PSYCHIATRIE & SOMATIK IM DIALOG Hauptsponsor: Co-Sponsoren: Psychiatrie und Somatik im Dialog “Wenn die Psyche die Atmung stört” Dipl.-Psych. Katharina Gaudlitz Brigitte Ruff, Atemtherapeutin Zentrum für Angst- und Depressionsbehandlung Zürich ZADZ www.zadz.ch Dyspnoe von griechisch dys = schwierig und pnoe = Atmung Lufthunger, Atemlosigkeit, Atemnot = unangenehm erschwerte Atemtätigkeit Definition (American Thoracic Society, 1999): subjektive Erfahrung von Atembeschwerden, bestehend aus qualitativ unterschiedlichen Empfindungen wechselnder Intensität Atemnot ruft meist weitere körperliche Reaktionen und Verhaltensreaktionen hervor: oft von Unruhe, Angst und Panik begleitet! Dyspnoe als… Folge unterschiedlicher Ursachen: Somatische Ursachen: • Pulmonal • Extrapulmonal • Kardial • Neuromuskulär • Hb ↓ Psychische Ursachen: • Stress, Angst • Angststörungen • Depressionen • Somatoforme Störung Lebenszeit-Prävalenzen (Europa) Disorder Prevalence (%) Any Mood Disorder Major Depression 14.0 12.8 Dysthymia Any Anxiety Disorder Panic Disorder 4.1 13.6 2.1 Agoraphobia Specific Phobia Social Phobia 0.9 7.7 2.4 PTSD 1.9 GAD 2.8 Alonso et al. Acta Psychiatr Scand 2004, 109:21-27. Depression – Kriterien (ICD-10) Hauptsymptome Gedrückte Stimmung, Freudlosigkeit Interessenverlust, Antriebsmangel, Ermüdbarkeit Nebensymptome Verminderte Konzentrationsfähigkeit Vermindertes Selbstwertgefühl Schuldgefühle, Wertlosigkeit Schlafstörungen, Appetitverlust Suizidalität Körperliche Beschwerden Depression: häufige somatische Symptome Atmung Druck auf der Brust, Atemenge, Atemnot HerzKreislauf Herzrasen, Herzstolpern, Druck auf der Brust Magen-Darm Appetit , Übelkeit, Brechreiz, Völlegefühl, Blähungen, Aufstossen, Druckgef., Krämpfe, Verstopfung, Durchfall Urogenital Blasenstörungen, Harndrang, Libidoverlust Bewegungsapparat Schweregefühl in Gliedern, Muskelverspannungen, Gelenk-, Rücken- und Muskelschmerzen, oft wandernd Haut Missempfindungen am ganzen Körper Vegetative Symptome Mundtrockenheit, Globusgefühl, Schwitzen, Hitzewallungen, Kälteschauer, Geschmackstörungen Schlaf Ein-, Durchschlafstörungen, Früherwachen, Alpträume Depression in der Hausarztpraxis 69% körperliche Beschwerden andere n=1146 depressive Patienten 69% suchten den Hausarzt ausschließlich wegen körperlichen Beschwerden im Rahmen der Depression auf ! Simon et al. N Engl J Med 1999; 341: 1329 – 1335. CAVE: Depression und körperliche Erkrankungen Depression und angstbedingte Atemnot bei somatischen Grundleiden mit Dyspnoe: COPD bis zu 45% Opolski et al. Clin Pract Epidemiol Ment Health 2005; 1:18. Asthma bis zu 45% Opolski et al. Clin Pract Epidemiol Ment Health 2005; 1:18. Herzinsuffizienz bis zu 40% Baldwin et al. Int J Geriatr Psychiatry 2003; 18(9): 829-838. Angsterkrankungen: Angsttypen Spontane Angst Anfallsartig: Panikstörung Durchgehend: Generalisierte Angststörung Objekt- und situationsbezogene Angst Phobien: Agoraphobie: z.B. Menschenmengen, Reisen mit weiter Entfernung von zu Hause Spezifische Phobie: z.B. Tiere, Höhen, Blut Soziale Phobie: Angst vor prüfender Betrachtung und Bewertung durch andere Drei Ebenen der Angst Körperlicher Teil Psychischer Teil Verhaltensbezogener Teil Diagnostische Relevanz: Die verschiedenen Anteile werden nicht von allen Menschen gleich wahrgenommen Drei Ebenen der Angst Körperliche Ebene • Schwindel • Muskelanspannung • Erröten, Erblassen • Mundtrockenheit • Kurzatmigkeit, Atemnot • Erstickungsgefühle • Brustschmerzen • Herzklopfen, Herzbeben • Schwitzen, kalte Hände • Übelkeit, Bauchschmerzen • Durchfall, Harndrang • Kribbeln/Taubheit • Zittern, Beben, weiche Knie Psychische Ebene • Angst zu sterben • Angst vor Kontrollverlust • Angst „durchzudrehen“ • Verrückt zu werden • Entfremdungsgefühle • Ohnmachtsgefühle • Konzentrationsschwierigkeiten Verhaltensebene • Kampf („fight“) • Fluchtreaktion („flight“) • Vermeidung (“avoidance“) Hyperventilation Körperliche Ebene • Schwindel • Muskelanspannung • Erröten, Erblassen • Mundtrockenheit • Kurzatmigkeit, Atemnot • Erstickungsgefühle • Brustschmerzen • • • • Herzklopfen, Herzbeben Schwitzen, kalte Hände Übelkeit, Bauchschmerzen Durchfall, Harndrang Psychische Ebene • • • • Angst zu sterben