Great Britain!

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SWR Vokalensemble Stuttgart
Konzertreihe Stuttgart 2013/2014
GREAT BRITAIN!
Fr 23. Mai 2014, 20 Uhr
Stuttgart, Christuskirche Gänsheide
Leitung: Marcus Creed
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GREAT BRITAIN!
Jonathan Harvey
*1939
John Tavener
*1944
THE ANGELS
SCHUON HYMNEN (2003)
for unaccompanied Chorus (1994)
Wakako Nakaso, Sopran
Bernhard Hartmann, Bass
Jonathan Harvey
*1939
HOW COULD THE SOUL NOT TAKE FLIGHT
Peter Maxwell Davies
für Doppelchor (1996)
CORPUS CHRISTI WITH CAT AND MOUSE
Eva-Maria Schappé/Kirsten Drope/Johanna Zimmer, Sopran
Alexander Yudenkov/Hubert Meyer, Tenor
Torsten Müller, Bass
James MacMillan
*1934
für gemischten Chor a cappella (1993)
Johanna Zimmer, Sopran
Judith Hilger, Alt
Julius Pfeifer, Tenor
Philip Niederberger, Bass
*1959
ALLELUJA
für dreizehnstimmigen Chor a cappella (2013)
– PAUSE –
SWR Vokalensemble Stuttgart
Dirigent: Marcus Creed
Sendung im SWR2 Abendkonzert
am Freitag, 11. Juli 2014 um 20.03 in dolby digital 5.1
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3
Neue geistliche Chormusik aus Großbritannien
Wenn Italien das Land der Oper ist, dann ist Großbritannien das Land des Chorgesangs.
nist hat darauf verzichtet, Chorwerke zu schreiben. Thomas Tallis und William Byrd sind
Sicher mögen solche einseitigen Zuschreibungen etwas Klischeehaftes haben, aber sie
hier für das 16. Jahrhundert zu nennen, John Blow und Henry Purcell für das 17., William
fallen nicht vom Himmel, sondern gründen in identifizier- und beschreibbaren histori-
Boyce und Samuel Arnold für das 18.. Auch britische »Importe« aus Deutschland ließen
schen Verhältnissen und Entwicklungen. Für England wäre da zum einen die jahrhun-
sich durch die Landestradition inspirieren. Händels englische Oratorien haben in der
dertealte Tradition mehr oder weniger professionellen chorischen Singens geltend zu
Regel einen beträchtlichen Choranteil, Haydns späte Oratorien sind ohne seine Londoner
machen, wie sie sich z.B. institutionell in den Chören der Colleges manifestiert. Der
Erfahrungen undenkbar, und Mendelssohn brachte seinen »Elias« in England zur Urauf-
berühmte King’s College Choir in Cambridge etwa kann auf eine ununterbrochene Tradi­
führung.
tion von 562 Jahren zurückblicken. Was die im engeren Sinn geistliche Musik betrifft, so
Im 19. und 20. Jahrhundert büßte der Strom der Chorkomposition nichts an Kraft und
wirkte sich – zum anderen – die kirchenpolitische Entwicklung begünstigend aus. Nach
der Lösung der englischen Kirche von Rom im 16. Jahrhundert und der Säkularisierung
der Abteien und Klöster wurden dort zahlreiche Kathedralchöre gegründet, die das
Offizium an Stelle der klösterlichen Gemeinschaften übernahmen.
Lebendigkeit ein – erwähnt seien die Namen Elgar, Parry, Stanford, Vaughan Williams
und Britten. Die Schöpfer der am heutigen Abend aufgeführten Werke konnten daran
nahtlos anknüpfen. Indes ist die Formel »Englische Chormusik« heute weniger denn je
geeignet, die obwaltende Vielfalt an Stilen und Ausdrucksmitteln auf einen Begriff zu
Aus dieser Konstellation ist auch die nach wie vor kasualistische, in der Regel an gottes-
bringen. Zumal sich auch der einheitliche geistig-spirituelle Hintergrund – die Liturgie
dienstlichen Zwecken orientierte Entstehungsweise geistlicher Chormusik auf der Insel
der anglikanischen Hochkirche – weitgehend aufgelöst hat. Jonathan Harvey etwa zielt
zu verstehen. Zwischen den Komponisten und den Ausführenden bestanden seit jeher
auf das Projekt Weltreligion, John Tavener orientiert sich an der Privatmetaphysik des
enge arbeitspraktische Beziehungen. Und die großartige Routine britischer Komponis-
Religionsphilosophen Frithjof Schuon. Gibt es da noch substantiell verbindende Brü-
ten in der Handhabung der spezifischen Belange des Chorklangs ist auch darauf zurück-
cken? Wie auch immer, man wird auch in der »englischen Chormusik« mit dem zu rech-
zuführen, dass die meisten von ihnen in ihrer Jugend selbst Sänger in einer der zahlrei-
nen haben, was allenthalben unsere spätmoderne Lebenswelt prägt: mit Pluralismus
chen einschlägigen Vereinigungen waren. Daraus erklärt sich auch der nicht-esoterische,
und Diversität.
verbindliche, publikumszugewandte Zug eines großen Teils dieser Musik.
Markus Schwering
Schließlich spricht für die gesellschaftliche wie künstlerische Relevanz gerade der ang­
likanischen Chortradition, dass sie musikalische Gattungen zeitigte, die es in keinem
anderen Land gibt – das Anthem zum Beispiel. Und kein maßgeblicher britischer Kompo4
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Jonathan Harvey
The Angels
How could the soul
not take flight
Die am heutigen Abend gesungenen Werke gehören selbstredend nicht dazu, obwohl
auch The Angels für den gottesdienstlichen Gebrauch geschrieben wurde, genauer: für
den traditionellen Heiligabend-Gottesdienst des Jahres 1994 in der Kapelle des King’s
College Cambridge. Interpret der Uraufführung war der berühmte Chor des College unter Stephen Cleobury. Der Text der kurzen Engelshymne – von der Existenz dieser Wesen
und ihrer Einwirkung auf das alltägliche menschliche Leben war Harvey übrigens überzeugt – stammt von John Vernon Taylor, dem anglikanischen Bischof von Winchester, mit
dem er mehrfach zusammengearbeitet hatte (so auch bei seiner Kirchenoper Passion
and Resurrection). Der Chor ist in zwei jeweils vierstimmige Gruppen geteilt: Die zweite
Gruppe summt lediglich im pianissimo clusterartige Wechselakkorde, die einen dissonanten, aber doch mystisch-ruhigen Untergrund für den gesungenen Part des ersten
Chores bilden. Dieser Klanggrund musikalisiert die »ewige« Engelssphäre, auf die der
»in der Zeit« artikulierte Text sich beschreibend bezieht. Der erste Chor ist bis auf wenige
Ausnahmen zweistimmig angelegt, die melodischen Phrasen erklingen entweder im
»Was ist das Ziel von Musik? Es besteht aus meiner Sicht darin, die Natur des Leidens zu
enthüllen – und es zu heilen. Die eine große Frage der Existenz.« Diese Äußerung Jona-
Kanon oder – am Beginn der zweiten Strophe – unisono und schrauben sich in chromatischen Aufwärtsbewegungen gleichsam in den Himmel, dem Göttlichen entgegen.
