Tanzt den Bürgerkrieg!

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T H E AT E R
Tanzt den Bürgerkrieg!
Das Performanceduo Gintersdorfer/Klaßen
bringt Politik und Showbizz der afrikanischen
Elfenbeinküste auf deutsche Bühnen.
ie Elfenbeinküste? Ist ein Land in Afrika, irgendwo im Westen. Der
offizielle Name? Klingt französisch, Côte d’Ivoire oder so ähnlich.
Der ivorische Bürgerkrieg? Schon mal gehört, irgendwann. Viel wissen die
meisten Deutschen nicht über die Elfenbeinküste, das ist auch der Regisseurin Monika Gintersdorfer und dem Bildenden Künstler Knut Klaßen,
beide 42, bewusst, und dennoch machen sie den Bürgerkrieg, der 2002 begann und noch immer schwelt, zum Thema eines Tanztheaterabends.
„Wir wollen die Zuschauer aber nicht zu Spezialisten des ivorischen Konflikts machen“, sagt Gintersdorfer, „wir glauben auch gar nicht, dass wir
allgemeingültig über den Bürgerkrieg berichten können.“ Stattdessen setzen sie auf die realen Erlebnisse ihres Teams: In „Très Très Fort“ imitieren
ivorische Darsteller die Reden und Gesten ivorischer Politiker, Militärs und
Rebellen, sie berichten von Misstrauen und Propaganda, sie zeigen aber
auch Showelemente, denn während des Bürgerkriegs boomte die Unterhaltungsindustrie – als glamouröse Gegenwelt. Deutsche Darsteller übersetzen alles und vergleichen die demonstrierten Verhaltensweisen mit den
Eigenarten europäischer Politiker. Der Text ist nicht schriftlich fixiert, damit der Geist freier, inspirierter Rede erhalten
Très Très Fort. 1.–4.
und 7.–9.10. Kampna- bleibt, der laut Gintersdorfer typisch ist für ivorische Poligel Hamburg, Tel. 040/ tiker. „Ich möchte, dass meine Darsteller auf der Bühne
27 09 49 49, 22.–24.10.
denken“, sagt sie. Und dass sie live aufeinander reagieren.
FFT Düsseldorf, Tel.
TOB IAS B ECKER
Das Ziel: „eine neue Art von Schauspiel“.
0211/876 78 70.
D
B E R LI N
Die Riesen kommen. Im Zentrum Berlins, 1.–4.10., www.riesen-in-berlin.de
Große Ereignisse werfen ihre Schatten
voraus. Dieses Straßentheater-Event zum
Jubiläum „20 Jahre Mauerfall“ wird
schon seit Monaten einerseits promotet
und andererseits geheim gehalten; mal sehen, ob diese Marketingstrategie aufgeht.
Ein „Millionenpublikum“ wird erwartet,
wenn die faszinierenden, jede Dimension
sprengenden Puppen der Gruppe Royal
de Luxe auf den Straßen Berlins von Ost
und West aufeinander zugehen.
Trust. Uraufführung am 10.10. in der
Schaubühne. Auch am 12., 14., 15., 19. und
21.10., Tel. 030/89 00 23.
Der doppeldeutige Titel sagt es schon:
Im neuen Tanztheaterprojekt des Regis-
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richtig machen zu können. Auf der Bühne: Studenten der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“.
seurs Falk Richter und der Choreografin
Anouk van Dijk geht es um Vertrauen in
unseren von Konzernen bestimmten
Zeiten.
Der Kaufmann von Venedig. Premiere am
17.10. im Gorki Theater. Auch am 25.10.,
Tel. 030/20 22 11 15.
7 % Hamlet. Premiere am 14.10. in der
Box und Bar des DT. Auch 16., 17., 18., 26.
und 27.10., Tel. 030/28 44 12 25.
Ein Klassiker zum Spielzeit-Motto „Ökonomie des Lebens“. Armin Petras inszeniert ihn mit Cristin König in der Titelrolle; Regine Zimmermann ist Shylock.
