 Das elektrische Feld ist bis auf die Probeladung QP identisch mit der Coulombkraft. Also kann man das elektrisches Feld ~ E einer Punktladung Q0 auch als Coulombkraft ~ FC schreiben, die von dieser Ladung ausgeht, dividiert durch die Probeladung QP: — + Abb. 5.3 Dipolmoment des Wassermoleküls. 5 Ruhezustand extrazellulär extrazellulär MERKE 99 ~ FC ~ E0 ¼ ; Einheit der elektrischen Feldstärke: QP [E] = [F/Q] = N/As = N/C = V/m. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Q1 5.1 Elektrizität 5.1 Elektrizität 5 Elektrizität, Magnetismus und Elektromagnetismus elektrische Feldlinien 5 a Klinischer Bezug Bei der Erregungsausbreitung des Herzens sind Teile des Herzens depolarisiert, andere nicht oder noch nicht. Diese örtlich getrennten Gebiete bilden einen elektrischen Dipol, der in Größe und Richtung dem zeitlichen Verlauf der Herzerregung folgt. Die Spannungsdifferenz, die von dem Dipol ausgeht, kann mit einem EKG sichtbar gemacht werden (zur elektrischen Spannung siehe S. 102). b Abb. 5.5 Elektrische Feldlinien. a Elektrische Feldlinien einer positiven Ladung. Die Pfeile symbolisieren die Richtung und Stärke der Kraft, die von einer Ladung im Zentrum ausgeht. b Überlagerung der elektrischen Feldlinien von einer positiven und negativen Ladung, die zusammen einen elektrischen Dipol bilden. Bei der Unterscheidung zwischen Punktladung und Probeladung nimmt man an, dass die Probeladung im Vergleich zur Punktladung sehr klein ist, sodass das Kraftfeld, welches von der Punktladung ausgeht, durch diese Probeladung nicht gestört wird. Die Kraftwirkung geht dann allein von der Punktladung aus und kann mit einer Probeladung abgetastet werden. Mit der Einführung des elektrischen Feldes kann man sich auf die Fernwirkung von einzelnen Ladungen konzentrieren und braucht nicht zwei Ladungen zu berücksichtigen, wie das bei der Coulombkraft der Fall ist. Genauso wie die Kraft ist auch das elektrische Feld ein Vektor. Kraft und Feld haben die gleiche Richtung. Bei einer isolierten positiven Ladung streben die Feldlinien radial von der Ladung weg nach außen, da die Kraftwirkung in allen Richtungen gleich groß ist (Abb. 5.5a). Bei einer isolierten negativen Ladung streben die elektrischen Feldlinien radial auf die Ladung zu. Gleichzeitig nimmt die Dichte der Feldlinien ab, je größer der Abstand von der Ladung ist. Die Dichteabnahme der Feldlinien im Raum veranschaulicht die quadratisch mit dem Abstand abnehmende Feldstärke. Plattenkondensator Einen besonders einfachen Verlauf der Feldlinien findet man zwischen zwei elektrisch entgegengesetzt aufgeladenen Metallplatten. Eine solche Anordnung wird als Plattenkondensator bezeichnet: Innerhalb eines Plattenkondensators sind die Feldlinien ungekrümmt und die Dichte der Feldlinien ist konstant (Abb. 5.6). Das elektrische Feld hängt nur von der Flächendichte der Ladung (Ladung Q/Fläche A) auf den gegenüberliegenden Metallplatten ab. Es gilt: 1Q ~ ~ eA ; E¼ ε0 A dabei ist ~ eA ein Einheitsvektor normal zu den Metallplatten. Außerhalb der Platten verschwinden die elektrischen Feldlinien und damit auch die Kraftwirkung. Der Plattenkondensator ist ein sehr wichtiges Bauelement für die statische Elektrizität wie auch für dynamische elektrische Vorgänge, die später auf S. 131 im Abschnitt über Wechselstromkreise diskutiert werden, da man daran viele grundsätzliche und einfache elektrische Phänomene erläutern kann. +Q + d → E –Q _ + _ + _ + _ MERKE + _ Elektrisches Feld ist Coulombkraft pro Ladung. + _ Der Feldlinienverlauf von zwei engegengesetzten Ladungen ist in Abb. 5.5b gezeigt. Er folgt aus der Vektoraddition der Feldlinien der positiven und negativen Ladung in jedem Punkt. Die Feldlinien zeigen immer in Richtung der Kraftwirkung von der positiven zur negativen Ladung. ΔU Abb. 5.6 Plattenkondensator. Der Feldlinienverlauf im Zwischenraum zwischen zwei Metallplatten, die gleich große und entgegensetzte elektrische Ladungen tragen, ist homogen und konstant. Der Außenraum ist frei von Feldlinien. Die elektrische Spannungsdifferenz ΔU hängt vom Abstand der Platten d ab. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 100 5 Elektrizität, Magnetismus und Elektromagnetismus Die Zellmembran entspricht im Prinzip einem Plattenkondensator. Der extra- bzw. intrazelluläre Raum stellt jeweils eine der beiden Platten dar, auf denen die unterschiedlichen Ladungen sitzen. Getrennt werden die Ladungen durch die Lipidschicht dazwischen (Abb. 5.7). Bei einer Depolarisation (z.B. während eines Aktionspotenzials) wird der Kondensator kontrolliert umgeladen, indem die Ionen durch spezifische Kanäle von einer Seite auf die andere fließen. Dabei polen sich die Spannungsdifferenz (= Membranpotenzial) und die Ladung (und damit auch das Dipolmoment, S. 99) des Kondensators um. ~ ~ ¼ Q~l F ¼ ~ M p ~ E ¼ ~ p~ Esinθ ~ e? : Q Polarisation Verschiebungspolarisation und Dielektrizitätszahl Die Ladungsverteilung in Leitern und in Nichtleitern wird durch ein elektrisches Feld beeinflusst. Bringt man ein nichtleitendes Material bzw. einen Isolator, auch Dielektrikum genannt, in ein elektrisches Feld, dann werden die Ladungsschwerpunkte in allen Atomen und Molekülen leicht verschoben, d.h. die negativ geladenen Elektronen richten sich zur positiven Richtung des Feldes aus und die positiv geladenen Ionenrümpfe zur negativen Seite (Abb. 5.8b). Damit wird ein Dipolmoment induziert auch wenn es vorher nicht vorhanden war. Man spricht in diesem Fall von Verschiebungspolarisation. Wie in Abb. 5.8b gezeigt, sind diese Dipole parallel zur elektrischen Feldrichtung ausgerichtet und schwächen das elektrische Feld des Kondensators ab. Einige Feldlinien enden auf der Oberfläche des Dielektrikums und erreichen nicht die gegenüberliegende Seite. Gleichzeitig entstehen neue Feldlinien durch die induzierten positiven Ladungen auf der gegenüber liegenden Seite. Insgesamt wird das elektrische Feld ED mit Dielektrikum im Vergleich zur Situation ohne Dielektrium E0 um einen Faktor ε abgeschwächt. ε ist eine dimensionslose Zahl, die Dielektrizitätszahl oder auch Permittivitätszahl genannt wird und materialabhängig ist: ED = E0/ε. Wir werden später sehen, dass die Kapa- –90 mV innen Abb. 5.7 Zellmembran als Kondensator. Die verschiedenen Ionen sammeln sich ihrer Ladung entsprechend auf den beiden Seiten der Zellmembran an (blau = Na+, rot = K+, grün = Cl–, gelb = Protein–). _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ + + + + + + + + + + + + + + + + + b _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ + + + + + + + + + + + + _ _ _ + _ + _ + + _ + _ + _ + + _ _ _ _ _ a _ _ + _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ + _ + + + + + + + + + + + _ Orientierung von elektrischen Dipolen im elektrischen Feld Bringt man einen elektrischen Dipol zwischen die Platten eines Kondensators, dann wirkt auf den Dipol ein Drehmoment, solange bis dieser parallel zu den elektrischen Feldlinien ausgerichtet ist. Das Drehmoment auf einen elektrischen Dipol folgt aus der Definition des mechanischen Drehmoments, d.h. aus dem Kreuzprodukt von Hebelarm + _ _ + E=0 _ _ + + _ c Abb. 5.8 Ausrichtung elektrischer Dipole von Dielektrika und Metallen im elektrischen Feld. a Orientierungspolarisation von permanenten Dipolen im elektrischen Feld; b Verschiebungspolarisation von induzierten elektrischen Dipolen; c Erzeugung von Influenzladungen auf der Oberfläche von Metallen. Innerhalb eines Metallkäfigs ist das elektrische Feld null. 5 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Bei θ = 90 ° ist das Drehmoment maximal, bei θ = 0 verschwindet das Drehmoment. Der Einheitsvektor ~ e? zeigt in die Richtung des Drehmoments senkrecht zu ~ p und ~ E. außen θ 101 ~l und Kraft ~ ~ ¼ ~l ~ F: M F. Erweiterung mit der Ladung Q im Zähler und Nenner ergibt ein Kreuzprodukt aus Dipolmoment mal elektrischem Feld (Abb. 5.8a): Klinischer Bezug + 5.1 Elektrizität 102 5.1 Elektrizität 5 Elektrizität, Magnetismus und Elektromagnetismus Tabelle 5.1 Statische Dielektrizitätszahlen 5 ε Vakuum 1 Luft 1,0005 Glas 5–10 Wasser 81 zität des Kondensators mit Dielektrikum im Zwischenraum um genau diesen Faktor erhöht wird. Bei Abschalten des elektrischen Feldes verschwindet die Verschiebungspolarisation wieder. Feldlinien _ _ Metallplatte Spiegelladung Orientierungspolarisation Falls in dem Dielektrikum bereits permanente elektrische Dipole vorhanden sind, wie z.B. in Wasser, dann sind diese ohne elektrisches Feld willkürlich im Raum verteilt und ergeben