than Harveys bürdet der Musik nicht weniger auf als die Lösung des alten Theodizee-
How could the soul not take flight, vom Nationalen Jugendchor Großbritanniens in Auf-
Problems – die Rechtfertigung Gottes angesichts des Übels in der Welt. Tatsächlich ist
trag gegeben und von diesem im Juli 1996 auf die Fidschi-Insel Suva uraufgeführt, spie-
die Kunst Harveys, der im Dezember 2012 73-jährig verstarb, ohne diese Dimension,
gelt hingegen Harveys weltreligiöse Orientierung wider. Das Werk basiert auf einem
ohne den Anspruch, sich zum Absoluten hin zu öffnen und dank dieser mystischen Lich-
(ins Englische übersetzten) Text des Mystikers Dschalal ad-Din ar-Rumi, der das Streben
tung die Rätsel des Daseins zu lösen, kaum angemessen zu verstehen. Er regiert auch
aller Kreatur nach der Wiedervereinigung mit Gott zum Gegenstand hat. Rumi war einer
ihre konkrete Klanglichkeit. Sogar Harveys beharrliche Befassung mit elektronischer und
der bedeutendsten persischsprachigen Dichter des Mittelalters. Erfüllt von der Vor­
digitaler Klangerzeugung steht im Dienst eines mystischen Kernanliegens: der
stellung, dass das seinerzeit – 1996 – bevorstehende 21. Jahrhundert ein Säkulum
Aufsprengung der üblichen Raum- und Zeiterfahrung, der Erschließung neuer Erlebnis-
weltrettender Religiosität sein müsse, bezeichnete Harvey sein Werk ausdrücklich als
räume an den Grenzen des Bewusstseins. Die Verschmelzung des scheinbar Gegensätz-
Hommage an ihn.
lichen – extrem rationaler Verfahren der Musikherstellung bei ihrer gleichzeitigen In-
Im Vergleich zu den streng reglementierten Angels zeichnet das ebenfalls doppelchörige
dienstnahme für eine zutiefst spirituelle Botschaft – rückt Harvey übrigens an die Seite
How could the soul eine überbordende, auf Anhieb fast chaotische Buntheit und Vielheit
Karlheinz Stockhausens, von dem der Brite in der Tat frühzeitig beeinflusst wurde und
an Formen, Figuren und Klangkombinationen aus. Am Anfang, bevor noch ein Ton er-
über den er ein Buch schrieb. Mit einer buddhistisch geprägten, dabei aber undogmati-
klingt, etabliert sich ein Geräuschfeld aus gewisperten Explosiv- und Zisch- sowie geflö-
schen Religiosität war Harvey offen auch für christlich-jüdische, islamische und andere
teten Vogellauten, die an Harveys frühen Gewährsmann Messiaen erinnern. Sie sind
Einflüsse – zumal die Weltreligionen in ihrem normativen Kern, seiner Auffassung nach,
assoziativ verknüpft mit der ersten Textzeile, die – ein uraltes poetisches Bild, das in den
letztlich in einer identischen Idee, einem Weltethos münden.
letzten Zeilen erneut aufgegriffen wird – die geflügelte Seele beschwört. Aus dämmer-
Harveys anhaltendes Interesse an unbegleiteter Chormusik wurde bereits in Jugend­
hafter Tiefe entwächst diesem Feld eine im engeren Sinn musikalische Bewegung, die in
jahren begründet, da er Chorsänger am St. Michael‘s College in Tenbury (Worcestershire)
der Melodie des zweiten Soprans zu »not take flight« erstmals zu profilierter Gestalt
war. So finden sich in seinem Oeuvre neben den großen elektronischen und Orchester-
findet. Diese Phrase ist übrigens ein Ausschnitt aus der durch übermäßige Sekundschrit-
werken zahlreiche einschlägige Arbeiten – bis hin zu vergleichsweise bescheidenen
te charakterisierten arabischen Tonleiter und somit eine markante Anspielung auf die
Kompositionen für die anglikanische Liturgie.
Herkunft des Textautors. Auch im Fortgang werden die in sich sehr heterogenen Gesangsebenen immer wieder durch – rhythmisch unabhängige – Ebenen des gesproche-
6
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nen Wortes und des Geräuschs überlagert, durchkreuzt und konterkariert. Harvey
scheint – als ein Mahler des zu Ende gehenden 20. Jahrhunderts – eine ganze Welt Klang
werden lassen zu wollen. Wobei »Klang« eben nicht mehr ausschließlich »Ton« bedeutet.
Maßgeblicher Bezugspunkt ist indes Rumis Text, der Harvey stets aufs Neue zu auf­
regenden Effekten inspiriert – so etwa, wenn sich zum »sound of water« Tonfolgen in
den nicht-textführenden Stimmen zu abwärts führenden Glissandi verflüssigen.
Indes hat Harvey den fantastischen Reichtum seines Werkes durch konstruktive Gegenhalte gebändigt. Letztlich ist das Ganze in einer freien Strophenform angelegt, wobei die
wiederholte rhetorische Frage »How could…« jeweils den Einsatz einer neuen Strophe
signalisiert. Jedes Mal steigt dann das Geschehen wie am Anfang aus dem tiefen F des
zweiten Basses auf. Wie überhaupt dieses F sozusagen die Matrix der Komposition ist,
zu der sie am Ende zurückkehrt – dann aber im Unisono-Fortissimo sämtlicher Stimmen
und von Gongschlägen triumphal unterfüttert. Die Seele hat den Käfig des Körpers und
überhaupt des Irdischen endlich verlassen, und das feiert Harvey auf seine Weise.
Markus Schwering
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The Angels
Die Engel
Should you hear them singing among stars
Solltet ihr sie singen hören zwischen Sternen
or whispering secrets of a wiser world,
oder flüstern Geheimnisse einer weiseren Welt,
do not imagine ardent, fledgeling children;
stellt euch keine begeisterten kleinen Kinder vor;
they are intelligences old as sunrise
sie sind Intelligenzen, so alt wie der Aufgang der Sonne,
that never learnt right from left, before from after,
die niemals lernen mussten, rechts von links, davor von danach zu unterscheiden,
knowing but one direction, into God,
die nur eine Richtung kennen, hin zu Gott,
but one duration, now.
und eine Dauer, jetzt.
