HERZLICH WILLKOMMEN ZUR CME-EINHEIT ATEMNOT Diese Einheit ist Teil des Notfallkoffers Palliativmedizin, der insgesamt vier CME-Einheiten umfasst: • Schmerz • Atemnot • Gastrointestinale Symptome • Akute Verwirrtheitszustände Tipps zur Bedienung Die Einheit besteht aus vertonten Folien, bitte aktivieren Sie Ihre Lautsprecher oder Kopfhörer. Klicken Sie am Ende jeder Folie unten links auf den Weiter-Button, um mit der nächsten Folie fortzusetzen. Notfallkoffer Palliativmedizin – Atemnot 1 Lernziele für diesen Kurs • Unterscheidung verschiedener Ursachen für Atemnot • Einordnen von Atemnot als Symptom in den Gesamtkontext einer fortgeschrittenen Erkrankung und daraus resultierend die Planung des therapeutischen Vorgehens • Auswahl geeigneter Medikamente zur Therapie der Dyspnoe • Einsatz nicht-medikamentöser Maßnahmen • Bewältigung einer Dyspnoeattacke Was Sie in dieser E-Lecture erwartet: • Versuch einer Definition • Häufigste Ursachen für Dyspnoe bei Palliativpatienten • Medikamentöse Therapie der Dyspnoe • Nicht-medikamentöse Maßnahmen • Behandlung einer massiven Atemnotattacke 2 Dyspnoe: Begriffserklärung = Zustand subjektiv erlebter Atemnot (Lufthunger, Luftnot), dessen Schwere nur der Patient selbst beurteilen kann nicht ohne Weiteres messbar kann nicht mit pathophysiologischen Veränderungen gleichgesetzt werden Häufigkeit der Dyspnoe • 40-60% der Patienten mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen haben Dyspnoe • 80% der Patienten in den letzten 24h vor dem Tod leiden an Dyspnoe 3 Mögliche Auslöser für Dyspnoe sind • erhöhte Atemarbeit • im Verhältnis zur Sauerstoffaufnahme unproportional hohe Atemarbeit • Gasaustauschstörung • ununterbrochene Reizung des Atemzentrums • subjektive Komponente Übung (1/2) Nehmen Sie sich einen Strohhalm und atmen Sie durch diesen für einige Minuten ein und aus. Halten Sie sich dabei die Nase zu. Bitte achten Sie gut auf sich und machen Sie die Übung nur solange diese für Sie zuträglich ist! Springen Sie nach Beendigung der Übung zur nächsten Folie. 4 Übung (2/2) Konnten Sie die Übung problemlos durchführen? Was haben Sie dabei erlebt? Konnten Sie sich nebenbei noch gut mit anderen Dingen beschäftigen? Dyspnoe: Circulus vitiosus Atemnot Panik erhöhter Sauerstoffverbrauch gesteigerte Stoffwechselaktivität 5 URSACHEN FÜR ATEMNOT BEI PALLIATIVPATIENTEN Pharyngotracheal Pleuropulmonal Kardiovaskulär Extrathorakal Sonstige Ursachen der Atemnot: Pharyngo-tracheal / Pleuro-pulmonal Obstruktiv Restriktiv Verengung oder Verlegung der Atemwege Verminderung der Lungenvolumina bzw. der Ausdehnungsfähigkeit der Lunge: Trachealstenose Glottisödem COPD Tumoren Pleuraerguss Tumor Pneumonie Atelektase Fibrose Lymphangiosis carcinomatosa 6 Ursachen der Atemnot: Kardiovaskular / Extrathorakal Kardiovaskulär Herzinsuffizienz mit Lungenstauung Lungenödem Lungenembolie Perikarderguss Extrathorakal Muskulär: Insuffizienz der Atemmuskulatur Abdominell: Gegendruck auf Zwerchfell Neurologische Erkrankungen, z.B. ALS Kachexie Querschnittsymptomatik Aszites Großer abdomineller Tumor Ileus mit ausgeprägter Überblähung Hepatomegalie Ursachen der Atemnot: Sonstige Sonstige Fieber Anämie (v.a. bei akuter Blutung oder Hämolyse) psychogen zentral vermehrter Sauerstoffbedarf vermindertes Sauerstoffangebot Hyperventilation bei ZNS-Erkrankungen 7 Achtung Stolperfalle! Häufig liegen mehrere Ursachen gleichzeitig vor: zum Beispiel: pulmonale Lymphangiosis carcinomatosa + maligner Pleuraerguss + Pneumonie Diagnostik Hauptziel: Verbesserung der individuellen Lebensqualität nicht aus dem Auge verlieren: so wenig belastend wie möglich keine Messung um der Messung willen 8 Ist Atemnot messbar? Dyspnoe-Assessment Dyspnoe - Fremdeinschätzung Dyspnoe-Skalierung nach der American Thoracic Society 0 Keine Dyspnoe Keine Beschwerden bei raschem Gehen in der Ebene oder leichtem Anstieg 1 Mild Kurzatmigkeit bei raschem Gehen in der Ebene oder leichtem Anstieg 2 Mäßig Kurzatmigkeit: in der Ebene langsamer als Altersgenossen, Pausen zum Atemholen auch bei eigenem Tempo Pausen beim Gehen 3 Schwer nach einigen Minuten oder nach etwa 100 Metern im Schritttempo 4 Sehr schwer Zu kurzatmig, um das Haus zu verlassen. Luftnot beim An- und Ausziehen Einschätzung der Untersucherin: VAS oder NRS Scores Therapie der Atemnot: 2 essentielle Fragen vorab 1. Ist die Ursache der Dyspnoe reversibel oder irreversibel? 2. Befindet sich der Patient unmittelbar im Sterbeprozess? Therapie kausal oder symptomatisch oder kombiniert 9 Therapie der Atemnot Ziele CO2-Abatmung Atemarbeit Atemfrequenz angstvollen Wahrnehmung Erkrankungsspezifische Therapie Symptomatische Therapie z.B. Tumorspezifische Therapie (Chemotherapie, Bestrahlung, OP) Antibiotika bei Pneumonie Nicht-medikamentöse Maßnahmen Medikamentöse Therapie Therapie der Atemnot: Begleitende Maßnahmen • frische Luft zuführen (Fenster öffnen, Ventilator) • Befreiung von enger Kleidung • Lagerung • Physiotherapie (Atemtechniken, Sekretmobilisierung, Einsatz eines Rollators) • Luftbefeuchtung, Inhalation • Entspannungstechniken erlernen (mittelfristig) • Aufklärung (Patient und Angehörige) • Sicherheit geben, ggf. Notfallplan erstellen 10 SYMPTOMATISCHE MEDIKAMENTÖSE THERAPIE DER ATEMNOT Opioide NichtOpioide Therapie der Atemnot: Wirkung der Opioide Toleranz des Atemzentrums gegenüber CO2-Erhöhung ↑ Atemfrequenz ↓ Atemzugvolumen ↑ Dämpfung der emotionalen Reaktion am limbischen System gesteigerte Atemarbeit ↓ Angst und Unruhe ↓ Ökonomisierung der Atmung CO2-Elimination ↑ Angst und Unruhe ↓ 11 Therapie der Atemnot mit Nicht-Opioiden • Anxiolytika/Sedativa • Kortikosteroide • Bronchodilatatoren • Antibiotika • Diuretika • Sekretolytika • Anticholinergika (Sekretreduktion) • Sauerstoff Therapie der Atemnot: Nicht-Opioide Anxiolytika Kortikosteroide Sauerstoff wenn Dyspnoe gleichzeitig mit Angst und Panik verbunden ist vor allem bei Obstruktionen und Lymphangiosis carcinomatosa Nutzen bei terminal Kranken nicht ausreichend untersucht Einsatz häufig nach „trial and error“ Messung der O2-Sättigung kann bei der Entscheidung helfen abschwellend und entzündungshemmend Benzodiazepine (Lorazepam, Midazolam) Phenothiazine (Levomepromazin, Promethazin) Dexamethason Bruera (2003): O2 nur bei Hypoxie Philip (2006): keine Verbesserung der Dyspnoe bei hypoxischen Patienten durch nasale O2-Gabe von 4l/min bei Ruhedyspnoe mit ausgeprägter Zyanose evtl. Korrektur der Hypoxämie sinnvoll 12 Pleuraergüsse: Therapie • Pleurapunktion • Pleurodese - profitiert der Patient vorab von Punktion? - Karnofsky >40% - Goldstandard: thorakoskopische Talkumpleurodese (Erfolg >90%) • Dauerdrainage (PleurX®) Akute Dyspnoeattacke: Häufigste Ursachen bei Palliativpatienten • Stridor • Bronchospasmus • Lungenödem • obere Einflussstauung • Insuffizienz der Atemhilfsmuskulatur (ALS) • Pneumonie • Pleuraerguss • Lungenembolien • … 13 Akute Dyspnoe: Symptomatische Therapie