keine makroskopische Polarisation. In einem elektrischen Feld wirken jedoch Drehmomente auf die Dipole, die die Dipole in Feldrichtung drehen. Diese Art der Polarisation wird Orientierungspolarisation genannt (Abb. 5.8a). Die Orientierungspolarisation ist allerdings nicht vollständig, da die Wärme der Ausrichtung entgegenwirkt: Mit abnehmender Temperatur steigt die Orientierungspolarisation an. Auch hier führt die Polarisation zur Abschwächung des elektrischen Feldes. Wasser hat bei Raumtemperatur und in statischen Feldern eine besonders hohe Dielektrizitätszahl von 81 (Tab. 5.1). Auch die Ortientierungspolarisation verschwindet wieder bei Abschalten des elektrischen Feldes. Bedeutung der Dielektrizitätszahl ε Die Dielektrizitätszahl ε hat eine weitreichende Bedeutung. Sie gibt an, wie Materie auf elektrische Felder reagiert. Bei hochfrequenten elektrischen Feldern können die Dipole wegen ihrer Trägheit nicht mehr dem elektrischen Feld folgen und die Dielektrizitätskonstante nimmt ab. Bei Frequenzen von 1015Hz, die dem sichtbaren Licht entsprechen, ist die Dielektrizitätskonstante direkt mit dem optischen Brechungsindex für transparente Medien pffiffiffi verknüpft: n ¼ ε. Zum Beispiel ist für Wasser im optischen Bereich die Dielektrizitätszahl nur noch ε = 1,76 und der Brechungsindex n =1,33. MERKE Elektrische Dipole werden in elektrischen Feldern durch Ladungsverschiebung erzeugt, permanente elektrische Dipole werden im elektrischen Feld ausgerichtet. Abb. 5.9 Feldlinienverlauf einer Punktladung vor einer Metallplatte. Influenz Auch in Metallen bzw. in Leitern erzeugt das elektrische Feld eine Ladungsverschiebung. Stellt man eine Metalldose zwischen die Kondensatorplatten, dann enden die Feldlinien auf der Metalloberfläche und dringen nicht durch das Metall durch (Abb. 5.8c). Die Metalldose bleibt im Inneren feldfrei. Dieser Effekt ist als Faradaykäfig bekannt und wird zum Schutz von empfindlichen Messinstrumenten vor elektrischen Feldern eingesetzt. Auch Autos und Flugzeuge sind Faradaykäfige, sehr zum Schutz der Insassen und Passagiere. Dies liegt an der Tatsache, dass Ladungen in Leitern besonders leicht verschiebbar sind. Die Verschiebung von Ladungen in Leitern durch elektrische Felder wird Influenz genannt. Influenz erzeugt immer Ladungen engegengesetzten Vorzeichens, sodass die Feldlinien immer an den Influenzladungen enden. Man kann sich die Influenz durch ein Gedankenexperiment verdeutlichen. Wenn eine Punktladung vor einer Metallplatte positioniert wird, denn streben die Feldlinien in alle Raumrichtungen. Diejenigen Feldlinien, die auf die Metalloberfläche auftreffen, erzeugen in der Metalloberfläche Abschirmladungen, sodass die Feldlinien dort enden (Abb. 5.9). Der Feldlinienverlauf entspricht dem eines Dipols zusammengesetzt aus der Punktladung vor der Metallplatte und einer gleich großen und imaginären Spiegelladung engegengesetzten Vorzeichens hinter der Metallplatte. Die Feldlinien stehen senkrecht auf der Oberfläche, bzw. die Metalloberfläche schneidet die Feldlinien senkrecht. Eine Ladung, die parallel zur Oberfläche verschoben wird, erfährt keine Kraft. Daher sind Metalloberflächen immer Isopotenzialflächen (s.u.). Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Material 5 Elektrizität, Magnetismus und Elektromagnetismus Treffen elektrische Feldlinien auf Metallflächen auf, dann enden sie dort. Die Influenz von Ladungen entgegengesetzten Vorzeichens im Metall garantiert eine vollständige Abschirmung der elektrischen Felder. Der Innenraum von Metallen ist feldfrei. 5.1.4 Elektrische Spannung Elektrisches Potenzial (= elektrische Spannung) Hubarbeit führt einem Körper potenzielle Energie zu, da gegen die Anziehungskraft Arbeit geleistet werden muss (vgl. S. 41). Ladungstrennung von zwei ungleichen Ladungen erhöht die potenzielle Energie der Ladungen, da gegen ihre Anziehungskraft Arbeit geleistet werden muss. Potenzielle Energie ist Kraft mal Wegdifferenz, auf die Coulombkraft angewandt: FC Δ~ x: Epot ¼ ~ Das elektrische Potenzial U (genauer: die Änderung des Potenzials ΔU) ist die potenzielle Energie bezogen auf die Ladung Q: ΔU ¼ Epot ~ FC ¼ Δ~ x ¼~ E Δ~ x: Q Q Die Änderung des elektrisches Potenzials ist das Skalarprodukt aus Feldstärke und Wegdifferenz. Hier sollten die potenzielle Energie Epot und das elektrische Feld ~ E nicht verwechselt werden. Die potenzielle Energie ist ein Skalar, das elektrische Feld ist ein Vektor. MERKE Elektrisches Potenzial ist das Skalarprodukt aus Feldstärke und Wegdifferenz. Potenzialänderungen am Kondensator Die Änderung des elektrischen Potenzials wird besonders anschaulich beim Plattenkondensator (Abb. 5.6, S. 100). Vergrößert man den Abstand der Platten, dann muss gegen die Anziehung der Ladungen Arbeit geleistet werden. Da die Feldstärke zwischen den Platten überall gleich groß und konstant ist, führt die Abstandsänderung zu einer Potenzialänderung (Spannungsänderung): ΔU ¼ ~ E Δ~ d. Die Einheit des elektrischen Potenzials (der elektrischen Spannung) ist das Volt: N J ½U ¼ m ¼ ¼ VoltðVÞ: C C MERKE Die Spannung eines Kondensators ist proportional zur Ladung und zum Plattenabstand. 103 Kapazität des Kondensators Wir können jetzt die Kapazität des Kondensators leicht berechnen, in dem wir das elektrische Feld des Kondensators explizit einsetzen (differenzielle und vektorielle Schreibweise sind vernachlässigt): U ¼ Ed ¼ 1Q Q d¼ ε0 A C oder 5 Q ¼ CU: Der Proportionalitätsfaktor C zwischen der Ladung Q und der Spannung U wird Kapazität des Kondensators genannt. A ½Q As ¼ ¼ FðFaradÞ C ¼ ε0 ; Einheit [C] = d ½U V MERKE Kapazität ist proportional zur Fläche und umgekehrt proportional zum Abstand Die Einheit F der Kapazität wird Farad genannt. 1 Farad ist eine sehr große Einheit. Üblicherweise liegen die Kapazitäten von technischen Kondensatoren im Bereich von μF bis mF. Die Kapazität ist nur abhängig von der Fläche der Platten A und dem Abstand der Platten d, d.h. in die Kapazität gehen nur Geometriefaktoren der Metallplatten ein. Die Kapazität C drückt die Fähigkeit des Kondensators aus, Ladung zu speichern. Dafür ist es zuträglich, wenn die Metallplatten möglichst groß sind. Wir hatten schon weiter oben angemerkt, dass durch Einbringen eines Dielektrikums zwischen die Kondensatorplatten die Feldstärke um die Dielektrizitätszahl ε (und damit auch die Spannung) verringert wird. Um wieder die gleiche Spannung zu erreichen, kann diese Reduktion des elektrischen Feldes durch eine entsprechend höhere Ladung auf den Platten ausgeglichen werden. Ein Dielektrikum erhöht also die Fähigkeit eines Kondensators, Ladungen zu speichern: 1 d εQ ; εQ ¼ U¼ ε ε0 A CD wobei: CD ¼ ε ε 0 A ¼ ε C: d Dabei ist CD die Kapazität des Kondensators mit Dielektrikum und C ohne Dielektrikum. Alle technischen Kondensatoren nutzen diesen Effekt aus und haben immer ein Dielektrikum (= Isolator) zwischen den Polen zur Erhöhung der Kapazität. Je größer die Dielektrizitätszahl ε des Dieletrikums ist, desto höher ist seine Kapazität. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. MERKE 5.1 Elektrizität 5.1 Elektrizität 5 Elektrizität, Magnetismus und Elektromagnetismus Rechenaufgabe 5 Aufgabe 5.2: Eine Lipidmembran enthält Ionenkanäle, so dass Ladung von der zytosolischen zur extrazellulären Seite fließen kann und umgekehrt. Die Lipidmembran kann auch als ein Kondensator betrachtet werden, der durch die Ladung, die durch die Ionenkanäle fließt, aufgeladen wird. Die Kapazität der Membran ist ca. 3,2 pF. Anfangs sei die Membran nicht aufgeladen. Dann fließen 2 Millionen K+-Ionen von einer Seite zur anderen. Wie groß ist jetzt die Spannungsdifferenz über der Membran? Der Betrag der Elementarladung ist: e0 = 1,6 × 10–19 Coulomb. (Lösung S. 227) Klinischer Bezug Wie weiter obern bereits erwähnt (S. 101), können Membranen von Nervenzellen als Kondensatoren betrachtet werden. Die Kapazität der Nervenzellmembran beträgt ca 1 μF pro Quadratzentimeter. Energiedichte des Kondensators Die Formeln im folgenden Abschnitt müssen Sie nicht auswendig kennen. Sie sind eher für die Spezialisten unter Ihnen gedacht. Wichtig ist, dass Sie verstanden haben, worum es sich bei der Energiedichte eines Kondensators handelt. Wir haben bereits gesehen, dass Kondensatoren Ladungen speichern und dass sie ein konstantes elektrisches Feld enthalten. Dabei steigt die potenzielle Energie des Kondensators linear mit der C Q . Da auch die Spannung mit Ladung an: Epot der Ladung linear wächst (U ∼ Q), entspricht die potenzielle