1 Zahlungsbilanz - Hochschule Bochum

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Prof. Dr. H. Schumacher
FB Wirtschaft
Seminar - Masterstudium:
Währungssysteme und internationale Finanzinstitutionen
DIE ZAHLUNGSBILANZ
In modernen, arbeitsteiligen Volkswirtschaften finden die ökonomischen Transaktionen in der Regel
nicht allein zwischen inländischen Wirtschaftseinheiten statt sondern reichen – ungeachtet unterschiedlicher Währungssysteme, handelspolitischer Beschränkungen und anderer Hemmnisse sowie
divergierender nationaler rechts-, sozial- und wirtschaftspolitischer Gegebenheiten – zumeist weit über
die eigenen Landesgrenzen hinweg. So werden über den engen Kreis der Binnenwirtschaft hinaus
Waren angeboten und nachgefragt, Dienst- und Faktorleistungen erbracht und beansprucht, Forderungstitel erworben und veräußert sowie Kredite aufgenommen und gewährt. Nicht zuletzt in Anbetracht der Bedeutung, die den wirtschaftlichen Beziehungen zur übrigen Welt für die binnenwirtschaftliche Entwicklung einer Volkswirtschaft zukommt, erscheint deshalb eine präzise Erfassung und detaillierte Auflistung der grenzüberschreitenden Ströme wünschenswert und erforderlich. Das gesamtwirtschaftliche Rechenwerk, in dem die Geldwerte all dieser über die nationalen Grenzen hinwegreichenden ökonomischen Transaktionen rechnerisch erfasst, in der jeweiligen Landeswährung ausgewiesen und auf der Grundlage der vom Internationalen Währungsfonds (IMF) hierzu formulierten
Prinzipien geordnet dargestellt werden, heißt Zahlungsbilanz und wird in Deutschland von der Deutschen Bundesbank in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt periodisch (monatlich, vierteljährlich und jährlich) erstellt.1 Als Nebenrechnung zur Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
(VGR) ist die Zahlungsbilanzstatistik somit Teil des gesamtwirtschaftlichen Rechnungswesens.
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Seit Anfang des Jahres 1999 wird von der Europäischen Zentralbank (EZB) auch eine Zahlungsbilanz für den
Euro-Währungsraum periodisch veröffentlicht.
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1. Gegenstand und Bedeutung der Zahlungsbilanz
In der Definition des Internationalen Währungsfonds (IMF)1 versteht man unter der Zahlungsbilanz
die „... systematische Aufstellung aller wirtschaftlichen Transaktionen, die in einer abgelaufenen Periode zwischen Wirtschaftssubjekten des Inlandes (kurz: Inländer) und Wirtschaftsubjekten des Auslandes (kurz: Ausländer) stattgefunden haben.“ Dabei bedeuten
„systematische Aufstellung“, dass zum einen die Gliederung der Zahlungsbilanz durch den wirtschaftlichen Charakter der einzelnen Transaktionen bedingt ist, und dass zum anderen alle erfassten Transaktionen nach dem Prinzip der doppelten Buchführung in einem konsistenten Kontensystem ausgewiesen und abgebildet werden. Die Übersichten sind folglich insgesamt in sich geschlossen, so dass die Zahlungsbilanz als ganzes stets ausgeglichen ist und keinen Aktiv- oder
Passivsaldo ausweist.2
„in einer abgelaufenen Periode“, dass sich die in der Zahlungsbilanz ausgewiesenen Daten stets
auf eine in der Vergangenheit liegende, abgeschlossene Zeitperiode beziehen. Im Sinne einer ex
post-Analyse werden also ausschließlich die in einer zurückliegenden Wirtschaftsperiode tatsächlich stattgefundenen außenwirtschaftlichen Transaktionen einer Volkswirtschaft zahlenmäßig erfasst und dargestellt – nicht die für eine zukünftige Periode geplanten oder erwarteten Aktivitäten
und Transaktionen.
„alle wirtschaftlichen Transaktionen“, dass in der Zahlungsbilanz zwar einerseits nur wirtschaftliche Transaktionen erfasst und ausgewiesenen werden, dass aber andererseits grundsätzlich alle
derartigen Transaktionen ihren Niederschlag finden – und zwar ganz unabhängig davon, ob sie
mit Zahlungen verbunden sind oder nicht. Im Sinne der Zahlungsbilanzstatistik liegen dabei wirtschaftliche Transaktionen zum einen vor, wenn Leistungen (Waren, Dienst- und Faktorleistungen)
von Inländern an Ausländer oder von Ausländern an Inländer erbracht werden sowie zum anderen, wenn Eigentums- bzw. Inhaberrechte an Vermögenstiteln (Forderungen, Unternehmen,
Grundstücke) von Inländern auf Ausländer oder von Ausländern auf Inländer übergehen.
„Wirtschaftssubjekte des Inlandes und Wirtschaftssubjekte des Auslandes“, dass die Zahlungsbilanzstatistik nach dem Inländerprinzip abgegrenzt wird. Dabei gelten als „Inländer“ alle natürlichen Personen, die ihren ständigen Wohnsitz innerhalb der Landesgrenzen haben sowie alle Institutionen, bei denen der Schwerpunkt ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit im Inland liegt. Dementsprechend gelten als „Ausländer“ alle natürlichen Personen und Institutionen, bei denen diese Bedingungen nicht erfüllt sind. Gastarbeiter werden demzufolge als „Inländer“ angesehen, Reisende
aus anderen Ländern sowie diplomatische Vertretungen fremder Staaten und Angehörige ausländischer Streitkräfte dagegen als „Ausländer“.
Der Begriff „Zahlungsbilanz“ ist zweifellos in zweifacher Weise missverständlich. Denn zum einen
werden hier – anders als es der Begriff Zahlungsbilanz suggeriert - eben nicht nur reine Zahlungsvor
gänge oder zahlungswirksame Transaktionen erfasst sondern grundsätzlich a l l e über die Landesgrenzen hinweg stattfindenden ökonomischen Transaktionen und zum anderen handelt es sich – anders
als es der Begriff Zahlungsbilanz nahe legt – hier nicht um eine Bilanz in dem Sinne, dass Bestandsgrößen zu einem bestimmten Stichtag ausgewiesen werden, sondern um die Aufzeichnung von Stromgrößen , die sich auf eine bestimmte Zeitperiode beziehen.
Indem die Zahlungsbilanz eines Landes alle ökonomischen Transaktionen zwischen Einwohnern, Regierungen, Unternehmen und Institutionen des Inlandes mit denen des Auslandes aufzeichnet, liefert
sie ein Abbild der wirtschaftlichen Verflechtung einer Volkswirtschaft mit dem Ausland. In ihr spiegeln sich Umfang, Struktur und – wenn entsprechende Daten für einen längeren Zeitraum verfügbar
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International Monetary Fund: Balance of Payments Manual, Washington 1961
Dass die Zahlungsbilanz in ihrer Gesamtheit rechnerisch immer ausgeglichen ist, stellt sich also keinesfalls
zufällig ein sondern ist ausschließlich der angewendeten Rechnungsmethode zuzuschreiben.
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sind –auch die zeitliche Entwicklung der ökonomischen Beziehungen mit dem Ausland in sachlicher
und regionaler Hinsicht.
Eine derartige Aufzeichnung, wie sie die Zahlungsbilanz für die außenwirtschaftlichen Transaktionen
einer Volkswirtschaft bietet, liefert zweifellos eine umfassende Informationsbasis zunächst für all jene,
die an den internationalen Abläufen einer Volkswirtschaft interessiert sind und sich ein präzises Bild
über die außenwirtschaftliche Verflechtung einer Volkswirtschaft machen wollen und oder die – wie
etwa Forschungsinstitute und international tätige Unternehmen - derartige Informationen für ihre wirtschaftlichen Aktivitäten benötigen. Denn der Wirtschaftsprozess einer Volkswirtschaft stellt sich ja
nicht nur binnenwirtschaftlich sondern auch außenwirtschaftlich als eine unübersichtliche und verwirrende Vielfalt von Vorgängen und Abläufen dar. Gleichwohl dient die Zahlungsbilanzstatistik aber
keineswegs ausschließlich informativen Zwecken. Indem die Zahlungsbilanz die außenwirtschaftlichen Transaktionen einer Volkswirtschaft geordnet beschreibt und übersichtlich darstellt, können die
derart gewonnenen Zahlenangaben vielmehr auch als tragfähige Grundlage für deren Erklärung, Prognose und zielorientierte Gestaltung dienen. Die Angaben der Zahlungsbilanz haben deshalb nicht nur
einen rein wissenschaftlichen sondern auch einen praktischen, wirtschaftspolitischen Wert.
Die Zahlungsbilanzstatistik richtet sich denn auch p r i m ä r an die wirtschaftspolitischen Entscheidungsträger einer Volkswirtschaft. Dies um so mehr, als in den meisten Ländern die Träger der Wirtschaftspolitik – namentlich die Regierungen und die Notenbanken – im Rahmen ihrer wirtschaftspolitischen Entscheidungen die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu beachten
und die Stabilisierung des Wirtschaftsprozesses anzustreben haben. In einer offenen Volkswirtschaft
stehen die binnen- und außenwirtschaftlichen Vorgänge und Prozesse indes in einer wechselseitigen
Beziehung zueinander. Von den wirtschaftlichen Aktivitäten des Inlandes mit dem Ausland können
mithin sowohl positive wie negative Auswirkungen auf die binnenwirtschaftliche Entwicklung ausgehen. Sollen deshalb die außenwirtschaftlichen Transaktionen beobachtet und gegebenenfalls wirtschaftspolitisch so „gesteuert“ werden, dass die binnenwirtschaftliche Entwicklung möglichst begünstigt und eine außenwirtschaftliche Gefährdung binnenwirtschaftliche Ziele vermieden wird, so sind
hierfür ebenso aktuelle wie zuverlässige Daten erforderlich.
Hinzu kommt, dass in den meisten Staaten die Träger der Wirtschaftspolitik eben nicht nur auf binnenwirtschaftliche Ziele verpflichtet sind, sondern in der Regel auch ausdrücklich außenwirtschaftliche
Ziele wahrzunehmen und zu beachten haben. Das in diesem Zusammenhang zumeist genannte Ziel
des „außenwirtschaftlichen Gleichgewichts“ lässt sich in der praktischen Wirtschaftspolitik indes nur
anstreben, wenn die Maßstäbe für das Erreichen sowohl operational definiert als auch eindeutig identifizierbar sind. Zweifelsfreie Aussagen darüber, ob in den außenwirtschaftlichen Beziehungen mit
dem Ausland ein gewünschter Zustand erreicht oder verfehlt ist, ob sich die aktuelle außenwirtschaftliche Entwicklung dem gewünschten Zustand annähert oder sich von ihm entfernt und auch, ob wirtschaftspolitische Maßnahmen zur Gestaltung der außenwirtschaftlichen Prozesse in der gewünschten
Weise „greifen“ oder nicht lassen sich nämlich zweifelsfrei nur treffen, wenn eine entsprechende,
zuverlässige Datenbasis vorhanden ist, die derartige Aussagen erlaubt. Bei dem Versuch, den Grad der
internationalen Verflechtung der heimischen Wirtschaft mit dem Ausland quantitativ zu erfassen und
wirtschaftspolitisch zielorientiert zu gestalten, wird deshalb zumeist an dem von der Zahlungsbilanzstatistik gelieferten Zahlenmaterial angeknüpft.
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2. Die Teilbilanzen der Zahlungsbilanz
Die ökonomischen Transaktionen einer Volkswirtschaft mit dem Ausland sind in der Regel sehr heterogen. Da sie gleichwohl in der Zahlungsbilanz – wie oben dargelegt – geordnet ausgewiesen und
übersichtlich dargestellt werden sollen, müssen ähnliche Transaktionen zusammengefasst und unterschiedliche getrennt ausgewiesen werden. Die Zahlungsbilanz gliedert sich dementsprechend in mehrere, den Charakter buchhalterischer Konten aufweisende Unterbilanzen, auf denen jeweils wirtschaftlich ähnliche Transaktionen statistisch ihren Niederschlag finden. Dabei werden alle Vorgänge, die aus
der Sicht des Inlandes tatsächlich zu Zahlungseingängen führen oder – wären sie mit Zahlungen verbunden – zu entsprechenden Zuflüssen führen würden, auf der linken Seite als Aktiva verbucht. Als
derartige „Creditposten“ werden mithin die Ausfuhren von Waren und Dienstleistungen, die dem Ausland erbrachten Faktorleistungen und die vom Ausland empfangenen einseitigen Übertragungen ebenso geführt wie die Kreditaufnahme im Ausland und der Verkauf von Gold und Devisen. Umge-kehrt
werden alle Transaktionen mit dem Ausland, die aus der Sicht des Inlandes tatsächlich zu Zahlungsausgängen führen oder – wären sie mit Zahlungen verbunden – zu entsprechenden Abflüssen
führen würden, auf der rechten Seite als Passiva geführt. Als derartige „Debetposten“ gelten folglich
die Einfuhren von Waren und Dienstleistungen, die vom Ausland in Anspruch genommenen Faktorleistungen und die an das Ausland geleisteten einseitigen Übertragungen ebenso wie die dem Ausland
gewährten Kredite und die Käufe von Gold und Devisen.
Da den Regeln der doppelten Buchführung entsprechend jede zahlungsbilanzwirksame ökonomische
Transaktion je z w e i m a l in der Zahlungsbilanz registriert wird, Buchung und Gegenbuchung indes
in der Regel nicht in der gleichen Teilbilanz der Zahlungsbilanz erfolgen, ist für eine Erfassungsperiode lediglich die Zahlungsbilanz als Ganzes zwangsläufig ausgeglichen – nicht jedoch die einzelnen
Unterbilanzen. Freilich müssen sich deren Salden – bei ordnungsgemäßer Erfassung und wertgleicher
Verbuchung aller Transaktionen - ausgleichen und in ihrer Summe zum Wert Null ergänzen.
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Die Zahlungsbilanz ist in die folgenden Teilbilanzen untergliedert:
2.1 Handelsbilanz
Die klassische Ausprägungsform internationaler Wirtschaftsbeziehungen ist bekanntlich der internationale Güteraustausch. Die Handelsbilanz, in der die güterwirtschaftliche Verflechtung einer Volkswirtschaft mit der übrigen Welt dargestellt wird, bildet deshalb die erste Teilbilanz der Zahlungsbilanz. In ihr werden alle die inländische Zollgrenze überschreitenden und mit einer Eigentumsübertragung zwischen Inländern und Ausländern verbundenen Warentransaktionen erfasst und nach Warengruppen einerseits und nach Ländergruppen andererseits untergliedert ausgewiesen. Dabei werden die
Ausfuhren (Exporte) als Creditposten auf der linken Seite und die Einfuhren (Importe) als Debetposten auf der rechten Seite des Handelsbilanzkontos verbucht.
