Bibliotheksbau in den 80er Jahren

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Bibliotheksbau in den
80er Jahren
Reimer Eck, Eckard Gerber, Elmar Mittler, Gerhard Römer, Manfred Sabatke (u.a.),
Christoph-Hubert Schütte
Bibliotheksneubauten
Bau-Kolloquium des Deutschen Bibliotheksverbands e.V./Sektion 4 (Wissenschaftliche Bibliotheken)
in Zusammenarbeit mit der Baukommission des Deutschen Bibliotheksinstituts in Göttingen
Bibliotheksbauten sind in Deutschland in den 80er Jahren selten geworden. Die in dieser Zeit konzipierten Bibliotheken
aber fußen auf den Erfahrungen des Baubooms der früheren Jahrzehnte und sind deshalb architektonisch wie bibliothekarisch von besonderem Interesse. So können die hier vorgestellten Bauten in Göttingen, Eichstätt und Karlsruhe
wichtige Anregungen bei der Lösung von Bauaufgaben in den neuen Ländern geben, für die einige Beispiele (ÜB Jena,
ÜB Leipzig, ÜB Potsdam) skizziert werden.
Library buildings in the 80s
Du ring the 80s, library buildings have become rare in Germany. The libraries which have been planned in this period are
basedon experiences ofthe construction boom du ring the past years. Theyare ofspecial interestas well from the archl·
tect's äs from the librarians's point ofview. The presentation ofthe new library buildings in Göttingen, Eichstätt and
Karlsruhe can give importantstimulations forthe construction of libraries in the newcountries ofEastern Germany. Some examples for university library buildings in Jena, Leipzig and Potsdam are lined out in the following.
La construction de bibliotheques aux annees 80
En Allemagne, la construction de bibliotheques est devenue rare aux annees 80. Les bibliotheques congues en ce temps
sontbasees surles experiences du boom de construction des decennies anterieurs, etpourcette raison d'un interetparticulier du point de vue architecturial et bibliothecaire. Les bätiments präsentes ici pourraient contribuer ä stimuler des
reflexions sur les bibliotheques ä construire dans les nouveaux Länder de rAllemagne de fest. Quelques examples
comme les projets pour les bibliotheques universitaires d'Jena, Leipzig et Potsdam y seront esquisses.
Inhaltsübersicht
1
2
3
4
4.1
4.2
4.3
1
Einleitung (von Christoph-Hubert Schütte). .
Ein Bibliotheksbau zwischen Funktion und
Historie - der Neubau für die Badische
Landesbibliothek (von Gerhard Römer). . . .
Die Planung und Realisierung des Neubaus
der Universitätsbibliothek Eichstätt
(von Manfred Sabatke u.a.)
Das neue Gebäude der Niedersächsischen
Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen
Einführung (von Elmar Mittler)
'. .
Der Entwurf aus Sicht des Architekten (von
Eckard Gerber)
Ein Planungs- und Baubericht aus Sicht
des Nutzers (von Reimer Eck)
Einleitung
340
341
345
347
348
354
(von Christoph-Hubert Schütte)
Am 17. und 18. März 1993 folgte die Sektion 4 einer Einladung der Staats- und Universitätsbibliothek nach Göttingen. Der Präsident der Universität, Professor Schreiber,
wies in seiner Begrüßungsrede auf die Bedeutung der
Bibliotheken für die Universitäten hin und würdigte den
Beitrag für die Literaturversorgung trotz der schwierigen
Haushaltslage. Er ging insbesondere auf die Leistung
des Landes Niedersachsen ein, den ausgedehnten Neubau der hiesigen Universitätsbibliothek fertiggestellt zu
haben. Dies war auch das Hauptthema des ersten Tages,
der einem Baukolloquium galt, das von der Vorsitzenden der Baukommission des DBI, Frau Dipl.-lng. Schneider-Eßlinger, geleitet wurde. Sie wies in ihren Eröffnungsworten darauf hin, daß neue Bibliotheksgebäude
inzwischen mit hoher gestalterischer und räumlicher
Qualität errichtet würden. Die in den siebziger Jahren der Zeit der Bewältigung enorm großer Bauvolumina vorherschenden Kriterien der Nutzungsneutralität, Flexibilität und Funktionalität sind demgegenüber in den
Hintergrund getreten. Verlangt (und gebaut) werden
heute Gebäude, die neben optimaler Funktionserfüllung
und zeitgemäßer technischer Ausstattung auch in gestalterischer und städtebaulicher Hinsicht überzeugen.
Im Idealfall tun sie dies unter wirtschaftlich angemessenen Rahmenbedingungen, was bei öffentlichen Bauten
eine ganz besondere Rolle spielt. Beispielhaft belegt
wurden die Einführungsworte durch die im folgenden
abgedruckten Vorträge über den Neubau der Badischen
Landesbibliothek, die Planung und Realisierung des
Neubaus für die Universitätsbibliothek Eichstätt und BeUnauthenticated
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Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Eck et al. - Bibliotheksneubauten
richte aus der Sicht des Nutzers und des Architekten
über den Neubau der Staats- und Universitätsbibliothek
Göttingen.
Die Diskussion machte doch eine gewisse skeptische
Haltung der Bibliothekare deutlich, die sich vor allen Dingen mit den Fragen zur Wärmedämmung bei einem augenscheinlich hohen Anteil an Verglasung stellen. Die
Architekten betonten demgegenüber, daß ihre Bauten
den gültigen Vorschriften des Wärmeschutzes entsprechen und durch technische Lösungen sogar Energierückgewinnung möglich sei. Am Beispiel der Größe und
Anordnung von Leseplätzen, die auf die individuellen
Bedürfnisse der Benutzer (abgeschiedene Einzelplätze,
Gruppentische, besondere Lesezonen) Rücksicht nehmen sollten, wurde besonders die Notwendigkeit früher
Kontakte der Architekten mit den Bibliothekaren betont,
obwohl diese von den aufsichtführenden Ämtern nicht
immer gern gesehen seien.
Bei der anschließenden Besichtigung des Göttinger
Neubaus konnten sich die Teilnehmer davon überzeugen, daß sich die Aufgaben einer Staatsbibliothek (Rechenzentrum, Zentralkatalog) besonders im Hauptbereich dieses Neubaus dokumentieren.
Das Sitzungsprogramm wurde am zweiten Tag fortgesetzt mit dem Thema „Hochschulbibliothek und Globalhaushalt", das von Herrn Wätjen vorgestellt wurde und
in der nächsten Sitzung zu einer Beschlußfassung führen soll. Einen breiten Raum der Diskussion nahm die
Aktualisierung des Bibliotheksplans '73 ein, der ja in der
Zwischenzeit mit dem Titel „Bibliotheken '93" veröffentlicht worden ist. Die Herbstsitzung der Sektion 4 findet
am 12. und 13. Oktober 1993 in Erlangen statt und wird
zum Teil gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft der
Leiter wissenschaftlicher Rechenzentren die Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Hochschulbibliotheken und Rechenzentren behandeln.
2
Ein Bibliotheksbau zwischen Funktion
und Historie - der Neubau für die
Badische Landesbibliothek
(von Gerhard Römer)
Es gibt eine böswillige, aber leider weit verbreitete Ansicht, die lautet: Einem guten Bibliothekar sähe man
schon von weitem an, daß er ein solcher sei. Kann man
dies auch von einem Bibliotheksbau sagen? Günter
Pflug schrieb 1982 im ZfBB einen geistreichen Aufsatz
zum Thema: Der Bibliotheksbau als Symbol [ZfBB 29
(1982) HeftG, S. 449-461]. Diese Gedanken zum Bauwettbewerb der Deutschen Bibliothek enden mit dem Fazit:
„Eine reine Bausymbolik wird für Bibliotheken wohl immer problematisch bleiben."
In der Tat, ob an der Fassade eine Schleife hängt als
Kunst am Bau, die eine Bibliothek als zusammengefaßten Geist, als Geschenkpaket dekoriert, oder ob man an
der Fassade ein aufgeblättertes Buch findet, ob ein Bücherturm als Magazin das Ganze überhöht, oder ob einfach hinter hohen Glaswänden Bücherregale en masse
zu sehen sind: es gibt im Laufe der Bibliotheksbaugeschichte immer wieder Überraschungen. Perplex sind
wir meist dann, wenn längst Vergangenes, scheinbar ad
acta Gelegtes, Überholtes, wieder aktuell wird. Dann
werden wir Zeugen eines Geschehens, das uns beweist,
daß sich Geschichte zwar nicht einfach wiederholt, aber
daß alte Formen an Faszination gewinnen und zu neuem
341
Leben erstehen können. Das heißt nicht, daß wir „neuen
Wein in alte Schläuche" gießen, aber wohl, daß es die
Zeiten überdauernde Architekturformen und -gesetze
gibt, die ,in die Gegenwart assimiliert7 - um ein Lieblingswort von Oswald Mathias Ungers zu gebrauchen scheinbar Verblichenes neu Gestalt werden lassen. Ich
denke z. B. an die Gestaltungsform Kuppel, die im 19.
Jahrhundert Nationalbibliotheken krönte, und ich denke
z. B. auch an die Gestalt einer Arche, die wie eine Schatztruhe Schutz für Bücher bildet. „Gelingt das, singt das",
um ein Wort von Paul Valery verkürzt zu zitieren. Es ist
nachzulesen in seinem „Eupalinos oder der Architekt",
in der Suhrkamp-Bibliothek erschienen [Nr. 370]: Phaidros erzählt Sokrates von Eupalinos, dem Architekten,
der ihm eine Beobachtung mitgeteilt habe: „Sag mir (da
du so empfänglich bist für die Wirkungen der Architektur), hast du nicht beobachtet, wenn du dich in dieser
Stadt ergingst, daß unter den Bauwerken, die sie ausmachen, einige stumm sind, andere reden und noch andere
schließlich, und das sind die seltensten, singen sogar?"
Und darüber wird dann zwischen Phaidros und dem Architekten Eupalinos ein langes interessantes Gespräch
geführt, das mich persönlich an Dispute und dennoch
freundschaftliche Gespräche mit Oswald Mathias Ungers, dem Architekten der neuen Badischen Landesbibliothek (BLB), erinnert. Musik und Architektur haben
gemeinsame Gesetze. Doch darüber wollen wir nicht
philosophieren, sondern endlich zum Thema kommen.
Die Ausführungen sind in folgende fünf Abschnitte gegliedert:
Das Vorspiel:
Kollege Mittlers Meisterstück, in nächster Nähe zum damaligen Bibliotheksstandort einen Bauplatz zu sichern,
Finanzen für ein Erweiterungsmagazin im Programm
der Städtequalitätsverbesserung unterzubringen und
einen Idee n Wettbewerb anzuregen.
Erster Akt:
Der Ideenwettbewerb 1979/80, der Architekturgeschichte schrieb.
Zweite r Akt:
Die Überarbeitungsphase und die Durchführung des ersten Bauabschnittes, der für eine relativ unbestimmte
Zeitdauer gedacht war.
Dritter Akt, nicht ohne Dramatik:
Wie es gelang, obwohl die Bibliothek aus dem Städtequalitätsverbesserungsprogramm gekippt wurde, die
Zweiteilung nicht zu zementieren und den zweiten Bauabschnitt in den normalen Haushalt einzubringen.
Finale:
Etwas über Kunst am Bau und der Versuch eines Urteils
über das Karlsruher Bibliotheksgebäude.
Das Vorspiel
Es ist von entscheidender Bedeutung für die Akzeptanz
einer Bibliothek, das wissen Sie alle, daß sie möglichst in
der Stadtmitte liegt, mit öffentlichen Verkehrsmitteln
leicht erreichbar ist und daß Autostellplätze für die auswärtigen Benutzer zur Verfügung stehen. Diese günstige
Lage hatte die alte Landesbibliothek im Nymphengarten,
nur konnte der Besucher sie schwer finden, denn sie lag
hinter dem klassizistischen Bau der Landessammlungen
idyllisch versteckt. Bis zu Herrn Mittlers Amtszeit träumte
sie im Nymphengarten still vor sich hin. Von 1975 an
stieg die Benutzerzahl, der Bestand wuchs und auch die
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Zahl der Mitarbeiter erhöhte sich langsam. Ausgebaut
wurden für die wachsenden Bestände der Keller und das
Dachgeschoß der Bibliothek im Seitenflügel der Landessammlungen. Kontakt mit Abgeordneten sorgte dafür,
daß bei einem Besuch des Ministerpräsidenten in Karlsruhe im Städtequalitätsverbesserungsprogramm eine
Finanzierungsspritze für einen Magazinerweiterungsbau von 8 Mio. DM vorgesehen wurde. Dabei machte
sich der Geldgeber zunächst keine genaueren Gedanken
darüber, wie dieser zweckbestimmte Magazinerweiterungsbau die Qualität eines Stadtquartiers verbessern
sollte. In der architektonisch profilierten Innenstadt von
Karlsruhe fand sich über der Straße ein unter Denkmalschutz stehendes Gebäude auf einem Gelände, das teilweise nur als Parkplatz genutzt wurde. Das Gelände gehörte dem Land, aber auch dem Bund und der katholischen Kirche. Es wurde vom Land aufgekauft. Der Bund
gab allerdings das Gebiet nur unter der Bedingung frei,
daß dieses nicht zu lange unbebaut bliebe. Übrigens war
dies genau das Grundstück in der Mitte der Stadt Karlsruhe, auf dem vor Entstehen des Südweststaates das
Landtagsgebäude für den Staat Baden geplant war.
1979 gelang es nun, außer den beiden obengenannten
Aktionen auch einen Wettbewerb anzuregen, der zunächst regional für die Architekten des Landes BadenWürttemberg ausgeschrieben war.
I.Akt
Der Ideenwettbewerb von 1979/80, der Architekturgeschichte schrieb.
Die Aufgabe
Sie war nicht ganz einfach. DieZeit für die Architekten war
sehr knapp bemessen. Sie hatten gerade vier Monate Zeit
(10.7.-5.11.1979). Ein offener Wettbewerb war ausgeschrieben,allerdingsmitfünf Ausnahmen. Diese Ausnahmen waren sehr schicksalsträchtig. Als Gäste wurden
nämlich eigenseingeladen: die Architekten und Professoren Gottfried Böhm (Aachen/Köln), Rob Krier (Wien), Gustav Peichl (Wien), Aldo Rossi (Mailand) und Oswald Mathias Ungers (Köln). Diese Entscheidung war nach Ansicht
der Kritiker für manche eine Abschreckung, am Wettbewerb teilzunehmen. Denn der Ideenwettbewerb wurde
damit auf ein hohes internationales Niveau gehoben.
Die Wettbewerbsaufgabe war nach Ansicht auch der Architekten zwar nicht besonders schwer, doch komplizierter, als sich manche Architekten, die sich am Wettbewerb beteiligten, dachten. Dies aus folgenden Gründen:
Im Kulturviertel einer Stadt, die klassizistisch und rational geprägt ist, bestimmen monumentale Bauten die
Umgebung. Vorhanden ist ein Museumsbau des 19.
Jahrhunderts (Landessammlungen von Berckmüller),
ferner ein Gebäude in der Art des Jugendstils, nämlich
der Bau des Evangelischen Oberkirchenrates, und natürlich, dominierend für das ganze Quartier, die Weinbrennerkirche St. Stephan. Auf diese Umgebung mußten
sich die Architekten einstellen. Wer sich mit dieser Bausubstanz, der historisch gewachsenen, nicht auseinandersetzte, hatte von vornherein wenig Chancen.
Bestimmte denkmalpf legerische Vorgaben, wie die Erhaltung von zwei Gebäuden, waren sehr wichtig. Ein zweigeschossiger, klassizistischer Eckriegel, Teile des ehemaligen Fürstenbergischen Palais, mußte unbedingt stehen
bleiben. Damit war gleichzeitig die für Karlsruhe typische
Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Eck et al. - Bibliotheksneubauten
Blockrandbebauung bestimmend. Ferner war vorgegeben, daß ein gewisser Baumbestand zu schonen war.
In einem trapezförmigen, seit der Kriegszerstörung ungeordneten Gelände mußte vor allem ein erster Bauabschnitt für die Bibliothek, die von vornherein in mehreren Abschnitten gebaut werden sollte, optimal eingepaßt werden. Ein Drittel des Bauvolumens mußte im
Entwurf deutlich als erster Bauabschnitt ausgezeichnet
sein. Das war keine leichte Aufgabe, denn in diesen ersten Bauabschnitt waren ganz bestimmte Dienststellen
und Abteilungen der Bibliothek zu legen, damit diese
überhaupt zweigeteilt funktionsfähig blieb. Diese präzise Auszeichnung war für die einzelnen Architekten die
schwierigste Aufgabe.
Bibliothek ist nicht gleich Bibliothek. Das Charakteristikum einer Landesbibliothek mußte bedacht werden. So
war von vornherein damit zu rechnen, daß es in diesem
Punkt zu Mißverständnissen mit den Architekten kommen konnte. Die Badische Landesbibliothek, eine Bibliothek mit damals 20 000-25 000 aktiven Benutzern, mit
über 1 Mio. Bänden und mit einem sehr wertvollen Altbestand, sollte sich präsentieren als ein offenes Haus:
a) mit großen Freihandmagazinen,
b) mit attraktiven Lesebereichen und
c) mit einem vorzusehenden geschlossenen Magazin,
um nur die wichtigsten Forderungen des Raumprogrammszu nennen.
Da waren die Hauptabteilungen, die funktionsgerecht
einzuplanen waren. Hier zeigten sich auch die Grenzen
eines anonymen Wettbewerbes. Mancher hatte eine vorgefaßte Meinung über die Bibliothek, die nicht mit der
Wirklichkeit übereinstimmte. Zwar waren im Raumprogramm die einzelnen Funktionszusammenhänge sehr
deutlich beschrieben, aber diese wurden teilweise nicht
beachtet, es war eine Überforderung für die Architekten.
Außerdem mußte zusätzlich zur Bibliothek noch Platz für
Landesbehörden in Einzelbüros ausgewiesen werden mit
einem Raumbedarf von 5 800 m2 Hauptnutzfläche. Für
den Bibliotheksbereich selbst wurden 13000-14000 m 2
vorgesehen. Das war in der Kürze der Zeit die nicht sehr
leichte Aufgabe.
Die eingegangenen Lösungen
Angefordert wurden die Wettbewerbsunterlagen von 33
Interessenten. Am Wettbewerb selbst beteiligten sich
insgesamt 22 Architekten, darunter vier der geladenen
Stararchitekten. Am 24.1.1980 tagte das Preisgericht
unter dem Vorsitz von Prof. Fred Angerer, mit den Beisitzern Alexander von Branca (München), Prof. Fecker
(Stuttgart) und Architekt Humbert (Freiburg), um nur einige Namen zu nennen. Immerhin gelang es auch, in das
Preisgericht einen Bibliothekar mit Sitz und Stimme einzubringen, Herrn Mittler aus (damals) Heidelberg; Herr
Fuhlrott aus Karlsruhe und der Verfasser waren als
Sachverständige zugelassen. Immerhin durfte der Direktor der Bibliothek als Fachgutachter mitwirken. Die
Preisrichter, so konnte man im Architekten-Journal lesen, gehörten nicht zu den „beharrlich modernen", auch
nicht zu den „Funktions-Technokraten".
Von den Entwürfen fielen völlig aus dem Rahmen: der
„Seestern" von Reinhart Peterka aus Friedrichshafen,
ein mit Grün garnierter Solitärkörper, ein konkav eingezogenes Parallelogramm. Ebenso war für die Teilnehmer am Preisgericht eine Art historisches Kuriosum
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Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Eck et al. - Bibliotheksneubauten
das historisierende Gebäude von Krier, Wien. Hier gab
es heftige Diskussionen, denn an diesem Entwurf entzündete sich völlig überraschend eine grundsätzliche
Diskussion über das Verhältnis von Funktion und Historie. Außerdem stellte man allgemein eine Hinwendung
zum Monumentalen fest.
Am extremsten war z. B. die Achse zu entdecken bei Rossi in der Gegenkirche zu St. Stephan. Ein hochschlanker,
gläserner Kathedralbau mit Satteldach, so hoch, so dominierend wie die Weinbrennerkirche, flankiert von
Würfeln mit beängstigenden Innenschächten. Dominierend war ebenfalls eine Achse bei Assem mit seinen sieben flachsattelgedeckten Hallen, die eher Montagehallen denn einer Bibliothek glichen.
Der preisgekrönte Entwurf
Als Sieger wurde aber nicht einer unter den Genannten
ermittelt, sondern es kamen die Entwürfe eines Bewerbers zum Zug, dessen Zeichnungen durch ihre Exaktheit
bestachen: Oswald Mathias Ungers. Alle seine Pläne
zeichneten sich aus durch eine überzeugende architektonische Sprache. Bei ihnen war geachtet
1. auf die dominierende Stellung der Stephanskirche,
2. auf die historische Bausubstanz des Wettbewerbsgeländes (das Fürstenbergpalais wurde Maß für das
Ganze, vor allem in bezug auf Gebäudehöhe und
-tiefe),
3. auf die vorwiegend klassizistisch geprägte Architektur der Umgebung.
4. Besondere Sorgfalt wurde auf die Gestaltung der
Freiräume verwendet.
Kurz und gut, es war dem Preigericht klar, daß hier
streng auf den historischen Stadtgrundriß geachtet wurde und daß alles, was sich hier präsentierte, auch ein
Vorschlag Weinbrenners sein könnte.
So entstand ein geometrisch-strenger Baublock, der
einen Innenhof mit einer Arkade klosterähnlich umschließt. Der Hauptkörper der Bibliothek verbindet die
Erbprinzen- mit der Blumenstraße durch eine Kolonnade. In ihr befindet sich auch auf halber Länge der von der
Erbprinzenstraße abgewandte Eingang, was die Betrachter zunächst verwirrte.
Den ersten Bauabschnitt als geschlossenen Baukörper
konnte Ungers am überzeugendsten aufzeigen. Dabei
legte er mehrere Modelle vor.
Imposant war zunächst die riesige Eingangshalle mit
einer zentralen Kontrollstelle. Die Leseräume überhöhte
er mit einer Kuppel, eingezogen, nach außen nicht sichtbar. Im Obergeschoß befanden sich eine Cafeteria und
die Ausstellungsräume. Sie waren eng mit dem Lesesaal
verbunden. Immerhin entschied sich das Preisgericht in
der Mehrheit der Stimmen für diesen Entwurf. Den Zuschlag zur Errichtung des Baus erhielt der Preisträger jedoch nicht.
Zweiter Akt
Die Überarbeitungsphase und die Durchführung des ersten Bauabschnittes, der für eine relativ unbestimmte
Zeitdauer gedacht war.
Die Nutzung des Entwurfs mit dem 1. Preis war in der
vorgelegten Form nicht möglich. Die Einwände des
Preisgerichts wurden ernstgenommen. Sie lauteten im
einzelnen:
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Die Zufahrt zur Tiefgarage verlief ungünstig zwischen
Post- und Packstelle. Der einzige Eingangsbereich liegt
an der Westseite schwer auffindbar.
Die Innenerschließung ist zwar übersichtlich, aber gekennzeichnet durch weite Wege zum Verwaltungsbereich. Die Orientierung ist leidlich gegeben, Vortragssaal
und Ausstellungsräume sind ungünstig gelegen, da
vom Bibliotheksbetrieb nicht trennbar. Außerdem liegen sie im Obergeschoß.
Publikumskataloge und Leihstelle sind zwar in Beziehung gebracht, doch ist der bibliographische Apparat
von den Katalogen getrennt. Die Freihandmagazine sind
großzügig und gut kontrollierbar. Die Verwaltung auf
zwei Etagen verteilt hat guten Zugang zum Publikumskatalog, liegt aber vom bibliographischen Apparat sehr
weit entfernt. Die Abteilungen müssen noch in ihren
Funktionen näher und kompakter zusammengeführt
werden. Ungünstig liegen teilweise die Arbeitsräume
der Mitarbeiter, da im Verkehrsbereich.
Die Gesamtbewertung wird besonders beeinträchtigt
durch die Lösung für den Hauptlesebereich (Stufen, keine funktionsgerechte Einteilung der Präsenzbestände
möglich). Außerdem ist der weitläufige Flügelbau gegenüber den kompakten Grundrissen im Nachteil.
Hier ist in wenigen Sätzen angedeutet, welche Überarbeitung bei dem Ungerschen Entwurf notwendig war. Es
ging darum, zunächst die verschiedenen Funktionsbereiche näher zusammenzulegen, die Weitläufigkeit
durch kompaktere Grundrisse zu optimieren.
Außerdem mußte bedacht werden, wie Vortragssaal,
Museum und Cafeteria in eine Funktionseinheit gebracht werden können, so daß sie von der Bibliothek abkoppelbar sind. Konzentriert wurde darauf hingearbeitet, gleich in der Nähe des Haupteinganges das Informationszentrum (Bibliographien und Kataloge) nahe an die
Leihstelle heranzubringen. Auch war eine Garderobe
auszuweisen, die mit den Auskunftsstellen den Benutzer
möglichst in Eingangsnähe empfängt. In den wenigen
Monaten der Überarbeitung zeigte sich die Kompromißbereitschaft des Architekten, was die genannten
Schwachpunkte anging. Fast in allen Punkten kam er mit
den Bibliothekaren zufriedenstellend überein. Hilfreich
war ein kritisches Gutachten der Kollegen Kehr und Liebers, das sei hier dankbar erwähnt.
Ein besonderes Augenmerk wurde auf die Konzeption
des ersten Bauabschnitts gelegt. Mehrere klar konzipierte Modelle lagen im Oktober 1981 vor. Der Gesamtkomplex war mit Kosten von 79 Mio. DM veranschlagt. Es
sind für die BLB 14445 m2 ausgewiesen. Mit besonderem Geschick für die künftige Entwicklung legte man
den ersten Bauabschnitt in die Nähe der Stephanskirche.
In einem zweiten Entwurf sind die Kosten mit 10 Mio. DM
für den ersten Bauabschnitt angesetzt. Die Funktionsbereiche sind sehr klein ausgeführt, die in keiner Weise
einer Zweiteilung gerecht würden. Der Riegel bis zur
Achse 5 war zu schmal.
Etwas günstiger ist ein weiterer Vorschlag mit dem Ausbau bis zur Achse 10 bei einem Kostenvoranschlag von
20 Mio. DM. Letztendlich einigte man sich auf einen ersten Bauabschnitt, der die ersten 13 Achsen umschloß.
Damit war die Möglichkeit gegeben, einen Großteil der
Verwaltung in den ersten Bauabschnitt einzubringen. Es
waren dies im einzelnen: die Erwerbungsabteilung, die
Titelaufnahme und die Direktion. Im Nymphengarten
verblieben die Handschriftenabteilung und der Große
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Lesesaal. Die Ausleihe war voll funktionsfähig im ersten
Bauabschnitt untergebracht und lieferte auch die Bücher
aus den Beständen aus, die im alten Magazin verblieben.
Im ersten Bauabschnitt fand die neuere Literatur ab Anschaffungsjahr 1979 Aufnahme. Die ältere verblieb im
Altbau. Wie exakt Ungers zeichnen kann, läßt sich an
dem nächsten planerischen Entwurf erkennen, der bei
einem Volumen von 45 Mio. DM den Bau des Lesesaalbereiches einschließt. Dies wurde jedoch abgelehnt,
ebenso vier andere Entwürfe, die einen ersten Abschnitt
im südlichen Bereich des Bauplatzes vorsahen.
Dritter Akt
Nicht ohne Dramatik oder wie es gelang, obwohl die Bibliothek aus dem
Städtequalitätsverbesserungsprogramm gekippt wurde, die Zweiteilung nicht zu zementieren und die Finanzen für den zweiten Bauabschnitt im
regulären Haushalt des Landes einzubringen.
Die notwendigen finanziellen Ressourcen für den ersten
Bauabschnitt standen 1983 zur Verfügung. Am 9. Dezember fand die Grundsteinlegung für den ersten Bauabschnitt der Badischen Landesbibliothek statt. Aber
wie sollte es nun weitergehen? Es ist dem Engagement
vieler Mitarbeiter zu verdanken, die Baulärm, Baustaub
und auch eine gewisse Unsicherheit über den Fortgang
der Dinge in Kauf nahmen und die Bibliothek funktionsfähig hielten. Ich bin sehr stolz über diese bibliothekarische Leistung. Sie wurde honoriert. 1984 jedoch kam
wie ein Blitz aus heiterem Himmel die Nachricht, daß die
BLB nicht mehr aus dem Städtequalitätsverbesserungsprogramm finanziert werde. Andere, kommunale Projekte standen in Konkurrenz. Wieder mußten politische
Kontakte helfen. Über Abgeordnete gelang es, den Ministerpräsidenten zu überzeugen, daß dieser Torso in der
Erbprinzenstraße nicht stehen bleiben könne. Außerdem
war Oswald Mathias Ungers bundesweit so profiliert,
daß er nicht enttäuscht werden durfte. Sein Ziel, den
Kuppelbau bald zu realisieren, rückte in greifbare Nähe.
Am 18. August 1987 konnte die offizielle Einweihung des
ersten Bauabschnittes der Bibliothek stattfinden. Es war
dem weitsichtigen und persönlich mutigen Entschluß
Lothar Späths, des damaligen Ministerpräsidenten des
Landes Baden-Württemberg, zu verdanken, daß die Mittel für den zweiten Bauabschnitt im Haushalt 1989/90 bereitgestellt wurden. Dies war auch die Überzeugungsarbeit, die vor allem von Mitgliedern der Bibliotheksgesellschaft dem Ministerpräsidenten gegenüber geleistet
wurde. Ebenso war es der Leistung der Bibliothek, die
trotz der Zweiteilung ihre kulturelle Ausstrahlung als
Kulturzentrum behielt, zu danken, daß diese Entscheidung fiel. Bereits nach vier Jahren, am 9. Oktober 1991,
konnte der zweite Bauabschnitt für die Benutzer eröffnet
werden. Am 17. Januar 1992 weihte dann der neue Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, Erwin
Teufel, den Neubau ein. Die Kosten beliefen sich auf
76 Mio. DM. Die Gesamtnutzfläche beträgt 13 800 m2.
Finale
Etwas über Kunst am Bau. Die von streng geometrischen Formen geprägte Gestalt des Bibliotheksgebäudes duldet, damit ein einheitliches Ganzes werde, keine
Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Eck et al. - Bibliotheksneubauten
„narrativen Spaße", wie Owald Mathias Ungers zu sagen pflegt. Abstraktion heißt die Devise für den vom
Quadrat, dem Kreis und der geraden Linie beherrschten
Ort.
So paßt sich denn auch die Kunst im Bau diesem Gesetz
an und findet eine einheitliche Sprache. Im Zentrum der
Bibliothek, gleichsam als geistiger Mittelpunkt, ruht die
Kuppel über dem Quadrat, selbst schon eine dominante
Kunstgestalt. Der Kranz der 4 x 5 Tafeln unterhalb der
Kuppel von Günter Förg in variierendem Grau greift den
Gedanken der hohen Abstraktion der modernen Kunstform auf. Es sind harmonische Formen, die den Betrachter nicht erschrecken, sondern sich fast wie selbstverständlich ins Ganze einfügen. Hier spiegelt sich die zeitlose Ruhe, klar abgegrenzt und eingefaßt.
Im Gegensatz dazu stehen die sechzehn Bibliotheksfragmente des Schotten lan Hamilton Finlay an den Pfeilern
des Hauptlesesaals. Römische Zahlen in Sandstein eingraviert sind kein Stilbruch, sondern bei näherem Betrachten versteckte Hinweise auf Telefonnummern (Vorwahl) der Orte in der Welt, in denen sich eine große Bibliothek befindet: Moskau, Prag, Budapest, Wien; Madrid, Rom, Alexandria, Athen; Rio de Janeiro, Tokyo, Canberra, Washington; Paris, Bern, London und Brüssel.
Deutliche, wenn auch verschlüsselte Hinweise auf die
weltweite Vernetzung dieser Bibliothek mit den großen
Informationszentren in Ost und West, Nord und Süd. Archaisches ist so mit den modernsten Informationsstrukturen verknüpft, um Sinn zu erschließen: die Aufgabe
einer Bibliothek, Informationen aus Vergangenheit und
Gegenwart weltweit zu vermitteln.
Außerhalb der Bibliothek, im Garten vor dem Haupteingang, unter einem grünen Baumdach, das nachts von
unten beleuchtet werden kann, findet der Besucher der
Bibliothek bei aufmerksamem Betrachten eine harmonisch mit dem Gebäude übereinstimmende Skulpturengruppe. Keines der Kunstwerke erschließt sich auf den
ersten Blick. Dennoch befindet sich im Areal kein Fremdkörper. Schützende und doch zugleich offene Wände
aus rotem, sorgfältig gemauertem Klinkerstein, entworfen von dem Dänen Per Kirkeby, symbolisieren die Offenheit und zugleich die Geschlossenheit einer Bibliothek. Den Hinweis auf die Bibliothek nimmt auch der
deutsche Bildhauer Hubert Kiecol in seinem Pfeiler ohne
Kapitell, aber mit den fünf Stufen der Erkenntnis auf. Er
nennt seine Skulptur „Hohe Treppe". Mit der weiß lakkierten Aluminiumskulptur als Gitter in quadratischer
Grundform, den Überschneidungen und Parallelen
weist der Amerikaner Sol Le Witt auf das Gesamtraster
und die quadratische Grundform der Bibliothek hin. Die
meisten Schwierigkeiten dürfte dem Betrachter jedoch
die vierte Skulptur bereiten. Georg Herold schuf einen
viereckigen Schacht, der sich nach oben verjüngt. Er besteht aus in Kupfer galvanisiertem Klinker mit einem
Riß, schräg nach unten. Bei einfallendem Sonnenlicht
zeichnet sich ein Lichtpunkt am Boden des Schachtes ab,
gleichsam als Funken, der die Erkenntnis, die Erleuchtung bringt, die sich jedem in der Bibliothek anbietet. Daher ist es sinnvoll, dieses Gemäuer mit dem Titel „Mehr
Licht" zu versehen.
Hinter dem Bibliotheksgebäude, im internen Bibliotheksgarten, für den Benutzer nicht zugänglich, wird sich
ein „romantischer Garten" mit einer Rosenwand, Bäumen und einer begrünten Pergola präsentieren.
Daß die Bibliothek bestimmten Dichtern und Denkern,
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Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Ecketal.-Bibliotheksneubauten
die vor allem in der Region lebten und wirkten, verpflichtet ist, drückt sich in den neu gegossenen Bronzeköpfen
aus, die sich im offenen Magazin und im Lesebereich
dem Betrachter präsentieren. Der Berliner Bildhauer
Werner Stötzer und sein Schülerkreis aus dem Oderbruch schufen eindrucksvolle Büsten von Philipp Melanchthonf Abraham a Sancta Clara, Johann Jakob Christoffel von Grimmeishausen, Johann Peter Hebel, Joseph Victor von Scheffel und Alexander von Bernus. Diese treten als moderne Schöpfung zu den in der Bibliothek bereits vorhandenen Bronzebüsten von Alfred
Mombert (Artur Zweininger 1931) und Reinhold Schneider. Sie knüpfen damit an eine Tradition an, die sich
auch später weiterführen läßt.
Rationalität und Vision, Zeitlosigkeit und Augenblick, sicheres Wissen und offene Fragen, begrenzte Örtlichkeit
und weltweite Verbreitung spiegeln sich so im Kunstensemble in und um das Gebäude der Badischen Landesbibliothek.
Zum Schluß erlauben Sie mir eine marginale Anmerkung zum Verständnis des Bibliotheksgebäudes in
Karlsruhe.
Wenn gelegentlich zu hören ist, daß dieses Gebäude abartig sei, so dies wohl aus dem Grunde, daß es nur im
Gesamt der Karlsruher Architektur gewürdigt und begriffen werden kann. Ich bin überzeugt, daß die Karlsruher Landesbibliothek ein Gebäude ist, das nicht „nur redet, sondern singt", aber eben nur in der Weinbrennerstadt. Die internationale Fachwelt ist beeindruckt. Die
nationale Fachwelt platzt teilweise vor Neid. Die Kritik
der Architekten war sehr oft unsachlich, blind und auch
etwas hochmütig. Diese Architektur, das ist meine feste
Überzeugung, hat zeitlose Formen. Sie ist nicht nur
schön, klar und feierlich, sondern auch geprägt von der
einfachen Geometrie, der klaren Linie. Die Metaphern
der Schönheit dieser Geometrie, die klar und ruhig den
Verstand ansprechen, haben allerdings auch etwas Kühles, Strenges. Das deutsche Gemüt bleibt vielleicht auf
der Strecke. Die Zauberworte dieser Architektur heißen
Maß, Proportion und Ordnung. Dies ist die Bauphilosophie Ungers, die als Kunst das Gewesene nicht überspringt, sondern als zeitgenössische Architektur der Erinnerung dient und gerade darum der bibliothekarischen Arbeit sehr nahesteht. Das Ziel, ein Gebäude zu
errichten, das in sich stimmig ist, dürfte gelungen sein.