Energie der Fläche des farbigen Dreiecks in Abb. 5.10: C ¼ Epot 1 1 1 Q2 QU ¼ CU 2 ¼ 2 2 2 C Da der Kondensator ein Volumen V = Ad einschließt, ist die gespeicherte Energiedichte (Energie/Volumen): C Epot 1=2 QU 1 Q U 1 ~ ~ 1 ~2 ¼ ¼ ε0 ¼ ε0 E E ¼ ε0 E : V Ad 2 ε0 A d 2 2 Mit Dielektrikum ist die Energiedichte um den Faktor ε erhöht: C Epot 1 ¼ εε0~ E2 : 2 V C (Epot ist die potenzielle Energie des Kondensators, ~ E ist das elektrische Feld im Kondensator). U 1 QU 2 Q Abb. 5.10 Änderung der Spannung durch Aufladen eines Kondensators mit der Ladung Q. MERKE Kondensatoren sind Speicherelemente für elektrische Ladungen und für elektrische Feldenergie. Die Kapazität von Kondensatoren und ihre Energiedichte kann durch Dielektrika vergrößert werden. Isopotenziallinien Kondensator Da das elektrische Potenzial das Skalarprodukt aus Feldstärke und Wegdifferenz ist, wird das Potenzial nicht verändert, solange die Wegstrecke senkrecht zu den Feldlinien verläuft, d.h. der Weg verläuft dann auf einer Isotopotenziallinie. In einem Plattenkondensator mit konstantem elektrischen Feld zwischen der positiv und negativ aufgeladenen Platte schneiden die Isopotenziallinien die Feldlinien senkrecht (Abb. 5.11a). Verschiebungen von Ladungen entlang der Isopotenziallinien senkrecht zu den Feldlinien ändert nicht die Energie bzw. das Potenzial der Ladungen. Zwischen zwei verschiedenen Isopotenziallinien gibt es eine Spannungsdifferenz, denn um von einer Isopotenziallinie zur nächsten zu kommen, muss man einen Weg wählen, der Komponenten parallel zu den Feldlinien enthält. Isopotenziallinien können auch für inhomogene Feldverteilungen diskutiert werden. Rechenbeispiel Elektrisches Feld und Spannungsdifferenz im Plattenkondensator Homogene Kondensatorplatten mit gleichmäßigem Abstand von 5 cm und einer Kapazität von 1 nF werden mit einer Ladung von +5 μC aufgeladen. Wie groß ist das elektrische Feld und die Spannungsdifferenz zwischen den beiden Platten? Das elektrische Feld folgt aus E = U/d; da U = Q/C, folgt E = Q/(C∙d); Einsetzen der Werte ergibt für das elektrische Feld: E = 5 μC/(1 nF ∙ 0,05 m) = 100 kV/m. Die Spannungsdifferenz zwischen den beiden Platten ist U = E ∙ d = 100 kV/m ∙ 0,05 m = 5 kV. Die Feldlinien und Isopotenziallinien sind in Abb. 5.11a dargestellt. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 104 5 Elektrizität, Magnetismus und Elektromagnetismus + 5 4 3 2 1 0 kV _ 5.1 Elektrizität 105 Isopotenziallinien ΔU = 0V + 2V → E + 1V _ + 5 ΔU Abb. 5.11 Isopotenziallinien sind Linien konstanter elektrischer Spannung. Entlang einer Isopotenziallinie gibt es keine Spannungsänderung. a Isopotenziallinien in einem Plattenkondensator und b um eine Punktladung. ΔU = 1V x a b Punktladung Auf einem konzentrischen Kreis um eine Punktladung stehen elektrisches Feld und Weg senkrecht aufeinander, sodass keine Arbeit geleistet wird, solange eine Ladung auf diesem Kreis verschoben wird (Abb. 5.11b). Daher sind Isopotenziallinien auch Linien gleicher Spannung, wie der Name besagt (Abb. 5.11a). Führt jedoch der Weg der Punktladung weiter nach außen oder nach innen, wird die potenzielle Energie der Ladung geändert. Änderung der potenziellen Energie pro Ladungseinheit ist Potenzialdifferenz oder Spannungsdifferenz. Elektrischer Dipol Der Verlauf der Isopotenziallinien eines elektrischen Dipols ist komplizierter als bei einer einfachen Ladung. Aber auch hier gilt das Prinzip, dass Isopotenziallinien Feldlinien senkrecht schneiden. Zwischen verschiedenen Isopotenziallinien kann eine Spannung gemessen werden (Abb. 5.12a). Die Spannungsdifferenz und deren zeitlicher Verlauf, die z.B. der Dipol des Herzens bei der Erregungsausbreitung erzeugt, wird in einem EKG abgegriffen (Abb. 5.12b). Je nach Ableitung wird man eine andere Potenzialdifferenz messen. ΔU = 0V MERKE Isopotenziallinien schneiden elektrische Feldlinien senkrecht. Klinischer Bezug Die Lage des elektrischen Dipols, der als Summenvektor über alle Depolarisationen im Herzen entsteht und einen charakteristischen zeitlichen Verlauf hat, kann über die Messungen von Spannungsdifferenzen ermittelt werden. Dazu definiert man zunächst ein triangulares Koordinatensystem (Einthoven-Dreieck), welches dem Körperbau und seinen Extremitäten besser angepasst ist als ein rechtwinkliges kartesisches Koordinatensystem. Im triangularen System wird ein Nullpunkt im Zentrum des Dreiecks definiert und die Länge und Orientierung des Dipols senkrecht auf die jeweiligen Schenkel des Dreiecks projiziert. Bei paralleler Projektion ist die abgeleitete Potenzialdifferenz maximal, bei senkrechter Projektion minimal. Zeigt die Projektion in die gleiche Richtung wie die Pfeilrichtung des jeweiligen Schenkels, dann ist die abgeleitete Potenzialdifferenz positiv, sonst negativ. Die Ableitungen nach Einthoven messen die Potenzialdifferenz zwischen Isopotenziallinien, die der Summenvektor der Dipole erzeugt. Die in Abb. 5.13a gezeigt Orientierung des Dipols entspricht der P-Welle. Hier sind ΔU = 2V 0‘ R –2V +2V ΔU = 4V L +2 0 m 1V V +1V a –1V b F Abb. 5.12 Elektrische Feldlinien und Isopotenziallinien von einem elektrischen Dipol. a Die Isopotenziallinien schneiden die Feldlinien immer senkrecht. Einige Spannungsdifferenzen sind schematisch angegeben. b Isopotenziallinien von einem Summendipolvektor und die Potenzialdifferenz, die man bei einer EKG-Ableitung nach Einthoven II erwartet. (blau: elektrische Feldlinien, gelb: Isopotenziallinien) Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Isopotenziallinien 106 5.1 Elektrizität I 5 Elektrizität, Magnetismus und Elektromagnetismus –90° 180° 0° II → p –90° I → p 180° III 0° II III 90° a 90° b Abb. 5.13 Projektionen eines Dipols im triangularen Koordinatensystem nach Einthoven. a Die Orientierung des Summendipolvektors entspricht der P-Welle, b die Orientierung des Dipols entspricht dem Q-Zacken. alle drei Projektionen positiv, d.h. die P-Welle erzeugt einen positiven Spannungsausschlag. Am Q-Zacken zeigt der Summenvektor in Richtung 180 ° (Abb. 5.13b). Die Projektion in die 2. Ableitung ist hier besonders klein, 1. und 2. Ableitung ergeben negative Potenzialdifferenzen, während in der 3. Ableitung ein positiver Ausschlag gemessen wird. 5.1.5 Elektrischer Strom und elektrischer Widerstand Elektrischer Strom und elektrischer Widerstand zeigen Analogien zur Strömung von Flüssigkeiten und zum Strömungswiderstand. Es werden Ihnen hier das Ohm’sche Gesetz und die Kirchhoff’schen Regeln wiederbegegnen. Zur Erinnerung können Sie nochmals auf S. 68ff. nachschlagen. Stromfluss Elektrischer Strom fließt nur dann, wenn an den Enden eines Leiters eine Potenzialdifferenz herrscht. Diese Potenzialdifferenz besteht immer aus der Trennung von Ladungen unterschiedlichen Vorzeichens. Besonders anschaulich ist dies in der galvanischen Zelle bzw. in einer Batterie. Eine Batterie ist entladen, wenn der geflossene Strom die ursprüngliche Ladungstrennung rückgängig gemacht hat. Wir haben bereits die elektrische Stromstärke als transportierte Ladungsmenge ΔQ pro Zeiteinheit kennengelernt (S. 97): IQ ¼ ΔQ : Δt Dabei fließt die elektrische Ladung von einem hohen elektrischen Potenzial zu einem niedrigeren. Elektrischer Widerstand und Leitwert Wie stark der Strom ist, hängt von der Potenzialdifferenz ΔU und von dem elektrischen Strömungswiderstand R ab. Damit ist IQ ¼ ΔQ ΔU ¼ : Δt R Diese Beziehung wird als Ohm’sches Gesetz bezeichnet. Der Kehrwert des Widerstandes G = 1/R ist der elektrische Leitwert. Mit dieser Definition lautet das Ohm’sche Gesetz: IQ ¼ G ΔU: Die Einheit des elektrischen Widerstands ist das Ohm [Ω]. Die Definition folgt aus dem Ohm’schen Gesetz: R = U/I, [R] = [V]/[A] = [Ω]. 1 Ω ist der Widerstand, den man bei 1 V Spannungsdifferenz und 1 A Strom erhält. Die Einheit des Leitwerts ist: [G] = Ω–1 = Siemens (S). Im Widerstand wird elektrische Energie in Wärme (Joule’sche Wärme) umgewandelt. Bei hohem Strom kann ein Draht so heiß werden, dass er glüht und Licht emittiert. Dieser Effekt wird in der Glühbirne zur Beleuchtung genutzt. MERKE Das Ohm’sche Gesetz: Strom ist Spannungsdifferenz dividiert durch elektrischen Widerstand. Rechenaufgaben Aufgabe 5.3: Bei einem Elektrounfall kann es am Herzen unter bestimmten Umständen zu Kammerflimmern kommen. Dies kann dann auftreten, wenn ein Strom von 100 mA länger als 500 ms zwischen der linken Hand und den Füßen durch den Körper hindurchfließt. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 5 107 Wie hoch muss die dabei am Körper anliegende Spannung sein, damit es zu dieser Stromstäke kommt, wenn der Widerstand zwischen den Stromkontakten 5 kΩ beträgt? destens ein frei bewegliches Elektron gibt. Die sehr große Dichte von freien Elektronen in Metallen, die im elektrischen Feld verschiebbar sind, führen zu kleinen spezifischen Widerständen und hohen Strömen. In Halbleitern gibt es nur sehr wenige freie Elektronen, die erst thermisch zur Leitfähigkeit aktiviert werden müssen. Daher ist die Leitfähigkeit von Halbleitern wie Silizium und Germanium nicht groß, aber die Elektronenkonzentration kann durch Dotieren stark beeinflusst werden. Daher eignen sich Halbleiter besonders zum Steuern und Verstärken von Strömen, was in der Halbleiterelektronik ausgenützt wird. In Isolatoren verhindert die starke kovalente oder ionische Bindung aller Elektronen den Ladungstransport von freien Elektronen. Die spezifischen Widerstände sind entsprechend groß. Daher sind die meisten Salze, Oxide, Sulfide, etc. Isolatoren. Aufgabe 5.4: In der medizinischen Rehabilitation wird zur Vermeidung von Muskelschwund oder zum Wiederaufbau einer Muskelatrophie oft die elektrische Muskelstimulation angewandt. Dabei wird ein Gleichstrom zur Stimulierung von Muskeln und Nerven eingesetzt. In unserem Fall fließt ein Strom von 10 mA durch das Muskelgewebe. Die angelegte Spannung beträgt 50 V. Welchen elektrischen Leitwert hat das Gewebe? (Lösungen S. 227) 5 Spezifischer Widerstand und Leitfähigkeit Der elektrische Widerstand ist aus einem geometrischen Anteil (Länge l und Querschnittsfläche A) und einem materialspezifischen Anteil ρ zusammen gesetzt (spezifischer Widerstand, Resistivität): l R ¼ ρ : Die Einheit des spezifischen Widerstands A ist [ρ] = Ω∙m. Der Kehrwert der Resistivität σ = 1/ρ ist die Leitfähigkeit. Die Edelmetalle Kupfer, Silber und Gold leiten den Strom besser als andere Metalle, etwa Aluminium und Zinn. Ihre Leitfähigkeit ist höher als die anderer Metalle. Einige spezifische Widerstände sind in Tab. 5.2 wiedergegeben. Sie erstrecken sich über sehr viele Dekaden. Spezifische Widerstände im Bereich 10–5 bis 10–8 Ω∙m werden metallisch genannt. Spezifische Widerstände von 10–3 bis 103 Ω∙m werden Halbmetallen und Halbleitern zugeordnet, und Materialien mit spezifischen Widerständen über 106 Ω∙m werden Isolatoren genannt. Metalle wie Kupfer, Gold und Aluminium zeichnen sich dadurch aus, dass es zu jedem Metallion minTabelle 5.2 Klinischer Bezug Ionenströme durch Ionenkanäle sind durch Membranpotenzial und Leitwert der Ionenkanäle bestimmt. Die Ionenströme bewegen sich im Bereich von pA! Abhängigkeit des Widerstands von der Temperatur (Abb. 5.14) Ein elektrischer Widerstand ist üblicherweise ein Stück Metalldraht, der den Strom aufgrund seiner Geometrie oder seiner Resistivität schlecht leitet. Die meisten Widerstände hängen über einen weiten Temperaturbereich linear von der Temperatur ab: ρðT Þ ¼ ρ0 ð1 þ αOhm ΔT Þ: αOhm ist der Temperaturkoeffizient von Ohm-Widerständen, der vom Material abhängt. Man kann die Temperaturabhängigkeit des elektrischen Widerstands zur Temperaturmessung eichen und verwenden. Die Leitfähigkeit von Metallen steigt mit fallender Temperatur. Manche Metalle werden supraleitend für Temperturen unterhalb einer kritischen Temperatur Tc, d.h. der spezifische Wieder- ρ [Ohm ∙ m] Kupfer 1,7 × 10–8 Gold 2,2 × 10–8 Aluminium 2,7 × 10–8 menschl. Körper als elektrolytischer Leiter 3 Wasser, destilliert ∼ 104 Salzwasser ∼ 0,3 Germanium (rein, 300 K) 5 × 107 11 Glas > 10 Polystyrol > 1015 spezifischer Widerstand Spezifische Widerstände bei 300 K Halbleiter ρMetall(T) = ρ0(1 + αOhmΔT) metallischer Leiter Supraleiter TC 300 K Temperatur Abb. 5.14 Temperaturabhängigkeit des spezifischen Widerstands von metallischen Leitern, Supraleitern und Halbleitern. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 5.1 Elektrizität 5 Elektrizität, Magnetismus und Elektromagnetismus 5.1 Elektrizität 5 Elektrizität, Magnetismus und Elektromagnetismus stand wird 0. Halbleiter werden bei hohen Temperaturen besser leitfähig, bei tiefen Temperaturen dagegen sind sie eher den Isolatoren zuzuordnen. 5 Strom-Spannungs-Kennlinie Widerstände werden über ihre Strom-SpannungsKennlinie als Ohm- oder Nicht-Ohm-Widerstand charakterisiert (Abb. 5.15). Ohm-Widerstand: Die Beziehung zwischen Strom und Spannung ist linear, die Steigung gibt den reziproken Widerstand an. Metalle haben üblicherweise einen Ohm-Widerstand. Nicht-Ohm-Widerstand: Die Beziehung zwischen Strom und Spannung ist nicht-linear, die Steigung gibt nur punktuell den Widerstand an. Nicht-Ohm-Widerstände findet man bei Halbleiter-Dioden und Transistoren. Abweichung von der Linearität findet man auch bei Metalldrähten, wenn durch hohen Strom der Draht heiß wird (Glühbirne) und der spezifische Widerstand steigt (s.o.). I a Klinischer Bezug Der menschliche Körper ist ein elektrolytischer Leiter mit hohem Widerstand. Der Widerstand von Hand zu Hand beträgt ca. 1 kΩ. Gleichstrom führt zunächst zur Joule’schen Erwärmung des Körpers. Bei genügend hoher Stromdichte werden die Zellen depolarisiert, und der normale Ablauf von Erregungsvorgängen wird gestört, z.B. die Herzfunktion. Bei 0 – 25 mA; d.h. einer Spannung von ca. 25 V wird Kribbeln verspürt. Bei 25 – 80 mA bzw. 80 V kommt es zur Blutdrucksteigerung und bei 80 – 3000 mA bzw. 3000V tritt Bewusstlosigkeit und Herzflimmern ein. I ΔU IQ = U0/R (Abb. 5.16a). Dabei erfolgt ein Spannungsabfall über dem Widerstand R (der Widerstand der Zuleitungen wird vernachlässigt). Dieser Spannungsabfall ist in Abb. 5.16b schematisch dargestellt. Der Strom ist eine gerichtete Größe, aber kein Vektor. Die Konvention ist, dass die Richtung von IQ parallel zur Richtung des dazugehörigen elektrischen Feldes ~ E ist. In Abb. Abb. 5.16 fließt der Strom konventionsgemäß von Plus nach Minus, d.h. entgegen der Richtung der Bewegung der Elektronen im Metalldraht. Die Spannung U0 nennt man Quellspannung oder auch elektromotorische Kraft (EMK). Im Folgenden unterscheiden wir zwischen der Quellspannung U0, die eine Spannungsquelle liefert, und dem Spannungsabfall ΔU über diverse Widerstände oder andere Elemente in einem Stromkreis. Der Widerstand der Zuleitungen wird dabei vernachlässigt. ΔU b Abb. 5.15 Strom-Spannungs-Kennlinien. a Ohm-Widerstand. b Nicht-Ohm-Widerstand. 5.1.6 Elektrischer Stromkreis Einige Definitionen Schließt man verschiedene Elemente wie z.B. Kondensatoren oder Widerstände über Zuleitungen an eine Spannungsquelle an, erhält man einen Stromkreis. Ist der Stromkreis geschlossen, findet ein Ladungstransport statt – es fließt ein Strom. Bei einem offenen Stromkreis ist der Strom unterbrochen, z.B. durch einen nicht geschlossenen Schalter. Wird ein Ohm-Widerstand R mit Hilfe von Kupferzuleitungen an eine Spannungsquelle mit der Quellspannung U0 angeschlossen, dann fließt ein elektrischer Strom gemäß dem Ohm’schen Gesetz: Kirchhoff-Regeln Elektrische Netzwerke und Schaltkreise werden nach den folgenden beiden Kirchhoff Regeln berechnet. Knotenregel (Abb. 5.17a) (1. Kirchhoff’sche Regel): an einem Knoten verzweigen sich die Ströme so, dass die Summe der hineinfließenden und hinaus fließenden Ströme konstant ist: I1 ¼ I2 þ I3 . Allgemeiner kann die Knotenregel formuliert werden, wenn man die hinein fließenden Ströme positiv und die hinaus fließenden Ströme negativ wertet. Dann ist die Summe über alle Ströme an einem Knoten null: P Ii ¼ 0. i R ΔU I + U0 a R Zuleitungen, R = 0 kein Spannungsabfall – b Länge Abb. 5.16 Spannungsabfall am Ohm-Widerstand. a Ein Ohm-Widerstand ist über Kupferzuleitungen an eine Spannungsquelle angeschlossen. U0 ist die Quellspannung des Stromkreises und die Pfeile deuten die technische Stromrichtung an. b Der Spannungsabfall erfolgt nur über dem Widerstand, solange der Widerstand der Zuleitungen vernachlässigt werden kann. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 108 5 Elektrizität, Magnetismus und Elektromagnetismus I2 10 Ω I3 ∆UR ∆UR 1 R1 2 R2 U0 b + 100 V Spannung (V) a U0 = ΔUR1+ΔUR2 = I(R1 + R2) = I Rges. Bei Serienschaltung ist damit der Gesamtwiderstand gleich der Summe der Einzelwiderstände (vgl. dazu auch S. 70): X Ri : Rges ¼ i Der Gesamtwiderstand nimmt mit der Zuschaltung von weiteren Widerständen zu und der Strom nimmt ab. 30 Ω 0V a UX = 5 x U l 0 x l U0 b I2 I3 R1 = 80 Ω R2 = 40 Ω I1 I1 + 100 V 0V Spannung (V) 100 i Serien- und Parallelschaltung von Widerständen Serienschaltung Wenn Widerstände in einem Stromkreis hintereinander geschaltet sind, dann spricht man von einer Serienschaltung (oder Reihenschaltung, Abb. 5.18a). Da der Strom durch alle Widerstände gleich groß ist, jedoch die Spannung über den Widerständen sukzessive abfällt, sodass die Summe der Spannungsabfälle gleich der Quellspannung ist, dann folgt aus der Maschenregel unter Zuhilfenahme des Ohm-Gesetzes: 40 Ω 100 80 60 40 20 0 Abb. 5.17 Zur Definition der Knotenregel und der Maschenregel. a Knotenregel: An einem Knoten verzweigen sich die Ströme so, dass die Summe der hinein fließenden und hinaus fließenden Ströme konstant ist. b Maschenregel: In einem geschlossenen Stromkreis ist die Summe aller Spannungsabfälle über den Widerständen gleich der Quellspannung. Die Knotenregel drückt Ladungserhaltung aus, was zufließt muss auch wieder abfließen, ohne dass sich der Knoten elektrisch auflädt. Maschenregel (Abb. 5.17b) (2. Kirchhoff’sche Regel): in einem geschlossenen Stromkreis ist die Summe aller Spannungsabfälle über den Widerständen gleich der Quellspannung: U0 = ΔUR1 +ΔUR2. Allgemeiner kann die Maschenregel ausgedrückt werden, indem die Vorzeichen der Spannungen berücksichtigt werden: in einem geschlossenen Stromkreis ist die Summe aller Spannungen null: P ΔUi ¼ 0. 20 Ω 109 80 60 40 20 0 c Abb. 5.18 Widerstände und Spannungsabfall im Stromkreis. a Serienschaltung. b Potenziometerschaltung. c Parallelschaltung. Potenziometer Serienschaltungen von Widerständen können als Spannungsteiler (Potenziometer) genutzt werden. Über jedem Widerstand fällt eine Spannung proportional zum Widerstand ab, die abgegriffen und für weitere Geräte genutzt werden kann, die eine kleinere Spannung benötigen als die primäre Spannungsquelle zur Verfügung stellt. Gebräuchlich sind Schiebewiderstände, bei denen ein Schleifkontakt die gewünschte Spannung abgreift, wie in Abb. 5.18b schematisch dargestellt ist. Ein Beispiel dafür ist der Lautstärkeregler am Radio. Je weiter er aufgedreht wird, desto niedriger wird der Arbeitswiderstand, es fließt mehr Strom und die Lautstärke nimmt zu. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. I1 5.1 Elektrizität 5 5.1 Elektrizität 5 Elektrizität, Magnetismus und Elektromagnetismus Parallelschaltung Eine alternative Möglichkeit, elektrische Widerstände in einem Stromkreis zu schalten, ist die Parallelschaltung (Abb. 5.18c). Im dargestellten Beispiel teilt sich der Gesamtstrom I1 in zwei Teilströme I2 und I3 auf, und die Gesamtspannung ΔU fällt über beiden Widerständen R1 und R2 gleich ab. Nach der Knotenregel I1 ¼ I2 þ I3 und mit dem Ohm-Gesetz folgt dann: ΔU ΔU 1 1 1 ¼ ΔU þ ¼ ΔU þ : I1 ¼ R1 R2 R1 R2 R ges Daraus folgt, dass bei Parallelschaltung die Leitwerte der Widerstände addiert werden (vgl. dazu auch S. 70): X1 1 ¼ : R ges Ri i Damit ist der Gesamtwiderstand immer kleiner als der kleinste Einzelwiderstand. MERKE Der Gesamtwiderstand in einem Stromkreis mit parallel geschalteten Widerständen ist immer kleiner als der kleinste Einzelwiderstand. Im Haushalt sind alle elektrischen Geräte parallel geschaltet. Wenn ein Gerät ausfällt, sind die anderen nicht davon betroffen. Jedes Gerät hängt an einem eigenen „Zweig“ des Stromkreises (verzweigter Stromkreis). Wären sie in Serie geschaltet, würde beim Ausfall eines Geräts der gesamte Stromkreis unterbrochen. Spannungsquellen Alle elektrischen Geräte, einschließlich Spannungsquellen (Batterien), haben einen Innenwiderstand. Der Innenwiderstand wird bei Berechnung von Strömen und Spannungen immer als Reihenwiderstand angenommen (Abb. 5.19). Die Klemmspannung einer Batterie ist die Leerlaufspannung ohne Belastung minus dem Spannungsabfall über dem Innenwiderstand Ri der Batterie. Die Klemmspannung ist daher immer geringer als die Leerlaufspannung. Der Kurzschlussstrom ist der Strom, der nur durch den Innenwiderstand der Batterie begrenzt ist. Rechenbeispiel Innenwiderstand Falls die Leerlaufspannung einer Batterie 12 V beträgt (Abb. 5.19), die Klemmspannung über einem Widerstand jedoch nur 10 V, dann müssen 2 V über dem Innenwiderstand abgefallen sein. Der Strom im Kreis mit dem Widerstand R = 12 Ω ist daher: 10 V/12 Ω = 0,833 A, sodass für den Innenwiderstand 2V/0,833 A= 2,4 Ω berechnet werden. Der Kurzschlussstrom ist 12V/2,4 Ω = 5A. Der Innenwiderstand einer Spannungsquelle sollte möglichst klein sein, damit eine möglichst hohe Spannung dem Stromkreis zur Verfügung gestellt werden kann! Strom- und Spannungsmessgeräte Amperemeter Zum Messen von elektrischen Strömen verwendet man Amperemeter (Abb. 5.20a). Amperemeter sind hochempfindliche Drehspulgalvanometer (S. 123), die auf dem Prinzip der Lorentzkraft beruhen, dazu mehr auf S. 123, Abb. 5.37. Die heute gebräuchlichen digitalen Amperemeter messen den Spannungsabfall über einen im Gerät eingebauten Eichwiderstand. Amperemeter werden immer in Reihe mit einem Widerstand geschaltet. Der Innenwiderstand Ri eines Amperemeters sollte möglichst klein Strommessung U0 R a Spannungsmessung Ri ∆Uab Ri 12 V R = 12 Ω I Ri U0 10 V a R1 b R2 b Abb. 5.19 Schematische Darstellung des Innenwiderstands einer Spannungsquelle. Abb. 5.20 Schaltung von Strom- und Spannungsmessgeräten in Stromkreisen. a Amperemeter. b Voltmeter. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 110 5 Elektrizität, Magnetismus und Elektromagnetismus 5.1 Elektrizität sein, damit die Strommessung über dem Hauptwiderstand R nicht verfälscht wird. Der gemessene Strom ist IQ ¼ ΔU=ðR þ Ri Þ, ist also kleiner als derjenige, der ohne Strommessung fließt. Falls das Ohm’sche Gesetz gilt, dann folgt für die elektrische Leistung an einem Ohm-Widerstand: Voltmeter Messungen von Spannungen erfolgen mit einem Voltmeter (Abb. 5.20b). Die über dem Widerstand R1 abfallende Spannung zwischen den Knoten a und b wird parallel zu R1 gemessen. Ein Voltmeter ist ein Amperemeter mit möglichst hohem vorgeschaltetem Innenwiderstand Ri, damit die Spannungsmessung nicht durch den Strom verfälscht wird, der durch das Gerät fließt. Die Joule’sche Wärmeentwicklung entspricht der im Draht verbrauchten elektrischen Leistung. Die geleistete Arbeit am Ohm-Widerstand ist dissipativ, d.h. sie kann nicht in Form elektrischer Energie zurück gewonnen werden. Amperemeter sollten einen möglichst kleinen Innenwiderstand haben, Voltmeter hingegen einen möglichst großen Innenwiderstand. Elektrische Arbeit und elektrische Leistung In einer Spannungsquelle wird Ladung auf einem hohen Potenzial angeboten. Die potenzielle Energie der Ladung kann in elektrischen Motoren mechanische Arbeit leisten, in einer Photodiode Licht erzeugen, chemische Reaktionen auslösen oder Wärme liefern. In allen Fällen leistet das elektrische Feld Arbeit an Ladungen, sodass Strom von a nach b über einen Widerstand fließt. In einem OhmWiderstand wird die elektrische Arbeit ausschließlich in Wärmeenergie umgewandelt. Ohm-Widerstände sind elektrische Heizungen, Bügeleisen, Toaster, etc. Elektrische Arbeit Die elektrische Arbeit (Energie) ist analog zur mechanischen Arbeit definiert: F Δ~ s ¼ Q~ E Δ~ s: Wel ¼ ~ ðΔU Þ2 ¼ I2 R: R Rechenaufgabe Aufgabe 5.5: Tumorzellen wachsen besonders schnell. Diese Eigenschaft wurde in einem Experiment ausgenützt, bei dem man die Tumorzellen durch wiederholtes Anlegen einer hohen Spannung zu zerstören versuchte, ohne dabei die langsamer wachsenden gesunden Zellen zu beeinträchtigen. Im Experiment wurde dabei an eine Zellkultur jeweils für 8 ns eine Spannung von 25 kV angelegt. Dabei floss ein Strom von 5 A. Insgesamt wurden 800 solcher Stomstöße angewendet. Wie groß war die Energie, die dem Gewebe dabei zugeführt wurde? (Lösung S. 227) Parallel- und Serienschaltung von Kondensatoren Auch Kondensatoren können parallel oder in Serie geschaltet werden (Abb. 5.21). Schließt man diese an eine Spannungsquelle U0 an, dann werden alle Kondensatoren gleichzeitig „aufgeladen“, bis die Spannung über den Kondensatoren gleich der Spannung der Spannungsquelle U0 ist (vgl. S. 103). Bei Parallelschaltung werden die Ladungen von den einzelnen Kondensatoren addiert: Q ¼ C1 U0 þ C2 U0 ¼ ðC1 þ C2 ÞU0 ¼ CU0 ; d.h. durch Parallelschaltung wird die Kapazität additiv vergrößert: n X Da Ladung Q = I Δt ist, und das elektrische Feld E ¼ ΔU=Δs, folgt für die elektrische Arbeit: Cges ¼ C1 þ … þ Cn ¼ Wel ¼ I ΔU Δt: Im Gegensatz dazu werden bei Serienschaltung der Kondensatoren die Spannungsabfälle über den Kondensatoren addiert: Die Einheit der elektrischen Arbeit ist [Wel] = A∙V∙s = Joule = Watt∙s. Elektrische Leistung Elektrische Leistung ist