Bei der Erfassung und Zuordnung grenzüberschreitender Warentransaktionen ergeben sich allerdings
in einigen Fällen nicht unerhebliche Schwierigkeiten:
Die von inländischen Touristen im Ausland sowie die von ausländischen Touristen im Inland getätigten Käufe von Gütern lassen sich weder genau erfassen noch von den anderen im Zusammenhang mit dem Reiseverkehr getätigten Transaktionen präzise trennen. Diese Käufe und Verkäufe werden deshalb auch n i c h t in der
Handelsbilanz sondern im Zusammenhang mit dem Reiseverkehr in der Dienstleistungsbilanz verbucht.
Beim reinen Transithandel passieren die Waren zwar die nationalen Grenzen einer Volkswirtschaft, sie werden
indes nur durch das Gebiet des Inlandes transportiert. Insbesondere findet bei dieser Form des grenzüberschreitenden Warenverkehrs k e i n e Eigentumsübertragung an den Waren statt. Der reine Transithandel
wird deshalb weder in der Handelsbilanz noch in einer anderen Teilbilanz der Zahlungsbilanz ausgewiesen.
Werden Waren aus dem Ausland lediglich zur Weiterverarbeitung importiert um nach entsprechender „Veredelung“ wieder ausgeführt zu werden, oder werden Waren zur Weiterverarbeitung ins Ausland geliefert um
danach wieder ins Inland zurückgeschafft zu werden, so schlagen sich die diesbezüglichen grenzüberschreitenden Warenbewegungen im einen wie im anderen Fall sowohl bei den Einfuhren als auch bei den Ausfuhren
nieder.
Fallen Eigentumsübertragung und Lieferung der Ware in unterschiedliche Rechnungsperioden, so ist für die
Erfassung in der Handelsbilanz der Zeitpunkt der Grenzüberschreitung entscheidend. Diese Transaktionen
werden also in jener Periode als Ausfuhr oder als Einfuhr verbucht, in der sie die inländische Zollgrenze passieren.
Werden die vom Ausland bezogenen sowie die ans Ausland gelieferten Waren vorübergehend im zollfreien
Gebiet des Inlands (Freihafen) gelagert, so können Doppelzählungen nur vermeiden werden, wenn jeweils lediglich die Salden aus den Warenbewegungen auf Lager und aus Lager berücksichtigt werden. Und werden
die vom Inland eingeführten oder von ihm ausgeführten Waren aufgrund von Mängeln vom Empfänger später
wieder zurückgesendet, so kann ein überhöhter Ausweis von Ein- und Ausfuhren nur durch entsprechende
Korrekturen vermieden werden. In der Handelsbilanz wird deshalb neben den „normalen“ Einfuhren und Ausfuhren auch ein als „Ergänzungen zum Warenhandel“ bezeichneter Posten ausgewiesenen, in dem einerseits
die Salden der Lagerbewegungen und andererseits die Korrekturen aus Rücksendungen statistisch zusammengefasst berücksichtigt werden.
Sind für eine abgelaufene Periode die Ausfuhren in ihrer Gesamtheit wertmäßig größer als die Einfuhren, dann ist die Aktivseite des Handelsbilanzkontos „länger“ als die Passivseite und der Handelsbilanzsaldo weist ein positives Vorzeichen auf; man spricht deshalb in diesem Fall von einer „aktiven“
Handelsbilanz bzw. von einem „positiven“ Handelsbilanzsaldo und im umgekehrten Fall von einer
„passiven“ Handelsbilanz bzw. von einem „negativen“ Handelsbilanzsaldo.
Im Zeitablauf verändert sich mit den Aus- und Einfuhren freilich auch der Saldo der Handelsbilanz.
Nehmen die Ausfuhren relativ zu den Einfuhren zu – nimmt also ein positiver Saldo der Handelsbilanz zu oder nimmt ein negativer Saldo ab – dann spricht man von einer „Verbesserung“ der Handelsbilanz, weil man sich von einer derartigen Entwicklung einen positiven Einfluss auf die binnenwirtschaftliche Entwicklung von Produktion und Beschäftigung erwartet. Entsprechend spricht man von
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einer „Verschlechterung“ der Handelsbilanz, wenn ein positiver Saldo abnimmt bzw. wenn ein negativer Saldo zunimmt, weil man hiervon eine Beeinträchtigung der gesamtwirtschaftlichen Produktion
und Beschäftigung im Inland befürchtet.
Die Bundesrepublik hat nicht zuletzt wegen der starken Exportorientierung der Industrie und der günstigen Warenstruktur seiner Exporte in der Vergangenheit alljährlich einen erheblichen und überdies
trendmäßig ansteigenden Überschuss in der Handelsbilanz ausgewiesen.
2.2 Dienstleistungsbilanz
In der Dienstleistungsbilanz findet der Dienstleistungsverkehr einer Volkswirtschaft mit der übrigen
Welt seinen statistischen Niederschlag. Dabei werden aus der Sicht des Inlandes die den Ausländern
erbrachten – also „exportierten“ – Dienstleistungen auf der linken Seite als Aktivposten und die vom
Ausland in Anspruch genommenen – also „importierten“ – Dienstleistungen auf der rechten Seite als
Passivposten ausgewiesen.
Die in der Dienstleistungsbilanz verbuchten Transaktionen sind außerordentlich heterogen. Sie umfassen sowohl die im Reiseverkehr anfallenden Einnahmen und Ausgaben (einschließlich der Warenkäufe inländischer Touristen im Ausland sowie der Warenverkäufe inländischer Unternehmen an ausländi-sche Touristen) als auch Transportleistungen (wie Frachten, Personenbeförderung und Hafendienste), Versicherungs- und Finanzdienstleistungen, Gebühren für Patente und Lizenzen, Ausgaben für
Forschung und Entwicklung, Werbe- und Messekosten, Ingenieur- und technische Dienstleistungen
und vieles andere mehr.
In Deutschland wird die Dienstleistungsbilanz quantitativ vor allem durch die Einnahmen und Ausgaben im Reiseverkehr geprägt. Dabei fallen aufgrund der „Reisefreudigkeit“ der Deutschen die anfallenden Ausgaben für in Anspruch genommenen Dienstleistungen stets weitaus höher ausfallen als die
aus der Reisetätigkeit ausländischer Touristen hierzulande resultierenden Einnahmen. Die Dienstleistungsbilanz Deutschlands weist mithin traditionell ein typisches Defizit aus.
2.3 Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen
In der Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen werden die Einkommensströme abgebildet, die
den Inländern aufgrund der von ihnen im Ausland erbrachten – also gleichsam „exportierten“- Faktorleistungen aus dem Ausland zufließen sowie jene, die Inländer wegen in Anspruch genommener – also
aus dem Ausland „importierter“ – Faktorleistungen an das Ausland zu entrichten haben. Dazu zählen
nicht nur die Erwerbseinkommen aus unselbständiger Arbeit (wie etwa die Lohn- und Gehaltseinkommen der ein- und auspendelnden Grenzgänger) sondern auch die Erträge aus Unternehmertätigkeit
(wie Gewinne und Dividenden) sowie die Erträge aus Vermögensanlagen (wie Mieten und Pachten
aus Grundbesitz sowie Zinsen), zumal man all diese Erträge als Entgelt für geleistete und in Anspruch
unternehmerische Leistungen bzw. für geleistete und in Anspruch genommene Boden- und Kapitaldienste deuten kann.
In den meisten Ländern – so auch in Deutschland – spielen die grenzüberschreitenden Arbeitseinkommen nur eine unwesentliche Rolle. Die Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen wird in
aller Regel dominiert durch die grenzüberschreitenden Kapitalerträge deren Umfang und Richtung
nicht zuletzt von internationaler Zinsdifferenzen beeinflusst werden. Wird etwa durch vergleichsweise
hohe Zinsen im Inland Kapital aus dem Ausland angelockt, so werden in der Folgezeit Kapitalerträge
ans Ausland abgeführt werden müssen. Wird dagegen aufgrund vergleichsweise hoher Zinsen im
Ausland inländisches Kapital auf ausländischen Kapitalmärkten angelegt, so werden dem Inland in der
Folgezeit aus den diesbezüglichen Anlagen Kapitalerträge zufließen. Da sich in der Vergangenheit die
Zinsdifferenz zwischen dem In- und Ausland oftmals geändert hat, weisen die Salden der Bilanz der
Erwerbs- und Vermögenseinkommen auch keine eindeutige Tendenz sondern mal Überschüsse und
mal Defizite aus.
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2.4 Übertragungsbilanzen
Ökonomische Transaktionen zwischen Wirtschaftssubjekten sind in der Regel durch Leistung und
Gegenleistung gekennzeichnet. Dies gilt in aller Regel auch für grenzüberschreitende Transaktionen.
Im System der doppelten Buchführung der Zahlungsbilanz finden dann Leistung und Gegenleistung
durch Buchung und Gegenbuchung ihre Entsprechung.
Es gibt allerdings – ebenso wie innerhalb einer Volkswirtschaft - auch grenzüberschreitende Bewegungen von Gütern und finanziellen Aktiva, die o h n e eine derartige ökonomische Gegenleistungen
vorgenommen werden. Derartige „einseitige“ Transaktionen müssen aber in einem System der doppelten Buchführung – wie es die Zahlungsbilanz darstellt - ebenfalls mit z w e i Buchungen erfasst werden. Dementsprechend enthält die Zahlungsbilanz bestimmte, als „Übertragungsbilanzen“ bezeichnete
Teilbilanzen, in denen die jeweiligen Gegenbuchungen zu den einseitigen Leistungs- und Forderungstransaktionen vorgenommen werden. Dabei entspricht es der Systematik der Zahlungsbilanz, wenn die
vom Inland empfangenen Übertragungen auf der linken Seite als Aktivposten und die vom Inland geleisteten Übertragungen auf der rechten Seite als Passivposten ausgewiesen werden. (Liefert etwa ein
Land maschinelle Anlagen als Entwicklungshilfe an ein Entwicklungsland, so muss die Warenlieferung bei Überschreiten der Zollgrenze des Inlands als „Warenexport“ auf der linken Seite der Handelsbilanz ausgewiesen werden. Da es sich hierbei um eine einseitige Transaktion handelt, ist die Gegenbuchung dann folglich in der Übertragungsbilanz vorzunehmen – und zwar als „geleistete“ Übertragung auf der rechten Seite als Passivposten.)
Seit der Revision der Zahlungsbilanzstatistik im Jahre 1995 werden derartige Übertragungen nun danach unterschieden, ob für sie aus der Sicht des jeweiligen Inlandes regelmäßig oder nur einmalig
anfallen. Dieser Aufgliederung liegt die Überlegung zugrunde, dass regelmäßige Übertragungen das
Konsum- und Sparverhalten der Leistungsempfänger verändern dürften, weil diese Transfers dann von
ihnen als laufendes Einkommen angesehen würden. Für einmalige Übertragungen stünde eine derartige Beeinflussung des Konsum- und Sparverhaltens dagegen nicht zu erwarten, zumal solche Transfers
nur das Vermögen der Leistungsempfänger und nicht ihr laufendes Einkommen berühren würden.
Diesem Ansatz entsprechend gibt es in der Zahlungsbilanz deshalb nunmehr z w e i Übertragungsbilanzen:
In der Bilanz der laufenden Übertagungen finden die Gegenbuchungen zu all jenen Leistungsund Forderungstransaktionen statt, für die aus der Sicht des Inlandes eine gewisse Regelmäßigkeit
un-terstellt werden kann. Diese laufenden Übertragungen werden nach institutionellen Gesichtspunkten in private und öffentliche Übertragungen gegliedert. Die privaten Übertragungen umfassen dabei neben den Heimatüberweisungen von Gastarbeiten auch Renten-, Pensions- und Unterstützungsleistungen sowie die Prämienleistungen an und die Entschädigungsleistungen von Versicherungen. Zu den öffentlichen Übertragungen zählen dagegen insbesondere die Beiträge an internationale Organisationen, die Zuwendungen an Entwicklungsländer, Steuererstattungen sowie all
jene Renten-, Pensions- und Unterstützungsleistungen, die nicht zu den privaten Übertragungen
zählen.
Niveau und Entwicklung der Bilanz der laufenden Übertragungen Deutschlands werden ganz wesentlich durch jene laufenden Ausgaben bestimmt, die einerseits aus öffentlichen (Netto-) Übertragungen an internationale Organisationen – insbesondere an die EU – resultieren und andererseits aus den privaten Überweisungen der hierzulande tätigen Gastarbeiter an ihre Heimatländer.
Die geleisteten Übertragungen übertreffen die empfangenen jedenfalls seit vielen Jahren um ein
Vielfaches, so dass die Bilanz der laufenden Übertragungen regelmäßig ein typisches Defizit aufweist.
In der Bilanz der Vermögensübertragungen finden die als „einmalig“ angesehenen einseitigen
Transaktionen ihren Niederschlag. Sie werden ebenfalls institutionell nach privaten und öffentlichen Übertragungen untergliedert. Zu den privaten Übertragungen gehören dabei Schenkungen,
Erbschaften, einmalige Unterstützungsleistungen sowie Vermögensmitnahmen von Ein- und
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Auswanderern, zu den öffentlichen Übertragungen vor allem Schuldenerlasse an Entwicklungsländer sowie Reparations- und Wiedergutmachungsleistungen soweit sie durch einmalige Zahlungen
gekennzeichnet sind.
Da die Bilanz der Vermögensübertragungen lediglich bei solchen Transaktionen berührt wird, die
einen einmaligen Charakter aufweisen, kommt es in dieser Bilanz dementsprechend selten zu Buchungen. Zudem kann aufgrund gerade auch dieser „Einmaligkeit“ der Transaktionen nicht systematisch mit einem Überhang der geleisteten oder der empfangenen Übertragungen gerechnet werden. Die Bilanz der Vermögensübertragungen fällt deshalb in aller Regel quantitativ kaum ins Gewicht und weist üblicherweise – so auch in der Bundesrepublik - keinen typischen Saldo in der
einen oder anderen Richtung auf.
2.5 Kapitalbilanz
In der Kapitalbilanz finden all jene grenzüberschreitenden Transaktionen ihren Niederschlag, durch
welche die Forderungen und Verbindlichkeiten inländischer Wirtschaftseinheiten gegenüber dem Ausland in ihrer Höhe oder in ihrer Zusammensetzung verändert werden.1 Dabei kann es sich um Finanztransaktionen, Kreditgeschäfte, Auslandsinvestitionen sowie um den Kauf und Verkauf von Immobilien und Grundbesitz handeln.