Their melody strides not from bar to bar,
Ihre Melodie schreitet nicht zwischen Schranken,
but, like a painting, hangs there entire,
aber, wie ein Gemälde, hängt da im Ganzen
one chord of limitless communication.
ein Akkord grenzenlosen Austauschs.
You have heard it in the rhythms of the hills,
Ihr habt es gehört in den Rhythmen der Hügel,
the spiralling turn of a dance, the fall of words,
in der ansteigenden Drehung eines Tanzes, im Fallen von Worten,
the touch of fingers at the rare, right moment,
in der Berührung durch Finger im seltenen, richtigen Augenblick,
and these were holy, holy.
und das war heilig, heilig.
John V. Taylor
Übersetzung: Birgit Huber-Klein
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How could the soul not take flight
Wie könnte die Seele nicht entfliehen
How could the soul not take flight
Wie könnte die Seele nicht entfliehen,
When from the glorious presence
wenn von der Göttlichen Gegenwart
A soft call flows sweet as honey, comes right up to her
ein sanfter Ruf ausströmt, süß wie Honig, zu ihr aufsteigt
And whispers, ‘Rise up now, come away’.
und flüstert »erhebe dich jetzt, komm«.
How could the fish not jump
Wie könnte der Fisch nicht unmittelbar
Immediately from dry land into water
vom trockenen Land ins Wasser schnellen,
When the sound of water from the ocean
wenn der Klang des Wassers des Ozeans,
Of fresh waves springs to his ear?
der frischen Wellen an sein Ohr springt?
How could the hawk not fly away
Wie könnte der Falke nicht fortfliegen,
Forgetful of all hunting to the wrist of the king
alles Jagen vergessend, zum Arm des Königs,
As soon as he hears the drum
sobald er die Trommel hört,
The king’s baton hits again and again,
die des Königs Stab wieder und wieder schlägt,
Drumming out the signal of return?
trommelnd das Signal zur Heimkehr?
How could the Sufi not start to dance,
Wie könnte der Sufi nicht zu tanzen beginnen,
Turning on himself, like the atom, in the sun of eternity,
sich um sich selbst drehend, wie das Atom, in der Sonne der Ewigkeit,
So he can leap free of this dying world?
um frei zu werden von der sterblichen Welt?
Fly away, fly away bird to your native home,
Fliege, fliege fort, Vogel, zu deiner Geburtsstätte,
You have leapt free of the cage
du bist aus dem Käfig befreit.
Your wings are flung back in the wind of God.
Deine Flügel sind zurückgeschwungen zum Atem Gottes.
Leave behind the stagnant and marshy waters,
Lass die unbewegten und sumpfigen Wasser hinter dir,
Hurry, hurry, hurry, bird, to the source of life!
Eile, eile, eile, Vogel, zu der Quelle des Lebens!
Dschalal ad-Din ar-Rumi
Übersetzung: Birgit Huber-Klein
Translated by Andrew Harvey
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James MacMillan
Alleluia
Anlässlich einer Komposition zu Ehren von Helmuth Rilling lag es nahe, sie auf die Musik
Johann Sebastian Bachs zu beziehen. Genau das geschieht im Alleluia, einem äußerst
klangvollen Stück in einem sehr freien a-Moll für in beweglichen Konstellationen
13-stimmig aufgeteilten a-cappella-Chor, zu dem MacMillan selbst folgende Erläuterung gegeben hat: »Dieses Werk für großen Chor basiert auf Anspielungen auf einige
Bach-Zitate. Es beginnt mit einigen akkordischen Fortschreitungen, die still gesummt
werden. Die Harmonien sind »verschmiert«, auf dass eine impressionistische Unschärfe
entsteht. Schließlich erscheint in den Bässen das Wort »Alleluia«, bevor sich die Musik
zum zentralen Mittelteil hin beruhigt. Dort ist ein berühmter Bach-Choral einem dekorativen und imitativen Kontrapunkt unterlegt. Nach und nach greift eine mehr deklamatorische Behandlung des Wortes Platz, die zu einer homophonen Klimax führt. Sie öffnet
den Weg für rasches, virtuoses Passagenwerk. Dann kehrt die Summ-Musik des Anfangs
wieder, und das Stück endet heiter und friedlich.«
Der Bach-Choral, von dem MacMillan spricht – er erscheint bei ihm nach Art der »klassi-
Das Alleluia von James MacMillan ist das jüngste Werk auf dem Programm des heutigen
schen« Choralbearbeitung als cantus firmus in verlängerten Notenwerten abwechselnd
Abends. Es entstand im vergangenen Jahr im Auftrag des Oregon Bach Festivals zur Feier
in Sopran I und II – ist jene Melodie, die beim Thomaskantor selbst in unterschiedlichsten
des 80. Geburtstages von dessen scheidendem Leiter Helmuth Rilling. Auch die Urauf-
Zusammenhängen auftaucht. »O Haupt voll Blut und Wunden« aus der Matthäus­
führung erfolgte im Kontext des Bach-Festivals – am 6. Juli 2013 in der Silva Concert Hall
passion ist sicher der bekannteste Text, aber die Semantik des Wortes »Alleluia« und die
in Eugene durch den Berwick Chorus unter der Leitung von Rillings designiertem Nach-
dazu passende Beschwingtheit von MacMillans Musik legen nahe, dass er seine Kompo-
folger Matthew Halls.
sition gerade nicht im Kontext von Karfreitag, sondern eher in dem von Ostern situiert
Der 1959 im schottischen Kilwinning geborene MacMillan zählt zu den prominentesten
Schöpfern zeitgenössischer geistlicher und auch im engeren Sinn gottesdienstbezogener Musik in Großbritannien. Er gehört dem Orden der Dominikaner an, ist also katho­
lischer Konfession. Der Musiker, der von 2000 bis 2009 auch Dirigent des BBC Philharmonic und von 2010 bis zur Abwicklung des Orchesters in 2013 ständiger Gastdirigent der
niederländischen Radio-Kammerphilharmonie war, hat unter anderem ein Magnificat,
eine Johannespassion und mehrere Messen komponiert. Zu seinen meistaufgeführten
Werken zählt das Perkussionskonzert Veni, veni, Emmanuel von 1992.