Angst vor Kontrollverlust Angst „durchzudrehen“ Verrückt zu werden • Entfremdungsgefühle • Ohnmachtsgefühle • Konzentrationsschwierigkeiten • Kribbeln/Taubheit • Zittern, Beben, weiche Knie HYPERVENTILATION Panikstörung – Kriterien (ICD-10) Panikattacken: Plötzlich, unerwartet, kein eindeutiger Auslöser, keine Erklärung Körperliche Beschwerden: Herzklopfen, Brustschmerz, Schwitzen, Zittern, Atemnot, Kurzatmigkeit, Erstickungsgefühl, Taubheit, Hitzewallungen/Kälteschauer, Schwindel etc. Psychische Beschwerden: Angst zu sterben, Kontrolle zu verlieren Kein organischer Faktor Erwartungsangst, die zu Funktionseinschränkungen führen kann Generalisierte Angststörung – Kriterien (ICD-10) Allgemeine Ängstlichkeit und Besorgtheit in Bezug auf viele verschiedene Alltagssituationen Befürchtung, dass diese Sorgen unkontrollierbar sind („Meta-Sorgen“) Motorische Spannung Vegetative Übererregbarkeit Dauer: mehrere Monate Generalisierte Angststörung: Symptome Psychische Symptome Somatische Symptome • Ängstlichkeit / Besorgtheit (“worrying”) • Muskelanspannung • Übelkeit, Durchfall • Insomnie • Schwitzen • Müdigkeit • Harndrang • Reizbarkeit • Herzbeben • ständiges “auf dem Sprung sein” • Atembeschwerden • Konzentrationsstörungen Teufelskreis Angst - Dyspnoe Körpersymptome (Atembeschwerden) Bewertung als Bedrohung/Gefahr Angst Behandlung von Dyspnoe (i.R.v. Angst & Depression) Aufklärung Zusammenhänge zwischen Angst/Depression und Atembeschwerden Psychotherapie Evidenzbasiert: kognitive Verhaltenstherapie (kVT) Pharmakotherapie Erste Wahl: SSRI Akuttherapie: Benzodiazepine Andere z.B. Bewegung/körperliche Aktivität, Atemtherapie Zusammenfassung Atemnot bedarf umfassender Abklärung Atemnot = typisches Symptom an der Schnittstelle von Körper und Psyche Atemnot = häufiges Symptom psychischer Erkrankungen, insbesondere von Angsterkrankungen und Depressionen Körperlich bedingte Atemnot wird oft durch eine psychische Komponente verschlimmert und oft übersehen Oft entsteht ein Teufelskreis aus Atemnot und Angst Therapie der nichtorganischen Symptomatik: Moderne AD in Kombination mit kVT, orale Benzodiazepine in Akutsituationen Atemtherapie – Einführung I Der normalerweise automatisch ablaufende Vorgang des Atmens kann bewusst beeinflusst werden Atmung steht in Wechselwirkung mit psychischen und physischen Veränderungen Beeinflusst Herzfunktion, Sauerstoffversorgung, Blutkreislauf und Stoffwechsel, ZNS und verschiedene Bewusstseinsvorgänge Atemtherapie – Einführung II Unterscheidung zwischen der Therapie DER Atmung (befasst sich mit Krankheiten und Funktionsstörungen von Lunge und Stimmapparat) UND Therapie MIT dem Atem als Selbsterfahrung Ziel: Körperbereiche, Blockaden und Verspannungen, die der Wahrnehmung entzogen sind, werden spürbar und können gelöst werden Ziel: Vertrauen in den Körper kann wieder gewonnen oder neu gefunden werden Atemtherapie – Indikationen & Anwendungsbereiche Atemstörungen: Asthma, chronische Bronchitis Funktionelle Störungen des Herz- und Kreislaufsystems und des Verdauungstraktes Psychosomatische Störungen Erschöpfungs- und Spannungszustände Depression Angststörungen Schlafstörungen Einsatz auch bei Sängern, Rednern und Schauspielern zur Erweiterung der Atemräume und Förderung der Bühnenpräsenz Atemtherapie – Buteyko-Technik Atemtechnik nach Buteyko Entwickelt von Dr. K. Buteyko Mitte des 20. Jhdt Kern der Lehre basiert auf der Erkenntnis, dass Atemprobleme meist durch Überatmung (chronische Hyperventilation) entstehen In Russland seit 1988 offiziell anerkannt in GB seit 2008 anerkannt zur Asthmabehandlung als „wahrscheinlich wirksam“ in Deutschland von der Bundesärztekammer als „nützlich“ anerkannt Buteyko-Technik (BBT) – ausgewählte Evidenzen Signifikante Verbesserung der Lebensqualität und signifikante Reduktion des Gebrauchs von Sprays bei Asthmapatienten Opat et al. J Asthma 2000; 37(7): 557-564. Signifikante Reduktion der Kortikosteroid-Therapie Cowie et al. Respir Med 2008; 102(5): 726-732. Signifikant besserer Outcome in Bezug auf Lebensqualität durch BBT als durch andere Atemtechnik Prem et al. Clin Rehab 2013; 27: 133-141. Reduktion der Medikation auch bei Kindern McHugh et al. N Z Med J 2006; 119(1234).