Alle Transaktionen, durch welche die Forderungen gegenüber dem Ausland zunehmen oder die Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland abnehmen werden als Kapitalexport bezeichnet und – umgekehrt – werden alle Transaktionen, durch welche die Forderungen gegenüber dem Ausland abnehmen
oder die Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland zunehmen als Kapitalimport bezeichnet. Dabei
wird – der Systematik der Zahlungsbilanz entsprechend – der Kapitalexport als Debet-Posten auf der
rechten Seite und der Kapitalimport als Credit-Posten auf der linken Seite verbucht. Dies wird verständlich, wenn man sich vor Augen hält, dass bei grenzüberschreitenden Transaktionen – ähnlich wie
bei binnenwirtschaftlichen – Leistung und Gegenleistung oftmals zeitlich auseinanderfallen so dass
Kreditbeziehungen entstehen. Verkauft etwa ein inländisches Unternehmen eine Ware ins Ausland
und räumt dem ausländischen Importeur ein Zahlungsziel ein, so entsteht mit der Warenlieferung eine
Forderung gegenüber dem ausländischen Importeur. Da die Warenlieferung als „Warenexport“ auf der
linken Seite der Handelsbilanz als Creditposten verbucht werden muss, ist die Zunahme der Forderungen in der Kapitalbilanz als „Kapitalexport“ auf der rechten Seite – also als Debetposten anzusetzen.
Daran ändert sich auch dann nichts, wenn durch die Warenlieferung eine bestehende Verbindlichkeit
des inländischen Unternehmens gegenüber dem ausländischen Importeur „getilgt“ wird. Denn in diesem Fall ist nun die Abnahme der Verbindlichkeiten als „Kapitalexport“ ebenfalls auf der rechten
Seite der Kapitalbilanz als Debetposten zu verbuchen, zumal die Warenlieferung ja nach wie vor als
Warenexport auf der linken Seite der Handelsbilanz angesetzt werden muss.
Weicht die Summe der als Creditposten verbuchten Kapitalexporte von der Summe der als Debetposten verbuchten Kapitalimporte ab, so weist die Kapitalbilanz dementsprechend einen Saldo aus. Dabei
spricht man von einem (Netto-)Kapitalexport, wenn die Kapitalexporte größer sind als die Kapitalimporte und – umgekehrt - von einem (Netto-)Kapitalimport, wenn die Kapitalimporte größer sind als
die Kapitalexporte. Bei Vorliegen eines (Netto-)Kapitalexports weist der Saldo der Kapitalbilanz mithin ein negatives Vorzeichen auf und bei Vorliegen eines (Netto-)Kapitalimports ein positives Vorzeichen.
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Dies gilt nur insoweit, als es sich hierbei n i c h t um eine Veränderung der Währungsreserven handelt. In der
von der Deutschen Bundesbank gewählten Abgrenzung bei der Erstellung der Zahlungsbilanz für Deutschland
wird nämlich die Veränderung der Währungsreserven in einer separaten Position (Devisenbilanz) außerhalb der
Kapitalbilanz geführt. Veränderungen bei Forderungen der Notenbank gegenüber dem Ausland die n i c h t zu
den Währungsreserven zählen (z.B. Kredite an die Weltbank) werden in der Kapitalbilanz erfasst. Im Gegensatz
zu der von der Deutschen Bundesbank geübten Abgrenzung werden von der EZB bei der Erstellung der konsolidierten Zahlungsbilanz für den Euro-Währungsraum auch die Veränderung der Währungsreserven als Teil der
Kapitalbilanz ausgewiesen.
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Grundsätzlich lassen sich die Buchungen in der Kapitalbilanz in z w e i Gruppen einteilen: Zum einen werden hier die Gegenbuchungen zu jenen grenzüberschreitenden Leistungstransaktionen (Waren,
Dienst- und Faktorleistungen) vorgenommen, die nicht als „einseitige“ Transaktionen aufzufassen
sind, und zum anderen werden hier jene Finanztransaktionen registriert, die unabhängig vom Leistungsverkehr vorgenommen werden. Derartige „reine“ Finanztransaktionen stellen aber sachlich nichts
anderes als Umschichtungen der Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland dar und
führen buchungstechnisch zu Buchung und Gegenbuchung i n n e r h a l b der Kapitalbilanz. Kauft
etwa ein Inländer ausländische Wertpapiere, so erwirbt er hiermit wirtschaftliche Anrechte auf das
Volksvermögen des Auslands. Der Kauf der Wertpapiere ist also als eine Zunahme der Forderungen
gegenüber dem Ausland zu betrachten und mithin als Kapitalexport auf der rechten Seite der Kapitalbilanz zu buchen. Auf der anderen Seite hat der Inländer beim Kauf des ausländischen Wertpapiers
aber eine Gegenleistung zu erbringen. Hat der inländische Käufer des Wertpapiers etwa ein Bankkonto
im Ausland und besteht die Gegenleistung dann darin, dass er den Kaufpreis durch Abbau seines
Bankguthabens im Ausland bezahlt, so nehmen dementsprechend auch die Forderungen gegenüber
dem Ausland ab. Mit der Zahlung des Kaufpreises geht folglich ein Abbau von Forderungen gegenüber dem Ausland einher. Sie ist mithin als Kapitalimport auf der linken Seite der Kapitalbilanz zu
verbuchen. Indem reine Finanztransaktionen in der Kapitalbilanz also zu Buchung und Gegenbuchung
führen, können sie weder einen Saldo der Kapitalbilanz bewirken noch diesen verändern.
Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland können freilich durch eine Fülle verschiedener Transaktionen entstehen, sich ändern und getilgt werden. Die Kapitalbewegungen eines
Landes – und mithin die in der Kapitalbilanz verbuchten Positionen - lassen sich deshalb auch nach
ganz verschiedenen Gesichtspunkten ordnen, wobei grundsätzlich zeitliche, institutionelle und sachliche Kriterien angewendet werden können.
In Deutschland werden die in der Kapitalbilanz verbuchten Kapitaltransaktionen insbesondere nach
sachlichen Gesichtspunkten unterschieden. Dabei werden getrennt ausgewiesen:
o
Direktinvestitionen (Dazu gehören Beteiligungen von 10 vH und mehr am Kapital ausländischer
Unternehmen, die Gründung oder Erweiterung von Betriebsstätten und Zweigstellen im Ausland;
der Erwerb von Grundstücken im Ausland, die Reinvestition von Gewinnen im Ausland sowie Finanz- und Handelskredite zwischen inländischen Mutter und ausländischen Töchterunternehmen)
o
Wertpapieranlagen und Finanzderivate (Diese umfassen zum einen den auch als „Portfolio-Investition“ bezeichneten grenzüberschreitenden Erwerb von Aktien, festverzinslichen Wertpapieren,
Investmentzertifikaten und Geldmarktpapieren sowie zum anderen die grenzüberschreitende Abwicklung von Termingeschäften und Optionen in Finanzaktiva)
o
Kreditverkehr (Dieser umfasst die grenzüberschreitende Aufnahme und Gewährung kurz- und
langfristiger Kredite durch Kreditinstitute, Unternehmen und Privatpersonen, staatliche Institutionen sowie der Notenbank).
In der Bundesrepublik Deutschland ist für die Kapitalbilanz kein eindeutiger Trend zu erkennen. Perioden eines Nettokapitalimports wechseln mit denen eines Nettokapitalexports. Dies erklärt sich beim
kurzfristigen Kapitalverkehr mit dem Ausland wohl primär daraus, das dieser stark von häufig wechselnden spekulativen Erwartungen beeinflusst wird. Beim längerfristigen Kapitalverkehr, der vor allem von Zins- und Renditekonstellationen geprägt ist, dürfte dagegen ausschlaggebend sein, dass die
Kapitalrendite in Abhängigkeit vom Grad der gesamtwirtschaftlichen Kapitalknappheit im internationalen Vergleich mal relativ hoch und mal relativ niedrig eingeschätzt wird.
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2.6 Devisenbilanz
Bei der Finanzierung grenzüberschreitender ökonomischer Transaktionen können Volkswirtschaften
in der Regel nicht auf die eigene nationale Währung zurückgreifen, sie benötigen hierfür vielmehr
internationale Liquidität. Verfügt eine Volkswirtschaft deshalb n i c h t über Währungsreserven, so
können von ihr Leistungen aus dem Ausland nur in dem Umfang in Anspruch genommen und finanzielle Auslandsaktiva nur insoweit erworben werden, in dem ihr internationale Liquidität durch den
Leistungsexport sowie durch den Kapitalimport zufließt. Der Besitz von Währungsreserven ermöglicht es einer Volkswirtschaft dagegen, über diesen engen Rahmen hinaus auf ausländische Ressourcen zurückzugreifen und attraktive Anlagemöglichkeiten im Ausland für das inländische Kapital zu
nutzen. Darüber hinaus stärkt ein hoher Bestand an Währungsreserven auch das Vertrauen ausländischer Kapitalgeber in die Stabilität und die Konvertibilität der heimischen Währung.
Von Bedeutung sind Währungsreserven zudem insbesondere im Hinblick auf das Wechselkurssystem.
So m u s s in einem System fester Wechselkurse die inländische Notenbank über Währungsreserven
verfügen, wenn die inländische Währung auf den Devisenmärkten unter Abwertungsdruck gerät und
die Wechselkurse durch entsprechende Devisenmarktinterventionen verteidigt werden sollen. Dabei ist
der Bedarf an Währungsreserven tendenziell um so größer, je fester einerseits die Wechselkurse aneinander gezurrt und je enger also die Bandbreiten sind, innerhalb deren Schwankungen der Wechselkurse möglich sind und je seltener andererseits Anpassungen der Paritäten oder Leitkurse zugelassen
werden.
In einem System flexibler Wechselkurse sind zwar grundsätzlich keinerlei Währungsreserven erforderlich, weil die Anpassung der Wechselkurse hier stets automatisch für einen Ausgleich von Angebot
und Nachfrage nach Devisen sorgen und kursstützende Devisenmarktinterventionen folglich nicht
erforderlich machen. Gleichwohl ist auch in diesem Fall die Verfügbarkeit über Währungsreserven
von Vorteil, wenn Schwankungen der Wechselkurse wirtschaftspolitisch unerwünscht sind und die
Notenbank durch so genannte diskretionäre Interventionen auf dem Devisenmarkt sie zu verhindern
versucht oder bestrebt ist, die Entwicklung der Wechselkurse gezielt in eine bestimmte Richtung zu
beeinflussen.
Die Veränderungen der offiziellen Währungsreserven – also die Veränderungen der Währungsreserven
der Notenbank - werden in der Devisenbilanz (bzw. in der Rubrik „Veränderungen der Währungsreserven“ oder auch „Veränderungen der Nettoauslandsaktiva der Notenbank“) erfasst und ausgewiesen. Dabei handelt es sich im Prinzip um Transaktionen, die eigentlich der Kapitalbilanz zuzuordnen
wären. Wegen der hohen Bedeutung, die den offiziellen Währungsreserven einer Volkswirtschaft aus
den oben genannten Gründen gemeinhin beigemessen wird und auch um „auf den ersten Blick“ Informationen über ihre Veränderung zu erhalten, werden Veränderungen der Währungsreserven im Rahmen der Zahlungsbilanzstatistik getrennt erfasst und gesondert ausgewiesen. Dabei wird die Zunahme
von Währungsreserven als Debetposten auf der rechten Seite und die Abnahme von Währungsreserven
als Creditposten auf der linken Seite verbucht. (Fließen etwa dem Inland aufgrund einer Warenlieferung ins Ausland Fremdwährungen (Devisen) zu, so muss die Warenlieferung als „Warenexport“ auf
der linken Seite der Handelsbilanz und mithin als Creditposten verbucht werden. Die Zunahme der
Währungsreserven ist folglich – quasi als „Kapitalexport“ - in der Devisenbilanz auf der rechten Seite
als Debetposten anzusetzen.)
Mit dem Eintritt in die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) hat sich die Abgrenzung der Währungsreserven geändert. Zu ihnen zählen nunmehr:
o
Der Währungsgoldbestand der Deutschen Bundesbank,
o
Die Devisenreserven (hierbei handelt es sich ganz überwiegend um auf US-Dollar lautende und
in zinsbringenden Wertpapieren angelegt Forderungen, sowie um Einlagen bei anderen Währungsbehörden, der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) und bei Finanzinstituten.)
11
o
Die Reserveposition im Internationalen Währungsfonds (IMF) (dabei handelt es sich um Guthaben beim IMF, die jederzeit gegen andere Währungen im Besitz des Fonds eingetauscht werden
können)
o
Die Sonderziehungsrechte (hierbei handelt es sich um eine vom IMF geschaffene, künstliche
Reservewährung, das den Mitgliedsländern im IMF in bestimmten Zeitabständen zugeteilt wird.
Die Ausübung der Ziehungsrechte erlauben es einem Land, benötigte Währungen beim IMF
sowie bei anderen Ländern gegen Hergabe eigener Währung zu kaufen.)
2.7 Restbilanz
Würden alle Buchungen und Gegenbuchungen, die mit der Erfassung grenzüberschreitender ökonomischer Transaktionen in der Zahlungsbilanz verbunden wären einerseits vollständig, sowie andererseits
sowohl zeitgleich als auch betragsgleich erfolgen, dann müssten sich die Salden der Teilbilanzen der
Zahlungsbilanz zwangsläufig zu Null ergänzen; die Zahlungsbilanz wäre dann statistisch stets ausgeglichen. In der zahlungsbilanzstatistischen Praxis werden die grenzüberschreitenden Vorgänge indes
nicht durch einen „gesamtwirtschaftlichen Buchhalter“ präzise erfasst und penibel im Soll und Haben
der Zahlungsbilanz verbucht. Vielmehr ist weder eine lückenlose Erfassung noch eine periodengerechte Zuordnung der Transaktionen im internationalen Leistungs- und Kapitalverkehr einer Volkswirtschaft in aller Regel möglich. So werden z.B. Exporte und Importe im Zeitpunkt des Grenzübertritts
der Güter erfasst, während die damit verbundenen Zahlungen erst dann in die Statistik eingehen, wenn
der betreffende Betrag von den Geschäftsbanken angewiesen wird bzw. bei diesen eingehen. Zudem
werden die relevanten Daten auch aus einer Vielzahl unterschiedlicher statistischer Quellen gewonnen,
so dass statistische Erfassungs- und technische Übermittlungsfehler nahezu zwangsläufig auftreten.
Und schließlich sorgen auch bestehende Meldefreigrenzen dafür, dass – mit Ausnahme der Devisenbilanz - in nahezu allen Teilbilanzen lückenhafte Angaben und entsprechende Ungenauigkeiten und
Abweichungen entstehen.