MacMillan verbindet tonale und atonale Elemente zu einer polystilistischen Schreibwei-
wissen wollte. Indes mag man gerade in diesem Spannungsverhältnis so etwas wie das
geistige Zentrum der Komposition erblicken. Irritierend an dem mittleren Abschnitt, in
dem die in sich kreisenden Figuren des Summ-Beginns zu den Kontrapunkten der nicht
am Choral beteiligten Stimmen mutieren, ist aber noch etwas anderes: Weil das Wort
»Alleluia« nicht zweimal in die erste Choralzeile passt, muss die Phrasierung insgesamt
verändert werden: Die Schlusssilbe »-ia« erklingt jetzt auf den ersten Schlag der zweiten
Choralzeile, Text und Melodie befinden sich in grotesker Inkongruenz. Außerdem führt
dieses Verfahren dazu, dass »Alleluia« mal auf- und mal abtaktig platziert wird und somit in der Rhythmisierung ganz unterschiedlich in Erscheinung tritt.
Markus Schwering
se, die sich durch unmittelbar wirkenden Klangreiz und zündenden rhythmischen Appeal auszeichnet. Als Quelle seines Idioms ist neben der schottischen Folklore vor allem
die Jahrhunderte alte Tradition katholischer wie protestantischer Kirchenmusik zu nennen, in der MacMillan sich hervorragend auskennt. Das gilt für einzelne Gattungen wie
Choral und Hymne genauso wie für bestimmte Kompositionsverfahren, darunter Tropierung und Choralbearbeitung.
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John Tavener
Schuon Hymnen
sche Periode, bevor er dann 1977 aus einem tiefen Ungenügen an der spirituellen Praxis
der westlichen Kirchen zur russisch-orthodoxen Kirche konvertierte – ein Ereignis, mit
der auch eine elementare Schaffenskrise ein Ende fand. Das war nicht die Endstation:
2004 wurde bekannt, dass Tavener die orthodoxe Kirche verlassen hatte – obwohl er seine konfessionelle Position noch 2010 als »im wesentlichen orthodox« beschrieb. Maßgeblich dafür war die Lektüre von Büchern des Schweizer Orientalisten und Religionsphilosophen Frithjof Schuon (1907 bis 1998) gewesen, die ihn auch zum verstärkten Studium anderer Religionen wie des Hinduismus und des islamischen Sufismus veranlasste.
Im Zuge dieser erneuten Wendung entstanden mehrere Kompositionen auf Texte von
Schuon, darunter die Schuon Hymnen. Bestellt worden war das Werk vom isländischen
Kammerchor Sudurlands, der es im Juli 2004 auch unter der Leitung von Hilmar Örn
Agnarsson beim Skálholt Musikfestival aus der Taufe hob.
Markus Schwering
Spätestens als anlässlich der Beerdigung von Prinzessin Diana im September 1997 sein
Song for Athene aufgeführt wurde, musste einer breiten Öffentlichkeit weit über das
Schuon Hymnen
Königreich hinaus klar sein: John Tavener war zu diesem Zeitpunkt Großbritanniens pro-
Urweib und Allweib ist die Heilge Jungfrau;
minentester und zugleich populärster lebender Komponist. Tatsächlich spricht seine
So ist sie auch das kosmische Erbarmen.
Musik auch Menschen an, die sonst zu klassischer und erst recht moderner E-Musik kei-
Sie hält den Heimatlosen wie ihr Kind
nen Bezug haben. Die Reinheit und vorgebliche Simplizität seiner zu diatonischer Tonali-
In ihren göttlich-mütterlichen Armen.
tät und Homophonie strebenden reifen Tonsprache hat ihn freilich den Vertretern einer
Hardcore-Avantgarde verdächtig gemacht, so dass der musikgeschichtliche Platz des gebürtigen Londoners, der im November vergangenen Jahres nach langer Krankheit 69-jährig in Child Okeford (Dorset) starb, noch umstritten ist.
Taveners breitenwirksamer Erfolg bereits zu Lebzeiten kann auf der anderen Seite erstaunen, denn er hatte es sich selbst und seinem Publikum nicht leicht gemacht. Gesundheitliche Abstürze und Sinnkrisen führten zu quälenden Schreibblockaden, die
Werke, die er sich in solchen Phasen dennoch abrang, fielen durch. Hinzu kam Taveners
weitgehende Konzentration auf religiöse Musik, die prima vista ebenfalls querstehen
mochte zum Geist einer säkularisierten westlichen Spätmoderne. Tatsächlich hat sich
Tavener, zu dessen frühen Vorbildern Strawinsky, Messiaen und die Serialisten zählen,
dezidiert als religiöser Komponist verstanden. Als solcher misstraute er der Selbstermächtigung des romantischen Künstlers; es sollte in der Musik, so lässt sich seine Haltung zusammenfassen, nicht um irgendein narzisstisches menschliches Ego und dessen
Ausdrucksbedürfnisse, sondern einzig und allein um Gott gehen.
Die Jungfrau: »mit der Sonne nur bekleidet«,
So sagt die Schrift. Was mag die Sonne sein?
Das goldne Licht, das aus der Höhe kommt,
Beleuchtet ihre Glieder zart und fein.
Die Jungfrau ist die Wahrheit, unverhüllt,
Schön wie die Liebe und wie Schnee so rein –
Die Sonne ist der Geist, der sie enthüllt
Und so das Wasser wandelt um zu Wein.
Frithjof Schuon
»Ya maryámu alaykay assalám.«
Mögen Frieden und Segen über Dir sein, Maria.
Traditionelle Sufi Anrufung
»Nigra sum, sed formosa.«
Ich bin schwarz, doch schön.
Aus dem Hohelied Salomonis
Tavener legte als religiöser Sinnsucher einen weiten Weg zurück. Als Sohn presbyterianischer Eltern einschlägig sozialisiert, hatte er in den 60er und 70er Jahren eine katholi14
»…ad astra…«
…zu den Sternen…
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Peter Maxwell Davies
Corpus Christi, with Cat and
Mouse
tigung der technischen und musikalischen Fähigkeiten verfasst, über die die Sänger der
prospektiven Uraufführung verfügen.
