7.8.2011 Frühe Diagnose und Behandlung von neuroendokrinen gastrointestinalen Tumoren Hans Scherübl Klinik für Innere Medizin Gastroenterologie, Gastrointestinale Onkologie und Infektiologie Zentrum für Neuroendokrine Tumoren Vivantes Klinikum Am Urban Adresse: Prof. Dr.med. Hans Scherübl Klinik für Innere Medizin Gastroenterologie, Gastrointestinale Onkologie und Infektiologie Zentrum für Neuroendokrine Tumoren Vivantes Klinikum Am Urban Akademisches Lehrkrankenhaus der Charité Dieffenbachstraße 1 10967 Berlin [email protected] 1 Epidemiologische Zunahme der frühen neuroendokrinen Tumoren Alle (neuro-) endokrinen Tumoren des Magens, des Darms, der Lunge und der Bauchspeicheldrüse treten heutzutage weitaus häufiger auf als noch vor 30 oder 40 Jahren. So haben diese Tumoren in den U.S.A. in den letzten 30 Jahren um durchschnittlich 700%, Magen- und Mastdarmkarzinoide sogar um 1000% an Häufigkeit zugenommen (siehe Abb. 1). Die Inzidenz neuroendokriner Tumore wird aktuell in den U.S.A. mit mehr als 5 Neuerkrankungen pro Jahr pro 100000 Einwohner angegeben. Die allgemeine Häufigkeit in der Bevölkerung, d.h. die Anzahl von Menschen, die irgendwann in ihrem Leben an diesem Tumorleiden erkrankt waren bzw. aktuell daran erkrankt sind, ist ungleich höher: sie wurde für die U.S.A. auf 35/100000 beziffert. Dieser rasante Anstieg der Häufigkeit ist v.a. zurückzuführen auf eine Zunahme von früh diagnostizierten neuroendokrinen gastrointestinalen Tumoren, d.h. von Tumoren in einem prognostisch günstigen Frühstadium der Erkrankung. Die überwiegende Mehrzahl der neuroendokrinen gastrointestinalen Tumoren (Karzinoide und Inselzelltumore) aber auch der Lungenkarzinoide werden heutzutage in Deutschland in frühen, lokal begrenzten Tumorstadien festgestellt. Diese frühe(re) Diagnosestellung ist in erster Linie einer allgemein besseren Verfügbarkeit von hochwertigen endoskopischen Untersuchungsverfahren, einschließlich des endoskopischen Ultraschalls und verschiedener radiologischer und nuklearmedizinischer Untersuchungsverfahren geschuldet. 2 Abbildung 1: modifiziert nach Modlin et al., Lancet Oncology 2008 ; 9 : 61-72 3 Wachstumsverhalten und Differenzierungsgrad Typischerweise wachsen Karzinoidtumoren langsam und treten v.a. im Magen, Dünndarm, Dickdarm, Wurmfortsatz, Thymusdrüse (Bries) oder Lunge auf. Zusammen mit den (neuro-) endokrinen Tumoren der Bauchspeicheldrüse werden Karzinoidtumoren unter dem Begriff neuroendokrine Tumoren zusammengefasst. Für die (neuro-) endokrinen Tumoren der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) wird gleichbedeutend auch die Bezeichnung Inselzelltumore der Bauchspeicheldrüse verwendet. Neuroendokrine Tumoren der Bauchspeicheldrüse zeigen i.d.R. ein aggressiveres Wachstumsverhalten als die Dünndarmkarzinoide. Der Wortbestandteil „neuro-“ im Begriff des neuroendokrinen Tumors trägt einer gewissen Ähnlichkeit dieser endokrinen Tumorzellen mit Nervenzellen Rechnung. Obgleich der Begriff Karzinoid von einigen als „Fehlbezeichnung" angesehen wird, verwenden ihn dennoch auch heutzutage die meisten Patienten und Ärzte auf dieser Welt, insbesondere in Japan, China, Korea, Indien, Australien, Nordamerika, Brasilien und in Russland. Um die Kommunikation und das Wissen um diese Erkrankung nicht durch Begrifflichkeiten und Nomenklatur-Diskussionen einzuengen, werden hier beide Bezeichnungen, d.h. sowohl die von neuroendokrinen Tumoren als auch die von Karzinoiden verwendet (siehe www.karzinoidtumore.de). Differenzierungsgrad: Die Bestimmung des feingeweblichen Differenzierungsgrades von Karzinoiden und Inselzelltumoren ist entscheidend für Aussagen zur Prognose aber auch für die Behandlung. Der Pathologe bestimmt den Differenzierungsgrad u.a. anhand von immunhistologischen Färbungen des Tumors. Als „Marker“ werden insbesondere die Rate von Zellteilungen und der prozentuale Anteil von Tumorzellen verwendet, die sich positiv färben für den Proliferationsmarker Ki-67. Als G1 neuroendokrine Tumore werden gutdifferenzierte Tumoren bezeichnet, die feingeweblich eine Proliferationsrate <2% bzw. eine Ki-67-Rate von <2% aufweisen. Patienten mit G1 Karzinoiden haben im allgemeinen eine sehr gute Prognose. Tumoren mit einer Proliferationsrate 4 zwischen 2 