Eine vollständige und periodengerechte Erfassung sowie eine zeitgleiche und betragsgleiche Zuordnung der zahlungsbilanzwirksamen Transaktionen im leistungs- und Kapitalverkehr wird dabei vor
allem dadurch erschwert, dass mit dem Warenhandel oftmals Handelskredite verbunden sind. Die
Buchung der Warentransaktion und die Gegenbuchung des Zahlungsvorgangs fallen damit nicht nur
zeitlich auseinander und gegebenenfalls sogar in unterschiedliche Perioden, sie erfolgen – zumal wenn
Preisnachlässe und Rabatte gewährt werden – auch nicht mit dem gleichen Wertansatz. Außerdem
kommt es in einem System flexibler Wechselkurse auch häufig zu Änderungen in den Zahlungsgewohnheiten („terms of payments“), weil die Importeure im Falle einer erwarteten Abwertung der heimischen Währung gewährte Zahlungsziele verkürzen oder Vorauszahlungen leisten, um die Waren
billiger zu erhalten, während sie bei erwarteten Währungsabwertungen die ihnen gewährten Zahlungsziele ausnutzen und Zahlungen möglichst zeitlich hinausschieben, weil sie die Waren nach der Aufwertung günstiger beziehen können als bei sofortiger Bezahlung.
All dies führt dazu, dass in der Praxis der Zahlungsbilanzstatistik die Summe der in den Teilbilanzen
als Creditposten verbuchten Vorgänge n i c h t mit der Summe der als Debetposten ausgewiesenen
Vorgänge übereinstimmt. Um den rechnerischen Ausgleich gleichwohl zu gewährleisten, muss die
Zahlungsbilanz mithin in Höhe der Differenz um einen fiktiver Posten ergänzt werden, in dem sich
alle oben genannten „Lücken“ und „Ungenauigkeiten“ der anderen Teilbilanzen niederschlagen.
Da in den Teilbilanzen der Zahlungsbilanz alle Vorgänge, die aus der Sicht des Inlandes tatsächlich zu
Zahlungseingängen führen oder – wären sie mit Zahlungen verbunden – zu entsprechenden Zuflüssen
führen würden, auf der linken Seite als „Creditposten“ und - umgekehrt - alle Transaktionen mit dem
Ausland, die aus der Sicht des Inlandes tatsächlich zu Zahlungsausgängen führen oder – wären sie mit
Zahlungen verbunden – zu entsprechenden Abflüssen führen würden, als „Debetposten“ ausgewiesen
werden, deutet ein auf der linken Seite der Restbilanz gegengebuchter „Fehlbetrag“ darauf hin, dass in
der abgelaufenen Periode aus nicht erfassten Leistungs- und Kapitaltransaktionen per saldo Zahlungsausgänge erfolgten, während ein auf der rechten Seite der Restbilanz gegengebuchter „Fehlbetrag“ anzeigt, dass per Saldo nicht erfasste Zahlungseingänge zu verzeichnen waren.
12
Während die in der Leistungsbilanz verbuchten Vorgänge statistisch vergleichsweise zuverlässig ermittelt werden können, ist die Erfassung privater Kapitaltransaktionen mit dem Ausland mit größeren
Unsicherheiten behaftet und weist Lücken auf. Man geht deshalb üblicherweise davon aus, dass es
sich bei dem in der Restbilanz ausgewiesenen „ausgleichenden“ Posten überwiegend um nicht erfasste
Kapitaltransaktionen im Rahmen von gewährten und in Anspruch genommenen Zahlungszielen im
Zusammenhang mit Handelskrediten handelt. Die Restbilanz wird deshalb inhaltlich zumeist der Kapitalbilanz zugeordnet.
3. Leistungsbilanz und Kapitalbilanz i.w.S.
Die oben genannten sieben Teilbilanzen der Zahlungsbilanz werden vielfach zu nur z w e i Teibilanzen aggregiert: zur „Leistungsbilanz“ und zur „Kapitalbilanz im weiteren Sinne“. Dabei bilden die
Handelsbilanz, die Dienstleistungsbilanz, die Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen sowie
die Bilanz der laufenden Übertragungen zusammengenommen die „Leistungsbilanz“ während die
Kapitalbilanz, die Devisenbilanz sowie die Restbilanz zur „Kapitalbilanz im weiteren Sinne“ zusammengefasst werden.1 Diesem Vorgehen liegt die Überlegung zugrunde, dass es sich einerseits bei all
jenen grenzüberschreitenden Transaktionen, die in der Handelsbilanz, der Dienstleistungsbilanz, der
Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen oder in der Bilanz der laufenden Übertragungen erfasst werden, jeweils um Leistungen handelt, die d i r e k t das Einkommen oder den Verbrauch der
beteiligten Länder verändern, während es sich bei allen Transaktionen, die in der Kapitalbilanz, der
Devisenbilanz sowie in der Restbilanz ihren Niederschlag finden, jeweils um Transaktionen handelt,
bei denen sich grenzüberschreitende Finanzpositionen verändern.
Zwischen den beiden so gebildeten Teilbilanzen gibt es dann freilich einen inneren Zusammenhang.
Denn weil die Zahlungsbilanz dann nur aus diesen beiden Teilbilanzen besteht und überdies stets ausgeglichen ist, müssen die Salden der Leistungsbilanz und der Kapitalbilanz i.w.S. definitionsgemäß
einerseits übereinstimmen und sich andererseits im Vorzeichen unterscheiden. Ein „Überschuss“ der
Leistungsbilanz impliziert also ein betragsgleiches „Defizit“ der Kapitalbilanz i.w.S und umgekehrt.
Da außerdem alle Umschichtungen der Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland
buchungstechnisch lediglich zu Buchung und Gegenbuchung i n n e r h a l b der Kapitalbilanz i.w.S
führen und deren Saldo folglich unberührt lassen, können sich Salden in der Kapitalbilanz i.w.S letztlich nur im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Leistungstransaktionen ergeben. Ein Überschuss in der Leistungsbilanz geht deshalb zwangsläufig mit einem Nettozuwachs der Forderungen
oder eine Nettoabnahme der Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland einher, während ungekehrt ein
Defizit in der Leistungsbilanz mit einem Nettozuwachs an Verbindlichkeiten oder einer Nettoabnahme
an Forderungen verbunden ist. So gesehen lässt die Gliederung der Leistungsbilanz erkennen, durch
welche grenzüberschreitenden Leistungstransaktionen Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber
dem Ausland entstanden sind und die Kapitalbilanz i.w.S lässt deutlich werden, w e l c h e Forderungen und Verbindlichkeiten zu- oder abgenommen haben.
1
Eine derartige „Zweiteilung“ der Zahlungsbilanz lässt sich streng genommen allerdings nur rechtfertigen, wenn
zum einen die Bilanz der Vermögensübertragungen quantitativ vernachlässigbar ist und wenn es sich zum anderen bei der überwiegenden Mehrzahl der in der Restbilanz ausgewiesenen „ungeklärten“ Positionen um nicht erfasste Kapitalbewegungen handelt. Das eine wie das andere dürfte freilich in der Regel gegeben sein.
13
4. Erfassungs- und Bewertungsprobleme der Zahlungsbilanz
Den oben genannten, vielfältigen Anforderungen kann die Zahlungsbilanz freilich nur genügen, wenn
die zahlungsbilanzwirksamen Transaktionen einer Volkswirtschaft nicht nur vollständig und periodengerecht erfasst, sondern auch zutreffend bewertet werden. Das eine wie das andere ist allerdings in der
wirtschaftlichen Praxis mit erheblichen Problemen verbunden und dürfte deshalb kaum gegeben sein.
4.1 Erfassungsprobleme
Die vollständige, konsistente und periodengerechte Erfassung einer zahlungsbilanzwirksamen ökonomischen Transaktion zwischen Inländern und Ausländern setzt voraus, dass die zuständige Institution
– in Deutschland ist das die Deutsche Bundesbank – von eben dieser Transaktion Kenntnis erhält. Das
ist indes keineswegs immer der Fall. Vor allem im privaten Bereich dürften zahlreiche internationale
Transaktionen an der Deutschen Bundesbank quasi „vorbeilaufen“ und folglich nicht immer mit der
wünschenswerten Genauigkeit ermittelt werden. Hinzu kommt, dass durch die Vorgabe einer Meldefreigrenze von 12.500 € ohnehin nur solche Transaktionen in der Zahlungsbilanz ihren Niederschlag
finden, die diesen Wert übersteigen.
Eine vollständige und konsistente Erfassung der internationalen Transaktionen wird zudem auch dadurch nicht unerheblich erschwert, dass die für die Erstellung der Zahlungsbilanz benötigten Daten
eben nicht allein aus eigenen Erhebungen oder durch Aufbereitung interner Unterlagen der Deutschen
Bundesbank gewonnen werden können, sondern dass die in der Zahlungsbilanz ausgewiesenen Zahlen
auch auf empirischem Material aus anderen Quellen – insbesondere auf Angaben des Statistischen
Bundesamtes - beruhen. Und schließlich müssen die Daten zum internationalen Dienstleistungsverkehr ebenso wie die Zahlenangaben zum Erwerbs- und Vermögenseinkommen sowie zu dem langund kurzfristigen Zahlungsverkehr, denen allesamt die Statistik des Auslandszahlungsverkehrs zugrunde liegt, in nicht unerheblicher Größenordnung durch eigene Schätzungen ergänzt werden. Alles
in allem dürften deshalb die Transaktionsstatistiken der Zahlungsbilanz bestenfalls die Größenordnung der diesbezüglichen internationalen Transaktionen einer Volkswirtschaft wiedergeben.
4.2 Bewertungsprobleme
In der Zahlungsbilanzstatistik werden wirtschaftliche Transaktionen immer dann erfasst, wenn Waren, Dienst und Faktorleistungen sowie Vermögenstitel (Geld, Forderungen, Eigentums-rechte) von Inländern auf Ausländer oder von Ausländern auf Inländer übertragen werden. Diese Transaktionen
werden grundsätzlich zu laufenden Transaktionswerten („actual market prices“) ermittelt, d.h. sie
werden zu jenen Preisen (Güterpreise und Wertpapierkurse) und Wechselkursen bewertet zu denen die
Transaktionen abgewickelt werden.1 Als Transaktionszeitpunkt gilt dabei grundsätzlich der Zeitpunkt
der Eigentumsübertragung. Dieser wird bei Warentransaktionen beim Überschreiten der Zollgrenze
angenommen, während bei Zinszahlungen deren Fälligkeit für den Transaktionszeitpunkt maßgeblich
ist.
Statistische Probleme entstehen insbesondere bei der Bewertung des Außenhandels, weil bei Warenlieferungen ans Ausland und aus dem Ausland in aller Regel Transport- und Versicherungsleistungen
anfallen, die entweder vom Abnehmer oder vom Lieferanten oder auch von beiden getragen werden
müssen. Wird etwa eine Ware, die im Exportland einen Preis von 500 Geldeinheiten erzielt durch
Transport- und Versicherungsleistungen um 50 Geldeinheiten verteuert, so stellt sie bei Ankunft im
Importland einen Wert von 550 Geldeinheiten dar. Es ist deshalb v o r der Buchung in der Zahlungsbilanz zu klären, ob derartige Kosten dem Wert der Exporte und/oder dem der Importe zugerechnet
werden oder ob sie bei der Bewertung der Warenlieferungen gänzlich unberücksichtigt bleiben sollen.
1
Wertveränderungen von Auslandsaktiva und –passiva aufgrund von Wechselkursänderungen werden dagegen
nicht in der Zahlungsbilanz erfasst. Sie werden in den zeitpunktbezogenen außenwirtschaftlichen Bestandsstatistiken berücksichtigt, die in Ergänzung der Zahlungsbilanzstatistik regelmäßig von der Deutschen Bundesbank
sowie vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht werden.
14
International gebräuchlich sind zwei Bewertungsverfahren: Beim fob-Ansatz („free on board“) werden die Handelsgüter zu ihrem Wert an der Zollgrenze des exportierenden Landes bewertet, beim cifAnsatz („cost, insurande, freight“) zu ihrem Wert an der Zollgrenze des importierenden Landes. Bei
Anwendung des fob-Prinzips enthält der Warenwert folglich lediglich die Transport- und Versicherungsleistungen ab Werk bis zur Zollgrenze des exportierenden Landes, während beim cif-Ansatz
darüber hinaus zusätzlich auch die Transport- und Versicherungsleistungen bis zur Zollgrenze des
importierenden Landes im Warenwert berücksichtigt werden.
Die Wahl des Bewertungsverfahrens ist nicht ohne Bedeutung für die Höhe der Salden von Handelsund Dienstleitungsbilanz sowie für die internationale Kompatibilität dieser Salden. Am Beispiel einer Warenlieferung zwischen Deutschland und den USA sei dies erläutert.1 Ein deutscher Exporteur
möge Waren aus den USA beziehen, die unter Einschluss der Transport- und Versicherungskosten
bis zur Einschiffung im amerikanischen Exporthafen einen Wert von 100.000 € haben. Die Frachtund Versicherungsleistungen bis zur deutschen Zollgrenze werden von einem amerikanischen Unternehmen übernommen und belaufen sich auf 5.000 € Bei einer einheitlichen Bewertung gemäß
„fob“ erscheint in der Handelsbilanz der USA unter der Rubrik „Güterexporte“ ein Betrag von umgerechnet 100.000 € und in der Handelsbilanz Deutschlands unter der Rubrik „Güterimporte“ ebenfalls ein Betrag von 100.000 €. Gleichzeitig findet aus der Sicht der Bundesrepublik ein Dienstleistungsimport in Höhe von 5.000 € statt , der in der Dienstleistungsbilanz zu buchen ist. In der
Dienstleistungsbilanz der USA würde entsprechend ein Dienstleistungsexport in Höhe von 5.000
verbucht. Infolge der genannten Transaktionen werden also die deutsche Handelsbilanz um 100.000
€ und die deutsche Dienstleistungsbilanz um 5.000 € verschlechtert, während sich die entsprechenden Bilanzen der USA in Höhe der genannten Beträge verbesserten. Die Strukturen der deutschen
Handels- und Dienstleistungsbilanz stellen sich somit quasi als Spiegelbild der amerikanischen Handels- und Dienstleistungsbilanz dar.
Würden dagegen die Exporte in den USA weiterhin gemäß „fob“, die deutschen Importe dagegen
gemäß „cif“ verbucht, so stünde der Verbesserung der amerikanischen Handelsbilanz von 100.000 €
nun eine Verschlechterung der deutschen Handelsbilanz von 105.000 € gegenüber. Außerdem stünde der Verbesserung der amerikanischen Dienstleistungsbilanz von 5.000 € nun eine unverän-derte
Dienstleistungsbilanz in Deutschland gegenüber. Bei Anwendung dieser Methode enthalten folglich
nicht nur die Warenimporte Bestandteile, die eigentlich in der Dienstleistungsbilanz ihren Niederschlag finden müssten, es sind auch die Handels- und Dienstleistungsbilanzen der Handels-partner
nicht mehr kompatibel und mithin nicht mehr vergleichbar.