Aber eben nur für diesen Ort. Gute Architektur ist nie etwas Statisches, sie verändert sich. Sie verändert sich
dann, wenn das Haus benutzt wird. Architektur kann
zum Unterschied von anderen Kunstwerken mit Menschen, mit neuem Leben erfüllt werden und dadurch geschieht eine ständige Verwandlung. Man hat Oswald
Mathias Ungers als einen Architekten apostrophiert, der
im Konflikt zwischen Baukunst und Gebrauchswert
steht. Ich möchte das korrigieren. Wir haben bei dem Errichten der Badischen Landesbibliothek vom Architekten das eine gelernt, daß es sich bei einem Bibliotheksbau dieser Größenordnung stets auch um einen künstlerischen Entwurf handelt, der eigenen Gesetzmäßigkeiten unterliegt und nicht total zerstört werden darf. Es erfüllt mit Freude und Genugtuung, daß der Architekt mit
der Zeit akzeptierte, daß sein Bibliotheksbau einem bestimmten Zweck dienen muß, der Abstriche auch von
der ursprünglichen Konzeption erforderlich machte.
Lassen Sie mich schließen mit einer Erzählung von Bertolt Brecht. Diese findet sich in den Geschichten von
345
Herrn Keuner: „Einigen Künstlern geht es, wenn sie die
Welt betrachten, wie vielen Philosophen: Bei der Bemühung um die Form geht der Stoff verloren. Ich arbeitete
einmal bei einem Gärtner. Er händigte mir eine Gartenschere aus und ließ mich einen Lorbeerbaum beschneiden. Der Baum stand in einem Topf und wurde zu Festlichkeiten ausgeliehen. Dazu mußte er die Form einer
Kugel haben. Ich begann sofort mit dem Abschneiden
der wilden Triebe, aber wie sehr ich mich auch mühte,
die Kugelform zu erreichen, es wollte mir nicht gelingen.
Einmal hatte ich auf der einen, einmal auf der anderen
Seite zu viel weggestutzt. Als es endlich eine Kugel geworden war, war die Kugel sehr klein. Der Gärtner sagte
enttäuscht: ,Gut, das ist die Kugel, aber wo ist der Lorbeer?"1 Ich darf im Blick auf die Badische Landesbibliothek sagen, diese Kugel ist groß genug, daß man gut erkennt, daß es eine Bibliothek ist. Auch von außen eine
Bibliothek, die zwar Ähnlichkeit hat mit einem römischen Tempel, aber doch eine Schatzkammer für Bücher
ist, die ständig wächst und im Quadrat vielfältige Chancen funktionaler Gestaltung in sich birgt, auch die, daß
die Informationssuchenden keine Schwellenangst vor
diesem Bau mehr kennen, sondern längst sich hier daheim fühlen wie in einer Arche für Bücher, in der Altes
und Neues zu finden ist und in der man sich häuslich einrichten kann.
3
Die Planung und Realisierung des
Neubaus der Universitätsbibliothek
Eichstätt - Erfahrungen aus der Sicht des
Architekten
(von Manfred Sabatke u.a.)
Der Entwurf ist als erster Preis aus einem Architektenwettbewerb hervorgegangen. Wesentlich für die Entscheidung war wohl die Frage, ob der Neubau in der
Stadt stehen oder ob er, schon von seiner Größe her,
mehr außerhalb der Stadt liegen sollte. Bei einer städtischen Lösung hätte der Neubau eingebunden werden
müssen in die städtische Substanz. Typische Elemente
wären aufgenommen und weitergeführt worden, zweifellos wäre die Situation beengter gewesen.
Wir entschieden uns für eine Lage in der Auenlandschaft
außerhalb der Stadt. Hier war das Gebäude mehr auf
sich gestellt. Vorteile waren: mehr Freiheiten und die
Möglichkeit, das Gebäude aus seinen eigenen Gesetzmäßigkeiten heraus zu entwickeln. Seine Gestaltmerkmale beziehen sich auch auf den Verbund mit den nachbarlichen Elementen, den Straßen, den hohen umgebenden Bäumen, der Altmühl. Sie ordnen sich aus sich
heraus, eher landschaftlich aus der Art der Teile und der
Art der Beziehungen zueinander.
So wie sich z. B. außerhalb einer Stadt im Walde an einer
Straßenbahnhaltestelle Verkehrsstraßen kreuzen, Waldwege einmünden, Straßenbahngleise hereingeführt
werden, unterschiedliche Waldsituationen zusammentreffen, wo es Sichtschneisen gibt, Einblicke in den Wald
und die Blickbeziehung zum Fernsehturm. Scheinbar
zwanglos bilden sich Plätze und besondere Orte. Ähnlich
dieser Situation treffen im Bibliotheksgebäude zahlreiche Gestaltmerkmale zusammen, die unterschiedlichen
Nutzungsbereichen zugehören. Vor allem der Hallenraum wird in dieser Art besonders interessant. Auf zwei
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346
Seiten bilden die Gebäudeflügel der Seminarräume
Raumkanten, ihnen gegenüber ist über zwei Geschosse
hinweg der Lesesaal angeschlossen. Dazwischen entwickelt sich ein hoher Hallenraum mit verschiedenen
Ebenen und Treppenverbindungen.
Im Erdgeschoß der Halle wurden die verschiedenen Situationen zusammengeführt: Zugang, Verwaltungsteil,
Vortragsraum, Benutzungsabteilung, Büchermagazin,
Lesebereich mit Freihandbibliothek, die dem Lesebereich vorgelagerte Buchausgabe, ein Grünplatz vor dem
Aufzugsgerüst, Vitrinen für Ausstellungen, Schränke für
Garderoben; Cafeteria und Sitzmöglichkeiten liegen an
der Halle und Nischen oder Buchten laden zum Ausruhen ein. Im niedrigen Bauteil markiert ein Lichtschlitz die
Lage der darüberliegenden Büroräume. Eine Pflanzzone
wird von oben durch Tageslicht erhellt.
In den Obergeschossen bilden sich -an die Halle angelagert- Buchten und Orte, dort, wo die Gebäudeflügel der
Seminarbauten zusammengeführt sind. Die Treppenläufe, die im Hallenraum die Ebenen miteinander verbinden, sind frei entwickelt. Sie sind gegeneinander verschoben, so können diese auf die spezielle An- und Austrittssituation in den verschiedenen Geschossen eingehen.
Besondere Probleme bei der Bearbeitung bot die Trennwand zwischen Eingangshalle und Lesesaal. Sie trennt funktional und technisch richtig-zwei Bereiche optisch,
akustisch und luftraumtechnisch, an einer Stelle, wo sie
nach architektonischen Gesichtspunkten miteinander
verbunden sein sollten. Diese Trennwand wird materiell. Schon dadurch fallen ihr weitere Aufgaben zu. Dieses vielschichtige Problem spiegelt sich in der Gestalt
der Wand wider: Zur Eingangshalle hin präsentiert sich
diese Wand in ihren geschlossenen Partien als „Farbträger" mit in kräftigen Farben lasierten Holztafeln. Dazwischengeschaltete Glasfelder öffnen die Wand, interessante Aus- und Einblicke entstehen. Zum Lesesaal hin
werden die geschlossenen Felder zu Regalrückwänden.
Die Glashaut darüber ist so konstruiert, daß weniger das
Trennende als vielmehr das Verbindende in Erscheinung tritt. Das Herausarbeiten und Sichtbarmachen der
unterschiedlichen Aufgaben, die ein Element wie die
Trennwand in den unterschiedlichen Situationen erfüllt,
hat es ermöglicht, sie auf vielfältige Art in den Hallenbereich einzubinden, ohne daß andere, kleinere Elemente
dominiert werden.
In ähnlicher Art und nach ähnlichen Prinzipien wurde die
Außenhaut des Lesesaals bearbeitet. Fassaden werden
heute von versierten Spezialfirmen konstruiert. Das Thema ist weitgehend ausgereizt. Die Schlüssigkeit der
technischen Lösung „verschließt" die Fassaden. Gleichmäßige Raster überziehen diese: oben, unten, links,
rechts - die Teilung und Elemente sind ähnlich bis
gleich. So überzieht eine tendenziell monotone Haut das
Ganze, wie der Curtain Wall beim Hochhaus. Diese Gesetzmäßigkeiten standen unserem Ansatz entgegen.
Nun haben wir versucht, im Rahmen dieser Vorgaben
(d. h. vergleichbare Kosten, anerkannte Regeln der
Technik) mögliche Freiheiten und mögliche Individualität aufzuspüren. Raster und Skelett stehen für ein einfaches Verfahren, das hier jedoch nicht seine übliche Monotonie entfalten sollte. Vielmehr wurde der Versuch unternommen, Freiheiten zu suchen innerhalb des konstruktiven Systems.
Das äußert sich z. B. in den unterschiedlichen Scheiben-
Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Eck et al. - Bibliotheksneubauten
größen, im Versatz der Horizontalriegel und in den Farblinien, die als eigenständige Schicht Teile der Fassaden
überziehen. Die Möglichkeiten der Freiheit dürfen aber
nicht gleichgesetzt werden mit Willkür. Handelt es sich
doch um eine Differenzierung, die sich erst im Zusammenspiel der Lösung unterschiedlicher Problemstellungen ergibt. Bei der Fassade waren Teilaufgaben zu lösen : Wie sehen Tragpfosten im Normalfeld aus, wo sind
diese sinnvoll, wie werden die Windkräfte abgeleitet,
wie sieht die Ecklösung aus usw.? Es wurden also Möglichkeiten zur Individualisierung der Teile gesucht.
Es ließen sich auch andere Bauelemente aufführen, an
deren Lösung ähnlich herangegangen wurde, z. B. der
Natursteinboden der Halle: Ein System von Linien gliedert die Fläche. Dort wo sie sich kreuzen, liegt der
Schwerpunkt der Halle. Unterschiedlich große rechtekkige Platten aus Jura-Marmor füllen die Teilflächen im
römischen Verband. In den Mittelzonen entstehen Zwikkelbereiche, die aus den unterschiedlichen Winkeln der
Randanschlüsse resultieren. Von besonderer Bedeutung ist auch die Art der Farbe auf Wänden, Decken und
Stützen; nicht deckend, sondern in vielen abgestuften
Tönen lasierend aufgebracht, aufbauend auf den Erfahrungen, die wir mit Fritz Fuchs im Studienzentrum der
Evangelischen Landeskirche in Stuttgart-Birkach gewonnen und beim Herbert-Keller-Haus der Diakonie in
Stuttgart weiterentwickeln konnten. Die Farbe gewinnt
so an Tiefe, verschließt Raum oder Fläche nicht und ist
von großer Lebendigkeit.
Darüber hinaus wurden andere Themen bearbeitet, die
nicht direkt in den praktischen Funktionen zu begründen
sind; Themen, die übergreifend jedoch das Gebäude
mitbestimmen in seinen Teilen und im Ganzen. Ein solches Thema liegt im „Licht". Das Licht macht uns sehend, unsere Welt erkennend, modelliert die Dinge plastisch, läßt sie farbig erscheinen, zeigt uns die Tagesund Jahreszeiten an und vieles andere mehr. Vor allem
mit Hilfe des Lichtes ist das Gebäude der Bibliothek erkennbar in seine Welt eingebunden. Und dieses Licht
kann nicht nur physikalisch gesehen werden, es steht
darüber hinaus für vieles andere. So ist das Licht auch
eine Metapher für Geist, den Geist des Menschen und
darüber hinaus für göttliche Weisheit. In der Geschichte
finden wir hervorragende Beispiele für diese Zusammenhänge in den Kathedralen des Mittelalters, im Barock, aber ebenso in der Glasarchitektur unseres Jahrhunderts.
Es lag nun nahe, bei der Planung dieses Bibliotheksgebäudes sich diesem Thema zuzuwenden und Lichtphänomene zu bearbeiten und ästhetisch zu überhöhen.
Gleichermaßen liegt es nahe, Werke der Kunst, die der
neuen Anlage zugeordnet werden sollen, auch aus diesem Bereich auszusuchen. Einerseits wird so das Thema
gestärkt, andererseits wird verhindert, daß Kunst sich
gegen die die Architektur bestimmenden Themen stellt.
Werke von Luther, Mack, Panamarenko sind vorgesehen. Bei der Planung des neuen Bibliotheksgebäudes
wurde viel investiert, an Engagement, aber auch an Risiko, an Suche nach dem „Besseren". Ohne die spezielle
„Bauherrschaft", die Stiftung der Katholischen Universität, die sich ihrer „Besonderheit" sehr bewußt ist, hätte
das Gebäude so nicht entstehen können. Vielleicht hat
das neue Gebäude so eine Chance zu bestehen neben
der Qualität der alten Stadt, ihren alten Bauwerk-Schätzen und den kunstvollen Ergänzungen durch Karljosef
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Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Ecketal.-Bibliotheksneubauten
Schattner. Schattner hat bei diesem Bauwerk die Bauherrschaft vertreten.
Universitätsbibliothek und Fakultätsräume der Katholischen Universität Eichstätt
Architekten:
Projektarchitekten:
Behnisch & Partner
Stuttgart
Manfred Sabatke
Christian Kandzia
Joachim Zürn
Mitarbeiter:
Helmut Dasch
Jutta Schürmann
Cornelia Theilig
Birgit Weigel
Thomas Zimmermann
Bauleitung:
Martin Huhn
Landschaft mit:
Luz und Partner
Bauherrschaft:
Stiftung der Katholischen
Universität Eichstätt
vertreten durch das
Universitäts-Diözesanbauamt Eichstätt
Baudirektor
Prof. Karljosef Schattner
34 200 m3
Umbauter Raum (Bruttorauminhalt):
9 300 m 2
Bruttogrundrißfläche:
Wettbewerbsentwurf:
Mai 1980
Beginn der Rohbauarbeiten
April 1984
Richtfest:
25. Juni 1985
Einzug ab:
Oktober 1986
26. November 1987
Tag der Einweihung:
19 912 000-DM
Kosten des Bauwerks (brutto):
Gesamtbaukosten:
25 500 000 - DM
Kosten pro Kubikmeter:
582 - DM
Kosten der Zufahrtsstraßen,
der Parkierungsflächen und
des Garagengebäudes für
1 757 600,- DM
Dienstfahrzeuge:
Das neue Gebäude der
Niedersächsischen Staats- und
Universitätsbibliothek Göttingen
4.1
Einführung
(von Elmar Mittler)
Es ist für mich ein besonderes Erlebnis, ein Gebäude beziehen zu können, das ich nicht selbst geplant habe. Als
ich am 1. Oktober 1990 meinen Dienst hier in Göttingen
antrat, wurde wenige Monate später das Richtfest für
den Neubau gefeiert: die Grundstrukturen des Gebäudes standen festgemauert oder -betoniert eindeutig fest.
Bei der Gestaltung mitwirken konnte ich nur noch bei einigen Details - z. B. dem Einbau von Hohlraumboden in
den Lesebereichen und der Gestaltung der Katalogbereiche. Beides habe ich mit der Zielrichtung getan, den
EDV-Einsatz auch für die Leser zu erleichtern.
Obwohl ich also das Gebäude kaum mitgestalten konn-
347
te, fällt es mir leicht, es fast rückhaltslos zu bejahen. Der
Grund ist einfach: Es bedeutet in vieler Hinsicht die Realisierung von Grundvorstellungen des Bibliotheksbaus, die
sich für mich aus meiner Erfahrung mit der Planung am
Neubau in Freiburg, bei der Durchsetzung des Raumbedarfsprogramms und in der Vorbereitung der Wettbewerbsunterlagen für den Neubau in Karlsruhe 1977-791
und bei der Sanierung des alten Bibliotheksgebäudes in
Heidelberg 1980-19902 ergeben haben. Bei einem Baukolloquium in Freiburg 19803 habe ich sie in lOThesen zusammengefaßt, von denen ich auf 6 hier zurückgreifen will.
1. „Zu ihrer Effektivität bedarf die Bibliothek einer
günstigen Lage, übersichtlicher Gliederung mit geradezu magischer Führung des Benutzers an die einzelnen funktionalen Stellen. Das spricht für gegliederte, also nicht voll flexible Gebäude." Diese Forderungen sind alle ausgezeichnet erfüllt:
- Alle Studenten, die aus der Altstadt auf den Campus
kommen, gehen am Gebäude vorbei. Intensive Nutzung ist damit vorprogrammiert. Eine Verdoppelung der Bestellungen aus den Magazinen nach wenigen Wochen ist schon jetzt die Folge.
- Beim Hineingehen ins Gebäude blättern sich einem
die wichtigsten Funktionen wie von alleine auf:
Lehrbuchsammlung und Leihtheke, Aufgang zu den
Lesebereichen, Kataloge und Informationszentrum.
- Das Gebäude ist klar in die Bereiche für Personal und
Leser gegliedert; sie werden durch die große Halle
zusammengeführt, die der Kommunikation von Bibliothekaren und Benutzern dient.
2. „Die moderne Bibliothek zeichnet sich durch klare
Ausrichtung auf die Bedürfnisse ihrer Benutzer in
Buchbestand und Buchaufstellung aus. Die Benutzungshäufigkeit ist der wesentliche Aspekt für die Aufstellung des Buches in den Präsenzbeständen, Freihandbeständen oder geschlossenen Magazinen."
Auch diese Forderungen sind weitgehend erfüllt: So
befindet sich die Lehrbuchsammlung gleich im Eingangsbereich; Präsenz- und Freihandbestände für
die Lesebereiche sind allerdings vermischt. Das
bringt manche Probleme; vor allem vermissen unsere Leser ein riesengroßes Freihandzeitschriftenmagazin, wie es im Altbau bestand. Wir haben uns
deshalb entschlossen, durch Öffnen des großen
dreiteiligen Flächenmagazins im 2. Untergeschoß
mehr Freihandbestände zugänglich zu machen. Die
Nutzbarkeit der Architektur zeigt sich darin, daß
auch dafür eine gute Anbindung zum Treppenhaus
und dem Aufzug gleich links vom Eingang besteht.
3. „Flexibilität bleibt in Buch- und Lesebereichen
Trumpf, um neue technische Medien berücksichtigen, aber auch Änderungen der Interessenlage der
Benutzer bei der Buchaufstellung konsequent nachvollziehen zu können."
Vgl. meinen Bericht: Der Einsatz von Flächenrichtwerten bei
der Programmierung von Bibliotheksbauten. Erfahrungen bei
der Planung des Neubaus der Badischen Landesbibliothek
Karlsruhe und des Umbaus der Universitätsbibliothek Heidelberg, In: Bibliotheken bauen und führen. München 1983.
S. 136-155.
Bibliothek im Wandel. Ein Werkstattbericht über die Sanierung des Gebäudes der Universitätsbibliothek Heidelberg.
Heidelberg 1989.
Zentrale Hochschulbibliotheken. Struktur und Organisationsformen und deren Auswirkungen auf das Gebäude. In: Zentrale Hochschulbibliotheken. München 1980. S. 11-20.
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Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Ecketal.-Bibliotheksneubauten
348
Abb. 1: Stadtbibliothek Stockholm, Querschnitt
Abb.2 Stadtbibliothekstockholm
Hier ist das Maximum an Möglichem geschehen:
Durch den Hohlraumboden kann fast die ganze Bibliothek auf Dauer für elektronische Medien genutzt
werden; die Katalogkästen sind auf Tische gesetzt,
die bereits verkabelt sind.
4. „Auch Nebenbedürfnisse der Benutzer wie Möglichkeiten zur Gruppenarbeit, das Angebot von Ausstellungen und Vortragsräumen (auch zur Benutzerschulung) und Erfrischungsräume sind erforderlich.
Die Bibliothek sollte so sein, daß sie der Benutzer gar
nicht mehr verlassen will."
Gruppenarbeitwarin den oberen Räumen der Rotunde
vorgesehen, die zugunsten einer Erweiterung der Cafeteria aufgegeben wurden. Es ist aber zu hoffen, daß
sie weiterhinfürdiese Funktion mitgenutztwerden. Ein
Seminarraum befindet sich gleich im Eingangsbereich. In der Halle sind auch Ausstellungen möglich.
5. „Man sollte beim Bau von Bibliotheken auch an das
Personal denken. Gerade bei Neubauten der 70er
Jahre ist es öfters zu kurz gekommen. Die Formel dafür scheint einfach: weniger Großräume und weniger Klimatisierung."
Die Forderung nach kleineren Arbeitsräumen sind
exakt eingehalten; sie kommen ohne Klimatisierung
aus, die es nur in den unterirdischen Magazinen und
den Benutzungsbereichen gibt-übrigens gleich mit
all den Problemen künstlicher Belüftung wie Zugerscheinungen oder zu große Hitze oder Kälte, wie
man sie auch anderswo kennt. Deshalb nimmt die
Mehrzahl der Mitarbeiter gern in Kauf, daß die Ausdehnung der Verwaltungsbereiche relativ groß ist;
manche haben deshalb im Scherz schon Rollschuhe
als Dienstfahrzeuge erbeten.
6. Die zentralen Bereiche sind mit besonderer Sorgfalt
bedacht. Der Posthof, auf dem sich die Bücherautos
aus Hessen und Sachsen-Anhalt treffen, ist auch architektonisch eine kleine Meisterleistung.
Es ist deutlich erkennbar, daß man bei diesem Gebäude
weitgehend „abhaken" kann, was ich mir als Bibliothekargewünscht habe. Besonders schön aber ist es, daß es
auch nicht schwerfällt, sich mit der Ästhetik des Bauens
des Architekten Gerber und seiner Partner anzufreunden. Es ist eine überlegte Art des Gestaltens, die man
vielleicht als den Baustil einer „aufgeklärten Moderne"
bezeichnen könnte - bestimmt nicht das schlechteste für
eine Bibliothek, die ihrerseits als ein besonders gelungenes Kind der Aufklärung bezeichnet werden kann.
4.2
Der Entwurf aus Sicht des Architekten
(von Eckard Gerber)
4.2.1 Zeitgeschichtliche Einordnung, Gebäude
und Raum
Mit dem Wunsch Bücher aufzubewahren, sie zu präsentieren und aus diesem Ort eine Stätte der Begegnung und
Kommunikation zu machen, formuliert sich wie von
selbst die Bauaufgabe einer Bibliothek. Die Bedeutung
des Buches für den Menschen war durch alle Jahrhunderte so groß, daß immer wieder Bibliotheksgebäude mit besonderem repräsentativen Anspruch entstanden sind.
So sind die öffentlichen römischen Bibliotheken nach
dem Vorbild der Griechen in einer klassischen Dreiteilung aufgebaut, und zwar mit einem Raum zur Aufbewahrung der Rollen, einem Repräsentationsraum zum
Lesen und Studieren und einer Wandelhalle. Aus der Barockzeit kennen wir den großen Gesamtraum, den Bücherfestsaal als Bibliothek, eine geschlossene Einheit
von Speichern, Verwalten und Lesen in einem Raum,
eine Einheit von Kunst und Buch als „Gesamtkunstwerk
Bibliothek".
Mit den aufklärerischen Gedanken des Klassizismus und
der damit verbundenen Öffnung der Bibliothek gegenüber den Bürgern, aber auch mit der vermehrten Buchproduktion entwickelte sich wieder eine funktionale
Gliederung der Bibliotheken in die Bereiche Lesen, Bearbeitung und Aufbewahrung. Der Gedanke des Präsentierens der Bücher, aber auch der Wunsch nach eigener Repräsentation durch das Buch, ließ in dieser Zeit großartige Gebäude mit beeindruckenden Räumen als Lesesäle
entstehen. Dabei wird der museale Gedanke der Bibliothek des Klassizismus in ihrer Bauform deutlich. Das
Aufbewahren und Präsentieren des Buches führt zu
grundrißlichen Gebäudedispositionen, die den Museen
dieser Zeit ähnlich sind. So könnte das Berliner Museum
von Schinkel in seiner grundrißlichen Anlage als Gebäude ebensogut eine Bibliothek sein. Die um den mittigen
Kuppelsaal rechtwinklig gruppierten Gebäuderiegel ergeben mit der zentralen Mitte des Kuppelsaals eine klassisch dreigeteilte Bibliothek. Der mit Statuen künstlerisch gestaltete zentrale Mittelbau wäre mit der Darstellung von Buchkunst, sprich ausgestatteten Büchern austauschbar.
Der letzte in dieser Zeitschiene auf diesem Grundrißschema entwickelte Bibliotheksbau entstand in den 20er
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349
Bibliothek 17.1993. Nr. 3Ecketal.-Bibliotheksneubauten
Abb. 4: Grundriß der Staatsgalerie Stuttgart
Abb. 3: Grundriß der Stadtbibliothek Stockholm
Abb. 5: Grundriß der Bibliothek in Oregon (USA) von Alvar Aalto
Abb. 6: Bibliothek in Oregon (USA), Lesesaal (Architekt Alvar
Aalto)
Jahren für die Stockholmer Stadtbibliothek von Asplund. Der große, mittige, zylindrische Lesesaal vermittelt wegen seiner zurückgenommenen Architektur weniger die Absicht der Repräsentanz, trotzdem wird nach
wie vor der repräsentativ-introvertierte Ansatz als
Grundhaltung für die Bibliothek hier weiterhin deutlich
(Abb. 1,2 und 3).
Die Grundriß-Struktur der Asplundschen Bibliothek
übernahm Sterling dann in den 80er Jahren als Grundlage für seine Staatsgalerie in Stuttgart (Abb. 4). Er selbst
zitierte jedoch das Schinkelsche Berliner Museum als
Ausgangspunkt für seinen Entwurf, gleichwohl wird in
der Gegenüberstellung der Grundrisse deutlich, daß
das auf dem Schinkelschen Grundriß weiterentwickelte
Asplund-Konzept in Stuttgart seine Fortsetzung fand.
Jedoch ist der bisher mittige Zentralraum bei Sterling
nicht mehr der repräsentative Festraum, sondern vielmehr ein Raum, der öffentlicher Weg und offener Ausstellungsraum zugleich ist und somit das Sich-Öffnen
des Hauses als Stadtraum dokumentiert.
Mit diesem alten und doch ganz tiefsinnigen, neuen
Grundrißkonzept der Sterlingschen Staatsgalerie in
Stuttgart wäre dann eigentlich ein Bibliotheksgebäude
mit zentralem „Kuppelraum" als Lesesaal, wie es nochmal in den 90er Jahren in Karlsruhe entstanden ist, nicht
mehr möglich gewesen. Die Karlsruher Landesbibliothek ist so ein unserer Zeit wenig angemessener Rückgriff auf alte Schemata, die dem modernen Gedanken
der Bibliothek und des Ausdrucks des Zeitgeistes in dieser Bauaufgabe kaum mehr gerecht werden kann. Selbst
die Ableitung des Konzeptes von der gegenüberliegenden Kuppelkirche St. Stephan von Weinbrenner ist eher
eine vordergründige Rechtfertigung.
Der in allen Jahrhunderten so wichtige Aspekt der Repräsentation, der sich für jeden klar ablesbar in der Formulierung der Bibliotheksbauten bisher deutlich machte, wich in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts stärker dem Gedanken des Öffnens der Bibliothek, stärker
dem Gedanken des Anbietens des Buches gegenüber
seinen Nutzern. Nicht die Introvertiertheit, der künstlich
belichtete, geschlossene, repräsentative Zentralraum,
sondern vielmehr das offene Haus, mit der Landschaft
und mit dem Umfeld verbundene Leseräume sind heute
Bilder für einen Bibliotheksbau unserer Zeit.
Einer der wichtigsten Vertreter und Vordenker der gänzlichen Neuformulierung von Bibliotheksbauten ist unumstritten der finnische Architekt Alvar Aalto. Schon in den
30er Jahren entwickelte er diesen offenen Raum, später
den gefächerten, offenen Grundriß des Lesesaales, der
mit seiner Form Offenheit und Freiheit für die neue Bibliothek symbolisiert. Zwar klingt noch in seiner Bibliothek in
Oregon (USA) das Zylindrische eines früheren Kuppelsaales in der Handwurzel des Fächergrundrisses deutlich an,
jedoch ist die gesamte Disposition des baulichen Grundgedankens der Bibliothek weit von der Introvertiertheit
des klassischen Kuppelsaales entfernt (Abb. 5 und 6).
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350
Abb.7: Lesesaal der Bibliothek in Rovaniemi (Architekt Alvar
Aalto)
Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Eck et al. - Bibliotheksneubauten
Abb. 9: Bibliothek in Rovaniemi
Das Abbauen von Zwängen in der Architektur, aber auch
das Zurücknehmen falscher Repräsentation zugunsten
von Privatheit sind Ansätze für Aaltos Bibliotheken. Neben der Untersuchung über die Ausleuchtung von Leseräumen hat Aalto den in sich abgestuften Lesesaal erfunden, sozusagen den Raum im Raum, der mit Abstufungen von ca. 90 cm im oberen Teil als „Brüstung" Lesetische entstehen ließ und im unteren Teil die 1,80 m2,00 m hohe Wand zur Aufnahme der Bücherregale benutzt. Mit diesem Raumsystem hat Aalto wunderschöne
Bibliothekslesesäle geschaffen, wie wir sie schon bei der
Bibliothek von Viipuri aus den 20er/30er Jahren kennen,
aber auch bei der Bibliothek in Rovaniemi aus den 60er
Jahren (Abb. 7). Dieses höhengestufte Raumkonzept
haben wir bei unserer Bereichsbibliothek beim Bildungszentrum der Bundesfinanzverwaltung in Münster
angewendet und so einen für die Menschen angenehmen Lesebereich entwickeln können.
Daß unsere gedanklichen Ausgangspunkte für die
Grundstruktur einer Bibliothek weniger auf den klassizistischen Vorbildern, sondern viel eher auf der Grundlage der Aaltoischen Gedanken aufbauen, macht der Vergleich der beiden Bilder unserer Göttinger Bibliothek mit
der Bibliothek in Rovaniemi von Aalto deutlich (Abb. 8
und 9).
Abb. 10: Modellfoto der Deutschen Bibliothek, Frankfurt am
Main, Entwurf Gerber
Abb. 8: Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek,
Göttingen
Auf dem gleichen Gedankengut der Architekturmoderne
ist auch der Entwurf der Staatsbibliothek Berlin von
Scharoun aufgebaut. Der große, offene Lesesaal ist eine
beeindruckende, neue Raumschöpfung; dabei spielt die
Oberbelichtung des Saales eine große Rolle. Scharoun
spricht hiervon einer „Himmelschaft", die an himmelartig ausgemalte Raumüberwölbungen barocker Bibliotheken erinnert und doch ein ganz anderer Raum, ein
Raum unserer Zeit ist. Bei der Scharounschen Bibliothek
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Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Eck et al. - Bibliotheksneubauten
Abb. 11: Grundriß der Univeristätsbiliothek Kiel, Entwurf Gerber
in Berlin wird die klassische Dreiteilung in eindrucksvoller
Weise deutlich, und zwar der Teil der Benutzer, wie Katalogbereich und Lesesäle, der Teil der Verwaltung und
der Teil des Magazines. Außergewöhnlich ist dieser
große Magazintrakt, der sich in den Obergeschossen
wie ein riesiges skulpturales Gebäudeelement im Stadtraum markiert. Bei der Berliner Staatsbibliothek wird
nun der Aspekt des Repräsentierens oder besser gesagt,
das Darstellen der Bedeutung des Buches in Architektur
wieder deutlich. Das drückt sich zum einen in der großartigen Gebäudeskulptur für den Stadtraum aus, aber
auch zum anderen in der inneren Raumgestalt, auch und
ganz besonders hinsichtlich der großzügigen Wegeführung vom unteren Eingangsfoyer über den Katalogbereich, die großen Freitreppen nach oben zu den Lesesälen.
Waren in den früheren Jahrhunderten die verschiedensten Bauaufgaben durch Typus und Kanon durch ihre
Gebäudestruktur festgelegt, gehen heutige Entwurfskonzepte auch für Bibliotheksbauten von ganz unterschiedlichen Entwurfsansätzen aus, wobei die konzeptionellen Ansätze sowohl aus dem städtebaulichen Umfeld wie aus neuen und unterschiedlichen Interpretationen der inneren Raumfunktion entstehen. Die so entstehende Vielsprachigkeit der heutigen Architektur ist Ausdruck unseres differenzierten Zeitgeistes in allen Bereichen von Kultur und Wissenschaft.
So ist die Scharounsche Bibliothek in Berlin eher eine
freie Gebäude-/Raumplastik, eher ein Solitär im Stadtraum, in der Gesamtkomposition von Philharmonie und
Nationalgalerie; dagegen unser damaliger Wettbe-
Abb. 12: Modell des Neubaus der Niedersächsischen Staatsund Universitätsbibliothek Göttingen (Architekt Ekkard Gerber), auf dem Geisteswissenschaftlichen
Campus der Universität
werbsentwurf für die Deutsche Bibliothek in Frankfurt
(Abb. 10) eher ein Konzept, das sich aus den vorhandenen städtebaulichen Gegebenheiten entwickelt und die
vorhandene Stadtstruktur mit dem neuen Gebäude vervollständigen soll. Die Öffnung des Lesesaales zum
Grünraum, also das Verknüpfen von Benutzungsbereich
und Landschaft ist bei unserem dann folgenden Entwurf
für die Göttinger Bibliothek im Ansatz ähnlich wie in
Frankfurt. Auch unser Entwurf für die Kieler Universitätsbibliothek (Abb. 11) ist ein stark landschaftlich orientiertes Entwurfskonzept. Hier werden die Benutzungsbereiche in freien Formen entwickelt und dagegen ein langer, eher geometrisch linearer Gebäuderiegel gesetzt,
mit den bibliotheksdienenden Einrichtungen wie Verwaltung, etc. Zwischen beiden Bereichen spannt sich
eine lange, lineare aber frei geformte Benutzerhalle, von
der aus alle Bibliothekseinrichtungen erschlossen werden. So ist auch der Riegel für die Verwaltung eher ein
geschlossener Gebäudeteil und die Bereiche für die Nutzer im Gegensatz hierzu ein offen gedachter Raumbereich, der durch die Konzeption der schwebenden Dekken und Dächer diese Offenheit auch architektonisch formuliert.
Ähnlich ist auch Göttingen konzipiert. Die Besonderheit
des Standortes hat hier jedoch bei Zugrundelegung gleicher gedanklicher Ansätze eine andere Gebäudeform
und so auch eine andere funktional räumliche Struktur
erhalten.
Dieses neue Gebäude der Niedersächsischen Staatsund Universitätsbibliothek (NSUB) in Göttingen sollte
sich in der stadträumlichen Struktur des Geisteswissenschaftlichen Zentrums der 60er und 70er Jahre verankern und ist deshalb in seiner Baukörpergliederung im
Osten, Norden und Nordwesten aus der vorgefundenen
Orthogonalität abgeleitet und bildet so ein „Gebäuderückgrat" (s. Abb. 12). Nach Süden hingegen öffnet sich
das Gebäude in einer freien, fingerartig ausgeformten
Gliederung zur Stadt und verzahnt sich so mit der vorgelagerten Parklandschaft. Damit soll das neue Gebäude
der Staats- und Universitätsbibliothek in Verbindung mit
dem Grünbereich des Walls und des Botanischen Gartens zum Verknüpfungselement zwischen Universität
und Stadt werden und so die besondere Bedeutung der
Bibliothek für die Stadt- und die Universität dokumentieren. Mit diesem, aus dem städtebaulichen Umfeld, aber
auch aus der Bedeutung der Aufgabe für Stadt und Uni-
Abb. 13: Fingerstruktur des Neubaus der Niedersächsischen
Staats-und Universitätsbibliothek Göttingen (Modell)
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352
versität entwickelten städtebaulichen Konzept, ist in
gleicher Weise eine aus den Notwendigkeiten und Wünschen der innenräumlichen Bedingungen einer Bibliothek sinnvolle Gebäude- und Grundrißstruktur entwikkelt worden.
So ist dem Gebäudebereich des Rückgrates die der Bibliothek dienende Funktion der Verwaltung zugeordnet
(ähnlich wie beim Kieler Konzept), die dreiseitig die Fläche des Benutzungsbereichs und die des Niedersächsischen Zentralkatalogs umgibt. In der hierzu im Kontrast
stehenden eher freien und offenen Struktur der Finger
ist der Benutzungsbereich angesiedelt, und zwar im Erdgeschoß der Katalogbereich und in den beiden Obergeschossen die Lesesäle (Abb. 13).
Die mit der Fingerstrukturtief eingeschnittenen Lufträume mit Oberlichtern ermöglichen zum einen eine sinnvolle Strukturierung und Orientierung für den Benutzer
innerhalb des Gebäudes, zum anderen eine gute Tagesbelichtung bis in die Tiefe der großen Lesesaalflächen,
aber auch eine schöne Ausblickmöglichkeit zum Grün
und zur Silhouette der Altstadt Göttingens. Die langen,
im Schnitt dreiecksförmigen Oberlichter werden durch
das Einlegen einer horizontalen Glasscheibe als gläserne Luftkanäle benutzt. Hierüber kann in direkter Verbindung zur auf dem Dach liegenden Technikzentrale die
im Sommer zu warme Luft abgezogen werden, aber
auch die in den Übergangsmonaten durch Sonnenstrahlung warme Luft der technischen Zentrale zugeführt und über die Wärmerückgewinnung für die Beheizung des Hauses genutzt werden. In der kalten Jahreszeit sind diese Oberlichter Wärmepuffer gegen den Kälteeinfall.