und 20% werden als G2 Tumore bezeichnet; auch G2 Tumore gelten heutzutage i.d.R. als gut-differenziert. Bei den Tumoren mit einer Proliferationsrate über 20% handelt es sich in der überwiegenden Mehrzahl um schlecht differenzierte oder gar undifferenzierte neuroendokrine Tumore, die i.d.R. mit einer weniger günstigen Prognose einhergehen. Häufigkeitsverteilung nach Ursprungsort: Karzinoide nehmen wie folgt ihren Ursprung in den einzelnen Organen (siehe www.karzinoidtumore.de): 3-9% Magen 2-6% Bauchspeicheldrüse (Pankreas) ~1% Leber und Gallenblase 5-42% Dünndarm 0,4-26% Wurmfortsatz (Appendix) 22-62% Mastdarm (Rektum) und S-Darm (Sigma) 5-7% restlicher Dickdarm 20-27% Bronchien, Lunge und Bries (Thymus) 10-20% unbekannter Ausgangspunkt Die prozentuale Verteilung auf die verschiedenen Organe ist in verschiedenen Ländern (z.B. Taiwan, westliche Länder) und in verschiedenen Tumorregistern bemerkenswert unterschiedlich. (Neuro-)Endokrine Tumoren der Bauchspeicheldrüse werden aber in allen Ländern weitaus seltener beobachtet als Karzinoide (der Lunge/Bronchien, des Magens, des Wurmfortsatzes, des Dünn- oder Dickdarms). (Neuro-) Endokrine Tumore des Magens (Magenkarzinoide) Neuroendokrine Tumore des Magens und des Zwölffingerdarms werden meist in frühen, d.h. gut behandelbarem Stadium festgestellt. Oftmals verursachen diese i.d.R. sehr kleinen Tumore (Durchmesser < 1-2 cm) keine spezifischen 5 Beschwerden, und die Diagnose erfolgt „zufällig“ im Rahmen einer „Magenspiegelung“, die aus anderem Grunde erfolgt (siehe Abb. 2). Zeigen diese kleinen (< 1-2 cm) neuroendokrinen Magentumore feingeweblich einen guten Differenzierungsgrad (G1) und sind sie nicht in die Blut- bzw. Lymphgefäße oder in die Muskelschicht des Magens eingebrochen, so können sie im Rahmen der Magenspiegelung durch das Endoskop abgetragen, d.h. entfernt werden. Im Falle von kleinen Tumoren des Magens kann heutzutage also meist auf eine offene Bauchoperation verzichtet werden; die endoskopische Abtragung erfolgt durch einen Magen-Darm-Spezialisten (Gastroenterologen) über den eingeführten Magenschlauch, das Endoskop. Der Patient erhält eine Kurznarkose und schläft während der Untersuchung. Vor der endgültigen Therapieplanung hat eine endoskopische Ultraschalluntersuchung (sog. Endosonographie) zu erfolgen. Die Endosonographie ist das zuverlässigste Verfahren, um bei diesen kleinen Tumoren eine mögliche Mitbeteiligung tieferer Schichten der Magenwand oder örtlicher Lymphknoten zu erkennen. 6 Abbildung 2: Magenspiegelung (= Endoskopie der Speiseröhre, des Magens und des Zwölffingerdarms = Ösophagogastroduodenoskopie): Dargestellt sind auf der linken Seite im Bildausschnitt mehrere, 2-4 mm große Magenkarzinoide. Endoskopie = „Blick ins Körperinnere“. Rechts ist ein 4 mm grosses Karzinoid des Zwölffingerdarms zu sehen. Das endosonographische Graubild (direkt darunter) zeigt, dass das Karzinoid oberflächlich liegt und somit durch das Endoskop abgetragen werden kann. 7 (Neuro-) Endokrine Tumore des Dünndarms (Dünndarmkarzinoide) Neuroendokrine Tumoren nehmen ihren Ursprung oftmals im Dünndarm und sind dort aufgrund ihrer meist sehr geringen Größe nur schwer festzustellen. Röntgenuntersuchungen versagen in der Regel bei kleinen Tumoren, das heißt, der im Dünndarm vorhandene Tumor wird nicht gesehen. Ein genereller Nachteil aller radiologischen (Röntgen-)Verfahren ist neben der geringen Detailauflösung der Dünndarmwand vor allem die fehlende Möglichkeit, eine Gewebeprobe aus dem Dünndarmtumor entnehmen zu können. Die korrekte fein-gewebliche (histologische) Diagnose ist aber bei jedem neuroendokrinen Tumor zwingend erforderlich. Kapselendoskopie Seit mehreren Jahren steht mit der sog. Kapselendoskopie (Abb. 3 und 4) ein neuartiges bildgebendes Verfahren zur Diagnostik von Dünndarmerkrankungen und insbesondere Dünndarmtumoren zur Verfügung. Mit Hilfe einer kleinen Videokapsel, die vom Patienten geschluckt wird, werden über einen Zeitraum von 8 Stunden digitale Bilder aus dem Dünndarm an die Körperoberfläche gesendet. Diese werden von einem Antennensystem empfangen und an einen Datenrekorder weitergeleitet. Von dort können die Bilddaten an einen Computer überspielt und vom untersuchenden Arzt ausgewertet werden. Seit