elektrische Arbeit (Energie) pro Zeit (vgl. S. 43): Pel ¼ Wel ¼ I ΔU: Δt Die Einheit der elektrischen Leistung ist [Pel] = A∙V = Joule/s = Watt 5 Ci : i¼1 U0 ¼ ΔU1 þ ΔU2 ¼ Q Q Q þ ¼ : C1 C2 Cges Allgemeiner ausgedrückt, bei Serienschaltung werden die Leitwerte addiert: n X 1 1 1 1 ¼ þ…þ ¼ : C ges C1 Cn C i¼1 i Dies hat zur Folge, dass bei jeder Zuschaltung von Kondensatoren in Serie die Gesamtkapazität er- Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. MERKE Pel ¼ 111 112 5.1 Elektrizität 5 Elektrizität, Magnetismus und Elektromagnetismus – U0 – Q1 – Q2 Q1 Q2 C1 C2 + + U0 _ R S C a a 5 U(t) U0 –Q ∆U1 C1 –Q + U(t) = U0(1– e–t/τ) +Q ∆U2 C2 +Q Zeit [t] I(t) b Abb. 5.21 Parallelschaltung (a) und Reihenschaltung (b) von Kondensatoren. I(t) = I0 e–t/τ niedrigt wird. Damit ist die Gesamtkapazität geringer als jede einzelne Kapazität. MERKE Bei Serienschaltung von Widerständen werden die Einzelwiderstände addiert. Bei Serienschaltung von Kondensatoren werden die Leitwerte der Einzelkondensatoren addiert. Bei Parallelschaltung herrscht über jedem Kondensator die gleiche Spannung. Bei Serienschaltung fällt die Spannung der Spannungsquelle sukzessive über den einzelnen Kondensatoren ab. Daher kann man die Serienschaltung von Kondensatoren auch zur Spannungsteilung benutzen, ähnlich der Serienschaltungen von Widerständen. Auf- und Entladen von Kondensatoren Aus dem folgenden Abschnitt müssen Sie sich merken, was die Zeitkonstante eines Kondensators ist. Sie sollten auch damit rechnen können. Sie wird Ihnen in der Physiologie bei den Membranpotenzialen wiederbegegnen. Ein Kondensator kann über eine Spannungsquelle U0 (Batterie) aufgeladen werden. Eine mögliche elektrische Schaltung ist in Abb. 5.22 wiedergegeben. Dabei fließt Strom über den Widerstand R und die Zuleitungen zum Kondensator, bis dieser die gleiche Spannung erreicht wie die Spannungsquelle. Im geladenen Zustand ist die Spannung über dem Kondensator maximal und der Strom 0. Die b τ Zeit [t] Abb. 5.22 Auf- und Entladen eines Kondensators. a Schaltbild zum Aufladen eines Kondensators bei geöffnetem Schalter S. b Zeitlicher Verlauf von Spannung (oben) und Strom (unten) über dem Kondensator, nachdem dieser an die Spannungsquelle mit der Spannung U angeschlossen wurde. Aufladung erfolgt nach einem Exponentialgesetz mit der Zeitkonstante τ: U ðt Þ ¼ U0 1 et=τ : τ ist die Zeit, die vergeht, bis 63 % des Kondensators aufgeladen ist. Die Zeitkonstante ist ein Produkt aus Widerstand R und Kapazität C: τ ¼ R C. Je größer der Widerstand und je größer die Kapazität ist, umso länger dauert es, einen Kondensator aufzuladen. Wenn die Spannungsquelle entfernt und der Schalter S geschlossen wird (Abb. 5.20), dann findet ein Ladungsausgleich zwischen den beiden Platten statt, d.h. es fließt ein Strom über den Widerstand, bis der Plattenkondensator vollständig entladen ist. Strom und Spannung nehmen exponentiell ab, bis der Kondensator vollständig leer ist: U ðt Þ ¼ U0 et=τ ; Iðt Þ ¼ I0 et=τ . Die Zeit für die Entladung ist wieder durch dieselbe Zeitkonstante τ charakterisiert, U0 und I0 sind die Anfangswerte unmittelbar nach Schließen des Schalters. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. – U0 U0 5 Elektrizität, Magnetismus und Elektromagnetismus U1 Rechenaufgabe Rx I1 U2 R0 I3 R1 R2 5 L x R I1 RP I2 U0 I2 U0 C Abb. 5.23 Wheatstone-Brücke zur präzisen Bestimmung von Widerständen. Die Membrankapazität beträgt C = 0,2 nF, der Membranwiderstand R = 50 kΩ. Bei einem durchlaufenden Aktionspotenzal wird die Membran von –80 mV auf +10 mV umgeladen. Wie lange dauert es, bis das Membranpotenzial Um (physiologisch Em) nach dem Aktionspotenzial wieder bis auf 37 % des Ausgangswerts (Um/e, e = Euler’sche Zahl 2,718…) abgefallen ist? (Lösung S. 227) Praktikum Wheatston-Brücke Mit der Wheatstone-Brücke kann man sehr präzise unbekannte Widerstandswerte Rx Bestimmen. Dazu braucht man einen bekannten Widerstand R0, einen Widerstand mit Schleifkontakt (Potenziometerwiderstand RP ) und ein Amperemeter mit Spannungsquelle in der folgenden Anordnung: Man verschiebt den Schieber so lange, bis der Strom I3=0 ist, d.h. die beiden Spannungsabfälle U1 = U2 identisch werden. Dann und nur dann gilt nach den Maschenregeln: Linke Masche: Rx I1 R1 I2 ¼ 0. Rechte Masche: R0 I1 R2 I2 ¼ 0. Auflösen der zweiten Gleichung nach I2 und Einsetzen in die erste Gleichung ergibt für den unbekannten Widerstand Rx: R1 Rx ¼ R0 : R2 Bei bekanntem Gesamtwiderstand RP und Länge L des Potentiometers sind die Teilwiderstände R1 ¼ ðx=LÞ RP und R2 ¼ ððL xÞ=LÞ RP . Wie man sieht, wird der unbekannte Widerstand allein aus den bekannten Widerständen R0, R1 und R2 berechnet (Abb. 5.23). Da das Amperemeter stromlos ist, spielt der Innenwiderstand Ri keine Rolle und kann das Ergebnis nicht verfälschen. 113 5.1.7 Elektrizitätsleitung Festkörper Hinsichtlich der elektrischen Leitfähigkeit teilt man Festkörper in Isolatoren, Halbleiter und Metalle ein. Metalle In Metallen bewegen sich Elektronen relativ frei und ungestört. Die Elektronen in Metallen werden nicht durch die anderen Elektronen gestört, sondern nur durch Defekte im Metallgitter und durch die thermische Bewegung der Gitterionen. In Metallen kann elektrischer Strom und gleichzeitig damit auch elektrische Energie transportiert werden. Bei angelegter Spannung bewegen sich die Elektronen mit einer mittleren Driftgeschwindigkeit vD durch den metallischen Leiter. Driftgeschwindigkeit vD mal Ladungsdichte der Elektronen ρe ergibt die Stromdichte in einem Leiter ~ j ¼ ρe~ vD ðvgl: S: 98Þ: Die Driftgeschwindigkeit hängt wiederum von der elektrischen Feldstärke ab: ~ E: vD ¼ μe~ Damit wird die Stromdichte in Metallen: ~ E ¼ σ~ E: j ¼ ρe μe~ μe wird die Beweglichkeit der Elektronen genannt und σ ist die Leitfähigkeit, die wir bereits auf S. 107 kennengelernt haben. Beim elektrischen Strom ist die Kraft proportional zur (Drift-)Geschwindigkeit und nicht proportional zur Beschleunigung, genauso wie bei der viskosen Strömung von Gasen und Flüssigkeiten und dem Kraftgesetz bei viskoser Reibung. In allen diesen Fällen geht die Proportionalität zur Geschwindigkeit auf die Dissipation (Verlust) von Energie zurück. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Aufgabe 5.6: Die passiven elektrischen Eigenschaften einer Zellmembran sind der Membranwiderstand R (in Physiologiebüchern oft als Rm bezeichnet) und die Membrankapazität C (physiologisch Cm). Kapazität und Widerstand sind in diesem Fall parallel geschaltet. Man kann dies in folgendes Schaltbild übersetzen: 5.1 Elektrizität 5 5.1 Elektrizität 5 Elektrizität, Magnetismus und Elektromagnetismus Halbleiter Halbleiter haben eine wesentlich geringere Leitfähigkeit als Metalle. Reine Halbleiter sind bei tiefen Temperaturen Isolatoren. Entweder durch Temperatur oder durch Dotieren mit Fremdatomen werden Halbleiter geringfügig leitfähig. Es gibt zwei Arten der Dotierung, n-Dotierung und p-Dotierung. Bei n-Dotierung werden in Si- oder Ge-Kristalle, deren Valenz 4 ist, Atome mit der Valenz 5 (P, As) eingefügt, sodass die Überschusselektronen nur schwach im Kristallverband gebunden sind und leicht im elektrischen Feld zur Leitung angeregt werden können. Umgekehrt bei p-Dotierung werden Defekte mit Valenz 3 (Al, Ga) in das Kristallgitter eingebaut. Die Hauptladungsträger sind dann nicht Elektronen, sondern Löcher. In beiden Fällen liegt die Konzentration der Fremdatome im ppmBereich. Bei n- wie bei p-Dotierung setzt sich die Stromdichte aus der Beweglichkeit der Elektronen und der Löcher zusammen: ~ E: j ¼ ðρe μe þ ρh μh Þ~ Isolatoren In Isolatoren sind alle Elektronen so stark gebunden, dass auch durch Temperaturerhöhung keine Leitfähigkeit zustande kommt. Vakuum Elektronen, die üblicherweise in Molekülen oder in Festkörpern gebunden sind, können durch verschiedene Prozesse freigesetzt werden und ins Vakuum gelangen. Bei hohen Temperaturen z.B. treten Elektronen durch Glühemission aus Festkörpern aus. Ein Teil dieser Energie dient der Überwindung der Bindung (Austrittsarbeit), der Rest wird dem Elektron als kinetische Energie mitgegeben. Im Vakuum erleiden Elektronen keine Stöße. Daher gelten die Newton’schen Gesetze: Kraft ist Masse mal Beschleunigung. Das heißt, Elektronen können im Vakuum mit einer Spannungsdifferenz beschleunigt werden. Dies wird vielfach technisch ausgenützt (Abb. 5.24): an einer Kathode K werden Elektronen durch Glühemission mit Hilfe der Heizspannung UH ins Vakuum gebracht und zu einer Anode A über die