In der über vier Geschosse reichenden, großen Eingangshalle sind für den Besucher in der Mitte des Gebäudes-wie ein aufgeblättertes Buch-sämtliche Bereiche der Bibliothek auf einen Blick sichtbar. Sie ist Kommunikationsbereich, aber auch durch ihre Größe und
große Transparenz und die über zwei Geschosse reichende „Aalto-Treppe" räumliche Repräsentation im
Hinblick auf die Bedeutung der Bibliothek und ihres
wertvollen Buchbestandes.
Das Gebäude zeigt sich in seiner gegensätzlichen Dualität, zum einen dem Rückgrat für die Verwaltung, zum anderen der Fingerstruktur für den Benutzungsbereich,
seine Inhaltlichkeit, wobei der wesentliche dritte Bereich, nämlich das Magazin, im Gegensatz zur Scharounschen Lösung in Berlin hier in Kellergeschossen unsichtbar untergebracht ist.
Das Symbol des Speicherns ist mit einem kleinen dritten
Bauteil, der als Rotunde den Eingangsbereich markiert,
dargestellt. Er soll im übertragenen Sinne an die Form
eines Behälters zum Speichern der Bücher erinnern oder
auch als Metapher an die Asplundsche Bibliothek. In
dieser Rotunde sind, wie im Erker eines Hauses, Ausblickmöglichkeiten über den gesamten Hauptweg, der
sich im Norden von der Mensa her an dem Hörsaalzentrum, vorbei an den Instituten und der Bibliothek bis zur
Stadtmitte fortsetzt, möglich. Nach verschiedensten
Funktionszuordnungen im Verlaufe der Planungsschritte wird letztlich hier nun über vier Geschosse eine Cafeteria eingerichtet, so daß hier im Eingangsbereich der
Bibliothek ein Kommunikationspunkt fürdie gesamte Bibliothek entstehen wird und sich so die Bibliothek auch
hier als Zentrum des Geschehens in der Universität darstellt.
Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Ecketal.-Bibliotheksneubauten
Die so als Eingangsbereich formulierte Rotunde soll mit
dem die Altstadt beherrschenden schönen Kirchturm
von Sankt Jakobi zu einer stadträumlichen Komposition
werden, um so den Neubau der NSUB mit den Bauelementen der Altstadt durch die Wege- und Blickbeziehungen zu verbinden, was mit der Kunst von Professor
Reusch, dem „grünen Rohr", nochmals aufgenommen
wird, so daß eine Gesamtkomposition Rotunde, „grünes
Rohr", Sankt-Jakobi-Kirche entsteht (Abb. 14).
Abb. 14: Rotunde der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen
Mit den von Professor Wehberg erarbeiteten Außenanlagen wird ein Gesamtkonzept erreicht, das die sehr einfachen, aber noblen Institutsgebäude der 60er und 70er
Jahre mit dem neuen Gebäude der Bibliothek zu einem
homogenen Gesamtensemble des Zentrums für die Geisteswissenschaften der Universität Göttingen werden
läßt.
Die aufgrund ihrer Gesamtstruktur in ihrer Orientierung
zwar sehr einfach begreifbare Göttinger Bibliothek stellt
über das Funktionale hinaus mit einer Vielfalt verschiedenster Raumideen, Kompositionen unterschiedlicher
Raumfolgen, Durchdringungen von Räumen in der Vertikalen, vielfältigem Tageslichteinfall über Dach und
Wände durch die Geschosse in untere Bereiche ein gänzlich neues Raumkonzept einer Bibliothek dar.
Mit dieser Vielfältigkeit der Raumfolgen bieten sich im
Benutzungsbereich viele verschiedene Möglichkeiten
zum Lesen an: zwischen den Regalen inmitten der Bücher, an dem Geländer stehend zum schnellen Anlesen,
miteinander an den zusammenstehenden Tischen, an
den Tischbrettern mit Ausblick ins Grün oder vor den
Wänden (vielleicht für die Arbeit später mit dem PC)
oder auch ganz vorne, abseits, im letzten Finger am Nikolausberger Weg. Über die Wendeltreppen sind die Lesesaalebenen miteinander verbunden, aber auch über
unsere Lieblingstreppe im langen Finger, die bis ins Erdgeschoß zum bibliographischen Handapparat führt und
von ganz oben wiederum viel Licht erhält und so zum Begehen einladen wird.
Bei der abendlichen Beleuchtung öffnet sich die BiblioUnauthenticated
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Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Eck et al. - Bibliotheksneubauten
thek wie ein Fächer oder Buch zur Stadt und präsentiert
sich nicht durch äußerliche Gebäudedekoration, nicht
durch aus vergangener Zeit entlehnte Strukturen von
Typus und Kanon - sondern wie ein großer, leuchtender
Kristall mit ihrem Inhalt, dem großartigen Schatz ihrer
Bücher.
Wir hoffen, daß viele Menschen gerne hierher kommen
und sich in diesem lichten und offenen Gebäude gerne
aufhalten zum Lesen und Arbeiten, zum Suchen und Finden, es zur Erhellung des Geistes nutzen und so dieser
Ort durch den Schatz der Bücher, aber auch durch
die Stimulanz des Hauses neue Gedanken und Ideen entstehen läßt und diese sich multiplizieren wie ein großes
Kapital, das, wie Goethe anläßlich des Besuches der
Göttinger Bibliothek sagte, geräuschlos unberechenbare Zinsen spendet.
4.2.2 Bereichsgliederung und Funktion
An die Funktionsabläufe innerhalb einer Bibliothek werden im allgemeinen hohe spezifische Anforderungen
gestellt. Im vorliegenden Fall gilt dies in ganz besonderem Maße aufgrund der Größe der NSUB als drittgrößter Bibliothek in der Bundesrepublik und aufgrund der
umfangreichen und vielfältigen Aufgaben einer Staatsund Universitätsbibliothek.
Um getrennt vom Benutzungsbereich die internen Arbeitsabläufe einwandfrei zu gewährleisten, ist die Gesamtanlage in vier übergeordnete Funktionskomplexe
gegliedert:
- Benutzungsbereich,
- Verwaltungsbereich,
- Magazin und technische Dienste,
- Tiefgarage und haustechnische Zentralen.
Der vorgesehene strukturelle Aufbau des Gebäudes istwie schon erläutert- nicht allein städtebaulich begründet, sondern gleichermaßen abgeleitet aus der inneren
Gliederung der Nutzung, aus Funktionszusammenhängen und -ablaufen. Benutzungsbereich und Verwaltungsbereich sind in dem kompakten drei- bis viergeschossigen Baukörper untergebracht. In den Untergeschossen befinden sich technische Dienste, Magazin,
Tiefgarage und die Zentralen für die Haustechnik.
Benutzungsbereich
Der Benutzungsbereich bildet den inhaltlichen Schwerpunkt der Gesamtanlage und ist entsprechend seinen
Funktionsanforderungen auf den großen zusammenhängenden Geschoßebenen im Fingerbereich angeordnet. Er ist gegliedert in die Hauptfunktionsebene und in
den Lese- und Freihandbereich. Die Erschließung erfolgt
über die freistehende, weithin sichtbare Rotunde und
die nachfolgende großzügige Eingangshalle, die über lle
Geschosse reicht und von oben natürlich belichtet wird.
In der Rotunde ist oberhalb des Haupteingangs in vier
Geschossen das Cafe untergebracht. Für eine Bewirtschaftung erforderliche Nebenräume befinden sich in
den Untergeschossen der Rotunde. In der Eingangshalle
bietet sich dem Benutzer gewissermaßen ein Querschnitt über alle Geschosse, wodurch ein Einblick in alle
angelagerten Nutzungen und innerhalb der komplexen
Gesamtanlage eine einfache Orientierung ermöglicht
wird. Die Eingangsebene ist zugleich Hauptfunktionsebene. In direkter Zuordnung zum Haupteingang ist der
353
Tresen für das Informationszentrum mit der Zugangskontrolle in die Lese- und Freihandbereiche angeordnet.
Die publikumsintensiven Bereiche Leihstelle und Lehrbuchsammlung mit einer hohen zu erwartenden Nutzerfrequenz und kurzer Verweildauer liegen unmittelbar an
der Eingangshalle und orientieren sich nach außen auf
das Forum. Die Katalogbereiche sind neben dem Informationszentrum eingerichtet und von hier aus gut kontrollierbar. Die einzelnen Kataloge sind entsprechend
ihrer Benutzungsfrequenz mehr oder weniger dem
Haupteingang zugeordnet und auf drei unterschiedlichen, leicht abgesenkten Niveaus untergebracht, um die
große zusammenhängende Fläche zu gliedern und die
Übersichtlichkeit zu erleichtern. Die Erschließung dieser
Niveaus für Bücherwagen und Behinderte erfolgt über
flach geneigte Rampen. Die Brüstungsbereiche zwischen den einzelnen Ebenen werden als Arbeitsplätze
genutzt. Der Katalogbereich ist wie der gesamte Nutzungsbereich nach Süden orientiert und öffnet sich über
eine großflächige Verglasung zum Grün. Entlang der
Fassade bietet ein Niveausprung von innen nach außen
um jeweils ca. +0,40 m Sitzmöglichkeiten für die Benutzer zum zwanglosen Verweilen.
Im Anschluß an die Katalogzone befindet sich der bibliographische Apparat und ein Teil der Zeitschriftenauslage, die als bereits kontrollierte Benutzerbereiche über
die Auskunft und Aufsicht zugänglich sind und sich
ebenfalls nach Süden orientieren. Über die schon beschriebene offene Treppe wird der übrige Teil der Zeitschriftenauslage im 1. Obergeschoß erschlossen. Von
hier erfolgt auch der Zugang für Benutzer in das Magazin
im 2. Untergeschoß. Die kontrollierten Lese- und Freihandbereiche sind in den zwei Obergeschossen angeordnet und über die Haupttreppenanlage bzw. einen
Personenaufzug aus der Eingangshalle erschlossen.
Über tief in das Gebäude hineingezogene schmale Lufträume, die von oben natürlich belichtet sind, wird zum
einen eine maßstäbliche Gliederung der großen Geschoßflächen im 1. und 2. Obergeschoß angestrebt und
ein direkter Außenbezug auch aus der Tiefe des Gebäudes ermöglicht; zum anderen ist über die Lufträume die
natürliche Belichtung der Kataloghalle von oben gewährleistet (s. Abb. 15). Lese- und Freihandbereiche sind
in sich jeweils so organisiert, daß die geschoßweise
Haupterschließung an der Peripherie zur Eingangshalle
nahe der Aufsicht als Informations- und Anlaufstelle gelegen ist. Von dort führt der Weg des Benutzers an den
galerieartigen Lufträumen entlang, vorbei an den Buchbeständen zu den ruhigen, hellen Arbeitszonen im Fassadenbereich. Eine Sonderstellung innerhalb des Benutzungsbereichs nehmen die Carrels als abgeschlossene
Einzelarbeitsräume ein, die zusammenhängend im
Osten des Lesesaals angeordnet sind. Etwa die Hälfte
der Carrels liegen an der Fassade und können natürlich
belichtet und belüftet werden, die andere Hälfte ist innenliegend. Weitere Sonderräume des Benutzungsbereiches befinden sich im ersten Obergeschoß als innenliegende Gruppenarbeitsräume, die durch Glaswände
zur Eingangshalle hin natürlich beleuchtet sind. Diese
Räume sind zusätzlich zum ursprünglichen Programm
aufgenommen worden.
Die Benutzergarderobe ist im 1. Untergeschoß untergebracht. Der Zugang erfolgt über die Haupttreppenanlage
aus der Eingangshalle im Bereich einer Luftraumverbindung, wodurch diese Zone gleichzeitig mit Tageslicht
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Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Eck et al. - Bibliotheksneubauten
354
Abb. 15: Lesesaalbereiche der Niedersächsischen Staats- und
Universitätsbibliothek Göttingen
versorgt ist. Sollten sich Probleme in der Benutzung der
Garderobe ergeben, kann jederzeit vom reinen Schließfachsystem auf Personalbetrieb umgestellt werden.
Verwaltungsbereich
Der Verwaltungsbereich ist über vier Geschosse in
einem Bürobund organisiert, der den Benutzungsbereich - wie schon erläutert - auf drei Seiten umschließt.
An der Nahtstelle ist eine Schachtzone vorgesehen, die
über alle Geschosse reicht und die installations- und betriebstechnische Haupterschließung des Gebäudes sowie etliche Nebennutzflächen wie Sanitärräume und
Teeküchen aufnimmt.
Die ersten drei Bürogeschosse sind niveaugleich an die
jeweiligen Ebenen des Benutzungsbereichs angeschlossen, für das vierte Geschoß besteht diese Bindung nicht.
Nördlich der Eingangshalle umschließt der Bürotrakt
eine innenliegende Zone, in der jeweils in direkter Zuordnung zu den Abteilungen verschiedene großflächige
Nutzungen der Verwaltung untergebracht sind und deren Belichtung in ähnlicher Weise wie die der Eingangshalle von oben erfolgt. Im dritten Obergeschoß liegen
hier die Besprechungsräume in unmittelbarer Nähe der
Direktion und die Zeitschriftenablage. Über einen großzügigen Luftraum wird die darunterliegende Fläche des
Niedersächsischen Zentralkatalogs belichtet. Im ersten
Obergeschoß befindet sich an dieser Stelle ein Teil des
Maschinenraumes vom Bibliotheksrechenzentrum,
ebenfalls umschlossen von den zugeordneten Büroräumen. Der übrige Teil des Maschinenraums ist im 2. Untergeschoß direkt unterhalb des Rechenzentrums gelegen. Im Erdgeschoß sind im Verwaltungstrakt in direkter
Zuordnung die Büroräume der Leihstelle untergebracht.
Aufenthaltsbereiche für die Mitarbeiter sind jeweils am
südlichen Ende des Verwaltungstraktes und zum Teil in
den Gebäudeecken vorgesehen.
Magazin und technische Dienste
Unterhalb des Benutzungsbereiches ist das Magazin auf
zwei Untergeschoßebenen großflächig angelegt und le-
diglich durch die erforderlichen Brandwände unterteilt.
Das Magazin ist nach Süden außerhalb der aufgehenden
Gebäudekonfiguration erweitert und schiebt sich unter
den Bibliothekspark. Die Haupterschließung erfolgt jeweils über eine durchgehende Verkehrsachse in Längsrichtung.
Unterhalb des Verwaltungsbereichs sind in zwei Untergeschossen nach Osten die technischen Dienste untergebracht. Durch die Orientierung auf das stark begrünte,
weitläufig abgesenkte Gelände im Bereich von Tiefgaragen- und Lieferzufahrt ist eine normale Belichtungs- und
Ausblickqualität gewährleistet.
Die Anlieferung erfolgt über einen gedeckten Hof am
südlichen Ende des Gebäudes auf der Ebene des zweiten
Untergeschosses.
Tiefgarage und haustechnische Zentralen
Im Bereich des Forums befindet sich im zweiten und dritten Untergeschoß eine Tiefgarage mit einem Großschutzraum. Der größte Teil geht über die Kontur des
aufgehenden Gebäudes hinaus und schiebt sich unter
das Forum.
Der größte Teil der haustechnischen Zentralen ist in drei
Untergeschossen im Bereich der Schachtzone angeordnet. Die Lüftungszentrale für den Benutzungsbereich,
deren Luftverteilung über eine Schachtzone im Bereich
der Haupttreppenanlagen erfolgt, befindet sich auf dem
Dach oberhalb des Freihandbereiches und prägt so wesentlich das äußere Erscheinungsbild des neuen Bibliotheksgebäudes.
4.3
Ein Planungs- und Baubericht aus Sicht
des Nutzers
(von Reimer Eck)4
4.3.1 Zur Vorgeschichte des neuen Gebäudes
Gestatten Sie mir bitte zunächst einen Exkurs in die Geschichte, denn der alte Hörsaal aus der Mitte des 19.
Jahrhunderts mit seinen vier gußeisernen Säulen, in
dem wir uns hier befinden, erinnert mich fatal an folgende Anekdote aus der frühesten Baugeschichte der Göttinger Universitätsbibliothek. Ich beginne also mit der
Begehung einer Göttinger Bibliotheksbaustelle im Jahre
1735: Der erste Ordinarius der Philosophischen Fakultät
berichtet5:
„Bey dem zur Universitäts-Bibliothec bestimmten Saal
fand sich, nach geschehener Untersuchung auch etwas,
so mit Stillschweigen nicht wohl kann übergangen werden. Der Baumeister, der (nach dem überhaupt angenommenen Plan und Grundsatz) auch hier den leichtesten und wohlfeilsten Weg gewählet, hatte zu dessen
Grundlage so schwache Balken genommen, daß der Verfaßer mit dem s. Geßner6, wenn sie auf einen solchen,
Für die Frühjahrssitzung der Sektion 4 am 17./18. März in Göttingen vorbereiteter, nicht gehaltener Vortrag. Das Manuskript wurde lediglich etwas erweitert und um einige Anmerkungen ergänzt.
Samuel Christian Hollmann: Fragment einer Geschichte der
Georg-Augustus-Universitätzu Göttingen. Göttingen 1787. S.
78-79.
Johann Matthias Gesner (1691-1761), Klassischer Philologe
und erster Direktor der Göttinger Universitätsbibliothek.
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Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Eck et al. - Bibliotheksneubauten
mit Dielen noch nicht belegten, Balken sich stellten, mit
leichter Mühe an vielen Orten, (sit venia verbo) sich darauf wippen konnten. Man sähe also leicht ein, daß ein
solches Gebälke eine so schwere Last, wie die darauf zu
stellende Bibliothek nothwendig ausmachen mußte, unmöglich würde tragen können, und blieb also, da die Sachen einmal so weit gekommen waren, nichts anders übrig, als dem schwachen Gebälke gehörige Unterstützungen zu verschaffen, die denn in dem darunter liegenden
größeren Auditorio sonderlich mußte angebracht werden. Man ließ daher an verschiedenen Orten große Säulen darunter setzen, die denn so gut als möglich, und dergestalt eingerichtet wurden, daß es schien, als ob sie
bloß zu einer Zierde dahin gesetzet wären, und solche
mit ändern, eben so verzierten Unterlagen zu verbinden:
wobey denn noch das beste war, daß die guten Pauliner
Mönche ihre darunter angelegten gewölbten Keller mit
verschiedenen starken steinernen Trägern hatten versehen lassen, so diesen darauf gesetzten hölzernen Säulen
zu einer sichern Grundlage dienen konnten; welches
denn wohl einer der größten Nutzen war, den die alten
Mönchsgebäude den, in so großer Eile darauf gesetzten,
neuen Universitäts-Gebäuden verschaffen konnten [,..]"7
Die Geschichte des ehrwürdigen Göttinger Bibliotheksgebäudes an der Prinzenstraße geht in diesem Sinne
weiter: Nach aufwendigen Aus- und Umbauten zum ersten Universitätsjubiläum im Jahre 1787 klagte schon
knapp 15 Jahre später der Universitätsbaumeister Georg Heinrich Borheck: „Bei diesem großen Kostenaufwand und bei der Erweiterung des Bibliotheksgebäudes
durch den neuen Flügelbau, und Zuziehung der Auditorien, hätte man glauben sollen, daß der dadurch gewonnene Raum auf eine längere Reihe von Jahren hin gereicht hätte: allein durch die ansehnliche jährliche Vermehrung der Bibliothek, waren schon im Jahr 1800 alle
Repositorien so ausgefüllt, daß ein abermaliger neuer
Bau unvermeidlich war[...]."8
Wie bei vielen deutschen Bibliotheken ist die eigentliche
Göttinger Baugeschichte die Aneinanderreihung von
einzelnen An- und Umbauschritten unter dem ständig
wiederkehrenden Druck aktueller Stellraumnot - Bauschritte, die sich in der Regel sehr rasch als kurzsichtige
Notlösungen erwiesen haben. Ein grundlegender Neubau war während der 250jährigen eindrucksvollen Geschichte der Bibliothek bis in die jüngste Zeit nicht erfolgt. Lediglich ein Magazinflügel mit einer Stellkapazität von ca. 750 000 Bänden aus dem Jahr 1915 mag den
damaligen Ansprüchen des aktuellen Bibliotheksbaus wohlgemerkt, denen der Zeit des Ersten Weltkrieges entsprochen haben.
Ausgesprochen drastisch hat sich Georg Leyh im Jahr
1949 über das nunmehr „alte" Göttinger Bibliotheksgebäude geäußert, nämlich daß es „nur seiner Fehler wegen zu Lehrzwecken dienlich sein kann" 9 . Neben dem
klassischen Problem der Raumnot für Benutzer, Bücher
und Mitarbeiter war es die mittlerweile völlige Unübersichtlichkeit des mit Funktionen überladenen Gebäudes,
von dem Direktor Helmut Vogt in einer seiner zahlreichen Begründungen für den Neubau einmal schrieb, es
stelle sich „für Benutzer wie Personal wie ein undurchschaubarer Fuchsbau dar", die schließlich zu der langersehnten Neubaumaßnahme in Göttingen führte. Außerdem weist der Göttinger Altbau an der Prinzenstraße
derartig gravierende brandschutztechnische und statische Mängel auf, daß man sich nach heutigen Kennt-
355
nissen wohl hüten würde, darin eine stark frequentierte
Universitätsbibliothek zu betreiben.
Glücklicherweise haben wir diese Erkenntnisse erst im
Vorjahr, bei der Entwicklung eines neuen Nutzungs- und
Sanierungskonzeptes für den Altbau, gewonnen. Um so
leichter fiel es der Bibliothek dann, hartnäckig auf den
von der Staatshochbauverwaltung vorgegebenen Terminen für die Fertigstellung des Neubaus zu bestehen.
Dies führte schließlich zu einer Art „Instandbesetzung
einer Baustelle", was für Benutzer wie Mitarbeiter nicht
immer erfreulich war.
Doch genug des Jammers, denn es gibt genug Anlaß,
sich nun über das neue Gebäude zu freuen. Schließlich
war mit dem Beginn der Raumbedarfsplanungen Ende
der 70er Jahre für einen neuen Bibliotheksbau nun Gelegenheit gegeben, die Fehler und Mängel des alten Göttinger Gebäudes zu Lehr- und Lernzwecken dienen zu
lassen. Selbstverständlich haben nicht nur die dem Altgebäude in seinem damaligen Zustand anhaftenden
Mängel die Planungen beeinflußt. So sei hervorgehoben, und Sie werden es bei der nachfolgenden Begehung sicher merken, daß Architekten, Bibliothek, Staatshochbauverwaltung und Senatsbaukommission der
Universität gemeinsam unter anderem eine mehrtägige
Reise durch Bibliotheksbauten in Schweden und Dänemark unternommen haben. Besonderes Interesse der
Teilnehmer galt dem Neubau der Universitätsbibliothek
im Stockholmer Vorort Frescati nach Entwürfen des in
Schweden ansässigen Architekten Ralph Erskine.
Daß wir einiges gelernt haben, mögen die nun in knapper Auswahl folgenden, aus meiner Nutzersicht positiv
zu wertenden Aspekte des neuen Gebäudes belegen.
Wieviel wir gelernt haben, mögen Sie als unsere heutigen Besucher entscheiden. Zumindest das Wippen auf
Bodenbalken ist dank der heutigen Baustoffe und der
großzügigen Lastannahmen der Statiker nicht mehr
möglich.
4.3.2 Positive Aspekte, Lehren aus dem alten
Gebäude
Besonders gelungen scheint mir die Trennung von Kurzund Langzeitnutzung durch Ausbildung einer ebenerdigen Hauptfunktionsebene mit Katalogen, einschließlich
OPAC-Zone und bibliographischem Apparat sowie Leihstelle und Lehrbuchsammlung. Hier zumindest konnten
einige markante Defizite des alten Gebäudes abgebaut
werden, zumal nun Kataloge und bibliographischer Apparat dem Benutzer während der gesamten Öffnungszeit der Lesesäle zugänglich sind.
Noch gelungener scheinen mir die Nutzungsbereiche
der längeren Verweildauer, die Freihandbereiche und
Lesesäle. Hervorzuheben ist die Unterteilung der Lesebereiche in kommunikative und gezielt nicht-kommunikative Zonen. Die Wegeführung für den Benutzer unter7
Schließlich haben die soliden Keller des Göttinger Dominikanerklosters während des Zweiten Weltkriegs auch noch die
Buchbestände der Bibliothek vor den Flammen bewahrt.
8 Nieders. Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen. Bibliotheksarchiv A 1b,49. Nur wenn die Sanierung des Göttinger
Altbaus zu einer Forschungsbibliothek termingerecht vorangetrieben werden kann, wird sich eine ähnliche Notsituation
vermeiden lassen.
9 Georg Leyh: Die Göttinger Bibliothek in den Grundzügen ihrer
Entwicklung. In: Nordisk Tidskrift for bok - och biblioteksväsen. 36 (1949). S. 81.
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356
Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Eck et al. - Bibliotheksneubauten
Abb. 17: Lesesaal der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen
Abb. 16: Arbeitskabinen im Neubau der Niedersächsischen
Staats- und Universitätsbiliothek Göttingen
stützt den normalen Benutzungs- und Leseprozeß von
der kommunikativen Auskunftstheke durch die Buchbereiche, die zum Anlesen einladen, hindurch, in die nichtkommunikativen ruhigen Lesezonen in den Fingerspitzen.
Auch scheint es gelungen, trotz des Baus eines großen
ungeteilten Lese- und Freihandbereichs mit einer maximalen Stellkapazität von ca. 450 000 Bänden, zugleich in
den fünf Fingern des Publikumsbereichs über zwei Ebenen hinweg, den Charakter, oder besser das Dienstleistungsangebot von fünf einzelnen Fachlesesälen zu
schaffen. Der Benutzer findet Monographien und Zeitschriften zu den einzelnen großen Fachgebieten jeweils
im gleichen Finger übereinander. Damit kommt die Bibliotheksarchitektur dem Arbeitsgang von der Standardinformation über Handbuch und Monographie zur
Detailuntersuchung in einem Zeitschriftenaufsatz entgegen. Im Zeitschriften-Freihandbereich findet der Benutzer dann folglich eine Konzentration der unvermeidlichen Kopiergeräte, wogegen der höhere Anteil der Leserplätze im unteren, den Monographien zugeordneten
Lesesaalbereich zusammengefaßt ist. Die interdisziplinäre Arbeit wird schließlich durch die horizontal die einzelnen Fingerbereiche verbindenden Brücken unterstützt.
Ebenso gelungen und von ihren Nutzern allgemein gelobt sind die großzügig dimensionierten Arbeitskabinen
(Carrels), die eben nicht den Charakter von Mönchszellen
haben (Abb. 16). Hier und in weiten Teilen der Lesebereiche kommen wir dem von Bernhard Fabian auf dem Bibliothekartag in Wuppertal in seinem Vortrag unter dem
Titel „Auf der Suche nach der humanen und effizienten
Bibliothek" entwickelten Ideal des Benutzerarbeitsplatzes recht nahe10. Denn auch die übrigen Leserplätze bieten dem Nutzer eine Vielfalt von Möglichkeiten, sich Bedürfnis und Geschmack entsprechend sein
Arbeitsfeld der intensiven - nicht kommunikativen - Bibliotheksbenutzung einzurichten. Erfindet Arbeitsplätze
an den Fensterfronten, vor geschlossenen Wänden, im
Regalbereich an eingeschobenen Tischreihen und an
Einzelplätzen. Er findet Anleseböden in den Regalfel-
dern und an den Brüstungen der Galerien. Zugleich gestattet praktisch jeder Arbeitsplatz einen Blick ins Freie.
Den verschiedenen individuellen Bedürfnissen zur Gestaltung des Arbeitsplatzes Bibliothek wird so mit einem
breiten Angebot entgegengekommen, auch wenn der
klassische Normalplatz in der Tischreihe wohl noch sehr
überwiegt (Abb. 17). Der Leser drängt zur konzentrierten
Arbeit naturgemäß in die abgeschiedenen Winkel des
Lese- und Freihandbereichs, aber welche gültigen Flächenstandards oder Normen lassen eine noch großzügigere Raumnutzung zu? Gerade mit der bestehenden
Vielfalt des Arbeitsplatzangebots hat der Architekt hier
wohl das Optimum dessen erreicht, was die öffentliche
Hand zu bauen in der Lage ist.
Für den einzelnen Leserplatz konnte glücklich nach zähen Kämpfen auch die individuelle Arbeitsplatzbeleuchtung durchgesetzt werden, ein anerkanntermaßen wichtiges Kriterium des wünschenswerten Arbeitskomforts.
Die überwiegende Mehrzahl der Arbeitsplätze verfügt
außerdem über eine zusätzliche Steckdose für den Anschluß eines Laptops oder ähnlicher aktueller Hilfsmittel. Ein direkter Anschluß des einzelnen Leseplatzes an
das Datenangebot der Bibliothek ist vorgesehen und
kann dank des Doppelbodens in den einzelnen Lesefingern und eines Brüstungskanals an den Außenfronten
nachträglich hergestellt werden. In einem Teilbereich
des Lesesaals ist bereits der OPAC installiert. Ein gutes
Drittel der aufgestellten Lesetische erhielt außerdem zusätzlich eine über die Lesefläche erhobene zweite Ebene,
so daß die Standardarbeitsfläche von 90 80 cm noch
einmal um 20 90 cm vergrößert wird. Mit Vergnügen
sehen wir, daß die Benutzer diesen Tischen durchaus
reizvolle Nutzungsmöglichkeiten abgewinnen können.
Aus dem Bereich der Einrichtung der Publikumsbereiche noch ein weiteres Problemkind: die Kataloge im
Übergang - oder besser, im Spagat - zwischen Zetteloder gar Bandkatalog zum elektronischen Zeitalter mit
dem Zauberwort OPAC. Hier sei nachdrücklich auf den
von Architekt und Bibliothek gemeinsam entwickelten
Katalogtisch hingewiesen, der sowohl dem gewichtigen
10 Bernhard Fabian: Auf der Suche nach der humanen und effizienten Bibliothek. In: ZfBB Sonderheft 32 (1981) S.126-138.
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Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Eck et al. - Bibliotheksneubauten
ELT- und EDV-Verkabelung
357
Hohlraumboden
Abb. 18: Arbeitstische mit Katalogblöcken und ausgeschobenen Leuchtenarmen
Abb. 19: Arbeitstische mit PC's und eingeschobenen Leuchtenarmen
Normalkatalogblock wie auch - dank Verkabelung über
Doppelboden und die massiven Standbeine, die auch
die Kabelführung aufnehmen kann — für Terminal und
Drucker und selbstverständlich auch Fiche-Lesegeräten
eine angemessen dimensionierte Arbeitsfläche bietet,
ohne daß der anstehende langwierige und dornenreiche
Prozeß der Katalogkonversion einen ebenso dornenreichen Prozeß der Neumöblierung der Informations- und
Katalogbereiche nach sich ziehen muß (Abb. 18 und 19).
Sicher ist das hier entwickelte Modell noch nicht ideal.
Besonders die Beleuchtung müßte in Hinblick auf die
Doppelfunktion dieses Bibliotheksmöbels noch verbessert werden. Es scheint aber, daß hier eine Lösung angedacht ist, die andernorts kopiert, oder viel besser, weiterentwickelt werden wird.
Nach guter alter Göttinger Tradition habe ich bei dieser
kleinen Auswahl aus den positiven Aspekten des neuen
Gebäudes - immer den Lehr- und Lernzweck im Auge primär auf die Benutzung und Informationsmittel abgehoben (Abb. 20).
Auch für die Mitarbeiter der Bibliothek konnten - wenn
auch wieder mit großen Schwierigkeiten - gegenüber
dem Altbau einige entscheidende Verbesserungen eingebaut werden. So haben wir nicht weniger als 10 Teeküchen und Sozialräume verschiedener Größe und Ausstattung, zumindest aber mit Heißwasserbereiter und Kühlschrank installieren können. In einem so großflächigen
Haus offenbar eine Notwendigkeit, denn die Wege zu den
diversen Kücheneinrichtungen werden auch im neuen
Gebäudeteilweise noch als unangenehm lang empfunden. Die Cafeteria in der Eingangsrotunde, die vom Göttinger Studentenwerk betrieben werden soll, steht zwar
noch aus, wird aber sicher den Arbeitsplatz Bibliothek
auch für die Mitarbeiter noch attraktiver machen.
Über die Arbeitsplätze und Diensträume des Personais,
die der Benutzung oder dem Nutzerdialog nicht direkt
zugeordnet sind, hat Herr Prof. Mittler schon gesprochen. Die Anordnung an den Außenfronten mit natürlicher Lüftung und Beleuchtung erlaubt selbstverständlich auch eine generelle Verkabelung über an den Fensterfronten gelegene Bodenkanäle, was eine wün-
Abb. 20: Blick in den Katalogbereich, OPAC und Zettelkatalog
auf einem Bibliotheksmöbel vereint
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Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Eck et al. - Bibliotheksneubauten
358
sehenswert hohe Flexibilität bei der Einführung der neuen EDV-gestützten Arbeitsabläufe schafft.
Letztlich sei unter den positiven Aspekten noch ein Vorzug hervorgehoben, in den wir eher zufällig gelangt
sind. Ursprünglich war lediglich im dritten Obergeschoß
im Bereich von Direktion und Verwaltung ein Sitzungszimmer mit etwa 50 Plätzen genehmigt worden, das
durch eine mobile Trennwand hätte unterteilt werden
können. Weiterer von der Bibliothek mit Nachdruck vorgetragener Bedarf wurde während des langwierigen Bewilligungs- und Verschlankungsprozesses, dem das
Raumprogramm unterlag, mit Hinweis auf die auf dem
Campus zahlreich vorhandenen Hörsäle abgelehnt.
Ebenso war ursprünglich eine Cafeteria unter Hinweis
auf die nahe gelegene Mensa abgelehnt worden.
Nun war es ursprünglich geplant, den Rechnerraum des
Bibliotheksrechenzentrums für Niedersachsen (BRZN) nicht zuletzt auch wegen Auf lagen des damaligen Herstellers des Großrechners- in unmittelbarer Nähe der Diensträume des BRZN im ersten Obergeschoß einzurichten. Im
Rahmen der Bearbeitung der zweiten Haushaltsunterlage
Bau wurde dann das Landeskriminalamt zu den Planungen zugezogen. Seitens des Kriminalamts wurde aufgrund von mehreren gerade erfolgten Anschlägen auf
Kommunale Gebietsrechenzentren nachdrücklich empfohlen, den Rechner in den Keller zu verlegen.
Dies hatte den erfreulichen Effekt, daß die Bibliothek
sehr rasch für den so gewonnenen Freiraum in zentraler
Lage des Gebäudes Nutzungsbedarf nachzumelden
hatte. Es fiel uns leicht, hier für weitere Seminar- und
Schulungsräume zu plädieren, die schließlich auch genehmigt wurden. Ohne diese Räume wäre die landesweite Umstellung auf PICA mit den zugehörigen Schulungsprozessen kaum möglich gewesen. Auch war, als
die Entscheidung für zusätzliche Sitzungsräume fiel,
noch nicht abzusehen, daß Göttingen plötzlich auch geographisch in den Mittelpunkt der Bundesrepublik rücken
sollte. Die nunmehr angemessene Ausstattung des Neubaus mit Schulungs- und Sitzungsräumen machte Göttingen in kürzester Zeit zu einem beliebten Treffpunkt
von Kommissionen und Konferenzen der bibliothekarischen Zunft, ohne daß der laufende Betrieb dadurch beeinträchtigt würde. Ein nachgezogenes Gutachten des
Landeskriminalamts, das bei den Planenden zunächst
durchaus einige Unruhe verursachte, hat so reiche
Früchte getragen.
Doch im Laufe der langwierigen Planungs- und Realisierungsprozesse für ein solches Großprojekt werden vom
bauenden Bibliothekar durchaus auch negative Erfahrungen gemacht, aus denen ich wiederum nur eine kleine Auswahl vortragen kann.
4.3.3
Ein neues Gebäude als Lehrzweck
In den folgenden Ausführungen wende ich mich primär
an die Kollegen aus den „neuen" Bundesländern, denen
außerordentlich schwierige Bauplanungsprozesse bevorstehen.
Ich kann nur begrenzt auf Material- und Bauausführungsmängel eingehen, die sich zum Teil beheben lassen und zum Teil durchaus den lehrreichen Fehlern zuzurechnen wären. Aus der Sicht des letzten bei der Bibliothek verbliebenen Mitplaners der ersten Stunde
möchte ich eine Reihe von heiklen Punkten zur besonderen Beachtung weitergeben.