Nicht-medikamentös: Medikamentös (je nach vermuteter Ursache): 1. Ruhe bewahren 1.Opioide 2. Frischluft zuführen (Fenster öffnen, Ventilator) 2.Benzodiazepine 3. Nicht alleine lassen 4.Bronchodilatatoren 3.ggf. O2 5.Furosemid 6.Dexamethason 7.Inhalation von Suprarenin (1:5) Akute Dyspnoe: Opioide - Mittel der ersten Wahl Opioid-naiver Patient Patient mit Opioid-Vorbehandlung Morphin 2mg i.v. + Antiemetikum (z.B. 10mg MCP), dann langsam in 1mg-Schritten hochtitrieren, bis für den Patienten spürbarer Effekt erreicht wird Morphin i.v., Ausgangsdosis ist die Menge der bisherigen Bedarfsmedikation* (umgerechnet auf i.v. Applikation), dann ebenfalls titrieren Fortsetzung mit kontinuierlicher Gabe Fortsetzung mit kontinuierlicher Gabe Ggf. Basisopioiddosis um 25-50% erhöhen Es gelten die gleichen Prinzipien wie bei der Tumorschmerztherapie. Alternative zur intravenösen Gabe wären transmukosale Fentanyle (nasal, sublingual, buccal). * = 1/6 der bisherigen Tagesgesamtdosis des Opioids 14 Akute Dyspnoe: Benzodiazepine - Mittel der zweiten Wahl anxiolytisch, distanzierend können Circulus vitiosus durchbrechen Zumeist eingesetzte Wirkstoffe: Lorazepam Midazolam 0,5-1mg (-2,5mg) sublingual oder i.v. akute Exacerbation: 2,5(-5)mg langsam i.v. kontinuierlich: 5(-10)mg/24h palliative Sedierung (unter Überwachung) Sonderfall: Akute obere Einflussstauung - Therapie • hochdosierte Kortikosteroide - häufig eingesetzt, aber nicht in Studien untersucht • Radiotherapie - überwiegend bei Patienten mit Lungenkarzinom untersucht - Ansprechen ca. 60-90% (abhängig von Tumorentität) nach 7-14 Tagen (Wirkbeginn frühestens nach 72h) - Rezidivrate ca. 20% (beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom) • Chemotherapie - Ansprechen 60-75%, Wirkungseintritt wie bei Strahlentherapie • Stent-Einlage - Ansprechen ca. 90% Besserung nach 24h 15 Zusammenfassung der Lerneinheit • Dyspnoe ist die subjektive Empfindung von Atemnot, die nicht immer mit pathophysiologischen Veränderungen korreliert. Sie kann durch Skalen und Scores erfasst werden. • Auch bei Palliativpatienten ist die Kenntnis um die Ursachen unter anderem wegweisend für die Entscheidung zur weiteren Therapie, die kausal aber auch symptomatisch (oder kombiniert) erfolgen kann. • Es werden nicht-medikamentöse und medikamentöse Behandlungsstrategien eingesetzt • Mittel der ersten Wahl zur Behandlung der akuten Atemnotattacke sind Opioide ggf. kombiniert mit Benzodiazepinen, wobei immer eine Dosistitration erforderlich ist. VIELEN DANK FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT! Bearbeiten Sie zum Abschluss den CME-Wissenstest. Bei erfolgreicher Teilnahme erhalten Sie 2 CME-Punkte. Bewerten Sie diese CME-Einheit und nehmen Sie an der Online-Evaluation (5 Minuten) teil. Damit helfen Sie uns, das Angebot besser auf Ihren Bedarf auszurichten. Literatur Clemens KE, Klaschik E. Respiratorische Symptome. In: Aulbert E, Nauck F, Radbruch L, Hrsg. Lehrbuch der Palliativmedizin. 3. Aufl. Stuttgart: Schattauer 2012: 366-384 Albrecht E. Dyspnoe In: Bausewein C, Roller S, Voltz R, Hrsg. Leitfaden Palliative Care. 4. Aufl. München: Elsevier; 2010: 380-386 Bausewein C, Simon ST. Atemnot und Husten bei Palliativpatienten. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(33-34): 563-72 Jennings AL, Davies AN, Higgins JP, Broadley K: Opioids for the palliation of breathlessness in terminal illness. Cochrane Database of Systematic Reviews(4): CD002066. 16