Beschleunigungsspannung Ua hin beschleunigt, wobei die Anode positiv im Vergleich zur Kathode vorgespannt ist. Am Ende der Strecke haben die Elektronen ein geringeres Potenzial, aber eine höhere kinetische Energie. In der Braun’schen Röhre (Abb. 5.24a) hat die Anode ein Loch, sodass die Elektronen durchfliegen können. Danach durchkreuzen sie zwei senkrecht zu einander angeordnete Kondensatoren P und Q, mit denen der Elektronenstrahl abgelenkt werden kann. Schließlich landen die Elektronen auf einem mit Leuchtstoff beschichteten Schirm, wo am Auftreffpunkt ein Leuchtfleck entsteht. Nach einem ähnlichen Prinzip arbeiten die Röntgenröhren, jedoch mit zwei entscheidenden Unterschieden. Röntgenröhren werden im medizinischen Bereich bei höheren Beschleunigungsspannungen Ua von bis zu 100 kV betrieben, und die Anode enthält kein Loch. Beim Auftreffen der Elektronen auf die Anode und Abbremsen entsteht eine durchdringende Röntgenstrahlung (Abb. 5.24b). Näheres dazu wird ab S. 189 beschrieben. Gase Elektronen, die nach der Emission aus einem Festkörper in ein Gas gelangen und beschleunigt werden, erleiden vielfache Stöße mit den Gasatomen. Dabei wird ein Teil der kinetischen Energie der Elektronen durch Stoß an die Atome oder Moleküle im Gas übertragen. Bei der Stoßübertragung können auch Elektronen in den Molekülen zum Leuchten angeregt werden (Leuchtstoffröhre). Wenn die Energie ausreicht, dann können Moleküle durch Elektronenstoß auch dissoziert und ionisiert werden. Dadurch entstehen sowohl neue Elektronen wie auch positiv geladene Kationen. Im Spannungsfeld laufen die schweren Kationen langsam zur negativ geladenen Kathode, während die leichteren und schnelleren Elektronen auf die positiv geladene Anode zulaufen. Die Ladungstrennnung und Beschleunigung erzeugt vielfache neue Stoßprozesse, Ua K A UH K UH P Q Röntgenstrahlen Ua a b Abb. 5.24 Funktionsprinzip der Braunröhre (a) und der Röntgenröhre (b). Siehe auch Text. A Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 114 5 Elektrizität, Magnetismus und Elektromagnetismus e– Ar+ → vDIon Abb. 5.25 Gasentladungsröhre. Driftgeschwindigkeit von Elektronen und Kationen in einer Gasentladungsröhre. Tabellen 5.3 Ionenbeweglichkeiten in wässriger Lösung bei 300 K μ (10–8 m2/(Vs)) Ion + 36 H sodass das Gas elektrisch leitend wird (Plasma) und aufleuchtet. Nimmt die Elektronen- und Ionenzahl lawinenartig zu, dann spricht man von einer Gasentladung (Abb. 5.25). Die Spannung, die man benötigt, um bei Normaldruck 1 cm Luftstrecke zu ionisieren, beträgt ca. 10 000 V. Bei dieser Spannung tritt eine Entladung (Blitz) auf. Flüssigkeiten Reines Wasser ist ein Isolator. Bei Zugabe von Salzen, Säuren oder Basen entstehen jedoch elektrisch geladene Ionen (Kationen und Anionen). Die starken elektrischen Felder, die von dem Dipolmoment der Wassermoleküle ausgehen, führen zur Dissoziation von Ionenbindungen. NaCl gelöst in Wasser ergibt Na+ und Cl–. Eine Lösung mit geladenen und beweglichen Ionen wird Elektrolyt genannt (Abb. 5.26). Werden zwei Metallelektroden in einem Abstand in die Lösung eingetaucht und wird an diese eine Spannungsquelle angelegt, dann wandern die positiven Ionen (Kationen) zur negativen Elektrode (Kathode) und die negativen Ionen (Anionen) zur positiven Elektrode (Anode). Der Elektrolyt leitet einen Ionenstrom. Die Überschussladung der Anionen wird an der Anode abgeliefert und gelangt über den Stromkreis zur Kathode, wo die Kationen durch Elektronenaufnahme neutralisiert werden. Die Elektrolyse beinhaltet damit einen Ladungstransport und gleichzeitig einen Materietransport. Die positiv geladenen Metall- und Wasserstoffionen scheiden sich an der Kathode ab, während sich Anode K+ SO4 7,6 – 8,3 OH– 20,6 Elektronen in Cu-Metall 4 × 106 m2/(Vs) die negativ geladenen Säurereste und Sauerstoffionen an der Anode abscheiden. Die Stromdichte im Elektrolyten setzt sich zusammen aus der Beweglichkeit μ, der Ladungsdichte ρ und der Wertigkeit Z der beteiligten Ionen: ~ E: j ¼ ðρþ μþ Z þ þ ρ μ Z Þ~ Einige Ionenbeweglichkeiten sind in Tab. 5.3 aufgeführt. Faraday-Gesetze Die Faraday-Gesetze beruhen auf der gleichzeitigen Abscheidung von Stoffmenge bzw. Masse m und Ladung Q an den Elektroden eines Elektrolyten. Das 1. Faraday-Gesetz drückt eine Beziehung zwischen abgeschiedener Masse m und Ladung Q von einwertigen Ionen aus: Die an einer Elektrode abgeschiedene Masse m ist der an einer Elektrode abgegebenen oder aufgenommen Gesamtladung Q proportional: m ∼ Q. Da die Ladung Q sich über eine Zeit t bei konstantem Strom I akkumuliert: Q = I∙t, folgt: m ∼ I∙t. Um ein Mol eines einwertigen Ions elektrolytisch abzuscheiden, braucht man die Ladungsmenge Qmol = e0 NA = F. e0 ist die Elementarladung Kathode Anionen Kationen 115 Abb. 5.26 Elektrolyse. Kationen und Anionen eines Elektrolyten wandern im elektrischen Feld zur Kathode bzw. Anode. 5 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. – 10 Pa Ar → vDe 5.1 Elektrizität 5.1 Elektrizität 5 Elektrizität, Magnetismus und Elektromagnetismus (1,602 × 10–19 C), NA die Avogadro-Zahl (S. 47) und F wird als Faraday-Konstante bezeichnet. F = 96487 C. (Vorsicht: die Faraday-Konstante sollte nicht mit der Einheit der Kapazität F [Farad] verwechselt werden). Das 2. Faraday-Gesetz drückt eine Beziehung zwischen abgeschiedener Masse und Ladung von mehrwertigen Ionen aus. Die an einer Elektrode abgeschiedene Masse m eines Elements ist proportional zur Molmasse MMol (Atomgewicht) des abgeschiedenen Elements und umgekehrt proportional zu seiner Ladungszahl z. Da m = MMol∙n (n = Molzahl) und die abgeschiedene Ladung Q = n∙z∙F, folgt durch Einsetzen und Umstellung: M Q : m ¼ Mol zF 5 Polarisationsströme Nervenzellen leiten elektrische Signale. Allerdings werden dabei weder Elektronen noch Ionen in Richtung der Signalausbreitung transportiert, sondern ein Polarisationszustand. Durch Ionenaustausch über die Membran hinweg entsteht lokal ein Aktionspotenzial, das sich lateral entlang der Nervenzelle ausbreitet (Abb. 5.27). Während im Ruhezustand der elektrische Dipol von innen (negativ) nach außen (positiv) gerichtet ist, dreht sich bei der Depolarisation die Richtung des Dipols um (vgl. Abb. 5.4, S. 99). Die Fortpflanzung des Aktionspotenzials entspricht einem Polarisationsstrom, der von einer fortlaufenden Depolarisation der Axone herrührt. Nicht myelinisierte Nervenfaser haben eine Signalgeschwindigkeit von ca. 2 m/s. 5.1.8 Elektrische Spannungen an Grenzflächen, Diffusionsspannungen Kontaktspannung zwischen verschiedenen Metallen Austrittsarbeit ist die minimale Arbeit, die geleistet werden muss, um ein Elektron aus einem Metall in das Vakuum zu bringen. Die Austrittsarbeit ist von Metall zu Metall verschieden. Bringt man zwei verschiedene Metalle A und B über eine gemeinsame Grenzfläche in Kontakt, dann fließen Elektronen p p I Abb. 5.27 Signalleitung von Nervenzellen erfolgt durch einen Polarisationsstrom. I, Stromfluss; p, Polarisationsstrom. A B Abb. 5.28 Ladungstrennung an der Kontaktstelle zwischen zwei Metallen. aus dem Metall A mit der kleineren Austrittsarbeit zum Metall B mit der größeren Austrittsarbeit, bis ein neues Gleichgewicht hergestellt ist (Abb. 5.28). Da beide Metalle vorher elektrisch neutral waren, können sie nach dem Ladungsausgleich nicht mehr neutral sein. Im Metall A fehlen Elektronen (positiv geladen), im Metall B sind Überschussladungen vorhanden (negativ geladen). An der Grenzschicht zwischen beiden Metallen bildet sich eine Kapazität mit einer entsprechenden Kontaktspannung. Diese Kontaktspannung ist charakteristisch für die verwendeten Metalle und beträgt einige Millivolt bei Raumtemperatur. Die Kontaktspannung hängt von der Temperatur ab. Diese Temperaturabhängigkeit wird in Thermoelementen zur Temperaturmessung genutzt. Thermospannung und Thermoelement Werden zwei verschiedene Metalldrähte an ihren Enden zu einem geschlossenen Kreis zusammen geschweißt, dann heben sich die Kontaktspannungen gegenseitig auf (Abb. 5.29). Es fließt kein Strom in diesem Leiterkreis. Bringt man allerdings beide Kontakte auf verschiedene Temperaturen, dann sind die Kontaktspannungen an beiden Enden unterschiedlich. Die durch unterschiedliche Temperaturen erzeugte Differenz der Kontaktspannungen wird Thermospannung genannt. Die so zusammengebrachten Metalldrähte werden als Thermoelement bezeichnet. Bei Temperaturmessungen wird eine Kontaktstelle auf den Eispunkt gelegt, d.h. man hält eine Kontaktstelle in Eiswasser, welches auf Grund