Obwohl nicht zuletzt aus Gründen einer internationalen Vergleichbarkeit der Strukturen von Handelsund Dienstleistungsbilanz gemeinhin eine fob-Bewertung als einheitliches Prinzip empfohlen wird2,
werden üblicherweise nur die Ausfuhren mit dem fob-Ansatz bewertet. Für die Bewertung der Einfuhren findet dagegen nicht selten das cif-Verfahren Anwendung, weil auf diese Weise für den gesamten Warenverkehr eines Landes ein einheitlicher Wertansatz – nämlich der an der eigenen Landesgrenze - zugrunde gelegt werden kann. Zudem entfällt bei dieser Methode auch die oftmals aufwendige Beschaffung von Informationen über die Transport- und Versicherungskosten zwischen den
Lieferländern und der eigenen Zollgrenze.
1
Das Beispiel findet sich bei G. Dieckheuer: Internationale Wirtschaftsbeziehungen, 2. Auflage, München 1991,
S. 5 f.
2
Auch die einheitliche Anwendung des fob-Prinzips ist freilich nicht ohne Tücken. Seine Anwendung kann
nämlich dazu führen, dass in der Zahlungsbilanz Transaktionen verbucht werden müssen, an denen nur Inländer
oder nur Ausländer beteiligt sind. Werden zum Beispiel bei einem Export in die USA die gesamten Transportund Versicherungskosten ab Werk vom ausländischen Importeur getragen, so dürfte eigentlich nur der Ab-WerkPreis in der Zahlungsbilanz als Exportwert ausgewiesen werden. Das fob-Prinzip verlangt indes die Ausweisung
des Exportwertes einschließlich der Berücksichtigung der Transport- und Versicherungskosten bis zur deutschen
Zollgrenze. Der Exportwert wird mithin überhöht ausgewiesen. Zur Korrektur werden deshalb in der deutschen
Zahlungsbilanz die Transport- und Versicherungskosten bis zur deutschen Zollgrenze als Dienstleistungsimport
aus den USA gebucht, obwohl diese Transaktion die deutsche Zahlungsbilanz gar nicht berühren dürfte, da an
ihr nur Ausländer – nämlich der amerikanische Importeur und das amerikanische Transportunternehmen – beteiligt sind.
15
5. Verbuchung und Saldenbildung
Die in der Zahlungsbilanz berücksichtigten Transaktionen zwischen Inländern und Ausländern sind
außerordentlich vielfältig. Sie können indes auf die folgenden fünf Grundtypen zurückgeführt werden:
Austausch von Leistungen gegen Leistungen (z.B. Tauschhandel),
Austausch von Leistungen gegen Forderungen,
Austausch von Forderungen gegen Forderungen (z.B. Umwandlung eines Bankguthabens im
Ausland in ausländische Wertpapiere),
Übertragung von Leistungen ohne unmittelbare ökonomische Gegenleistung,
Übertragung von Forderungen ohne unmittelbare ökonomische Gegenleistung.
Werden dann Güter- Dienst- und Faktorleistungen zum „Leistungsverkehr“ , laufende Übertragungen
und Vermögensübertragungen zu „Transferleistungen“ und Kapitalverkehr und Veränderungen der
Währungsreserven zu „Kapitelbewegungen“ subsumiert, dann ergeben sich für die oben genannten
fünf Grundtypen die folgenden Verbuchungen:
Zahl der Buchungen
LeistungsTransferKapitalVerkehr
leistungen bewegungen
Austausch von Leistungen gegen Leistungen
Austausch von Leistungen gegen Forderungen
Austausch von Forderungen gegen Forderungen
Übertragung von Leistungen ohne unmittelbare
ökonomische Gegenleistung
Übertragung von Forderungen ohne unmittelbare
Gegenleistung
zwei
eine
keine
keine
keine
keine
keine
eine
zwei
eine
eine
keine
keine
eine
eine
Da in den Zahlungsbilanzkonten alle Transaktionen, die aus der Sicht des Inlands tatsächlich zu Zahlungseingängen führen oder – wären Sie mit Zahlungen verbunden – zu Zahlungseingängen führen
würden auf der linken Seite als Creditposten und alle Vorgänge, die aus der Sicht des Inlands tatsächlich zu Zahlungsausgängen oder – wären sie mit Zahlungen verbunden – zu Zahlungsausgängen führen würden auf der rechten Seite als Debetposten verbucht werden, ergibt sich für die Zahlungsbilanz
aus der Sicht des Inlands der folgende Aufbau:
16
Besonderes Interesse verdienen hierbei die mit grenzüberschreitenden Transaktionen verbundenen
Zahlungsvorgänge. Erfolgt z.B. ein Warenexport von Deutschland in die USA und begleicht der amerikanische Importeur diese Rechnung aus seinem bei einer deutschen Bank gehaltenen Konto, so steht
dem Warenexport eine Abnahme der Verbindlichkeiten in gleicher Höhe gegenüber, da das Bankkonto
des amerikanischen Importeurs bei einer deutschen Bank aus der Sicht Deutschlands eine Verbindlichkeit gegenüber dem Ausland darstellt. Begleicht der amerikanische Importeur die Rechnung indes
in der Weise, dass er den Betrag auf ein Konto des deutschen Exporteurs bei einer amerikanischen
Bank überweist, so steht dem Warenexport eine Zunahme der Forderungen in gleicher Höhe gegenüber, da das Guthaben des deutschen Exporteurs bei einer amerikanischen Bank aus deutscher Sicht
Forderungen gegenüber dem Ausland darstellen. Im einen wie im anderen Fall erfolgt die Gegenbuchung zum Warenexport also in der Kapitalbilanz auf der rechten Seite als Kapitalexport.
Daran ändert sich auch dann nichts, wenn weder der deutsche Exporteur bei einer amerikanischen
Bank noch der amerikanische Importeur bei einer deutschen Bank ein Auslandskonto unterhalten.
Denn in solchen – für den internationalen Zahlungs- und Kreditverkehr typischen – Fällen werden die
Zahlungsvorgänge über das internationale Korrespondenzbankensystem abgewickelt. Geschäftsbanken
unterhalten nämlich bei Partnerbanken im Ausland so genannte Währungskonten in der jeweiligen
Fremdwährung. In dem genannten Fall würde deshalb entweder eine Gutschrift auf das Währungskonto der Korrespondenzbank des deutschen Exporteurs erfolgen - womit sich aus deutscher Sicht
eine Zunahme der Forderungen gegenüber dem Ausland ergäbe, oder es würde das Währungskonto
17
der Korrespondenzbank des amerikanischen Importeurs belastet – womit sich aus deutscher Sicht eine
Abnahme der Verbindlichkeit ergäbe.1
Anhand einiger ausgewählter Zahlungsbilanztransaktionen soll im Folgenden die Verbuchungspraxis
näher beleuchtet werden2:
Beispiel 1: Ein deutscher Exporteur liefert Waren in die USA und räumt dem Abnehmer ein Zahlungsziel ein. Der Warenverkauf in die USA stellt einen Warenexport dar und wird in der Handelsbilanz
gebucht; Die Gewährung von Handelskredite stellt einen Kapitalexport (Zunahme der Forderungen
gegenüber dem Ausland) dar und berührt daher die Kapitalbilanz.
Buchung: Handelsbilanz links – Kapitalbilanz rechts.
Beispiel 2: Ein deutsches Touristikunternehmen hat an eine amerikanische Hotelkette Rechnungen für
Übernachtungen einer deutschen Reisegruppe zu begleichen. Die Bezahlung wird von der deutschen
Hausbank des Touristikunternehmens abgewickelt – und zwar in der Weise, dass eine Korrespondenzbank in den USA, bei der sie ein Währungskonto in $ unterhält, von ihr beauftragt wird, zu Lasten ihres Girokontos den geschuldeten Betrag an die amerikanische Hotelkette zu überweisen.
Die Übernachtungen der Reisegruppe in den Hotels der amerikanischen Hotelkette stellen einen
Dienstleistungsimport dar und werden in der Dienstleistungsbilanz verbucht; Das Girokonto der deutschen Hausbank bei der amerikanischen Korrespondenzbank stellt aus deutscher Sicht eine Forderung
gegenüber dem Ausland dar. Mit der Überweisung aus diesem Konto wird also ein Kapitalexport getätigt bei dem die Forderungen gegenüber dem Ausland verringert werden.
Buchung: Dienstleistungsbilanz links – Kapitalbilanz rechts
Beispiel 3: Eine deutsche Unternehmung bezieht aus Aktienbesitz in den USA eine Dividende. Der Betrag wird von der amerikanischen Aktiengesellschaft auf ein Girokonto überwiesen, dass die deutsche
Unternehmung bei einer Bank in den USA unterhält. Die Dividende stellt den monetären Gegenwert
für eine unternehmerische Leistung (Risikoübernahme) dar und ist folglich in der Bilanz der Erwerbsund Vermögenseinkommen als erbrachte Faktorleistung zu verbuchen. Das Girokonto der deutschen
Unternehmung bei einer amerikanischen Bank stellt aus deutscher Sicht eine Forderung gegenüber
dem Ausland dar. Da auf dieses Konto eine Überweisung erfolgt, findet ein Kapitalexport in Form einer Zunahme der Forderungen gegenüber dem Ausland statt.
Buchtung: Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen links – Kapitalbilanz rechts
Beispiel 4: Der Bund entrichtet Finanzbeiträge an die EU . Die Bundesbank führt diese Zahlung
durch, indem sie den Betrag aus ihrem Devisenbestand überweist. Finanzbeiträge an die EU stellen
periodisch wiederkehrende Transferzahlungen dar und sind folglich in der Bilanz der laufenden Übertragungen als geleistete Übertragung zu verbuchen. Da die Zahlung aus den Währungsreserven der
Bundesbank erfolgt, nehmen diese ab.
Buchung: Bilanz der laufenden Übertragungen rechts – Devisenbilanz links
Beispiel 5: Der Bund erlässt einem in Zahlungsschwierigkeiten geratenen Entwicklungsland langfristige Schulden. Der Schuldenerlass stellt eine einmalige Vermögensübertragung dar und wird deshalb
in der Bilanz der Vermögensübertragungen als geleistete Vermögensübertragung verbucht. Da durch
den Schuldenerlass die Forderungen gegenüber dem Ausland abnehmen (=Kapitalimport), wird in der
Kapitalbilanz gegengebucht.
Buchung: Bilanz der Vermögensübertragungen rechts – Kapitalbilanz links
1
Alle betrachteten Fälle der Zahlungsabwicklung zeigen, dass durch internationale Finanztransaktionen der
Bestand an Zentralbankgeld – die so genannte Geldbasis – in den jeweiligen Ländern unverändert bleibt: Die
Inlandswährung bleibt jeweils im Inland und die Auslandswährung bleibt im Ausland.
2
Die genannten beispiele finden sich in H.-J. Jarchow / P. Rühmann: Monetäre Außenwirtschaft, Band I – Monetäre Außenwirtschaft, 5. Auflage, Göttingen 2000, S. 12ff.
18
Beispiel 6: Eine deutsche Unternehmung erwirbt durch Kauf von Aktien eine Beteiligung an einer Unternehmung in den USA. Die Bezahlung erfolgt in der Weise, dass sie den geschuldeten Betrag auf das
Währungskonto überweist, das die amerikanische Hausbank des amerikanischen Unternehmens bei
ei-ner deutschen Korrespondenzbank unterhält. Durch den Kauf von Aktien erwirbt das Unternehmen
eine Forderung (gegen das amerikanische Volksvermögen) gegen das Ausland; der Akteinerwerb
muss folglich als Kapitalexport in der Kapitalbilanz verbucht werden. Das Währungskonto bei der
deutschen Korrespondenzbank stellt aus deutscher Sicht eine Verbindlichkeit gegenüber dem Ausland
dar. Da die Überweisung auf dieses Konto erfolgt, nehmen folglich die Verbindlichkeiten gegenüber
dem Ausland zu (=Kapitalimport); die Gegenbuchung zu dem Erwerb von Aktien erfolgt folglich ebenfalls in der Kapitalbilanz.
Buchung: Kapitalbilanz rechts (Aktien) – Kapitalbilanz links (Überweisung)
Beispiel 7: Die Deutsche Bundesbank erwirbt von deutschen Geschäftsbanken täglich fällige Dollarforderungen an ausländische Banken (=Devisen). Die von deutschen Geschäftsbanken gehaltenen
Dollarforderungen an ausländische Banken stellen – da sie sich im Besitz von Geschäftsbanken befinden – keine Währungsreserven sondern Forderungen gegenüber dem Ausland dar. Diese nehmen
ab, wenn die Devisen an die Deutsche Bundesbank verkauft werden. In der Kapitalbilanz stellt dieser
Verkauf also eine Abnahme von Forderungen gegenüber dem Ausland (= Kapitalimport) dar. Da sich
durch diesen Ankauf von Devisen durch die deutsche Bundesbank der Bestand der offiziellen Währungsreserven erhöht, erfolgt die Gegenbuchung in der Devisenbilanz.1
Buchung: Kapitalbilanz links – Devisenbilanz rechts.
Saldenbildung: Während der rechnerische Ausgleich für die Zahlungsbilanz als ganzes – als Zusammenassung aller Teilbilanzen – durch die Anwendung des Prinzips der doppelten Buchführung stets
gewährleistet ist, dürften ihre Teilbilanzen praktisch niemals ausgeglichen sein. Deren Salden lassen
sich aus dem Kontensystem in der Weise herleiten, indem - in einem ersten Schritt - für jede Konto
zunächst auf der linken Seite die Credit-Positionen und auf der rechten Seite die Debet-Positionen für
sich addiert werden und anschließend – in einem zweiten Schritt – die Summe der so ermittelten Debet-Posten von der Summe der Credit-Posten abgezogen wird.
Unterstellt sei folgende Struktur etwa einer Teilbilanz der Zahlungsbilanz:
Teilbilanz
__________________________
100
250
50
120
360
80
510
450
Dann ergibt sich der Saldo durch Subtraktion der Summe der Debet-Posten (450) von der Summe der
Credit-Posten (510) als +60. Ergibt sich mithin bei der Saldierung ein Pluszeichen (Minuszeichen),
dann besteht offenbar ein Überschuss (Fehlbetrag) der Credit-Posten gegenüber den Debet-Posten.
Insofern zeigt bei einem auf diese Art ermittelten Saldo ein positives Vorzeichen (+)an, dass bei der
betreffenden Teilbilanz die Aktivseite „länger“ ist als die Passivseite, während – umgekehrt – ein negatives Vorzeichen des Saldos auf eine „längere“ Passivseite der betreffenden Teilbilanz hinweist.
