Nervenphysiologie 3.4.3

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Bewegungssystem
Nervenphysiologie
3. 4. 3
Bau und Einteilung der Neurone
präsynaptische Endigung
Dendriten
Zellkörper
Axonhügel
Axon
Neurone bestehen aus einem Zellkörper und Nervenfortsätzen und sind zur Erregungsbildung sowie zur Erregungsleitung fähig. Sie lassen sich anhand der Anzahl
ihrer Fortsätze einteilen. Die meisten Nervenzellen haben ein Axon, welches elektro­
nische Impulse zu anderen Neuronen oder zu Muskelzellen weiterleitet, und mehrere
Dendriten, die Impulse aus anderen Zellen aufnehmen. Diese Form wird multipolar
genannt.
Nervenzellen haben kein eigenes Stützgewebe sowie keine eigene Abwehrfunktion
und können sich nicht alleine ernähren. Diese Aufgaben übernehmen die Gliazellen
(Stützzellen). Gliazellen isolieren die Nervenzellen auch elektrisch voneinander, was
für die Reizweiterleitung von enormer Bedeutung ist.
Nervenfasern bestehen aus dem Axon und den sie umhüllenden Gliazellen, diese
bilden die Nervenscheide oder Markscheide [Abb. 1]. In der Peripherie werden diese um­
hüllenden Zellen Schwann`sche Zellen genannt. Sie umwickeln die Axone mehrfach.
Aber nicht alle Axone sind umwickelt. Dementsprechend unterscheidet man Nerven­
zellen in markscheidenhaltig und markscheidenfrei. Weiterhin werden Nervenfasern
hinsichtlich ihrer Länge, Dicke, Funktion und Leitungsgeschwindigkeit eingeteilt
[Tab. 1].
Die Länge von Nervenfasern variiert zwischen wenigen Millimetern (im ZNS) und
einem Meter (z. B. vom Rückenmark zum Fuß im PNS). Die Reizleitungsgeschwindig­
keit der einzelnen Nervenfasern ist sehr unterschiedlich. Sie ist höher bei myelinisier­
ten Nervenfasern (mit Markscheide) und bei dickeren Nervenfasern. Schmerzfasern
sind oft nicht umhüllt und können deshalb manchmal sehr langsam, dafür lang anhal­
tend leiten.
Name
Durchmesser
der Nervenfaser
Vorkommen
(Beispiele)
Aa
10 – 20 μm
Motoneurone, die die Skelettmuskulatur inner­
vieren
60 – 120 m/s
Ab
7 – 15 μm
afferente Fasern von Hautrezeptoren für Berüh­
rung und Druck
40 – 90 m/s
Schwann`sche Zellen
Ad
2 – 6 μm
afferente Fasern von Rezeptoren für Tempera­
tur, Schmerz und Druck
15 – 25 m/s
Ranvier`scher
Schnürring
B
1 – 3 μm
efferente Fasern, sympathisch, präganglionär
3 – 15 m/s
C
0,5 – 2 μm,
markscheidefrei
afferente Fasern von Rezeptoren für Eingewei­
deschmerz, grobe Berührungen
0,5 – 2 m/s
präsynaptische
Endigung
[1] Schema eines typischen
­Neurons
200
[Tab. 1] Einteilung der Nervenfasern
Leitungs­
geschwindigkeit
3
Nervensystem
Schnittstelle zwischen Nerven- und Bewegungssystem
Die Skelettmuskulatur wird durch motorische Nervenfasern des PNS erregt. Dies Tiefensensibilität | 199
löst die eigentliche Muskelkontraktion und damit die Bewegung (Motorik) aus [Abb. 2]. Vestibularorgan | 196
Das ZNS erhält Informationen über die Muskulatur durch sensorische Nervenfasern. Synapse | 25
Die sensorischen Nervenfasern leiten Informationen über den Spannungszustand Aktin und Myosin | 22
und damit über die Lage und die Stellung der einzelnen
Muskeln an das ZNS. Diese Informationen stammen
Axon
von den Propriorezeptoren in den Muskeln. Sie geben
Informationen über die |Tiefensensibilität.
Endknöpfchen
Weitere Informationen über die Stellung des gesam­
ten Körpers in Bezug zum Schwerkraftfeld der Erde wer­
synaptischer Spalt
den mit Hilfe des |Vestibularorgans im Innenohr ermit­
telt.