Das Duo Gintersdorfer/Klaßen (s. o.)
nutzt die Gunst der Stunde und ist produktiv wie nie. Hier entwickeln sie aus
Hamlet-Motiven eine Performance für
einen Mann und eine Frau.
Hamlet. Premiere am 29.10. in den Kammerspielen des DT. Auch am 31.10., Tel.
030/28 44 12 25.
Wie viel Prozent Original-Shakespeare
bei Andreas Kriegenburg drin ist, sagt er
nicht, aber er scheint zurzeit eh nur alles
DR E S DE N
Die heilige Johanna der Schlachthöfe.
Premiere am 17.10. im Schauspielhaus. Auch
am 22. und 29.10., Tel. 0351/491 35 55.
Tilmann Köhler, vor zwei Jahren zum
großen Nachwuchsstar ausgerufen und
jetzt wieder etwas mehr im Schatten
agierend, inszeniert den Brecht-Klassiker, den manche für das brillanteste
Stück über den Kapitalismus in der Krise halten.
10/2009
KulturSPIEGEL
FOTO: KNUT KLASSEN
Premieren im Oktober
Probenszene aus „Très Très Fort“: Live aufeinander reagieren
G E R A / A LT E N B U R G
Heimat 09. Nur am 3.10. im Theater Gera,
Tel. 0365/827 91 05, und am 11.10. im Landestheater Altenburg, Tel. 03447/58 51 60.
Die neue Schauspieldirektorin Amina
Gusner hat zur Saisoneröffnung zehn
Autoren um Kurzdramen zum Thema
Heimat gebeten, darunter Jan Neumann
und Katharina Schlender. Das ganze
Theater wird zur Bühne.
HAM B U RG
Die Kontrakte des Kaufmanns. Eine
Wirtschaftskomödie. Hamburger Premiere am 2.10. im Thalia Theater. Auch am
8., 11., 16. und 17.10., Tel. 040/32 81 44 44.
Die Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek
war die Schnellste: Sie schrieb ihren Kommentar zur Wirtschaftskrise, noch bevor die richtig da war. Nicolas Stemann
brachte ihr Stück im Frühjahr in Köln
heraus, jetzt wird es nach Hamburg übernommen und laufend aktualisiert.
KulturSPIEGEL
10/2009
Nathan der Weise. Premiere am 3.10. im
Thalia Theater. Auch am 4., 7. und 29.10.,
Tel. 040/32 81 44 44.
Noch eine Inszenierung von Nicolas Stemann, diesmal eine ganz neue – und
auch in Lessings Klassiker arbeitet er
einen Text von Elfriede Jelinek ein.
Tannöd. Premiere am 23.10. im Malersaal
des Schauspielhauses. Auch am 24. und
29.10., Tel. 040/24 87 13.
Crescentia Dünßer und Otto Kukla bringen den Bestseller-Krimi von Andrea
Maria Schenkel auf die Bühne.
H A N N OV E R
Wolokolamsker Chaussee/Das Leben
der Autos. Premiere am 1.10. im Schauspielhaus. Auch am 11., 14., 21., 27. und
30.10., Tel. 0511/99 99 11 11.
Es gibt zwar auch eine „Hannoverrevue“
im Eröffnungsreigen des neuen Intendanten Lars-Ole Walburg, aber seine ers-
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T H E AT E R
te eigene Inszenierung ist wohl doch
programmatisch: Walburg lässt Heiner
Müllers schonungslose Analyse der DDR
auf einen Text von Ilja Ehrenburg prallen, der noch vor 1939 den Wahnsinn
des Kapitalismus beschrieb.
LE I P Z I G
Büchner/Leipzig/Revolte. Premiere am
15.10. im Centraltheater. Auch am 17., 23.
und 29.10., Tel. 0341/126 81 68.
Der Monsterschauspieler Thomas Thieme hier mal als Regisseur: Er denkt in
seinem Projekt Georg Büchners Schriften
über die Revolution mit den Leipziger
Ereignissen vom Herbst 89 zusammen.