Werden die Zahlungstransaktionen nicht in Kontenform sondern – wie bei den diesbezüglichen Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes und der Deutschen Bundesbank üblich - tabellarisch wiedergegeben oder werden nicht die einzelnen Positionen sondern lediglich die Salden der Teilbilanzen
ausgewiesen, dann lassen sich diese in Abhängigkeit des angegebenen Vorzeichens wie folgt interpretieren:
1
Man beachte, dass hier eine Transaktion stattfindet, an der nur Inländer beteiligt sind. Es dürfte also eigentlich
in der Zahlungsbilanz keine Verbuchung erfolgen. Die Durchbrechung dieses Prinzips ist hier indes gleichwohl
notwendig, weil der Deutschen Bundesbank als Hüterin der Währungsreserven für deren Veränderung ein eigenes Zahlungsbilanzkonto (Devisenbilanz) zugewiesen wird.
19
Vorzeichen des Saldos
Pluszeichen (+)
Minuszeichen (-)
Handelsbilanz:
Dienstleistungsbilanz
Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen:
Bilanz der laufenden Übertragungen:
Überschuss
Defizit
Überschuss
Defizit
Überschuss
Defizit
empfangene
geleistete
Nettotransfers
Nettotransfers
-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------Leistungsbilanz:
Überschuss
Defizit
-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------Bilanz der Vermögensübertragungen
empfangene
geleistete
Nettotransfers
Nettotransfers
Kapitalbilanz:
Nettokapitalimport
Nettokapitalexport
Devisenbilanz1:
Abnahme der
Zunahme der
Währungsreserven
Währungsreserven
Restbilanz2
„Nettokapitalimport“ „Nettokapitalexport
6. Das Zahlungsbilanzgleichgewicht
Da die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in offenen Volkswirtschaften in vielfältiger Weise durch
außenwirtschaftliche Vorgänge und Abläufe beeinflusst wird und die internationalen Transaktionen
zudem vielfach einen beachtlichen Teil der gesamtwirtschaftlichen Aktivität ausmachen, sind die Träger der Wirtschaftspolitik deshalb in der Regel nicht nur auf die Verfolgung und Einhaltung von binnenwirtschaftlichen Zielen verpflichtet sondern auch gehalten außenwirtschaftliche Ziele anzustreben.
In vielen Ländern gehört jedenfalls die Heerstellung eines sogenannten „außenwirtschaftlichen Gleichgewichts“ zu den kardinalen, herausragenden wirtschaftspolitischen Zielen.3
Wenn aber die Gesamtheit der über die nationalen Grenzen hinweg reichenden ökonomischen Transaktionen einer Volkswirtschaft in deren Zahlungsbilanz rechnerisch erfasst und geordnet ausgewiesen
werden, ist es im Grunde wenig verwunderlich, dass bei der Definition ebenso wie bei der Interpretation von außenwirtschaftlichen Gleichgewichts- und Ungleichgewichtszuständen zumeist auf Zahlungsbilanzkonzepte zurückgegriffen wird. In der wissenschaftlichen und politischen Diskussion werden deshalb die Begriffe „außenwirtschaftlichen Gleichgewicht“ und „Zahlungsbilanzgleichgewicht“
nicht selten als Synonyme verwendet und außenwirtschaftliche Ungleichgewichtskonstellationen dem
entsprechend als „Zahlungsbilanzungleichgewicht“ oder als „unausgeglichene Zahlungsbilanz“ bezeichnet bzw. – je nach Konstellation - mit den Begriffen „Zahlungsbilanzüberschuss“ oder „-defizit“
bzw. „aktive“ und „passive“ Zahlungsbilanz belegt.
1
Diese Vorgehensweise bei der Bildung des Saldos der Devisenbilanz entspricht zwar zwingend der Systematik
der Zahlungsbilanz, sie führt aber zu dem leicht missverständlichen Ergebnis, dass die Zunahme der Währungsreserven durch ein negatives Vorzeichen und ihre Abnahme durch ein positives Vorzeichen angezeigt werden. In
der Zahlungsbilanzstatistik der deutschen Bundesbank werden deshalb – abweichend von der international üblichen Vorgehensweise – Devisenzuflüsse mit einem positiven Vorzeichen und Devisenabflüsse mit einem negativen Vorzeichen versehen.
2
Diese Zuordnung und Interpretation des Restpostens ist zweifellos nicht unproblematisch, da sich dahinter
nicht nur Kapital- sondern auch Leistungstransaktionen verbergen können – also Vorgänge die in der Leistungsbilanz zu suchen wären. Wie bereits oben erwähnt ist es indes üblich, einen „positiven“ Restposten als einen
Kapitalimport und einen „negativen“ Restposten als Kapitalexport zu deuten.
3
So ergibt sich in der Bundesrepublik Deutschland für die Bundesregierung aus § 1 des Stabilitätsgesetzes die
Verpflichtung, neben den binnenwirtschaftlichen Zielen eines hohen Beschäftigungsstandes, eines stabilen
Preisniveaus sowie eines angemessenen und stetigen Wirtschaftswachstum auch ein „außenwirtschaftliches
Gleichgewicht“ anzustreben.
20
Dieses offenkundige Paradoxon ist freilich nur verständlich, wenn mit dem Vorliegen eines Ungleichgewichts in der Zahlungsbilanz nicht der buchhalterisch-statistische Ausgleich gemeint ist sondern eine Konstellation verstanden wird, bei der sich die in der Zahlungsbilanz statistisch ausgewiesenen aussenwirtschaftlichen Abläufe im Gleichgewicht befinden - also eine Konstellation gegeben ist, die von
sich aus keine Änderungstendenzen auslöst. Operationale Definitionen der Begriffe „Gleichgewicht“,
„Überschuss“ und „Defizit“ können sich folglich im Zusammenhang mit der Zahlungsbilanz nicht auf
die Gesamtbilanz sondern nur auf den Ausgleich bzw. Nicht-Ausgleich einer oder mehrerer ihrer Teilbilanzen bzw. auf den Saldo dieser Teilbilanzen beziehen. Auch lässt sich eine unmittelbare Antwort
auf die wirtschafts- und währungspolitisch besonders interessierende Frage nach der „Stärke“ oder“
Schwäche“ der Zahlungsbilanz eines Landes zumeist nicht anhand der Gesamtbilanz sondern allenfalls
durch einen Blick auf deren Struktur – also auf die Teilbilanzen und deren Salden – gewinnen.
Die Frage, welche Teilbilanzen oder welche Teilbilanzsalden für die Abgrenzung von Zahlungsbilanzgleichgewichten und -ungleichgewichten hier maßgeblich sind, wird freilich in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur ebenso kontrovers diskutiert wie die nach den geeigneten Indikatoren für die
Stärke oder Schwäche einer Zahlungsbilanz. Ähnlich vielfältig wie das Bemühen, den Begriff des
„außenwirtschaftlichen Gleichgewichts“ inhaltlich zu füllen sind jedenfalls auch die Versuche, die
Zahlungsbilanzkonstellation mittels einer Indikatorgröße operational zu beschreiben und zu bewerten.
Es ist deshalb wenig verwunderlich, dass es für die Auswahl der hier in Frage kommenden Teilbilanzen und Salden keine feste Regel gibt sondern dass die Wahl durch den jeweiligen definitorischen Ansatz vorgeprägt ist und mal die eine und mal die andere Abgrenzung herangezogen wird. Je nachdem,
was unter dem Begriff „außenwirtschaftliches Gleichgewicht“ jeweils verstanden wird, werden in der
wirtschaftswissenschaftlichen Fachliteratur dem entsprechend der Außenbeitrag, der Saldo der Leistungsbilanz oder der Saldo der Devisenbilanz als geeignete Indikatoren für die Bestimmung der Aussenwirtschaftsposition eines Landes angesehen.
Außenbeitrag. Der Außenbeitrag ergibt sich als die Summe der Salden von Handelsbilanz, Dienstleistungsbilanz und Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen. In ihm spiegelt sich also der
Austausch von „realen“ Leistungen, nämlich der von Gütern, Dienst- und Faktorleistungen einer
Volkswirtschaft mit dem Ausland. Der Verwendung dieser Größe als Indikator für die Zahlungsbilanzsituation einer Volkswirtschaft liegt mithin die Vorstellung zugrunde, dass sich die außenwirtschaftlichen Transaktionen dann im Gleichgewicht befinden, wenn sich die Ströme der dem Ausland
zur Verfügung gestellten und der vom Ausland empfangenen Ressourcen entsprechen. Ein negativer
Außenbeitrag würde diesem Ansatz zufolge darauf hinweisen, dass ein Land offenbar nicht in der
Lage ist, die Binnennachfrage mit eigenen Ressourcen zu befriedigen und – umgekehrt - müsste ein
positiver Außenbeitrag als ein Indiz dafür gewertet werden, dass die Volkswirtschaft dem Ausland
mehr eigene Ressourcen zur Verfügung stellt als sie Ressourcen des Auslands beansprucht, so dass
durch diesen „Entzug“ von Gütern die heimische Güterversorgung unmittelbar verschlechtert wird.
Saldo der Leistungsbilanz. Der Saldo der Leistungsbilanz ergibt sich als die Summe der Salden von
Handelsbilanz, Dienstleistungsbilanz, Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen sowie der Bilanz der laufenden Übertragungen. Diese Größe wird vor allem deshalb vielfach zur Bestimmung
und Beurteilung der Außenwirtschaftsposition eines Landes herangezogen, weil die Leistungsbilanz
den internationalen Austausch all jener grenzüberschreitenden Transaktionen spiegelt, von denen
man einen unmittelbaren Einfluss auf die Produktion, das Einkommen, den Verbrauch und die Ersparnis der beteiligten Länder erwartet.
Dahinter steht die Überlegung, dass die binnenwirtschaftliche Entwicklung einer Volkswirtschaft
negativ beeinflusst wird, wenn deren außenwirtschaftliche Transaktionen mit dauerhaften Überschüssen oder Defiziten in der Leistungsbilanz verbunden sind. Überschüsse in der Leistungsbilanz
sind nämlich definitionsgemäß mit einem Nettokapitalexport und Defizite in der Leistungsbilanz
sind zwangsläufig mit einem Nettokapitalimport verbunden. Anhaltende Überschüsse lassen ein
Land aber zunehmend in eine Nettogläubigerposition und anhaltende Defizite lassen es immer stärker in eine Nettoschuldnerposition geraten. Für das Defizitland sind deshalb früher oder später Fi-
21
nanzierungsengpässe zu erwarten, weil die Leistungsimporte ja letztlich immer in fremder Währung
beglichen werden müssen. Verfügt das Defizitland dann nicht über Währungsreserven oder sind diese bereits aufgebraucht, drohen spätestens dann, wenn der anfallende Zinsendienst nicht mehr geleistet werden kann, Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit. Bei anhaltenden Leistungsbilanzdefiziten sieht sich ein Land folglich früher oder später gezwungen, den internationalen Leistungsverkehr und mithin die internationale Arbeitsteilung einzuschränken mit der Folge, dass sich
seine Güterversorgung verschlechtert und mithin sein Wohlstand verringert.
Mit dem Aufbrechen der Probleme im Defizitland werden freilich auch die Probleme dauerhafter
Überschüsse im Überschussland sichtbar. Denn durch die Abwehrmaßnahmen der Defizitländer verschlechtert sich mit der Einschränkung der internationalen Arbeitsteilung ja auch die Güterversorgung in den Überschussländern. Zudem zeigt sich nun, dass durch die Überschüsse im Leistungsverkehr mit dem Ausland zwar im Überschussland Produktion und Beschäftigung gesteigert werden
konnten, dass sich aber dadurch der materiellen Wohlstand der Bürger nicht erhöht hat, weil im Umfang der Überschüsse Leistungen ohne Gegenleistung an das Ausland abgegeben und mithin quasi
„verschenkt“ wurden.
Weil eine langfristig ausgeglichene Leistungsbilanz somit als eine notwendige Voraussetzung zur
Aufrechterhaltung des Wohlstand schaffenden internationalen Leistungsverkehrs anzusehen ist, wird
in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur deshalb vielfach die Position vertreten, dass es bei der
Beurteilung der Außenwirtschaftsbeziehungen einer Volkswirtschaft vor allem auf Niveau, Struktur
und zeitliche Entwicklung des Leistungsverkehrs mit dem Ausland ankomme und dass sich vor allem im Saldo der Leistungsbilanz das Erreichen bzw. Nicht-Erreichen eines Gleichgewichtszustandes in den Außenwirtschaftsbeziehungen eines Landes zeige.
Saldo der Devisenbilanz. Der Saldo der Devisenbilanz spiegelt die Veränderung der offiziellen
Währungsreserven einer Volkswirtschaft. Der Verwendung dieses Konzepts liegt die Vorstellung
zugrunde, dass für die Entwicklung einer Volkswirtschaft nicht nur die grenzüberschreitenden „realen“ sondern zunehmend auch die „monetären“ Vorgänge eine Rolle spielen und dass deshalb bei
der Beurteilung der Außenwirtschaftsbeziehungen eines Landes dessen internationale Kapitaltransaktionen nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. Werden aber die Leistungs- und die Kapitaltransaktionen zusammengefasst, so stehen dieser Größe quasi „unter dem Strich“ die in der Devisenbilanz
ausgewiesene Veränderungen der Währungsreserven gegenüber. Die Trennlinie wird also bei diesem Konzept zwischen der Leistungs- und der Kapitalbilanz einerseits und der Devisenbilanz andererseits gezogen, wobei der Saldo der Devisenbilanz, der im Betrag der Summe der Salden aus Leistungs- und Kapitalbilanz entspricht, dann den „Saldo“ der Zahlungsbilanz kennzeichnet. Von einer
„aktiven“ Zahlungsbilanz bzw. einem Zahlungsbilanz“überschuss“ wird folglich dann gesprochen,
wenn die mit einem Gold- und Devisenzustrom verbundenen Transaktionen der zusammengefassten
Leistungs- und Kapitalbilanz größer sind als die mit einem Gold- und Devisenabfluss verbundenen
Transaktionen und sich mithin der Gold- und Devisenbestand der Währungsbehörden vergrößert.
Umgekehrt weist die Zahlungsbilanz hiernach ein „Defizit“ aus und die Zahlungsbilanz hat als
„passiv“ zu gelten, wenn der Saldo der zusammengefassten Leistungs- und Kapitalbilanz negativ
ausfällt und der Fehlbetrag durch eine entsprechende Verminderung des Bestandes an Währungsreserven kompensiert werden muss.
Obwohl in der wirtschaftspolitischen Praxis die Interpretation des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts als „Ausgleich der Leistungsbilanz“ weit verbreitet ist, wird in dem hier vorliegenden Text
dem letztgenannten, also dem am Saldo der Devisenbilanz orientierten Konzept das Wort geredet.
Denn ungeachtet der unterschiedlichen Definitionen und divergierenden Konzepte zur Abgrenzung
von Zahlungsbilanzkonstellationen ist festzuhalten, dass sich dauerhafte Ungleichgewichte in den
Außenwirtschaftsbeziehungen einer Volkswirtschaft stets früher oder später in einer Änderung der
Währungsreserven niederschlagen – nämlich entweder in ihrem Anwachsen durch Devisenzuflüsse
oder umgekehrt in ihrem Schrumpfen in Folge von Devisenabflüssen.