So verhielt es sich auch im Fall von Corpus Christi, with Cat and Mouse, einem ausge­
dehnten Werk für gemischten Chor a cappella, das 1993 für den Chor des Balliol College
in Oxford entstand und von ihm auch uraufgeführt wurde. Über die Hintergründe des
Titels, der auf eine blasphemisch anmutende Weise das Sakrale mit dem allzu Profanen
kreuzt, hat der Komponist selbst Auskunft gegeben. 1992 war Maxwell Davies in der
College-Bibliothek dem merkwürdigen Richard Hill Commonplace Book begegnet, einem
Manuskript aus dem frühen 16. Jahrhundert, das in scheinbar willkürlicher Zusammenstellung Gedichte, Kochrezepte, Rätsel, Benimmfibeln, Abhandlungen über Pferdezucht
und anderes in altenglischer und -französischer sowie lateinischer Sprache enthält. In
dem Buch findet sich auch das bekannte, wenngleich enigmatische Carol Corpus
Christi, und zwar in einer nur hier überlieferten Version. Es steht im Zentrum der Komposition, wobei freilich die einzelnen jeweils durch das »Lully, lulley« eingeleiteten Lied-
Peter Maxwell Davies, 1934 in Salford bei Manchester geboren und nach Aufenthalten in
strophen voneinander getrennt erklingen. Dazwischen schieben sich Extrakte aus be-
den USA und Australien seit 1972 auf den Orkney-Inseln ansässig (wo er auch ein Festi-
sagtem Manuskript, die der Komponist selbst auswählte. Dabei bediente sich Maxwell
val gründete), gehört zu den produktivsten und am häufigsten aufgeführten lebenden
Davies nach eigenen Worten einer Technik, wie sie James Joyce im Zyklopen-Kapitel
Komponisten seines Landes. Dabei hat der ehemalige Petrassi-Schüler, der für seine
seines Ulysses praktizierte: Einzelne Stichwörter des Carols – etwa der »orchard« (Obst-
künstlerische Tätigkeit wie in Anerkennung seines umweltpolitischen Aktivismus 1987
garten) der ersten Strophe – führen als assoziative Brücken zu Gegenständen und Sinn-
geadelt wurde, kompositorisch einen weiten Weg zurückgelegt. Er führte von seriellen
komplexen, die mit dem Liedkontext nichts mehr zu tun haben (in diesem Fall zu einer
Anfängen in den 50er Jahren über einen Avantgarde- Expressionismus vor allem im ex-
Rechenaufgabe). Und in diesem Zusammenhang ist dann auch dreimal – darunter ganz
perimentellen Musiktheater hin zu einer mehr klassizistischen Orientierung mit klarer
am Schluss, nachdem auch das Carol bei seiner titelgebenden Pointe (eben den Worten
Harmonik und dezidierter Formbildung seit den 80er Jahren. Indes weist das bislang vor-
»Corpus Christi«) angekommen ist – von Katz und Maus die Rede.
liegende Oeuvre auch Konstanten auf. Dazu zählt etwa die Neigung, in einem einzelnen
Da Maxwell Davies streng textbezogen komponiert, ist angesichts der Heterogenität der
Werk unterschiedliche Stile aus unterschiedlichen musikgeschichtlichen Epochen zu
Vorlagen eine extreme musikalische Vielfalt programmiert. Tatsächlich erinnert das
synthetisieren – ein Beispiel dafür ist das Orchesterstück St Thomas Wake von 1969, das
Verfahren, jeden Textabschnitt mit einer eigenen Musik auszustatten, von fern an die
einen Foxtrott und eine Pavane von John Bull mit eigenen Themen kombiniert. Darüber
Niederländer-Motette. Indes gibt der Brite die dort gewahrte Stileinheit radikal auf, er
hinaus schlägt sich auch Maxwell Davies‘ starkes musikpädagogisches Engagement in
zitiert auf engem Raum mehr oder weniger die komplette europäische Musikgeschichte
seinen Kompositionen nieder – viele von ihnen sind dezidiert für Schulorchester ge-
herbei – vom gregorianischen Choral über a-cappella-Polyphonie, psalmodierend unter-
schrieben.
fütterte Monodie sowie Kanon- und Fugenansätze bis hin zu Volksliedanklängen,
Mit dieser Facette hängt wohl auch ein Stück weit das massive Interesse des Komponis-
Ragtime und Jahrmarktgeschrei. Tatsächlich erweitert Maxwell Davies die Palette der
ten an Chormusik zusammen, das ihn seit seiner Frühzeit begleitet. So brachte seine
vokalen Äußerungen hin zu Rufen und Flüstern und verstärkt damit die nicht zu unter-
Arbeit mit den Kindern der Cirencester Grammar School, an der er von 1959 bis 1962 als
schlagende skurril-humoristische Komponente des Werkes. Häufig ist – wenn unter-
Musikdirektor amtierte, eine große Anzahl einfacher Chorkompositionen hervor, in
schiedliche Texte zugleich abgehandelt werden – sehr Verschiedenes simultan anzu­
denen mittelalterliche Traditionen und Moderne eigenwillig verschmelzen. In diesen
treffen. Dann fächern sich die Stimmen gleichsam szenisch auf. Das alles spielt sich im
Kontext gehört weiterhin die aufführungspraktische »Erdung« von Maxwell Davies‘
Rahmen einer multitonalen Harmonik ab, die zuweilen auch klare Dur- und Moll-Akkor-
Kompositionen: Gerade die Vokalwerke wurden und werden unter genauer Berücksich-
de aufsucht, sich freilich insgesamt durch ein immer wieder überraschendes Vagieren
16
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und einen farbigen Dissonanzreichtum auszeichnet. Der Gefahr eines potpourrihaften
Dahintreibens entgeht das Werk durch die Wiederkehr bestimmter Details – so etwa des
auffällig bevorzugten Intervalls der übermäßigen Quarte – und den Einbau einer klaren
Wiederholungsstruktur: Die dem »Corpus Christi«-Komplex zugehörigen Texte erhalten
wenn nicht die gleiche, so doch eine jeweils ähnliche Musik mit ruhigem Gestus und
verwandter Melodik im wiegenden ¾-Takt.
Markus Schwering
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Corpus Christi, with Cat and Mouse
Corpus Christi, mit Katz und Maus
Right dere and welbelovid gossep:
Sehr teure und vielgeliebte Klatschbase:
Treshier et ame compere:
Schatz und Seelenkamerad:
After all dewe recommendacion,
Nach all der vernünftigen Empfehlung
Apres toute dever recommendacion,
…
Plese it you wit that:
erfreut es euch zu wissen:
Plaise vous savoir que:
…
Two galeis be com to London,
Zwei Galeeren kamen nach London,
lade of all maner (of) cloth of gold,
beladen mit allen Arten von goldenem Tuch
and of good clothe of velvet and of sylk
und gutem Tuch aus Samt und Seide
Deux caraques de genevois sont arrives
Zwei Schiffe aus Genf sind angekommen
de tous magnieris de marchandisis…
Voll von allen erdenklichen Handelsgütern…
Car onques de puis vie de home
Denn seit eines Tages ein Menschenleben,
plus beau ne plus riche
mehr schön als reich,
flote fust en engleterre.
in England angeschwemmt wurde,
I est veray que je ne suis pas bien ayse
ist es wahr, dass ich im Augenblick nicht gerade
de finance pour le present.
fröhlich in Gelddingen bin.
With the grace of God and helpe of you
Mit der Gnade Gottes und eurer Hilfe werde
I shall fynde such meanes in this that
ich dadurch Möglichkeiten finden,
owr shoppe shall be well stuffed of all
dass unser Laden gut gefüllt sein wird mit
Maner (of) merchandises.
aller Art von Gütern.