Die Flächenrichtwerte für den Bibliotheksbau in der Bundesrepublik unterschieden sich, als das Göttinger Raumprogramm im Jahr 1979 erstmalig zusammengestellt
wurde, noch von Land zu Land. Glücklicherweise konnten wir schrittweise in einzelnen Punkten den DIN-Entwurf 31622, in überarbeiteter Fassung im Jahr 1988 publiziert als DIN-Fachbericht 13 mit einbeziehen, da seine
Flächenvorgaben etwas üppiger waren als die des Landes Niedersachsen. In der Praxis erweist es sich, daß die
Flächenannahmen des DIN-Fachberichts für die Diensträume der Mitarbeiter unbedingt eingehalten, ja wohl
noch erhöht werden sollten. Schließlich sollen die EDVArbeitsplätze, wie wir sie heute brauchen, doch noch
Mischarbeitsplätze sein.
Eine Dienststelle für Erwerbung und Katalogisierung
neuer Medien ist aufgrund ihrer umfangreichen apparativen Ausstattung in den gültigen Flächenstandards für
Mitarbeiter des gehobenen Dienstes kaum unterzubringen. Hier und in anderen Fällen muß von vornherein im
Detail geplant und entsprechender Flächenbedarf im
Raumprogramm verankert werden. Ein weiteres Problem sind Ausbildungs- und Praktikantenplätze, die,
wenn sie überhaupt eingebracht werden konnten, am
Ende meist am falschen Ort liegen.
Die modulare Konzeption der Diensträume im Göttinger
Neubau -fast durchgehend Doppel- und Einzelzimmerließ es zwar zu, die Raumbelegung noch praktisch während des Einzugs dem neuen, ganz von den Erfordernissen der EDV diktierten Geschäftsgang anzupassen. Im
Laufe des langjährigen Planungsprozesses aber war
eine Eigenschaft des alten Raumbelegungsplans aufgegeben worden: Ursprünglich war für jede größere
Dienststelle ein Gruppenarbeitsraum für drei bis fünf
Mitarbeiter eingeplant worden. Diese wurden schrittweise-wenn auch ohne Flächenverlust-in Einzel- und
Doppelarbeitsräume unterteilt. Dies hat heute das Resultat, daß an einzelnen Stellen schmerzlich die Möglichkeit vermißt wird, in Gruppenarbeitsräumen unter
Aufsicht von Fachpersonal, etwa durch studentische
Hilfskräfte die diversen, jetzt anfallenden Konversionsmaßnahmen durchführen zu lassen. Gruppenarbeitsräume erhöhen die Flexibilität des Personaleinsatzes
und sollten, soweit die baulichen Gegebenheiten es zulassen, unbedingt mit eingeplant werden. Dieses Problem ist selbstverständlich auch Resultat des unverhältnismäßig langwierigen Realisierungsprozesses, dem
der Göttinger Neubau unterlag. Der durchsetzbare
Raumbedarfsplan wird sich immer eng am aktuellen Geschäftsverteilungsplan orientieren müssen, gerade dieser aber nimmt auf später notwendige Sonderaktionen
und Drittmittelprojekte keine Rücksicht. Wenn dann, wie
im Falle Göttingens, Planungsgrundlagen und Realisierung über zwölf Jahre auseinanderliegen, wird der damals schon knappe Planungsrahmen heute an vielen
Stellen als Zwangsjacke empfunden 11 .
Auch die Flächenstandards für Magazinflächen sind erst
nach sorgfältiger Prüfung des eigenen Bestandes oder
des zu erwartenden Bestandsprofils in das Raumprogramm umzusetzen. Wer beim Einzug keine Überraschungen erleben will, sollte sorgfältig prüfen, welcher
Anteil seiner Buchbestände über die normale Rückenhö11 Zum dem Göttinger Bibliotheksneubau vorangegangenen
langwierigen Planungsprozeß s. Reimer Eck: Die Programmentwicklung. In: Dokumentation des Neubaus zur Eröffnung
am 30.4.1993. Göttingen 1993. S. 62-65.
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Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Eck et al. - Bibliotheksneubauten
he hinausgeht, und wie hoch jener Anteil seiner Bestände ist, den er besser in Großfolio-Regalen liegend aufbewahrt. Für neue Medien geben die gültigen Richtlinien
angemessene Flächenstandards, aber die zu erwartenden Zuwachsraten sollten für eine moderne Bibliothek
nicht zu niedrig angesetzt werden.
Betriebstechnische Anlagen, wie Lüftung, Heizung, Alarmanlagen, außenliegender Sonnenschutz und Buchtransportanlage bilden, erst einmal installiert, eine nicht zu unterschätzende Quelle des Ärgers. Bisweilen wünscht man
sich, die öffentliche Hand könnte wie ein großer Wirtschaftsbetrieb verfahren, der, wenn er sich derartig teure
Technik installiert, in der Regel gleich die sachkundigen
Fachingenieure oder Mechaniker von der Baustelle weg
einstellen kann, um ein reibungsloses Funktionieren der
Anlagen zu gewährleisten. Wartungsverträge bedeuten
bekanntlich nicht, daß eine ärgerliche Fehlfunktion in der
Buchförderanlage sofort repariert wird, wenn die lokale
Betriebstechnik mit ihrem Latein am Ende ist.
Zumindest effektive und zugleich menschenfreundliche
Lüftungsanlagen für Magazine und publikumsoffene Bereiche sind in Deutschland offenbar immer noch sehr
schwierig zu bauen und bedarfsgerecht zu betreiben.
Dauerarbeitsplätze in Bereichen ohne natürliche Be- und
Entlüftung werden so zum Dauerproblem.
Ein weiteres Sorgenkind sind elektronische Buchsicherungsanlagen, die sich in der Werbung so problemlos
darstellen. Bekanntlich verlangen die Hersteller für die
reibungslose Funktion ihrer Durchgangskontrollen einen
Abstand von fünf Metern vom nächsten elektrischen Feld.
Wer also diese Kontrollen logischerweise mit einem Ausleihverbuchungsplatz verknüpfen will, muß seine Verbuchungsterminals in einen Faradayschen Käfig stellen,
was in der praktischen Anwendung zu einigen Problemen
führt. Erschwerend kommt hinzu, daß moderne Energiesparleuchten die Wirksamkeit der marktüblichen Kontrollsysteme ebenfalls erheblich beeinflußen. Hier scheinen die Hersteller gefordert, denn schließlich wollen wir
unsere Benutzer nicht durch einen schwarzen Kasten aus
der Bibliothek führen.
Daß zwischen Programm und Realisierung eine Reihe
von unerfreulichen Überraschungen lauern kann, sollte
damit deutlich geworden sein. Aus dem laufenden Planungsprozeß möchte ich abschließend noch zwei gravierende Einschnitte herausgreifen, die sich in der Folge als
ausgesprochen nachteilig erwiesen haben.
Ich nenne das leidige Problem des Brandschutzgutachtens, das uns, nachdem die angenehm offene Architektur
einmal ausgewählt war, nachträglich für die gesamten
publikumsoffenen Bereiche, ja bis zu einem Teil der
Dienstzimmer der inneren Verwaltung hinauf, eine
Sprinkleranlage beschert hat. Trotz der diversen eingebauten Sicherungen gegen unerwünschte Wasserfluten
ist das unerfreulich genug. Als noch unerfreulicher aber
empfinde ich die Tatsache, daß die nachträgliche Unterteilung der einmal entworfenen und gutgeheißenen Architektur in Brandabschnitte uns nun in einem in seiner
Grundkonzeption und Aufgabe durchaus kommunikativen Gebäude an wichtigen Stellen solche Türen beschert,
wie wir sie zuhause nur von unserem Heizungskeller kennen. Der Kommunikation und dem hausinternen Buchtransport sind derartige Schotten sicher nicht dienlich.
Noch unerfreulicher als die Brandschutzgutachter sind
die sogenannten Streichorchester, die der Kostenoptimierung dienen sollen. Also: Kostenreduzierung, koste
359
es was es wolle, um eine bestimmte Summe zu erreichen, weil sonst überhaupt nicht gebaut werden kann.
Besonders gefährlich wird eine solche Kostenoptimierungsphase, wenn die Haushaltsunterlage Bau mit ihrer
griffigen Einteilung in präzise Kostenangaben für die einzelnen Ausstattungsbereiche vorliegt. Da neigt man dann
dazu, sorgfältig geplante und begründete Details zu streichen, stets in der Hoffnung sie wieder einbringen zu können, wenn das träge Geldschiff wieder flott ist. Die Gefahr, bei einer solchen ,Optimierungsarbeit', die in der Regel unter großem Zeitdruck erfolgt, auf Dinge zu verzichten, die sich im neu anlaufenden Betrieb dann als dringend notwendig erweisen, ist ausgesprochen groß. Auch
uns ist da so mancher Fehler unterlaufen. Ich nenne nur
aus einem längeren Katalog: außenliegender Sonnenschutz in den Diensträumen, Normaluhren, Personenrufanlage und Kontrolltableau für die Buchförderanlage
beim Pförtner. Alles gemessen am Gesamtvolumen kleine Einsparungen mit außerordentlich unerfreulichen
Konsequenzen.
Wie Sie sehen, haben nunmehr 15 Jahre Göttinger Planungs- und Bauzeit ihre Spuren hinterlassen. Man ist um
Erfahrungen reicher und weiß heute vieles, das man besser machen könnte. Viel Positives über das neue Göttinger Gebäude haben auf diesem Kolloquium schon andere
gesagt, der Katalog wird sich im Laufe des praktischen
Betriebes sicher noch erweitern. Vielleicht war es zu früh,
nach dem ersten Schock des Einzugs sozusagen aus der
Handakte zu plaudern, aber ich glaube, daß auch diese Erfahrungen nicht in den Akten verschwinden sollten.
Trotzdem hoffe ich, daß das neue Göttinger Bibliotheksgebäude, um Georg Leyh nochmals zu bemühen, nicht
nur wegen seiner Fehler, sondern auch wegen seiner zukunftsweisenden Neuerungen für lange Zeit zu Lehrzwecken dienlich sein kann. Die Entscheidung liegt letztendlich auch bei Ihnen als unseren heutigen Gästen.
Anschriften der Autoren:
Reimer Eck
Niedersächsische Staatsund Universitätsbibliothek Göttingen
D-37070 Göttingen
Prof. Eckard Gerber
Gerber und Partner
Tönnieshof
D-44149 Dortmund
Prof. Dr. Elmar Mittler
Niedersächsische Staatsund Universitätsbibliothek Göttingen
D-37070 Göttingen
Dr. Gerhard Römer
Zipfeckerstr. 25
D-76275 Ettlingen
Manfred Sabatke (u.a.)
Behnisch & Partner
Gorch-Fock-Str. 30
D-70619 Stuttgart
Dipl.-lng. Christoph-Hubert Schütte
Universitätsbibliothek Karlsruhe
Kaiserstr. 12
D-76131 Karlsruhe
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Ekkehard Menschke, Peter Hoffmann, Konrad Marwinski,
Barbara Schneider-Eßlinger
Planung und Realisierung von Bauten für Bibliotheken in den neuen
Bundesländern
Vorträge des Themenkreises IX des 5. Deutschen Bibüothekskongresses in Leipzig 1.-5. Juni 1993
Inhaltsübersicht
1 Die Bibliotheca Albertina als Baudenkmal
und Hauptbibliothek der ÜB Leipzig
(von Ekkehard Henschke)
360
2 Historische Bausubstanz und Bibliothekscontainer- unkonventionelle Zwischenlösungen der Universitätsbibliothek Rostock
(von Peter Hoffmann)
364
3 Das Bauprojekt Thüringer Universitäts- und
Landesbibliothek Jena - der Jenaer Bibliotheksneubau als Integrationsfaktor im universitären
Bibliothekssystem (von Konrad Marwinski) . . 369
4 Ein Neubau für die Universitätsbibliothek
Potsdam - Planungen, Zwischenlösungen und
eine Vision (von Barbara Schneider-Eßlinger). . 375
1
Die Bibliotheca Albertina als Baudenkmal
und Hauptbibliothek der ÜB Leipzig
(von Ekkehard Henschke)
1.1.
Zustandsbeschreibung
Die Bibliotheca Albertina ist die Hauptbibliothek der Universität Leipzig. Sie ist damit der Kern des einschichtigen Bibliothekssystems, zu dem 50 Zweigstellen gehören. Diese befinden sich in unmittelbarer Nähe von Forschung und Studium und sind als Präsenz- oder bzw.
und Ausleihbibliotheken ausgelegt. Die Zweigstellen
hängen personell und finanziell von der Hauptbibliothek
ab, die die klassischen bibliothekarischen Funktionen
der Erwerbung, Erschließung und Benutzung zu steuern
hat.
Die Bibliotheca Albertina liegt in der Beethovenstraße
im Leipziger Musikviertel. In diesem Viertel, dessen Straßen die Namen großer Komponisten tragen, finden Sie
in unmittelbarer Nachbarschaft zur Bibliothek die Hochschule für Grafik und Buchkunst, die Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn-Bartholdy" und das
Reichsgericht mit seiner imposanten Kuppel. Dies sind
alles Bauten der späten Gründerjahre.
Die Verkehrsanbindung der Bibliothek an den sogenannten Ring, der den Stadtkern von Leipzig umgibt, ist
günstig. Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel befinden sich in etwa 200 m Entfernung vom Gebäude. Dennoch befindet sich die Bibliotheca Albertina nicht im
Zentrum der universitären Einrichtungen, die - mit Ausnahme der Medizin, der Natur-, Wirtschafts-, und Erziehungswissenschaften sowie kleiner geisteswissenschaftlicher Fächer - in einem Komplex am Augustusplatz untergebracht sind. Die Luftlinie zwischen der
Hauptbibliothek und dem Universitätszentrum am Au-
gustusplatz beträgt rund 1,3 km in Richtung Nordosten.
Die Zweigstellen für Sport-, Wirtschafts- und Erziehungswissenschaften sind auf der Luftlinie rund 1,5 km
in Richtung Nordwesten von der Hauptbibliothek entfernt, die der Psychologie und Musikwissenschaft liegen
rund 1,2 km und die der Naturwissenschaften und Medizin rund 1,5 km Luftlinie in Richtung Südosten von der
Hauptbibliothek entfernt. Somit liegt die Hauptbibliothek insgesamt relativ günstig innerhalb des Stadtgebietes, in dem die Zweigstellen verteilt sind.
Die Bibliotheca Albertina fungiert als Hauptbibliothek
zugleich als Universalbibliothek, Zentrale für das Bibliothekssystem mit den entsprechenden technischen Einrichtungen und als Standort für die Sondersammlungen.
Das Gebäude wurde am Ende des Zweiten Weltkrieges
zu rund zwei Dritteln zerstört. Die Bestände waren jedoch zuvor ausgelagert worden. Infolge der Kriegsschäden, die in der Zeit der ehemaligen DDR nicht behoben
wurden, sind auch heute noch große Bestandsteile ausgelagert, darunter rund 440 000 Bände in der Deutschen
Bücherei. Diese Bestände können weder in die Hauptbibliothek noch in die Zweigstellen überführt werden, da
es dort keine nennenswerten Raumreserven mehr gibt.
Die Bibliotheca Albertina kann also z. Zt. nicht als Archivbibliothek tätig sein.
Das gesamte Bibliothekssystem aus Hauptbibliothek
und Zweigstellen hat gegenwärtig mehr als 4,1 Millionen Bände. Aufgrund der Erfahrungen der beiden letzten Jahre, in denen sich die Zahl der Erwerbungen fast
verdreifachte, ist in Zukunft ein jährlicher Zugang von
70 000 bis 75 000 Bänden anzunehmen. Damit wird die
steigende Zahl von Studenten (zur Zeit: 16000) und
Hochschullehrern versorgt. Da die Hauptbibliothek
nicht die Aufgaben einer Archivbibliothek für die
Zweigstellen wahrnehmen kann und selbst keine
Raumreserven mehr hat, wird noch in diesem Jahr ein
Ausweichmagazin bezogen werden müssen. Dieses
Magazin wird rund zwei Kilometer Luftlinie von der
Hauptbibliothek entfernt liegen. Bereits im Frühjahr
1992 wurden fünf Container, mit einfachen Regalen
ausgerüstet, im Westinnenhof der Hauptbibliothek aufgestellt und mit Beständen aus den Kellergewölben der
Bibliothek bestückt, die geräumt werden mußten. Infolge der Arbeiten für den Wiederaufbau der Bibliotheca
Albertina müssen dort im Sommer dieses Jahres ganze Bestandsteile ausgelagert und in das Ausweichmagazin transportiert werden. Die Bibliotheca Albertina
hat gegenwärtig eine ausgeschöpfte Kapazität von
rund 2,5 Millionen Bänden. Wegen des dortigen jährlichen Zugangs, der Abgaben der Zweigstellen und der
Bautätigkeit in der Hauptbibliothek sowie vor allem wegen der ausgelagerten Bestände, für die die MietverträUnauthenticated
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Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Henschke et al. - Planung und Realisierung von Bauten für Bibliotheken in den neuen Bundesländern
361
Abb. 1: Hauptfassade der Universitätsbibliothek Leipzig (Architekt: Arwed Roßbach)
ge ablaufen, muß in dem Ausweichmagazin in den nächsten Monaten eine Fläche von rund 3 000 m 2 für etwa
680 000 Bände geschaffen werden.
Nicht minder wichtig ist eine andere Standortfrage:
Mittelfristig, d. h. innerhalb der nächsten fünf Jahre,
muß eine dauerhafte Lösung der Standortfrage für die gegenwärtig stark dezentralisierten geisteswissenschaftlichen Fächer und deren Literaturversorgung gefunden
werden. Im Interesse des Wiederaufbaus der Bibliotheca
Albertina muß entsprechend den Auflagen des Wissenschaftsrates die Konzentration der geisteswissenschaftlichen Fächer in großer Nähe zur Hauptbibliothek realisiert
werden. Die Universitätsleitung bemüht sich darum im
Rahmen ihrer Entwicklungsplanung.
Sie merken bereits an meinen vielen „Muß-Sätzen", wie
groß der Handlungsbedarf im Interesse dieser Universitätsbibliothek, im Interesse der Literaturversorgung dieser sich erneuernden Hochschule ist. Wir alle, Bibliothekare, Architekten und Bauleute, hoffen, daß bereits in
den nächsten drei bis vier Jahren der erste Bauabschnitt
für die Bibliotheca Albertina abgeschlossen sein wird, so
daß ein guter Teil der jetzigen Probleme und Interimslösungen erledigt sein wird.
1.2
Die Konzeption für den Wiederaufbau
Die Universitätsbibliothek befand sich von ihrer Gründung im Jahre 1543 bis zum Jahre 1890/91 im Paulinerkloster im Zentrum der Stadt in unmittelbarer Nähe von
Forschung und Studium. Bis 1875 war der Bestand auf
rund 250 000 Bände angewachsen, und der Magazinraum in diesem Paulinum reichte - trotz einer Aufstokkung um zwei Stockwerke - nicht mehr aus. Die Planungen, in unmittelbarer Nähe dazu ein neues Bibliotheksgebäude zu errichten, scheiterten an der Stadtverwaltung. Im Jahre 1885 wurde dann das Gelände in der Beethovenstraße angekauft und damit bis heute der Standort der Universitätsbibliothek entschieden. Den öffentlichen Wettbewerb für den Entwurf einer neuen Bibliothek hatte der Architekt Arwed Roßbach gewonnen. Er
war Schüler Gottfried Sempers und einer der bedeutendsten Architekten in Leipzig des späten 19. Jahrhun-
derts. Sein Konzept entsprach weitgehend den Vorgaben, die staatlicherseits festgelegt worden waren. Dazu
gehörte die Anpassung des neuen Gebäudes an die Höhe und die Fassaden jener Gebäude (Gewandhaus,
Reichsgericht), die sich in unmittelbarer Nachbarschaft
bereits befanden oder in der Planung bzw. im Bau befanden. In dem Bericht von Arwed Roßbach, den er im Jahre 1895, also vier Jahre nach Fertigstellung des Baus, anfertigte, hieß es:
„Nach Bestimmung der Bibliotheksverwaltung war hier
von der seit Jahrzehnten nach englischem und französischem Vorgang vielfach angewendeten Magazinierung
abzugehen und die Büchersammlung in Sälen unterzubringen, die gegeneinander feuersicher abschließbar,
und in denen die Büchergestelle nur so hoch angeordnet
sein sollten, daß die oberste Bücherreihe ohne die Benutzung eines Tritters oder einer Leiter zu erlangen sei.
Die Größe der Bücherspeicher ist zur Aufnahme einer Bibliothek von 800 000 Bänden berechnet, kann aber leicht
durch Anbauten vermehrt werden [...]."
„Der wichtigste Leitgedanke für die Grundrißgestaltung
schien dem Verfasser in der Notwendigkeit zu beruhen,
den Lesesaal, die Bücherausgabe und den Katalogsaal,
also alle Räume, welche von den Besuchern betreten
werden dürfen, so zu legen, daß das Heranschaffen der
Bücher aus den Speichern ohne Betreten öffentlicher
Räume vor sich gehen konnte. Das Bauwerk gliedert sich
in zwei Teile, in das an der Beethovenstraße gelegene
Verwaltungs- und das sich an dieses anschließende
Speichergebäude. Das Hauptgebäude enthält außer
dem Keller zwei 6 m hohe Geschosse, über welche sich
noch ein 3 m hohes Geschoss lagert." (Arwed Roßbach,
Die Universitätsbibliothek Leipzig. In: Zeitschrift für Bauwesen, 1895, Nr. 45, S. 341.)
Als das Gebäude bezogen war, umfaßte es eine bebaute
Grundfläche von 4 838 m2, und die Gesamtkosten einschließlich der Innenausstattung und der Bauleitung betrugen 2 330 000 Reichsmark. Es bot Raum für 800 000
Bände. Das Gebäude ist äußerlich im Stil der Neorenaissance gestaltet und stellt ebenso wie das des Reichsgerichts ein typisches Stück Herrschaftsarchitektur der
späten Gründerzeit dar (Abb. 1).
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362
Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Henschke et al. - Planung und Realisierung von Bauten in den neuen Bundesländern
Das Gebäude von Arwed Roßbach erwies sich im Ganzen gesehen nicht als so funktional, so daß etwa 30 Jahre danach unter dem Bibliotheksdirektor Otto Glauning
größere bauliche Veränderungen durchgeführt werden
mußten. So erhielt der große Lesesaal eine Galerie, um
Stellplatz für einen größeren Handapparat zu gewinnen.
In den bisher als Magazin genutzten Räumen des zweiten Obergeschosses wurden Räume für Mitarbeiter geschaffen. Durch die Aufstellung von Zwischenregalen
wurde die Magazinkapazität erhöht. Eine allgemeine
Verbesserung wurde dadurch erreicht, daß das Haus auf
Zentralheizung und elektrische Beleuchtung umgestellt
wurde. Die Bibliothek blieb so bis zum Ende des Krieges.
Nach dem Bombenangriff vom 6. April 1945 lag die Bibliotheca Albertina dann zu etwa 60% in Trümmern. Der
Mitteltrakt mit dem großen Lesesaal und der Treppenhalle sowie der Ostflügel waren besonders stark betroffen. In den Monaten danach wurden Notdächer und Notfenster eingerichtet und einige Teile des Ostflügels sowie des Nordflügels bis 1950 so weit wieder hergestellt,
daß Flächen wieder genutzt werden konnten.
Die folgenden Jahre waren gekennzeichnet durch wiederholte Anläufe, das ruinöse Gebäude wieder aufzubauen. Insgesamt hat es wohl fünf Detailplanungen gegeben, die jedoch nicht in die Fünfjahrespläne der DDR
aufgenommen wurden. Als ich im Mai 1992 meinen
Dienst in diesem Gebäude aufnahm, machte es einen
traurigen Eindruck. Der Ostflügel war immer noch weitgehend zerstört und im Laufe der Jahrzehnte zu einer bewaldeten Ruine geworden. Der unter freien Himmel liegende ehemals großzügige Treppenaufgang war ebenfalls von Bäumen und Sträuchern reichlich begrünt
(Abb. 2). Mit Mühe hatte man die Tauben vertrieben, die
auch aus hygienischen Gründen eine ausgesprochene
Plage gewesen waren.
Der Schein der dauerhaften Ruine trog jedoch. Bereits in
der Zeit der politischen Wende war auch eine Wende zugunsten des Gebäudes der Bibliotheca Albertina eingetreten. Bereits im Jahre 1990 hatte die Universität Leipzig
mit Mitteln einer Stiftung eine Anforderungsstudie erstellen lassen, die eine erste Grundlage für ein Raum- und
Baukonzept darstellte. Damit wurde das Architekten- und
Ingenieurbüro HJWaus Hannover und Leipzig beauftragt.
Seit Oktober 1990 liegt die Verantwortung beim Staatshochbauamt Leipzig und die finanztechnische Kontrolle
bei der Oberfinanzdirektion Chemnitz. Die Bestandsaufnahme durch das Architektenbüro bestätigte im Detail
den zum Teil ruinösen Zustand des Gebäudes, der zu
Feuchtigkeitsschäden an den Buchbeständen und drastischer Verringerung der Arbeitsmöglichkeiten für Mitarbeiter und Benutzer geführt hatte (Abb. 3). Auch die haustechnischen Anlagen befanden sich in einem Zustand, der
densicherheits-und versorgungstechnischen Minimalanforderungen kaum noch gerecht werden konnte.
Bei ihren Planungsarbeiten hatten die Architekten zwei
Dinge zugleich zu berücksichtigen: Zum einen sollten sie
für das Gebäude ein langfristiges Nutzungs- und Baukonzept entwickeln, zum anderen sollten sie den weiteren Verfall des Gebäudes möglichst kurzfristig stoppen.
Nach einem Vergleich mit 40 Bibliotheken in der Bundesrepublik entstand für die Universitätsbibliothek Leipzig ein Realisierungskonzept, das Sofortmaßnahmen
und drei weitere Bauabschnitte vorsah. Bei all diesen
baulichen Maßnahmen war stets zu berücksichtigen,
daß die Bibliothek während der gesamten Bauzeit funkti-
Abb. 2: Treppenaufgang im zerstörten Mitteltrakt: seit März
1993 provisorisch überdacht
onsfähig bleiben sollte. Nach intensiven Gesprächen mit
der Leitung der Universitätsbibliothek über Fragen der
Ablauforganisation, der Benutzung und der technischen
Einrichtungen, aber auch nach weiteren Bibliotheksbesichtigungen entstand schließlich die Haushaltsunterlage Bau. Sie umfaßt sechs Plan-Ordner und 2 Text-Ordner mit insgesamt 1 300 Seiten und wurde im Dezember
1991 der zuständigen Oberfinanzdirektion Chemnitz zur
Bestätigung vorgelegt. Um das Hochschulbauförderungsgesetz nutzen zu können, wurde die Bibliothekskommission des Wissenschaftsrates damit befaßt. Im
Februar 1992 fand in dem großen Vortragsraum der Bibliotheca Albertina eine Anhörung des Bibliotheksausschusses des Wissenschaftsrates statt, an der neben den
Architekten, der Leipziger UB-Leitung, der Universitätsleitung sowie der Bauverwaltung auch die Bibliotheksdirektoren anderer deutscher Universitätsbibliotheken
teilnahmen. Das Ergebnis waren mehrere Auflagen des
Wissenschaftsrates: Der Wissenschaftsrat forderte die
Ansiedlung von geisteswissenschaftlichen Instituten
und Fachbereichen in der Nähe der Bibliotheca Albertina, damit diese sich auch zu einer geisteswissenschaftlichen Zentralbibliothek entwickeln kann, zum anderen
sollen der Anteil der Freihandbereiche und die Zahl der
Benutzerplätze erheblich erhöht werden, damit aus der
Forschungs- und Archivbibliothek eine moderne Gebrauchsbibliothek entstehen kann. Im Einvernehmen
mit der Universitätsleitung überarbeitete die UB-Direktion daraufhin das Bibliothekskonzept.
Dieses veränderte Bibliothekskonzept geht davon aus,
daß nach Abschluß aller drei Bauabschnitte in der Bibliotheca Albertina 480 Leseplätze (gegenwärtig: 56),
ein Freihandbereich für 220000 Bände (gegenwärtig
28 100) und eine Stellflächenkapazität für ca. 4,6 Millionen Bände vorhanden sein werden. Bei der Berechnung
der Benutzerplätze wurde bereits die Projektion für das
Jahr 2000 berücksichtigt, die von etwa 30 000 Studenten
ausgeht und somit etwa 3 000 Benutzerplätze im gesamten Bibliothekssystem erforderlich macht. Dies entspricht ungefähr dem durchschnittlichen HIS-Faktor
(10,2 pro 100 Studenten). Bei gegenwärtig 16000 Studenten verfügt das Bibliothekssystem z. Zt. über 1 553
Benutzerplätze. In der Konzeption der ÜB Leipzig wird
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Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Henschke et al. - Planung und Realisierung von Bauten für Bibliotheken in den neuen Bundesländern
Übersicht des Gebäudezustandes
DACHGESCHOSS
4.OBERGESCHOSS
3. OBERGESCHOSS
2. OBERGESCHOSS
1. OBERGESCHOSS
ERDGESCHOSS
KELLERGESCHOSS
/—//
/ /—-mw
363
fortsetzen. Die Sondersammlungen mit den Spezialmagazinen und einem Sonderlesesaal werden sich im
4. Stock befinden. Die Bibliotheksverwaltungs- und die
Mitarbeiterräume sind im 3. und 4. Obergeschoß vorgesehen.
Nicht zuletzt aus statischen Gründen werden sich die
Magazinflächen in den daruntergelegenen Geschossen,
im neuen, entsprechend statisch gesicherten Ostflügel
zum Teil bis zum Dachgeschoß, erstrecken. Im Ostflügel
wird ein zusätzliches Untergeschoß für das Magazin gebaut werden. In den geschlossenen Magazinen werden
Kompaktregalanlagen installiert werden. Eine Vollklimatisierung wird nur in den Sondersammlungsmagazinen eingerichtet werden.
Ein solcher Bau verlangt entsprechende Erschließungsmaßnahmen. Der Büchertransport wird von einer Kleinförderanlage unterstützt, die zu allen wichtigen Punkten
des Gebäudes führt. Die Personen- und Lastenaufzüge
sind Bestandteile von insgesamt 4 Erschließungs- und
Sanitärkernen, in denen auch die Fluchttreppen sowie
die vertikalen Medientrassen verlaufen. Darunter ist ein
Publikumsaufzug, der vom Eingangsbereich mit Rampe
für Behinderte zum 4. Obergeschoß führt. Natürlich wird
das Gebäude mit EDV-Leitungen sowie mit einer Personenrufanlage versorgt sein.
Der Längsschnitt (Abb. 4) zeigt, daß auf diese Weise ein
gut versorgtes Bibliotheksgebäude mit alter bzw. renovierter Fassade, einladendem Eingangsbereich, großzügiger Benutzungsebene mit Säulengängen und von
oben herabfallendem Tageslicht, einer integrierten Ortsund Fernleihe sowie teil- bzw. vollklimatisierten Magazin- und nichtklimatisierten Mitarbeiterräumen entstehen.
f NICHTNUTZBARE FLÄCHEN
1.3
Abb. 3: Wiederaufbau „Bibliotheca Albertina"
davon ausgegangen, daß etwa 1/6 des Bedarfs an Benutzerplätzen in der Hauptbibliothek zu decken ist, die restlichen 5/6 sollten in den Zweigstellen vorhanden sein.
Mit den Architekten waren und sind sich die Bibliothekare einig, daß sich die veränderte Konzeption sehr gut mit
der Grundidee von der Bibliothek als Kommunikationszentrum vereinbaren läßt: Angesichts der eher herrschaftlichen massiven Fassade soll der Eingang transparent gemacht werden, ebenso wie der ganze Ein- und
Aufgang über großzügige Treppen. Unterhalb der Eingangstreppe soll ein Ausstellungsbereich mit kleiner Cafeteria eingerichtet werden. Der eigentliche Benutzungsbereich mit den Katalog- und Informationseinrichtungen soll auf der gesamten zweiten Geschoßebene eingerichtet werden. Zu diesem Zweck werden die bisher offenen Innenhöfe im Osten und im Westen, die für die Gewinnung von Magazinflächen bis zum 2. Obergeschoß
hochgezogen werden, in den Benutzungsbereich einbezogen und auch transparent überdacht werden. Die
Orts- und Fernleihe wird - durch eine geschwungene
Theke vom übrigen Benutzungsbereich getrennt-in der
Nähe des Eingangs zum großen Lesesaal liegen, der sich
an alter Stelle in einem Halbrund befinden wird. Um ihn
herum werden sich Freihandbereiche ranken, die - über
eine Spindeltreppe verbunden - im 3. Obergeschoß sich
Von der Planung zur Realisierung
Entsprechend der Haushaltsunterlage Bau soll das Gebäude der Bibliotheca Albertina in drei Bauabschnitten
wieder aufgebaut werden. Die Bausicherungsmaßnahmen, die als dringlichste anzupacken waren, sind bereits
weitgehend abgeschlossen. Der 1. Abschnitt umfaßt
den Wiederaufbau des Ostflügels. Für ihn wurden 48
Monate berechnet. Im 2. Bauabschnitt soll der Mitteltrakt wieder aufgebaut bzw. saniert werden. Hierfür wurden 36 Monate veranschlagt. Im 3. und letzten Bauabschnitt ist die Sanierung des noch funktionsfähigen
Westflügels vorgesehen. Hier sind wiederum 36 Monate
veranschlagt worden. All diese Baustufen sollen bei laufendem Bibliotheksbetrieb realisiert werden. Einschränkungen im bibliotheksorganisatorischen und Benutzungsbereich werden sich - das haben die Erfahrungen
der letzten Monate gezeigt- auch in Zukunft nicht ausschließen lassen. Umzüge und Auslagerungen habe ich
bereits im Zusammenhang mit dem Ausweichmagazin
angesprochen.
Auch nach Abschluß der Arbeiten an diesem 1. Bauabschnitt wird der jetzige Lesesaal als solcher weitergenutzt werden. Die Kapazitätserweiterungen werden
durch die Einrichtung von Freihandbereichen mit Benutzerplätzen im 2. und 3. Obergeschoß entstehen. Somit
werden wir bereits nach Abschluß des 1. Bauabschnittes
voraussichtlich im Jahre 1997 rund 700 Leseplätze einschließlich des gegenwärtigen Lesesaals, 450 000 Bände im Freihandbereich (alles auf der 2. Geschoßebene)
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364
Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Henschke et al. - Planung und Realisierung von Bauten in den neuen Bundesländern
Abb.4: Wiederaufbau „Bibliotheca Albertina" Vorplanung: Schnittperspektive (Endzustand)
sowie eine Magazinkapazität von 3,5 Millionen Bänden
haben. Damit wird die Funktionsfähigkeit des Gebäudes
bereits wesentlich verbessert sein, insbesondere was
die Leistungsfähigkeit für die Benutzer und die Magazinkapazität anbelangt. Auch die im Endausbau vorgesehene Orts- und Fernleihe wird 1997 weitgehend zur Verfügung stehen. Desgleichen der Bereich Sondersammlungen mit einem Speziallesesaal und die EDV-Zentrale.
Wir hoffen, daß spätestens im Jahre 2002 dieses Gebäude aus der Gründerzeit äußerlich wieder ein Glanzstück
des gesamten Ensembles im Leipziger Musikviertel sein
wird und daß es im Inneren eine benutzerfreundliche
und mitarbeitergerechte moderne Bibliothek sein wird.
Der Wiederaufbau der Bibliotheca Albertina in Zahlen:
Volumen, gesamt:
Rossbach
Endzustand
davon in den Bauphasen berührt:
BSS
1.BA
2. BA
3.BA
überbaute Fläche:
Rossbach
Endzustand
105720m 3
133385m3
3 091 m3
56 290 m3
33 036 m3
40 968 m3
4 838 m 2
5 737 m 2
Netto-Grundrißfläche:
Rossbach
davon z. Z. nutzbar
Endzustand
davon in BSS
1.BA
2.BA
3.BA
18580m 2
13976m 2
25 004 m 2
532m 2
11 908m 2
4 553 m2
8011 m 2
Brutto-Grundrißfläche:
Rossbach
Endzustand
davon in BSS
1.BA
2. BA
3. BA
26 003 m 2
31 334 m 2
596m 2
15090m 2
5 587 m2
10061 m 2
Historische Bausubstanz und Bibliothekscontainer-unkonventionelle Zwischenlösungen der Universitätsbibliothek
Rostock*
(von Peter Hoffmann)
2.1
Bibliotheksstruktur und
Versorgungsdefekte
Die im Jahre 1419 mit drei Fakultäten gegründete Universität Rostock verzeichnet in der Matrikel des 16. Jahrhunderts u. a. so berühmte Namen wie Ulrich von Hütten, David Chytraeus und Tycho Brahe. In dieser Zeit war
sie die bedeutendste Universität Nordeuropas.
Nach den strukturellen Veränderungen im Rahmen der
Hochschulerneuerung im Jahre 1992 wird heute in 8 Fakultäten fast der gesamte universitäre Fächerkanon angeboten. Besonders zu erwähnen ist dietechnische Ausbildung
in der Ingenieurwissenschaftlichen Fakultät, die mit ihrer
Gründung in denfrühen 50er Jahren damit die älteste technisch orientierte Fakultät an deutschen Universitäten ist.