Einführung der Kapselendoskopie ist es zu einer deutlichen Verbesserung der Diagnose von Dünndarmtumoren gekommen. Wie bereits oben bei den radiologischen Verfahren besprochen hat aber auch die Kapselendoskopie den Nachteil, keine Gewebeproben entnehmen zu können. Deshalb werden derzeit von der Industrie neuartige Kapseln entwickelt, die diese Möglichkeit in Zukunft bieten sollen. Vor der Durchführung der Kapselendoskopie sollte aber bei (Verdacht auf ein) Dünndarmkarzinoid eine Ultraschalluntersuchung oder eine Röntgenuntersuchung des Dünndarms erfolgen, um eine höhergradige Engstellung des Dünndarms durch den Tumor auszuschließen. 8 Abbildung 3: Kapselendoskop (z.B. Olympus Deutschland GmbH, Hamburg). Die Kapsel wird vom Patienten geschluckt und nimmt ihren Weg durch Speiseröhre, Magen und Darm, bevor sie ausgeschieden wird. Während dieser Passage nimmt die Kapsel Tausende von endoskopischen Bildern des Dünndarms auf. Abbildung 4: Aufbau eines Kapselendoskops (z.B. Given M2ATM, Given Imaging Ltd., Yoqneam, Israel). 1. Optisches Fenster 2. Linsenhalterung 3. Linse 4. Beleuchtungs-LEDs 5. CMOS Kamera 6. Batterien 7. Sender 8. Antenne 9 Ballon-Enteroskopie Mit den herkömmlichen Endoskopen kann bei der „Magenspiegelung“ nur der oberste Teil des Dünndarms und bei der „Dickdarmspiegelung“ nur der unterste Dünndarmabschnitt erreicht werden. Der überwiegende Teil des mehrere Meter langen Dünndarms konnte jedoch mit den traditionellen Endoskopen nicht eingesehen werden. Mit der neuartigen Ballon-Enteroskopie (siehe Abb. 5) gelingt es, weite Teile des Dünndarms (gelegentlich sogar den gesamten Dünndarm) endoskopisch zu inspizieren. Über den Arbeitskanal des Endoskopes können dabei sämtliche gängigen endoskopischen Instrumente eingeführt werden. Damit erlaubt das Ballon-Enteroskop die gezielte Gewebeentnahme aus einem Dünndarmkarzinoid und damit die feingewebliche Diagnosestellung. Die Inspektion des mehrere Meter langen Dünndarms gelingt durch die Verwendung eines oder zweier Ballons, die an der Endoskopspitze bzw. an einem sog. Übertubus angebracht sind (Abb. 5). Endoskop und Übertubus lassen sich gegeneinander über eine Spanne von 40 cm frei bewegen. Durch wechselseitiges Blocken bzw. Entblocken der Ballons sowie eines intermittierenden Rückzugs des Systems mit geblockten Ballons wird das Endoskop „raupenähnlich“ im Dünndarm vorwärtsbewegt. Eine Kontrolleinheit reguliert dabei den Füllungszustand sowie den Luftdruck der Ballons, so dass unerwünschte druckbedingte Schädigungen der Dünndarmwand vermieden werden. Ist schließlich das Ballon-Enteroskop bis zum Dünndarmkarzinoid (Abb. 5) vorgeführt, erfolgt die Gewebeentnahme und damit die feingewebliche Diagnosestellung. Als Nachteil der Ballon-Enteroskopie müssen die lange Untersuchungszeit von 1-2 Stunden sowie die hohe Personal- und damit Kostenintensität angeführt werden. Hat ein Karzinoidtumor bereits zu Tochtergeschwülsten z.B. in der Leber geführt und ist die Diagnose durch eine Gewebeentnahme aus den Tochtergeschwülsten (Metastasen) in der Leber gesichert, so gibt es in der Regel keinen Grund, noch eine Ballon-Enteroskopie durchzuführen. Bei der Indikationsstellung zu dieser Untersuchung muss die mögliche therapeutische Konsequenz berücksichtigt werden. Ergibt sich aus dem Ergebnis der Untersuchung keine Änderung des therapeutischen Vorgehens, sollte sie unterbleiben. 10 Abbildung 5: Schema eines Doppel-Ballon-Enteroskops. Mit dem Doppel-Ballon-Endoskop gelang es, das 12 mm grosse Dünndarmkarzinoid (rechts im Bild) darzustellen und Gewebeproben für die feingewebliche Untersuchung zu entnehmen. Karzinoid Abbidungen 3, 4 und 5 modifiziert nach Scherübl & Faiss, Glandula NeT 2007; 14-16 und nach Scherübl et al., Gastrointestinal Endoscopy 2005; 62: 994-5 (siehe auch www.karzinoidtumore.de). Endoskopie = Blick ins Körperinnere. 