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20
Lully, lulley, lully, lulley;
Lully, lulley, Lully, lulley;
The fawcon hath born my mak away.
Der Falke hat meinen Sohn weggetragen,
He bare hym up, he bare hym down;
er bringt ihn nach oben, er bringt ihn nach unten,
He bere hym into an orchard brown.
er bringt ihn in einen braunen Obstgarten.
I have twelve oxen that be fayre and brown,
Ich habe zwölf Ochsen, die sind hell und braun,
And they go [a] grasynge down by the town.
und sie gehen grasen hinunter zur Stadt.
With hay, with howe, with hay.
Mit Heu, in der Senke, mit Heu.
Sawyste thow not myn oxen,
Siehst du nicht meine Ochsen,
You litill prety boy?
du kleiner hübscher Junge?
Ther were two men went into an orchard
Da waren zwei Männer in einen Obstgarten gegangen
and take sartayn apples. The on sayd to
und nahmen gewisse Äpfel. Der eine sagte zum andern:
that other Give me two of thyn apples,
Gib mir zwei von deinen Äpfeln,
and then I shall have as many as thy self.
dann werde ich so viele wie du haben.
The other said, give me two of thyn
Der andere sagte: Gib mir zwei von deinen Äpfeln
apples and I shall have two times as
und ich werde zweimal so viele wie du haben.
many as thy self. How many had they?
Wieviele hatten sie?
[The first had] ten apples [and the second] four and ten.
[Der erste hatte] zehn Äpfel [und der zweite] vier und zehn.
For to mak an orchard shortly –
Um schnell einen Obstgarten zu erhalten –
tak a faire bowghe of an aple tre or pere
Nimm einen angemessenen Zweig von einem Apfel- oder Birnbaum
and uppon sent lumbardes day pare the bark
Und auf den Lumbardstag schälst du die Rinde
rownd abowt the space of an ull or more and
rundum ab auf eine Elle oder mehr und
bynd yt well with clay, and abowt cristmas
binde es gut mit Lehm ein, und am Weihnachtsmorgen
mone sawe of the same bowgh and sett yt in the
zersäge den Zweig und setze es in die Erde….
erth… shall bere fruit the same yere.
Wird Frucht tragen im gleichen Jahr.
Est piper nigrum quod gratum praestat hodorem
Ist der Pfeffer schwarz, ist sein Geruch besser.
thowgh peper be blak hit hath a good smakke.
Obgleich Pfeffer schwarz ist, hat er einen guten Geschmack.
Mus devagatur ubi catus non dominatur…
Die Maus streift umher, wo die Katze nicht Herr ist.
The mowse goth a brode wher the cat is not lorde.
…
(Lully, lulley.)
(Lully, lulley.)
In that orchard ther was an hall,
In diesem Obstgarten, da war ein Saal,
That was hangid with purpill and pall.
der war behängt mit Purpur und Seide.
And in that hall ther was a bede;
Und in dem Saal da war ein Bett;
It was hangid with gold so rede.
Es war behängt mit Gold so rot.
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To lay gold in steyning.
Um Gold in Steine einzuschließen.
Take hede ffirst wher thi gold shall lye.
Kümmere dich zuerst darum, wo dein Gold liegen soll.
And Rubbe it with a boris tuske.
Und reibe es mit dem Eckzahn eines Ebers.
And then take cole that paynters usith.
Und dann nimm von der Kohle, die Maler benutzen.
And melt it and lay it tharon.
Und schmelze/verbrenne sie und lege sie darüber.
And after when it is dry…
Und danach, wenn es trocken ist…
To mak rede ynke
Um rote Tinte herzustellen
Tak vermylon and grynd it small
nimm Zinnoberrot und zerreibe es so fein,
as it ys possible.
wie es möglich ist.
And take the whit of egges and
Und nehme das Weiße von Eiern und
strayn it throw a sponge till it
streiche es durch einen Schwamm bis es
be (as) clere as water.
so klar ist wie Wasser.
And then temper it to geder and
Und dann mische es bis es sich verbindet und
Let it stond an nyght or more.
lasse es eine Nacht oder länger stehen.
In dubiis servi melius
Im Zweifel diene dem Besseren,
Cape pessima sperne…
strafe das Schlechte mit Verachtung…
Deme no thyng that is in dowt
Urteile nie über etwas, das noch im Zweifel ist,
Till the trowth be tried owt.
bis die Wahrheit ans Licht kommt.
Murelicus pernam palatum devorat illam…
Murelicus verschlingt jene gewölbte Speckseite…
A litill and a litill the cat
Nach und nach frisst die Katze
Etith up the bacon ffliche.
die Speckseite des Schinkens.
(Lully, lulley.)
(Lully, lulley.)
And yn that bed ther lythe a knyght,
Und in dem Bett da liegt ein Ritter,
His wowndes bledyng day and nyght.
Seine Wunden bluten Tag und Nacht.
A medycyne ffor a cutte.
Eine Medizin für einen Schnitt:
Take a pynt of good ale
Nimm eine Pinte guten Biers
And an obol worth of hony
Und einen Obolus Wert von Honig
And seth them to gether
Und misch es zusammen (lass es erhärten),
till it consume half away,
bis es sich halbwegs brauchen lässt,
And mak tharof plasters
und mach davon Pflaster
And lay to the sore.
und leg sie auf die Wunde.
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Ffor to hele a broyse or a brokyn shynn.
Um einen Bruch oder ein gebrochenes Schienbein zu heilen.
Take vergyn wex and half so myche Rosen,
Nimm unberührtes Wachs und halb so viel Rosenblätter,
And a good quantite of old fresh grese,
und ein gutes Maß an altem frischen Fett
[And boyle all thes to gether]
[und koche all das zusammen]
And kepe yt not to warme
Und halte es nicht zu warm
And change yt eve and morn
Und wechsle es jeden Abend und Morgen
Till yt be hole.
Bis es ganz (zusammengewachsen) ist.
Verum est.
Das ist wahr.
Surge sub aurora dominum que frequenter
Erheb Dich vor Sonnenaufgang, bete oft zum Herrn,
Adora, Talibus utaris si vis bonus esse scolaris…
so handle, willst Du ein guter Schüler sein…
A good scoler if you wilt be,
Wenn du ein guter Schüler sein willst,
Rise early and worship the Trinite.
steh früh auf und bete die Dreifaltigkeit an.
(Lully, lulley.)
(Lully, lulley.)
By that bedes side ther kneleght am may
An des Bettes Seite, da kniete eine Maid,
And she wepeth both nyght and day
und sie weinte den ganzen Tag und die Nacht
Alas my hart will brek in thre
Ach, mein Herz wird in drei Teile brechen
Terribilis mors conturbat me.
Der schreckliche Tod erschüttert mich.
Corpus migrat in my sowle.