Gegenwärtig studieren an der Universität Rostock etwa
8500 Studenten; eine Ausbauzielzahl von ca. 12000
Studenten ist vorgesehen.
Fakultäten, Institute und Kliniken sind über das gesamte
Stadtgebiet verteilt. So ist z. B. der Universitätsstandort
Warnemünde etwa 15 km vom Universitätsplatz im
Stadtzentrum entfernt. Diesen Gegebenheiten muß
auch das Bibliothekssystem Rechnung tragen.
Mit der Eingliederung der Institutsbibliotheken in die
Universitätsbibliothek im Jahre 1974 wurde zwar formal
das einschichtige Bibliothekssystem eingeführt, der angestrebte zentrale Geschäftsgang jedoch nicht konsequent umgesetzt. Dafür gab es u. a. auch eine Reihe objektiver Ursachen, insbesondere die der Raumknappheit. Im Ergebnis führte das zu einem ineffizienten Geschäftsgang.
Der Fakultäts- und Institutsstruktur folgend, gibt es neben der Zentralbibliothek gegenwärtig 46 Fachbibliotheken, deren Bestandsgrößen von einigen Tausend Bänden bis zu etwa 100000 Bänden variieren. Gesperrte
Personalstellen und die starke Dezentralisierung bei
* Überarbeitete Fassung eines Vertrages auf dem 5. Deutschen
Bibliothekskongreß, Leipzig 1-5.6.93
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Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Henschke et al. - Planung und Realisierung von Bauten für Bibliotheken in den neuen Bundesländern
Abb. 5: W. Hollar: Ansicht von Rostock um 1625.
Ausschnitt mit dem heutigen Universitätsplatz von
Norden gesehen. (Collegium Magnum = Weißes Colleg; hier steht heute das Universitätshauptgebäude;
Position 12: etwa an dieser Stelle befindet sich heute
das Palaisgebäude mit Zugang zum Magazin mit der
Leihstelle; Position 11: etwa hier ist heute eine Baulükke; gedachter Zugangsbereich für den Neubau der Zentralbibliothek).
überwiegend völlig unzureichenden räumlichen Verhältnissen führten dazu, daß der bibliothekarische Versorgungsauftrag in den Fachbibliotheken häufig nicht
angemessen erfüllt werden kann. Wesentliche Kritikpunkte sind die zu geringen Öffnungszeiten und die
quantitativ und qualitativ unzureichenden Leseplätze. In
den Aufbaubereichen (z. B. Jura, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften) wird insbesondere der Mangel an
Staffelexemplaren für die Lehrbuchversorgung beklagt.
Aufgrund der auch in der Zentralbibliothek völlig unzureichenden Raumsituation (Überfüllung des Hauptmagazins, keine zentrale Lehrbuchsammlung, „Lesesaal"
mit ca. 60 Plätzen auf einer Fläche für 30 Plätze usw.)
kann diese hinsichtlich der Nutzerversorgung auch keine Entlastung für die Fachbibliotheken schaffen.
Diese außerordentlich komplizierte Bibliothekssituation
erfordert kurzfristige Maßnahmen der räumlichen Erweiterung, um ein Kollabieren des Bibliothekssystems
an der Universität Rostock zu verhindern.
2.2
Ein Blick in die Geschichte der
Universitätsbibliothek
Kurzfristige Zwischenlösungen müssen sich nahtlos in
langfristige Maßnahmen (Bibliotheksneubau!) einordnen. Da Neues immer auch durch Fortentwicklung des
Alten entsteht, ist es sinnvoll, einen kurzen Blick in die
Geschichte der Universitätsbibliothek zu tun.
365
Als im Jahr 1565 ein Brand das „Collegium philosophicum" bis auf die Grundmauern vernichtete, konnte nur
der dort vorhandene Buchbestand gereuet werden. An
gleicher Stelle wurde 1565/67 das „Collegium album"
(Weißes Colleg) nach italienischem Vorbild im Renaissancestil mit weißem Putz erbaut (Abb. 5). In diesem
dreigeschossigen Gebäude wurde 1569 der Philosophischen Fakultät Platz für eine Bibliothek eingeräumt.
Der damalige Dekan der Fakultät, Nathan Chytraeus
(jüngerer Bruder des seit 1551 in Rostock wirkenden berühmten Theologieprofessors David Chytraeus, einem
Melanchthon-Schüler), legte im August 1569 das Bücherverzeichnis der Fakultät (über facultatis) an und trug eigenhändig das von ihm mit einer Widmung versehene
Buch „Platon, Opera, 1556" - eine Donation - als erstes
Buch in das Verzeichnis ein. Geburtsstunde und erster
Bibliothekar der Universitätsbibliothek Rostock sind damit bekannt. (Die „Liber facultatis" und „Platon, Opera"
befinden sich im Besitz der ÜB Rostock.)
Im 17. und 18. Jahrhundert führte die Universität Rostock - auch bedingt durch die Rivalität zwischen den
beiden Unterhaltsträgern der Universität, den Herzögen
in Schwerin und dem Rat in Rostock- ein Schattendasein.
Erst im Jahre 1789, nach Rückverlegung des herzoglichen Teils der Universität von Bützow nach Rostock, gibt
es Umbaupläne für die Bibliothek im Weißen Colleg. Obwohl ein Flächenbedarf von 6 000 Quadratfuß veranschlagt wird, der sich in der vorhandenen Bausubstanz
offensichtlich nicht realisieren läßt, erfolgt ein Durchbau
des Gebäudes.
Unter Leitung des bekannten Orientalisten und Oberbibliothekars Olof Gerhard Tychsen werden die etwa 20
Jahre in Bützow gesammelten wertvollen Bestände mit
den in Rostock verbliebenen zu einer leistungsfähigen Bibliothek mit etwa 36 000 Bänden vereinigt und in den Bibliotheksräumen untergebracht. Diese besteht aus
einem sich über zwei Geschosse erstreckenden Saal einschließlich Leseplätzen, einem Zimmer für Handschriften und einem heizbaren Zimmer für Bibliothekare.
Da sich die Bibliothek aber bereits nach dem Bezug als zu
klein erweist, werden 1791 von Seydewitz mehrere Entwürfe für eine Bibliothekserweiterung unterbreitet.
Auch ein 1795 vorgelegter Plan zur Bibliothekserweiterung durch rückwärtigen Flügelanbau kann wegen scheiternder Grundstücksrückkäufe nicht realisiert werden.
Tychsens Nachfolger, der Gräzist Immanuel Gottlieb
Huschke, beklagt 1817 in einer Eingabe an den Herzog,
daß die großen Schätze der Bibliothek nicht genügend
nutzbar gemacht werden können und „daß unsere Universitätsbibliothek, um erhalten zu werden, beinahe
einer zweiten förmlichen Wiedergeburt bedarf!" (Eine
Einschätzung, die auch der Verfasser aus heutiger Sicht
uneingeschränkt teilt.)
Erst 1827, als Großherzog Friedrich Franz l. mit der Stadt
einen neuen Erbvertrag schließt, wonach er als Landesherr alleiniger Patron der Universität ist, beginnt ein Zeitabschnitt reger Bautätigkeit. 1827/29 erfolgt der Anbau
eines Bibliotheksflügels an das Weiße Colleg. Nach Plänen des zweiten Bibliothekars, Friedrich Wilhelm Rönnberg, erfolgte die Neuaufstellung der Bestände, die von
einer Reorganisation der gesamten inneren Verwaltung
der Bibliothek, insbesondere des Katalogwesens für die
etwa 70 000-80 000 Bde, begleitet sein sollte.
Bereits 1835 erweisen sich die Räume als unzureichend,
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da die Bibliothek durch Schenkungen und Vermächtnisse, insbesondere der Tychsen'schen Bibliothek, stark
angewachsen war.
Erst 1864/65, als die Klagen über die Unzulänglichkeiten
des Weißen Collegs sich mehren, kommt ein Gutachten
zu dem Schluß, daß ein Neubau unumgänglich ist. Das
Weiße Colleg wird abgerissen und 1866/70 an gleicher
Stelle das heutige Universitätshauptgebäude errichtet.
Die Bibliothek wird in einem statisch besonders ausgelegten Flügel untergebracht.
Wegen des 1. Weltkrieges wird ein geplanter Neubau
der schon dringend der Erweiterung bedürftigen Universitätsbibliothek bis auf weiteres zurückgestellt.
Am 9.9.37 hat der „Niederdeutsche Beobachter" in einer
„Einführung zum Neubau der Rostocker Universitätsbibliothek - Beseitigung eines alten Notstandes" die
Raumsituation charakterisiert, wie sie auch heute in
einer Tageszeitung stehen könnte: „Alle möglichen
Speicher, Kellerräume und Säle wurden für das Magazin
hinzugenommen, wodurch freilich die Handlichkeit des
Gesamtbetriebes immer mehr beeinträchtigt wurde [...]
Auf dem Fußboden sind Bestände aufgestapelt, jede Fläche ist bis zum äußersten ausgenutzt [...] Im Keller liegen
alte Stücke zuhauf, verstaubt und jahrelang unbenutzt."
(Abb. 6)
Abb. 6: Blick ins Hauptmagazin 1993
1938/39 wurde endlich - als erster Bauabschnitt eines
geplanten eigenständigen Bibliotheksgebäudes - das
Magazingebäude fertiggestellt und bezogen. Für etwa
650 000 Bände ausgelegt, wurden dorthin im Frühjahr
1939 etwa 460 000 Bände aus dem Hauptgebäude umgesetzt. Die Reservestellfläche war für etwa 15-20 Jahre
vorgesehen. Heute sind dort etwa 1,1 Mio. Bände untergebracht. Nur dank der selbsttragenden sechsgeschossigen Stahlskelettkonstruktion der Fa. Pohlschröder sind
bisher gravierende statische Probleme ausgeblieben.
Wegen Ausbruch des 2. Weltkrieges wurde der zweite
Bauabschnitt mit den Verwaltungs- und Benutzungsbereichen, der den Anschluß des Magazingebäudes zum
Universitätsplatz herstellen sollte, nicht begonnen.
Auch nach dem Krieg wurden diese Pläne nicht wieder
aufgegriffen.
Erst Mitte der 80er Jahre gab es wieder konkrete Vorhaben, die Baulücke am Universitätsplatz (heute Standort
eines Bankcontainers) durch einen Neubau mit Anbindung an das Magazingebäude zu schließen. Auch dieses
Projekt wurde nicht ausgeführt.
So sind seit den 60er Jahren bis heute die Leitung und
allgemeine Verwaltung sowie die Geschäftsgangs- und
Benutzungsbereiche der Zentralbibliothek auf verschiedene Gebäude am Universitätsplatz verteilt.
Die fast 425jährige Geschichte der Universitätsbibliothek Rostock belegt, daß es niemals ein eigenständiges
funktioneil orientiertes Bibliotheksgebäude gab. Zentraler Bibliotheksstandort waren immer Gebäude am
heutigen Universitätsplatz, der seine äußere Form seit
Jahrhunderten fast nicht verändert hat (vgl. Abb. 5 und
Abb. 10).
Ständiger Raummangel hat dazu geführt, daß die reichen Bibliotheksschätze aus über 500 jähriger Sammeltätigkeit an der Universität zu keiner Zeit angemessen
genutzt werden konnten.
2.3
Zwischenlösungen
Sprunghaft gestiegene Buchzugänge seit 1990 und Restitutionsansprüche auf den durch die Geschäftsgangsbereiche genutzten „Rostocker Hof" (ein ehemaliges Hotel)
haben das Raumproblem weiter verschärft. Als Ersatzund Erweiterungsflächen für den „Rostocker Hof" wurden die Objekte „Wollmagazin" und „Schwaansche Straße 3" vorgesehen und kurzfristig planungstechnisch vorbereitet. Das unproblematisch erscheinende Finanzierungsmodell „Aufschwung Ost" leistete einem ungebremsten Optimismus Vorschub, die brennenden Raumprobleme kurzfristig überwinden zu können.
Die inzwischen knappen Finanzmittel und ungeklärte
Rückübertragungsansprüche auf die Schwaansche Straße 3 haben wesentliche Verzögerungen in den Bauablauf gebracht und das Realitätsbewußtsein wieder gestärkt. Nahezu permanent sind die zeitlichen Ablaufplanungen zu korrigieren.
Fast zeitgleich mit der Ausarbeitung dieses Ersatzflächenmodells erfolgte im Sommer 1991 durch die Universität die Anmeldung „Neubauvorhaben Universitätsbibliothek" zum 21. Rahmenplan. Eine Erörterung dieses Vorhabens mit der AG Bibliotheken des Wissenschaftsrates im Februar 1992 führte zu den Empfehlungen des Wissenschaftsrates an die Universität, parallel
zur Neubauplanung Sofortmaßnahmen zu ergreifen,
„mit denen zusätzliche Stellflächen für die Aufstellung
und Sicherung der Zugänglichkeit der Neuerwerbungen
bereitgestellt werden können". „Unkonventionelle LöUnauthenticated
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sungen" und „Interimsbauten" waren die Stichworte für
mögliche Lösungsansätze.
Ein Angebot des Investors „Rostocker Hof" im Frühsommer 1992 (der für die bauliche Umgestaltung des gesamten Quartiers zügig Baufreiheit erreichen wollte),
der Universitätsbibliothek kurzfristig einen „Bibliothekscontainer" als Ersatzfläche zur Verfügung zu stellen,
paßte genau in dieses Konzept. Knapp einjährige Planungsarbeiten und Verhandlungen zwischen den Beteiligten, die durch mehrfache Modifikationen der Interessenlage, des Zeitplanes und des Finanzierungsmodells
geprägt waren, geben Anlaß zu der Hoffnung, daß dieses Konzept auch hinsichtlich der Zeitplanung aufgeht.
Mit den Bausteinen Bibliothekscontainer, Wollmagazin,
Schwaansche Straße 3 (zur Lage der Gebäude s. Abb.
10) und einem bisher nicht näher benannten Außenmagazin am Laakkanal läßt sich für die komplizierten Raumprobleme der Universitätsbibliothek im Sinne der Empfehlungen des Wissenschaftsrates offensichtlich die
dringend notwendige „Zwischenlösung" verwirklichen:
kurz- und mittelfristige Schaffung von Stellflächen für etwa 400 000 Bände, Einrichtung von ca. 100 Leseplätzen
und Einführung EDV-gestützter, effizienter Geschäftsgangstechnologien.
Im einzelnen sind folgende Maßnahmen vorgesehen:
367
Neben den Geschäftsgangs- und Katalogbereichen
(Obergeschoß) sind Flächen für eine Freihandliteraturaufstellung vorgesehen (Erdgeschoß). Die Übergabe
des Containers an die Universitätsbibliothek soll voraussichtlich Ende November d. J. erfolgen.
Die im Container zu realisierenden Funktionen sind eng
an das Objekt Schwaansche Straße 3 geknüpft. Deshalb
gibt es für die Nutzung ein Zweiphasenmodell: Phase 1
betrifft die Nutzung vor Fertigstellung der Schwaanschen Straße 3, Phase 2 liegt zeitlich danach.
Nutzung Phase l (voraussichtlich ab Dezember '93):
Erdgeschoß:
- Freihandaufstellung neuer Literatur (einschließlich
Lehrbuchsammlung) in handverfahrbaren Kompaktanlagen (Fassungsvermögen ca. 130 000 Bde)
- Ausleihbereich
- Poststelle und Literaturverteilung (Anlieferung für
den zentralen Geschäftsgang und Abtransport in die
Fachbibliotheken)
- EDV-Raum
Obergeschoß:
- Katalog-und Auskunftsraum
- Fachreferenten
- Geschäftsgangbereiche
2.3.1 Bibliothekscontainer
Nutzung Phase II (voraussichtlich nicht vor '95):
Der Container wird aus industriell vorgefertigten Modulen mit den Abmessungen 3 m 10 m zusammengesetzt.
Seine äußere Abmessung beträgt 36 m 20 m; er ist als
Zweigeschosser ausgeführt. Im Kernbereich ist der
Treppenaufgang einschließlich Sanitärtrakt und Bücherauf zu g vorgesehen. Die bibliothekarisch nutzbare Fläche beträgt insgesamt 1 200 m2 (Abb. 7).
Erdgeschoß:
- Umsetzen der Poststelle und Literaturverteilung in die
Schwaansche Straße 3
- Erweiterung der Kompaktanlage auf 175000 Bde
(Schienen werden bereits bei Erstausstattung verlegt)
Obergeschoß:
- Umsetzen der Fachreferenten und Geschäftsgangbereiche in die Schwaansche Straße 3
- Erweiterung des Katalog- und Auskunftsraumes zum
Informationszentrum
- Einrichtung eines Lesesaales „Math./Nat./Technik/
Medizin".
Der Container soll bis zur Fertigstellung des Neubaus
der Zentralbibliothek genutzt werden. Die Ausstattung
wurde entsprechend auf Flexibilität orientiert. Der Aufstellungsort wurde so gewählt, daß keine Behinderung
des Neubauvorhabens erfolgt.
2.3.2 Wollmagazin
Abb. 7: Bibliothekscontainer
Das in unmittelbarer Nähe zum Magazingebäude gelegene Wollmagazin wurde 1480/88 als Ordenshaus der
Brüder vom gemeinsamen Leben (Michaelisbrüder) das Arbeiten und Beten erfolgte unter einem Dach - erbaut. Die Michaelisbrüder begründeten in Rostock den
Buchdruck, so daß das Ordenshaus als Wiege des Rostocker Buchdruckes angesehen werden kann. (Man
nimmt jedoch an, daß der erste Wiegendruck in Rostock
1476 in einem der benachbarten Gebäude erfolgte.)
Nach Aufhebung des Ordens 1566 war dem Ordenshaus
eine wechselvolle Geschichte beschieden: 1599 brannte
das Haus aus, 1619 erfolgte der Umbau zum Zeughaus
(Turmabbruch); spätere Nutzung als Wollmagazin, Getreidespeicher und Anfang dieses Jahrhunderts als Station des Elektrizitätswerkes.
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368
Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Henschke et al. - Planung und Realisierung von Bauten in den neuen Bundesländern
Während der wieder aufgebaute Kirchenteil bis heute
als Michaeliskirche genutzt wird, ist das Arbeitshaus nur
im Erd-f Zwischen- und 1. Obergeschoß erhalten. Es
wird durch ein provisorisches Dach abgedeckt (Abb. 8).
Dieser Gebäudeteil wurde bis zum September 1992 als
Sportstätte durch die Universität genutzt. Für die zukünftige Nutzung durch die DB soll das Gebäude bis zur alten
Firsthöhe einschließlich des Turmes wieder aufgebaut
werden.
Nach den erfolgten Entkernungsarbeiten im Dezember
1992 ruhten die weiteren Ausbauarbeiten wegen ge-
Abb. 8: Blick auf das ehemalige Ordenshaus der Michaelisbrüder (links die Michaeliskirche, rechts das aufzubauende
„Wollmagazin")
sperrter finanzieller Mittel. Es ist vorgesehen, die Ausbauarbeiten ab Herbst diesen Jahres für den 1. Bauabschnitt zu beginnen. Als Realisierungszeitraum für das
Gesamtvorhaben sind die Jahre 1994/95 vorgesehen,
unterteilt in drei Bauabschnitte:
I.Bauabschnitt:
Keller, Erd- und Zwischengeschoß
(voraussichtlich Abschluß II. Quartal 1994)
2. Bauabschnitt:
1. Obergeschoß
2. Obergeschoß, Dachgeschoß
3. Bauabschnitt:
Das Wollmagazin soll zunächst als Präsenzbibliothek für
die Studienrichtungen der in der Innenstadt untergebrachten Philosophischen Fakultät genutzt werden. Dazu wird im Erd- und Zwischengeschoß eine zweigeschossige Freihandregalanlage mit einer Kapazität von
ca. 50 000 Bänden untergebracht. Im 1. und 2. Obergeschoßwird je ein Lesesaal mit aktueller Zeitschriftenauslage, einem Freihandbestand von 10 000 Bänden und 35
Leseplätzen entstehen (Abb. 9).
Abb. 9: Lesesaal im 1. Obergeschoß des „Wollmagazins"
Das Dachgeschoß bleibt den Sonderbeständen vorbehalten; auch über die spätere Einrichtung eines Buchmuseums wird nachgedacht.
Ein aus Nutzersicht schwieriges Problem bleibt die vorgesehene Realisierung des Ausbaus in mehreren Zeitabschnitten. Das würde bedeuten, daß sowohl fertiggestellte Bibliotheksbereiche als auch die Baustelle über nur
einen Zugang verfügen. Gegenseitige Behinderungen,
Staub- und Lärmbelästigungen wären unvermeidbar.
2.3.3. Schwaansche Straße 3
Dieses 1879 errichtete und unter Denkmalschutz stehende Gebäude, das sich direkt gegenüber dem Wollmagazin und in unmittelbarer Nähe des Containers befindet,
wurde nach dem Krieg bis zum September 1992 durch
die Universität genutzt. Gegenwärtig wird geprüft, ob
das Objekt entsprechend Investitionsvorranggesetz weiterhin durch die Universität zu nutzen oder an den früheren Besitzer zurückzugeben ist.
Obwohl das Gebäude für Bibliothekszwecke nicht besonders geeignet ist, wurden unter Beachtung des Denkmalschutzes Baupläne erstellt, die eine prinzipielle Umnutzung für die Geschäftsgangsbereiche/Fachreferenten zulassen.
Bei positiver Entscheidung und zügigem Bauablauf wird
eine Nutzung vor Ende 1994 nicht für realistisch gehalten. Erst dann könnte für den Bibliothekscontainer die
Nutzungsphase 2 einsetzen.
2.3.4 Außenmagazin am Laakkanal
Auch die dezentralen Fachbibliotheken stehen vor dem
Problem, ältere und wenig genutzte Bestände auszulagern, um die zahlreichen Neuerwerbungen aufstellen zu
können.
Da das zentrale Magazin keine Aufnahmekapazität mehr
besitzt, wurde bereits 1992 begonnen, in einem ehemaligen Wohnheimkomplex der früheren Hochschule für
Seefahrt (ca. 2 km südlich von Warnemünde) nicht mehr
genutzte Räume mit Regalanlagen auszustatten und Literatur aus den Fachbibliotheken dorthin umzusetzen.
Bei voller Nutzung könnten dort etwa 150 000 Bände untergebracht werden.
2.4
Neubauplanung
Die oben näher ausgeführte Zwischenlösung macht nur
Sinn, wenn sie funktionell und wirtschaftlich in das Neubauvorhaben eingefügt werden kann. Der dafür angestrebte Planungs- und Realisierungszeitrahmen hat die
Universität veranlaßt, noch für 1993 die Erarbeitung
eines Papiers im Sinne einer Struktur- und Machbarkeitsstudie in Auftrag zu geben.
Der Strukturentwicklung der Universität folgend, könnte
die Universitätsbibliothek aus der Zentralbibliothek am
Universitätsplatz und aus vier leistungsfähigen Bereichsbibliotheken an den zukünftigen Standorten der
Fakultäten bestehen.
Einem hochgerechneten Gesamtflächenbedarf für die
Universitätsbibliothek von etwa 29 000 m 2 steht derzeitig eine zersplitterte Gesamtfläche von etwa 10 000 m 2
gegenüber. Allein für die Zentralbibliothek ist eine Gesamtfläche von etwa 15 500 m 2 erforderlich, davon sind
etwa 11 500 m 2 neu zu bauen.
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Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Henschke et al. - Planung und Realisierung von Bauten für Bibliotheken in den neuen Bundesländern
Der Neubau der Zentralbibliothek am Universitätsplatz
ist in solcher Weise in ein Ensemble vorhandener historischer Gebäude einzupassen (s. Abb. 10), daß einerseits
eine gute Funktionalität gesichert, andererseits aber
Abb. 10: Lageplan der Gebäude am Universitätsplatz (Blick aus
Südrichtung)
Durch die ÜB bereits genutzte Gebäude
Gebäude für die Zwischenlösung
Vorgehaltene Fläche für den Neubau der Zentralbibliothek (teilweise Abriß Altsubstanz)
auch städtebaulichen und denkmalpflegerischen Anforderungen entsprochen wird. Und nicht zuletzt soll die
Universitätsbibliothek als Kommunikationszentrum dienen, das die Integration der Universität in das kommunale Umfeld fördert. Fürwahr eine Herausforderung für
Architekten und Bibliothekare.
Die Studie soll Ende Oktober 1993 abgeschlossen werden, so daß auf deren Grundlage eine erneute Anmeldung des HBFG-Vorhabens „Bibliotheksneubau" zum
24. Rahmenplan noch Ende 1993 auf den Weg gebracht
werden könnte.
1994 begeht die Universität ihr 575jähriges Jubiläum;
die Universitätsbibliothek wird 425 Jahre alt. Ein guter
Anlaß und höchste Zeit, die Weichen so zu stellen, daß
die Universität nach fast GOOjähriger Geschichte bald ihr
eigenes Bibliotheksgebäude erhält.
3
Das Bauprojekt Thüringer Universitätsund Landesbibliothek Jena der Jenaer Bibliotheksneubau als
Integrationsfaktor im universitären
Bibliothekssystem
(von Konrad Marwinski)
3.1
Einführung
Kaum eine andere der älteren, traditionsreichen Universitätsbibliotheken Deutschlands hat so oft das Domizil
wechseln müssen wie die Universitätsbibliothek in Je-
369
na. Es scheint über lange Perioden ihrer bewegten Geschichte das besondere Schicksal der Bibliothekare gewesen zu sein, in Provisorien ihre Arbeit tun zu müssen
und, wenn es hart kam, auch dafür zu sorgen, daß Krieg
und Zerstörung wenigstens den Beständen nichts anhaben konnten. Ein repräsentativer Zweckbau hat der Bibliothek nie zur Verfügung gestanden. Schon frühzeitig
als reines Instrumentarium für Lehre und Studium angesehen, wurde ihr jeweils nur das Nötigste zugestanden,
das ihr Funktionieren erlaubte. Auch im Jahre 1993 steht
-wie in der Vergangenheit vorwiegend aus Kostengründen, aber auch den inzwischen gewachsenen lokalen
Gegebenheiten Rechnung tragend - keine „große Lösung" in Aussicht.
Das 1858 bezogene Bibliotheksgebäude wurde im Februar 1945 bei einem Luftangriff total zerstört. Nur zwei
Magazinbauten von 1896 und 1914/15 blieben größtenteils erhalten. Gegenwärtig werden zum wiederholten
Male alle Anstrengungen unternommen, an der gleichen, zentral gelegenen Stelle den Wiederaufbau eines
zentralen Bibliotheksgebäudes zu erreichen. Die Vorbereitungen für eine Ausschreibung werden getroffen.
Inzwischen hat sich jedoch die Aufgabenstellung für dieses Gebäude gegenüber den ersten Wiederaufbau-Vorstellungen von 1945/46 verändert. Anstelle des dualen
Bibliothekssystems, das der Universitätsbibliothek in
einem einzigen Gebäude eine besondere, nur lose mit
der Vielzahl der Fakultäts- und Institutsbibliotheken verbundene Position zugewiesen hatte, ist seit 1969 ein sich
immer stärker ausbildendes einschichtiges, integriertes
Bibliothekssystem mit einem Gesamtbestand von 2,7
Millionen Bänden getreten, das der Streulage der Universität Jena im engen Saaletal Rechnung tragen muß.
Zur Zeit integriert die Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek (ThULB) neben der Zentraleinheit des Systems fast 60 periphere Einheiten, Zweigbibliotheken in
einer Größenordnung zwischen 2000 bis 120000 Medieneinheiten, für die alle Geschäftsgangsprozesse in
der Zentraleinheit konzentriert sind. Letztere ist aber seit
den 50er Jahren in 13 Gebäuden an verschiedenen Stellen des Stadtgebietes untergebracht, was der Leistungsfähigkeit der ThULB zunehmend Grenzen setzt, die
selbst durch EDV-Einsatz nicht in der erforderlichen Weise überwunden werden können.
Damit erhält der weitgehend dezentralisierte Zustand
der ThULB eine andere Dimension. Neben den genannten arbeitsorganisatorischen Gründen müssen für die
Errichtung eines Zentralgebäudes der ThULB noch andere, ideelle, vor allem die integrierende Funktion der
Einschichtigkeit fördernde Aspekte geltend gemacht
werden, die zugleich eine mittelfristige Realisierung
eines Bauprojektes unterstützen können.
In allen Bereichen des Bibliotheksalltags wird daran gearbeitet, die gegenwärtig zwangsläufig bestehende Dezentralisation mit geeigneten Mitteln und Methoden
weitgehend aufzuheben, um die im Thüringer Hochschulgesetz festgeschriebene Einschichtigkeit der Hochschulbibliotheken für Jena zu optimieren. Dieser Prozeß
erfordert von der Universitätsöffentlichkeit und von den
Mitarbeitern Geduld und Verständnis, denn ein Bibliotheksgebäude, für das 50 Jahre lang immer wieder Projekte und manchmal auch schon Modelle entwickelt
wurden, ohne daß sie Wirklichkeit wurden, verliert an
Glaubwürdigkeit.
Neben anderen integrierenden und damit vertrauensbilUnauthenticated
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370
Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Henschke et al. - Planung und Realisierung von Bauten in den neuen Bundesländern
denden Faktoren, wie z. B. der gemeinsamen Literaturauswahl durch Fachreferenten und Institutsangehörige
und der Offenlegung bibliothekarischer Arbeitsprozesse
bei der Bestellung und Katalogisierung gegenüber einer
ausgewählten Universitätsöffentlichkeit durch den
OPAC, kommt dem Bau der Zentraleinheit eine wichtige
Stellung zu:
- Ihr Standort im Herzen von Stadt und Universität dokumentiert schon äußerlich die Integration der Universitätsbibliothek in die Universität.
- Die Konzentration des Geschäftsgangsbereiches wird
die Leistungsfähigkeit der Bibliothek positiv beeinflussen.
- Die Literaturversorgung und bibliothekarische Betreuung für bestimmte geisteswissenschaftliche Disziplinen im neuen Gebäude der Zentraleinheit mit der
Einrichtung von Freihandmagazinen und Speziallesesälen, denen die denkmalgeschützte Frommannschen Häuser als Institutssitze für Germanisten und
Philosophen unmittelbar benachbart sind, tragen zur
Integration von Instituten bei.
Die Medizinische Fakultät wird Institute und Kliniken an
zwei Standorten konzentrieren (Teichgraben in der Innenstadt, Campus Neulobeda), die Institute der naturwissenschaftlichen Fakultäten sollen im Landgrafenviertel und am Beutenberg zusammengefaßt werden.
Diese Perspektive wird eine Verringerung der Zweigbibliotheken auf etwa 20 bis 25 zur Folge haben, die zusammen mit der Zentraleinheit und nur einem einzigen,
nicht vermeidbaren Außenmagazin die ThULB zu einem
weit überschaubareren System werden lassen, als dies
in der Gegenwart der Fall ist. Damit wäre auch der ständigen Migration der Bestände der Bibliothek innerhalb
Jenas und dem seit 1945 dauernden Provisorium ein Ende gesetzt.
3.2
sten Johann Friedrich L, des Großmütigen (1503-1557),
die Bibliothek in der künftigen thüringischen Residenz
der Ernestiner, auf der Weimarer Burg Hornstein, aufzustellen, ließ sich, nach sicheren Quellen zu urteilen, wegen der dort zahlreich vorhandenen Mäuse nicht verwirklichen. Die Odyssee der Wittenberger Bibliothek
ging schließlich 1549 in Jena zu Ende. Das während der
Reformationszeit aufgehobene, unmittelbar an der östlichen Stadtmauer gelegene Dominikanerkloster St. Paul
nahm sie auf. Sie erhielt im Erdgeschoß des Südflügels
ihren endgültigen Standort und zugleich eine neue
Zweckbestimmung.
Hier diente die ernestinische Hofbibliothek so lange den
Lehrenden und Studierenden des neu eingerichteten
herzoglichen Gymnasium academicum, bis dieses 1557
endlich durch Kaiser Ferdinand II. zur Volluniversität privilegiertwurde.
Inmitten der Fakultäten gelegen, von Hörsälen umgeben, war sie nun integraler Bestandteil der Salana und
versorgte an dieser Stelle über 300 Jahre hindurch - bis
in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, modern gesagt, einschichtig - als „Bibliotheca publica" und „Bibliotheca academica" in Konkurrenz zu den reichhaltigen „Bibliothecae privatae" der Professoren, von denen
sie später viele in sich aufnahm, die Mitglieder und Angehörigen der Alma mater Jenensis. Rasch wuchs ihr
Bestand an. Ende des 17. Jahrhunderts wurde das platzaufwendige Pultsystem aufgegeben. Zwischen 1817
und 1826 fand eine grundlegende Umgestaltung der Bibliotheksorganisation und des von der Bibliothek eingenommenen Gebäudes statt, zu der der weimarische
Staatsminister Johann Wolfgang von Goethe letztlich
den entscheidenden Anstoß gegeben hatte2.
Baugeschichte der Universitätsbibliothek
Jena
Verfolgt man die Baugeschichte der heutigen Thüringer
Universitäts- und Landesbibliothek Jena bis in ihre Anfänge Mitte des 16. Jahrhunderts in der Saalestadt, so ist
festzustellen, daß die Bibliothek nur für eine kurze Zeitspanne von 87 Jahren, zwischen 1858 und 1945, so etwas wie einen Zweckbau besessen hat. Während der übrigen fast 400 Jahre ihrer Existenz seit der Gründung
1512 in Wittenberg als Privatbibliothek des Sachsen-Ernestinischen Kurfürsten Friedrich III., des Weisen (14631525), bis in unsere Tage, war die Bibliothek stets nur irgendwie „untergebracht" 1 . Bibliothekare und Benutzer
mußten sich damit abfinden. Nur gelegentlich gelang
es, kleinere Verbesserungen zu erreichen. An der Bibliothek pflegten Staats- und Universitätsfiskus gleichermaßen zu sparen.
Seit 1536 hatte der Urbestand der späteren Jenaer Bibliothek Professoren und Studenten der Universität Wittenberg in der oberen Schloßstube als Universitätsbibliothek zur Verfügung gestanden. Im Juni 1547 war sie
im Ergebnis der Witte n berge r Kapitulation, die den
Schmalkaldischen Krieg beendete, in Fässern verpackt
nach Weimar gebracht worden, wo sie zunächst im ehemaligen Franziskanerkloster ungeöffnet untergestellt
wurde. Die ursprüngliche Absicht der Söhne des in kaiserlichem Gewahrsam befindlichen sächsischen Kurfür-
Abb. 11: Gebäude der Universitätsbibliothek, vom Teichgra-
ben aus, um 1820
Der große, auf 1 200 Bände berechnete, bis 1949 geführte alphabetische Bandkatalog wurde angelegt. Die 9
Teilbestände und der Bestand der Jenaer Schloßbibliothek wurden in einer neuen, mehr pragmatischen
Aspekten verbundenen Systematik zusammen aufge1 Vgl. Geschichte der Universitätsbibliothek Jena (1549-1945).
Weimar 1958.
2 Vgl. hierzu u. a. Bulling, K.: Goethe als Erneuerer und Benutzer
der jenaischen Bibliotheken. Jena 1932 (Reprint Leipzig 1982);
Kiel, R.M.: Goethe und das Bibliothekswesen in Jena und Weimar. In: Bibliothek und Wissenschaft 15 (1981) S. 11-82; Bohmüller, L, u. K. Marwinski: Bibliotheksalltag 1820. Jena 1988.
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Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Henschke et al. - Planung und Realisierung von Bauten für Bibliotheken in den neuen Bundesländern
stellt. Vermehrungs- und Ausleihbücher wurden eingeführt. Es entstand eine an Göttinger Maßstäben orientierte moderne Gebrauchsbibliothek.
Die baulichen Veränderungen, begonnen mit dem Abriß
der an der Bibliothek grenzenden Stadtmauer und fortgesetzt durch Mauerdurchbrüche als Voraussetzung für
zahlreiche Fenster, bannten die Feuchtigkeit und brachten frische Luft und vor allem mehr Tageslicht in die klösterlichen Räumlichkeiten. Goethe selbst bestimmte die
Farbgestaltung, und der 1820 als Krönung des Ganzen
gedachte Einbau eines bleigefaßten, farbenprächtigen
Kirchenfensters zur Stadtseite hin ließ die Bibliothek
auch äußerlich zu einer Attraktion für Stadt und Umland
werden, die Besucher aus nah und fern anzog.
1852 waren die geringen Raumreserven erschöpft. Die
Bibliothek platzte aus allen Nähten. In einem Gutachten
vom 28. Juli 1853 über den Zustand der Universitätsbibliothek führte der Theologieprofessor und Orientalist
Andreas Gottlieb Hoffmann (1796-1864) aus, daß sich in
Kürze auch dem oberflächlichsten Beobachter „die
gänzliche Unzulänglichkeit" der Lokalität aufdrängen
werde. Der durch die Schüttböden gewonnene Stellplatz
sei nur „ein Notbehelf auf begrenzte Zeit". Die Gelegenheit zu Veränderungen sei günstig: „Zufolge der Ablösungen werden nämlich, wie im ganzen Land, so auch
hier, die bisherigen umfänglicheren Gebäude des Großherzoglichen Rentamtes für den bisherigen Zweck nicht
mehr gebraucht." Das Ministerium beabsichtige, „das
große, lange, massive Gebäude [Abb. 12], welches zeithero zur Expedition des Rentamtmanns und als Magazin
für Zinsgetreide u. s. w. diente, zu verkaufen [...].