des Tripelpunkts eine stabile Temperatur von 273 K hat (s. Abb. 4.11, S. 88), die andere Kontaktstelle bringt man in thermischen Kontakt mit dem zu messenden Objekt. Der Eispunkt wird bei modernen Geräten durch eine Konstantspannungsquelle ersetzt. Nernst-Gleichung Kontaktspannungen entstehen auch in Elektrolyten, wenn Ionen mit unterschiedlicher Konzentration durch eine ionenselektive Membran getrennt Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 116 5 Elektrizität, Magnetismus und Elektromagnetismus 5.1 Elektrizität 117 In Physiologiebüchern wird die Diffusionsspannung in der Regel als Diffusionspotenzial bezeichnet (z.B. als Kalium-Diffusionspotenzial beim Aufbau des Membranpotanzials, s.u.). V Klinischer Bezug 100°C Abb. 5.29 Thermoelement mit zwei Metallkontakten bei unterschiedlichen Temperaturen. sind, die nur für eine Ionensorte durchlässig ist. Konzentrationsausgleich kann dann nur für eine Ionensorte erfolgen, nicht aber für die andere. Jedes Kation, welches dem Konzentrationsgradienten folgend durch die Membran auf die andere Seite diffundiert, hinterlässt eine effektive negative Ladung im Ursprungselektrolyten und führt eine positive Ladung dem Zielelektrolyten zu. Die Diffusion von Kationen durch die Membran bewirkt Konzentrationsausgleich bei gleichzeitiger Ladungstrennung. Die Diffusion kommt zum Erliegen, wenn die Kraft durch den Konzentrationsgradienten und die Coulombkraft durch die Ladungstrennung sich die Waage halten. Die Membran trennt die unterschiedlichen Ladungen und wirkt wie ein aufgeladener Kondensator. Die Spannungsdifferenz bei einer Temperatur T folgt aus dem natürlichen Logarithmus des Konzentrationsverhältnisses der Ionensorten in den beiden Elektrolyten: ΔU ¼ RT c ln i : ca zF Diese Beziehung ist als Nernst-Gleichung bekannt. F = Faraday-Konstante, R = allgemeine Gaskonstante, z = Ladungszahl, ci und ca = Konzentrationen des gleichen Ions auf den beiden Seiten der Membran. außen (ca) Konzentration innen (ci) Rechenaufgabe Aufgabe 5.7: Die extrazelluläre Na+-Konzentration beträgt normalerweise ca = 120 mmol/l, die cytosolische Konzentration ist mit ci = 12 mmol/l 10-mal niedriger. Welches Na+-Gleichgewichtspotenzial UG stellt sich ein, wenn die Nernst-Gleichung nach Einsetzen der Konstanten lautet: c ΔU ¼ 60 mV lg i ca (Lösung S. 227) ΔU [mV] 0 innen außen ΔU –90 Abb. 5.30 Konzentrationen (oben) und Potenzial einer Zelle in Ruhezustand (unten). Erklärungen im Text. 5 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 0°C Aufbau eines Ruhepotenzials. Die biologische Zelle arbeitet nach dem Prinzip der ionenselektiven Membran. Im Ruhezustand trennt die Membran das Cytoplasma mit einem K+-Überschuss vom interzellulären Raum mit einem Na+-Überschuss. Da die K+-Kanäle offen sind, findet ein Ausgleich von K+-Ionen durch Diffusion statt, aber nur insoweit, bis der Konzentrationsgradient durch die Coulombkraft aufgehoben wird. Es stellt sich dann ein fließendes „Konzentrationsgleichgewicht“ ein mit einem K+-Überschuss von 140 mM in der Zelle im Vergleich zu 4 mM im Cytoplasma. Nach der Nernst-Gleichung ergibt dies ein Ruhepotenzial von ca. –90 mV. Dabei liefert der Vorfaktor RT=ðzF Þ = 26 mV und der natürliche Logarithmus des Konzentrationsquotienten einen Faktor 3,5. Das Membranpotenzial ist negativ, da die Innenseite der Membran gegenüber dem Extrazellulärraum negativ geladen ist und das Potenzial der Membranaußenseite willkürlich als Null definiert wird. In Abb. 5.30 sind die Ionenkonzentrationen vor und nach dem Konzentrationsausgleich und die Potenzialdifferenz schematisch dargestellt. Anfangs ist der K+-Konzentrationsunterschied zwischen intrazellulärem Raum und Cytoplasma maximal (rote Linie). Wenn Kalium neutral wäre, dann würde solange ein Konzentrationsausgleich stattfinden, bis auf beiden Seiten der Membran die gleiche K+-Konzentration anzutreffen ist (blaue gestrichelte Linie). Bei geladenen K+-Ionen verhindert die Coulombkraft den vollständigen Konzentrationsausgleich. Der verbleibende Konzentrationsunterschied (grüne Linie) liefert den Potenzialunterschied ΔU bzw. das Ruhepotenzial von –90 mV. 118 5.2 Magnetismus 5 Elektrizität, Magnetismus und Elektromagnetismus ✔ ✔ ✔ 5 ✔ ✔ ✔ ✔ ✔ ✔ ✔ ✔ ✔ ✔ ✔ ✔ ✔ 5.2 Magnetismus Lerncoach Dieser Abschnitt über Magnetismus beruht auf elektrischen Strömen, denn nur bewegte Ladungen erzeugen magnetische Felder. Daher ist es wichtig, dass Ihnen die Konzepte des elektrischen Stroms klar sind. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Strom in einem metallischen Leiter, in einem elektrolytischen Leiter oder im Vakuum stattfindet. Zur Erklärung des atomaren Magnetismus sollten Sie sich gegebenenfalls noch einmal die Grundkonzepte des Bohr’schen Atommodells (S. 49) in Erinnerung rufen. Außerdem wird empfohlen, sich das Kreuzprodukt zwischen zwei Vektoren (S. 7) und den Drehimpuls (S. 30) noch einmal in Erinnerung zu rufen. Magnetismus wird häufig als mystisch empfunden. Vom Magnetismus sollen besondere Heilkräfte ausgehen. Wissenschaftlich betrachtet macht das keinen Sinn. Die Mystifizierung liegt vermutlich an der Tatsache, dass Magnetismus schwieriger zu verstehen ist als elektrische Ladungen und elektrischer Strom. Tatsächlich beruht jedoch Magnetismus auf Strom, auch wenn wir den Strom nicht direkt wahrnehmen oder überprüfen können. Ein stromführender Draht ist von einem Magnetfeld umgeben. Auch die Elektronen auf ihren Bohr‘schen Bahnen in Atomen stellen Kreisströme dar. Diese sind verantwortlich für den Magnetismus, den wir täglich an unserem Kühlschrankmagneten begegnen. Zum Glück bleiben die atomaren Kreisströme nie stehen, sonst würde der Kühlschrankmagnet nämlich runterfallen. Wir können jedoch den Strom in einer Spule anund abschalten und damit ein Magnetfeld aufoder abbauen, ähnlich dem Aufladen und Entladen eines Kondensators. Wir werden zunächst die Entstehung von magnetischen Feldern aus elektrischen Strömen diskutieren und zum Schluss eine neue Kraft einführen, die sogenannte Lorentzkraft, die auf bewegte elektrische Ladungen in Magnetfeldern wirkt. 5.2.2 Magnetische Feldstärke Magnetfeld einer ruhenden Ladung Betrachten wir zunächst eine ruhende Ladung im Vakuum. Diese ist von elektrischen Feldlinien ~ E umgeben, die eine elektrische Kraftwirkung symbolisieren (Coulombkraft). Eine bewegte Ladung ist nicht nur von elektrischen Feldlinien ~ E, sondern ~ umgeben. auch von magnetischen Feldlinien H Die magnetischen Feldlinien drücken eine magnetische Feldstärke aus. Die elektrischen Feldlinien streben radial nach außen. Die magnetischen Feldlinien sind kreisförmig um die bewegte Ladung angeordnet und immer geschlossen. Bei positiver Ladung gilt die Rechte-Hand-Regel: wenn die Ladung sich in Richtung des rechten Daumens bewegen, dann geben die Finger der Hand die Orientierung der Feldlinien an (Abb. 5.31a). Magnetfeld eines stromführenden Leiters Ein stromführender metallischer Leiter ist nach außen hin elektrisch neutral, da an jeder Stelle im Leiter genauso viele positive wie negative Ladungen vorhanden sind. Die positiven Ladungen sind die fest in das Kristallgitter eingebauten Ionenrümpfe, die negativen Ladungen sind die frei beweglichen Elektronen. Das elektrische Feld bleibt vollständig innerhalb des Leiters und ist verantwortlich für den Stromtransport. Die „freien“ Elekt- Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 5.2.1 Überblick Check-up Wie entsteht das homogene elektrische Feld in einem Kondensator? Machen Sie sich noch einmal den Unterschied der Parallelschaltung von elektrischen Widerständen und Kondensatoren klar. Was bestimmt die Kapazität eines Kondensators? Wie viel Zeit braucht ein Kondensator, bis er sich über einen Widerstand entladen hat? Wie groß sollte der Innenwiderstand einer Spannungsquelle sein? Wie wird der Strom in einem Stromkreis gemessen, wie wird der Spannungsabfall über einzelnen Elementen eines Stromkreises gemessen? Wie kommt die Spannungsdifferenz zwischen dem Cytoplasma und dem extrazellulären Raum zustande? Wie ist ein elektrischer Dipol definiert? Was sind Isopontenziallinien? Was wird beim EKG gemessen? Wie wirkt sich die Dielektrizitätszahl auf die Kapazität eines Kondensators aus? Welche Wirkung hat ein elektrischer Strom im Körper? Welche Arten von elektrischen Strömen kennen Sie? Warum ist Wasser ein gutes Lösungsmittel für ionische Materialien? Welchen Verlauf hat der elektrische Widerstand als Funktion von der Temperatur? Wie ist ein Ohm-Widerstand definiert?