Der Körper wird in die Seele übergehen.
Respicit demon in his Rowle.
Er sieht hinter sich ruhig den Dämon stehen,
Desiderat ipse to have his tolle.
welcher seinen Zoll begehrt .
(Terribilis mors conturbat me.)
(Der schreckliche Tod erschüttert mich.)
(Lully, lulley.)
(Lully, lulley.)
And by that beddes side ther stondith a ston,
Und an des Bettes (auch: Beet) Seite, da stand ein Stein,
Corpus Christi wretyn theron.
Corpus Christi geschrieben darauf.
*b4ttr 3t 3s t2 14 s4…
*b4ttr 3t 3s t2 14 s4…
Better it is to be unborne than antaught.
Besser ist es, ungeboren zu sein als ungetauft.
It is a sotill mowsse that slepith in the cattis ere.
Es ist eine närrische Maus, die in der Katze Ohr schläft.
*This cypher appears thus in the manuscript:
I have given the »incipit« in the original only.
There follows a transcript.
*Diese Ziffer erscheint so im Manuskript:
Ich habe nur den Anfang im Original übernommen.
Es folgt eine Übertragung.
Sinngemäße Übersetzung: Birgit Huber-Klein
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SWR Vokalensemble Stuttgart
Das SWR Vokalensemble Stuttgart zählt heute zu den international führenden Ensembles
duktion von Bruckners e-Moll-Messe und einer Motettenauswahl wurde das SWR Vokal­
für die Vokalmusik des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart. Gegründet wurde das SWR
ensemble Stuttgart« 2009 als »Ensemble des Jahres«, 2011 für die Produktion der Chor-
Vokalensemble Stuttgart 1946 als »Kammerchor von Radio Stuttgart«. Das Repertoire war
werke von Heitor Villa Lobos als »Chorproduktion des Jahres« sowie 2012 für das Requiem
vielfältig: Vom Choral bis hin zu Operette, Volksliedabend und Hörspielmusik fand sich
von György Ligeti mit dem Echo Klassik prämiert. Die 2013 erschienene CD mit Chorwer-
nahezu alles auf der Agenda des jungen Ensembles.
ken von Paul Hindemith erhielt jüngst den Preis der Deutschen Schallplattenkritik und den
Bereits 1947 folgte der erste Auftritt bei den Donaueschinger Musiktagen. 1951 kam mit
Diapason d’or. Außerdem wurde das Ensemble 2011 für seinen wegweisenden Einsatz
Hermann Joseph Dahmen ein Chefdirigent, der den Chor zu einem a cappella-Ensemble
von Rang formte. Zu internationaler Reputation gelangte das SWR Vokalensemble dann
für zeitgenössische Vokalmusik mit dem »Europäischen Chorpreis« der Kulturstiftung Pro
Europa ausgezeichnet und 2013 für den Grammy nominiert.
mit den Chefdirigenten Marinus Voorberg (1975 – 1981). Mit Klaus-Martin Ziegler (1981 –
1987) und Rupert Huber (1990 – 2000) hatte das SWR Vokalensemble zwei Chefdirigenten
Sopran
Alt
Tenor
Bass
in Folge, die nachdrücklich und konsequent die Musik der Gegenwart zum Zentrum ihrer
Julika Birke*
Ulrike Becker
Frank Bossert
Georg Gädker*
Arbeit machten. Über 200 Werke hat das SWR Vokalensemble zur Uraufführung gebracht
Kirsten Drope
Sabine Czinczel
Herbert Klein
Jens Hamann*
und hat dabei eine kollektive Kompetenz, Erfahrung und technische Brillanz erworben,
Maren Fischer*
Judith Hilger
Rüdiger Linn
Bernhard Hartmann
Semi Kim**
Ulrike Koch
Hubert Mayer
Reiner Holthaus
Andrea Lehment*
Livia Kretschmann*
Julius Pfeifer
Torsten Müller
Wakako Nakaso
Sandra Stahlheber*
Daniel Schreiber*
Philip Niederberger
Eva-Maria Schappé
Wiebke Wighardt
Fabian Strotmann*
Mikhail Shashkov
Johanna Zimmer
Ute Wille
Hitoshi Tamada**
die es zu einem Markenzeichen in der Neuen Musik werden ließ. Insbesondere der instrumentale Stimmklang, den die Mitglieder des Ensembles pflegen, gehört zu den immer
wieder hervorgehobenen Qualitäten dieses Chores und ist Voraussetzung für seine hohe
stilistische und gesangstechnische Flexibilität.
Seit 2003 ist Marcus Creed Chefdirigent. In seiner Arbeit baut er auf die musikalische Intelligenz und stimmliche Souveränität der Ensemblemitglieder und hat eine Ensemblekultur
entwickelt, bei der jeder einzelne Sänger hohe musikalische Verantwortung trägt.
Alexander Yudenkov
Die CD-Produktionen, die unter der Leitung Marcus Creeds bisher entstanden sind,
wurden mit renommierten Auszeichnungen bedacht, darunter Aufnahmen mit nahezu
unbekannten Werken von Charles Ives, Elliott Carter und Heitor Villa-Lobos. Für seine Pro26
* Gast
** Teilnehmer der SWR-Vokalensemble-Akademie 2013/14
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Marcus Creed
America
»America!« heißt die neue CD des
SWR Vo­kalensembles Stuttgart, in dem
der Rund­f unkchor des SWR das Land
der un­begrenzten Möglichkeiten ganz
a cappella durchstreift: eine typisch
amerika­nische Mischung aus
Pioniergeist und Stil, aus anspruchsvoller
Leichtigkeit und schrägen Ideen.
Der Dirigent ist an der Südküste Englands geboren und aufgewachsen. Er begann sein
Studium am King’s College in Cambridge, wo er Gelegenheit hatte, im berühmten King’s
CD -TIPP
NEU
ERSCHIE
NEN
College Choir zu singen. Weitere Studien führten ihn an die Christ Church in Oxford und die
folgte er einem Ruf auf eine Dirigierprofessur an der Musikhochschule Köln.
Seit 2003 ist Marcus Creed künstlerischer Leiter des SWR Vokalensembles Stuttgart. Das
besondere Anliegen von Marcus Creed gilt mit diesem Ensemble der Wiederaufführung
herausragender Kompositionen der jüngsten Vergangenheit, darunter z.B. Werke von
Luigi Nono, György Kurtág, Wolfgang Rihm oder Heinz Holliger.
Marcus Creed ist regelmäßiger Gast bei internationalen Festivals der Alten und Neuen
Musik und arbeitet regelmäßig mit der Akademie für Alte Musik Berlin, dem Freiburger
Barockorchester und Concerto Köln zusammen. Seine CD-Veröffentlichungen wurden für
ihre stilsicheren und klangsensiblen Interpretationen mit internationalen Auszeichungen
prämiert, darunter der Preis der deutschen Schallplattenkritik, der Edison Award, der
Diapason d’Or , der Cannes Classical Award und der Echo Klassik.