11 (Neuro-) Endokrine Tumore des Mastdarms (Rektumkarzinoide) Alle Menschen, die 55 Jahre oder älter sind, haben in Deutschland Anspruch auf eine Darmkrebs-Vorsorgeuntersuchung. Bei der Darmspiegelung (Koloskopie) wird der gesamte Dickdarm (=Kolon) endoskopisch untersucht. Neuroendokrine Tumoren treten aber überwiegend in den letzten Abschnitten des Dickdarms, dem sog. Mastdarm (Rektum) und S-Darm (Sigma) auf. Die feingeweblich gut differenzierten neuroendokrinen Mastdarmtumore wurden traditionell als Rektumkarzinoide bezeichnet. Seit der Einführung der Vorsorge-Darmspiegelung werden heutzutage in vielen Ländern (u.a. U.S.A., Deutschland, Polen, Korea, Japan) Rektumkarzinoide bereits festgestellt, bevor sie Beschwerden verursacht haben. Diese früh erkannten Rektumkarzinoide sind meist nicht größer als 1 cm. Sie können i.d.R. örtlich durch das Endoskop abgetragen werden und eine offene Bauchoperation ist meist nicht erforderlich. Vor der endgültigen Therapieplanung hat eine endoskopische Ultraschalluntersuchung (sog. Endosonographie) zu erfolgen. Die Endosonographie ist das zuverlässigste Verfahren, um bei diesen kleinen Tumoren eine mögliche Mitbeteiligung tieferer Schichten der Darmwand oder örtlicher Lymphknoten zu erkennen. Zeitgleich zur Einführung der VorsorgeDarmspiegelung ist es zu einer erheblichen Prognoseverbesserung bei Patienten mit Rektumkarzinoiden gekommen. Diese erfreuliche Entwicklung ist in erster Linie der zunehmenden Früherkennung der Rektumkarzinoide zu verdanken. Risiko von Zweittumoren Generell ist allen Patienten, die an einem neuroendokrinen Tumor erkrankt sind, die Teilnahme an den rechtlich garantierten Tumorvorsorgeuntersuchungen anzuraten, wie die Brustkrebsvorsorge bei Frauen, die Prostatakrebsvorsorge bei Männern und insbesondere die Darmkrebsvorsorge bei Frauen und Männern. Der Hintergrund für diese Empfehlung ist die Tatsache, dass bei etwa 15-25% der Patienten mit neuroendokrinem Tumorleiden ein weiterer zweiter Tumor auftritt. 12 Abbildung 6: Darmspiegelung (= Endoskopie des Dickdarms = Koloskopie). Die Endoskopiebilder zeigen jeweils ein kleines (< 1cm), gut differenziertes (G1) Karzinoid des Mastdarms (Rektum). Endoskopie = Blick ins Körperinnere. Abbildungen 2-6 modifiziert nach Scherübl & Stölzel, Glandula NeT 2009; 31-32 bzw. nach Scherübl & Klöppel, Zeitschr für Gastroenterologie 2009; 47: 365-371 bzw. nach Scherübl et al., Zeitschr für Gastroenterologie 2010; 48: 406-413 (siehe auch www.karzinoidtumore.de). 13 Positronen-Emissions-Tomographie: 68-Gallium-DOTATATE-PET/CT Um Absiedelungen von neuroendokrinen Tumoren aufzuspüren, werden computertomographische (CT) Untersuchungen des Brust- und Bauchraums und die sog. Somatostatinrezeptor-Szintigraphie eingesetzt. Die SomatostatinrezeptorSzintigraphie fahndet mit Hilfe eines in die Blutbahn injizierten, radioaktiv-markierten Somatostatins nach gut differenzierten, neuroendokrinen Metastasen, die sog. Somatostatinrezeptoren tragen. Somatostatinrezeptoren sind spezielle Antennen oder Erkennungsmerkmale auf der Oberfläche (der Mehrzahl) von gut differenzierten, neuroendokrinen Tumorzellen. Heutzutage werden i.d.R. unterschiedliche bildgebende Verfahren kombiniert wie z.B. bei der 68-Gallium-DOTATATE-PET/CT Untersuchung (bzw. 68-Gallium-DOTANOC-PET/CT oder 68-Gallium-DOTATOCPET/CT), um eine optimale BIldgebung zu erzielen. PET steht für Positronen-Emissions-Tomographie. Die PET ist der Szintigraphie vergleichbar, stellt aber mit Hilfe von radioaktiven Substanzen nicht nur den Tumor dar, sondern macht zudem Stoffwechselvorgänge in den Tumorzellen sichtbar. Deshalb führt bei gut differenzierten (G1, G2) neuroendokrinen Tumoren die kombinierte Bildgebung aus 68-Gallium-DOTATATE-PET und Computertomographie (CT) zu einem noch besseren Auflösungsvermögen. Im Gegensatz dazu ist bei den undifferenzierten (G3) neuroendokrinen Neoplasien nicht die 68-Gallium-DOTATATE-PET/CT, sondern die sog. 18-FDG-PET/CT das geeignete Untersuchungsverfahren. Die 18-FDG-PET mit fluorierter Deoxyglucose (18-F-Deoxyglucose) macht einen unspezifisch gesteigerten Glucosestoffwechsel in undifferenzierten (schnell proliferierenden, G3), neuroendokrinen Tumorzellen sichtbar. Gut differenzierte neuroendokrine Tumoren haben dagegen einen (sehr) geringen Glucosestoffwechsel; folgedessen ist für die gut differenzierten (G1, G2) neuroendokrinen Tumoren die 18-FDG-PET kein geeignetes Untersuchungsverfahren. 