Die neuromuskuläre Übertragung, die Übertragung
der Erregungen von der Nervenzelle auf einen Muskel, Muskelzellen
Rezeptor
erfolgt an der motorischen Endplatte [Abb. 3]. Sie ist eine
für Erregungssto¤
Sonderform der |Synapse. Soll ein Muskel erregt werden,
Transmitter
wird an der motorischen Endplatte der Transmitter Aze­
tylcholin ausgeschüttet. Daraufhin wird innerhalb der [2] Erregungsübertragung am Muskel
Myofibrille Kalzium ausgeschüttet. Dieses ermöglicht
sensorische
die Bindung zwischen |Aktin und Myosin.
Rückenmark
Nervenfaser
Reflexbogen
Reflexe sind unwillkürliche, sehr schnelle motorische
Reaktionen auf äußere Reize, welche eine umgehende
Reaktion zur Gefahrenabwehr brauchen. Dies kann z. B.
bei Schmerzreizen der Fall sein, die zu einem sofortigen
Zurückziehen der Hand führen, bevor der Schmerz be­
wusst vom Gehirn wahrgenommen wird. Über reflexar­
tige Zellverbände regelt das Rückenmark die Anspannung
der Muskulatur und übernimmt so wichtige Halte- und
Stellfunktionen.
Ein Reflexbogen [Abb. 4] besteht aus dem
π Wahrnehmungsorgan (Rezeptor), das den
Reiz aufnimmt (z. B. Schmerz),
π sensiblen Nerv, der den Reiz zum
Rückenmark leitet,
π Reflexzentrum im Rückenmark, das den
sensiblen Reiz auf eine motorische Zelle
umschaltet, die ihrerseits erregt wird,
π motorischen Nerv, der den neuen Bewegungs­
impuls zum Muskel leitet, sowie
π dem Erfolgsorgan (i. d. R. ein Muskel).
Me
ld
Scapula
un
g
M. biceps brachii
Propriorezeptoren
l
feh
Be
weiße Substanz
motorische
Endplatte
motorische
Nervenfaser
graue Substanz
[3] Innervation der Muskeln am Bewegungsapparat
nm
e
ck
Rü
sensibler Nerv
ventral
graue Substanz
motorischer Nerv
[4] Reflexbogen
201
k
ar
dorsal
weiße Substanz
Bewegungssystem
Man unterscheidet Eigen- und Fremdreflexe. Beim Auslösen eines Eigenreflexes sind
Wahrnehmungs- und Erfolgsorgan identisch. So führt eine plötzliche Dehnung der
Patellarsehne, z. B. durch einen Schlag mit dem Reflexhammer, zu einer reflekto­
rischen Kontraktion der Muskelsehne des M. quadriceps, wodurch das Knie gestreckt
wird. Dieser Reflex dient der schnellen Gefahrenabwehr, z. B. beim Stolpern.
Beim Fremdreflex unterscheiden sich Wahrnehmungs- und Erfolgsorgan. Ein ty­
pischer Fremdreflex entsteht, wenn die Bauchhaut von außen nach innen bestrichen
wird und sich reflektorisch die Bauchwandmuskulatur zusammenzieht.
Grundlagen der Bioelektrizität
Ion
positiv oder negativ elektrisch
geladenes Atom oder Mole­
kül
Kathode
negative Elektrode
Anode
positive Elektrode
Permeabilität
permeabilis, lat. = durchlässig
Jede menschliche Zelle – ob es sich um eine Darmzelle oder ein Neuron handelt – ist
gegenüber dem Umgebungsmedium elektrisch geladen. Sinnes-, Muskel- und Ner­
venzellen sind sogar darauf spezialisiert, auf elektrische Erregung zu reagieren bzw.
selbst elektrische Signale zu erzeugen. Im Mensch wird Elektrizität allerdings völlig
anders erzeugt und weitergeleitet, als dies aus der Technik bekannt ist.
Der Mensch besteht, je nach Geschlecht und Alter, zu 50 –75 % aus Wasser. Daher
fließen die Ströme hier in einer wässrigen Lösung. Anders als in einem Leiter aus
Metall, durch den Elektronen fließen, wird der Strom in wässrigen Lösungen durch
|Ionen getragen. Reines Wasser enthält kaum Ionen und leitet den elektrischen Strom
schlecht. Löst man aber Salze im Wasser, dann erhöhen die gelösten Ionen die elek­
trische Leitfähigkeit der Lösung. Die positiv geladenen Kationen wandern zur |Katho­
de, die negativ geladenen Anionen zur Anode. Auch die mit Flüssigkeit gefüllten Räu­
me in den Lebewesen enthalten gelöste Salze.