Abb. 12: Fürstenkeller, 1820, im Hintergrund der Kornspeicher
mit dem Fähnchen auf dem Dachgiebel
Wie es mir scheint, wäre diese Localität vollkommen geeignet, uns Ersatz für das zu bieten, was uns im Collegiengebäude abgeht. Das Aufsetzen eines zweiten Stokkes auf dieses feste, auf starkem Grunde [dem Gewölbe
des Weinkellers, d. Verf.] ruhende Gebäude von etwa
160 Fuß Länge und angemessener Breite wäre ohne
alles Bedenken; die dem Anscheine nach gute Bedachung würde für das mit schönen, hellen Sälen leicht
herzustellende Gebäude in guter, trockener, fast isolierter und daher wenig feuergefährlicher Lage fast ganz
wieder gebraucht werden können. Unsere Bibliothek, sicher verlegt, würde endlich eine würdige Behausung
371
empfangen [...] Dieß Bibliotheksgebäude läge auch
nicht zu fern und hätte, zwischen dem botanischen Garten und den Sammlungen im Schlosse in der Mitte gelegen, gewiß den passendsten Raum inne, welcher hierorts möglich ist."3
Die Argumentation muß so überzeugend gewesen sein,
daß am 16. November 1855 von Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach (1818-1901) „mit
Zustimmung des getreuen Landtags das zeither dem
Kammerfiskus zugehörig gewesene, sogenannte alte
Magazin-Gebäude zu Jena dem akademischen Fiskus
zur Benutzung für akademische Zwecke, und zwar zunächst behufs der Verlegung der akademischen Bibliothek in dasselbe ohne Rückfalls-Bedingung eigenthümlich überlassen" wurde4.
Zweieinhalb Jahre später, anläßlich der 300-Jahr-Feier
der Universität 1858, wurde das umgebaute Gebäude der
Universitätsbibliothek (Abb. 13) zur Nutzung übergeben,
allerdings erst, nachdem die hier veranstalteten Festessen und Empfänge des Jubiläums vorüber waren.
Der ehemalige Kornspeicher war tatsächlich um ein
Stockwerk erhöht worden. Seine der venetianischen Renaissance nachempfundenen Fassaden strahlten in farbigem Glanz, was wohl auf den Einfluß des damaligen
Bibliotheksdirektors, des Altphilologen und Professors
der Beredtsamkeit Carl Wilhelm Göttling (1793-1863,
UB-Direktor seit 1826), zurückzuführen war, der, von
Goethe sehr geschätzt und gefördert, Reisen nach Italien
und Griechenland gemacht hatte. Die Vorderseite zierten zwei symmetrisch angelegte Freitreppen mittempelähnlichen Vorbauten.
In den Jahren 1894/95 wurde ein Anbau errichtet, der außer einem größeren, am Hartwigschen Magazinbau von
1880 in Halle/Saale orientierten Büchermagazin ein vergrößertes Lesezimmer, ein besonderes Dozentenarbeitszimmer und neben dem Katalogzimmer ein Beamtenzimmer und zwei feuersichere Räumefür Handschriften und Inkunabeln erbrachte. Der Kuriosität halber sei
erwähnt, daß man Balkone eigens für die Entstaubung
von Büchern angebracht hatte, die aber wohl kaum benutzt worden sind.
In den Jahren 1914/15 schließlich wurde ein weiterer,
von der Carl-Zeiss-Stiftung bezahlter Magazintrakt fertiggestellt, der zusammen mit den vorhandenen Gebäudeteilen einen Innenhof entstehen ließ. Es handelte sich
dabei um einen Stahlbetonbau, der für die damals am
Stadtrand von Jena gerade eröffneten Göschwitzer Zementwerke den Charakter eines Experimentalbaus
hatte, mit dessen Hilfe man die Qualität des Baustoffes
unter Beweis stellen konnte. Das Bauwerk überzeugt
auch heute noch im Inneren durch die Einfachheit und
Zweckmäßigkeit seiner Konstruktion, während die über
seine drei Fassaden gezogenen riesigen Fenster aus
Licht- und Temperaturgründen durchaus als problematisch anzusehen sind, von neuzeitlichen Sicherheitsbedürfnissen einmal ganz zu schweigen.
In etwas mehr als 50 Jahren war im Herzen der Stadt Jena das Ensemble der voll in die akademische „Bannmeile" integrierten Universitätsbibliothek entstanden. Es befand sich gegenüber dem Botanischen Garten und weni-
3 UAJ,BA 630,81.1-2.
4 UAJ,BA630,BI.3f.
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372
Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Henschke et al. - Planung und Realisierung von Bauten in den neuen Bundesländern
ge hundert Meter vom 1908 fertiggestellten neuen Universitätshauptgebäude entfernt, dem das frühere Stadtschloß hatte weichen müssen, und in unmittelbarer
Nachbarschaft zu den meisten geisteswissenschaftlichen Instituten, die in den Gebäuden längs des Fürstengrabens ihren Sitz hatten.
Am 9. Februar 1945 wurde der älteste Teil der Bibliothek,
das Hauptgebäude, bei einem der verheerenden Luftangriffe der Royal Air Force auf Jena durch eine Luftmine
getroffen und total zerstört, der Anbau von 1894/95 wurde teilweise in Mitleidenschaft gezogen, allein der während des Ersten Weltkrieges erbaute Stahlbetonbau hielt
dem Druck stand (Abb. 13).
Lockemann (1885-1945, UB-Direktor seit 1926), unternahm bei den zuständigen Behörden des damaligen
Landes Thüringen die ersten Schritte.
Albert Predeek (1883-1956, UB-Direktor von 1947-1951)
erarbeitete Studien für den Wiederaufbau. 4,5 Mio. DMOst sollte der Bau kosten (Abb. 14). Wie schon beim Umbau von 1858 ließ man auch jetzt den Fürstenkeller, der
die Zerstörung des über ihm befindlichen Bibliotheksgebäudes unversehrt überstanden hatte, außer Betracht,
obwohl für die oberirdische Bebauung kaum mehr als
5 000 m 2 zur Verfügung standen. Für die Beibehaltung
des alten Standortes wurden ins Feld geführt, „die Nähe
der Universität, die bequeme Zugänglichkeit vom Stadtzentrum her, die freie, städtebaulich reizvolle Lage gegenüber dem Botanischen Garten und vor allem das
Vorhandensein des Kernstückes der Bibliothek, des Bücher-Magazins"5. Das Raumprogramm sollte zu einer
Steigerung der Nutzfläche um 75%, von ursprünglich
5 900 m2 auf 10 229 m2, führen.
Abb. 14: Architektur der neuen Universitätsbibliothek, 1949
Abb. 13: Westfassade des Hauptgebäudes, 1930, darunter:
Seitenansicht 9. Februar 1945: Rest des Hauptgebäudes, daneben das „Stäbchenmagazin1'
Für die Bibliothek, ihre Mitarbeiter und Benutzer begannen Jahrzehnte des Provisoriums, die durch Bangen und
Hoffen um einen Wiederaufbau gekennzeichnet sind.
Aber auch andere durchgreifende und akzeptable Ausweichlösungen wurden nicht gefunden oder nicht realisiert.
Schon unmittelbar nach Kriegsende gab es die ersten
Anstöße für den Wiederaufbau des zerstörten Bibliotheksgebäudes.
Viktor Burr (1906-1975, UB-Direktor 1945), Nachfolger
des in den Trümmern seiner Bibliothek mit 11 Mitarbeitern und 4 dienstverpflichteten Hilfskräften und Benutzern umgekommenen Bibliotheksdirektors Theodor
Die Grundsteinlegung war für den 28. August 1949, zu
Goethes 200. Geburtstag, vorgesehen, blieb aber aus.
Als eine Art Ersatz wurde die Umgestaltung der am oberen Ende des Fürstengrabens gelegenen Rosensäle zum
Hauptlesesaal der Universitätsbibliothek in Angriff genommen und 1950 beendet. Der Lesesaal wurde Anfang
der achtziger Jahre baupolizeilich geschlossen und nach
fast neunjähriger Sanierung im September 1990 wiedereröffnet.
Mitte der sechziger Jahre wurde wiederum durch die Bibliotheksleitung, aber mit Unterstützung des damaligen
Staatssekretariats für das Hoch- und Fachschulwesen
der DDR, ein weiteres Konzept für einen Neubau der Bibliothek erarbeitet (Abb. 15).
Drei Bauplätze wurden darin diskutiert:
(1) der traditionelle historische Standort,
(2) Standort hinter der Friedenskirche,
(3) Standort am Philosophenweg, zwischen Mensa und
einem Chemischen Institutsgebäude.
Die schon sehr weit gediehenen Planungen mußten
1970 endgültig „zu den Akten gelegt werden, zur,Bibliotheksgeschichte, die sich nicht erfüllte'", wie in einem
der Aktenfaszikel resignierend zu lesen steht6. Inzwischen hatte nämlich die Kombinatsleitung des VEB Carl
Zeiss Jena mit dem Bau eines 26stöckigen Hochhauses für Konstruktionsbüros begonnen, dem ein grö5 ThULB, AHSf Bibliotheksarchiv 15, Niederschrift von Predeek
vom Juni 1949, o.Pag.
6 ThULB, AHS, Bibliotheksarchiv 18 (handgeschriebener Zettel
von Günther Steiger, der maßgeblich an den Planungen beteiligt gewesen war).
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Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Henschke et al. - Planung und Realisierung von Bauten für Bibliotheken in den neuen Bundesländern
373
Bibliotheksgebäude am traditionellen Standort zu errichten. Nach den Vorstellungen einer Arbeitsgruppe
der Universitätsbibliothek und des zuständigen ministeriellen Bauprojektierungsbüros in Dresden sollten die
besten Erfahrungen im Bibliotheksbau und die neueste
Kommunikationstechnologie berücksichtigt werden.
Und zum ersten Mal spielte in den Planungen die Nutzung des denkmalgeschützten Fürstenkellers als Großlesesaal oder als Kompaktmagazin eine Rolle. Aber auch
dieses Vorhaben war zum Scheitern verurteilt, weil ehrgeizige Wirtschaftsinteressen den Vorrang hatten.
Abb. 15: Modell der Universitätsbibliothek, 1966
ßerer Teil der Altstadt, der den Zweiten Weltkrieg noch
überstanden hatte, durch Abriß zum Opfer fiel. Der runde Turm, als künftiges Wahrzeichen und sozialistische
„Dominante" der Zeiss- und Universitätsstadt gedacht,
wurde kurz vor seiner Fertigstellung durch Zeiss zur Disposition gestellt und auf Regierungsbeschluß der Universität als Arbeits- und Lehrgebäude für die nach der 3.
DDR-Hochschulreform gerade neugebildeten Sektionen
übergeben.
Er diente von nun an u. a. auch dazu, alle universitären
Bauansprüche an die zentralen und unteren territorial
zuständigen Stellen schon im Ansatz ablehnen zu können. Die Wiederaufbaupläne für das Bibliotheksgebäude mußten wieder einmal „übergreifenden Interessen"
weichen.
Von den damals knapp über 50 Zweigbibliotheken zogen
9 vorwiegend an den geistes- und sozialwissenschaftlichen Sektionen angesiedelte frühere Institutsbibliotheken mit diesen zusammen in das für Bibliothekszwecke
wenig geeignete Universitätshochhaus. Deshalb mußten ihre Bestände den damaligen feuerschutzpolizeilichen Vorschriften entsprechend aufgeteilt werden, da
die Kapazität der wenigen für die Zweigbibliotheken vorgesehenen und über verschiedene Stockwerke verteilten Halbscheiben nicht ausreichte. Teile der Bestände
verblieben außerhalb des Hochhauses in einem Außenmagazin.
Die Zentraleinheit des von der Grundkonzeption her auf
Integration und Koordinierung angelegten einschichtigen Bibliothekssystems befand sich (und befindet sich
bis heute) aufgesplittert an 13 Stellen der Stadt. Seit
Kriegsende dient ein kleines zweistöckiges Hotel an der
Goethe-Allee, heute wieder Fürstengraben, dem Universitätshauptgebäude gegenübergelegen, als Mittelpunkt
der Universitätsbibliothek, um den sich mittlerweile 58
Zweigbibliotheken unterschiedlichster Größenordnung
gruppieren.
Es beherbergt die Direktion, Fachreferate, Erwerbung
und die Katalogräume. Die Anfang der siebziger Jahre
unter den Jenenser Bibliothekaren gehegte Hoffnung,
das Fehlen eines Gebäudes wenigstens mit Hilfe der
elektronischen Datenverarbeitung wettzumachen und
auf diese Weise die Vorzüge der Einschichtigkeit zur Geltung bringen zu können, blieb eine Utopie, da sowohl die
entsprechende Hardware als auch die Software dafür
nicht zur Verfügung standen.
Mitte der achtziger Jahre wurde wiederum ein Versuch
unternommen, für die Friedrich-Schiller-Universität ein
3.3
Neue Hoffnung auf einen Wiederaufbau
des Hauptgebäudes
Heute, 48 Jahre nach der Zerstörung des Bibliotheksgebäudes, steht ein Wiederaufbau erneut zur Diskussion.
Der Verwirklichung der Entscheidung, die FriedrichSchiller-Universität Jena in der Tradition einer Stadtuniversität weiterzuführen, steht die geographische Lage
der Stadt Jena in gewisser Weise entgegen. Diese läßt
eine Konzentration der Universitätseinrichtungen an
einem Punkt nicht zu. Vielmehr ist damit zu rechnen, daß
die in der HIS-Studie für Jena niedergelegte Verteilung
der Universität auf drei Standorte realisiert wird. Ausgehend von der gegenwärtigen Verfassung beläßt sie die
Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften im Stadtzentrum, weist den Naturwissenschaften den Beutenberg
und die Weststadt mit dem Landgrafengebiet zu und
sieht für die Medizin eine längerfristig angelegte Zusammenfassung in Neulobeda an der A4 vor.
Diesen noch nicht voll ausgereiften Vorstellungen muß
die Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Rechnung tragen. Das erschwert die Planungen für den Wiederaufbau ihres Hauptgebäudes in besonderem Maße,
da für die Raumnutzungskonzeption konkrete Aussagen
zur Zweckbestimmung getroffen werden müssen.
Unbestritten ist der Standort des Baues, der sich über
den Bibliotheksweg hinweg noch erweitern ließe.
Es kann nur der traditionelle sein, denn alle Argumente,
die seit 1853 für diesen Standort vorgebracht worden
sind, gelten nach wie vor. Für eine Stadtuniversität wie
die Jenaer, mit den Geisteswissenschaften im Stadtzentrum, ist die Existenz einer funktionstüchtigen Zentraleinheit mit einschlägigen Freihandbeständen in den Magazinen und speziellen Fachlesesälen die wohl günstigste und effektivste Variante der studentischen Literaturversorgung, die durch eine gegenüber der jetzigen
Situation deutlich verringerte Zahl von entsprechend
spezialisierten Zweigbibliotheken an den Instituten ihre
Ergänzung finden muß.
Die endgültige fachliche Ausrichtung der Zentraleinheit
wird sich jedoch erst im Laufe der weiteren Planungen
festlegen lassen, wenn für die Fakultäten und Institute
eine den Ergebnissen des Erneuerungsprozesses der
Universität vor allem in den Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften adäquate Gebäude- und Raumkonzeption realisiert werden kann. Dabei kann die ins Auge gefaßte Nutzung der in unmittelbarer Nähe gelegenen
Frommannschen Häuser 7 durch das Germanistische
7 Der Gebäudekomplex am Fürstengraben befand sich im Besitz der bekannten Jenaer Verleger- und Buchhändlerfamilie
Frommann.
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374
Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Henschke et al. - Planung und Realisierung von Bauten in den neuen Bundesländern
Abb. 16: In Aussicht genommene Bebauungsfläche, 1992
und Philosophische Institut und das angedachte Projekt
einer gemeinsamen geisteswissenschaftlichen Zweigbibliothek von ausschlaggebender Bedeutung sein.
Feststeht, daß das neue Gebäude die Zentraleinheit des
integrierten Bibliothekssystems mit allen für das System
zu erbringenden Dienstleistungen aufnehmen wird. Dazu gehören u. a.:
- alle Erwerbungstätigkeiten unter Nutzung von Fremddaten,
- die formal-bibliographische und inhaltliche Erschließung unter weitgehender Nutzung von Fremddaten,
in einem späteren Stadium auch Verbundkatalogisierung,
- Orts- und Fernleihe mit elektronischer Bestellmöglichkeit und Ausleihverbuchung,
- Befriedigung des allgemeineren Literaturbedarfs der
unteren Semester,
- Lehrbuchsammlung,
- allgemeiner (Haupt-)Lesesaal und Fachlesesäle,
- Informationsvermittlung aus externen Datenbanken,
- Zentralmagazin, geschlossen und freihand,
- Arbeitsbereiche im Rahmen der Landesbibliotheksfunktion wie Pflichtexemplarstelle, Landesbibliographie, Leiteinrichtung im Leihverkehr Thüringens und
Geschäftsstelle des Mehrländer-Bibliotheksverbunds
(Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) für
Thüringen, Dienstleistungsverbund Thüringer Bibliotheken, Kontaktstelle für wissenschaftliche Altbestände.
An diesen Dienstleistungen müssen bei einem durchschnittlichen Jahreszugang von 65 000 bis 70 000 bibliographischen Einheiten alle in den Zweigbibliotheken
vorhandenen fachpersonellen Ressourcen mit Hilfe der
vielfältigen Möglichkeiten der modernen Kommunikationstechnologie beteiligt werden. Es ist davon auszugehen, daß die ThULB in absehbarer Zukunft nur noch etwa 25 größere Zweigbibliotheken effektiv betreiben
kann. Die Zusammenfassung der gegenwärtig über 50
Zweigbibliotheken in 18 Fachreferaten ist bereits eine
Vorstufe dazu.
An bebaubarer Grundstücksfläche stehen 12 500 m2 zur
Verfügung, falls das Grundstück „Rentamt" von
3 780 m 2 wieder in Landesbesitz zurückgeführt werden
kann. Mit dieser Grundstücksfläche ist bei vorgeschriebener Dreigeschoßhöhe eine maximale Gesamtnutzfläche von 11 300 m 2 zu erreichen. Davon sollen 7 900 m 2
als offene und geschlossene Magazine ausgebaut werden. Eine Reduzierung von ursprünglich 25 260 m2 in
einem ersten Bauantrag auf jetzt 11300 m 2 wurde
durch die Auflagen des Bauordnungsamtes erzwungen.
Gemildert wird diese Beschränkung durch den gegenwärtig laufenden Ausbau einer Lagerhalle auf dem Beutenberg zu einem Kompaktmagazin für ca. 1,4 Mio. Bände, das Ende 1993 fertiggestellt werden soll und alle
bisherigen Außenmagazine bis auf die Bestände des
ehemaligen Hochbunkers in Jena-Ost der Abteilung
Handschriften und Sondersammlungen aufnehmen
wird.
Mit dem wiederaufzubauenden Zentralgebäude wird die
räumliche Zersplitterung der Thüringer Universitätsund Landesbibliothek weitgehend aufgehoben.
Die Leistungsfähigkeit der Bibliothek wird sich spürbar
erhöhen. Im Vorgriff darauf wird sich die BeutenbergLösung entlastend auswirken. Sie wird Stellflächen für
Neuerwerbungen erschließen und damit den prozentualen Anteil an Freihandstellflächen im Neubau vergrößern helfen und - im Zusammenhang mit den unvermeidlichen Umzügen der Bestände-Arbeitsflächen für
Aussonderungen zur Verfügung stellen.
Eine wichtige Komponente des Bibliotheksneubaus
darf nicht außer acht gelassen werden: Das lang ersehnte Bibliotheksgebäude, die Bibliothek, wird nach
Jahrzehnten endlich als Institution an einer Stelle
der Stadt'wieder sichtbar werden. Das wird seine
emotionalen Wirkungen auf die in ihr tätigen Menschen ebenso wie auf ihre Benutzer haben. Die Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern der Zweigbibliotheken und der Zentraleinheit wird sich enger gestalten.
In seiner zweckgebundenen Architektur sollte das Gebäude dem integrierenden Charakter der universitären
Betriebseinheit Bibliothek repräsentativen Ausdruck
verleihen. Diese Idee zu verwirklichen, scheint mir an
diesem zentral gelegenen, vorzüglichen Bauplatz eine
besonders reizvolle Aufgabe zu sein.
Es besteht berechtigte Hoffnung, daß Bund und Land die
erforderlichen Finanzmittel für den Bau aufbringen können. Vielleicht ist der zur Zeit ins Auge gefaßte Ausbau
des altehrwürdigen Fürstenkellers der lang erhoffte Beginn einer weiterführenden Bauphase, denn sein stabiles Gewölbe kann - das hat es bewiesen - mit Leichtigkeit die Last eines mehrgeschossigen Bibliotheksgebäudes tragen.
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Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Henschke et al. - Planung und Realisierung von Bauten für Bibliotheken in den neuen Bundesländern
Der Neubau für die Universitätsbibliothek
Potsdam - Planungen,
Zwischenlösungen und eine Vision
(von Barbara Schneider-Eßlinger)
Zu Beginn soll ein kurzer Überblick über die bisherige
strukturelle Entwicklung der Universität Potsdam und
die besonderen Bedingungen der Neugründung gegeben werden, denn die Ausgangssituation ist hier nicht
ohne weiteres mit der an anderen Hochschulen der neuen Länder vergleichbar.
Die Universität Potsdam besteht seit Mitte 1991. Das
Land Brandenburg hat mit Wirkung vom 15.7.1991 die
Gründung der Universität Potsdam beschlossen, der
Wissenschaftsrat hat ihr-vorerst als einziger der drei im
Land vorgesehenen Universitätsneugründungen - zugestimmt. Drei Vorgängerinstitutionen wurden integriert, ihr struktureller Einfluß blieb jedoch begrenzt. Sie
seien nun kurz vorgestellt:
Seit 1948 bestand in Potsdam die Brandenburgische
Landeshochschule, später (mit der Auflösung des Landes im Jahre 1951) wurde dieser der Status einer Pädagogischen Hochschule verliehen, die Lehrer aller Stufen ausbildete und immer Promotions- und Habilitationsrecht behielt. Im März 1990 erhielt die Einrichtung
ihren alten Namen ,Brandenburgische Landeshochschule' zurück, bis sie als die zentrale Vorgängereinrichtung in die Universität Potsdam eingegliedert wurde.
Bereits vorher war ein Teil der Hochschule für Recht und
Verwaltung in Potsdam-Babelsberg (bis 1990 Akademie
für Staats- und Rechtswissenschaft der DDR) übernommen worden; die Sektion Rechtswissenschaft wurde
überprüft; andere Teile wurden abgewickelt. Ausgenommen hiervon blieb die Bibliothek. Von der in Golm
früher bestehenden Juristischen Hochschule des Ministeriums für Staatssicherheit wurden lediglich Gebäude
und Räume übernommen; diese Einrichtung wurde aufgelöst.
Mit der Gründung der Universität wurden vom Minister
für Wissenschaft, Forschung und Kultur Gründungsrektor und Gründungssenat bestellt. Letzterer hat die Aufgabe, Vorschläge für die Struktur und den Aufbauplan
der neuen Universität vorzulegen.
Beschlossen wurde eine geistes-, gesellschafts- und naturwissenschaftliche Ausrichtung, die mit ihren fünf Fakultäten die klassischen Wissenschaftsbereiche-ausgenommen die Theologie und die Medizin - alter Universitäten abdeckt. Als Ausbauziel hat der Gründungssenat
eine Studienplatzzahl von ca. 12 000 empfohlen. Bis zum
Abschluß der 1. Ausbauphase (1995/96) sollen 250 Professoren, 630 wissenschaftliche und 660 nichtwissenschaftliche Mitarbeiter an der Universität tätig sein.
Diese Zahlen sind ein Faktor, der das Konzept der Universität Potsdam widerspiegelt: eine überschaubare
Universität in einer landschaftlich und kulturhistorisch
ungemein reizvollen Umgebung, die über ihr spezifisch
ausgerichtetes Angebot (Vermeidung von Doppelangeboten) eine klare Alternative zu den Berliner Massenuniversitäten darstellt.
Eine Besonderheit und besondere Schwierigkeit der Potsdamer universitären Situation ist die Verteilung der derzeit noch kleinen Universität auf 3 Standorte, wie sie sich
aus der Lage der Vorgängerinstitutionen ergeben hat.
Das trifft im gleichem Maß auf die Universitätsbibliothek
375
zu, deren Organisationsstruktur auf dem Modell des einschichtigen Bibliothekssystems beruht, mit einheitlichem Stellenplan, einem einheitlichen Sachmitteletat
und Mittelverwaltung, sowie dezentral angesiedelten Benutzungseinheiten an den einzelnen Standorten. Die Entfernungen zwischen den Standorten sind groß (Babelsberg-Golm: 15 km). Da das Straßennetz der enormen
Verkehrsdichte nicht mehr gewachsen und die Verbindungen im öffentlichen Personennahverkehr unzureichend sind, treten allein schon in verkehrstechnischer
Hinsicht zahlreiche Probleme bei der Realisierung einer
einheitlich strukturierten und organisierten Bibliothek
auf, die modernen Dienstleistungskriterien gerecht werden soll. Nichtsdestotrotz ist dies das-erreichbare-Ziel,
insbesondere in der gegenwärtigen ersten Aufbauphase.
Von zentraler - wenn nicht sogar existentieller - Bedeutung ist dabei die Frage, wo die Bibliothekszentrale ihren
Platz finden soll und kann. Die Vorstellungen gehen derzeit dahin, ein schlüssiges und attraktives Konzept zu
entwickeln, das die schwierigen Voraussetzungen nicht
nur angemessen berücksichtigt, sondern sogar in eine
besondere Chance verwandelt. Wie das aussehen könnte, soll im folgenden dargestellt werden, zunächst aber
ein Blick auf die einzelnen Standorte mit ihrer jeweiligen
Bibliothekssituation.
Golm:
Der Universitätskomplex liegt 8 km entfernt vom Stadtzentrum, ist mit Bus, Bahn, PKW erreichbar, wegen des
miserablen Straßenzustandes jedoch etwas mühsam.
Derzeit sind hier die geisteswissenschaftlichen Fachbereiche untergebracht. Eine Bereichsbibliothek mit 690 m 2
Fläche zur Versorgung der vertretenen Fächer und Fachbereiche ist ausgestattet mit neuen funktionsgerechten
Möbeln und Regalanlagen.
Eine für Bibliothekszwecke umgebaute Gaststätte wird
seit Mitte März 1992 als zentrales Ausweichmagazin genutzt. Durch die Installation einer Kompaktregalanlage
beträgt die Aufnahmekapazität ca. 420 000 Bände.
Zu rechnen ist gemäß der Bauentwicklungsplanung für
die Universität mit der Verlagerung der gegenwärtig am
,Neuen Palais'vertretenen Naturwissenschaften an den
Standort Golm. Erforderlich wäre dann ein Neubau für
die naturwissenschaftliche Teilbibliothek.
Babelsberg:
Der Standort Babelsberg liegt etwa 7 km vom Stadtzentrum entfernt, die Erreichbarkeit ist mit der von Golm
vergleichbar; eine Besonderheit bildet die gute Anbindung an Berlin durch den nahegelegenen S-Bahnhof
Griebnitzsee. Babelsberg ist Sitz der Juristischen Fakultät und der wirtschafte- und sozialwissenschaftlichen
Fachbereiche.
Die Bereichsbibliothek verfügt bei einem Bestand von
ca. 400 000 Bd. über keinerlei Stellplatzreserven mehr,
die Benutzungsbedingungen sind daher ungünstig. Als
Perspektive wird der Ausbau des Dachgeschosses im
sogenannten Hauptgebäude, einem aufwendig gestalteten, großzügigen Verwaltungsbau der 30er Jahre, für
die Zwecke der Bibliothek gesehen. Eine Grobplanung
ist bei Erstellen der Haushaltsunterlage-Bau kürzlich erfolgt. Der Flächenzuwachs würde die Raumprobleme
mittelfristig lösen.
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376
Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Henschke et al. - Planung und Realisierung von Bauten in den neuen Bundesländern
Abb. 18: Potsdam: Kaiserbahnhof
Abb. 17: Potsdam: Neues Palais
Neues Palais:
Der Standort (Entfernung vom Stadtzentrum ca. 3 km) ist
geprägt durch kultur- und bauhistorisch wertvolle Gebäude (Abb. 17), die Teil der Gesamtanlage Park Sanssouci sind. 1990 ist der Park in die Weltkulturerbeliste der
UNESCO aufgenommen worden, d. h., Freiflächen und
Bauwerke stehen unter einem (nahezu bedingungslosen) Denkmalschutz. Innerhalb der Universität kommt
diesem Standort eine hervorragende Bedeutung zu. Der
Bereich wird sich weiter zu ,dem' zentralen Ort, zum Sitz
der bedeutendsten zentralen Einrichtungen einschließlich Rektorat und zentraler Hochschulverwaltung und
zum Identifikationsort der Universität schlechthin entwickeln. Die Planungen gehen davon aus, daß hier die
Philosophischen Fakultäten l und II ihren Platz finden
werden.
Die Bibliothekssituation ist gekennzeichnet durch die
Unterbringung der zentralen Verwaltung und Buchbearbeitung sowie eine Anzahl kleinerer Fachbibliotheken,
deren Zahl sich Ende 1993 nach Abschluß von Umbauund Instandsetzungsarbeiten zum Zweck der Schaffung
eines größeren Benutzungsbereiches auf 5 belaufen
wird.
Bedenkt man nun die besonderen strukturellen und baulichen Bedingungen der Universität, so erscheint als Lage für die Bibliothekszentrale (derzeit definiert als Buchbearbeitung und geisteswissenschaftliche Teilbibliothek) und deren Neubau allein der Standort,Neues Palais'folgerichtig.
Da nun aber der einmalige Reiz der Umgebung gleichzeitig die durch den Denkmalschutz gesetzten Grenzen
und Auflagen mit sich bringt, gerät die Suche nach einer
geeigneten Unterbringungsmöglichkeit für die Bibliothekaußerordentlich schwierig.
In dieser Situation ist nun ein für lange Zeit in Vergessenheit geratenes Gebäude in der unmittelbaren Umgebung in den Blickpunkt des Interesses gelangt- der sogenannte Kaiserbahnhof (Abb. 18). Daß es ein Bahnhof
ist, spielt dabei eine besondere Rolle, sind doch alle drei
Standorte der Universität durch die ehemalige S-BahnStrecke nach Berlin miteinander verbunden. Anfang des
20. Jahrhunderts speziell für kaiserliche Besuche als Stations- und Empfangsgebäude gebaut, wurde der seit
vielen Jahren von der Reichsbahn nicht mehr benötigte
Bahnhof 1977 wegen Einsturzgefahr gesperrt.
Seit 1992 gibt es Bestrebungen des Landes, das seit 1991
wetterfest eingehauste Gebäude für die Universität
Potsdam nutzbar zu machen. Der ca. 800 m südlich des
Standortgeländes ,Neues Palais' gelegene Bahnhof hat
eine sehr günstige Verkehrslage im regionalen Einzugsbereich der Universität Potsdam, und bezogen auf die
drei Hauptstandorte der Universität ist der Bereich Kaiserbahnhof ein Ort mit zentraler Lage und mit der besten
Erreichbarkeit. Dies ist ein entscheidender Aspekt, der
für die Verwendung durch die Universität spricht, davon
unabhängig würde damit dem denkmalgeschützten Gebäude eine Chance gegeben, die es vor dem - ansonsten
voraussehbaren-Verfall retten könnte.
Im Sommer 1992 wurde daher im Auftrag des Landes
ein Gutachten zu den Möglichkeiten der Nutzung für Bibliothekszwecke erstellt, das zu einer diesbezüglichen
positiven Empfehlung gelangt, allerdings unter der Voraussetzung, daß zwei wesentliche Bedingungen erfüllt
werden.
Zum einen ist für die Aufnahme des notwendigen Raumprogramms eine beträchtliche Erweiterung des alten
Gebäudes durch einen Neubau erforderlich, zum anderen müßte die relative Randlage und recht große Entfernung zum Neuen Palais durch eine überlegte, attraktive
Nutzung dieses Bereichs - und durch eine ebensolche
Architektur-ausgeglichen werden. Fürdas Bauwerk, für
den Gesamtstandort und natürlich für die Raumnöte der
Bibliothek wäre dann eine zwar unkonventionelle, jedoch bei genauem Hinsehen maßgeschneiderte Lösung
gefunden.
Hinzu kommt die Überlegung, daß es keine Alternative
gibt. Die Unterbringung der Bibliothek als zusammenhängender Baukomplex unter Einhaltung der notwendigen bibliothekarischen und betriebwirtschaftlichen
Grundforderungen ist nur hier möglich. Wenn am Kaiserbahnhof nicht für die Universität gebaut wird, müßte
am Standort ,Neues Palais' zusätzlich eine BruttoGrundrißfläche von etwa 28 700 m2 untergebracht werden. Der Anteil der Bibliothek daran betrüge ca. 16 000
m2. Dies würde zu starken Überschneidungen mit dem
Denkmalschutz führen und ist daher nicht vertretbar.
Der Standort ist durch die historischen Bauten, die landschaftlichen Räume mit ihren Platzanlagen, Rasenbereichen und Alleen in einer Art und Weise geprägt, die bedingt, daß sich ein Bebauungskonzept unterordnen muß
und Neubau nur in sehr begrenztem Umfang möglich
sein wird.
Andere Schwierigkeiten im Zusammenhang
Unauthenticated mit dem
Projekt sollen nicht
unerwähnt
bleiben:
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12:08Die
AM mögliche
Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Henschke et al. - Planung und Realisierung von Bauten für Bibliotheken in den neuen Bundesländern
Belästigung durch Lärm und die Beeinträchtigung durch
Schwingungen, beides verursacht durch vorbeifahrende Züge, ist noch nicht ausreichend untersucht und geklärt. Einen Schritt weiter wird uns nun eine im Auftrag
des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur zu erstellende Machbarkeitsstudie bringen, die die
o. g. Fragen detailliert und zuverlässig beantworten soll.
Es ist zu hoffen, daß das Ergebnis die bisherige positive
Einschätzung bestätigt und in Potsdam ein Bibliotheksbau entstehen wird, den es so sicher noch nicht gibt, der
demzufolge unverwechselbar wäre und den Besuch der
Universitätsbibliothek Potsdam zu einem ganz besonderen Erlebnis machen würde.
Anschriften der Autoren:
Dr. Ekkehard Henschke
Universitätsbibliothek
„Bibliotheca Albertina"
Beethovenstr. 6
D-04107 Leipzig
Dr.-lng. Peter Hoffmann
Universitätsbibliothek
Universitätsplatz 5
D-18051 Rostock
Dr. Konrad Marwinski
Thüringer Universitätsund Landesbibliothek
Fürstengraben 6
D-07743 Jena
Barbara Schneider-Eßlinger
Universitätsbibliothek
Am Neuen Palais
Postfach 60 15 53
D-14415 Potsdam
Unauthenticated
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377
Marie-Frangoise Bisbrouck
Das neue Förderprogramm für Universitätsbibliotheken in Frankreich
(1991-1995)
Der neue Förderplan für französische Universitätsbibliothekensoll hier vorgestellt werden, da er erst vor kurzem
erarbeitet wurde und aus diesem Grund wahrscheinlich
in Frankreichs Nachbarländern noch weitgehend unbekannt sein wird.
Die Situation der französischen Öffentlichen Bibliotheken, der Stadtbibliotheken und der Regionalen Leihbibliotheken ist sicher ausreichend bekannt, da sie seit etwa zwanzig Jahren Ursache von großen Anstrengungen
ist, die nicht nur von Seiten der Kommunen und der Departements unternommen wurden, sondern zu einem
Großteil auch von seiten des Staates. Man ist stolz auf einige der Projekte, die in diesem Zeitraum verwirklicht
wurden.
So ist man stolz auf die beiden Öffentlichen Bibliotheken, die vom Staat verwaltet werden: die Bibliotheque
publique d'information (BPI) im Centre Georges Pompidou in Paris, die 1977 eröffnet wurde, und auf die Mediatheque de la Cite des sciences et de (Industrie, die sich
ebenfalls in Paris (in La Villette) befindet und 1986 eröffnet wurde; ihr Sammelschwerpunkt liegt vor allem auf
wissenschaftlichem, technischem und industriellem Gebiet.
Diese beiden Öffentlichen Bibliotheken spielten und
spielen auch heute noch eine Vorreiterrolle für die Entwicklung der anderen Öffentlichen Bibliotheken und
werden diese Rolle nun auch für die Universitätsbibliotheken übernehmen.