Mit von der Partie ist auch ein Chor –
zum Parolenschreien unentbehrlich.
M AG D E B U R G
Zusammen! Premiere 2.10. im Schauspielhaus. Auch 3. und 31.10., Tel. 0391/540 65 55.
Was ja gern ob der ganzen Chefpostenwechsel an den großen Theatern vergessen wird: Auch in Magdeburg gibt es einen neuen Schauspielchef. Die erste seiner sieben Oktober-Premieren inszeniert
Jan Jochymski selbst: die Bühnenversion
eines Films von Lukas Moodysson, dem
Regisseur von „Fucking Åmal“.
M Ü LH E I M / R U H R
Roberto Ciulli inszeniert drei Stücke von
Rainer Werner Fassbinder, darunter „Der
Müll, die Stadt und der Tod“ – natürlich
gab es im Vorfeld wieder Proteste, weil das
Stück angeblich antisemitisch ist.
M Ü NCH E N
Konzert zur Revolution. Uraufführung
am 24.10. in den Kammerspielen. Auch am
28.10., Tel. 089/23 39 66 00.
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KulturSPIEGEL
FOTO: ALEXANDER PAUL ENGLERT
Fassbinder. Premiere am 1.10. im Theater
an der Ruhr. Auch am 2., 9., 10. und 15.10.,
Tel. 0208/599 01 88.
14 Premieren gleich im Oktober –
Oliver Reese eröffnet seine erste Spielzeit als Intendant des Schauspiels
Frankfurt bombastisch. Seine größten
Trümpfe zieht er schon am ersten Tag:
Michael Thalheimer, einer der prägenden Regisseure dieses Jahrzehnts,
inszeniert Sophokles’ Tragödien im
Doppelpack; seine Antigone ist Constanze Becker (Foto), die am Deutschen Theater Berlin zum Star aufgestiegen ist. Dort war Reese lange Chefdramaturg.
Ödipus/Antigone.
Premiere am 1.10. im Schauspielhaus
Frankfurt/Main, Tel. 069/134 04 00.
Schorsch Kamerun, der alte Punk, will mit
seinem Projekt an die Zeiten der Münchner Räterepublik anknüpfen, als Kunst
und Politik noch zusammengingen.
S T U T TG A R T
Der Zoo. Uraufführung am 16.10. im Depot. Auch 21. und 29.10., Tel. 0711/20 20 90.
Kerstin Specht („Das glühend Männla“)
befreit in ihrem neuen Stück die Tiere
und sperrt stattdessen Menschen in die
Zookäfige. Christian Hockenbrink inszeniert das Experiment.
Z Ü R ICH
Neil Young – The Way. Premiere am 15.10.
im Theater Neumarkt. Auch am 16., 17. und
18.10., Tel. 0041/44/267 64 64.
Hey hey, my my: Stefan Pucher inszeniert eine persönliche Hommage an den
großen Rockmusiker.
F ESTIVALS
Hamburger Theaterfestival. 12.–28.10.,
www.hamburgertheaterfestival.de
Lange schon wollte Hamburg ein Theaterfestival, jetzt ist es endlich da und das
Programm so einfallsreich wie sein Name. Und das Tollste ist: Es hat die Stadt
keinen Pfennig gekostet! Alles Privatinitiative! Wenn das keine zukunftsweisende Kulturpolitik ist. Die Stiftung holt
sich Hauptstadt-Theater mit großen Namen an die Elbe: zweimal Wien, dreimal
Berlin (u.a. Klaus Maria Brandauer im
„Zerbrochnen Krug“).
Leipzig: Lachmesse. 15.–25.10., Tel. 0341/
710 42 85, www.lachmesse.de
Viele bewährte Kabarett-Größen, darunter Josef Hader, den der Schriftsteller
Daniel Kehlmann neulich zu einem der
besten deutschsprachigen Dramatiker
unserer Zeit erklärte.
KulturSPIEGEL
10/2009
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