14 Erklärung von häufigen nuklearmedizinischen Abkürzungen: DOTA = 1,4,7,10-Tetraazacyclododecan-1,4,7,10-Tetraessigsäure DOTATOC = DOTA-Phe1-Tyr3-Octreotid (DOTA-Tyrosin-Konjugat mit Octreotid) DOTANOC = DOTA-Naphthyl3-Octreotid (DOTA-Naphthyl-Alanin-Konjugat mit Octreotid) DOTATATE = DOTA-Tyr3-Thre8-Octreotid (DOTA-Threonin-Konjugat mit Octreotid) 18-FDG = fluorierte Deoxyglucose (18-F-Deoxyglucose) SPECT = single photon emission computed tomography CT = Computertomographie PET = Positronen-Emissions-Tomographie PET/CT = gleichzeitige Untersuchung mittels PET und CT 15 Abbildung 7: 68-Ga-DOTATOC PET-CT-Bilder von neuroendokrinen Metastasen Metastase in der Leber Lymphknoten-Metastase Knochenmetastase und Metastasen im kleinen Becken Vivantes-Zentrum für Neuroendokrine Tumoren und Vivantes-Zentrum für PETCT (Scherübl & Plotkin, 2011): 68-Ga-DOTATATE PET-CT 16 Multiple endokrine Neoplasie Typ 1 und vererbbare neuroendokrine Tumore des Magens, des Zwölffingerdarms und der Bauchspeicheldrüse Die genetische Veranlagung, (neuro-) endokrine Tumore des Magens, Zwölffingerdarms oder der Bauchspeicheldrüse zu entwickeln, wird im Rahmen des sehr seltenen Krankheitsbildes der Multiplen Endokrinen Neoplasie Typ 1 (MEN1), einer genetisch-bedingten Krankheit, vererbt. Die (aller-) meisten Familienmitglieder, die das kranke MEN1-Gen von ihren Eltern geerbt haben, erkranken an (neuro-) endokrinen Tumoren des Zwölffingerdarms und/oder der Hirnanhangsdrüse und/oder der Bauchspeicheldrüse und/oder des Magens und/oder Tumoren/Hyperplasien der Nebenschilddrüsen und/oder der Nebennieren. So entstehen ca. 20-25% der Gastrinome auf dem Boden der MEN1-Erkrankung, bei den Insulinomen sind es 4-8%. Die Früherkennung von neuroendokrinen Magen- oder Zwölffingerdarmtumoren bei MEN1-Patienten erfolgt durch eine „Magenspiegelung“ (Ösophagogastroduodenoskopie). Die Früherkennung der meist sehr kleinen neuroendokrinen Tumoren der Bauchspeicheldrüse gelingt am besten durch eine endoskopische Ultraschalluntersuchung der Bauchspeicheldrüse. Die restlichen Darmabschnitte (Leerdarm, Krummdarm und der Dickdarm) sind nicht von der MEN1-Erkrankung betroffen. Früherkennung und Prognose Für die zufällig (sporadisch) auftretenden Karzinoide und Inselzelltumoren der Bauchspeicheldrüse sind keine allgemeinen Früherkennungsmaßnahmen etabliert. Dennoch werden Karzinoide des Magens, des Zwölffingerdarms und v.a. des Mastdarms zunehmend in frühen Stadien festgestellt. Dank der zunehmenden Früherkennung und neuer Behandlungsmöglichkeiten hat sich die Prognose der Patienten in den letzten 30 Jahren deutlich verbessert. Für Patienten mit gutdifferenzierten Karzinoiden des Magens, des Dünndarms, des Mastdarms, des Wurmfortsatzes oder mit G1 gut-differenzierten (Ki-67<2%) Inselzelltumoren der Bauchspeicheldrüse werden heutzutage aus spezialisierten Zentren 5-JahresÜberlebensraten von 75% und höher berichtet. 17 Der verbreitete Einsatz von endoskopischen Untersuchungen (Darm- und Magenspiegelung) sowie die Anwendung moderner Röntgenuntersuchungen wie der Computertomographie haben zu einer zunehmenden Früherkennung von Tumoren geführt. So werden bei der Vorsorge-Darmspiegelung (Koloskopie), die im Jahr 2002 in Deutschland zur Früherkennung von Darmkrebs, d.h. von Adenokarzinomen des Dickdarms eingeführt wurde, oftmals „en passant“ frühe Karzinoide des Mastdarms und/oder des S-Darms festgestellt. Das Gleiche gilt für die „zufällige“ Früherkennung von Magen- oder Zwölffingerdarmkarzinoiden im Rahmen einer Magenspiegelung, die oftmals aus anderem Grunde erfolgt. Im Gegensatz zur Situation bei den o.g. sporadischen neuroendokrinen Tumoren ist bei den weitaus selteneren Formen der erblichen (hereditären) neuroendokrinen Tumorerkrankungen, insbesondere bei der sog. Multiplen Endokrinen Neoplasie Typ1 (MEN1) eine systematische Tumorfrüherkennung sehr wohl möglich und wird empfohlen. Die Tumorfrüherkennung (bei MEN1-Genträgern) stützt sich neben der Anamnese und körperlichen Untersuchung auf Laboruntersuchungen, d.h. Hormonbestimmungen und auf bildgebende Untersuchungen wie Röntgen-, Ultraschall- und endoskopische Untersuchungen (siehe www.karzinoidtumore.de). 