Es ist richtig, daß sie sich nicht an die gleichen Leser wenden wie die Universitätsbibliotheken, auch wenn 55% bis
57% ihrer Benutzer Studenten sind; aber die von ihnen
geförderten modernen Techniken, die auch vom breiten
Publikum akzeptiert wurden, sollen nun von den Universitätsbibliotheken aufgegriffen werden, um ihren Aufschwung einzuleiten. Dabei handelt es sich um:
- völlige Umstellung der Verwaltung auf EDV (Erwerbung, Katalogisierung, Rechnungswesen, Bearbeitung von Periodika, Ausleihe, Vormerkungen in der
Bibliothek und durch Minitel, Recherchen im Katalog
in der Bibliothek und per Datenfernübertragung),
- Freihandaufstellung des gesamten Bestandes,
- das Sammeln von qualitativ hochwertigen audiovisuellen Dokumenten zur Benutzung in der Bibliothek,
- Erweiterung des EDV-Bestandes-Software und Lernprogramme-zum Zwecke der Unterhaltung und der
Weiterbildung,
- die stärkere Einbeziehung der Periodika in die Freihandaufstellung (2 400 Periodika in der BPI, 5 500 in
der Mediatheque de la Cite des Sciences et de l'lndustrie; in letzterer werden verschiedene Periodika auch
außer Haus verliehen),
- die Bedeutung, die man an der Mediatheque de la Cite
des Sciences et de l'lndustrie aufgrund ihres Bestandes der Entwicklung eines Dokumentationsdienstes
für kleine und mittlere Unternehmen (Profildienste,
Recherchen in amerikanischen und europäischen Datenbanken) zumißt,
- Förderung von leistungsfähigen Diensten für Blinde
und Sehschwache,
- Öffentlichkeitsarbeit der unterschiedlichsten Ausprägung.
Diese beiden großen Bibliotheken, die auch samstags,
sonntags und an Feiertagen geöffnet haben, spielen gerade jetzt eine Vorreiterrolle für die Gesamtheit der französischen Bibliotheken, da die Bibliotheque Nationale
dazu erst wieder 1995 oder 1996 in der Lage sein wird,
wenn sie als Bibliotheque de France wieder öffnet.
1995 wird wahrscheinlich auch das erste Jahr sein, in
dem es möglich sein wird, wichtige bauliche Veränderung und damit Veränderungen im Angebot der französischen Universitätsbibliotheken zuz erkennen. Bevor
aber darauf näher eingegangen wird, soll zunächst die
Situation beschrieben werden, in der sich die Mehrzahl
der Universitätsbibliotheken augenblicklich befindet,
besonders unter baulichen Gesichtspunkten. In diesem
Bereich ist Stolz völlig fehl am Platze!
Um die aktuelle Situation besser zu verstehen, hier zunächst ein kleiner historischer Überblick:
Die erste Expansion der Universitätsbibliotheken fand in
Frankreich zwischen 1955 und 1975 statt, um damit auf
das Ansteigen der Studentenzahlen zu reagieren. Diese
Entwicklung ging zurück auf die wachsende Schulbildung und das explosionsartige Bevölkerungswachstum
am Ende des Zweiten Weltkriegs und in der unmittelbaren Nachkriegszeit: Waren 1955 noch 155 000 Studenten
an den Universitäten eingeschrieben, so stieg die Zahl
auf 831 000 in den Jahren 1975/76. Inzwischen wird hier
wiederum eine Steigerung festzustellen sein.
Im Zeitraum 1955 bis 1975 wurden 110 Universitätsbibliotheken neu gebaut oder erweitert, eine Entwicklung,
die parallel ging mit der Entwicklung der Universitäten,
denen sie angehörten: insgesamt wurden 516000 m 2 in
Universitätsbibliotheken neu gebaut - finanziert allein
durch den Staat.
Die Planer von Universitätsbibliotheken kümmerten sich
während dieser zwanzig Jahre vorherrschend um die
folgenden Bereiche;
- Lesesäle anzubieten, die mit so viel Plätzen ausgestattet waren, daß auf einen Leseplatz zehn Studenten kamen,
- Magazine zu bauen, die ein Anwachsen der Sammlungen für die nächsten 20 bis 25 Jahre ermöglichen,
- für das Personal angemessenen Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen,
- Gebäude zu bauen, die, wenn es das Grundstück erlaubt, bei Bedarf erweitert werden können,
- durch die Ausarbeitung eines durchdachten Geschäftsgang dafür zu sorgen, das alle Dienste mit
möglichst wenig Personal gut funktionieren,
- wirtschaftlich vertretbare architektonische Lösungen
zu finden, indem kompakte Gebäudekomplexe gebautwerden.
Diese Ziele führten sehr oft zum Bau von Gebäuden, die
sich in drei Teile gliederten: Magazinbereich (ein Block
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Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Bisbrouck- Das neue Förderprogramm für Universitätsbibliotheken in Frankreich (1991-1995)
379
100
1. einfacher Leseplatz
J5
.
130
4. AV-Leseplatz
70
55
125
2. EDV-Leseplatz
120
5. Leseplatz (Bildende Künste)
150
3. abgeschlossener EDV-Leseplatz
Abb. 1: Mindestmaße eines Leseplatzes
oder ein Turm), Benutzerräume und Verwaltung. Diese
Aufteilung ist sehr charakteristisch für französische Universitätsbibliotheken, die in dieser Periode gebaut wurden.
Diese Neugründungen haben zu einer Erneuerung der
französischen Universitätsbibliotheken um 90% geführt.
Das Jahr 1975 war für die Universitätsbibliotheken von
besonderer Bedeutung. In diesem Jahr wurden alle Universitätsneubauten und damit auch die Neubauten von
Universitätsbibliotheken völlig gestoppt. Zwischen 1975
und 1990 wurden nur 12 Bibliotheksgebäude mit einer
Gesamtfläche von 20 000 m 2 gebaut oder erweitert (man
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Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Bisbrouck-Das neue Förderprogramm für Universitätsbibliotheken in Frankreich (1991-1995)
ist also weit entfernt von den 500 000 m 2 der davorliegenden 20 Jahre!).
Seit 1975 mußten die französischen Universitätsbibliotheken zusehen, wie sich ihre Situation in einem Zeitraum von fast fünfzehn Jahren immer mehr verschlechterte. Das betraf den Zustand der Gebäude ebenso wie
die Erwerbung und das Personal.
Während diesen Zeitraums wurde mehrere Male vehement Alarm geschlagen: An Regierung und Parlamentarier wurden Anfragen zum skandalösen Zustand der Bibliotheken gerichtet. In den achtziger Jahren wurden
drei Berichte zu dieser Frage veröffentlicht:
1. 1981 beschrieb ein erster Bericht, der Bericht Vandevoorde, die Zweigleisigkeit der Literaturversorgung
an den Universitäten: auf der einen Seite die Universitätsbibliotheken, die starke Probleme hatten und
schlecht in die Hochschulen integriert waren, zu denen sie gehörten; auf der anderen Seite eine Vermehrung der Seminar-, Instituts- und Klinikbibliotheken,
die als angenehmer angesehen wurden und den Studenten sowie dem Lehrkörper viel näherstanden. Zudem erhielten sie mehr Mittel für die Erwerbung.
Um dieser Situation abzuhelfen, schlug der Bericht
Vandevoorde vor, die Universitätsbibliotheken mit
den Seminar- und Institutsbibliotheken einer jeden
Universität zu einem gemeinsamen Dienst zusammenzufassen, so daß eine gemeinsame Direktion
mit einer dezentralisierten Verwaltung kombiniert
und ein globales Budget verwaltet würde.
2. Ein zweiter Bericht von 1985 (der Bericht GattegnoVarloot) konstatierte das bereits länger andauernde
Fehlen (mehr als 10 Jahre) eines umfassenden Programms für die Universitätsbibliotheken. Dieser Bericht riet unter anderem dazu, eine allgemeine Politik der Erweiterung von Bibliotheksgebäuden zu verfolgen.
3. Es dauerte allerdings bis zum Jahre 1988, bis der Erziehungsminister Professor Andre Miquel (Verwaltungsbeamter an der Bibliotheque Nationale) beauftragte, Überlegungen zu einem Mehrjahresplan
zur Erneuerung der Universitätsbibliotheken anzustellen.
Sein Bericht, der Bericht Miquel, prangerte 1989 entschlossen die skandalöse Situation der französischen
Universitätsbibliotheken an; er nannte sie „die ausgebrannte Zone des Hochschule". Er stellte ihren Verfall
fest - ob es sich dabei um ihre Gebäude handelte (auf
einen Student kam zu jenem Zeitpunkt und auf der Basis
der statistischen Angaben von 1987 eine Fläche von etwa 0,65 m2), oder um ihr Personal (3,25 Angestelle für
1000 Benutzer) oder um ihre lächerlich geringen Möglichkeiten der Erwerbung.
Er schlug vor, innerhalb von 10 Jahren neue Gebäude
mit einer Gesamtfläche von 370 000 m 2 zu bauen, 1 500
neue Stellen zu schaffen und innerhalb von vier oder
fünf Jahren die Bibliotheksetats zu vervierfachen.
Der Bericht Miquel widmete sich mit besonderem Nachdruck den folgenden Themen:
- der Verbesserung der Versorgung der Studenten,
- der Einführung der Studenten in die Benutzung der
vorhandenen Quellen innerhalb der ersten zwei Jahre
des Studiums,
- der Verstärkung der Erwerbung,
- dem Angebot der wichtigen Bestände in Freihandaufstellung,
- der Verlängerung der Öffnungszeiten auf mindestens
60 Stunden pro Woche für 45 bis 46 Wochen im Jahr
(1987 - dem Jahr, auf das sich der Bericht bezieht waren es durchschnittlich 40 bis 45 Wochen pro Jahr).
Der Bericht Miquel war der ausschlaggebende Faktor für
eine neue Politik zugunsten der Universitätsbibliotheken. Zur Zeit dient er dem Erziehungsminister als Arbeitsgrundlage für seine kurz-und mittelfristige Planung
der Förderung von Universitätsbibliotheken.
Im Jahre 1993 sieht die Situation der französischen Universitätsbibliotheken in Zahlen folgendermaßen aus:
- es existieren 79 Universitätsbibliotheken in 79 Universitäten, die aus 195 Einheiten bestehen, wobei die universitären Außenstellen nicht berücksichtigt wurden,
- die Gebäude haben eine Grundfläche von insgesamt
635 000 m2,
- seit dem Bericht Miquel hat sich die Fläche pro Student erneut verringert, von 0,65 m 2 im Jahre 1987 auf
0,52 m 2 im Jahre 1992; die Studentenzahl selbst ist
von fast 969 000 im Jahre 1987 auf 1 245 000 für das
Universitätsjahr 1991/92 gestiegen. Das ist eine Steigerung von 28,6% in fünf Jahren. Zur Zeit liegt die
jährliche Steigerungsrate der eingeschriebenen Studenten bei etwa 6%.
- die Universitätsbibliotheken verfügen heute über etwa 70 000 Leseplätze, dabei kommen auf einen Platz
18, und nicht, wie gewünscht, 5 Studenten. Im übrigen
stellt man eine ungleiche geographische Verteilung
fest, somit ist die Situation an einigen Universitäten
noch schlimmer.
- die Gebäude, die zwischen 1955und 1975 gebaut wurden, können nur sehr schlecht umorganisiert werden,
da ihre interne Organisation sie oft untauglich für die
Freihandaufstellung und den Einsatz neuer Technologien macht.
Es muß außerdem festgestellt werden, daß die Forderungen nach Renovierung der bestehenden Gebäude
genauso wichtig zu nehmen sind wie jene nach Erweiterung und Neubau. Es bedarf der Anpassung an die aktuellen Sicherheitsvorschriften, die sehr viel strenger sind
als diejenigen zwischen 1955 und 1975, es bedarf ebenfalls der Anpassung an die Verordnung von 1975 bezüglich der Zugänglichkeit von öffentlichen Gebäuden für
Behinderte, der Instandhaltung von Fußböden, Anstrichen und Beleuchtung sowie der Neuausstattung mit
Möbeln, die heute noch teilweise diejenigen aus den
fünfziger Jahren sind!
Was kann man nun mit diesen heruntergekommenen
und ungenügenden Gebäuden machen?
Der Staat hat zusammen mit den Gebietskörperschaften
- ein Novum im universitären Bereich - ein wichtiges
Förderungsprogramm für das Hochschulwesen auf die
Beine gestellt. Das „Schema Universite 2000", dessen
erste Phase von 1991 bis 1995 laufen wird, soll den Universitäten zumindest die Aufnahme der ständig wachsenden Zahl an Studenten ermöglichen.
Das „Schema Universite 2000" stützt sich auf einen Etat
von 32 Milliarden Francs, wobei je 16 Milliarden vom
Staat und von den lokalen Körperschaften (Städte, Departements, Regionen) kommen. Die Summe wird sukzessive in den Jahren 1991 bis 1995 ausgegeben. Diese
Summe bergen in sich theoretisch die Möglichkeit, neue
Universitätsgebäude mit einer Fläche von 2 500 000 m2
zu bauen und einzurichten. Diese Zahlen können jedoch
nicht einfach so übernommen werden.
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Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Bisbrouck- Das neue Förderprogramm für Universitätsbibliotheken in Frankreich (1991-1995)
Type d* espaces
Surface utile
par unite
Remarques
ESPACES D'ACCUEIL |
Partie Public
• Hall d'accueil
• Sanitaires
Partie Personnel
• Renseignement
• Banquedepret
-h 20%
5 % de la surface des
espaces accessibles au
public
3,5 nr/60 places
15 nr/poste
15 a 20 nr/poste
Espaces accessibles au public * docuraentation en
libre acces + consultation + sanitaires. Pour les
bibliotheques de moins de 1 200 places, on prevoit
plutot pour l'accueil 1 m2 pour 3 piaces de consultation.
Variable selon l'organisation
Variable selon (Organisation
ESPACES DE CONSULTATION
Places de consultation
• place simple
• box informatique
• place audiovisuelle
• place «Beaux Arts»
• place de reunion
%de
circulation
aförente
H- 20%
2,7 nr/personne
3,5 nr/personne
4 mVpersonne
3,5 nr/personne
2 nrVpersonne
Le pourcentage de circulation afiSrente aux espaces
de consultation doit etre porte a + 30 % pour les
espaces de reunion.
Documentation en libre acces
• Präsentation des ouvrages
- acces libre «large»
Supertlcie pour 10000 ouvrages
Nombre d'ouvrages au m2
- acces libre « etroit > et magasins
ouverts
Superficie pour 10000 ouvrages
Nombre d'ouvrages au m2
• Präsentation des periodiques relies
- acces libre «large»
- acces libre «etroit» et magasins
ouverts
• Präsentation des periodiques en
fascicules
- acces libre «large»
Supertlcie pour 1 000 titres
Nombre de titres de periodiques au m2
- acces libre «etroit» et magasins
ouverts
Superficie pour 1 000 titres
Nombre de titres de periodiques au m2
3,5 a 4 ml/m2
107 m2
88 a 100 documents
5,5 ä 6 ml/m2
25 ouvrages au metre lineaire
30 ouvrages au metre lineaire
2
58m
165 a 180 documents
Voir ouvrages
Voir ouvrages
1 annee d'un titre » 4 ouvrages en moyenne
Ceci dopend des champs discipiinaires concernes.
2 ml/m2
125m 2
8 titres
2,9 ml/m2
85m 2
12 titres
Reprographie
• photocopieur isole
• photocopieurs en batterie
9 nr/copieur
7 nr/copieur
Le nombre de photocopieurs necessaires depend
des publics attendus dans la bibliotheque.
Atelier de recherche d'informations
• place de tbrmation
4,5 nr/utilisateur
Le pourcentage de circulation doit etre porte a
+ 30 % pour les espaces de Formation.
+ 15%
MAGASINS
Stockage traditionnei
Supertlcie pour 10000 ouvrages
Nombre d'ouvrages au nr
Stockage dense
Supertlcie pour 1 0000 ouvrages
Nombre d'ouvrages au nr
2
7,5 ä 8 ml/m
36 a 38 nr
263 a 280 documents
12 a I2.5ml/nr
23 a 24 ra:
420 a 438 documents
35 ouvrages au metre lineaire
35 ouvrages au metre lineaire
-h 40%
l SERVICES INTERIEURS
Espaces de cravaii du personnel
1 5 nr/personne
L'anaiyse des Caches doit permettre d'aiTiner le caicul de ces surfaces.
Abb. 2: Übersicht über die Flächenverteilung für das Bauprogramm einer Universitätsbibliothek
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Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Bisbrouck-Das neue Förderprogramm für Universitätsbibliotheken in Frankreich (1991-1995)
Wo finden nun die Universitätsbibliotheken ihren Platz
im „Schema Universite 2000"?
Das ist zum Teil ein wenig schwierig, und zwar aus verschiedenen Gründen:
1. Die finanziellen Mittel dieses Programms werden
nicht schwerpunktmäßig auf die verschiedenen
Funktionsbereiche einer Universität aufgeteilt: z. B.
auf Vorlesungen, Seminare, klinische Praktika, Verwaltung, Mensen, Studentenwohnheime, Sport, Literaturerschließung, usw. Jede Bibliothek muß also
darum kämpfen, daß ihre Leistungen und ihre besonderen Bedürfnisse innerhalb der Universität anerkannt werden; das ist oft recht schwierig.
2. Ursprünglich waren im „Schema Universite 2000"
nur Planung, Neubau und Erweiterung von Universitätsgebäuden Inbegriffen. Hinzugenommen wurden anschließend noch alle Erhaltungsmaßnahmen
und die Einrichtung von Universitätsgebäuden. Dadurch muß die Fläche von 2 500 000 m2 an Universitätsgebäuden deutlich nach unten korrigiert werden!
3. Es ist die Aufgabe der Universitätspräsidenten, zusammen mit dem Rektor (dem Vertreter des Erziehungsministers) die Prioritäten der Maßnahmen für
seine Universität festzulegen und anschließend zu
gewichten, um den von Staat und Gebietskörperschaften festgeschriebenen Budgetrahmen nicht zu
überschreiten. Die ihm zugewiesene Summe erlaubt es leider nicht, die gesamten Projekte aller Universitäten zu realisieren. Die Universitätsbibliotheken müssen also mit doppelter Kraft kämpfen!
4. Da seit fast zwanzig Jahren in diesem Bereich nichts
mehr unternommen worden ist, mußten Anstöße
gegeben werden, um Voraussagen, Bewertungen,
Entwicklung, Programme und Interesse an Universitäten und Universitätsbibliotheken zu erhalten. Das
war nicht das kleinste der bestehenden Probleme.
5. Die Stellung der Universitätsbibliotheken ist innerhalb der Universität noch nicht überall völlig anerkannt. Die Probleme, die das Arbeiten behindern wie z. B. die die in vielen französischen Universitätsbibliotheken fehlende Möglichkeit, direkt auf den
Kernbestand wichtiger Sammlungen zugreifen zu
können, weil Leseplätze fehlen und ganz allgemein
die Einrichtungen unbequem und dürftig sind -werden von den Entscheidungsträgern der Bibliothek
nicht als so unerträglich für Leben und Arbeit der
Studenten empfunden wie z. B. ein von ihnen geleiteter überfüllte r Hörsaal oder Seminarraum oder
eine vollgestopfte Mensa.
Diese Bemerkungen sollen jedoch nicht dazu verführen
zu glauben, daß die Universitätsbibliotheken im „Schema Universite 2000" nicht genügend berücksichtigt worden sind. Zwar wird das vom Bericht Miquel erwähnte
Ziel, 35 000 neue Leseplätze zu schaffen, sicherlich kaum
zur Hälfte erreicht werden, aber selbst diese Plätze werden die Situation merklich verändern, da sie beispielhafte Einrichtungen sein werden für die Freihandaufstellung, die unterschiedliche Gestaltung von Leseplätzen
und für das vielfältige Angebot an unterschiedlichen Publikationsformen.
Viele wichtige Neubauten sind nun in Planung: in Pariswo die Situation im Vergleich zu den anderen Orten im
Staatsgebiet am schlimmsten ist-z. B. die Bibliotheken
von Paris-VIII-Saint-Denis (12 500 m 2 ) für Orientalistik
sowie die Bibliotheken für Literatur- und Geisteswissenschaften und die Forschungsbibliothekauf dem Universitätsgelände von Jussieu (mit einer Gesamtfläche von
etwa 20 000 m2); in der Provinz z. B. die Rechtswissenschaftliche Bibliothek von Montpellier, die im Stadtzentrum in die Juristische Fakultät integriert werden soll
(15 000 m2). Bibliothekserweiterungen wird es ebenfalls
geben in Besangon, Dijon, Grenoble, um nur Erweiterungen um mehr als 5 000 m 2 zu erwähnen.
Hinzugefügt werden muß die Gründung von sieben neuen Universitäten, vier davon in der Region lle-de France,
um Paris zu entlasten, zwei in der nördlichen Region und
eine in La-Rochelle (südlich von Nantes). Diese neuen
Universitäten sollen bis zum Jahr 2000 je zwischen
10 000 und 20 000 Studenten aufnehmen. Sie arbeiten gerade an den Bauprogrammen für ihre Bibliotheken. Geplant sind Größenordnungen von je 8 000 bis 12 000 m2.
Viele andere Erweiterungsarbeiten sind nicht ganz so
wichtig (leider oft von zu geringer Bedeutung im Vergleich
zu den Bedürfnissen); sie werden jedoch den betroffenen
Bibliotheken ein wenig mehr Annehmlichkeiten bieten,
ohne daß sie jedoch grundlegend umorganisiert werden.
Einige Worte müssen auch zum zukünftigen „Centre
technique du livre" gesagt werden, das etwa 30 Kilometer von Paris entfernt liegt und die seltener benutzten Bestände der Bibliotheken der lle-de-France aufnehmen
soll, um diesen ein wenig Erleichterung zu verschaffen.
Es handelt sich also um ein „Buchsilo", dessen Konzeption denjenigen des Bücherdepots der Harvard-Bibliotheken in Cambridge (USA) und der Speicherbibliothek
in Garching bei München (Deutschland) entspricht. Ein
Teil der Sammlung wird in einem Magazinturm von großer Höhe gelagert werden. Ein erster Bau vom 6 400 m 2
wird die Lagerung von 100 km an Dokumenten erlauben.
Es besteht die Möglichkeit, das Gebäude auf 250 km Lagerfläche zu erweitern. Der Bau soll Mitte 1994 fertiggestellt sein.
Insgesamt sind etwa sechzig Vorhaben in Planung, mit
einer Fläche von etwa 200 000 m2. Für die Gebäude der
französischen Universitätsbibliotheken werden die folgenden Ziele verfolgt:
- Die Bibliothek soll sich im Zentrum der Universität
und im Bewußtsein der Bevölkerung befinden. Überall dort, wo das möglich ist, soll dem „Campus", wie
er in Frankreich verstanden wird, ein Riegel vorgeschoben werden: keine Universität mehr, die abseits
von allem ist, ohne funktionierende Transportmittel,
ohne richtiges Leben, ohne Geschäfte, Cafes, ohne
Restaurant (nur mit Mensen), ohne Theater, Kino und
Buchhandlung. Die Gründung der sieben neuen Universitäten und die Universitäts-Außenstellen in Mettelzentren (mit 15 000-50 000 Einwohnern) sollen mittelfristig ebenso dazu beitragen wie die Wiedereingliederung einiger Universitätsdisziplinen in die
Stadtzentren.
- Es sollen Benutzerräume geplant werden, in denen
die Freihandaufstellung zumindest der aktuellen
Sammlungen als unerläßlich angesehen wird.
- Die Mehrheit des Bestandes soll auch außer Haus verliehen werden.
- Es sollen sehr unterschiedliche Benutzerräume geplant werden, in denen jeder den ihm genehmen Arbeitsplatz findet: traditioneller Lesesaal in vernünftiger Größenordnung, Seminarräume, individuelle ArUnauthenticated
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Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Bisbrouck- Das neue Förderprogramm für Universitätsbibliotheken in Frankreich (1991-1995)
beitsplätze im Lesesal, Arbeitsräume für einzelne Personen, die ein Thema längerfristig bearbeiten, eben
alles, was bereits seit langem in den meisten Industrieländern vorhanden ist! Zunächst sollen auf einen
Platz etwa 8-10 Benutzer kommen, aber diese Zähl
soll so schnell wie möglich auf 5 Benutzer verringert
werden.
- Alle Publikationsformen sollen zugänglich sein:
Druckwerke, audiovisuelle Medien, Software, so wie
es sich auch in einer Vielzahl französischer Öffentlicher Bibliotheken entwickelt hat.
- Es sollen alle Möglichkeiten der EDV für Recherchen
in der Bibliothek und per Fernübertragung gefördert
werden: Online-Kataloge, CD-ROM, Datenbanken.
- Die Bestandserweiterungen und somit auch die dafür
notwendigen Gebäudeerweiterungen sollen für die
nächsten 25 Jahre im voraus geplant werden.
- Die Gebäude sollen flexibel und nach einem Modularsystem konstruiert sein, so daß sie sich weiterentwikkeln können.
- Die Gebäude sollen von guter Qualität sein, nicht nur
was die Architektur betrifft, sondern auch in bezug auf
die benutzten Materialien, damit sie lärmisoliert sowie bequem, angenehm und ästhetisch möbliert sind,
um Benutzer und Personal den bestmöglichen Komfort zu bieten.
- Es müssen so viel neue Stellen geschaffen werden,
daß bis Mitte 1993 die Öffnungszeiten mindestens 60
Stunden pro Woche betragen (heute sind es etwa 55
Stunden), und so bald wie möglich sollen 70 bis 80
Wochenstunden erreicht werden.
Wenn diese Ziele bei den 60 geplanten Vorhaben realisiert werden können, ist sicherlich keine Zeit verschwendet worden!
Aber auch die Schwierigkeiten bei der Erreichung dieser
Ziele sollen nicht verschwiegen werden: So sind einige
der Vorhaben in Teilabschnitte gegliedert worden, deren Realisierung aus Kostengründen zeitlich auseinandergezogen werden wird. Vorhaben mit mehr als 10 00012 000 m 2 und besonders mit mehr als 15 000 m2, bei denen eine Aufteilung in Bauabschnitte als notwendig angesehen werden kann, sind in Frankreich noch recht selten, während sie in den Vereinigten Staaten, Kanada,
Großbritannien, den Niederlanden und Deutschland
schon für eine viel geringere Studentenzahl sehr viel öfter vorkommen, ohne daß dies aber in diesen Ländern
dazu führt, die Realisierung zeitlich zu strecken. Im übrigen muß man darauf achten, daß, wenn ein Vorhaben
nicht sofort vollständig realisiert werden kann, der erste
Bauabschnitt zumindest 70-75 % der gesamten Baufläche umfaßt. Der Bau eines weniger großen Bauabschnitts wird ernsthafte Probleme verursachen, wenn es
darum geht, den bereits fertiggestellten Abschnitt mit
den noch folgenden Abschnitten zu einer Einheit verwachsen zu lassen. Leider ist aber unsicher, ob das so erreicht werden kann!
Wenn nun leider eine Aufteilung in zeitlich getrennte
Bauphasen nicht vermieden werden kann, sollten auf jeden Fall die technischen Planungen für den Gesamtbau
vorliegen, und auch die Pläne des Architekten sollten für
den gesamten Bau vorliegen und nicht nur für den ersten Bauabschnitt. Das hieße dann, das kleinere Übel zu
wählen, wobei natürlich zu hoffen bleibt, daß die folgenden Bauabschnitte schnell folgen können!
Es gibt noch einen weiteren Punkt, der bei diesen Vorha-
383
ben, die doch recht lang und schwer zu leiten sind, Beachtung verdient: Die Realisierung eines Bibliotheksgebäudes, sei es nun Neubau, Umbau oder Erweiterung,
verlangt vom Projektleiter (im allgemeinen handelt es
sich dabei um den Bibliotheksdirektor) verschiedene
Kenntnisse, die nicht zum bibliothekswissenschaftlichen Grundwissen dazugehören. Es ist jedoch unerläßlich, daß dieses Wissen schnell erlangt wird, sobald die
Planungen beginnen, denn es ist wichtig, sich beim Bauherrn (dem Entscheidungsträger und Finanzier) und
beim Baumeister (dem Architekten) sowie bei den BauUnternehmen behaupten zu können - und das für einen
Zeitraum von mindestens drei bis vier Jahren, manchmal auch für fünf oder sechs Jahre. Es ist also von großer Wichtigkeit, sich gründliche Kenntnisse im Baubereich anzueignen.
Ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen, sollen nun die
sechs Hauptphasen eines jeden Bauvorhabens dargestellt werden;
1. die quantitative und qualitative technische Planung
der zukünftigen Gebäudeausstattung. Das ist einer
der Schlüsselbereiche dafür, ob das Vorhaben Erfolg haben wird.
Bei der Planung müssen neue Dienste berücksichtigt werden (bisher in Frankreich noch nicht eingesetzte, oder auf einer anderen Stufe als der, auf der
man bisher zu arbeiten gewöhnt war), die vorhandenen Dienste sollten für den Benutzer sinnvoller und
insgesamt rationeller werden, was oft zu einem völlig anderen Arbeitsablauf als dem bisherigen führt,
die Bestände sollten für den Benutzer verständlicher
organisiert werden. Bedacht werden muß außerdem entweder die Umstellung auf ein integriertes
Bibliothekssystem oder die Teil Umstellung einzelner Bereiche der Bibliotheksverwaltung (verwaltungsinterne Umstellung bzw. Umstellung von Bereichen, die auch die Benutzer betreffen). Notwendig ist auch die Besichtigung anderen Bibliotheken,
um vergleichen zu können, Fragen zu stellen, neue
Ideen zu sammeln und sich völlig anderen Organisationsformen zu öffnen. Abschließend müssen alle
diese Erfahrungen in exakte Angaben und ein präzises Funktionsschema umgewandelt werden.
Das Erziehungsministerium (die Abteilung Bibliotheken und die Abteilung Bauvorhaben) wollte Sorge tragen, daß die Wichtigkeit dieser Fragen zur Planung eines Bauvorhabens allgemein bekannt wird auch im Hinblick auf das „Schema Universite 2000".
Es bildete Ende des Jahres 1990 eine Arbeitsgruppe,
die aus Universitätsangehörigen, Architekten, Ingenieuren, Bibliotheksdirektoren und Vertretern der
beiden oben genannten Abteilungen bestand. Diese
Gruppe erarbeitete innerhalb mehrerer Monate
einen „Guide de programmation des bibliotheques
universitaires", der seit Mai 1991 eine große Ausbreitung gefunden hat. Dieses Dokument wird allgemein sehr geschätzt, denn es bietet genaue Anhaltspunkte zur Planung eines Bauvorhabens. Es enthält
außerdem Beispiele von Normen und Vorschriften,
die im Ausland beim Bau von Universitätsbibliotheken zur Anwendung kommen.
2. die Kenntnis der verschiedenen Beteiligten, denen
der Projektleiter gegenüberstehen wird und mit denen er während des Bauvorhabens zusammenarbeiten wird. Die Wirksamkeit der geplanten Aktionen
Unauthenticated
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384
Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Bisbrouck- Das neue Förderprogramm für Universitätsbibliotheken in Frankreich (1991-1995)
wird davon abhängen, wie gut der Projektleiter die
Beteiligten kennt und wie genau er die zum Teil
schwer zu verstehende Fachsprache eines jeden
versteht.
3. Einsicht in die Organisation eines Architekten Wettbewerbs, der in Frankreich üblich ist, um einen Architekten für ein Projekt auszusuchen. Es ist sehr
wichtig, daß der Projektleiter sich zu behaupten
weiß, wenn es in den Kommissionen um die technische und finanzielle Beurteilung verschiedener Vorschläge geht und wenn es in der Jury um die Auswahl des Siegers geht, damit auch die Vorstellungen
der letztendlichen Benutzer des Gebäudes in die Entscheidung einfließen
4. das Erlernen des Lesens der verschiedenen Pläne,
die vom Architekten vorgelegt werden. Das reicht
von den einfachsten (Skizzen) zu den komplexesten
(die Unterlagen für die beteiligten Unternehmen)
Plänen und enthält den globalen Vorentwurf ebenso
wie den ausgearbeiteten Vorentwurf. Nur so besteht
die Möglichkeit, sich geistig mit dem zukünftigen
Gebäude vertraut zu machen, seine Funktionsweise
zu studieren und, wenn nötig, die notwendigen Änderungen am Funktionsplan zu verlangen
5. die Verfolgung des Geschehens auf der Baustelle in
seinen verschiedenen Phasen: Gerade der Innenausbau ist sehr wichtig für die Qualität der Leistungen und den Benutzerkomfort, der später geboten
werden soll (Bodenbelag, Auswahl der Farben, Sonnen- und Lärmschutz, usw.)
6. die Planung der Ausstattung (Möbel und Materialwahl). Dieser Aspekt wird einen Bibliothekar wohl
am wenigsten verwirren. Nichtsdestotrotz ist die
Auswahl, wenn es sich um große Mengen Möbel für
verschiedenste Bereiche handelt, nicht immer sehr
einfach (welche Formen sollen gewählt werden,
welche Farben harmonisieren am besten, etc.).
Diese sechs grundsätzlichen Punkte geben einen Vorgeschmack auf die Vielfalt an Kenntnissen, die es schnell zu
gewinnen gilt, auf den Grad der persönlichen und beruflichen Einbeziehung des Projektleiters und auf seine Fähigkeit, seine Angestellten in das Abenteuer des Bauvorhabens hineinzuziehen. Ein Bauvorhaben ist niemals
nur die Sache eines - genialen - Einzelnen, sondern das
Arbeitsergebnis einer Gruppe und das Resultat eifriger
Arbeit.
Um es den Projektleitern zu ermöglichen, ihrer Aufgabe
gerecht zu werden, auf die sie in der Mehrheit nicht vorbereitet sind, organisiert die Abteilung Bibliotheken seit
einem Jahr Intensiv-Seminare, in denen eine Woche
lang Architekten, Ingenieure und Bibliothekare die oben
genannten Fragen anschneiden.
Ergänzungen der im „Guide de programmation des bibliotheques universitaires" gegebenen Informationen
bietet ein 1993 erschienenes technisches Nachschlagewerk zu Bau, Erweiterung und Umbau von Universitätsbibliotheken1. Es handelt sich dabei um das erste Buch,
das in Frankreich zu diesem Thema veröffentlicht wurde,
und behandelt alle Aspekte eines Bauvorhabens einer
Universitätsbibliothek: Benutzeranalyse, Einführung
der beteiligten Gruppen, Entwicklung einer Methode zur
Flächenplanung, Funktionalität des Gebäudes, architektonische Qualitäten, technische Zwänge, die sich aufgrund des Gebäudetyps ergeben, etc. Es enthält keine
„Normen" im engeren Sinne des Wortes, sondern bietet
verschiedene Wege zur Projektausarbeitung, erlaubt also jedem, die Angaben so in Flächen und Funktionsschemata umzusetzen, wie es seinen Bedürfnissen entspricht.
Es ist für Frankreich auch wichtig zu verstehen, daß sich
die Rolle des Staates in bezug auf die Universitäten und
Universitätsbibliotheken geändert hat. Der Staat ist
nicht mehr der einzige Unterhaltsträger. Er ist nur noch
ein Partner, wenn auch ein wichtiger, da er die Genehmigung für die technische Planung und den globalen Vorentwurf noch erteilt. Aber er ist nicht mehr der Hauptpartner, da viele Vorhaben zum großen Teil von den lokalen Körperschaften finanziert werden, die somit auch
die Bauherren sein werden.
Die neue Welle der Neubauten von Universitätsbibliotheken läuft also sehr langsam, aber auch mit einer gewissen Sicherheit an. Viele Vorhaben befinden sich noch
im Stadium der ersten Überlegungen und müssen noch
in ein technisches Programm gefaßt werden. Nach und
nach wird die Zahl der Architektenwettbewerbe steigen,
und ein Teil der Projekte - wenn auch wohl nur die kleineren-, werden Mitte 1993 mit dem Bau beginnen, 1994
und 1995 werden viele folgen. Erste Ergebnisse des
„Schema Universite 2000" auf Universitätsbibliotheken
werden nicht vor Ende 1994 und in den darauffolgenden
Jahren sichtbar werden, denn es bedarf 18 Monate bis 2
Jahre, um ein Gebäude zu bauen, und weiterer Monate,
um es einzurichten und die Bestände zu überführen.
Wirkliche Resultate der gegenwärtigen Bemühungen
werden kaum vor dem Ende der ersten Phase des „Schema Universite 2000", also 1995, Sichtbarwerden.
Der Umfang der Aufgabe in bezug auf die Gesamtheit
der Universitäten und der ihnen zugehörigen Universitätsbibliotheken ist riesig. Es ist einfach unmöglich, in
fünf Jahren das aufzuholen, was in zwanzig Jahren versäumt wurde, zumal die Zahl der Studenten unaufhörlich steigt. Im Jahr 2000 werden es etwa 1 800 000 sein,
bei einer Steigerung um 60 000 bis 70 000 Studenten pro
Jahr.