22
Wird zudem berücksichtigt, dass die weit überwiegende Mehrzahl der außenwirtschaftlichen Transaktionen einer Volkswirtschaft mit Zahlungsvorgängen verbunden sind, und hält man sich überdies bei
dem Begriff „Gleichgewicht“ an die Vorstellung zweier entgegen gerichteter, sich gleichsam die Waage haltender Einflüsse, so scheint es gerechtfertigt, von einem außenwirtschaftlichen Gleichgewicht
dann zu sprechen, wenn sich die Zahlungsströme vom Inland an das Ausland und die vom Ausland an
das Inland „die Waage halten“ – sich also einander entsprechen.
Auch in der außenwirtschaftstheoretischen Fachliteratur wird die Zahlungsbilanz- bzw. die „externe“
Konstellation einer Volkswirtschaft in der Regel im Hinblick auf die Devisenbilanz interpretiert. Als
Zahlungsbilanzgleichgewichte und -ungleichgewichte bzw. als externe Gleichgewichte und Ungleichgewichte werden hier jedenfalls Konstellationen auf dem Devisenmarkt bezeichnet, bei denen
beim bestehenden Wechselkurs (wo) Devisenangebot und Devisennachfrage übereinstimmen oder auseinander fallen. Ein Zahlungsbilanzüberschuss ist diesem Ansatz zufolge durch ein Überschussangebot an Devisen, ein Zahlungsbilanzdefizit durch eine Überschussnachfrage nach Devisen und ein
Gleichgewicht durch eine Konstellation auf dem Devisenmarkt bestimmt, bei der sich beim aktuellen
Wechselkurs Devisenangebot und Devisennachfrage gerade ausgleichen.
WDevise
WDevise
A
A
w1
wo
w2
N
Devisen-Menge
Zahlungsbilanz“überschuss“
„aktive“ Zahlungsbilanz
N
Devisen-Menge
Zahlungsbilanz“defizit“
„passive“ Zahlungsbilanz
23
Bei freier Konvertibilität der Währungen und ungehindertem Leistungs- und Kapitalverkehr kann sich
ein solcher Ausgleich freilich nicht nur „über den Markt“ einstellen sondern auch durch eine den binnenwirtschaftlichen Zielen zuwiderlaufende Anpassung insbesondere des Preisniveaus und der inländischen Beschäftigung sowie dadurch, dass die Wirtschaftspolitik etwas unternimmt, um den Ausgleich herbeizuführen. Es ist unmittelbar einsichtig, dass man weder im Falle der Verletzung binnenwirtschaftlicher Ziele, noch im Falle zahlungsbilanzinduzierter Interventionen in den Leistungs- und
Kapitalverkehr von einer gleichgewichtigen Entwicklung wird sprechen können. Es scheint deshalb
zweckmäßig, das „außenwirtschaftliche Gleichgewicht“ bzw. das „Zahlungsbilanzgleichgewicht“ zu
definieren als eine Konstellation, bei der die Zahlungsströme zwischen dem Inland und dem Ausland
übereinstimmen, o h n e dass hierzu wirtschaftspolitische Maßnahmen ergriffen oder wirtschaftspolitische Ziele verletzt werden.
In einem System f e s t e r Wechselkurse dürfte demzufolge der Saldo der Devisenbilanz der aussagefähigste Indikator der Außenwirtschaftsposition einer Volkswirtschaft sein. Stimmen nämlich die Zahlungsströme zwischen Inland und Ausland n i c h t überein, so gerät bei freier Konvertibilität der
Währungen und freiem Leistungs- und Kapitalverkehr der Wechselkurs der inländischen Währung je
nach Konstellation entweder in einen Aufwertungssog oder unter Abwertungsdruck. Soll dann der
festgesetzte Kurs gegen die Marktkräfte verteidigt werden, ohne dass zu diesem Zweck administrative
Eingriffe in den freien Leistungs- und Kapitalverkehr vorgenommen oder die Verletzung binnenwirtschaftlicher Ziele hingenommen werden, so m ü s s e n auf dem Devisenmarkt kompensatorische Interventionen durchgeführt werden. Diese Interventionen zeigen sich indes in einer Veränderung des
Bestands an Währungsreserven bzw. darin, dass die Devisenbilanz einen Saldo aufweist. Stimmen
umgekehrt die Zahlungsströme zwischen Inland und Ausland ohne entsprechende Interventionen überein, so bleibt der Bestand an Währungsreserven unverändert und die Devisenbilanz ausgeglichen. Beide Größen zeigen also wie ein Thermometer an, ob ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht gegeben
ist oder nicht.
Die Veränderung des Bestandes an Währungsreserven bzw. der Saldo der Devisenbilanz zeigen Ungleichgewichte im Außenwirtschaftsverkehr einer Volkswirtschaft allerdings nur an, wenn die Zahlungsströme zwischen dem Inland und dem Ausland nicht durch zahlungsbilanzinduzierte Eingriffe in
den leistungs- und Kapitalverkehr oder durch zahlungsbilanzinduzierte Verletzungen binnenwirtschaftlicher Ziele „verfälscht“ sind. Stimmen etwa die Zahlungsströme nur deshalb überein, weil administrative Eingriffe in den Leistungs- und Kapitalverkehr oder eine den binnenwirtschaftlichen Zielen zuwiderlaufende Entwicklung von Beschäftigung und Preisniveau dafür sorgen, so bleibt der Bestand an Währungsreserven unverändert und die Devisenbilanz ist ausgeglichen. Die Indikatoren der
Außenhandelsposition signalisieren also das Vorliegen eines Gleichgewichts obwohl dies nach obiger
Definition nicht gegeben wäre.
All diese Probleme ergeben sich in einem Regime f l e x i b l e r Wechselkurse indes grundsätzlich
nicht. Denn in diesem Fall bilden sich die Wechselkurse auf dem Devisenmarkt im freien Spiel von
Angebot und Nachfrage nach Devisen, so dass die Zahlungsströme zwischen dem Inland und dem
Ausland durch entsprechende Wechselkursbewegungen automatisch in Übereinstimung gebracht werden. In einem System flexibler Wechselkurse bedarf es folglich keines Indikators der die Außenwirtschaftsposition eines Landes anzeigt, weil in einem solchen System das außenwirtschaftliche
Gleichgewicht stets gegeben ist.
24
7. Zahlungsbilanz und Wirtschaftskreislauf
Die Zahlungsbilanz ist im Gesamtsystem des Volkswirtschaftlichen Rechnungswesens eine Nebenrechnung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR). Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass
sich die in der Zahlungsbilanz ausgewiesenen Positionen auch aus der ex post Analyse des Wirtschaftskreislaufs einer offenen Volkswirtschaft ableiten lassen. Insbesondere die Salden der Teilbilanzen der Zahlungsbilanz stehen in einem engen Zusammenhang zu den im Rahmen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ermittelten gesamtwirtschaftlichen Aggregaten und lassen sich mithin
makroökonomisch interpretieren.
Auf den im Rahmen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ermittelten Nationalen Aktivitätskonten werten bekanntlich im Nationalen Produktionskonto die Entstehung und Verteilung der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung, im Nationalen Einkommenskonto die Entstehung und Verwendung
des Volkseinkommens und im Nationalen Vermögensänderungskonto die Bildung und Anlage des
gesamtwirtschaftlichen Vermögens ausgewiesen.
Bezeichnen
BIP (NIP)
BNE (NNE)
C
Ib (In)
S
(Ex – Im)G+D
=
=
=
=
=
=
Y
=
YInl.
Yan Ausl.
Yvon Ausl.
ETRan Ausl.
ETRvon Ausl.
VTRan Ausl.
VTRvonAusl.
FSgeg.Ausl.
KapEx
KapIm
=
=
=
=
=
=
=
=
=
=
Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen (Nettoinlandsprodukt zu Marktpreisen)
Bruttonationaleinkommen (Nettonationaleinkommen)
gesamtwirtschaftlicher Konsum
gesamtwirtschaftliche Bruttoinvestition (Nettoinvestition)
gesamtwirtschaftliche Ersparnis
Exporterlöse abzüglich Importausgaben aus dem Waren- und Dienstleistungsverkehr mit dem Ausland
Leistungseinkommen/Leistungsentgelte (Löhne, Gehälter, Zinsen, Miete, Pachten, Gewinne und Dividenden)
im Inland erzielte Leistungseinkommen der Inländer
geleistete Leistungsentgelte ans Ausland
empfangene Leistungseinkommen vom Ausland
geleistete Einkommenstransfers ans Ausland
empfangene Transfereinkommen vom Ausland
geleistete Vermögenstransfers ans Ausland
empfangene Vermögenstransfers vom Ausland
gesamtwirtschaftlicher Finanzierungssaldo des Inlands gegenüber dem Ausland
Kapitalexport
Kapitalimport
dann weisen die in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ermittelten gesamtwirtschaftlichen Aktivitätskonten die folgenden Strukturen auf:
25
Zwischen den in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ermittelten gesamtwirtschaftlichen Aggregaten und den Salden der Teilbilanzen der Zahlungsbilanz lassen sich dann die folgenden Zusammenhänge aufzeigen:
Bruttoinlandsprodukt, Bruttonationaleinkommen und Außenbeitrag:
Das Bruttoinlandsprodukt ist der umfassendste Ausdruck der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung
im Inland aus. Es setzt sich gemäß dem Nationalen Produktionskonto wie folgt zusammen:
:
BIP = C + Ib + (Ex – Im)G+D
Werden mithin alle grenzüberschreitenden Transaktionen des Güter- und Dienstleistungsverkehrs vollständig erfasst und korrekt sowohl in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung als auch in der Zahlungsbilanz verbucht, dann muss der in der VGR im Nationalen Produktionskonto als „Export von Gütern und Diensten abzüglich Import von Gütern und Diensten“ ausgewiesene Posten – er wird auch als
„Außenbeitrag zum Bruttoinlandsprodukt“ (ABBIP) bezeichnet - mit der Summe der in der Zahlungsbilanz ausgewiesenen Salden von Handels- und Dienstleistungsbilanz übereinstimmen. Es gilt folglich:
+
=
Saldo der Handelsbilanz
Saldo der Dienstleistungsbilanz
---------------------------------------Außenbeitrag zum BIP
26
Im Gegensatz zum Bruttoinlandsprodukt stellt das Bruttonationaleinkommen (BNE) (früher: Bruttosozialprodukt) dagegen nicht die im Inland erstellte sondern die von Inländern erzeugte Bruttowertschöpfung an Gütern und Leistungen dar. Das Bruttonationaleinkommen unterscheidet sich vom Bruttoinlandsprodukt folglich durch den Saldo aus den ans Ausland geleisteten und den vom Ausland empfangenen Erwerbs- und Vermögenseinkommen.
BNE = BIP - Yan Ausl.
+
Yvon Ausl.
Da sich das Bruttoinlandsprodukt aus dem Nationalen Produktionskonto ergibt als
BIP = C + Ib + (Ex- Im)
G+D
gilt mithin
BNE = C + Ib + (Ex- Im)G+D + Yvon Ausl -
Yan Ausl.
Da die ans Ausland geleisteten ebenso wie die vom Ausland empfangenen Erwerbs- und Vermögenseinkommen im Rahmen der Zahlungsbilanzstatistik in der Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen verbucht werden, bildet die Salden des Warenhandels, der Dienstleistungen sowie der Erwerbs- und Vermögenseinkommen somit den Außenbeitrag zum Bruttonationaleinkommen (ABBNE).
+
+
=
Saldo der Handelsbilanz
Saldo der Dienstleistungsbilanz
Saldo der Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen
-------------------------------------------------------------------------Außenbeitrag zum BNE
Ersparnis, Investition und Leistungsbilanz:
Aus der Kreislauftheorie ist bekannt, dass Gesamtersparnis und Gesamtinvestition in einer geschlossenen Volkswirtschaft stets übereinstimmen müssen: der Ersparnis als dem nicht verbrauchten Teil des
Volkseinkommens entspricht die Investition als nicht verbrauchter Teil der Produktion. In einer offenen Volkswirtschaft ist dieser Zusammenhang indes nicht gegeben.
Aus dem Nationalen Einkommenskonto ergibt sich die gesamtwirtschaftliche Ersparnis als
S = YInl.
+ Yvon Ausl.
+ ETRvon Ausl
-
C
- ETRan Ausl
Andererseits ergibt sich aus dem Nationalen Produktionskonto die gesamtwirtschaftliche Nettoinvestition als
In
= YInl.
+ Yvon Ausl
- C -
(Ex – Im)G+D
Dann aber ist die Differenz zwischen gesamtwirtschaftlicher Ersparnis und gesamtwirtschaftlicher
Nettoinvestition bestimmt als
S - I = (Ex – Im)G+D + ( Yvon Ausl. - Yan Ausl ) + (ETRvon Ausl. - ETRan Ausl )
Da die ans Ausland geleisteten ebenso wie die vom Ausland empfangenen Einkommenstransfers im
Rahmen der Zahlungsbilanzstatistik in der Bilanz der laufenden Übertragungen verbucht werden, entspricht der Saldo der Leistungsbilanz der Differenz aus gesamtwirtschaftlicher Ersparnis und gesamtwirtschaftlicher Nettoinvestition.
27
Folglich gilt:
+
+
*
=
=
Saldo der Handelsbilanz
Saldo der Dienstleistungsbilanz
Saldo der Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen
Saldo der Bilanz der laufenden Übertragungen
-------------------------------------------------------------------------Saldo der Leistungsbilanz
S–I
Ein positiver Saldo in der Leistungsbilanz einer Volkswirtschaft weist also stets darauf hin, dass die
gesamtwirtschaftliche Ersparnis die gesamtwirtschaftlichen Investition übersteigt und – umgekehrt –
ist ein negativer Saldo der Leistungsbilanz ein Indikator dafür, dass die gesamtwirtschaftlichen Investitionen nicht durch die gesamtwirtschaftlichen Ersparnis gedeckt sind.