18 Endoskopische Therapie Neuroendokrine Tumore/Karzinoide weisen eine überraschend grosse Vielfalt in Tumorgröße, Lokalisation, Beschwerdebild, Tumorbiologie, Wachstumsverhalten und Prognose auf. Die Behandlung (Therapie) muß deshalb in besonderem Maße für jeden einzelnen Patienten individuell abgestimmt werden. Eine Operation, die den frühen Tumor (im lokal-begrenzten Tumorstadium) vollständig entfernt, ist die erste und beste Behandlung sowohl von Karzinoidtumoren als auch von neuroendokrinen Tumoren der Bauchspeicheldrüse (Inselzelltumoren). Im Falle kleiner (<1-2 cm im Durchmesser), gut-differenzierter (G1) Karzinoide des Magens, des Zwölffingerdarms oder des Mastdarms kann i.d.R. auf eine offene Bauchoperation verzichtet werden: die Entfernung dieser kleinen, gut-differenzierten (G1) Karzinoide des Magens, Zwölffingerdarms oder Mastdarms erfolgt endoskopisch, d.h. unter Kurznarkose im Rahmen einer Magen- bzw. Darmspiegelung. Die endoskopische Behandlung wird i.d.R. von einem Gastroenterologen (Magendarmspezialisten) durchgeführt. Die Prognose von Patienten, deren kleine (< 1cm), gut-differenzierte (G1) Karzinoide des Magens, des Zwölffingerdarms oder des Mastdarms endoskopisch entfernt wurden, ist sehr gut bzw. hervorragend. 19 Medikamentöse Behandlung von fortgeschrittenen neuroendokrinen Tumoren Im Gegensatz zu vielen anderen Tumorarten hat bei metastasierten, gut differenzierten, neuroendokrinen Tumoren die Chirurgie selbst dann einen Stellenwert, wenn durch eine Operation zwar nicht alle Tumorabsiedelungen, aber zumindest der Großteil (>80%) der Tumorlast entfernt werden kann. Weitere Gründe für die Operation von fortgeschrittenen neuroendokrinen Tumoren sind eine Darmeinengung, eine karzinoidbedingte Durchblutungsstörung des Darms oder eine Blutung aus dem Tumor. Das Entfernen oder Zerstören des Großteils des Tumors und seiner Absiedelungen (Metastasen) verringert effektiv die Menge der im Blut zirkulierenden schädlichen Hormonstoffe. Dies führt bei vielen Patienten zu einer langanhaltenden Linderung ihrer Beschwerden. Lebermetastasen: Haben Karzinoide oder Inselzelltumore bereits in entfernte Organe gestreut („Streutumor“), so ist in den meisten Fällen die Leber betroffen. Sind die Absiedelungen (überwiegend) auf die Leber beschränkt , so steht neben der Operation des Primärtumors die spezifische Behandlung der Lebermetastasen im Vordergrund. Behandlungsmethoden, die für die Therapie von neuroendokrinen Lebermetastasen in Frage kommen, sind die Operation (Leberteilentfernung), die Radiofrequenz-induzierte Thermoablation (RITA oder RFA), die perkutane Ethanol- oder Essigsäure-Injektion (PEI), die transarterielle (Chemo-)Embolisation (TACE bzw. TAE), die transarterielle Radioembolisation (TARE, SIRT), die Peptidrezeptor-Radionuklidtherapie (PRRT), die medikamentöse Behandlung oder eine Kombination dieser verschiedenen Therapieformen (siehe www.karzinoidtumore.de). Chemotherapie Bei fortgeschrittenen, schlecht differenzierten (G3) oder undifferenzierten neuroendokrinen Tumoren (Karzinomen) ist die zytoreduktive Chemotherapie die Therapie der Wahl; bei undifferenzierten (G3) neuroendokrinen Karzinomen der 20 Bauchspeicheldrüse verbessert eine Chemotherapie (z.B. Etoposid/Cisplatin) die Lebensqualität und verlängert das Überleben. Im Gegensatz dazu kommt der Chemotherapie bei gut differenzierten Dünndarmkarzinoiden kein erwiesener Stellenwert zu. Es gibt bislang keinen Beleg dafür, dass eine zytoreduktive Chemotherapie das Überleben der Patienten mit Dünndarmkarzinoiden verlängert und/oder die Lebensqualität verbessert. Eine Zwischenrolle nehmen die fortgeschrittenen neuroendokrinen Tumoren der Bauchspeicheldrüse ein: Bei G2 gut differenzierten neuroendokrinen Tumoren der Bauchspeicheldrüse (Ki-67 Expression zwischen 2% und 20%) soll neben zielgerichteten Therapieformen (siehe unten) die Chemotherapie in Betracht gezogen werden. In den letzten Jahren konnte zusätzlich zu 5-FU/ Streptozotocin bzw. Doxorubin/Streptozotocin auch Temozolomid als effektives zytostatisches Medikament etabliert werden. Es zeichnet sich ab, dass jeder Patient in Abhängigkeit von den individuellen molekularen Eigenschaften seines neuroendokrinen Bauchspeicheldrüsentumors („molekulares Tumorprofil“) individuell behandelt werden kann und soll. Patienten mit G1 gut differenzierten (Ki-67 Expression < 2%) neuroendokrinen Tumoren der Bauchspeicheldrüse soll bei Behandlungswunsch/Progression eine zielgerichtete medikamentöse Therapie angeboten