Wollte man eineinhalb Quadratmeter Fläche pro Student bauen 2 , brauchte man im Jahr 2000 etwa 2 500 000
m 2 Fläche für die Universitätsbibliotheken, das ist ungefähr das Dreieinhalbfache dessen, worüber heute verfügt werden kann. Selbst wenn in Betracht gezogen
wird, daß bis 1995 davon 200 000 m 2 realisiert werden,
bleibt noch viel zu tun! 130 Gebäude sind in die Planungen noch überhaupt nicht einbezogen -von den Gebäuden der universitären Außenstellen einmal ganz abgesehen -, auch sie müssen eines Tages in die Planungen
aufgenommen werden.
Es handelt sich also hier um eine Arbeit, die nicht schnell
abgeschlossen werden kann und die nur wirksam zu Ende geführt werden kann, wenn sich Staat und Gebietskörperschaften für viele Jahre festlegen und nicht nur
für einen Zeitraum von fünf Jahren. Es muß mittel- und
1 Vgl. Construire une bibliotheque universitaire. De la conception ä la Realisation (Nr. 6 der Bibliographie).
2 Diese Zahl, auf die sich alle französischen Bibliotheken beziehen, hat jedoch nur hinweisenden Charakter. Denn je nachdem, ob es sich dabei um den Neubau einer Bibliothek handelt
(die noch keinen eigenen Buchbestand hat) oder um eine Bibliothek, die über mehrere hunderttausend von Dokumenten
oder mehr verfügt, würde man für eine identische Studentenzahl unterschiedlich große Gebäude bauen.
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Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Bisbrouck- Das neue Förderprogramm für Universitätsbibliotheken in Frankreich (1991-1995)
langfristig geplant werden können, denn nur so kann
eine richtige Wirkung und eine wirkliche Änderung garantiert werden.
6. Construire une bibliotheque universitaire. De la conception ä la realisation. Sous la direction de MarieFrangoise Bisbrouck et Daniel Renoult. Paris 1993.
Bibliographie
1. Rapport Vandevoorde. Les bibliotheques en France.
Paris 1982.
2. Jean Gattegno, Denis Varloot: Rapport sur les bibliotheques ä Monsieur le ministre de l'Education
nationale et Monsieur le ministre de la Culture. März
1985. Unveröffentlicht.
3. Andre Miquel: Les Bibliotheques universitaires.
Rapport au ministre d'Etat, ministre de l'Education
nationale de la Jeunesse et des Sports. Paris 1989.
4. Pierre Carbone: Les Bibliotheques universitaires.
Dix ans apres le rapport Vandevoorde. In: Bulletin
des bibliotheques de France 37 (1992) 4, S. 46-58.
5. Daniel Renoult: La Renovation des bibliotheques
universitaires. Trois ans apres le Rapport Miquel. In:
Le Debat (1992) 70, S. 129-142.
385
Anschrift der Autorin:
Marie-Frangoise Bisbrouck
- Direction de la Programmation et du
Developpement universitaire Sous-Direction des bibliotheques
61-65, rueDutot
F-75015Paris
Anschrift der Übersetzerin:
Antje Marx M.A.
Kampenwandstr. 3
D-83059 Kolbermoor
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Wolfram Henning
Die Standorte der Öffentlichen Bibliotheken in Berlin
Gutachten im Auftrag des Landes Berlin, vertreten durch die Senatsverwaltung für Kulturelle
Angelegenheiten. Februar 1993 (Kurzfassung)
Berlin (3,5 Milllionen Einwohner) unterhält in 23 Bezirken 23 Bibliothekssysteme. Die meisten Hauptbibliotheken sind
erheblich zu klein, Ostberlin hat eine Überzahl von zum Teil eng benachbarten Zweigstellen mit minimalen Nutzflächen.
Nicht nur angesichts knapper Ressourcen sind Straffung und Stärkung unter Einbeziehung bezirksübergreifender Lösungen überfällig. Die vorliegende Kurzfassung eines Gutachtens enthält die wesentlichen Fakten und Reformvorschläge.
Location of public libraries in Berlin
Berlin (3,5 million inhabitants) maintains 23 library Systems in 23 districts. Most ofthe main libraries are far too small.
In Eastern Berlin there is a too closely meshed ned ofadjacent subsidiary libraries with insufficient effective surfaces.
Rationalization and concentration measures providing for an overall solution covering all districts are overdue - not only in view ofshort resources. The following abstract ofan expertise summarizes the relevant facts and proposals for reorganization.
Les emplacements des bibliotheques municipales ä Berlin
Berlin (3,5 million d'habitants) entretient 23 bibliotheques avec succursales dans 23 districts. La plupart des bibliotheques centrales est trop petite. A Berlin-Est il y a trop de succursales avec peu d'espace qui sont souvent ä proximite
immediate d'autres succursales. Vue que les ressources deviennent de plus en plus rare il faut necessairement raidir et
soutenir les bibliotheques en prenant en consideration des Solutions qui unissent plusieurs districts. Le sommaire present d'un rapport contient les faits et les propositions de reforme essentielles.
1
Auftrag und Vorgehensweise
Zu untersuchen waren
„die derzeitigen Bibliotheksstandorte besonders unter
dem Aspekt der Standortüberschneidung, Bibliothekszusammenlegungen, Aufgabe unrentabler Standorte,
Standortlücken, Reorganisation vorhandener Einrichtungen an guten Standorten etc.
in Verbindung mit Dienstleistungsprofilen für Hauptund Stadtteilbibliotheken sowie bezirksübergreifenden
Lösungsvorschlägen für eine Neustrukturierung des
Berliner Bibliotheksnetzes." (Werkvertrag 1991)
Die Untersuchung begann im November/Dezember
1991 (Bezirke Wedding, Kreuzberg, Mitte). Die Besuche
der zwanzig weiteren Bezirke verteilten sich auf März/
April 1992 und auf August 1992. Pro Bezirk standen in
der Regel 2-3 Tage zur Verfügung.
Besucht wurden die öffentlich zugänglichen Bibliotheken der Bezirke. Interne Einrichtungen, z. B. in Schulen,
waren vom Untersuchungsauftrag ausgenommen. Insgesamtwurden 214 Bibliotheken besucht, außerdem die
Amerika-Gedenk-Bibliothek (AGB) und die Berliner
Stadtbibliothek.
Bibliotheksstatistik (für das Jahr 1991) und Berliner Statistik lieferten Grunddaten. Die Gespräche mit den Amtsleiterinnen und Amtsleitern aller Bezirke betrafen:
- Allgemeine Einschätzung des Bezirks (demographisch, geographisch, Verkehr)
- Betriebsergebnisse
- Standortlücken, Standortüberschneidungen, Verhältnis zu Standorten angrenzender Bezirke
- Herkunft der Besucher (aus welchen anderen Bezirken?)
- Zumutbare Entfernungen zur Bibliothek
- Bau-, Reorganisations- und Erweiterungsvorhaben
- Hauptnutzfläche jeder Bibliothek.
Zu jedem Bezirk wurde eine Mappe mit Materialien angelegt. Die Materialien, die nicht bereits im Gutachten
verwendet wurden, wurden der Senatsverwaltung für
Kulturelle Angelegenheiten bis zum 15.03.1993 übergeben. Insbesondere sind dies Notizen zu Räumen und Einrichtungsmerkmalen der besuchten Bibliotheken. Ebenfalls bis 15. März wurden dreiundzwanzig bezirkliche
Pläne mit markierten Bibliotheksstandorten übergeben.
Standards
2.1
Dienstleistungen moderner öffentlicher
Bibliotheken
Die „Materialien für ein Konzept zur Neuordnung des
Berliner Bibliothekswesens" (Senatsverwaltung für Kulturelle Angelegenheiten, 1992) spiegeln den aktuellen
Stand der Fachdiskussion:
- Hauptbibliotheken ermöglichen berufsbezogenes
Lernen, bieten ein differenziertes Angebot an Informationsbeständen und -technologien, haben eine fest
verankerte Veranstaltungstätigkeit, koordinieren aufsuchende Bibliotheksarbeit, fördern Lese- und Medienkultur.
- Stadtteilbibliotheken bieten alte und neue Medien in
zeitgemäßer Präsentation, profilieren sich durch
stadtteilbezogene Veranstaltungs- und Informationstätigkeiten (Infothek).
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Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Henning - Die Standorte der Öffentlichen Bibliotheken in Berlin
- Kinderbibliotheken akzentuieren Lesen, Medien, Information, bieten altersspezifische Kulturprogramme, Werkstattgespräche, Einführungsveranstaltungen in Bibliotheksbenutzung.
- Jugendliche zwischen 13 und 17 Jahren sollen altersspezifische Angebote vorfinden.
Dies alles ist auch eine Frage der Gebäude und ihrer Gestaltung. Ideen brauchen Räume. Öffentliche Bibliotheken sind öffentliche Orte.
2.2
2.2.1
Die wichtigsten Standards
387
Ort
Einwohner (gerundet)
Hauptnutzfläche
Zentralbjtriiothek
Köln
954.000
8.700 m3
Essen
627.000
9.000 ma
Münster
253.000
6.400 m2 (1993)
Saarbrücken
192.000
6.055 m2 (geplant)
Heidelberg
140.000
4.693 m2
Reutlingen
100.000
4.9 1 m2
Gütersloh
80.000
4.400 m2
Aalen
63.000
3.870 m 2 .
Fellbach
40.000
1.250 m2
Rotterdam
615.000
24.000 m2
Den Haag
445.000
14.486 m2 (geplant)
Bordeaux
213.000
26.000 m2
NTmes
134.000
12.000 m2 (geplant)
Villeurbanne
120.000
5.100 m2
Arles
50.000
4.200 m2
Annecy
50.000
3.000 m2
Bokoscsaba
72.000
6.448 m2
Flächenstandards
Die Flächenstandards des Bibliotheksplans '73 sind heute nur noch bedingt aussagekräftig. Sie arbeiten einerseits mit einem sehr großzügigen Achsabstand von
2,80 m zwischen benachbarten Regalen, treffen andererseits keine Aussagen zum Platzbedarffür Dienstleistungen, die sich in den letzten beiden Jahrzehnten entwikkelt haben.
In der Praxis bewährt hat sich eine Maßzahl, nach der die
Staatlichen Fachstellen für Öffentliche Bibliotheken in
Baden-Württemberg vorgehen: Eine Bibliothek mit
10 000 Medieneinheiten (ME) benötigt eine Hauptnutzfläche (HNF) von 300 m2. Bei größeren Beständen wächst
der Flächenbedarf leicht unterproportional, da sich nicht
alle Teilflächen in gleicher Weise vervielfachen.
Unter Bezug auf die Materialien zum Berliner Bibliotheksentwicklungsplan seien folgende Standards empfohlen:
- Typ A, z. B. 32 500 ME: 850-1 000 m2 HNF
- Typ B, z. B. 15 000 ME: 400-450 m2 HNF
- Typ C (vom Gutachter vorgeschlagene große Zweigstelle), z. B. 50 000 ME: 1 300-1 500 m2 HNF
- Hauptbibliothek, 130 000 ME: 4 000 m 2 HNF
Alle vier Beispiele beziehen sich auf kombinierte Bibliotheken für Erwachsene, Jugendliche und Kinder. Große
Zusatzabteilungen, wie z. B. die Musikbibliothek als Teil
einer Hauptbibliothek, müssen extra berechnet werden.
Für den Ausnahmefall einer eigenständigen Kinderbibliothek gilt:
- Kinderbibliothek, 25 000 ME: 650-750 m2 HNF
Für eine Hauptbibliothek, die als Schwerpunkt- (oder Regional-)bibliothek ausgebaut wird, also explizit bezirksübergreifende Aufgaben übernimmt, gilt:
- Schwerpunktbibliothek, 350 000 ME (Kuhlmann-Gutachten von 1988): 9 000-10 000 m 2 HNF
Die Zahl der Medieneinheiten wird in Deutschland von
der Einwohnerzahl (EW) abhängig gemacht:
- 2 ME pro EW (KGSt-Gutachten 1973)
2,5 ME pro EW (Materialien zum Berliner Entwicklungsplan)
3 ME pro EW (Vorschlag des Gutachters, damit Berlin
nicht von der allgemeinen Entwicklung überholt
wird).
2.2.2 Vergleiche
Neuere bundesdeutsche und europäische Vergleiche ergeben für großstädtische Zentralbibliotheken (den Berliner Hauptbibliotheken entsprechend) folgendes Bild:
In Berlin sind nur 2 geplante Hauptbibliotheken mit dieser Entwicklung vergleichbar (also nicht eine einzige von
den bestehenden):
Friedrichshain
107.679
4.000 m2 (geplant)
l
Spandau
224.431
7.430 m2 (geplant)
|
2.2.3 Radius des Einzugsgebiets
Aus Fachliteratur und Berliner Studien (Bezirke Wedding, Spandau, Wilmersdorf) ergeben sich:
- Eine Zweigbibliothek kann 1,5 km „of the most residents" entfernt liegen (Internationaler Bibliotheksverband).
- Eine größere Bibliothek (Hauptbibliothek) kann, bei
günstigen Verkehrsverhältnissen, 4 km und mehr entfernt liegen. Noch größer dürften die Entfernungen
für Schwerpunktbibliotheken sein; hier könnte die
Analyse des Einzugsbereiches der AGB näher Auskunft geben.
- Für Kinder und alte Menschen wird z. T. ein Radius gefordert, der unter 1,5 km liegt. Der Entwurf zum Berliner Bibliotheksentwicklungsplan spricht von 800 m
Luftlinie zwischen Kinderbibliothek und entferntester
Wohnung des Einzugsbereichs.
Geht man von der kombinierten Bibliothek für Erwachsene und Kinder aus, was ich aus Gründen wie Bestandsaufbau, Personaleinsatz und Öffnungszeiten
nachdrücklich empfehle, gilt die oben genannte Entfernung für Zweigbibliotheken. Die Standorte der
Zweigbibliotheken müssen zentral, verkehrssicher
und mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar
sein. - Für Kinder und andere weniger mobile Bevölkerungsgruppen sind die im Gutachten, S. 13, genannten
kompensatorischen Maßnahmen zu beachten.
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388
Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Henning-Die Standorte der Öffentlichen Bibliotheken in Berlin
Ist-Stand
- Innerbezirklich
Starke Hauptbibliotheken, wenige, aber große Zweigbibliotheken
- Bezirksübergreifend
Bezirksübergreifend kann die Planung neuer Hauptbibliotheken sein (z. B. Köpenick,Treptow, beide Bezirke
haben keine Hauptbibliothek). Durch Zusammenlegung von Bezirken (Stichwort: Verwaltungsreform)
könnte eine große Hauptbibliothek die Funktion übernehmen, die bisher zwei oder mehrere Bibliotheken
hatten -z. T. in Größenordnungen, die sie für die Weiterverwendung als ausgebaute Zweigbibliotheken
qualifizieren.
- Schwerpunkt-(Regional-)bibliotheken
Sie können durch die beiden unter „Bezirksübergreifend" dargestellten Maßnahmen entstehen.
- Fahrbibliotheken
Fahrbibliotheken können innerbezirklich oder bezirksübergreifend - je nach notwendiger Zahl der Haltepunkte anstelle unrentabler (oder auch derzeit noch
fehlender) Zweigbibliotheken eingesetzt werden. Dieser Service fehlt z. Zt. in Ostberlin ganz.
- Berliner Zentralbibliothek durch Vereinigung von
Stadtbibliothek und AGB im Palast der Republik.
- Verflechtung mit der Region bedeutet, daß Bestände und Baumaßnahmen nicht ausschließlich an
der Bevölkerungszahl Berlins gemessen werden können.
Alle siebzehn vorhandenen Hauptbibliotheken liegen
unter dem erforderlichen Flächenstandard. Sechs Bezirke sind ohne Hauptbibliothek. (Beim Vergleich der
Hauptbibliotheken ist zu beachten, daß Prenzlauer Berg
und Mitte vorerst reine Erwachsenenbibliotheken sind
und in den Flächen von Steglitz und Neukölln die Musikbibliotheken enthalten sind.)
Von 175 erfaßten Zweigbibliotheken kommen 122 über
die fachlich sinnvolle Mindestgröße von 300 m2 nicht
hinaus, das sind 70%. Von diesen wiederum liegt ein
Viertel unter 100 m2. (Das Ergebnis bessert sich geringfügig, wenn die wegen Asbestsanierung geschlossenen
Mediotheken wieder geöffnet sind.)
Zum Vergleich: Frankfurt am Main hat bereits im Büchereientwicklungsplan von 1972 eine Mindestgröße von
500 m 2 für Zweigstellen vorgesehen, bezogen auf einen
Einzugsbereich von 20 000 Einwohnern.
4
Strukturprogramm
4.1
Leitlinien
Die Vorschläge des Gutachters zielen auf Straffung und
Stärkung der Berliner Öffentlichen Bibliotheken. Die
Strukturen sind in folgender Weise zu straffen:
Bezirk (EW-Zahl)
Mitte (79.802)
HauptbibKöthek:
Fläche (m2) IST
1.600 E
geplant:
2100 E + K
Zahl der Stadtteilbibliotheken
unter 100 m
-
2
300-750 m2
750-1 000 m2
1000-1500 m2
ohne Angabe
insgesamt
4
5
-
-
-
10
1
3
-
-
-
5
•
•
•
4
100-300 m
2
Tiergarten (95.044)
835 E + K
Wedding (165.053)
900 E + K
geplant:
1 .700 E
-
1
2
2.208 E
1
10
2
-
-
-
14
1
12
-
-
-
.
13
Prenzlauer Berg (143.730)
Friedrichshain (107.697)
./.
Kreuzberg (154.219)
1.153 E + K
-
3
2
-
...
6
Charlottenburg (185.087)
1.039 E + K
.
5
2
1
-
-
9
Spandau (222.431)
1.300 E + K
2
4
1
1
-
-
9
Wilmersdorf (146.842)
2.049 E + K
-
4
1
-
-
6
Zehlendorf (98.489)
1.180 E + K
-
1
-
.
1.708
1
3
1
.
.
-
6
1.910 E + K
1
-
2
-
-
.
4
Tempelhof (187.800)
32.00 E + K
-
4
2
.
-
.
7
Neukölln (307.315)
1.705 E + K
1
•
4
.
-
1
7
Treptow (102.71 6)
./.
4
7
1
.
.
1
13
Köpenick (109.172)
./.
6
6
2
-
.
14
2
.
10
-
-
10
10
Schöneberg (156.203)
Steglitz (190.349)
-
2
Lichtenberg (166.895)
2.259 E + K
1
5
1
..
.
Weissensee (51.639)
./.
7
3
-
-
Pankow(107.175)
1.050 E + K
4
5
-
.
-
-
Reinickendorf (249.437)
2.820 E + K
-
3
1
-
2
1
8
Marzahn (167.078)
2.830 E + K
1
1
3
1
-
-
7
Hohenschönhausen (1 1 8.781 )
./.
1
2
2
-
1
2
8
Hellersdorf (121.988)
./.
1
6
-
.
.
3
10
32
90
37
3
5
8
192
23 Bezirke (3.434.942 EW)
Tab.:
Flächenausstattung der bezirklichen Bibliotheken (Stand: Dezember 1992)
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389
Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Henning - Die Standorte der Öffentlichen Bibliotheken in Berlin
4.2
Hauptbibliotheken
Für den Bezirk Mitte sei dringend empfohlen, die Hauptbibliothek für Erwachsene (z. Zt. zum Teil fertiggestellt)
um die beantragte zentrale Kinderbibliothek mit einer
Hauptnutzfläche von 500 m2 zu ergänzen. Dann ließe
sich von einer wirklich richtungsweisenden Umstrukturierung eines Ostberliner Bezirks sprechen.
Von großer Bedeutung auch für die Gesamtstadt ist die
Realisierung von Spandau mit einer Hauptnutzfläche
von 7 430 m 2 laut vorliegendem Raumprogramm. Mit
diesem Vorhaben wird Berlin den Anschluß an die westdeutsche Entwicklung finden. Weitere großzügige Lösungen in anderen Teilen der Stadt sind leichter durchsetzbar, wenn es ein lokales Vorbild gibt.
Ohne Hauptbibliothek sind die Bezirke Friedrichshain,
Treptow, Köpenick, Weissensee, Hohenschönhausen,
Hellersdorf. Dies sind zugleich Bezirke mit besonders
zersplitterten Zweigstellennetzen (Ausnahme Hohenschönhausen).
In diesen sechs Bezirken sollten unbedingt Hauptbibliotheken errichtet werden. Geht man vom einzelnen Bezirk
aus, dann gilt:
130 000 ME, 4 000 m 2 HNF
Zusammenlegungen sind dann wirklich sinnvoll, wenn
Bestand, Fläche und zentraler Standort die Voraussetzungen für eine Schwerpunktbibliothek bilden:
350 000 ME, 9 000 -10 000 m 2 HNF
Schwerpunktbibliotheken dieser Größenordnung rechnen sich im Grunde überall, wo durch Verwaltungsreform und guten Standort wenigstens 200 000 Menschen
versammelt werden: bei drei Medieneinheiten pro Einwohner sollte etwa die Hälfte dieser Bestände sich an
einem Ort befinden (zuzüglich Sonderdienste, z. B. Musikbibliothek).
Am leichtesten durchsetzbar erscheinen sie dort, wo
Strukturen noch offen sind, etwa in Köpenick + Treptow,
in Hohenschönhausen + Weissensee + Pankow; notwendig aber auch dort, wo vorhandene Hauptbibliotheken nicht oder nicht ausreichend erweiterbar sind, z. B.
in Charlottenburg + Wilmersdorf, in Steglitz + Schöneberg + Zehlendorf.
Um zwei Extreme darzustellen: 23 Hauptbibliotheken zu
je 4 000 m 2 ergeben insgesamt einen Bedarf von 92 000
m2. Würde man, angelehnt an Systeme großer Großstädte, diese Fläche auf 4-6 Topstandorte verteilen, wäre
der Nutzen für die Bevölkerung größer und der Einsatz an
Personal- und Sachmitteln wirtschaftlicher. Die meisten
der sogenannten heutigen „Hauptbibliotheken" könnten
als Zweigbibliotheken sinnvoll weitergenutzt werden.
Wenn diese große Lösung politisch nicht zu erreichen ist,
wird man „Punktsanierung" treiben müssen, d. h., nach
den Bezirken ohne Hauptbibliothek wären Bezirke mit besonders unzureichenden Hauptbibliotheken (Fläche, z. T.
auch Haus und Einrichtung) zu berücksichtigen -Tiergarten, Kreuzberg, Charlottenburg, Pankow. Die schon vor
dem November 1989 unzulängliche Situation in Kreuzberg
hat sich dadurch verschärft, daß ein Westberliner Randbezirk nun eine zentrale Stellung in der Gesamtstadt hat.
Projekte in Bau, in Reorganisation oder in einem konkreten
Planungsstadium sind weiter zu verfolgen, sofern sich keine der skizzierten größeren Lösungen auftut, (s. a. Kap. 4.4
Investitionsplanung)
4.3
Stadtteilbibliotheken
Zusammenlegung ohne Baumaßnahmen
Mitte:
Bertolt Brecht, Kinderbibliothek (K)
wird kombinierte Bibliothek
Trennung ohne Baumaßnahmen
Tempelhof:
Lichtenrade, kombinierte Bibliothek
sollte Erwachsenenbibliothek (E)
werden
Schöneberg:
Dehlerbücherei, kombinierte Bibliothek sollte Kinderbibliothek werden
Zusammenlegung in Verbindung mit Baumaßnahmen:
Mitte:
Ludwig-Renn-Bibliothek (K) soll
kombiniert und baulich erweitert
werden
Prenzlauer Berg: Erich-Weinert-Str. ist, in Verbindung
mit Umzug, in Zukunft kombiniert
Friedrichshain:
1 neue kombinierte Bibliothek kann
4 kleine Einrichtungen ersetzen
(Gutachten, S. 38)
Spandau:
Staaken l und Staaken II sollten
durch einen Standort ersetzt werden
Wilmersdorf:
Planung des Bezirks, Rathenau-Bücherei (E) und Halensee (K) zusammenzuführen; die Trennung von
Hauptbibliothek und Hauptkinderbibliothek (im gleichen Gebäude!)
soll aufgehoben werden
Köpenick:
Oberschöneweide und Friedrichshagen benötigen kombinierte statt
z. Zt. getrennte Einrichtungen
Marzahn:
Biesdorf benötigt 1 kombinierte
statt z. Zt. getrennter Einrichtungen
Vorschläge für Schließung in Zusammenhang mit Baumaßnahmen an anderer Stelle
Mitte:
Tucholsky-Bibliothek (E), Griebenowstr. (E) wegen neuer Hauptbibliothek und Verlagerung der Bestände.
Rodrian-Bibliothek (K), Griebenowstr. (K) und Lazar-Bibliothek (K), falls
die Hauptbibliothek um eine zentrale Kinderbibliothek ergänzt wird
Schöneberg-Nord: Falls Tiergarten, Lützowstr., durch
einen Neubau an der Nahtstelle zu
Schöneberg ersetzt wird
Tiergarten:
1 Hauptbibliothek in der Turmstraße
machte die kombinierten Bibliotheken in der Perleberger Straße und
der Rostocker Straße sowie die Kinderbibliothek in der Turmstraße
überflüssig
Prenzlauer Berg: Die Phonothek könnte in die Hauptbibliothek eingebaut werden
Friedrichshain:
Kommt die geplante Hauptbibliothek, werden von 4 Erwachsenenbibliotheken im Bereich Frankfurter
Allee 3 überflüssig, ebenso 1 von 2
Kinderbibliotheken in diesem Bereich
Kreuzberg:
Die Kernel-Bibliothek ist zu integrieren, falls eine größere Hauptbibliothek kommt
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390
Charlottenburg:
Zehlendorf:
Tempelhof:
Treptow:
Köpenick:
Weissensee:
Pankow:
Hellersdorf:
Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Henning - Die Standorte der Öffentlichen Bibliotheken in Berlin
Die Musikbibliothek ist zu integrieren und zu vergrößern, falls eine
größere Hauptbibliothek kommt
Schließung der Argentinischen Allee, falls die Räume der amerikanischen Bibliothek verfügbar werden
und in deren Einzugsbereich eine
deutsche Klientel „nachrückt"
Mariendorf benötigt eine große Lösung statt zweier kleiner Bibliotheken
Das Lesecafe „Come In" sollte in die
künftige Hauptbibliothek integriert
werden. Wenn die fehlende Hauptbibliothek kommt, können etwa 5 Bibliotheken wegfallen; welche das
sind, hängt von der Lage der Hauptbibliothek ab; die verbleibenden kleinen Zweigstellen sollten durch kombinierte Lösungen ersetzt werden
Grünau(E + K)kannentfallen,fallsdie
künftige Treptower Hauptbibliothek
gut erreichbar ist; südlich des Bahnhofs kann eine neue HauptbibliothekB
von 6 Zweigstellen ersetzen
Eine neue Hauptbibliothek würde 7
von 10 Einrichtungen überflüssig
machen; Blankenburg und Karow
brauchen aber je eine große kombinierte Zweigstelle
Eine leistungsfähige Hauptbibliothek könnte folgende Einrichtungen
ersetzen: Thulestr. (E), Thulestr. (K),
Borkumstr., Damerowstr.; u. U.
Blankenburger Str. (K) und Niederschönhausen (E)
Die Standorte Suhler Str. und Stendaler Str. 74 werden entbehrlich,
falls die künftige Hauptbibliothek an
der U-Bahn-Station Hellersdorfer
Str. liegt; vgl. im übrigen die Skizze
der Amtsleitung zur Neustrukturierung des Bezirks
Vorschläge für ersatzlose Schließung
(Anmerkung: Andere Standorte durch Umsetzung von
Personal und Beständen verstärken!)
Prenzlauer Berg: Schönhauser Allee 175
Greifswalder Str. 225
Artur-Becker-Str. (E)
Rudolf-Schwarz-Str. (K)
Esmarchstr. 18
Artothek Rietzestr. (falls kein Etat für
Originalgraphik)
Kinderbibliothek Rietzestr. (Integration in Hauptbibliothek?)
Dimitroffstr. (K)
Kreuzberg:
Glogauer Str. (E)
Charlottenburg: Süd
Nord
Spandau:
Wilhelmstadt
Schöneberg:
Lindenhof (Nähe Fahrbibliothekshaltepunkt Tempelhof)
Treptow:
Artothek (falls kein Etat für Originalgraphik)
Köpenick:
7 Raben (K)
Lichtenberg:
Reinickendorf:
Marzahn:
Wongrowitzer Steig (K)
Fürstenwalder Allee
Weissenseer Weg
Skandinavische Straße (E)
Wönnichstr. (K) (falls nicht erweiterbar)
Kaskelstr.
Passage (800 m zur Bodo-Uhse-Bibliothek)
Heiligensee
Alt-Marzahn (falls nicht allgemeine
kulturpolitische Gründe dagegensprechen)
Neubau/Ersatz bestehender Bibliotheken
Ersatz unzureichender Zweigstellen:
Tiergarten (Lützowstr.)
Wedding (Müllerstr.)
Prenzlauer Berg (Hufelandstr., K)
Spandau (Haselhorst)
Neukölln (Köllnische Heide)
Lichtenberg (Karlshorst)
Pankow (Buch)
Schließung von
Standortlücken
Zehlendorf (Wannsee)
Steglitz (Lichterfelde-West, Südende)
Neukölln (Rudow)
Hellersdorf (s. Skizze der Amtsleitung zur Neustrukturierung des Bezirks)
Reorganisation (z. T. mit Erweiterung)
Oranienstr.
Kreuzberg:
Wilmersdorf:
Fontäne-Bibliothek, Armstrong-Bibliothek (für Ende 1993 vorgesehen)
Steglitz:
Lankwitz
Mediothek Dessauer Str. (Erweiterung auf 830 m 2 )
Beendigung Lichtenfelder Provisorium, damit Nutzfläche von 830 m 2
wieder verfügbar wird
Lichtenberg:
Bodo-Uhse-Bibliothek
Anmerkung: Ein außerordentlich großer Teil der Berliner Bibliotheken ist reorganisationsbedürftig; meist
sind die fachlich vertretbaren Nutzflächen aber so stark
unterschritten, daß Reorganisationsmaßnahmen nur
Alibi-Wirkung haben können.
4.4
Investitionsplanung 1993-1997
Kreuzberg:
3 Mio. DM Erweiterung der Stadtteilbibliothek Oranienstr. Baubeginn
1996
Bau eines Kulturobjektes Roßstr.
Mitte:
mit Galerie, Cafe, Schulmuseum
und Bibliothek
1997: 7 Mio. DM
1998: 23 Mio. DM
Die Summe bezieht sich auf das Gesamtobjekt. Eine Teilangabe ist z. Zt.
nicht möglich
Erweiterung der Hauptbibliothek
Pankow:
10 Mio. DM 1996
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Bibliothek 17.1993. Nr. 3 Henning - Die Standorte der Öffentlichen Bibliotheken in Berlin
PrenziauerBerg:
Neubau einer kombinierten Bibliothek (E/K) am Wasserturm
1997 Baubeginn: 4 250 000 DM
Komb. Bibliothek Erich-Weinert-Str.
72-74 / Baubeginn 1993; wird durch
einen privaten Bauträger mit Wohnungen errichtet. In der Investitionsplanung sind
beim Kapitel
3760 - 81279 nur 90 000 DM für die
Erstausstattung vorgesehen
Spandau:
Hauptbibliothek
1997: 8 Mio. DM (Baubeginn)
1998:51 Mio. DM
Steglitz:
Erweiterung und Umbau der Hauptbibliothek Grunewaldstr. 2 Mio. DM
1997 (Teilansatz nur für Stützungsmaßnahmen)
Treptow:
Umbau der ehemaligen Hilfsschule
Dörpfeldstr. (Adlershof) zur PeterKast-Bibliothek
1994: 2 Mio. DM
1995: 2 Mio. DM
Anbau Friedrich-Wolf-Bibliothek
1997: 700 000 DM
9,3 Mio. DM in den Folgejahren
Weissensee:
Neubau eines Kulturobjektes am
Danewend-Platz (Karow)
1997: 4 Mio. DM
1998: 2 Mio. DM
Auch diese Summe bezieht sich auf
das Gesamtprojekt mit einer Kinderund Erwachsenenbibliothek
Zehlendorf:
3,6 Mio. DM Erweiterung der Hauptbibliothek (240 m2) 1995/1996
In neun von dreiundzwanzig Bezirken sind demnach zwischen 1993 und 1997 Baumaßnahmen geplant. Auch
wenn die Anmeldung zur Investitionsplanung noch keinen tatsächlichen Baubeschluß garantiert, wird doch
deutlich, daß die insgesamt problematische Situation
nicht statisch zu sehen ist. Dies wird vom Gutachter begrüßt.
Betrachtet man die Hauptbibliotheken, so sticht die oben
gewürdigte Spandauer Planung hervor. Wenn es in Zehlendorf lediglich um eine Erweiterung von 240 m 2 geht,
so fällt dies unter Fortschreibung des unzulänglichen bestehenden Zustandes. Die Bezirke ohne Hauptbibliotheken bleiben in ihrer unzulänglichen Situation stecken.
Von der Konzeption interessant erscheint der Bau eines
Kulturobjektes im Bezirk Mitte. Die Erweiterung der Oranienstraße ermöglicht eine Verbesserung der dortigen,
intensiv quartierbezogenen Arbeit.
4.5
Fahrbibliotheken
Im Westen der Stadt sind die Fahrbibliotheken bezirksweise organisiert (Neukölln, Reinickendorf, Spandau,
Steglitz, Tempelhof und Zehlendorf). In den östlichen
Bezirken ist die Versorgung, die früher zentral von der
Berliner Stadbibliothek aus betrieben wurde, ersatzlos
eingestellt worden. Dadurch entfielen Haltepunkte in
Hellersdorf, Köpenick, Lichtenberg, Marzahn, Treptow
und Weissensee.
391
Die Vorschläge des Gutachters machen eine Reorganisation der Fahrbibliotheken erforderlich, sonst führt insbesondere die Straffung des Zweigstellennetzes zu sozialen Unverträglichkeiten.
Auch hier sollte man bezirksübergreifend vorgehen.
Z.B. könnten Treptow und Köpenick, Schöneberg und
Tempelhof (nach einer vorgeschlagenen Zweigstellenschließung in Schöneberg), Reinickendorf und Pankow
gemeinsame Systeme betreiben.
Strebt man (wie im Fazit des Gutachtens vorgeschlagen)
für Berlin „divisions" an, sollten die Fahrbibliotheken in
dieses Organisationsmodell integriert werden.
Vordringlich erscheint der Fahrbibliothekeneinsatz in
Bezirken mit großer Fläche und geringer Bevölkerungsdichte sowie in isolierten Quartieren ohne Hinterland
(z.B. Teilbereiche in Schöneberg und Köpenick).
Schulen und Kindergärten sollten bevorzugte Haltepunktesein.
5
Fazit
Ohne ein umfassendes Bauprogramm kann die im bundesdeutschen Vergleich beschämende und beklemmende Berliner Bibliothekssituation nicht wirksam verändert
werden. Priorität sollte die Errichtung der 6 fehlenden
Hauptbibliotheken haben, sodann die Neustrukturierung stark zersplitterter Zweigstellennetze. Nach dem
Prinzip der „continual revision" sollten die übrigen Mängel angegangen werden. Alle neu eingeleiteten Maßnahmen sollten sich auf die dargelegten fachlichen
Standards beziehen.
Soweit politisch und verwaltungsmäßig möglich, sollte
die Planung im Rahmen bezirklicher Grenzen durch bezirksübergreifende Maßnahmen und Einbindung in die
Regionalplanung überwunden werden.
Straffung und Stärkung bedeutet: Dezentrale, bürgernahe Bibliotheksangebote dürfen nicht „wegrationalisiert"
werden, ihre Gestaltung muß jedoch effektiver und attraktiver erfolgen. Dazu gehört, das durch Schließungen
freiwerdende Personal so umzusetzen, daß an den besonders wichtigen Bibliotheksstandorten Angebote und
Öffnungszeiten verbessert werden können.
Die Leitungsaufgabe der Zukunft heißt:
Vernetzung statt zentraler Führung.
Die Bibliothekssysteme von einer zentralen Stelle aus
führen zu lassen, womöglich durch die Mega-lnstitution
Berliner Zentralbibliothek, erscheint mir nicht zukunftsweisend. Nicht allein die EDV zeigt, daß Vernetzung beweglicher sein kann als ein aufgeblähter Apparat.
In Anlehnung an englische Modelle (County Library
System) könnten mehrere Bezirke gemeinsam eine „division" bilden, die für ihre Angelegenheiten weitgehend
selbständig verantwortlich ist. Eine von den Bezirken unabhängige Direktion, die der Senatsverwaltung für Kulturelle Angelegenheiten untersteht, steuert das System
gemeinsam mit dem Führungspersonal der „divisions".
Anschrift des Autors:
Prof. Wolfram Henning
Fachhochschulefür Bibliothekswesen Stuttgart
Feuerbacher Heide 38-42
D-70192 Stuttgart
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