Vermögen, Finanzierungssaldo und Netto-Auslandsposition
Aus dem gesamtwirtschaftlichen Vermögensänderungskonto ist der gesamtwirtschaftliche Finanzierungssaldo bestimmt als:
FSInl../Ausl =
S - I + VTRvon Ausl. - VTRan Ausl
Der gesamtwirtschaftliche Finanzierungssaldo einer Volkswirtschaft ergibt sich also einerseits aus
dem Saldo aus Ersparnis und Investition und andererseits aus dem Saldo der vom Ausland empfangenen und den ans Ausland geleisteten Vermögensübertragungen. Zahlungsbilanzstatistisch ergibt er
sich mithin als Summe der Salden von Leistungsbilanz und Bilanz der Vermögensübertragungen:
+
+
*
=
+
=
Saldo der Handelsbilanz
Saldo der Dienstleistungsbilanz
Saldo der Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen
Saldo der Bilanz der laufenden Übertragungen
-------------------------------------------------------------------------Saldo der Leistungsbilanz
Saldo der Bilanz der Vermögensübertragungen
__________________________________________________
gesamtwirtschaftlicher Finanzierungssaldo
Ist der Saldo aus Leistungsbilanz und Bilanz der Vermögensübertragungen – zusammengenommen positiv, so hat dies per saldo eine Zunahme der Forderungen – also eine Verbesserung der NettoAuslandsposition gegenüber dem Ausland zur Folge. Im umgekehrten Fall hat dagegen die Zunahme
der Verbindlichkeiten überwogen, so dass sich die Netto-Auslandsposition gegenüber dem Ausland
verschlechtert hat.
Nun entspricht aber definitionsgemäß dem zusammengefassten Saldo von Leistungsbilanz und Bilanz
der Vermögensübertragungen ein gleich großer Saldo der Kapitalbilanz i.w.S . Dies ergibt sich daraus,
dass die Zahlungsbilanz als Ganzes stets ausgeglichen ist. Ein positiver Finanzierungssaldo wird demzufolge durch einen Netto-Kapitalexport – also durch einen Überschuss der Kapitalexporte i.w.S über
die Kapitalimporte i.w.S. – ausgeglichen. Umgekehrt steht einem negativen Finanzierungssaldo in
gleicher Höhe ein Netto-Kapitalimport – also ein Überschuss der Kapitalimporte i.w.S über die Kapitalexporte i.w.S. – gegenüber.
Aus
FSInl../Ausl
= (KapEx - KapIm)i.w.S
folgt dann:
S + VTRvon Ausl. + KapImi.w.S = I
+ VTRan Ausl + KapExi.w.S
Der ökonomische Gehalt dieser Gleichung ist unmittelbar einsichtig. Er besagt, dass stets jene Mittel,
die einer Volkswirtschaft durch eigene Spartätigkeit entstanden sowie durch Kapitalimport und erhaltene Vermögenstransfers vom Ausland zugeflossen sind, entweder zur Investition im Inland verwendet wurden oder durch Kapitalexport und Vermögenstransfers ans Ausland abgeflossen sein müssen.
28
Monetäre Basis, kreislaufwirksame Geldmenge und Devisenbilanz
Da die Zahlungsbilanz eines Landes in der jeweiligen Landeswährung geführt wird, müssen alle ökonomischen Transaktionen mit dem Ausland in der Zahlungsbilanzstatistik in inländischen Währungseinheiten ausgewiesen werden. Prinzipiell kann sich mithin sowohl eine durch An- oder Verkauf von
Devisen bewirkte Veränderung des Bestands als auch eine sich aus einer Veränderung der Wechselkurse ergebende Veränderung der Bewertung der Währungsreserven in der Devisenbilanz niederschlagen. Da in der Devisenbilanz indes nur transaktionsbedingte Veränderungen, nicht hingegen bewertungsbedingte Veränderungen der Währungsreserven der Notenbank erfasst werden, ergeben sich die
in der Devisenbilanz ausgewiesenen Veränderungen der Währungsreserven ausschließlich aus ihrem
An- und Verkauf durch die Notenbank.
Kauft die Notenbank etwa Devisen, die dem Inland durch den Export von Gütern, Dienst- und Faktorleistungen, durch empfangene Transfers aus dem Ausland oder durch Kapitalimporte zugeflossen sind,
so ist ihr Ankauf mit der Herausgabe von Zentralbankgeld verbunden. Mit dem Ankauf von Devisen
wird also dem Wirtschaftskreislauf im gleichen Umfang Zentralbankgeld zugeführt. Wird der Bestand
an Zentralbankgeld im Wirtschaftskreislauf als Monetäre Basis (= Geldbasis) bezeichnet, so steht der
mit einem Ankauf von Devisen verbundenen Zunahme von Währungsreserven bei der Notenbank ein
gleich großer Anstieg der Menge an Zentralbankgeld im Wirtschaftskreislauf – also der Monetären
Basis gegenüber. Werden umgekehrt von den Notenbank Devisen verkauft, die von der Wirtschaft für
den Import von Gütern, Dienst- und Faktorleistungen, für geleistete Transfers ans Ausland sowie für
den Kapitalexport benötigt werden, so ist ihr Verkauf mit der Hereinnahme von Zentralbankgeld verbunden. Mit dem Verkauf von Devisen wird dem Wirtschaftskreislauf folglich in gleichem Umfang
Zentralbankgeld entzogen, so dass die Monetäre Basis in gleichem Umfang sinkt wie der Bestand an
Währungsreserven bei der Notenbank abnimmt. Da der Saldo der Devisenbilanz die transaktionsbedingte Veränderung der Währungsreserven eines Landes angibt, besteht zwischen dem Saldo der Devisenbilanz und der Veränderung Monetären Basis (= Geldbasis) ein sehr enger Zusammenhang:
Veränderung der Währungsreserven = Saldo der Devisenbilanz = Veränderung der Monetären Basis
Änderungen der Monetären Basis schlagen sich freilich stets früher oder später in einer gleichgerichteten Änderung der kreislaufwirksamen Geldmenge nieder. Dies ergibt sich daraus, dass der Liquiditätsstatus der Geschäftsbanken von Änderungen der Monetären Basis nicht unberührt bleibt und die Geschäftsbanken ihre freien Liquiditätsreserven zumeist ganz oder teilweise zur Giralgeldschöpfung nutzen. Die Erhöhung (Verringerung) der Währungsreserven durch Ankauf (Verkauf) von Devisen seitens der Notenbank wird somit letztlich stets früher oder später in eine Erweiterung (Einschränkung)
des gesamtwirtschaftlichen Geldvolumens umgesetzt.
Literatur:
Ahrns, H.J.: Grundzüge der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, Regensburg
Jarchow, H.-J./Rühmann, P.: Monetäre Außenwirtschaft I: Monetäre Außenwirtschaftstheorie, Göttingen
Rose, K. / Sauernheimer, K.: Theorie der Außenwirtschaft, München
Konrad, A.: Zahlungsbilanztheorie und Zahlungsbilanzpolitik, München
Koch, E.: Internationale Wirtschaftsbeziehungen, München
Dieckheuer, G.: Inzternationale Wirtschaftsbeziehungen, München
Willms, M.: Zahlungsbilanz, Wechselkurs und Währungssysteme, in: Bender, D. (Hrsg.): Vahlens
Kompendium der Wirtschaftsheorie und Wirtschaftspolitik, Band 1, München
29
Übungsaufgaben
Aufgabe 1
Für ein Mitgliedsland der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion liegen die folgenden Informationen vor:
(1)
Ein inländisches Automobilunternehmen liefert Fahrzeuge ins Ausland im Wert von 10 Mio. €
auf Ziel.
(2) Ein inländischer Importeur bezieht Waren aus dem Ausland im Wert von 3 Mio. € auf Ziel.
(3) Gebietsansässige Nichtbanken erhalten aus dem Ausland Zinseinnahmen im Wert von 2 Mio. €,
die auf ihren Konten im Ausland gutgeschrieben werden.
(4) Wie in jedem Jahr leistet die Regierung an die Europäische Union Beiträge in Höhe von 50 Mio.
€. Sie werden auf einem Konto der EU bei einer Geschäftsbank im Inland gutgebracht.
(5) Ein Gebietsansässiger vererbt einem Gebietsfremden 1 Mio. € . Die Summe wird auf einem
Konto des Erben bei einer Geschäftsbank im Inland gutgeschrieben.
(6) Ein inländisches Unternehmen erwirbt im Ausland eine Beteiligung im Wert von 7 Mio. € . Der
Kaufpreis wird durch einen Abbau vom Bankguthaben im Ausland beglichen.
(7) Die inländische Notenbank erwirbt von einer gebietsansässigen Geschäftsbank Devisen im Wert
von 8 Mio. €. Der Kaufpreis wird auf dem Konto dieser Bank bei der Deutschen Bundesbank
gutgeschrieben.
(8) Ein Gebietsansässiger legt bei einer im Ausland ansässigen Bank 4 Mio. € an. Den Gegenwert
überweist er zugunsten eines Kontos der ausländischen Bank bei einer Geschäftsbank im Inland.
(9) Eine gebietsansässige Geschäftsbank gewährt einem Gebietsfremden einen Kredit in Höhe von
5 Mio. €. Der Gegenwert wird zugunsten eines Kontos des Gebietsfremden bei dieser Bank gutgeschrieben.
(10) Eine inländisches Reederei transportiert auf dem Seeweg Güter für ein ausländisches Unternehmen ins Ausland im Wert von 6 Mio. €. Der ausländische Geschäftspartner begleicht die Rechnung, indem er den Betrag auf das Konto der Reederei bei der ausländischen Geschäftsbank
überweist.
Erfassen Sie die Vorgänge auf den Teilbilanzen der Zahlungsbilanz. Folgen Sie dabei den von der
Deutschen Bundesbank gewählten Abgrenzungen.
30
Aufgabe 2
Die Kapitalbilanz einer Volkswirtschaft weist die folgenden Positionen auf:
-----------------------------------------------100
60
20
30
40
150
Ermitteln Sie den Saldo der Kapitalbilanz. Weist die Volkswirtschaft einen (Netto-)Kapitalexport oder
einen (Netto-)Kapitalimport aus?
Aufgabe 3
In der Zahlungsbilanz einer Volkswirtschaft werden für die Teilbilanzen die folgenden Salden ausgewiesen:
Handelsbilanz
+ 100
Dienstleistungsbilanz
- 50
Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen
- 20
Bilanz der laufenden Übertragungen
- 40
Bilanz der Vermögensübertragungen
+ 15
Kapitalbilanz
+ 60
Devisenbilanz
- 50
Restbilanz
- 15
o
Weist die Leistungsbilanz einen Überschuss oder ein Defizit aus? In welcher Höhe?
o
Weist die Volkswirtschaft einen Finanzierungsüberschuss oder ein Finanzierungsdefizit aus?
In welcher Höhe?
o
Ist die gesamtwirtschaftliche Ersparnis größer oder kleiner als die gesamtwirtschaftlichen Investitionen? Wie hoch ist die Differenz?
o
Wie hat sich die Nettoauslandsposition dieser Volkswirtschaft verändert?
o
Wie und um welchen Betrag haben sich die offiziellen Währungsreserven verändert?
o
Wie hoch sind der Außenbeitrag zum BIP und der Außenbeitrag zum BNE?
31
Lösungen:
Aufgabe 1
Transaktionen
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
(7)*
(8)
(9)
(10)
Creditposten
(„links“)
Handelsbilanz (10)
Kapitalbilanz (3)
Bilanz der Erwerbs- und Verm.Ek. (2)
Kapitalbilanz (50)
Kapitalbilanz (1)
Kapitalbilanz (7)
Kapitalbilanz (8)*
Kapitalbilanz (4)
Kapitalbilanz (5)
Dienstleistungsbilanz (6)
Debetposten
(„rechts“)
Kapitalbilanz (10)
Handelsbilanz (3)
Kapitalbilanz (2)
Bilanz d. lfd. Ubertragungen (50)
Bilanz d. Vermögensübertragungen (1)
Kapitalbilanz (7)
Devisenbilanz (8)*
Kapitalbilanz (4)
Kapitalbilanz (5)
Kapitalbilanz (6)
* Bei dieser Transaktion handelt es sich um einen atypischen Fall, da hier eine Transaktion zwischen Inländern stattfindet. Sie ist allein deshalb zahlungsbilanzrelevant, weil die Devisenbilanz aus der Zahlungsbilanz ausgegliedert ist.
Kauft die Notenbank nämlich Devisen von einer inländischen Geschäftsbank, so steht der Zunahme der Währungsreserven der Deutschen Bundesbank zugleich eine Abnahme der Forderungen der Geschäftsbank gegenüber dem Ausland gegenüber. Die Gegenbuchung muss folglich als Kapitalimport in der Kapitalbilanz erfolgen.
Aufgabe 2
Der Saldo der Kapitalbilanz errechnet sich wie folgt:
Kapitalbilanz
-----------------------------------------------100
60
20
30
40
150
_____
______
160
240
- 240
_____
- 80
Aufgrund des negativen Vorzeichens weist die Volkswirtschaft einen (Netto-)Kapitalexport in Höhe von 80 aus.
32
Aufgabe 3
Der Leistungsbilanzsaldo ergibt sich aus der Summe der Salden von Handelsbilanz, Dienstleistungsbilanz, Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen sowie der Bilanz der laufenden Übertragungen. Er errechnet sich
also aus: (+100) + (- 50) + (- 20) + (- 40) = -10
Der gesamtwirtschaftliche Finanzierungssaldo errechnet sich aus der Summe der Salden der Leistungsbilanz und
der Bilanz der Vermögenseinkommen. Er beträgt also: (-10) + (+15) = + 5 Die Volkswirtschaft weist mithin
gegenüber dem Ausland einen gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsüberschuss in Höhe von 5 Ge auf.
Die Differenz aus gesamtwirtschaftlicher Ersparnis und der gesamtwirtschaftlichen Investition entspricht dem
Saldo der Leistungsbilanz. Es gilt: S – I = Saldo der Leistungsbilanz. Da der Saldo der Leistungsbilanz negativ
ist, ist die gesamtwirtschaftliche Ersparnis folglich um 10 GE niedriger als die gesamtwirtschaftlichen Investitionen.
Die Veränderung der Nettoauslandsposition einer Volkswirtschaft ergibt sich aus dem Saldo der Forderungen
und Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland. Sie wird durch den Saldo der Kapitalbilanz i.w.S. registriert und
unterscheidet sich vom gesamtwirtschaftlichen Finanzierungssaldo allein durch das Vorzeichen. Die Veränderung der Nettoauslandsposition beträgt mithin –5 . Per Saldo haben mithin die Forderungen gegenüber dem Ausland zugenommen.
Die Veränderung der offiziellen Währungsreserven ergibt sich aus dem Saldo der Devisenbilanz. Ein negatives
Vorzeichen zeigt eine Zunahme, ein positives Vorzeichen eine Abnahme der Währungsreserven an. Wegen des
negativen Vorzeichens sind die Währungsreserven mithin um 50 gestiegen.
Der Außenbeitrag zum Bruttoinlandsprodukt ergibt sich aus der Summe der Salden von Handels- und Dienstleistungsbilanz, der Außenbeitrag zum Bruttobnationaleinkommen aus der Summe der Salden von Handels- und
Dienstleistungsbilanz sowie der Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen.
und ABBNE = (+ 100) + (- 50) + (- 20) = + 30
Folglich ist ABBIP = (+100) + (- 50) = + 50
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