werden; einer traditionellen zytoreduktiven Chemotherapie kommt bei G1 gut differenzierten (Ki-67 Expression < 2%) neuroendokrinen Tumoren der Bauchspeicheldrüse allenfalls ein geringer Stellenwert zu. Medikamentöse Behandlung des Karzinoidsyndroms Bei der Behandlung von Patienten mit neuroendokrinen Tumoren stellen die teilweise sehr beeinträchtigenden hormonbedingten Beschwerden eine therapeutische Herausforderung dar. Dabei haben die langwirksamen Somatostatine/Somatostatinabkömmlinge (v.a. Octreotid und Lanreotid) einen herausragenden Stellenwert erlangt. Die Wirkung der Somatostatine basiert auf einer durch Somatostatinrezeptoren-vermittelten Hemmung der unkontrollierten Hormonfreisetzung aus den Tumorzellen. Die symptomatische Behandlung mit Somatostatinen kann einerseits eine überbrückende Maßnahme sein bis zur Entfernung/Abtöten des Großteils der 21 neuroendokrinen Tumorlast. Andererseits und sicherlich weitaus häufiger kann sie eine langfristige, wirkungsvolle Therapieform in der palliativen Situation darstellen. Somatostatine kontrollieren in der überwiegenden Mehrzahl der Patienten das Karzinoidsyndrom (Flush-Anfälle, Durchfälle usw.) sehr gut. Auch für die symptomatische Behandlung der sehr seltenen VIPome sind Somatostatine sehr wirkungsvolle Medikamente. Ein weiterer grosser Vorteil der Somatostatine ist ihre generell gute Verträglichkeit. Bei längerer Anwendung muss allerdings mit dem Auftreten von Gallensteinen gerechnet werden, da Somatostatine die Gallenblasenentleerung hemmen. Gelegentlich kommt es zu Fettstühlen, da Somatostatine die Freisetzung der Bauchspeicheldrüsenfermente hemmen können. Die resultierende exokrine Pankreasinsuffizienz kann gut durch die orale Gabe von Bauchspeicheldrüsenfermenten (Lipase) behoben werden. Um Komplikationen eines Gallensteinleidens vorzubeugen, wird Karzinoidpatienten im Falle von operativen Baucheingriffen die prophylaktische Entfernung der Gallenblase angeraten. Weniger gut verträglich als die Somatostatine sind die Interferone. Hierzulande werden deshalb die Somatostatine bevorzugt. V.a. in Skandinavien werden auch die Interferone für die symptomatische Behandlung des Karzinoidsyndroms eingesetzt. Das Zollinger-Ellison-Syndroms (Gastrinom-Krankheit) wird medikamentös mit sog. Protonenpumpeninhibitoren (wie Omeprazol, Pantoprazol, Esomeprazol, Lanzoprazol u.a.) behandelt. Für fortgeschrittene Insulinome steht Diazoxid als Medikament zur Verfügung (siehe www.karzinoidtumore.de). 22 Zielgerichtete medikamentöse Therapie Somatostatinanaloga: In der Tumormedizin wird intensiv nach Behandlungsansätzen gesucht, die gezielt einen speziell oder einzig im Tumor „überaktiven“ Stoffwechsel- oder Signalweg oder Eiweißstoff hemmen oder gar ausschalten. Dank des gezielten oder „maßgeschneiderten“ Abschaltens des Wachstumsprogramms in den Tumorzellen sollen und können Therapien entwickelt werden, die nur wenige Nebenwirkungen aufweisen und für den Patienten einfach und gut verträglich sind. Gut differenzierte Karzinoide nehmen hier eine Vorreiterrolle ein, da sie in weit grösserer Zahl als normale Körperzellen sog. Somatostatinrezeptoren an der Tumorzelloberfläche tragen. Somatostatinrezeptoren (=Andockstellen für das Hormon Somatostatin) bilden seit nunmehr 20 Jahren die Grundlage für spezielle, zielgerichtete bzw. maßgeschneiderte Therapieansätze von neuroendokrinen Tumoren. Somatostatin ist ein natürliches Hormon, das in physiologischer Menge im Körper eines jeden von uns vorkommt und verschiedene Aufgaben übernimmt. Dem einfachen und wirkungsvollen Einsatz von Somatostatinen in der Behandlung neuroendokriner Tumoren gelang der Durchbruch, als es Anfang der 1990er Jahre gelang, langwirksame Depotpräparate von stabilen Somatostatin-Analoga herzustellen. Diese Depotpräparate müssen heutzutage nur einmal alle 4 Wochen entweder tief subkutan (in die Unterhaut) oder in die Gesäßmuskulatur injiziert werden. Wie weiter oben bereits ausgeführt stellen Somatostatinabkömmlinge (sog. Somatostatinanaloga wie Octreotid, Lanreotid) die Standardtherapie des Karzinoidsyndroms dar. Im Jahr 2009 konnte nun eine kontrollierte Phase III Behandlungsstudie zeigen, dass das Octeotid-Depotpräparat zudem signifikant das progressionsfreie Überleben der Patienten mit Dünndarmkarzinoiden verlängert. Interessanterweise war die lebensverlängernde Wirkung besonders ausgeprägt bei denjenigen Patienten, deren Tumorlast in der Leber gering war. Diese Beobachtung unterstützt die Empfehlung, Somatostatinabkömmlinge zu kombinieren mit denjenigen o.g. Therapieverfahren, die die neuroendokrinen Lebermetastasen verringern, abtöten bzw. entfernen (siehe www.karzinoidtumore.de ). 