Als Folge der selektiven |Ionenpermeabilität von Biomembranen ergibt sich bei
­allen menschlichen Zellen im Zellinnern eine andere Ionenkonzentration als in der
Flüssigkeit außerhalb der Zelle. Das Zellinnere ist arm an Natrium- (Na+) und Chlo­
ridionen, dafür aber reich an Kaliumionen (K+) und organischen Anionen, während
auf der Außenseite der Zelle genau das Gegenteil zutrifft. Diese Ungleichverteilung
von Ionen ist der Grund dafür, dass sich eine Potenzialdifferenz über der Zellmembran
ausbildet. Das geschieht automatisch allein auf Grund der unterschiedlichen Ionen­
konzentrationen auf beiden Seiten der Membran.
Ruhepotenzial
Sticht man mit Mikroelektroden in eine beliebige Körperzelle ein, ist immer eine
Potenzialdifferenz gegenüber dem Umgebungsmedium messbar. Fast immer ist das
Zellinnere gegenüber der Außenseite negativ geladen. Bei dieser Potenzialdifferenz,
die allen menschlichen Zellen eigen ist, spricht man vom Ruhepotenzial. K+ und Na+
bestimmen das Ruhepotenzial. Das Gleichgewichtspotenzial stellt sich nur im hypo­
thetischen Modell ein, bei dem die trennende Membran nur für eine Ionenart perme­
abel ist. Die Zellmembran der Zelle ist aber für verschiedene Ionen durchlässig. Alle
vorkommenden Ionen zusammen bestimmen das Ruhepotenzial der Zelle.
Jedes Membranpotenzial kommt durch Ionen zu Stande, die Ladungen von der ei­
nen Seite der Membran auf die andere transportieren. Weil die Membran für einige der
Ionen nicht permeabel ist, entsteht eine Ladungstrennung. Daraus lässt sich weiter
folgern, dass der Beitrag einer Ionenart zum Membranpotenzial umso kleiner sein
wird, je geringer die Permeabilität für diese Ionenart ist. Daher wird die Ionenart, die
am leichtesten die Membran durchdringt, den größten Beitrag zum Ruhepotenzial
leisten.
Das Ruhepotenzial eines menschlichen Neurons liegt typischerweise zwischen – 40
und – 75 mV. Dieser Wert ist positiver als das Gleichgewichtspotenzial von K+, aber weit
negativer als das Gleichgewichtspotenzial von Na+. Das hat seinen Grund darin, dass
die Zellmembran in Ruhe wesentlich besser für K+ als für Na+ permeabel ist.
202
3
Nervensystem
Das Ruhepotenzial von Neuronen wird demnach hauptsächlich durch K+ bestimmt.
Weil aber immer etwas Na+ in die Zelle einsickert, leistet auch dieses Ion seinen Beitrag.
Auch wenn Na+-Ionen im Ruhezustand wenig zum Membranpotenzial einer Nerven­
zelle beitragen, lohnt es sich zu fragen, was passieren würde, wenn die Membran für
Na+-Ionen permeabel wäre: Für Na+-Ionen ist das Konzentrationsgefälle ins Zellinnere
gerichtet. Gleichzeitig werden diese Ionen vom elektrisch negativen Zellinnern ange­
zogen [Abb. 1]. Es besteht also eine sehr starke Tendenz für Na+-Ionen, ins Zellinnere
einzudringen. Das Ruhepotenzial stellt also eine Form von gespeicherter elektroche­
mischer Energie dar. Diese Energie kann sich in einen Stromfluss verwandeln, sobald
die Membran für Natriumionen durchlässig wird.
Da im Ruhezustand ständig einige Natriumionen in die Zelle einsickern, müsste
das Ruhepotenzial eigentlich immer kleiner werden und allmählich verschwinden.
Das ist nicht der Fall, da ein Transportprotein in der Zellmembran ständig die eindrin­
genden Na+-Ionen entfernt. Diese sogenannte Natrium/Kalium-Pumpe nimmt auf der
Zellinnenseite Natriumionen auf und transportiert sie auf die Zellaußenseite. Im Ge­
genzug befördert dieser Transporter Kaliumionen unter ATP-Verbrauch ins Zellinnere.
In Nervenzellen werden 50 – 70 % des gesamten Energieumsatzes für die Natrium/
Kalium-Pumpe aufgewendet. Die elektrochemische Energie, die das Ruhepotenzial
darstellt, dient hier zur Erzeugung von elektrischen Signalen, den Aktionspotenzialen.