1936*
Proverb
Ab 1977 lebte Marcus Creed in Berlin. Stationen seiner Arbeit waren die Deutsche Oper BerVon 1987 bis 2001 war Marcus Creed künstlerischer Leiter des RIAS-Kammerchores. 1998
1900-1990
Four Motets
Steve Reich
Guildhall School in London.
lin, die Hochschule der Künste sowie die Gruppe Neue Musik und das Scharoun Ensemble.
Aaron Copland
für fünf Solisten, 2 Vibraphone und Synthesizer
Franz Vitzthum, Countertenor
Andra Darzins, Viola
Markus Stange/Tomoko Hemmi/Jürgen
Kruse, Synthesizer/Celesta
Franz Bach/Boris Müller/Per Kallies,
Schlagzeug
SWR Vokalensemble Stuttgart
Leitung: Marcus Creed
John Cage
1912-1992
Five
Morton Feldman
1926-1987
The Rothko Chapel
für Schlagzeug, Celesta, Viola, Sopran solo,
Alt solo und doppelten gemischten Chor
swrmusic (LC 10622) CD 93.306
Leonard Bernstein
CD-Gesamtzeit: 77:33
Missa Brevis (1988)
1918-1990
für Countertenor solo, gemischten Chor
und Schlagzeug
Samuel Barber
1910-1981
A Stopwatch and an Ordnance Map
für Männerchor und Kesselpauken
Diese und weitere CDs des SWR Vokalensembles Stuttgart sind am Ausgang erhältlich.
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Die nächsten Konzerte
des SWR Vokalensembles Stuttgart
Do 10. Juli 2014, 19.30 Uhr
Stuttgart, Liederhalle, Beethovensaal,
SWR CLASSIX goes Jazz
Die drei Stuttgarter
SWR Ensembles in concert
Werke von Sunde, Schmid, Sima,
Hübner, Schorn, und Gershwin
So 01. Juni 2014, 16 Uhr
Florent Schmitt
Schwetzinger Festspiele
La Tragédie de Salomé für Orchester op. 50
Schwetzingen Schlosspark, Wandelkonzert
Eric Le Sage, Klavier
Felix Mendelssohn Bartholdy
Frauenstimmen des
Lieder im Freien zu singen
SWR Vokalensembles Stuttgart
Radio-Sinfonieorchester
SWR Vokalensemble Stuttgart
Stuttgart des SWR
Dirigent: Florian Helgath
Dirigent: Stéphane Denève
Sa 14. Juni 2014, 20 Uhr
Paris, Cité de la Musique
Hans Zender
Por qué
György Ligeti
Lux aeterna
Raphaël Cendo
Registre des Lumières Werk für Chor und
Live-Elektronik (FEA)
Fr 04.Juli 2014, 20 Uhr
Kulturgemeinschaft Extra,
Stuttgart, Beethovensaal
Mi 02.Juli 2014, 13 Uhr
RSO Mittagskonzert
Stuttgart, Liederhalle, Beethovensaal
Robert Schumann
Hermann und Dorothea – Ouverture
Robert Schumann
Introduktion und Allegro appassionato,
Konzertstück für Klavier und Orchester
G-Dur op. 92
Robert Schumann
Konzert-Allegro mit Introduktion für
Klavier und Orchester d-Moll op. 134
Richard Strauss
Tanz der sieben Schleier
aus der Oper Salome
Florent Schmitt
La Tragédie de Salomé
für Orchester op. 50
Robert Schumann Introduktion und
Allegro appassionato
für Klavier und Orchester G-Dur op. 92
Robert Schumann
Konzert – Allegro mit Introduktion für
Klavier und Orchester d-Moll op. 134
Eric Le Sage, Klavier
Frauenstimmen des
SWR Vokalensembles Stuttgart
Radio-Sinfonieorchester
Stuttgart des SWR
Dirigent: Stéphane Denève
SWR Vokalensemble Stuttgart
Ensemble musikFabrik
Gregory Beller, Musikinformatik Ircam
Dirigent: Marcus Creed
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Fr 01. August 2014, 20 Uhr
Festival RheinVokal
Bingen, Rheintal-Kongresszentrum
Folksongs: Alte Lieder…neu arrangiert
SWR Vokalensemble Stuttgart
SWR Big Band
Dirigent: Morten Schuldt-Jensen
SWR Vokalensemble Stuttgart
SWR Big Band
Dirigent: Morten Schuldt-Jensen
Radio-Sinfonieorchester
Stuttgart des SWR
Dirgent: Wayne Marshall
Fr 11. Juli 2014, 11 Uhr,
SWR Young CLASSIX
Stuttgart, Liederhalle, Beethovensaal
VE Schulkonzert
Folksongs
Wie wird aus einem Volkslied Jazz?
Volkslieder von Friedrich Silcher,
arrangiert von Helge Sunde
Malte Arkona, Moderation
SWR Vokalensemble Stuttgart
SWR Big Band
Dirigent: Morten Schuldt-Jensen
Do 24. Juli 2014, 20 Uhr
Fr 25. Juli 2014, 20 Uhr
RSO Konzertzyklus,
Stuttgart, Liederhalle, Beethovensaal
Ludwig van Beethoven
Konzert für Klavier und Orchester Nr.3
c-moll op. 37
Maurice Ravel
Daphnis und Chloé für Chor und Orchester
Leif Ove Andsnes, Klavier
SWR Vokalensemble Stuttgart
Radio-Sinfonieorchester
Stuttgart des SWR
Dirigent: Stéphane Denève
Karten:
Stuttgart und Schwetzingen:
Telefon: 07221 300200
swr2kulturservice.de
Kulturgemeinschaft:
Telefon: 0711 2247720
www.kulturgemeinschaft.de
Paris:
Telefon: +33 (0)1 448 444 84
www.citedelamusique.fr
Bingen:
Telefon: 02622-926 4250
www.rheinvokal.de
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Herausgeber
SÜDWESTRUNDFUNK
Marketing SWR2/SWR Orchester & Ensembles
Chormanagement
Cornelia Bend
Redaktion
Dorothea Bossert
Texte
Die Texte von Markus Schwering sind
Originalbeiträge für dieses Programmheft.
Fotonachweise
Jonathan Harvey: Maurice Foxall/James MacMillan:
Eric Antoniou for Boston Lyric Opera/John Tavener:
Simone Canetty-Clarke/SWR VE: Christian Mader/
Gestaltung
SWR Design Stuttgart
SWR.de/VE
facebook.com/VE.SWR
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