23 Die neuen Medikamente Everolimus und Sunitinib Neuartige Medikamente, die die Blutgefäßbildung hemmen, erscheinen bei den meist gut durchbluteten neuroendokrinen Tumoren erfolgversprechend. Erste Berichte liegen vor zu Bevacizumab, einem neutralisierenden Antikörper des Wachstumsfaktors VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor), der zusammen mit Octreotid gegeben in einer ersten kleinen Studie einer Behandlung mit Interferon plus Octreotid überlegen war. Das Wachstumssignal von VEGF kann auch durch Medikamente gehemmt werden, die in Tablettenform zur Verfügung stehen. Sunitinib ist ein derartiges Medikament. Eine kontrollierte Phase III-Studie zur Sicherheit und Wirksamkeit von Sunitinib wurde im Jahr 2009 vorzeitig abgebrochen, nachdem sich ein signifikanter Vorteil im (progressionsfreien) Überleben für diejenigen Patienten mit fortgeschrittenen, gut differenzierten (G1, G2) neuroendokrinen Bauchspeicheldrüsentumoren ergeben hatte, die täglich eine Tablette Sunitinib eingenommen hatten. Die Zulassung von Sunitinib für diesen Zweck und diese Patientengruppe erfolgte in den Jahren 2010 bzw. 2011. Faszinierende neue Medikamente sind sog. mTOR-Inhibitoren. mTOR ist ein sehr wichtiger Eiweißstoff, der im Zellinneren das Wachstum aber auch das Absterben der Tumorzelle steuert. Hemmstoffe von mTOR wie z.B. das Medikament Everolimus wurden auf ihre Wirksamkeit bei neuroendokrinen Tumoren überprüft. Eine kontrollierte Phase III-Studie zur Sicherheit und Wirksamkeit von Everolimus wies vor kurzem einen signifikanten Vorteil im (progressionsfreien) Überleben für diejenigen Patienten mit gut differenzierten, neuroendokrinen Tumoren der Bauchspeicheldrüse nach, die täglich eine Tablette Everolimus eingenommen hatten. Die Zulassung von Everolimus für gut differenzierte (G1, G2) neuroendokrine Pankreastumore erfolgte im Jahr 2011. In ersten klinischen Studien konnte Everolimus seine tumorhemmende Wirkung zudem bei Dünndarmkarzinoiden unter Beweis stellen. Everolimus wird im Falle von Dünndarmkarzinoiden meist in Kombination mit dem Octreotid-Depotpräparat untersucht. 24 Die Zulassung von zwei neuen Arzneistoffen für die Behandlung von neuroendokrinen Tumoren spiegelt ein erfreulicherweise zunehmendes Interesse der forschenden Pharmaindustrie an neuroendokrinen Tumoren wider. Zum anderen geben Everolimus und Sunitinib den betroffenen Patienten neue Hoffnung. Leider ist es derzeit nicht möglich vorherzusagen, welcher Patient eher von Everolimus und welcher Patient eher von Sunitinib profitiert. Ebensowenig sind bislang Kombinationsbehandlungen mit Everolimus oder Sunitinib untersucht. Schlußfolgerung Neuroendokrine Tumoren haben deutlich an Häufigkeit zugenommen. Erfreulicherweise werden Karzinoide/neuroendokrine Tumoren in zunehmendem Maße in frühen Stadien diagnostiziert; die Prognose von Patienten mit gut differenzierten neuroendokrinen Frühtumoren ist sehr gut. Ist ein gut differenzierter (G1, G2) neuroendokriner Tumor bei Diagnosestellung bereits fortgeschritten, kommen verschiedene Therapieformen in Betracht, u.a. lokal-ablative Verfahren, die „debulking“-Chirurgie, die transarterielle Chemo- oder Radio-Embolisation, die Peptidrezeptor-Radionuklidtherapie und insbesondere die medikamentöse Behandlung. Oftmals werden diese Behandlungsformen kombiniert bzw. nacheinander angewandt (sog. multimodale Therapie). Im Jahr 2011 wurden weltweit zwei neue Arzneistoffe (Everolimus, Sunitinib) für die Behandlung von Patienten mit gut differenzierten (G1, G2), neuroendokrinen Tumoren der Bauchspeicheldrüse zugelassen. Für jedes der beiden Medikamente Everolimus und Sunitinib konnte eine Verlängerung des (progressionsfreien) Überlebens nachgewiesen werden. Mit Everolimus und Sunitinib stehen zwei neue effektive Arzneistoffe zur Verfügung. 25