Da Aktionspotenziale mit einem Einstrom von Na+ in die Zelle verbunden sind, muss
die Natrium/Kalium-Pumpe verstärkt aktiv werden, um immer wieder das Ruhepoten­
zial zu regenerieren. Elektrisch inaktive Zellen, die kein Aktionspotenzial erzeugen,
wenden dagegen nur 30 % ihres Energieumsatzes für die Natrium/Kalium-Pumpe auf.
extrazelluläre Flüssigkeit
Kaliumkanal:
o¤en, dynamisches Gleichgewicht
Natriumkanal:
geschlossen
Na+
K+
K+
elektromotorische Kraft
[K+]
elektromotorische Kraft
Na+
[Na+]
Natrium/Kalium-Pumpe:
transportiert Natriumionen im Austausch
gegen Kaliumionen unter Energieaufwand
nach außen
Na+
Na+
+ + + + + +
Na+
Konzentrationsgefälle [Na+]
Na+ Na+ Na+
Zellmembran
Konzentrationsgefälle [K+]
K+
K+
K+
K+
K+
K+
– – – – – –
Zellinneres
negativ geladen
Na+
Na+
ATP
ADP +
K+
K+
Zellinneres
[1] Vorgänge, die zur Entstehung und Erhaltung des Ruhepotenzials beitragen
203
K+
P
Bewegungssystem
Aktionspotenzial
Membranpotenzial in mV
40
Aktionspotenzial
0
2
Überschuss
4
6
8
Zeit in ms
Schwellenpotenzial
–40
Depolarisation
Ruhepotenzial
–80
Hyperpolarisation
Reizstrom in nA
20
0
2
–20
4
6
8
Zeit in ms
2 ms
[1] Die Membran eines Neurons kann passiv auf Reizströme reagieren
oder mit einem Aktionspotenzial.
Wird die Zellmembran eines Neurons im Versuch mit
einem kurzen Strompuls gereizt, lassen sich zwei grund­
sätzlich verschiedene Reaktionen beobachten [Abb. 1]:
π Das Membranpotenzial kann passiv dem Reizstrom
folgen und dann langsam zum Ruhepotenzial zu­
rückkehren; passiv, weil die Membran wie ein Kon­
densator elektrische Ladung aufnimmt und dann
ableitet. Diese Reaktion tritt auf, wenn der Strom­
puls eine Hyperpolarisation der Membran bewirkt,
das Membranpotenzial also zunimmt (negativer
wird), oder bei einer schwachen |Depolarisation,
wenn das Membranpotenzial etwas abnimmt (po­
sitiver wird).
π Wird die Membran des Neurons dagegen bis zu
einem bestimmten ­Schwellenwert depolarisiert,
erfolgt keine passive Antwort [Abb. 1, gestrichelte rote
­Linie], sondern es wird aktiv ein elektrisches Signal
erzeugt [Abb. 1, durchgezogene rote Linie], das Aktionspo­
tenzial, auch Nervenimpuls genannt.
Eigenschaften des Aktionspotenzials
Zu den Eigenschaften von Aktionspotenzialen gehört es, dass sie nach dem Allesoder-nichts-Prinzip ausgelöst werden. Die Höhe des Aktionspotenzials hängt nicht
mit der Stärke des Reizstroms zusammen. Entweder wird das Schwellenpotenzial er­
reicht, dann entsteht ein voll ausgebildetes Aktionspotenzial, oder das Aktionspoten­
zial kommt gar nicht zu Stande. Stellt man Ableitungen von Aktionspotenzialen auf
Oszilloskop
einem |Oszilloskop dar, fällt ihre charakteristische Form auf. Nach einem eher lang­
elektronisches Messgerät zur samen Anstieg der Membrandepolarisierung bis zum Schwellenwert erfolgt eine blitz­
schnelle Depolarisation, die das Membranpotenzial über den Nullwert hinaus in positive
optischen Darstellung elek­
trischer Spannungen und de­ Werte hinein verschiebt. Fast ebenso schnell wird die Membran dann aber repo­larisiert,
d. h., sie wird gegenüber der Außenseite wieder negativ. Oft wird das Ruhepotenzial
ren Verlauf
dabei sogar kurzzeitig unterschritten (Hyperpolarisation). Aktionspotenziale dauern
meist nur 1 – 2 ms.
Entsteht an einer Stelle der Zellmembran ein Impuls,
absolute
relative
dann kann dort für eine gewisse Zeit kein zweiter Impuls
Refraktärzeit
Refraktärzeit
gebildet werden. Offenbar ist die Membran direkt nach
einem Aktionspotenzial nicht erregbar. Diese Zeitspan­
ne, in der kein Impuls erzeugt werden kann, wird als Refraktärzeit bezeichnet. Aus der Abbildung wird ersicht­
lich, dass es eine absolute Refraktärzeit gibt, in der die
Erregbarkeit der Membran auf null absinkt [Abb. 2]. Ihr
Reiz
schließt sich eine relative Refraktärzeit an, in der die
Membranerregbarkeit vermindert ist. Das Schwellenpo­
tenzial ist dann höher als normal, die Amplitude der Im­
pulse kleiner. Das Vorhandensein einer Refraktärzeit hat
v. a. zwei Konsequenzen: Aktionspotenziale können
nicht zu einer Art Dauererregung verschmelzen und es
Zeit nach dem wirksamen Reiz
gibt eine maximale Impulsfrequenz für jede Nervenzelle,
[2] Direkt nach einem Aktionspotenzial ist die Membran eine Zeit
die von der Länge der Refraktärzeit abhängt.
Membranerregbarkeit
Amplitude der
Erregung
Depolarisation
Umkehrung des Ruhepoten­
zials; durch Na+-Einstrom
wird das Zellinnere positiv
lang nicht oder nur vermindert erregbar.
204
3
Nervensystem
Entstehung des Aktionspotenzials
Im Ruhezustand ist das Zellinnere des Neurons gegenüber der Außenseite negativ
geladen. Na+-Ionen haben daher – und weil sie auf der Zellaußenseite etwa 10-fach
höher konzentriert sind – eine starke Tendenz, ins Zellinnere einzudringen, doch ist
die Zellmembran des Neurons für Na+-Ionen fast undurchlässig. In der Membran gibt
es zwar Ionenkanäle, die spezifisch für Na+-Ionen sind, sie sind aber normalerweise
verschlossen [Abb. 3, links oben]. Die herausragende Besonderheit dieser Natriumkanäle
liegt in ihrer Spannungsabhängigkeit: Als Antwort auf eine Membrandepolarisation
können sich die Natriumkanäle öffnen. Somit kommt ein Aktionspotenzial folgender­
maßen zu Stande:
1 Wird die Zellmembran des Neurons bis zum Schwellenwert depolarisiert,
­beginnen sich einige Natriumkanäle zu öffnen [Abb. 3, links unten]. Nun können
Na+-Ionen in die Zelle eindringen. Dadurch wird das Membranpotenzial positiver.
2 Je positiver das Membranpotenzial wird, desto mehr Natriumkanäle öffnen
sich. Folglich dringen auch mehr Na+-Ionen in die Zelle ein und umso schneller
verschiebt sich das Membranpotenzial zum Positiven. Dieses Verhalten der
­Natriumkanäle ist eines der wenigen Beispiele für einen durch positive Rück­
kopplung gesteuerten Vorgang im menschlichen Körper. Es erklärt, warum die
Depolarisation so „explosionsartig“ erfolgt.
3 Wenn sich das Membranpotenzial dem Natrium-Gleichgewichtspotenzial von
etwa +50 mV nähert, schließen sich die Natriumkanäle wieder, denn ein
zweites „Tor“ in den Kanälen sorgt dafür, dass sie immer nur kurzzeitig geöff­
net bleiben [Abb. 3, rechts unten]. Der Natriumeinstrom versiegt. Jetzt ist das Zellin­
nere im Vergleich zur Außenseite positiv geladen.
Das hat Auswirkungen auf die K+-Ionen: Für sie zeigt das Konzentrationsgefälle von
innen nach außen und durch den Natriumeinstrom ist das Zellinnere jetzt positiv ge­
laden. Wenn also – mit leichter Verzögerung gegenüber den Natriumkanälen – span­
nungsabhängige Kaliumkanäle in der Zellmembran öffnen, werden K+-Ionen mit gro­
ßer Kraft aus der Zelle getrieben, sodass das Zellinnere wieder negativ wird, es wird
repolarisiert [Abb. 3, rechts oben]. Das Ruhepotenzial stellt sich wieder ein.
Na+
Natriumkanal
geschlossen
außen
Na+
außen
K+
Natriumkanal
inaktiviert
Na
+
Refraktärzeit
Na+
Depolarisierung
bis zum
Schwellenpotenzial
innen
Na+
K+
innen
K+
außen
Na+
Natriumkanal
o¤en
Depolarisierung,
bis das Membranpotenzial positiv
wird (Überschuss)
Na+
innen
K+
K+
außen
K+
K
+
Repolarisierung
durch Ausstrom
von K+
Natriumkanal
inaktiviert
Na+
innen
K+
[3] Vorgänge in der Zellmembran während eines Aktionspotenzials: Spannungsabhängige Natriumkanäle ermöglichen die Depolarisation;
die vier Teilbilder zeigen den Zustand der Ionenkanäle in den rot markierten Phasen des Aktionspotenzials.
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